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200 200 200 www.boeckler.de Europa und Globalisierung Die deutsche Heeresindustrie ist technologisch führend in Europa. Als Reaktion auf die veränderte sicherheitspolitische Lage und die edition veränderten Anforderungen an die , sind die Industrieunternehmen jedoch gezwungen, ihre Fähigkeiten durch neue Architekturen, veränderte Komponenten und neue Software anzupassen und stärkeres Gewicht auf modulare Bauweise zu legen. Bei der Neu strukturierung dieses Sektors im europäischen Kontext ergibt sich für die Bundesregierung aufgrund der deut- schen Technologieführung eine besondere Verantwortung. Dabei sollte die auf jahrelanger Erfahrung beruhende Erkenntnis berücksichtigt werden, dass sich einseitige Opfer auf dem euro- päischen Altar nicht lohnen. Die Bundesregierung wird nicht umhin können, auch ihrerseits die nationalen Interessen im westeuropäischen Konsolidierungsprozess dieser strategischen Branche zu definieren und angemessen zur Geltung zu bringen. Sollte dies nicht möglich sein, wäre die bisherige Fixierung auf westeuropäische Kooperationsprojekte kritisch zu überprüfen und nach Alternativen in und außerhalb Europas zu suchen. Hartmut Küchle Die deutsche Landsystemindustrie kann nur begehrter Kooperationspartner und Nukleus einer internationalen Neustrukturierung werden, wenn sie ihre komparativen Stärken Die deutsche bewahrt und einen „Lead System Integrator“ herausbildet. Vorgeschlagen wird hier eine aktive Clusterpolitik, bei der eine Heeresindustrie Verzahnung von Industrie, Forschung und Politik erfolgt, die über eine bloße Konzentration von Industriefähigkeiten hinausgeht. in Europa Die deutsche Heeresindustrie deutsche Die Europa in Hartmut Küchle

ISBN 978-3-86593-080-4 € 18,00 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:55 Uhr Seite 1

Hartmut Küchle Die deutsche Heeresindustrie in Europa Perspektiven internationaler Kooperationen und industriepolitischer Nachholbedarf edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:55 Uhr Seite 2

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:55 Uhr Seite 3

edition 200 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Hartmut Küchle 20 Die deutsche 21 22 Heeresindustrie in Europa 23 Perspektiven internationaler Kooperationen 24 und industriepolitischer Nachholbedarf 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:55 Uhr Seite 4

1 edition der Hans-Böckler-Stiftung 200 2 3 4 5 Hartmut Küchle, Dr. rer. pol., wurde 1944 im Sudetenland geboren. Nach dem 6 Studium der Volkswirtschaftslehre in Tübingen arbeitete er von 1973 bis 1998 am Wirt- schafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB (WSI) auf dem Gebiet Konjunk- 7 turforschung und Außenwirtschaft. Als Projektleiter am Internationalen Konversions- 8 zentrum Bonn (BICC) beschäftigt er sich seither mit der Restrukturierung der 9 europäischen Verteidigungsindustrien und ist Mitglied im Arbeitskreis Wehrtechnik 10 und Arbeitsplätze in der IG Metall. 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 © Copyright 2007 by Hans-Böckler-Stiftung 28 Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf 29 Produktion: Setzkasten GmbH, Düsseldorf 30 Printed in 2007 31 ISBN: 978-3-86593-080-4 32 Bestellnummer: 13200 33 34 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des öffentlichen Vortrages, 35 der Rundfunksendung, der Fernsehausstrahlung, 36 der fotomechanischen Wiedergabe, auch einzelner Teile. edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 5

Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 Vorwort 7 5 6 1 Relevanz rüstungsindustrieller Kapazitäten und 7 Abgrenzung der Heeresindustrie 9 8 9 2 Die besondere Problemlage der deutschen 10 Heeresindustrie 13 11 12 3 Die führenden Unternehmen 23 13 3.1. Panzerbau 23 14 3.2. Waffen- und Munitionsindustrie 27 15 3.3. Sonstige 30 16 3.3.1. Schutzsysteme 30 17 3.3.2. Transport- und Unterstützungsfahrzeuge 30 18 3.3.3. Brückenbauer 31 19 3.4. Konkurrenzmärkte in Westeuropa 31 20 3.5. Kapitalverflechtungen im Überblick 34 21 3.6. Osteuropäische Unternehmen 37 22 23 4 Neue Herausforderungen 43 24 4.1. Neue Aufgaben und Fähigkeiten der Bundeswehr 43 25 4.2. Neue Anforderungen an die Industrie 50 26 27 5 Alternative Entwicklungspfade 59 28 5.1. Status quo 59 29 5.2. Transatlantische Kooperation 63 30 5.3. Europäische Neustrukturierung 71 31 5.3.1. Duplikation und Einsparpotenziale 72 32 5.3.2. Ein neuer Kooperationsansatz der EDA 79 33 5.3.3. Politische Bemühungen um einen 34 gemeinsamen Beschaffungsmarkt 89 35 5.3.4. Westeuropäische Konsolidierung 96 36

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1 5.3.4.1. National dominierte Konsolidierung 96 2 5.3.4.2. Konsolidierung nach Fähigkeiten 103 3 5.3.5. Kooperation mit Osteuropa und neuen EU-Mitgliedern 105 4 5.3.5.1. Ostmitteleuropäische Beitrittsländer 106 5 5.3.5.2. Russland 108 6 5.3.5.3. Ukraine 110 7 5.4. Stärkung des nationalen Standorts 115 8 5.4.1. Fusionen 116 9 5.4.2. Vorteile der Clusterbildung 119 10 5.4.3. Landsektorspezifisches Industrie- und Forschungscluster 121 11 5.4.4. Fazit 124 12 13 6 Industriepolitische Erfordernisse 127 14 15 Literatur 139 16 17 Gesprächspartner 145 18 19 Mitglieder des Projektbeirats 148 20 21 Selbstdarstellung der Hans-Böckler-Stiftung 153 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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Vorwort 1 2 3 Das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) beschäftigt sich seit seiner 4 Gründung 1994 durch die nordrhein-westfälische Landesregierung u.a. auch mit 5 dem Schwerpunkt Rüstungsindustrie. Dabei stand zunächst – nach dem Ende des 6 Kalten Krieges – die Suche nach Konversionsmöglichkeiten und einer »Frie- 7 densdividende« im Vordergrund. Schon bald zeigte sich jedoch, dass die Liste der 8 gescheiterten Konversionsversuche länger ist als die der Erfolge. Konversion ist 9 – das wurde früher übersehen – zunächst mit einer Vernichtung von Kapital und 10 Arbeitsplätzen verbunden, bedarf darüber hinaus hoher Investitionen und ist äu- 11 ßerst risikoreich. Heute ist Konversion im Bereich der Verteidigungsindustrie je- 12 denfalls kein Thema mehr. Diejenigen Betriebe, die die schwierige Phase dras- 13 tisch gesunkener Beschaffungsaufträge überstanden haben, betrachten ihren 14 Geschäftsbereich als Kernkompetenz. Deshalb haben sich die Forschungsarbei- 15 ten des BICC notwendigerweise verlagert auf die Untersuchung der europäischen 16 Neustrukturierung dieses Sektors. 17 Die Hans-Böckler-Stiftung hat diese Untersuchungen – ganz gegen den main 18 stream – finanziell gefördert aus der Erkenntnis heraus, dass die wehrtechnischen 19 Betriebe einen High-Tech-Pool bilden, denen strategische Bedeutung für den Stand- 20 ort Deutschland, für die Beschäftigung und für die Mitgestaltung der Europäischen 21 Sicherheits- und Verteidigungspolitik zukommt. Dafür unser herzlicher Dank. 22 Unser Dank gilt auch den vielen, kompetenten Gesprächspartnern aus Politik, 23 Wirtschaft und Wissenschaft, die wesentlich zum Gelingen dieser Studie beige- 24 tragen haben. 25 Dank sei auch den Beiräten gesagt, die die Projektarbeit mit Rat und Tat be- 26 gleitet haben. 27 Profitiert hat der Autor auch von seiner Mitarbeit im Arbeitskreis »Wehrtech- 28 nik und Arbeitsplätze in der IG Metall«. Dieser bot nicht nur ein Diskussionsfo- 29 rum mit zahlreichen Betriebsräten, Unternehmern, Politikern, Publizisten, Wis- 30 senschaftlern und Offizieren, sondern auch den Zugang zur betrieblichen Praxis 31 der wehrtechnischen Unternehmen. 32 Ganz besonderer Dank gebührt aber Dr. Peter Schaaf, langjähriger Mitarbei- 33 ter der Abteilung Erster Vorsitzender der IG Metall und Leiter des genannten Ar- 34 beitskreises. Er hat diese Arbeit nicht nur initiiert, sondern darüber hinaus we- 35 sentliche Denkanstöße gegeben und wichtige Kontakte vermittelt und somit einen 36

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1 produktiven Einfluss auf den Fortgang der Studie genommen. Es war ein großer 2 Gewinn, mit ihm zusammen zu arbeiten. 3 Von dieser Unterstützung ermutigt, beabsichtigt das BICC, seine Forschungs- 4 arbeiten auf diesem Gebiet fortzusetzen. 5 6 Peter Croll Dr. Hartmut Küchle 7 Direktor des BICC Projektleiter am BICC 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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1 Relevanz rüstungsindustrieller Kapazitäten 1 und Abgrenzung der Heeresindustrie 2 3 4 Die Notwendigkeit einer eigenen Rüstungsindustrie ergibt sich vor allem aus ihren 5 verteidigungspolitischen Funktionen. Streitkräfte müssen adäquat ausgerüstet wer- 6 den, was wiederum militärische Forschung und Technologie und Entwicklung, 7 Produktion, Wartung und Modernisierung der Rüstungsgüter unterschiedlichster 8 Ausprägung erfordert. Natürlich könnte militärische Ausrüstung auch vollständig 9 auf dem Weltmarkt bezogen werden. Für eigene nationale (bzw. europäische) In- 10 dustriekapazitäten, auf die die nationalen (bzw. europäischen) Streitkräfte jeder- 11 zeit gesicherten Zugang haben, sprechen jedoch mehrere Gründe: 12 Die konzeptionelle Weiterentwicklung der Streitkräfte – und damit auch die 13 mit diesem Instrumentarium verknüpften politischen Handlungsoptionen – wer- 14 den stark geprägt von der technologischen Entwicklung und damit der zukünftig 15 verfügbaren Ausrüstung. Hier rechtzeitig die richtigen Weichenstellungen vorzu- 16 nehmen und den eigenen militärischen Anforderungen und politischen Rahmen- 17 bedingungen adäquates Gerät mittel- bis langfristig zur Verfügung stellen zu kön- 18 nen, setzt entsprechendes Know-how der eigenen rüstungstechnologischen und 19 -industriellen Basis voraus. 20 Ohne eine an den nationalen Bedürfnissen orientierte Industrie müssten die 21 Streitkräfte bei der Bedarfsdeckung Gerät beschaffen, das möglicherweise auf an- 22 dere taktische bzw. operative Konzepte optimiert ist. In anderen Fällen wird der 23 Zugang zu neuester Technologie verwehrt sein, weil manche Regierungen oder 24 Firmen aus wettbewerbswirtschaftlichen oder politischen Gründen die jeweils 25 neueste Systemgeneration zurückhalten (Rohde 2002). 26 Der Erhalt angemessener nationaler Entwicklungs- und Fertigungskapazitä- 27 ten ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung für eine missionsgerechte Aus- 28 rüstung der Bundeswehr zur Erfüllung des Auftrages und zum Erhalt der interna- 29 tionalen Dialog- und Kooperationsfähigkeit. Auch der beschlossene Ausbau der 30 militärischen Komponente der EU erfordert rüstungstechnologische und rüs- 31 tungsindustrielle Fähigkeiten Deutschlands. 32 Je größer die europäischen Ambitionen für eine eigenständige globale Rolle 33 Europas sind, desto notwendiger ist auch ein deutscher Beitrag zu den gemeinsa- 34 men militärischen Fähigkeiten und der dazu notwendigen wehrtechnischen Basis. 35 »Die Sicherstellung einer wettbewerbsfähigen technologischen und industriellen 36

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1 Basis ist« – so EU-Kommissar Liikanen – »unerlässlich dafür, dass die Ziele der 2 GASP mit erschwinglichem Mitteleinsatz erreicht und europäische Kapazitäten 3 in Schlüsselbereichen ... bereitgestellt werden können«1. 4 Das Heer versteht sich als Kern der Landstreitkräfte und Träger von Land- 5 operationen. Dabei gibt es wesentliche Unterschiede zu den anderen militärischen 6 Operationsbereichen. Während sich Luftwaffe und Marine eher über ihre relativ 7 großen Waffensysteme (Eurofighter bzw. Fregatte/U-Boot) definieren, steht beim 8 Heer vor allem der Systemgedanke (Division/Brigade) im Vordergrund. »Die 9 Struktur des Heeres definiert sich nicht über einzelne mit spezifischen Fähigkei- 10 ten ausgestatteten Waffensysteme, sondern über die Fähigkeiten, die im Verbund 11 eines Großverbandes zusammengefasst werden und im Einsatz als geschlossenes 12 System wirken müssen« (Voll 2006; S. 14). 13 Aufgrund dieser für das Heer typischen systemorientierten Zusammenfassung 14 von Fähigkeiten liegt es zunächst nahe, die Heeresindustrie bzw. Landsystemin- 15 dustrie als den Ausrüster der Truppenteile des Heeres mit Waffensystemen, Kom- 16 ponenten und Trägern zu definieren. Folglich gehörten dazu alle Unternehmen, 17 deren Produkte und Dienstleistungen notwendig sind, um einsatzfähige Land- 18 streitkräfte zu unterhalten. Neben gepanzerten und ungepanzerten Fahrzeugen, 19 Waffen, Waffensystemen, Gerät und Munition umfasst diese Definition aber auch 20 Sanitätsgüter, Uniformen, IT und vieles andere. Für eine solche breite Definition 21 spricht zunächst, dass gerade die Transformation der Bundeswehr mit ihrem Fokus 22 auf Einsätze in anderen Ländern im Rahmen friedenserhaltender Missionen und 23 der Katastrophenhilfe (ZMZ, Trinkwasseraufbereitung) die Bedeutung dieser letzt- 24 genannten Heeresausrüster deutlich stärken wird. Hinzu kommt, dass funktions- 25 fähige Landstreitkräfte auch Bedarfsträger für fliegendes Gerät und Schiffe sind. 26 Folglich müssten nach dieser breiten Definition auch Luft- und Raumfahrtunter- 27 nehmen, Werften und vor allem auch die immer wichtiger werdende Elektronik- 28 und Softwareindustrie einbezogen werden. So definiert würde die Heeresindus- 29 trie praktisch die gesamte Rüstungsindustrie umfassen. 30 Eine solch breite Definition erscheint uns jedoch aus zwei Gründen nicht 31 zweckmäßig. Zum einen weil diese Studie vor dem Hintergrund der europäischen 32 Neustrukturierung der Rüstungsindustrie gesehen werden soll. Dabei stehen vor 33 allem die Systemhäuser im Vordergrund und weniger die Vielzahl der Zulieferer, 34 so wichtig sie im Einzelnen auch sein mögen. 35 1 Erkki Liikanen, Industrielle Aspekte der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: 36 Europäische Sicherheit 5/2004, S. 10.

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Zum anderen wird heute im militärischen Bereich die bisherige Abgrenzung 1 nach Land-, Luft- und Seestreitkräften aufgelöst und das Prinzip der »jointness« 2 immer stärker betont. Deshalb ziehen wir es vor, den Landsektor klassisch von 3 den führenden Plattformen aus zu definieren. Wir werden uns deshalb im Fol- 4 genden auf das »Dickblech« konzentrieren, d.h. auf geschützte und gepanzerte 5 Rad- und Kettenfahrzeuge, Waffensystemträger, aber auch auf Waffensysteme und 6 die dazu gehörige Munition, also auf den Kernbereich der Heerestechnik. In die- 7 sem Sektor machen deutsche Unternehmen eine technologisch führende Rolle 8 geltend. Hier gilt es, zunächst die deutschen System- und Teilsystemfirmen, die 9 wichtigen Komponentenhersteller, ihre ausländischen Konkurrenten und Kapi- 10 talverflechtungen aufzuzeigen (Kapitel 3). Marktbestimmende Faktoren wie die 11 neue sicherheitspolitische Lage, die sich daraus ergebenden Forderungen nach 12 neuen Fähigkeiten der Streitkräfte, die Transformation der Bundeswehr und die 13 technologischen Anforderungen an die Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten 14 der Landsystemindustrie sollen in Kapitel 4 dargestellt werden, um in Kapitel 5 15 mögliche Szenarien und Optionen für die künftige Entwicklung dieses Sektors zu 16 diskutieren. 17 Für die Heeresindustrie sind die Landstreitkräfte der Markt, die Beschaf- 18 fungsbehörden der Kunde und die Truppe der Endverbraucher (Hanel 2000). Unter 19 dem »Rüstungsmarkt Landsektor« werden hier alle wehrtechnischen Aktivitäten 20 auf der Angebots- und der Nachfrageseite verstanden. Damit sind sowohl indus- 21 trielle als auch staatliche Akteure und Maßnahmen eingeschlossen. 22 Die Studie soll die der Bundesregierung verbleibenden Handlungsoptionen 23 aufzeigen, um die deutschen Kernfähigkeiten der Landsystemindustrie im Zuge 24 der europäischen Konsolidierung zu erhalten. Neben der Auswertung der aktuel- 25 len Fachliteratur wurden Interviews mit zahlreichen Experten aus Unternehmen, 26 Betriebsräten, Verbänden, Forschungsinstituten und Ministerien durchgeführt. Zu 27 prüfen war beispielsweise, ob die Bundesregierung ihre bisherige industriepoliti- 28 sche Abstinenz revidieren und auf die Herausbildung eines nationalen »Lead Sys- 29 tem Integrators« hinwirken und eine aktive Clusterpolitik für die deutschen Land- 30 systeme betreiben sollte, bei der eine Verzahnung von Industrie, Forschung und 31 Politik erfolgt, die über eine bloße Konzentration von industriellen Fähigkeiten 32 hinausgeht. 33 34 35 36

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2 Die besondere Problemlage 1 der deutschen Heeresindustrie 2 3 4 Weder die Heeresindustrie im Allgemeinen noch der Panzerbau im Besonderen 5 werden vom Statistischen Bundesamt als eigenständige Branchen des Verarbei- 6 tenden Gewerbes geführt, wie beispielsweise der Schiffbau. Deshalb gibt es zu 7 diesem Segment keine amtlichen, allgemein zugänglichen Daten zur Zahl der Be- 8 triebe, zu Umsatz und Beschäftigung. Es gibt auch keinen Industrieverband der 9 panzerbauenden Unternehmen, der Jahresberichte mit entsprechenden Daten ver- 10 öffentlicht. Um dennoch ein Bild dieses Industriezweiges zu gewinnen, bleibt nur 11 der Rückgriff auf Sekundärliteratur, in der sich Schätzungen zu Produktion und 12 Beschäftigung finden, und auf Geschäftsberichte einzelner Systemfirmen, soweit 13 sie publizitätspflichtig sind. 14 Die Neuorientierung der Sicherheitspolitik nach dem Ende des Kalten Krie- 15 ges war mit einer Herabstufung der bisherigen Priorität des Heeres bzw. der Land- 16 systeme verbunden. Die drastische Absenkung der Investitionsmittel im Verteidi- 17 gungshaushalt der vergangen 15 Jahre trifft deshalb in erster Linie das Heer, die 18 Heerestechnik und den Panzerbau. Die insgesamt geringeren investiven Mittel 19 werden nicht mehr wie früher den Teilstreitkräften prozentual – das waren in der 20 Regel 50 Prozent für die Heerestechnik –, sondern nach Priorität zugeteilt. Da das 21 seither zur Verfügung stehende Investitionsvolumen nicht ausreicht, um alle Hee- 22 resverbände gleichwertig auszurüsten, musste auch auf nutzungsdauerverlängernde 23 Maßnahmen zurückgegriffen werden. Die neue »Ausrüstungsphilosophie« schlug 24 sich deshalb besonders für die panzerbauende Industrie in sinkenden Neubauauf- 25 trägen nieder. 26 Wegen des Alters der vorhandenen Geräte und Ausrüstungen, aber auch aus 27 Kostengründen sind Kampf wert steigerungen jedoch Grenzen gesetzt. Deshalb 28 wurde vor einigen Jahren ein genereller Neuansatz mit den »Neuen Gepanzerten 29 Plattformen« gesucht. Diese sollten für die verschiedenen Typen eine gleiche 30 Grundkonfiguration in Bezug auf Panzerung, Antrieb, Laufwerk und Schutzsys- 31 tem bieten, wobei die aufgaben bezogenen Spezialausrüstungen durch entspre- 32 chende Module ergänzt werden. 33 Die deutsche heerestechnische Industrie ist – ebenso wie die britische, aber 34 im Unterschied zur französischen – ausschließlich privatwirtschaftlich organisiert. 35 36

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1 Obwohl sie erst nach 1955 – nahezu vom Nullpunkt2 – wieder anfangen konnte, 2 ist es ihr trotzdem in relativ kurzer Zeit gelungen, bei Panzern und ihrer Ausrüs- 3 tung die technologische Systemführerschaft in Europa zu erringen3. 4 Die deutsche Heerestechnische Industrie verfügt über umfangreiche System- 5 fähigkeiten. Sie ist technologisch führend insbesondere bei gepanzerten Fahr- 6 zeugen, Artilleriesystemen und 120 mm-Kanonen. Sie hat als private Industrie 7 trotz schlechterer Rahmenbedingungen aufgrund der restriktiven Export- und Off- 8 setpolitik dennoch Effizienzvorteile gegenüber den staatlich subventionierten Un- 9 ternehmen anderer Länder. Ergebnis dieser Effizienz ist u.a. eine erfolgreiche 10 Marktdurchdringung in West- und Südeuropa. Aufbauend auf eine über Jahrzehnte 11 gehende Tradition ist die Marktposition im Bereich der Landsysteme sowohl im 12 Vergleich zu den USA als auch zu den europäischen Konkurrenten in einer Spit- 13 zenposition. Versuche der Amerikaner, diesen Vorsprung bei schweren Kampf- 14 panzern durch einen immensen Einsatz von Entwicklungsmitteln aufzuholen, ist 15 bestenfalls teilweise gelungen. 16 Zu den gepanzerten Fahrzeugen gehören neben Kampfpanzern, Schützen- 17 panzer und gepanzerte Transportfahrzeuge sowie sonstige Waffenträger unter- 18 schiedlicher Gewichtsklassen4. Die bekanntesten und erfolgreichsten deutschen 19 Panzer sind die Kampfpanzer und – von denen über 8000 20 Stück produziert wurden –, der Flakpanzer Gepard, der Schützenpanzer Marder, 21 der Transportpanzer Fuchs (mit seinen verschiedenen Varianten), die Brückenle- 22 gepanzer Biber und Leguan, der Bergepanzer Büffel, der Minenräumpanzer Kei- 23 ler, der Waffenträger TOW/MK20mm Wiesel und nicht zuletzt Lux, Dingo und 24 Mungo. Der Minenräumpanzer ist zwar das weltweit einzige taktische Minen- 25 räummittel mit hoher Effektivität, ist aber entsprechend teuer und wurde nie ex- 26 portiert. Dieses Spektrum an Waffensystemen wird abgerundet durch nicht min- 27 der erfolgreiche Systeme wie das Minenwurfsystem Skorpion, die Panzerhaubitze 28 2000, Führungs-, Informations- und Logistiksysteme, Subsysteme und Kompo- 29 nenten und intelligente Munition. Auf diesen Gebieten wurde eine hohe Kompe- 30 tenz und Systemfähigkeit erworben. Insbesondere mit dem Leopard 2 hat die deut- 31 sche Industrie ein Waffensystem entwickelt, das international eine führende Position 32

33 2 Patente, Blaupausen und führende Ingenieure waren 1945 Kriegsbeute der Siegermächte. 34 3 Expertengespräche. 4 Panzer wurden zum ersten Mal am 15. September 1916 in der Schlacht an der Somme von der bri- 35 tischen Armee gegen deutsche Stellungen eingesetzt. BBC News »Ninety years of the tank«, 36 www.newsvote.bbc.co.uk.

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besetzt, aber nur in NATO Länder und in diesen gleichgestellte Länder exportiert 1 werden darf. Die Spitzenposition beruht auf der Verbindung einzelner Funkti- 2 onselemente zu einer ausgewogen hohen Systemwirksamkeit. 3 Diejenigen Länder, die deutsche Kampfpanzer eingeführt haben, haben auch 4 die zugehörigen Unterstützungsfahrzeuge gekauft. Darüber hinaus beziehen ver- 5 schiedene Länder wie z.B. Frankreich, die Vereinigten Arabischen Emirate und 6 Korea die bergepanzerspezifische Ausrüstung (Kran, Räumschaufel, Winde, Ener- 7 gieversorgungsanlage, elektrohydraulische Steuerung) aus Deutschland und inte- 8 grieren sie in das angepasste Kampfpanzergestell. Die Systemauslegung ist dabei 9 jeweils an die deutsche Konzeption angelehnt. Als besonders erfolgreich hat sich 10 das EuroPowerPack, d.h. Motor und Getriebe, der Firmen Renk und MTU er- 11 wiesen, die z.B. auch der französische Panzer für seine Exportversion nutzt. 12 Die deutsche Industrie hat weit über 15.000 gepanzerte Fahrzeuge produziert. 13 Dabei wirken ca. 2.500 Unternehmen mit, die arbeitsteilig einzelne Großbau- 14 gruppen oder spezielle Komponenten übernehmen. Allein an der Produktion des 15 Leopard 2 sind beispielsweise 1.500 Firmen beteiligt. Dabei handelt es sich meist 16 um mittelständische Unternehmen, die flächendeckend über die ganze alte Bun- 17 desrepublik verteilt und oft von strukturrelevanter Bedeutung in ihrer Region sind5. 18 Gegen Ende des Kalten Krieges wurden durchschnittlich 2,3 Mrd. DM pro 19 Jahr mit Neufertigungen und etwa eine weitere Milliarde mit Umrüstungen und 20 Kampfwertsteigerungen erzielt (Drosen 1996). In den 90er Jahren wurde das Auf- 21 tragsvolumen auf 500 Mio. DM zurückgeführt (Wehrdienst, 17.1.2000). Für die 22 Periode von 1999 bis 2008 wurde noch mit einem deutschen Marktvolumen der 23 zur Jahrhundertwende in Planung befindlichen relevanten Entwicklungs- und Be- 24 schaffungsvorhaben von 5,5 Mrd. DM gerechnet. Dazu kommt der europäische 25 Markt für gepanzerte Fahrzeuge, der etwa zehnmal größer ist als der deutsche 26 Markt (Hanel 1999). 27 Die Beschäftigung in der gesamten panzerbauenden Industrie einschließlich 28 Zulieferern musste von ca. 50.000 1985 auf 44.000 1990 und 15.000 1997 abge- 29 baut werden (Drosen, 1996; Wehrdienst, 17.1.2000). Hanel beziffert die direkt bei 30 den System- und Teilsystemfirmen Beschäftigten auf 7.000 und die bei den Kom- 31 ponentenfirmen Beschäftigten auf 13.000 (Hanel 2000). 32 Als Folge dieses Beschäftigungsabbaus der vergangernen Jahre, bei dem alle 33 zur Verfügung stehenden Maßnahmen wie Sozialplan, Vorruhestand usw. einge- 34 35 5 Dies trifft beispielsweise auf das nordhessische Kassel zu. 36

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1 setzt wurden, gibt es heute nach Auskunft der Betriebsräte kaum noch ältere Ar- 2 beitnehmer, die vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden könnten. Gleich- 3 zeitig gebe es aber nur noch relativ wenige jüngere Arbeitnehmer in den Betrie- 4 ben, weil in den letzten Jahren kaum noch Neueinstellungen vorgenommen worden 5 seien, so dass bei weiteren Entlassungen ausschließlich mittlere Jahrgänge ge- 6 troffen würden. In jüngster Zeit – etwa seit dem Jahr 2005 – habe sich die Situa- 7 tion etwas entspannt, es seien neue Mitarbeiter eingestellt worden6. Ob damit der 8 Tiefpunkt überwunden und eine neue Tendenzwende eingeleitet worden ist, er- 9 scheint fraglich, bleibt zumindest abzuwarten. 10 Einen weiteren Kapazitäts- und Beschäftigungsabbau befürchten die Be- 11 triebsräte von europäischen Zusammenschlüssen. Dabei eröffnen sich nicht nur 12 große Synergieeffekte und Rationalisierungspotenziale. Die ausländischen Part- 13 ner könnten gestützt durch eine auf Dominanz orientierte nationale Politik ihrer 14 Regierungen durchsetzen, dass die notwendigen Anpassungsmaßnahmen zulas- 15 ten der deutschen Unternehmen gehen, obwohl diese ihre Hausaufgaben bereits 16 in den vergangenen Jahren gemacht haben. Darüber hinaus wird befürchtet, dass 17 wichtige Kernfähigkeiten an ausländische Standorte abgezogen werden und damit 18 langfristig die technologische Spitzenstellung deutscher Unternehmen verloren 19 gehen könnte. 20 Trotz der Mittelkürzungen ist es bisher gelungen, bei Kampfpanzern, gepan- 21 zerten Rad- und Kettenfahrzeugen und Kampfunter stützungssystemen die not- 22 wendigen Mindestkapazitäten und die Systemführerschaft zu erhalten und mit- 23 telfristig auf niedrigem Niveau sicherzustellen. Dieses heutige Niveau wird jedoch 24 von allen befragten Experten als absolute Untergrenze bezeichnet, deren Unter- 25 schreiten zur Stilllegung der gesamten Produktion führen müsse. 26 In der mittel- und langfristigen Bundeswehrplanung sind nur die gepanzerten 27 Transportfahrzeuge (GTK) ab 2008, die geschützten Führungs- und Funktions- 28 fahrzeuge und der PUMA (anstelle der ursprünglich geplanten Neuen Gepanzer- 29 ten Plattformen) ab 2009 vorgesehen. Dazu kommen verschiedene Kampfwert- 30 steigerungen, die jedoch zeitlich gestreckt worden sind. 31 Eigentlich könnte der Export dem Panzerbau wegen seiner weltweit aner- 32 kannten technologische Spitzenleistungen einen Ausgleich für die beschränkte In- 33 landsnachfrage bieten. Doch die restriktiven Exportauflagen treffen gerade die- 34 35 36 6 Gespräche mit Betriebräten.

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sen Sektor besonders hart, weil Panzer im Unterschied zu Schiffen als Angriffs- 1 waffen gelten. Zu einem geringen Teil sind deutsche Firmen zwar indirekt auch 2 am Export amerikanischer und französischer Panzer beteiligt, aber eben nur als 3 Zulieferer wenn auch wichtiger Komponenten wie Kanonen und Triebwerke. Im 4 Allgemeinen sind dem Export jedoch enge Grenzen gesetzt, da die deutschen Ex- 5 portrestriktionen nicht nur einen erheblichen Teil des potenziellen Marktes ver- 6 schließen, sondern darüber hinaus selbst für die erreichbaren ausländischen Kun- 7 den ein erhebliches Risiko darstellen, insofern nicht sichergestellt ist, ob deutsche 8 Komponenten im konkreten Bedarfsfall auch geliefert werden dürfen. Zwar haben 9 sich die offiziellen Exportleitlinien der EU-Partner seit dem Verhaltenskodex an- 10 genähert, aber in der praktischen Anwendung sei die deutsche Exportpolitik deut- 11 lich restriktiver. Dadurch werde nicht zuletzt auch die Kooperations fähigkeit deut- 12 scher Unternehmen und die Vermarktungsfähigkeit ihrer Produkte eingeschränkt, 13 so dass es immer schwieriger werde, die Endmontage bei Gemeinschaftspro- 14 grammen in Deutschland zu halten7. Durch die restriktive Exportpolitik seien 15 schon viele Aufträge an das Ausland verloren worden, insbesondere an Frank- 16 reich, wo die staatlichen Unternehmen zusätzlich hoch subventioniert werden. 17 Deshalb wird in dieser Branche zu Recht eine europäische Export harmonisie- 18 rung gefordert, um zu verhindern, dass das Geschäft stattdessen von konkurrie- 19 renden Unternehmen der europäischen NATO-Partner gemacht wird. Wenn es das 20 industriepolitische Ziel der Bundesregierung ist, die deutsche Systemführerschaft 21 und die damit verbundenen Kompetenzen auf diesem Gebiet zu erhalten, ist die 22 Ausfuhr gerade wegen der begrenzten nationalen Beschaffungsmittel im Panzer- 23 bereich für eine Mindest auslastung der Unternehmen unabdingbar und sollte im 24 Gleichklang mit den europäischen Partnern nach gleichen ethischen Grundsätzen 25 entwickelt werden. Selbstverständlich gibt es moralische und friedenspolitische 26 Gesichtspunkte, die eine restriktive Exportpolitik bei Rüstungsgütern nahelegen. 27 Der Konfliktverhinderung ist jedoch wenig gedient, wenn die gleichen Waffen 28 von verbündeten Nachbarn geliefert werden. Wirksamer wäre es deshalb, wenn 29 im vereinten Europa auch auf diesem Gebiet eine gemeinsame, abgestimmte Ex- 30 portpolitik erreicht würde und Europa gegenüber Drittländern mit einer Stimme 31 spräche. Schon aus ökonomischen Gründen müssen in einer integrierten Wirt- 32 schafts- und Währungszone unbedingt gleiche Wettbewerbsbedingungen herr- 33 schen. 34 35 7 Expertengespräche. 36

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1 Einige Firmen berichten allerdings, dass die praktische Anwendung der res- 2 triktiven Exportpolitik seit der zweiten Hälfte der rot-grünen Regierungskoaliti- 3 on liberaler geworden sei. Gerade beim GTK erhofft sich die Industrie gute Ex- 4 portchancen allein schon aufgrund der Tatsache, dass weltweit mehrere zehntausend 5 betagte M 113-Panzer im Einsatz sind, für die es bislang nur wenige geeignete 6 Nachfolgemodelle gebe. 7 Neben dem Export könnte ein beachtlicher Beitrag zum Erhalt notwendiger 8 Mindestkapazitäten auch dadurch erreicht werden, dass die panzerbauenden Un- 9 ternehmen in Zukunft vermehrt Instandsetzungen der Bundeswehr übernehmen. 10 Sie könnten dadurch auch wichtige Erkenntnisse aus dem Verhalten der Produk- 11 te in der Nutzung gewinnen. Eine privatwirtschaftliche Wartung wäre wahr- 12 scheinlich effizienter und preiswerter als in den staatlichen Systeminstandset- 13 zungszentren des Heeres. Dazu wurde inzwischen die Heeresinstandsetzungslogistik 14 GmbH (HIL) gegründet, die am 1.8.2005 ihren Betrieb aufgenommen hat. An der 15 Beschäftigung insgesamt dürfte sich dadurch wenig ändern: einer Stabilisierung 16 der Beschäftigung in der privaten Industrie stünden vermutlich Entlassungen im 17 staatlichen Bereich gegenüber. 18 Längerfristige Auslastungsprognosen lassen sich aufgrund der genannten Un- 19 sicherheiten kaum erstellen. Sicher ist nur, dass die Konsolidierungsmaßnahmen 20 trotz des bislang erfolgten Abbaus weitergeführt werden müssen, vor allem wenn 21 die Neustrukturierung der Branche auf europäischer Ebene in den Blick genom- 22 men wird. 23 Eine Umwidmung der Produktionsfaktoren für zivile Märkte wird durch die 24 Natur des Panzerbaus ganz erheblich erschwert. Eine Analyse der verschiedenen 25 Untersysteme und Baugruppen des äußerst komplexen Systems Kampfpanzer 26 kommt zu dem Ergebnis, dass der überwiegende Teil ausschließlich nur militä- 27 risch verwendet werden kann und fast nichts einer militärisch-zivilen Doppel- 28 nutzung zuzuordnen ist (Drosen 1996). Die militärischen Anforderungen führen 29 hier zu Spezialentwicklungen, die eine wirtschaftliche Form nichtmilitärischer 30 Anwendung ausschließen. Dies ist zweifellos ein wichtiger Unterschied zum Schiff- 31 bau und zur Luft- und Raumfahrtindustrie. Möglichkeiten einer zivilen Verwen- 32 dung einzelner Untersysteme und Baugruppen gibt es höchstens in einigen Rand- 33 bereichen, wie z.B. bei Spezialfahrzeugen für den Katastrophenschutz, die jedoch 34 nur in geringer Stückzahl nachgefragt werden. Ausbildungs- und Prüfgeräte kön- 35 nen jedoch auch für zivile Produktionen genutzt werden. 36

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Um sowohl militärische als auch zivile Märkte bedienen zu können, müssten 1 nicht nur spezifische Produktionsfähigkeiten aufgegeben und neue erworben wer- 2 den. Darüber hinaus müsste in den meisten Unternehmen der panzerbauenden In- 3 dustrie, die nur mit einem staatlichen Großkunden zu tun haben, auch ein Mar- 4 keting aufgebaut werden. Außerdem sind die technischen Vorschriften und 5 Kostenstrukturen beider Bereiche zu unterschiedlich. Betriebswirtschaftliches 6 Denken ziehe jedoch immer stärker ein, das Kostendenken nehme eindeutig zu8. 7 Das zeigt sich auch daran, dass sich heute immer mehr Ökonomen in den Vor- 8 ständen wehrtechnischer Unternehmen finden. Eine Mischung ziviler und militä- 9 rischer Produktion ist zwar im Gesamtkonzern möglich, bei Organisation in ge- 10 trennten Geschäftsbereichen, die ein problemorientiertes Management und eine 11 Konzentration auf die jeweilige Kernkompetenz erlauben, aber nicht im wehr- 12 technischen Bereich selbst. Hier kann nur überleben, wer sich auf seine Kern- 13 kompetenz konzentriert und die Systemfähigkeit ausbaut. Zwar gibt es auch im 14 Panzerbau immer wieder zivile Produktionsideen. Diese werden jedoch – sofern 15 sie überhaupt erfolgversprechend sind – in ausgegründeten Unternehmen weiter 16 verfolgt, meist als Joint-Venture mit anderen Unternehmen, die auf diesem Ge- 17 biet Erfahrung mitbringen. Aus diesen Gründen ist die Konversion bestehender 18 Kapazitäten – das wurde früher übersehen – zunächst mit Vernichtung von Kapi- 19 tal und Qualifikationen verbunden und erfordert hohe Investitionen und große Ri- 20 siken und bietet deshalb gerade im Panzerbau keine Perspektive. 21 In der schwierigen Phase unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges haben 22 viele Firmen, die ihre zukünftigen Wettbewerbschancen kritisch einschätzten, den 23 Rüstungsmarkt zu verlassen (Küchle 2006). Einigen wenigen Unternehmen ist es 24 gelungen, durch Aufkäufe von Konkurrenten größere Marktanteile in zivilen Be- 25 reichen zu gewinnen und durch Umstrukturierungen Synergie- und Rationalisie- 26 rungspotenziale zu erschließen. Trotzdem wurde auch in diesen Fällen die Be- 27 schäftigung weiter abgebaut, weil die zivilen Zugewinne die wehrtechnischen 28 Verluste in den meisten Fällen nicht ausgleichen konnten (Brzoska 1997, 1998, 29 1999). Die meisten Unternehmen, die die schwierige Umbruchphase überstanden 30 haben, konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenz und versuchen, in diesem wei- 31 terhin schwierigen Markt zu wachsen. 32 Seit dem Ende des Kalten Krieges sind in Deutschland die verfügbaren Haus- 33 haltsmittel für militärische Beschaffungen insgesamt um 21 Prozent zurückge- 34 35 8 Expertengespräche. 36

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1 Abbildung 1: Arbeitsplatzabbau in Industrie und Streitkräfte Deutschland 1989 – 2005 2

3 Beschäftigte der wehr- Zivile und militärische Ange- Jahr Gesamt 4 technischen Industrie hörige der Streitkräfte

5 D-West D-Ost D-West D-Ost 6 7 1989 280.000 120.000 630.000 320.000 1.350.000

8 Insgesamt ca. 400.000 Insgesamt ca. 950.000 9 Bundesrepublik Bundesrepublik 10 2005 Deutschland ca. 80.000 Deutschland ca. 450.000 11 (davon 40.000 dual-use) ca. 370.000 12 Quelle: Lepper 2005; S. 160 13 14 gangen. Dieser Rückgang musste unweigerlich zu einem Investitionsstau, zu einer 15 Überalterung des Materials in der Bundeswehr sowie zu einem massiven Abbau 16 der industriellen Kapazitäten und zur Umstrukturierung der Unternehmen führen. 17 Dieser Anpassungsprozess hat die deutsche Industrie nach Angaben des BDI bis- 18 her etwa zehn Milliarden Euro gekostet. Von den etwa 400.000 Beschäftigten im 19 Jahr 1989 – davon 280.000 in der alten Bundesrepublik und 120.000 in der DDR 20 – sind heute nur noch ca. 80.000 übrig geblieben; das ist ein Abbau um rund 80% 21 (Abbildung 1). 22 Abbildung 2: Beschaffungen in den Sektoren – in Mio. € 23

24 1329 1400 25 26 1200 936 27 1000

735 28 800 680

29 537 600 511 30 400 301 31 230 32 200

33 0 Gepanzerte Munition Schiffe Flugzeuge 34 Fahrzeuge 35 1990 2002 36 Quelle: Vereinigung Wehrtechnisches Gerät

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Heute gibt es noch rund 200 Unternehmen in Deutschland, die sich mit Wehr- 1 technik befassen, mit einem Umsatz von 15,5 Mrd. €. Die Hälfte davon – und das 2 trifft auch auf die Beschäftigten zu – sind jedoch eher dem Dual-use Bereich und 3 der Gruppe der Zulieferer zuzuordnen (Lepper 2005). Vor diesem Hintergrund der 4 Verteidigungsindustrie im Allgemeinen sind die besonderen Probleme der Land- 5 systemindustrie zu sehen. Wie Abbildung 2 zeigt, sind die Beschaffungen in den 6 90er Jahren bei gepanzerten Fahrzeugen und vor allem bei Munition im Vergleich 7 zu den anderen Rüstungsbereichen überproportional gesunken. 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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3 Die führenden Unternehmen 1 2 3 3.1 Panzerbau 4 5 Aufgrund des heute geringeren Bedarfs an Kampfpanzern und der reduzierten Be- 6 schaffungen ist es zu einem beachtlichen Konzentrationsprozess in Deutschland, 7 aber auch in Großbritannien und Skandinavien gekommen. So hat es 1990 in 8 Deutschland noch sechs System- und Teilsystemfirmen in der Panzerindustrie ge- 9 geben, die inzwischen im Rahmen der nationalen Konsolidierung in den beiden 10 Unternehmen Krauss- Wegmann (KMW) mit zwei Standorten in München 11 und Kassel und Landsysteme (RLS) mit Standorten in Kiel, Unter- 12 lüß, Gersthofen und Kassel aufgegangen sind (Abbildung 3). Durch diesen Kon- 13 14 Abbildung 3: Konsolidierung der Industrie für gepanzerte Fahrzeuge 15 USA United Defense 16 Schweden Bofors AB 17 Hägglunds 18 Großbritannien Alvis 19 BAE Systems GKN 20

Vickers 21 22 Royal Defence 23 VSEL 24 Deutschland Krauss Maffei Krauss-Maffei 25 Wegmann Wegmann 26 Rheinmetall 27 Thyssen Henschel 28 Rheinmetall Krupp MAK Landsysteme 29 GmbH IWKA 30

KUKA 31

Frankreich GIAT 32 GIAT 33 Panhard 34 Italien Oto Melara Oto Melara 35 Breda Meccanica 36

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1 zentrationsprozess ist die Zahl der Beschäftigten in der (west)deutschen Panzer- 2 industrie von ca. 44.000 im Jahre 1989 auf 5.000 im Jahre 2002 zurückgegangen 3 (Hanel 2003); heute sind bei den beiden Unternehmen noch 3.650 Mitarbeiter be- 4 schäftigt. Trotzdem überschneiden sich auch bei der heute verringerten Zahl an 5 Unternehmen immer noch die Kernkompetenzen. Dies gilt umso mehr auf euro- 6 päischer Ebene. 7 Die deutschen Unternehmen können vom Umsatz her durchaus mit den kon- 8 kurrierenden Systemherstellern in Europa mithalten. Dazu kommt, dass sie sich 9 der innovativen Stärken einer eigenständigen und im Wettbewerb stehenden pri- 10 vaten Komponentenindustrie bedienen und deshalb relativ schlank sind. Diese 11 notwendigen Fähigkeiten und Umsätze sind bei vielen ausländischen Konkur- 12 renten, insbesondere bei Staatsbetrieben wie GIAT, im Mutterhaus integriert mit 13 dem betriebswirtschaftlichen Nachteil, dass viele Komponenten selbst gefertigt 14 werden und nicht der beste und preiswerteste Wettbewerber den Auftrag erhält. 15 Systemhersteller der Panzerindustrie zeichnen sich durch folgende wirtschaftli- 16 che, technische und managementorientierte Leistungsmerkmale aus: 17 Konzeption technologisch komplexer, innovativer und aufgabengerechter ge- 18 panzerter Fahrzeuge, 19 Entwicklung und Konstruktion des Gesamtsystems, 20 Herstellung und Erprobung der Versuchsträger, Truppenversuchsmuster 21 und Seriengeräte, 22 Verfügbarkeit moderner Fertigungseinrichtungen, 23 Herstellung der Versorgungsreife, 24 Entwicklungstechnische und logistische Betreuung des Systems in der 25 Nutzungsphase einschließlich kampfwertsteigernder Maßnahmen, 26 Vorhandensein einer leistungsfähigen Managementorganisation (Hanel 2000). 27 Die deutschen Unternehmen KMW und Rheinmetall erfüllen diese Anforderun- 28 gen an Systemhersteller der Panzerindustrie. Rheinmetall hat seinen rüstungsin- 29 dustriellen Bereich nach mehreren Unternehmensumstrukturierungen in der Rhein- 30 metall DeTec zusammengefasst. Die DeTec beschäftigte im Geschäftsjahr 2004 31 6.799 Mitarbeiter, wies einen Umsatz von 1,4 Mrd. € aus, konnte ihr EBIT stei- 32 gern und ihre Rentabilität deutlich verbessern. Der Export entwickelt sich in den 33 letzten Jahren zufrieden stellend9. Seit Juli 2005 nennt sich die DeTec Rheinme- 34 tall AG Unternehmensbereich Defence. 35 36 9 Interview Rheinmetall.

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Die gepanzerten Rad- und Kettenfahrzeuge und Artilleriesysteme der Rhein- 1 metall AG sind in der Rheinmetall Landsysteme GmbH (RLS) gebündelt, die 2 auf diesem Gebiet mit 350 Mio. € Umsatz und 1500 Beschäftigten im Jahr 2005 3 die Nummer 2 in Deutschland ist. Sie ist spezialisiert auf Transportfahrzeuge, Pio- 4 nier- und Minenräumsysteme und Turmsysteme. RLS hat bisher 14.000 Fahrzeuge 5 und Teilsysteme ausgeliefert und in 36 Länder exportiert. Das Unternehmen könn- 6 te kurz- und mittelfristig von einer Reihe größerer Projekte profitieren. Darunter 7 ist auch der Schützenpanzer PUMA, der in einem Konsortium mit KMW gebaut 8 wird. Beide Firmen haben an diesem Jointventure PSM GmbH einen Anteil von 9 je 50%. Der PUMA ist das wichtigste Beschaffungsvorhaben der deutschen Land- 10 systemindustrie und soll der Truppe bis 2010 zulaufen10. Erhofft wird ein Auftrag 11 über 410 PUMAs im Wert von 3 Mrd. €. Im Dezember 2006 ist das erste von fünf 12 Vorserienfahrzeugen vollendet worden. 13 Der PUMA setzt technologisch neue Maßstäbe. Er zeichnet sich aus durch 14 einen ferngesteuerten Maschinenkanonenturm (weltweit ohne Beispiel), 15 einen neuentwickelten 10-Zylinder-HPD-Motor, 16 ein entkoppeltes Laufwerk mit hydropneumatischer Federung, 17 ein kompaktes Hochleistungsgetriebe, 18 eine gewichtsreduzierte Kette, 19 programierbare Munition und 20 höchstmöglichen Schutz gegen Minen und Beschuss. 21 Schon heute sind die Technologien für die Schutzmodule vollständig nachgewie- 22 sen. Neu ist auch die »Integrierte Nachweisführung«. Dabei werden die Prüfpro- 23 zesse im Unterschied zum bisherigen sequenziellen Ablauf mit allen Beteiligten 24 (Industrie, BWB und Truppe) gemeinsam durchgeführt. Damit wird zwar der Pla- 25 nungs- und Koordinationsaufwand erhöht, aber dafür der Gesamtaufwand und die 26 Entwicklungszeit reduziert. Der PUMA soll den Planungen zufolge mittelfristig 27 5.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in rund 50 mittelständischen Unternehmen 28 in allen Regionen Deutschlands sichern11. 29 Aktuelle Produktentwicklungen bei Rheinmetall sind: 30 Minenschutz für den Schützenpanzer Marder, 31 Leichtes Infanteriefahrzeug für Sondereinsatzkräfte, 32 Bodensensorsysteme, 33 Battle Management: integrierte Führungs- und Überwachungssysteme, 34

10 Ein Prototyp des PUMA ist am 20.12.2005 dem öffentlichen Auftraggeber vorgestellt worden. 35 11 »PUMA«, 2. Parlamentarischer Abend am 8.9.2004 in Berlin. 36

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1 Neuer Schützenpanzer PUMA, 2 KZO, 3 Rückstoßfreie automatische Kanone, 4 Nicht-letale Waffen: z.B. Hochenergie-Mikrowellensysteme. 5 6 Krauss-Maffei Wegmann ist durch die Zusammenführung komplementärer Pro- 7 dukte und Kompetenzen die führende Systemfirma auf dem Gebiet gepanzerter 8 Rad- und Kettenfahrzeuge in Europa. KMW ist Generalunternehmer für die Re- 9 ferenzprodukte Leopard 2, Panzerhaubitze PzH2000, Mungo und Dingo. KMW 10 hat Tochterunternehmen in Griechenland, den Niederlanden und den USA. Da- 11 rüber hinaus bestehen Partnerschaften mit General Dynamis Santa Bárbara in Spa- 12 nien, mit Oto Melara in Italien, mit Stork in den Niederlanden und mit Nexter 13 bzw. GIAT in Frankreich. Zukünftige Einsatzerfordernisse leichter und schwerer 14 gepanzerter Fahrzeuge werden in den Bereichen Kampfpanzer, Artillerie, Flug- 15 abwehr, Radfahrzeuge und Pioniergeräte konzeptionell bearbeitet und realisiert. 16 KMW beschäftigte 2005 rund 2.700 Mitarbeiter an zwei Standorten und setzt 17 600 Mio. € um. Bisher wurden 11.000 Systeme in 18 Länder ausgeliefert. Im Jahr 18 2005 hat KMW das Geschäft der MAN Technologie AG mit mobilen Militärbrü- 19 cken übernommen. Im Berichtsjahr 2006 konnte der Umsatz um 70% auf ca. 20 1 Mrd. € gesteigert und 200 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. 20% der Be- 21 schäftigten sind im F&E-Bereich tätig12. 22 Neben den Systemfirmen haben auch die Komponentenhersteller einen un- 23 verzichtbaren Beitrag zum hohen Leistungsstand der deutschen Panzerfahrzeuge 24 erbracht, sich aber auch in vielen Fällen mit der Integration ihrer Produkte in aus- 25 ländischen Fahrzeugen erfolgreich am internationalen Markt platzieren können. 26 Zu nennen sind insbesondere: 27 B + V Industrietechnik GmbH (ThyssenKrupp Technologies): Wannen- und 28 Turmgehäuse, Zusatzpanzerungen, gepanzerte Gehäuse für leichte und schwe- 29 re Kettenfahrzeuge (Kooperation mit KMW und RLS). KMW hat dem Bun- 30 deskartellamt angezeigt, dass es BVI übernehmen möchte13. 31 Diehl Remscheid GmbH & Co. ist weltweit führender Hersteller von Sys- 32 temketten für Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, die in 60 Ländern im Einsatz 33 sind. Davon wurden mehr als 100 verschiedene Typen für fast jede westeuro- 34 päische Armee hergestellt. 400 Beschäftigte. 35 12 Behörden Spiegel, Mai 2007, S. 62. 36 13 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.12.2006.

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ESW-EXTEL Systems Wedel GmbH (Jenoptik): Stabilisierungs- und An- 1 triebssysteme, 730 Mitarbeiter, davon 73% im militärischen Bereich (2005). 2 MTU Friedrichshafen GmbH, spezialisiert auf Dieselmotoren, wurde 2006 3 vom Mehrheitseigentümer DaimlerChrysler an einen schwedischen Finanz- 4 investor verkauft. Obwohl auch MAN interessiert war, hat die Bundesregie- 5 rung nicht vom geänderten § 7 AWG Gebrauch gemacht. 6 Renk AG (MAN): 307 Mio. € Umsatz (2005), 1.500 Mitarbeiter. Renk setzt 7 den weltweiten Standard in der Antriebs- und Getriebetechnik. Fahrzeugge- 8 triebe, Spezialgetriebe, Gleitlager und elastische Kupplungen. Die französi- 9 sche SESM ist 100%ige Tochter. 10 STN Atlas GmbH (100% Rheinmetall Defence Electronics GmbH): elektroni- 11 sche und optronische Elemente, Land- und Flugsysteme, Simulationssysteme. 12 Zahnradfabrik Friedrichshafen AG fertigt u.a. Getriebe. Der Konzern hatte 13 2005 einen Gesamtumsatz von 10,8 Mrd. € und beschäftigte 53.940 Mitar- 14 beiter an 119 Standorten in 25 Ländern. 15 Zeiss Optronik GmbH: 417 Mitarbeiter, davon 150 Ingenieure, 144 Mio. € 16 Umsatz (2005) davon 90% militärisch, 40% Export. Periskope, Laserentfer- 17 nungsmessgeräte. 18 Auch Rohde & Schwarz, aber auch ESG und EADS bei Führungs- und In- 19 formationssystemen sind hier zu nennen. 20 Diese Firmen sind auch im internationalen Vergleich gut aufgestellt und verfügen 21 über eine breite Produktpalette. Expertengesprächen zufolge besitzt die deutsche 22 Industrie (noch) einen weltweiten Technologievorsprung bei elektrischen Kom- 23 ponenten der Antriebs- und Speichertechnik sowie bei zukünftigen Hochleistungs- 24 und Hochenergieverbrauchern. Ein dauerhafter Geschäftserfolg ist jedoch auf- 25 grund der geringer werdenden Kapazitäten in Deutschland nur über den Export 26 zu schaffen, dieser ist jedoch aufgrund der restriktiven deutschen Politik nicht 27 ohne weiteres steigerungsfähig. 28 29 30 3.2 Waffen- und Munitionsindustrie 31 32 Deutschland verfügt auch über eine effiziente Waffen- und Munitionsindustrie, 33 die aufgrund ihres Produktspektrums, ihrer hohen technologischen Kompetenz 34 und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Welt eine führende Stellung ein- 35 nimmt. Dies gilt insbesondere bei folgenden Systemen: Nichtletale Waffentech- 36

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1 nologien, Laserwirkung gegen Flugziele, Gefechtskopftechnologien großkalibri- 2 ger Rohrwaffen, neue Werkstoffe hoher Dichte für Sprenggefechtsköpfe, Basis- 3 technologien in Pyrotechnik für Leucht- und Signalmunition, Spreng- und Treib- 4 stoffe. Weiterentwicklung und Produktion sind jedoch nur bei ausreichender 5 Stückzahl wirtschaftlich vertretbar. Rückläufige F&E-Budgets, fehlende Haus- 6 haltsmittel und Wettbewerbsverzerrungen gegenüber ausländischen Konkurren- 7 ten gefährden jedoch die noch vorhandenen Kernfähigkeiten. 8 Die besondere Leistungsfähigkeit der deutschen Waffen- und Munitionsin- 9 dustrie drückt sich auch in ihrer vielfältigen Einbindung in bi- und multilaterale 10 NATO-Programme aus. Der Schwerpunkt der deutschen Waffen- und Munitions- 11 industrie liegt unverändert bei den Waffensystemen des Heeres für Schützen- und 12 Kampfpanzer, sowie bei Artilleriesystemen, bei Panzerabwehrraketen und Flug- 13 abwehrlenkwaffen. 14 Das Spektrum dieses Sektors umfasst: 15 Intelligente, insensitive Munition, 16 Lenkflugkörpersysteme mit großer Reichweite und hoher Präzision, 17 Letale, dosierbare Wirksysteme aus hochenergetischen Sprengstoffen mit 18 großer Durchschlagsleistung sowie nichtletale Wirksysteme, 19 Aktive und passive Schutzsysteme sowie Aufklärungs- und Warnsysteme 20 für den Schutz von Plattformen. 21 Die nationale Konsolidierung ist im Bereich Waffe und Munition schon weit fort- 22 geschritten. Während es 1990 noch zahlreiche deutsche Anbieter mit etwa 16.000 23 Beschäftigten gab, konzentriert sich diese Branche heute auf Diehl, Rheinmetall, 24 EADS-LFK, Heckler & Koch und Bayern-Chemie mit zusammen weniger als 25 6.000 Beschäftigten. 26 Im Zuge dieser bisherigen Konsolidierung konnten nach Angaben der Verei- 27 nigung Wehrtechnisches Gerät folgende wesentliche Kernfähigkeiten der Waffen- 28 und Munitionsindustrie erhalten werden: 29 Zünd- und Anzündtechniken, 30 Wirksystemtechniken (Tandem, Hohlladung, HPM, Laser), 31 Munitionstechniken (z.B. Ballistik), 32 Waffentechniken, 33 Sprengstoffbearbeitungstechniken, 34 Raketenmotortechniken, 35 Regelbare Feststoff-Staustrahlantriebe, 36 Sensortechniken (z.B. IR- und Radarsuchköpfe, Multi-Mode-Suchköpfe),

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Signal- und Bildverarbeitung, 1 Flugführungssysteme, 2 Elektronik, Mikroelektronik, 3 Materialtechniken (Faserverbundstoffe, inerte Materialien), 4 Pyrotechniken (z.B. IR-Nebel), 5 Integrationstechnologie, 6 Systemtechnologie. 7 Nach Verbandsangaben unterschreitet die Gesamtproduktion (Inlandsproduktion 8 plus Export) jedoch bereits im Jahre 2005 die kritische Größe. 9 Die deutsche Waffen- und Munitionsindustrie ist maßgeblich an wichtigen eu- 10 ropäischen Kooperationsprojekten und an transatlantischen Allianzen beteiligt. 11 Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit und ihres Know-how-Vorsprungs könnte sie 12 bei der anstehenden Konsolidierung und Neustrukturierung der europäischen Hee- 13 resindustrie eine führende Rolle übernehmen. 14 15 Rheinmetall Waffe Munition GmbH ist eine Verschmelzung aus Rheinmetall 16 W&M, Mauser-Werke Oberndorf Waffensysteme GmbH, Buck Neue Technologien 17 GmbH, Pyrotechnik Silberhütte GmbH und der Nico-Gruppe. Der Umsatz betrug 18 2003 570 Mio. € mit 2.870 Beschäftigten. Das Unternehmen ist bei Groß- und Mit- 19 telkaliber Waffensystemen (u.a. für den Kampfpanzer Leopard 2) und bei Muniti- 20 on die Nummer 3 in der Welt. Zum Produktspektrum zählen auch Schutzsysteme. 21 Die 100%igen Töchter RWM Schweiz AG (ehemals Oerlikon Contraves Pyrotec 22 AG) und Mauser-Werke Oberndorf bilden das Kompetenzzentrum für automatische 23 Maschinenkanonen, Waffensysteme und Munition im Mittelkaliberbereich. 24 Die Rheinmetall Waffe Munition GmbH, Ratingen, hat im Jahr 2006 von der 25 in der Schweiz ansässigen Futurtec AG die kompletten Schutz- und Markenrech- 26 te für den Penetrator mit erhöhtem Lateral-Effekt (PELE) wie auch für den Akti- 27 ven Lateralen Penetrator (ALP) erworben14. 28 Zu Rheinmetall gehören ferner die auf Waffensysteme spezialisierten 100%igen 29 Töchter Oerlikon Contraves SpA in Italien und Oerlikon Contraves GmbH in 30 Deutschland. 31 Weitere wichtige Unternehmen dieser Branche sind: 32 Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG (seit Mai 2006 100% Diehl) umfasst 33 seit September 2004 auch die bisherige Diehl Munitionssysteme GmbH & Co. 34 35 14 http://www.european-defence.com/. 36

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1 KG, die 970 Mitarbeiter und einen Umsatz von 145 Mio. € hatte. Entwickelt 2 und produziert 20 mm bis 155 mm Rohrwaffenmunition, Handgranaten und 3 Raketen. Kernfähigkeiten sind: Gefechtskopftechnologie, Miniaturisierung, 4 beschleunigungsfeste Elektronik, Sensorik, Laserstrahlformung. 5 JUNGHANS Feinwerktechnik GmbH (Muttergesellschaft Diehl VA Syste- 6 me): mechanische, elektronische und optronische Zünder. 380 Beschäftigte. 7 Heckler & Koch GmbH: hochwertige Waffen, 1.250 Mitarbeiter, 130 Mio. € 8 Umsatz. 9 Bayern Chemie (50% EADS, 50% Thales): Munition, Sprengstoff, 200 Mit- 10 arbeiter, 50 Mio. € Umsatz (2005). 11 Die LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH gehört zwar nicht zum engen Bereich 12 der Landsysteme, ist aber trotzdem von großer Bedeutung für das Heer. LFK ent- 13 wickelt und fertigt als Teil der europäischen MBDA mit 1.100 Mitarbeitern in 14 Deutschland u.a. die Bewaffnung von Hubschraubern (PARS 3 LR für Tiger). 15 16 17 3.3 Sonstige 18 19 3.3.1 Schutzsysteme 20 Es gibt für den Schutz von Fahrzeugen keine ausgesprochenen »Schutzsystem- 21 firmen«. Die Anwender RLS und KMW haben aus Sicht der Schutztechnologie 22 keine oder nur eine geringe bzw. begrenzte Kompetenz. 23 F+T-Entwicklungen für zukünftige Schutztechnologien laufen unter großer 24 Geheimhaltung in spezialisierten Instituten wie z.B. EMI, ISL und Ingenieurbü- 25 ros wie z.B. GEKE Technologie und IBD, aber auch bei der IABG. Daneben sind 26 zahlreiche auf Produktlevel arbeitende Firmen (die insbesondere Schutz für leich- 27 te Fahrzeuge verkaufen wollen) an diesem Thema aktiv wie z.B. BHC, DND, 28 Diehl, Verseidag u.a. 29 Beim Minenschutz hat sich auf Basis freiwilliger Absprache ein Expertenkreis 30 aus Instituten und nicht produktorientierter Firmen (Nordmetall, Condat und IABG) 31 zusammengeschlossen. 32 33 3.3.2 Transport- und Unterstützungsfahrzeuge 34 Für das Heer spielt auch die Nutzfahrzeugindustrie aufgrund des Transportbedarfs 35 eine große Rolle. Sie liefert sowohl gepanzerte als auch ungepanzerte Fahrzeuge. 36 Zu den Sonderfahrzeugen gehören einerseits Unterstützungsfahrzeuge, die sich

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in der Regel vom Kampfpanzerfahrgestell ableiten (Berge-, Pionier-, Brücken- 1 panzer) andererseits Spezialfahrzeuge für bestimmte Einsatzaufgaben (z.B. Mi- 2 nenräumpanzer, Roboticfahrzeuge). 3 Die Unternehmen der Nutzfahrzeugindustrie können jedoch aufgrund ihrer 4 dominierenden Stellung im zivilen Markt und der darauf aufbauenden Produkt- 5 planung und Anpassentwicklung für militärische Zwecke nicht der klassischen 6 Rüstungsindustrie zugerechnet werden. Die führenden Unternehmen dieser Bran- 7 che sind: 8 FAUN GmbH (100% Tadano Ltd., Japan). 9 Iveco Magirus AG in Ulm, Spezialist für militärische Fahrzeuge und Feuer- 10 wehrfahrzeuge. 11 Iveco DVD (Defence Vehicle Division) in Bozen: Neuentwicklung Light Mul- 12 tirole Vehicle (LMV) für die britische und die italienische Armee. 13 MAN Nutzfahrzeuge AG, 14 DaimlerChysler AG. Bedeutende Zulieferer sind Deutz, Drehtainer, Span- 15 Set. 16 An ausländischer Konkurrenz wäre hier vor allem Peugeot und Volvo 17 zu nennen. 18 19 3.3.3 Brückenbauer 20 MAN Technologie AG: mobile Militärbrücken, 90 Mitarbeiter, Umsatz 19 Mio. € 21 – wurde 2005 von KMW übernommen (FAZ, 12.4.2005). 22 General Dynamics Santa Bárbara Sistemas GmbH (ehemals EWK Kaisers- 23 lautern), spezialisiert auf Schwimm- und Festbrücken. Ihre Kompetenz sieht sie 24 im Umgang mit dem besonderen Material Aluminium und bei automatischen 25 Schweißtechniken für spezielle Aluminiumlegierungen. 26 27 28 3.4 Konkurrenzmärkte in Westeuropa 29 30 Die Heeresindustrien in den anderen westeuropäischen Staaten leiden ebenfalls 31 unter zu kleinen Inlandsmärkten und Überkapazitäten. Allerdings nehmen die je- 32 weiligen Regierungen entschiedenen Einfluss auf ihre nationalen Unternehmen, 33 denen sie sowohl strategische als auch europapolitische Bedeutung beimessen. 34 Wegen der bereits erfolgten nationalen Konsolidierung im Landsystemsektor 35 (Abbildung 2) stehen den deutschen Systemfirmen KMW und Rheinmetall nur 36

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1 noch wenige große ausländische Systemfirmen als Konkurrenten in Europa ge- 2 genüber, allen voran GIAT in Frankreich, BAE Systems in Großbritannien aber 3 auch die amerikanische General Dynamics. 4 GIAT entwickelt Systeme, Komponenten und Ausrüstungen für Landsyste- 5 me, aber auch für Luftwaffe, Marine und Sicherheitskräfte. Die Gruppe entwirft, 6 entwickelt und produziert gepanzerte Fahrzeuge, Waffensysteme, mittel- und groß- 7 kalibrige Munition und Artilleriesysteme. GIAT bemüht sich besonders, sein En- 8 gineering zu verbessern, mit dem erklärten Ziel, eine Führungsposition im zu- 9 künftigen Markt für gepanzerte Fahrzeuge zu erringen. Als ein Meilenstein dahin 10 wird die erreichte Zertifizierung ISO 9001 gesehen. 11 Für 2003 wird ein Umsatz von 729 Mio. € und ein F&E-Aufwand i.H.v. 20% 12 des Umsatzes angegeben. Im Januar 2006 gab es 4.596 Beschäftigte (nach 7.722 13 vier Jahre vorher), die bis Jahresende laut Sozialplan auf 2.880 reduziert werden 14 sollen15. 15 GIAT galt bisher bei der deutschen Konkurrenz als wirtschaftlich marode. Dies 16 übersieht jedoch nicht nur die bereits eingeleitete (Teil-) Privatisierung, sondern 17 auch die zielstrebige Ausgliederung der unrentablen Teile, um die früheren Über- 18 kapazitäten abzubauen und konkurrenzfähig zu werden. Ein neues leistungsstar- 19 kes Produkt ist beispielsweise der zusammen mit Renault gefertigte VBCI (véhi- 20 cule blindé de combat d’infanterie), ein 8x8 minensicherer Schützenpanzer der 21 28 t-Klasse, dessen Körper aus Aluminium besteht. 22 Im Jahre 2006 wurden schließlich die unrentablen Teile ausgegliedert. Das bis- 23 herige Kerngeschäft wird unter dem Namen Nexter weitergeführt. Es hat vier Toch- 24 terunternehmen für Systeme, Munition, Mechanik und Elektronik. Der Umsatz 25 wird für 2006 mit 720 Mio. € angegeben, der operative Gewinn mit 44 Mio. €16. 26 BAE Systems, das mit 90.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von ca. 22 27 Mrd. € (2006)17 größte Rüstungsunternehmen Europas, hat nach den Übernahmen 28 von Royal Ordnance, Alvis/Hägglunds und United Defense auch eine starke Land- 29 system-Komponente (BAE Systems Land Systems), die das britische Heer zu 95% 30 ausrüstet (Secretary of State for Defence 2005): 31 100% Alvis plc: Spezialist für gepanzerte Fahrzeuge und militärische Son- 32 derfahrzeuge, exportiert in 60 Länder, Umsatz 349 Mio. Pfund, 33 34 15 Interview Andreas Verres, Project Consult. 35 16 www.nexter-group.fr. 36 17 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.9.2006.

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100% Land Systems Hägglunds, Schweden: 1.100 Beschäftigte, Kampf- und 1 Geländewagen, Turmsysteme, 2 100% Alvis Moelv AS, Norwegen, 3 75% Alvis South Africa, 4 50% Patria Hägglunds, Finnland: gepanzerte Fahrzeuge, 5 100% Royal Ordnance plc: 5.000 Beschäftigte, 6 100% United Defense Industries (UDI). Diese US-Firma wurde im März 7 2005 von BAE übernommen. UDI produziert gepanzerte Fahrzeuge, Artille- 8 riesysteme, Präzisionsmunition. UDI ist sole-source prime contractor und 9 Systemintegrator für viele Pentagonprogramme mit 5.300 Mitarbeitern. 10 Bofors, Schweden. 100% UDI. 500 Beschäftigte davon 50% in F&E. Artille- 11 riesysteme, intelligente Munition, Plattform gebundene Abschusssysteme. 12 Auch der US-Konzern General Dynamics spielt auf dem europäischen Markt 13 nach einigen Übernahmen eine große Rolle. General Dynamics European Land 14 Combat Systems mit 7.400 Beschäftigten besteht aus: 15 General Dynamics Santa Bárbara Sistemas, Spanien: 2.300 Beschäftigte. 16 Gepanzerte Fahrzeuge, Artilleriesysteme, leichte Waffen, Munition, Lizenz 17 für Leopard 2, Auftrag i.H.v. 672 $ für einen verbesserten Pizarro-Panzer, 18 General Dynamics Santa Bárbara Sistemas GmbH, Kaiserslautern – frü- 19 her Eisenwerke Kaiserslautern (EWK) -, führend bei Brücken, 20 General Dynamics UK, 21 MOWAG AG, Schweiz: gepanzerte und ungepanzerte militärische Fahrzeu- 22 ge im Bereich der Gewichtsklassen von 7 bis 25 Tonnen, gepanzertes Rad- 23 fahrzeug Piranha, gepanzertes Aufklärungsfahrzeug Eagle, Transportfahrzeug 24 Duro. 500 Mitarbeiter, 25 Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug, Österreich: Prime contractor gepanzer- 26 te Fahrzeuge. 400 Beschäftigte, 230 Mio. € Umsatz. 27 Auch die zu 35% staatliche Finmeccanica in Italien ist auf dem europäischen Land- 28 sektor tätig: 29 100% Oto Melara SpA. Die alte Oto Melara wurde 1994 unter dem Dach von 30 Finmeccanica fusioniert mit Breda Meccanica Bresciana zu Otobreda, die seit 31 2001 Oto Melara SpA heißt. Der Umsatz 2003 beträgt 256 Mio. Euro, es gibt 32 1.345 Beschäftigte. Oto Melara ist zertifiziert nach ISO 9001, nach NATO 33 AQAP 110 und 150. Sie ist spezialisiert auf Waffensysteme, gepanzerte Fahr- 34 zeuge und Feldhaubitzen. Der italienische Kampfpanzer Ariete wurde hier in 35 Zusammenarbeit mit IVECO gebaut, wobei Oto Melara vor allem das Turm- 36

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1 und Waffensystem entwickelt hat. Auch Dardo AFN, Centauro 8x8 IFV und 2 PUMA 4x4 und 6x6 wurden bzw. werden hier produziert, daneben gibt es eine 3 Beteiligung an der deutschen PZH 2000. 4 Ferner sind zu nennen: 5 IVECO DVD in Bozen ist Generalunternehmer, Oto Melara liefert Waffensys- 6 teme und andere Komponenten zu. 7 Patria Industries: 73% finnischer Staat, 1848 Mitarbeiter und 317 Mio. € 8 Umsatz (2005): 9 100% Patria Vehicles, Generalunternehmen für gepanzerte Fahrzeuge, 10 50% Patria Hägglunds, gepanzerte Fahrzeuge, 11 100% Patria Lapua Oy: Munition, 12 27% Nammo AS, Norwegen: Munition, 13 100% Nammo Sweden AB: Munition, Pyrotechnik. 14 RUAG, Schweiz: insgesamt 5.500 Beschäftigte, 1,2 Mrd. SF Umsatz. 15 100% RUAG Munitions: Munition, 16 49% Nitrochemie: Pulver, 17 100% RUAG Landsystems: Artilleriesysteme, Wartung gepanzerter Fahrzeuge. 18 Außerdem Entwicklung und Fertigung großkalibriger Waffen und Ausbil- 19 dungssimulatoren, 20 80% RUAG Ammotec: Kleinwaffen und Munition. 21 RDM, Niederlande: Haubitzen, Artilleriesysteme. 22 Steyr Mannlicher AG, Österreich: Kleinwaffen. 23 24 25 3.5 Kapitalverflechtungen im Überblick 26 27 Die Abbildungen 4 und 5 zeigen die Kapitalverflechtungen der großen deutschen 28 und europäischen Player für den Panzerbau und die Waffen- und Munitionsin- 29 dustrie mit Stand November 2004. 30 31 32 33 34 35 36

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Abbildung 4: Panzerbauende Industrie – Industriestruktur/Verflechtung

BMVg Rü II 2 Bonn/Koblenz, Januar 2005 BWB T7.2 Stand: 02.12.04

Wegmann & Co. Siemens AG Rheinmetall AG Fam. Diehl GmbH

100 % 100 % 51 % 49 %

Krauss-Maffei Rheinmetall 100 % 50 % 50 % Diehl Wegmann Landsysteme Rheinmetall GIWS mbH DeTec AG Stiftung & Co. GmbH & Co. KG GmbH KG 100 % 100 % 100 % 50 % 50 % 100 % 100 %

GLS Gesellschaft PSM GmbH Oerlikon Rheinmetall Rheinmetall Defence IWS für logistischen (SPz PUMA) Contraves AG Waffe Munition Electronics Industriewerke Service mbH GmbH GmbH Saar GmbH

1 33 /3 % 100 %

ARTEC GmbH PGR Arnament Diehl Remscheid (GTK / Boxer) GmbH GmbH & Co.

Nach Ausstieg GB aus GTK/BOXER- 331/3 %331/3 % Programm keine Anteile mehr an ARTEC

Alvis PLC Stork PWV GIAT Industries Royal Ordnance B.V. über Alvis Vehicles S.A. PLC

100 %

44,9 % BAE Systems PLC 35 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 10 11 9 8 7 6 5 4 3 2 1 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd13.09.200710:56UhrSeite36

36 Abbildung 5: Waffen- und Munitionsindustrie – Industriestruktur/Verflechtung

BMVg Rü II 2 Bonn/Koblenz, Januar 2005 BWB T7.2 Stand: 25.11.04

GIAT 1 RGR 1 Royal Bayern-Chemie 100 % PROTAC Industries S.A. 33 /3 % Arnament 33 /3 % Ordnance PLC Heckler & Koch Ges. für flugtechn. S.A. GmbH (GB) MBO GmbH Antriebe mbH (FR) (FR) Ende 2002

1 33 /3 % 50 % 50 %

50 % GIWS Diehl EADS EUROMETAAL 100 % Rheinmetall Stiftung & Co. KG THALES S.A. (NL DeTec AG Ges. für intelligente Deutschland Wirksysteme mbH z.T. über Diehl VA Syst. GmbH (FR)

Management- 50 % 100 % 57,55 % 100 % Beteiligung 5 %

Oerlikon Rheinmetall 30 % 50 % Diehl BGT Contraves AG Waffe Munition DynITEC Defence GmbH Dornier GmbH42,45% Fam. Dornier (CH) GmbH GmbH & Co. KG

15 % 50 % 100 % 51 % 50 %

Nitrochemie 100 % 49 % Junghans TDA 50 % Wimmis AG Nitrochemie RUAG Suisse Feinwerktechnik Arnement S.A.S. (CH) AG (CH) GmbH & Co. KG (FR)

100 % 100 % 80 % 50 % 50 %

Comet GmbH RTG Nitrochemie RUAG Pytrotechnik- Euromunition Aschau GmbH Ammo Tec GmbH Apparatebau GmbH

20 %

100 % Dynamit Nobel * Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG RAFAEL Dynamit Nobel GmbH Explosivstoff- Entstanden durch Zusammenschluss Defence GmbH und Systemtechnik der Bodenseewerk Gerätetechnik mit der Diehl Munitionssysteme GmbH. edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 37

3.6 Osteuropäische Unternehmen 1 2 Das Ende des Kalten Krieges, die Unabhängigkeit von der Sowjetunion, das 3 Wegbrechen der alten Märkte, die Reduzierung und Transformation der Streit- 4 kräfte und die Anpassung ihrer Ausrüstung an NATO-Standards hat die Rüs- 5 tungsindustrien der ehemaligen Ostblockstaaten noch viel härter getroffen als 6 dies in Westeuropa der Fall war. Die Verteidigungs- und Beschaffungshaushal- 7 te wurden noch deutlicher reduziert, die Beschäftigung in den Unternehmen ist 8 noch dramatischer eingebrochen. Viele ehemals große Firmen sind inzwischen 9 untergegangen, einige wurden privatisiert, aber im Allgemeinen herrscht in die- 10 sem Sektor immer noch das staatliche Eigentum vor. Vielfach wird der Ausweg 11 im Export nach Entwicklungsländern und in Kooperationen mit westeuropäi- 12 schen und amerikanischen Firmen gesucht. Über relevante Entwicklungs- und 13 Produktionskapazitäten verfügen – neben Russland und Ukraine – im östlichen 14 Mitteleuropa eigentlich nur Polen und Slowakei. 15 16 Polen 17 ZM Bumar Labedy in Gleiwitz ist zu 100% staatlich und produzierte früher 18 mit 4.100 Mitarbeitern verschiedene sowjetische Kampfpanzer in Lizenz, zu- 19 letzt auch den modernsten Kampfpanzer Polens, den PT 91, der mit einer 20 125 mm Glattrohrkanone ausgestattet ist. Ferner werden hier produziert der 21 Bergepanzer WZT 3 BISZON, die Aufklärungsfahrzeuge BLG 67 und OMC 22 90 und der Brückenleger DST. Kooperiert wurde in den vergangenen Jahren 23 mit Mowag zur Vermarktung des PIRANHA in Polen und mit der italienischen 24 OTO Breda zur Vermarktung des Schützenpanzers BWP 2000 (Kogan 2005). 25 Fertigt heute den 8x8 in Lizenz von Patria. 26 Huta Stalowa Wola (HSW) ist zu 100% staatlich und produziert mit 14.000 27 Beschäftigten u.a. den leichten Mannschaftstransporter MTLB, die 122 mm 28 Panzerhaubitze 2S1 und einen Pionieraufklärungspanzer. An Kooperationen 29 mit westeuropäischen Firmen ist vor allem Steyr-Daimler-Puch zur Vermark- 30 tung des Pandur zu nennen. 31 OBRUM in Gleiwitz ist mit 410 Beschäftigten ein Forschungs- und Ent- 32 wicklungszentrum für Berge- und Pionierausrüstungen, aber auch für den Pio- 33 nierpanzer MID. Kooperation mit der britischen Marconi Marine (Hanel 2000; 34 S. 136). 35 36

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1 Ferner sind die ebenfalls alle 100% staatlichen Firmen zu nennen: FLT Kras- 2 nik (Munition), ZM Mesko SA (Munition), GZE Unimor (Waffen), ZM PZL- 3 Wola (Panzermotoren) (Hanel 2000; Ripley 2005). 4 5 Tschechei 6 Caliber Praha: Kleinwaffen, 100% staatlich. 7 Omnipol SA: Kampfwertsteigerungen für Panzer, 100% staatlich. 8 Policske Strojirny: Munition, 100% staatlich. 9 PSP Bohemia: Modernisierung gepanzerter Fahrzeuge, 100% staatlich. Seri- 10 enfertigung des 8x8 Pandur. 11 Vojensky Opravarensky Zavod 025 Novy Jicin SP: Reparatur und Kampf- 12 wertsteigerungen für gepanzerte Fahrzeuge, hat in Kooperation mit ausländi- 13 schen Unternehmen den Prototypen eines kampfwertgesteigerten Kampfpan- 14 zers T 72CZ hergestellt. 100% staatlich. 15 Vojensky Opravarensky Podnik 026 Sternberk: Reparatur und Kampfwert- 16 steigerungen für gepanzerte Fahrzeuge, 100% staatlich (Kogan 2005). 17 Tatra Koprivince: schwere LKW, 8% staatlich, 92% SDC International (US) 18 (Hanel 2000; Ripley 2005). 19 20 Slowakei 21 Zur 100% staatlichen DMD Holding gehören u.a. die Unternehmen 22 ZTS TEES Defence Martin: war in den 80er Jahren Lizenznehmer für den 23 KPz Z 72, produzierte den Bergepanzer VT 72B und den Brückenlegepanzer 24 T 72. Exporte nach Indien. Hat den Prototyp des neuen 4x4 Radfahrzeugs Ali- 25 gator produziert (Kogan 2005). 26 ZTS Dubnica: Panzerhaubitze DANA, 155 mm Haubitze Zuzana. 27 PPS Detva: Schützenpanzer BVP 2, gepanzertes Fahrzeug AMB 9, Berge- 28 panzer VPV, Radfahrzeug Tatrapan. 29 Transmisie hat das neue 4x4 Radfahrzeugs Aligator konzipiert (Hanel 2000; 30 Ripley 2005). 31 32 Bulgarien 33 Arsenal: Artillerie, Munition, 100% staatlich (Ripley 2005). 34 Beta: produziert das gepanzerte Mehrzweckfahrzeug MTABU (Kogan 2005). 35 Khan Kroum in Targovishte: Reparaturbetrieb, produziert Ersatzteile für Pan- 36 zer (Kogan 2005).

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ARZ Lulin JSC produziert Teile für MTLB, den Kampfpanzer T-55 und den 1 BMP-Schützenpanzer (Kogan 2005). 2 3 Slowenien 4 STO Ravne: Artilleriemunition und leicht gepanzerte Fahrzeuge. 5 Alpimex : Kleinwaffen. 6 MPP Vozila : leicht gepanzerte Fahrzeuge (Ripley 2005). 7 8 Kroatien 9 RH-Alan: 100% staatliche Defence Holding Company: 10 100% 310 Brigade Depot: Kampfwertsteigerungen für gepanzerte Fahrezuge 11 und Artillerie. 12 100% Duro Djakovic: Produktion von Kampfpanzern und gepanzerten Fahr- 13 zeugen. 14 100% Torpedo: Entwicklung gepanzerte Fahrzeuge (Ripley 2005). 15 16 Rumänien 17 hatte im Ostblock eine eigenständige Panzerentwicklung und fertigt heute den 4x4 18 Saur für die Polizei. 19 20 Russland 21 Die russische Panzerindustrie gilt als die leistungsfähigste des ehemaligen Sow- 22 jetimperiums. Hier wurde und wird immer noch Forschung & Entwicklung be- 23 trieben. Der T 90 gilt als einer der modernsten Kampfpanzer der Welt. Nach Jah- 24 ren der Unterfinanzierung stiegen die Militärausgaben im Haushalt für 2005 um 25 27,7%18, dabei ist jedoch die hohe Inflationsrate zu beachten. Die Neubeschaf- 26 fungen der russischen Armee sind äußerst gering, es wird hauptsächlich für den 27 Export in asiatische Länder produziert19. 28 Nach der Jahrhundertwende konnten die folgenden Unternehmen festgestellt 29 werden: 30 Uralvagonzavod in Nischnij Tagil ist wohl der größte Produzent von Kampf- 31 panzern der Welt. Das neueste Modell ist der T 90C mit einer 125 mm-Ka- 32 none, einer Panzerabwehrrakete und einem automatischen Lader. Ferner wer- 33 34

18 www.globalsecurity.org/military/world/russia/mo-budget.htm 35 19 www.mbd.cast.ru 36

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1 den hier produziert der Bergepanzer BREM 1, der IMR 2MA-Pionierpanzer 2 und der MTU 72-Brückenlegepanzer20. Der Gesamtumsatz im Jahre 2005 be- 3 trägt 875 Mio. $21. 4 Kurganmashzavod: gepanzerte Kettenfahrzeuge, Schützenpanzer BMP 3 seit 5 1991. 6 KBTM in Omsk produziert den T 80U-Kampfpanzer. 7 Die Arzamas Maschinenfabrik produziert Mannschaftstransportfahrzeuge, den 8 BRT 80 und den 8x8 BRT 80A. Umsatz 68 Mio. $. 9 Rubtsovsk Maschinenfabrik ist führend in der Herstellung gepanzerter Rad- 10 fahrzeuge (BRM 3). 11 Die Wolgograd Traktorfabrik ist eine der größten Entwickler und Hersteller 12 leichter gepanzerter Kettenfahrzeuge und schwimmfähiger Panzer (PT 76) 13 (Hanel 2000). 14 Almaz-Antey Air Defense Concern ist eines der größten Unternehmen für 15 Heerestechnik mit 87.000 Beschäftigten und einem Gesamtumsatz von 1.768 16 Mio. $ im Jahre 2005. Der zivile Anteil beträgt nur 10%, die Exportquote 17 60%22. 18 Tula Instrument Design Bureau produziert Waffen und leichte Waffen. Um- 19 satz 255 Mio. $. 20 21 Ukraine 22 Der ukrainische Verteidigungshaushalt wurde wegen der katastrophalen Wirt- 23 schaftslage stark zusammengestrichen und die Mannschaftsstärke der Streitkräf- 24 te reduziert. Sie verfügten Mitte der 90er Jahre noch über 346.400 Soldaten, ihre 25 Zielgröße ist jetzt 250.000. Für Beschaffungen stehen aus dem verkleinerten Etat 26 nur noch etwa 10% zur Verfügung. Das Heer verfügte zur Jahrhundertwende noch 27 über 18.995 gepanzerte Fahrzeuge, darunter 4.013 Kampfpanzer und die Rüs- 28 tungsindustrie beschäftigte etwa 500.000 Menschen direkt und eine Million indi- 29 rekt (Hanel 2000). Wegen des geschrumpften Inlandsmarktes streben die ukrai- 30 nischen Rüstungsbetriebe in den Export, hauptsächlich in den Mittleren Osten, 31 und stoßen dort auf heftige russische Konkurrenz. 32 Im Jahre 2001 wurden die staatlichen Rüstungsbetriebe des Landes neustruk- 33 turiert, um der Krise vieler Betriebe entgegenzuwirken. Unter der englischen Be- 34 20 http://www.rusarm.ru/cataloque/lanforces_cataloque.html 35 21 www.mbd.cast.ru 36 22 www.mbd.cast.ru

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zeichnung »Armoured Equipment of Ukraine« wurde 1 ein neuer staatlicher Konzern gegründet, der die führenden Unternehmen des Rüs- 2 tungssektors umfasst und ihre gemeinsamen Aktivitäten auf dem Gebiet der Ent- 3 wicklung, der Produktion und des Verkaufs koordiniert23. Es handelt sich um einen 4 Mischkonzern für hochtechnologische und wissensintensive Produktion ziviler 5 und militärischer Güter. Neben metallurgischen, landwirtschaftlichen und medi- 6 zinischen Geräten entwickeln, produzieren und vermarkten die Konzerntöchter 7 vor allem gepanzerte Fahrzeuge, Infanterieausrüstungen, Munition, optische und 8 elektronische Geräte, Generatoren, Antriebsysteme. Zu nennen sind vor allem die 9 schweren Kampfpanzer Oplot, T-80DU und T-84, aber auch verschiedene Schüt- 10 zenpanzer und gepanzerte Transportfahrzeuge und die Haubitze »Gvozdika«. Auch 11 Reparatur und Kampfwertsteigerungen werden hier durchgeführt24. 12 Gegenwärtig umfasst der Konzern die 55 führenden Unternehmen auf diesem Ge- 13 biet. Die wichtigsten davon sind: 14 Malyshev Werke in Charkiw (früher Char- 15 kow). Sie gelten als weltweit renommierter Panzerhersteller. Hier wird der 48 t 16 schwere T 84 als verbesserte Version des T 80 hergestellt. Er hat »einen 1200 17 PS Dieselmotor und einen Schweißturm. Er ist mit einer 125 mm Glattrohr- 18 kanone bewaffnet, die auch Lenkraketen verschießen kann, und wurde 1995 19 erstmalig auf der wehrtechnischen Messe in Abu Dhabi einer breiten Öffent- 20 lichkeit vorgestellt. 1998 ist ein erster Serienauftrag für die ukrainische Armee 21 erteilt worden« (Hanel 2000; S. 147). Daneben wird der T 80DU Kampfpan- 22 zer mit einem 1100 PS Dieselmotor produziert, der nach Pakistan exportiert 23 wurde. 1999 wurde erstmals der neue T 72 Kampfpanzer mit einer 120 mm 24 Glattrohrkanone vorgestellt, mit dem die Ukraine in den Markt der neuen 25 NATO-Staaten vordringen möchte. 26 Asow Maschinenbauwerke 27 in Mariupol. 28 Galol in Drogobitsch. 29 Elektrogerätefabrik Charkiw 30 Technisches Projektierungsbüro »Elektroaparat« 31 32 in Charkiw. 33 34 23 Ruslan Khmelnytski, Stellvertretender Leiter der Handels- und Wirtschaftsmission der Ukraine in Deutschland. 35 24 www.armequip.com.ua. 36

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1 Maschinenwerke »FED« 2 in Charkiw. 3 Ordschonikidse Traktorwerke 4 in Charkiw. 5 Arsenal in Kiew. 6 Optische Werke in Feodosia 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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4 Neue Herausforderungen 1 2 3 Trotz der bereits erfolgten Anpassungsmaßnahmen stehen die deutschen Unter- 4 nehmen der Landindustrie heute vor erneuten Herausforderungen, die sich aus der 5 geänderten Aufgabenstellung der Bundeswehr und den dazu geforderten neuen 6 militärischen Fähigkeiten ergeben. Das übergeordnete Ziel der Transformation 7 der Streitkräfte ist »die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in einem sich wandeln- 8 den Umfeld zu erhöhen und auf Dauer zu erhalten« (Bundesministerium der Ver- 9 teidigung 2006). Zu diesem Zweck werden die Streitkräfte jetzt eingeteilt in Ein- 10 greifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte. Ein Kernelement dieser 11 Transformation ist die vernetzte Operationsführung auf der Grundlage eines über- 12 greifenden und interoperablen Informations- und Kommunikationsverbundes. Für 13 die neuen Herausforderungen bedürfen die Unternehmen einer begleitenden In- 14 dustriepolitik, die die Rahmenbedingungen so zu setzen hat, dass die geforderte 15 Anpassung gelingen kann. Diese Industriepolitik darf sich nicht darin erschöpfen, 16 lediglich die vorhandenen Kapazitäten der Unternehmen möglichst gut auszulas- 17 ten, sondern jene Fähigkeiten zu erhalten bzw. zu schaffen, die für die Zukunft 18 gefragt sind. 19 20 21 4.1 Neue Aufgaben und Fähigkeiten der Bundeswehr 22 23 Seit dem 11. September 2001 wird immer deutlicher, dass kein Staat seine äuße- 24 re, aber auch seine innere Sicherheit allein, sondern nur in einem System kollek- 25 tiver Sicherheit und in einem globalen Kooperationsrahmen organisieren kann. 26 Das Sicherheitsumfeld im 21. Jahrhundert ist geprägt durch qualitativ und quan- 27 titativ neue Risiken, Krisen und Gefahren. Die Sicherheit der Mitgliedstaaten von 28 NATO und EU wird zunehmend durch den internationalen Terrorismus, die or- 29 ganisierte Kriminalität, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, 30 Regionalkonflikte, staatliche Instabilität sowie Staatsversagen beeinträchtigt. »Der 31 Dschihad-Terrorismus des 21. Jahrhunderts kennt weder eine Armee noch ein kon- 32 kretes Aufmarschgebiet. Die Logik, den militärischen Fähigkeiten des Gegners 33 nahezu spiegelbildliche Fähigkeiten entgegenzuhalten, gilt nicht mehr. Im Kampf 34 gegen den Terrorismus gibt es weder eine Symmetrie der militärischen Fähigkei- 35 ten noch der strategischen Optionen. Das Paradigma der langen Vorwarnzeit, die 36

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1 dem Westen nicht nur den Aufwuchs der eigenen Kräfte ermöglicht, sondern auch 2 Zeit zum politischen Krisenmanagement verschafft hatte, wurde am 11. Septem- 3 ber 2001 endgültig außer Kraft gesetzt« (Rühle 2006). 4 Aus dieser Problemlage ergeben sich grundlegend neue Rollen und Aufgaben 5 für die Bundeswehr, die Veränderungen in vielen Bereichen erfordern. Die Befä- 6 higung der Bundeswehr zur Interoperabilität, sowohl streitkräftegemeinsam (joint) 7 als auch multinational (combined) ist eine Schlüsselfähigkeit für das gegenwär- 8 tige und zukünftige Einsatzspektrum. 9 Das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr, das vom hochintensiven Ge- 10 fecht mit schweren Waffen und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus 11 über Stabilisierungsoperationen (Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und Un- 12 terstützung von Bündnispartnern) bis hin zu humanitären Hilfeleistungen geht, 13 hat Auswirkungen auf die Streitkräftestruktur und erfordert ein neues militärisches 14 Fähigkeitsprofil. Dazu gehören insbesondere Führungsfähigkeit, Nachrichtenge- 15 winnung/Aufklärung, Mobilität, Wirksamkeit im Einsatz, Unterstützung und Durch- 16 haltefähigkeit, Überlebensfähigkeit und Schutz. 17 Nicht nur die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen, sondern auch 18 die neuen technologischen Möglichkeiten zwingen zu einer Anpassung der Streit- 19 kräfte. Bereits in den vergangenen Jahren haben rasante Technologiesprünge ver- 20 änderte Einsatzmöglichkeiten eröffnet und zu veränderten Führungs- und Ein- 21 satzgrundsätzen auf der taktischen und operativen Ebene geführt und dadurch 22 Strukturanpassungen erzwungen. »Beispielsweise hat die Entwicklung von neuen 23 Drohnen und die Zusammenfassung unterschiedlicher Aufklärungssysteme zur 24 Schaffung der neuen Truppengattung Heeresaufklärungstruppe geführt, in der alle 25 land- und luftgestützten Aufklärungskräfte gebündelt werden. In Konsequenz war 26 unter anderem die Panzeraufklärungstruppe als Nukleus für die neuen Aufklä- 27 rungsverbände und –einheiten aus dem Verbund der Gepanzerten Kampftruppen 28 herauszulösen« (Voll 2006). Diese Anpassungsprozesse werden derzeit unter dem 29 Begriff Transformation von allen Streitkräften des euroatlantischen Raumes be- 30 trieben. Sie haben neben Auswirkungen auf Ausbildung, Doktrin, Führung, In- 31 frastruktur, Personal und Struktur der Streitkräfte vor allem auch Auswirkungen 32 auf die Ausrüstung und damit auch auf die Rüstungsindustrie. 33 Die Verteidigungspolitischen Richtlinien von Mai 2003 und das neue Weiß- 34 buch des BMVg definieren Krisenbewältigung und Konfliktverhütung außerhalb 35 des Landes als die wahrscheinlichen Aufgaben der Bundeswehr (Bundesministe- 36 rium der Verteidigung 2006). Dieses »Spektrum reicht vom Einsatz der Spezial-

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kräfte über die vielfältigen Optionen im Rahmen der Konfliktprävention und Frie- 1 denskonsolidierung bis hin zum hochintensiven Gefecht. Anfangs- und Ab- 2 schlussoperationen, Rettungs-/Evakuierungseinsätze, der Schutz der Truppe gegen 3 irreguläre Kräfte sowie Luftmechanisierte Operationen ...« (Gudera 2003; S. 3). 4 Für alle diese Aufgaben sowohl im Rahmen der Krisenbewältigung als auch 5 des anschließenden »Nation Building« sind durchsetzungsfähige Landstreitkräfte 6 erforderlich. Nur sie verfügen über die erforderliche Kompetenz, um Ballungs- 7 gebiete und städtische Zentren militärisch zu kontrollieren und dabei auch mit zi- 8 vilen Wiederaufbaukräften zusammenzuarbeiten. In der Tat sind die meisten Sta- 9 bilisierungsaktionen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, Landoperationen. Das 10 Heer stellt nicht zufällig mit über 4.400 Soldaten 60% der Kräfte in den Aus- 11 landseinsätzen (Liechtenauer und Kiesewetter 2006). 12 Im Unterschied zu anderen Teilstreitkräften sind die Heeressoldaten bei Sta- 13 bilisierungsoperationen direkt mit der Bevölkerung aber auch mit feindlichen Kräf- 14 ten konfrontiert. Die Soldaten sind terroristischen Angriffen u.a. in Form von 15 Minen, Sprengfallen und Scharfschützen ausgesetzt. Daraus folgt, dass gerade die 16 Soldaten der Landstreitkräfte nicht nur effiziente Wirkmittel, sondern auch best- 17 möglichen Schutz benötigen. Gerade die Priorität, die heute dem Schutz der ei- 18 genen Soldaten beigemessen wird, unterscheidet die Bundeswehr von früheren 19 deutschen Armeen, aber teilweise auch von den verbündeten Streitkräften. »Der 20 Faktor Schutz ist der herausgehobene Anspruch der Ausrüstungsplanung des Hee- 21 res. Im Verständnis des Heeres besteht Schutz aus einem Verbund von Maßnah- 22 men und Mitteln, der weit mehr als nur das Fahrzeug umfasst. Durch eigene ak- 23 tive und reaktive Schutzmaßnahmen sollen Aufklärung, Zielerfassung und Wirkung 24 gegnerischer Kräfte verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Eigene 25 Durchsetzungsfähigkeit und Wirkung tragen ebenso wie präzise Aufklärung und 26 überlegene Führungsfähigkeit zum Schutz der Truppe bei. Neben der Erhöhung 27 der persönlichen Überlebensfähigkeit mit Systemen wie ›Infanterist der Zukunft‹ 28 (IdZ) und ›Soldat im Einsatz‹ (SiE) steht vor allem ein abgestimmtes System ge- 29 schützter Fahrzeuge im Mittelpunkt der Planung und Realisierung« (Liechtenau- 30 er und Kiesewetter 2006). 31 Schutz besteht immer aus einem integralen System von Maßnahmen in Ab- 32 hängigkeit von und im Spannungsfeld zwischen Auftragslage und Bedrohung (För- 33 derkreis Deutsches Heer 2006). Grundsätzlich wird zwischen direktem und indi- 34 rektem Schutz unterschieden. Von Bedeutung ist vor allem der direkte Schutz, der 35 wiederum in aktive und passive Schutzmaßnahmen unterteilt werden kann. Er 36

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1 zielt vor allem auf Vorbeugung, Vereitelung oder Verhinderung von Maßnahmen 2 gegnerischer Kräfte, wie dies in Abbildung 6 dargestellt ist. 3 Abbildung 6: Systematisierung von Schutz 4 5 Schutz 6 7 8 Indirekter Direkter 9 Schutz Schutz 10 11 Verfahren Aktiver Schutz Passiver Schutz 12 Wie kann eine Verhinderung der 13 Planung Bedrohung Aufklärung erkannt werden? 14 Organisation Verhinderung der 15 Wie soll auf die Identifizierung Bedrohung 16 reagiert werden? Verhinderung der 17 Zielauffassung 18 Kann und soll die Bedrohung 19 bekämpft oder Verhinderung des unterdrückt Treffens 20 werden? 21 Verhinderung der Wirkung 22 Wehrtechnischer Report 10/06 23 24 In unserem Zusammenhang hat besonders der Schutz von Fahrzeugplattformen 25 Bedeutung. Neue Systeme wie die Geschützten Führungs- und Funktionsfahr- 26 zeuge (GFF) und die Geschützten Transportfahrzeuge (GTF) tragen den Forde- 27 rungen nach erhöhtem Schutz schon in ihrer Auslegung Rechnung, ältere Syste- 28 me müssen dagegen nachgerüstet werden. Das Schutzniveau der Fahrzeuge wird 29 differenziert hinsichtlich des ballistischen Schutzes gegen unterschiedliche welt- 30 weit in Einsatzgebieten anzutreffende Handfeuerwaffen und Maschinenkanonen 31 sowie hinsichtlich des Minenschutzes unter Berücksichtigung der verwendeten 32 Sprengmasse. Abbildung 7 zeigt das Spektrum von Plattformen, die eine ideale 33 Kombination zwischen Funktionalität, Mobilität und Schutz leisten. Die zukünf- 34 tige Entwicklung geht in Richtung unbemannter bodengebundener und luftge- 35 stützter Systeme und der Robotik. Roboter können auch mit Sensoren oder Wirk- 36 mitteln ausgestattet werden, die sie befähigen, versteckte Ladungen oder Sperren

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zu entdecken, zu kennzeichnen und zu zerstören (Förderkreis Deutsches Heer 1 2006). Diese Möglichkeiten sind zunehmend auch im Bereich der inneren Si- 2 cherheit von Interesse. 3 Darüber hinaus kann Schutz in drei Dimensionen ausgelegt werden: 4 ballistischer Schutz, 5 Schutz gegen Panzer- und Personenminen und 6 Schutz gegen seitliche Ansprengung, etwa durch Autobomben. 7 Bisherige Schutzkonzepte versagen bei einem solch komplexen Bedrohungssze- 8 narium. Das neuartige modulare Konstruktionsprinzip erlaubt dagegen den schnel- 9 len Austausch von Schutzelementen, so dass auch künftige Schutztechnologien 10 später integriert werden können. 11 Gefordert ist eine diversifizierte Palette geschützter Fahrzeugplattformen. »Für 12 den unteren und mittleren Schutzbereich stehen hierfür z.B. ESK Mungo, Wiesel 13 2, BV 206, Dingo25. Hier hat das Heer bisher nur einen Einstieg in die Beschaf- 14 fung realisiert. Derzeit sind noch weniger als ein Drittel der insgesamt ca. 2.700 15 Fahrzeuge in den Einsatzgebieten geschützt. Sogar bei ISAF, dem Einsatz mit dem 16 höchsten Bedrohungspotenzial, beträgt der Anteil geschützter Fahrzeuge ledig- 17 lich etwas mehr als die Hälfte« (Liechtenauer und Kiesewetter 2006). Abbildung 18 7 zeigt die derzeitige Ausrüstung mit geschützten Fahrzeugen in grüner Farbe. 19 Dabei ist auf der x-Achse der ballistische Schutz gegen Handwaffen und Ma- 20 schinenkanonen und auf der y-Achse der Schutz gegen Minen dargestellt. Bei den 21 Fahrzeugen für das wichtige obere Spektrum, also bei geschützten Führungs- und 22 Funktionsfahrzeugen (GFF) mit hohem Minen- und ballistischen Schutz, zeigt die 23 Abbildung eine Fähigkeitslücke, die mit dem gepanzerten Transportkraftfahrzeug 24 (GTK) Boxer und dem Waffensystem PUMA geschlossen werden soll. Das BMVg 25 erkennt einen Mindestbedarf von 3.500 Fahrzeugen in Höhe von 2 Mrd. € (Liech- 26 tenauer und Kiesewetter 2006). 27 28 29 30 31 32 33 34 25 Durch einen Änderungsvertrag mit KMW werden im Jahr 2007 nicht 33 sondern 100 geschützte Fahrzeuge des Typs Dingo 2 beschleunigt beschafft, um der verschlechterten Sicherheitslage in 35 Afghanistan Rechnung zu tragen (BMVg Pressemitteilung, Berlin 12.12.2006). 36

47 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 10 11 9 8 7 6 5 4 3 2 1 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd13.09.200710:56UhrSeite48

48 Abbildung 7: Schutzniveau deutscher gepanzerter Fahrzeuge des Heeres

Minen- Schutz (STANAG 4569) PUMA PUMA (Schutzstufe A) (Schutzstufe C) Level 4a PzAbwBlastMine 10 kg u. Rad/Kette BOXER

Level 3a DINGO 2 PzAbwBlastMine 8 kg u. Rad/Kette DINGO 1 FUCHS (ZUSPANZ) Level 2a PzAbwBlastMine 6 kg u. Rad/Kette WOLF MSS ESK MUNGO DURO DM 31 unter Rad WOLF SSA Level 1 BV 206 S (u.a. HGr) WOLF MSA WIESEL 2 FUCHS Ballistischer ohne Wolframkarbidkern (WC) Schutz (STANAG 4569) Level 1 Level 2 Level 3 Level 4 Level 5 Sturmgewehr Sturmgewehr AP Scharfschützenge- MG AP MK (Hartkern) 7,62 mm x 51 (panzerbrechend) wehr AP/WC bis 14,5 mm x 114 25 mm x 137 (NATO Ball WK) 7,62 mm x 39 7,65 mm x 54 APl

x Fahrzeuge im Einsatz x Fahrzeuge nicht im Einsatz / noch nicht beschafft

Quelle: Liechtenauer und Kiesewetter 2006 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 49

Aufbauend auf den Verteidigungspolitischen Richtlinien und den Erkenntnissen 1 aus den jüngsten Auslandseinsätzen wurden die Zielvorstellungen für das Deut- 2 sche Heer 2020 (Gudera 2003) entwickelt. Dazu wird »ein Kontinuum aus leich- 3 ten, mittleren und schweren Kräften« gefordert, »um lückenlos die Faktoren ›Schnel- 4 ligkeit‹, ›Spezialisierung‹, ›Vielseitigkeit‹, ›Durchhaltefähigkeit‹, ›Stoßkraft‹ und 5 ›Durchsetzungsfähigkeit‹ miteinander zu vereinen« (Gudera 2003; S. 4). Dabei die- 6 nen die leichten Kräfte, die sich durch hohe Verlegefähigkeit auszeichnen, vor- 7 nehmlich der Friedenssicherung. Die mittleren Kräfte, die es in dieser Form bis- 8 her nicht gab, sollen die Lücke zwischen den leichten und den schweren Kräften 9 schließen und in besonderer Weise Mobilität, Schutz und Durchsetzungsfähigkeit 10 vereinen. Aufgrund der zunehmend asymmetrischen Bedrohung soll die Weiter- 11 entwicklung des Heeres ihren Schwerpunkt auf den leichten und mittleren Kräf- 12 ten haben. Die schweren Kräfte verfügen dagegen über die größte Stoßkraft und 13 Durchsetzungsfähigkeit und sind vor allem für hoch intensive Gefechte gedacht. 14 Zwischen diesen drei Kräften soll es keine scharfen Trennlinien geben, sie sollen 15 flexibel und modular eingesetzt werden können, um ein Höchstmaß an Hand- 16 lungsoptionen zu gewährleisten. 17 Der Kern des »Neuen Heeres« besteht nicht mehr aus acht, sondern nur noch 18 aus fünf Divisionen. Den Hauptbeitrag des Heeres zu den Eingreifkräften bildet 19 eine Panzerdivision, der zwei Panzerbrigaden unterstellt sind. Den Kern der Sta- 20 bilisierungskräfte des Heeres bilden vier Brigaden, in denen Kräfte so zusam- 21 mengefasst sind, dass sie als in sich lebensfähige Großverbände in Gänze oder 22 modular in Teilen in Stabilisierungsoperationen eingesetzt werden können (Bun- 23 desministerium für Verteidigung 2007). 24 Als zentral in diesem neuen Konzept wird die Luftmechanisierung des Hee- 25 res genannt. Für alle Bereiche des Heeres sollen die Prinzipien der Modularität, 26 Mehrrollenfähigkeit, Mobilität und Flexibilität gelten. Durch digitale Vernetzung 27 soll ein Systemverbund aus Führung-Aufklärung-Wirkung erreicht werden. 28 Aus diesen Grundprinzipien ergeben sich für das Heer 2020 zentrale Forde- 29 rungen an das Ausrüstungskonzept: Das Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte 30 (ESK), Mungo, ist deren künftiges Kernfahrzeug. Die Fahrzeugfamilien WIESEL, 31 BV 206 und DINGO sind ebenfalls für die leichten Kräfte gedacht, die damit aber 32 den Anschluss an die mittleren Kräfte erreichen. Das einen optimalen Schutz bie- 33 tende und dennoch hochmobile Gepanzerte Transportfahrzeug (GTK Boxer) dient 34 den mittleren Kräften. Der luftverladefähige Schützenpanzer PUMA dient dem 35 Übergang zwischen mittleren und schweren Kräften u.a. durch seine modulare 36

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1 Zusatzpanzerung. Der Kampfpanzer LEOPARD 2 bleibt das Rückgrad der schwe- 2 ren Kräfte. Die Systeme »Infanterist der Zukunft« und »Soldat im Einsatz« ver- 3 bessern Schutz und Durchsetzungsfähigkeit der Soldaten. Dazu kommen weitere 4 Komponenten der Kampfunterstützung, wie die , das Klein- 5 fluggerät zur Zielortung (KZO), der Spähwagen FENNEK, ein neues modulares 6 Flugabwehrsystem, Kampfdrohnen, zielsuchende Munition, der Einstieg in die 7 Robotik und die Luftmechanisierung (Gudera 2003). 8 9 10 4.2 Neue Anforderungen an die Industrie 11 12 Die vom Heer heute und für die Zukunft geforderten Fähigkeiten ergeben sich 13 nicht nur aus den neuen militärischen Bedrohungen, sondern werden auch ent- 14 scheidend von der technologischen Entwicklung beeinflusst. Neue Technologien 15 sind in aller Regel die Treiber neuer Doktrinen und Produktionsverfahren – und 16 nicht umgekehrt. Eine besondere Rolle spielen heute die immer leistungsfähige- 17 ren Informations- und Kommunikationstechnologien. Informationsüberlegenheit 18 und die Vernetzung von Plattformen, Sensoren und Effektoren bilden das Rück- 19 grat von Konzepten und Doktrinen wie die der wirkungsorientierten und der Netz- 20 werkbasierten Operationsführung (Network Centric Warfare). 21 Streitkräftetransformation, technologische Entwicklungen und globale si- 22 cherheitspolitische Entwicklungen zwingen die Unternehmen der Landsystemin- 23 dustrie, nicht nur ihre Leistungen und Produkte an den neuen Streitkräftebedarf 24 anzupassen, sondern auch selbst einen Restrukturierungsprozess zu durchlaufen, 25 um dem staatlichen Auftraggeber als Geschäftspartner gerecht zu werden. 26 Die Beherrschung von Spitzentechnologien bestimmt immer mehr die Wett- 27 bewerbsfähigkeit der Unternehmen und ist Vorraussetzung für die Sicherung bzw. 28 Erschließung der Zukunftsmärkte. Deshalb wird Technologieerwerb für die Un- 29 ternehmen immer wichtiger, sei es durch Kauf, Kooperation oder Eigenentwick- 30 lung. Außerdem werden kommerzielle Standards immer mehr zur Norm und zi- 31 vile Entwicklungen immer wichtiger für die wehrtechnischen Unternehmen. Die 32 heute vom kommerziellen Markt getriebene Informationstechnologie hat einen 33 Stand erreicht, der es erlaubt, alte Konzepte zur Nutzung von Informationen in 34 Konkurrenzsituationen um neue Varianten zu ergänzen. Durch den Einsatz kom- 35 merzieller Hard- und Software können die aktuellen Entwicklungen der Infor- 36 mationstechnologie zeitnah Eingang in Waffensysteme finden. Zusätzlich hat sich

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die Dynamik der technologischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten deut- 1 lich erhöht, so dass der rüstungsindustrielle Bedarf besonders im Bereich der Elek- 2 tronik zunehmend durch die Adaptierung und Nutzung ziviler Entwicklungen ge- 3 deckt wird. 4 Da die Kampfführung der Zukunft nicht mehr Plattform orientiert ist, sondern 5 im NCW-Konzept die Plattformen zu Knoten eines vernetzten Systems gemacht 6 werden (System of Systems), entstehen für die Industrie neue Schwerpunktver- 7 lagerungen. Dabei kommt es zunehmend darauf an, die Wirkmittel modular auf 8 verschiedenen Plattformen anzubringen. Systemintegration wird damit zur »Kö- 9 nigsdisziplin« und zum Hauptmerkmal der industriellen Herstellung – auch im 10 Panzerbau. Zwar werden weiterhin Standardplattformen gebraucht, aber auf lange 11 Sicht wird sich eine Vereinfachung der Plattformen ergeben. 12 Da die neuen Fähigkeiten der Streitkräfte durch einen komplexen dynami- 13 schen Fähigkeitsverbund hergestellt und mithilfe numerischer Modelle und Si- 14 mulationen ausgelegt werden, wird die in dustrielle Leistung weniger durch phy- 15 sikalisch feststellbare Spezifikationen, als durch »weiche« aber oftmals komplexe 16 Fähigkeitskriterien bewertet. Daraus ergibt sich notwendigerweise ein Ände- 17 rungsprozess für die Industrie. Industrielle Leistungen für transformierte Streit- 18 kräfte können nicht mehr nach den bisher für Platt formen praktizierten Verfahren 19 erbracht werden. Sowohl die Beziehungen zwischen Auftraggeber und -nehmer 20 als auch die zwischen Auftragnehmer und Unterauftragnehmer werden verändert. 21 In der durch Plattformen dominierten Zeit wurden Waffensysteme und Kompo- 22 nenten als Bedarf ermittelt und bei der Industrie in Auftrag gegeben. In Zukunft 23 werden aus einer Fähigkeitslücke Systemfä higkeitsforderungen und schließlich 24 funktionale Forderungen abgeleitet und durch einen Hauptauftragnehmer in Wehr- 25 material umgesetzt. Daraus ergibt sich die neue industrielle Aufgabe des Sys- 26 temintegrators, der nicht nur komplexe Systemarchitekturen beherrschen, sondern 27 auch Managementfunktionen im Auf trag des Auftraggebers wahrnehmen muss. 28 Das zwingt zu einer engeren Zusammenarbeit des Systemintegrators mit dem 29 staatlichen Auftraggeber, so dass dem Systemintegrator auch ein größerer indus- 30 triepolitischer Einfluss zuwächst. Damit wird aber auch die bis heute übliche Ver- 31 bindung eines Untersystemherstellers mit dem militärischen Kunden gekappt und 32 eine vertikale industrielle Integration befördert (Theile 2003). 33 Die Subsystem- und Komponentenlieferanten werden bei dieser Entwicklung 34 kaum noch Mitsprachemöglichkeiten haben, denn die Entscheidungs- und Ver- 35 gabehoheit liegt ausschließlich beim Generalunternehmen (GU), das die System- 36

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1 führerschaft übernimmt. Dabei drohen der freie Wettbewerb und Best Practice Lö- 2 sungen eliminiert zu werden. Die GU werden versuchen, die eigene Wertschöp- 3 fung zu maximieren, schließlich haben sie die Wahl zwischen »make or buy«. 4 Auch die Preiskalkulation auf Vollkostenbasis bietet dem GU wenig Anreiz, grö- 5 ßere Anteile an der Wertschöpfung an Sublieferanten zu vergeben. Das führt dann 6 nicht nur zur vertikalen Integration bei den GU, sondern auch zum staatlich sub- 7 ventionierten Aufbau redundanter Kapazitäten. Dies geht zulasten der öffentli- 8 chen Haushalte, die in das Know-how der KMU investiert haben, das aber auf- 9 grund dieser neuen Vergabepraxis nicht mehr abgerufen wird. Die KMU könnten 10 bei mangelnder Gestaltungsmöglichkeit zum risk sharing oder zum Zurückfahren 11 oder gar zur Einstellung ihrer Produktlinien gezwungen sein (Keip 2004; AG Wirt- 12 schaftlichkeit und Finanzierung, Berliner Agenda). 13 Kritisiert wird ferner, dass in den Richtlinien des Customer Product Mana- 14 gement 2001 (CPM) umfangreiche Erprobungen durch die Industrie nicht mehr 15 vorgesehen seien, um Kosten zu sparen. Die davon erhoffte Verkürzung der Ent- 16 wicklungszeit werde mit erheblichen Risiken erkauft. Die Amtsseite macht jedoch 17 geltend, dass es zunehmende Probleme erst gebe seit die Erprobung an die priva- 18 te Industrie vergeben wurde. Ähnliches könne man auch bei der Deutschen Bahn 19 beobachten. Als Konsequenz sollte deshalb die Erprobung im CPM budgetiert 20 werden, damit die rentabilitätsorientierten Unternehmen nicht an der notwendi- 21 gen Sicherheit sparen. Darüber hinaus wird überlegt, die Erprobung entwick- 22 lungsbegleitend während der Projektierungsphase zu verbessern und zu systema- 23 tisieren. So sei es beispielsweise sinnvoll, die sequenzielle Erprobung, die z.Z. 24 bei Werk, Amt und Bundeswehr stattfinde, zusammenzufassen26. 25 Die Industrieunternehmen müssen ihre Fähigkeiten in Zukunft durch neue Ar- 26 chitekturen, veränderte Komponenten und neue Software anpassen und stärkeres 27 Gewicht auf die in Deutschland noch nicht vorherrschende modulare Bauweise 28 legen. Dem erhöhten technischen Anspruch stehen allerdings sinkende Stück- 29 zahlen gegenüber. Serienproduktion mit hohen Stückzahlen gehören der Plattform 30 orientierten Zeit an. Die Notlösung einer zeitlichen Streckung und kleinerer Los- 31 größen habe jedoch auch den Vorteil, dass der in der Zwischenzeit stattfindende 32 technologische Fortschritt aufgegriffen und inkorporiert werden könne, so dass 33 sich qualitative Verbesserungen innerhalb der Serie ergeben und die Marktchan- 34 cen verbessern27. Die nur noch »sequenzielle Beschaffung« nutzt also das Zeit-

35 26 Expertengespräche. 36 27 Expertengespräche.

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fenster zwischen zwei Losen zur Modernisierung, lässt allerdings auch die Ent- 1 wicklungskosten ansteigen. 2 Da die materielle Ausrüstung der Streitkräfte in fähigkeitsorientierte Systeme 3 – »System of Systems« – zu überführen ist, müssen die Unternehmen sich zu- 4 nächst ein Verständnis der auf die Industrie zukommenden neuen Kundenforde- 5 rungen aneignen und neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Das erfor- 6 dert in aller Regel auch eine Anpassung industrieller Strukturen und die Schulung 7 der Mitarbeiter. Auch die geforderte Fähigkeit zur Parallel entwicklung von Kon- 8 zepten, Prozessen, Organisationen und Technologien und die Fähigkeit zu spon- 9 tanen technischen Lösungen zwingt die Unternehmen zu einer Entscheidung, wel- 10 che Fähigkeiten in Zukunft aufrechterhalten oder zu entwickeln sind. Diesen 11 Anforderungen können privatwirtschaftliche Industrieunternehmen jedoch nur bei 12 einem stetigen Verlauf des operativen Geschäftes gerecht werden, und d.h. kon- 13 tinuierlicher Auftragseingang und Erhalt der rüstungstechnischen Kompetenz. Die 14 Industrie müsse deshalb prüfen, welche Technologien und Fähigkeiten sie renta- 15 bel erhalten kann, welche Fähigkeiten den neuen Ansprüchen gerecht werden und 16 welche neu zu definieren sind (Theile 2003). Schließlich sollen vom BWB auch 17 nicht mehr alle Fähigkeiten durch Aufträge gefördert werden. Um die in Zukunft 18 notwendigen Kernkompetenzen zu erhalten, hat das BMVg in Zusammenarbeit 19 mit dem BDI eine Liste der strategisch wichtigen Kernfähigkeiten erstellt. Trotz 20 aller Kritik lässt diese Liste zumindest die industriepolitische Absicht erkennen, 21 die finanziellen Ressourcen auf technologische Führungspositionen und indus- 22 trielle Alleinstellungsmerkmale zu konzentrieren. 23 Der fähigkeitsorientierte Ansatz der Streitkräfte bevorzugt Netzwerk integrierte 24 Wirkungen, die Entscheider, Sensoren und Effektoren miteinander verbinden. Des- 25 halb wird sich künftig der Wert einer Plattform nach dem Ausmaß seiner Inte- 26 gration in eine »network enabled architecture« bemessen (IPA 2006). Diese 27 Netzwerkintegra tion war bisher kein Schwerpunkt bei der Entwicklung gepan- 28 zerter Fahrzeuge. Auch sie erfordert die Herausbildung entsprechender »Lead 29 System Integrators«. Da von den Unternehmen neue Leistungen erwartet wer- 30 den, müssen die in der Industrie vorhanden Fähigkeiten durch »transformationsge - 31 rechte« Fähigkeiten ergänzt werden. Die dazu gehörenden vernetzten Systeme er- 32 fordern innovative Prob lemlösungen. Schutz durch immer dickere Panzerung 33 gehört der Ver gangenheit an. Stattdessen wird heute ein Mehr an Schutz durch ab - 34 standsaktive Schutzsysteme und andere Zukunftstechnologien er reicht. So bietet 35 die Stealthtechnologie Möglichkeiten zur Signatur reduzierung, die den Panzer da- 36

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1 durch »unsichtbar« werden lassen. Schutz kann auch durch Schnelligkeit, aktiven 2 Selbstschutz, Robo tertechnik und Trennung von »Sehen« und »Wirken« erreicht 3 werden. Aus der Kombination von Wissen und Rüstungstechnik ergeben sich somit 4 neue Arbeitsfel der, für die neue Werkstoffe, Werkzeuge und Qualifikationen not- 5 wendig sind. Industrielle Kompetenzen werden vor allem gefordert auf den Ge- 6 bieten der Sen sorik, Informationssys teme, Datenbanken, Informationssicherheit, 7 Informationsoperationen, numerische Modelle und Schnittstellen Engineering. 8 Gefordert sind industrielle Fähigkeiten besonders in den Bereichen Spezifikati- 9 on, Modellbildung, Simulation, Verifikation, Demonstration und Management von 10 zukunftsweisenden Konzepten. Hardware wird an relativem Gewicht verlieren, 11 Software und Kommunikationssysteme aber an Bedeutung gewinnen. Daher ist 12 mit einer Verlagerung hin zu Forschung, Technologiedemonstratoren, Erprobung 13 und Simulation zu rechnen. Die industrielle Wertschöpfung muss sich folglich auf 14 die Studien- und Demonstrationsphase erweitern. Ferner sind intelli gente Son- 15 derpanzerungen und Werkstoffkombinationen zu entwickeln, um einen wirksa- 16 men Schutz gepanzerter Fahrzeuge unter Einhaltung der restriktiven Vorgaben des 17 Lufttransports zu erreichen. 18 Die im Konzept des Network Centric Warfare geforderte Vernetzung führt 19 zu neuen operationellen Fähigkeiten, die als Network Enabled Capabilities be- 20 zeichnet werden und die mit den bisherigen, traditionellen Verfahrensweisen nicht 21 mehr möglich sind. Die rüstungsindustriellen Unternehmen stehen deshalb vor 22 der Aufgabe, die technologischen Voraussetzungen zu schaffen, um die einzelnen 23 Systeme vernetzbar zu machen. Die Fähigkeit, dies zu leisten, heißt »Capabili- 24 ties Enabling the Network (CEN)«. Der Übergang von der Plattform zentrier- 25 ten zur Netzwerk zentrierten Kriegsführung dürfte kontinuierlich, evolutionär ver- 26 laufen, da nicht alle bisherigen Systeme schlagartig abgeschafft, sondern 27 schrittweise erweitert wer den. CEN verlangt von den Unternehmen die Verfügung 28 über unterschiedlichste Technologien, u.a. über Systemfunktionalitäten wie so - 29 genannte Open-Archtecture-Schnittstellen, Netzwerktechnologien wie redundante 30 Architekturen, über Informationstechnologien wie verteilte Datenspeichersysteme, 31 über Technologien für Führungssysteme und Logistik. CEN kann daher jedes Ele- 32 ment im Sensor-, Informations-Wirkungsnetz betreffen. Um den best möglichen 33 Vorteil zu erzielen, müsse jedes Element der Sensor-to-Shooter-Kette eingebunden 34 wer den können (Theile 2003). Voraussetzung für diese angestrebte Vernetzung ist 35 jedoch, dass auch alle industriellen Teilnehmer nach Bedarf eingebunden werden 36 können. Das bedeutet aber, dass das Netz selbst bereitgestellt wird und der An-

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schluss an das Netz allge mein möglich ist. Folglich müssen die Schnittstellen, die 1 wesentlich für den Zugang zum Netz sind, firmenneutral sein, sie dürfen nicht 2 patentrecht lich geschützt sein (Buschek und Gariglio 2003). 3 Diese von den Unternehmen erwarteten Fähigkeiten stellen auch hohe An- 4 forderungen an die Beschäftigten der wehrtechnischen Betriebe. Obwohl deren 5 Qualifikationsniveau überdurchschnittlich hoch ist, ist ständige Weiterbildung not- 6 wendig, um mit dem schnellen technologischen Wandel Schritt halten zu können. 7 Hier zeigt sich, dass der Rüstungsindustrie ein besonderer Stellenwert zukommt, 8 wenn der Technologiestandort Deutschland gesichert werden soll. Daher ist es 9 auch von strategischer Bedeutung, dass diese Arbeitsplätze erhalten werden und 10 nicht ins Ausland abwandern. 11 Notwendig ist eine rüstungsindustrielle Basis, die neben den schon bisher vor- 12 handenen klassischen Fähigkeiten das gesamte Spektrum vom Systemintegrator 13 über den technologischen Innovator, den Informationsmanager und den Sensor- 14 spezialisten bis hin zum Informationsmanipulator abdeckt. Darüber hinaus muss 15 die Rüstungsindustrie Strukturen schaffen, die schnelle Reaktionen auf die An- 16 forderungen der transformierten Streitkräfte erlauben. Auch hier zeigt sich, dass 17 die auf Rentabilität angewiesene private deutsche Rüstungsindustrie für Struk- 18 turwandel und Fähigkeitsänderungen kontinuierliche Aufträge und Planungssi- 19 cherheit braucht (Theile 2003). 20 Als Fazit lassen sich für die panzerbauende Industrie folgende Trends festhalten: 21 Plattformen verlieren an Wertschöpfungspotenzial gegenüber Software, 22 Kommunikation und leistungsgesteigerter Ausrüstung, 23 kürzere Entwicklungszyklen und sinkende Auftragsvolumina drängen die 24 Bedeutung des Plattformbaus zurück, 25 Systemintegration ist zunehmend die Königsdisziplin, 26 Waffensysteme werden immer komplexer und technisch anspruchsvoller, 27 Beherrschung von Spitzentechnologien bestimmt die Wettbewerbsfähigkeit 28 und erschließt Zukunftsmärkte. 29 Konkret ergeben sich für die Unternehmen der Landsystemindustrie bei der Ent- 30 wicklung moderner Panzer aufgrund der neuen Aufgaben und der neuen Einsatz- 31 gebiete folgende technische Herausforderungen: 32 Höherer Automatisierungsgrad, 33 Digital- anstelle von Analogtechnik, 34 Ersatz von Hydraulik durch Elektrik, 35 Gute Lufttransportfähigkeit, 36

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1 Leichte Gehäusestrukturen mit adaptierter Panzerung, 2 Nutzungsdauerverlängerung, 3 Verbesserter Gesamtschutz gegen Landminen, Sprengsätze und panzer- 4 brechende Munition, 5 Simulatoren für den Übungsbetrieb, 6 Verwendung handelsüblicher Komponenten, 7 Große Systemflexibilität im Bereich der Modularität und Fähigkeitsanpas- 8 sung, um das gesamte Anforderungsspektrum bei Krisen und Konflikten ab- 9 decken zu können, 10 Weltweite, Klimazonen unabhängige Einsatzfähigkeit, 11 Hohe Mobilität im Gelände (Hanel 2000). 12 Das Radfahrzeugsystem Gefas (Meuter 2006) und der PUMA, erfüllen diese An- 13 forderungen bereits. Beide sind Fahrzeuge der nächsten Generation und eine Ant- 14 wort auf die erhöhten Anforderungen durch das heute erweiterte Bedrohungs- 15 spektrum der asymmetrischen Kriegführung. Die Veränderungen, die dieses neue 16 Bedrohungsspektrum erzwingt, zeigt sich am Schutzkonzept: während des Kal- 17 ten Krieges war ein Beschuss eigener Fahrzeuge durch irreguläre Kräfte im eige- 18 nen Land unwahrscheinlich, weshalb ein ballistischer Schutz für Unterstützungs- 19 fahrzeuge nicht vorgesehen war. Vielmehr war der Schutz von Kampfpanzern 20 frontal optimiert. Ganz anders stellt sich jedoch die Bedrohungslage bei regio- 21 nalen Kriegen und asymmetrischen Konflikten dar. Nicht mehr großkalibrige Pan- 22 zer- und Haubitzenkanonen, sondern Schützen- und Panzerabwehrminen, selbst- 23 gebaute Sprengsätze und Handfeuerwaffen, womöglich sogar B- und C-Waffen 24 sind die Bedrohungen im erweiterten Aufgabenspektrum. Folgerichtig hat hin- 25 sichtlich des Schutzes der Soldaten ein Paradigmenwechsel stattgefunden, den die 26 Industrie berücksichtigen muss, u.a. durch modulare Konzepte. Neben Feuer kraft 27 und Beweglichkeit der Kampfgruppen geht es jetzt auch um »Mobilität un ter 28 Schutz« für alle Soldaten im Einsatz. Als Konsequenz bedürfen selbst Kampf- 29 und Schützenpanzer einer Verbesserung des Schutzes (Westermann 2003). 30 Aus dem für die Zukunft als relevant angesehen Szenario »präzise Kon- 31 fliktführung aus der Distanz und Folgekampfhandlungen in bebautem Gelände« 32 ergibt sich die Forderung an die Industrie, Ausrüstung mit letalen und nichtleta- 33 len Wirkmitteln hoher Präzision zu entwickeln, die heute kaum vorhanden ist. 34 Wirkmittel hoher Prä zision sind auch abstandsfähige Flugkörper, Fire-and obser- 35 ve-Lenkflugkörper, GPS gelenkte Artillerieraketensysteme, gelenkte Muni tion. 36 Weitere Beispiele für intelligente autonome Selbstschutzsysteme sind abstands-

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aktive Systeme für gepanzerte Fahrzeuge durch Blastgranaten mit Begegnungs - 1 sensorik oder mobile Roboter zum Schutz des Infanteristen (Ibbeken 2003). 2 Die mit den Forderungen des taktischen Lufttransportes verbundenen Res- 3 triktionen führen bei der Fahrzeugkonstruktion zu vielfältigen technischen Pro- 4 blemen. So erfordert das strenge Gewichtslimit bei vielen Komponenten konse - 5 quente Leichtbaulösungen. Größere Sicherheitszuschläge bei der festigkeitsmäßigen 6 Auslegung der Baugruppen verbieten sich damit, so dass bei Extrembelastun gen 7 die Gefahr von Verformungen und Brüchen besteht. Da sich die Auslegung von 8 Triebwerk, Kraftübertragung, Bremsen, Laufwerk etc. am Maxi malgewicht des 9 Fahrzeugs orientieren müssen, ergibt sich bereits ein bedeutender Gewichtsauf- 10 wand für diese Komponenten, was zulasten der Schutzauslegung geht. 11 Wegen der hohen Komplexität der Systeme gepanzerter Fahrzeuge, wo eine 12 Vielzahl von Komponenten auf engstem Raum platziert und zu Funktionsketten 13 zusammengeschaltet werden müssen, stellt sich auch das Problem einer unge- 14 wollten Beeinflussung aufgrund der großen Packungsdichte der zahlreichen Schnitt- 15 stellen zwischen den Komponenten. Einerseits müssen hohe Leistungsdichten 16 bzw. Energieflüsse verkraftet werden, denen andererseits höhere Empfindlich- 17 keiten der Signalflüsse und der Sensoren gegenüberstehen. Bei der Komponen- 18 tenauswahl und der Fokussierung auf Feuerkraft bestimmende, beweglichkeits- 19 bestimmende und überlebensfähigkeitsbestimmende Baugruppen können 20 Zielkonflikte mit den Schutzforde rungen auftreten (Hilmes 2004b). 21 Im Sinne eines besseren Schutzes wurde der KPz Leopard 2 A5 mit zwei Wär- 22 mebildgeräten für nächtliche Überwachungsauf gaben ausgerüstet. Darüber hinaus 23 wird die Ausrüstung mit 4 bis 6 CCD-Kameras zur Überwachung des Nahbereichs 24 gefordert, ebenso Maßnahmen zur Freund-Feind-Kennung und Robo tic-Systeme 25 bzw. Minidrohnen zur Aufklärung in nicht einsehbaren Straßen28. Ne ben Vor- 26 schlägen zur Bewaffnung wird auch ein Rundumschutz gegen den schulterge- 27 stützten Panzerabwehrgranatwerfer RPG-7 angemahnt. Hier könnte sich für die 28 Industrie ein großes Kreativpotenzial bei intelligenten Sonderpanzerungen und 29 Werkstoffkombinationen ergeben. Für die extremen Temperaturen in den poten- 30 ziellen Krisenregionen sind außerdem wirk samere Kühl- und Heizungsanlagen 31 erforderlich. Die größte Herausforderung für die Entwicklungsingenieure bleibe 32 jedoch die Realisierung eines wirksamen Schutzes gepanzerter Fahrzeuge unter 33 Einhaltung der restriktiven Vorgaben des Lufttrans ports (Hilmes 2004a). 34 35 28 Expertengespräche. 36

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1 Schwere Panzerfahrzeuge wie der erfolgreiche Leopard 2 haben zwar noch 2 ein gewisses Ausbaupotenzial, erfüllen zukünftige Kriterien jedoch nicht mehr29. 3 Der Kampfpanzer ist ein hochkomplexes System, das ständiger Wartung bedarf 4 und hohem Verschleiß ausgesetzt ist. Der Verbrauch an Betriebsstoffen ist sehr 5 hoch, die großvolumige Munition kann nur in begrenztem Umfang mitgeführt 6 werden. Die herkömmlichen Verbrennungsmotoren geraten in staubigen, tro- 7 ckenheißen oder hochgelegenen Einsatzgebieten, wie sie in Zukunft wahrschein- 8 licher werden, schnell an ihre Leistungsgrenze. Daraus ergab sich schon vor Jah- 9 ren die Forderung, die zur Zeit in der Nutzung befindlichen Kampfpanzer durch 10 eine Neukonstruktion abzulösen. Die Verlegefähigkeit über weite Entfernungen 11 ohne eine permanente logistische Versorgung wie im Inland wird der Maßstab für 12 zukünftige Gefechtsfahrzeuge sein. Hierzu mussten neue Wege bei den Haupt- 13 kenngrößen Schutz, Waffenwirkung und Beweglichkeit eingeschlagen werden, 14 um insbesondere das Gesamtgewicht signifikant zu verringern. Neue Schutz- 15 technologien wie elektromagnetische Panzerung und abstandsaktive Systeme sowie 16 die Ausstattung mit diesel-elektrischem Antrieb eröffnen hinsichtlich Mobilität, 17 Einsetzbarkeit im engen urbanen Umfeld sowie Reichweite des Fahrbereichs eine 18 neue Dimension im Panzerbau. Diese Forderungen sollen mit dem PUMA um- 19 gesetzt werden, von dem man sich deshalb auch ein großes Exportpotenzial ver- 20 spricht. 21 »Durch den Einsatz moderner Technologien und innovativer Schutzkonzepte 22 werden in zunehmendem Maß für alle Fahrzeuge des Heeres Plattformen entwi- 23 ckelt, die bei geringerem Gewicht ein mit heutigen Maßstäben vergleichbares oder 24 besseres Schutzniveau aufweisen. Derartige Plattformen steigern nicht nur die 25 schnelle Verlegefähigkeit, sondern erhöhen auch die operative Verlegefähigkeit 26 und taktische Beweglichkeit. Höhere Geschwindigkeit, bessere Agilität und ge- 27 ringerer logistischer Bedarf, z.B. durch innovative Antriebssysteme, und die An- 28 bindung aller Fahrzeuge an Führungs- und Informationssysteme tragen hierzu er- 29 heblich bei« (Gudera 2003; S. 12). 30 31 32 33 34 29 Negative Erfahrungen der kanadischen Truppen mit leichten Panzern in Afghanistan und auch der 35 Libanonkrieg im Jahre 2006 deuten jedoch an, dass schwere Kampfpanzer noch lange nicht aus- 36 gedient haben.

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5 Alternative Entwicklungspfade 1 2 3 Die Zukunft der deutschen Heeresindustrie, die auf vielen Technologiefeldern eu- 4 ropaweit und in einigen Sektoren sogar weltweit führend ist, ist noch nicht ent- 5 schieden. Die geringere Bedeutung der Panzerflotten nach dem Ende des Kalten 6 Krieges, die knappen Haushaltsmittel und die daraus resultierenden geringen Stück- 7 zahlen produzierter Panzer stellen die Frage nach der Zukunft der deutschen Land- 8 systemindustrie in einem beschränkten nationalen Markt und begründen die Suche 9 nach internationalen Kooperationen und grenzüberschreitenden Zusammen- 10 schlüssen. 11 In den zurückliegenden Jahren ist es zwar zu einem Konsolidierungsprozess 12 auf nationaler Ebene gekommen, der aber noch immer nicht abgeschlossen ist. 13 Grenzüberschreitende Zusammenschlüsse sind bisher nicht in Sicht, aber für die 14 Zukunft unausweichlich. Ziel ist eine global wettbewerbsfähige Heeresindustrie. 15 In einer zu Recht angemahnten internationalen Lösung sollten jedoch die deut- 16 schen Unternehmen aufgrund ihrer Technologieführerschaft eine führende Rolle 17 spielen. Der Bundesregierung stellt sich hier die Aufgabe, die nationalen Interes- 18 sen in diesem europäischen Konsolidierungsprozess zu definieren, um die Ent- 19 wicklung in die gewünschte Richtung zu lenken anstatt sie treiben zu lassen. 20 Als Alternativen sind neben der transatlantischen Vision verschiedene Formen 21 einer europäischen Neustrukturierung zu unterscheiden: 22 23 24 5.1. Status quo 25 26 Der Worst-Case wäre ein »weiter so«, das zum schleichenden Niedergang der 27 deutschen Unternehmen trotz ihrer teilweisen technologischen Spitzenstellung 28 führen dürfte. 29 Die nationalen Märkte Europas sind in diesem Szenario weiterhin abge- 30 schlossenen und nach Artikel 296 des Amsterdamer Vertrages vom Binnenmarkt 31 mit seiner freien Mobilität von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Personen 32 ausgeschlossen. Zwar nehmen grenzüberschreitende Aktivitäten auch im Rüs- 33 tungsbereich zu, wie die internationale Ausdehnung der Angebotskette, interna- 34 tionale Jointventures und die Übernahme strategischer Anteile an ausländischen 35 Firmen zeigen. Dennoch bleibt der Interna tionalisierungsgrad der Rüstungswirt- 36

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1 schaft weit hinter der zivilen Wirtschaft zurück. Die Vorteile der Globalisierung 2 können nicht genutzt werden. Die zu kleinen, fragmentierten Märkte in Europa 3 führen zu hohen Stückkosten. Aber auch gemeinsame Rüstungsprojekte, an denen 4 mehrere Staaten beteiligt sind, unterliegen mühsamen politischen Abstimmungs- 5 und Abgrenzungspro zessen. Sie erfordern viel Bürokratie und sind zeitraubend, 6 so dass die Ergebnisse oftmals teurer sind als bei einem nationalen Alleingang. 7 Dem bereits erwähnten Zwang zur Modernisierung der Streitkräfte – dem Kun- 8 den der Rüstungsindustrie – stehen nicht nur heute, sondern auch in Zukunft nur 9 ungenügende Haushaltsmittel zur Verfügung. Dies zeigt beispielsweise der 38. Fi- 10 nanzplan für die Jahre 2005 bis 2008, wo vor allem die Beschaffungen für das 11 Heer und damit die Aufträge für die Heeresindustrie mit voller Härte getroffen 12 werden (Abbildung 8). Der weit überwiegende Prozentsatz der investiven Mittel 13 im Verteidigungshaushalt wird für die Großvorhaben Eurofighter (13,5 Mrd. €), 14 A400M (8,3 Mrd. €), Tiger u.a. verwandt. 15 Abbildung 8: Beschaffungen im 38. Finanzplan 2005 – 2008 in Mio. € 16

17 3500 3005 18 2917 3000 19 2599 2428 20 2500 21 2000 22 23 1500 24 1000 25 515 410 300 500 230 250 276 26 140 190

27 0 28 2005 2006 2007 2008 Heerestechnik Marine Luftfahrt 29

30 Quelle: Bundesministerium der Finanzen 2005 31 32 Dennoch war dieser 38. Finanzplan schon zu Beginn seiner Laufzeit Makulatur. 33 Aufgrund der konjunkturellen Lage und der weiterhin trüben Wachstumsperspek- 34 tiven »muss gegenüber dem aktuell geltenden 38. Finanzplan für die Jahre 2006 35 bis 2009 mit erheblichen unausweichlichen Mehrbelastungen gerechnet werden. 36 … Dies bedeutet, dass der 38. Finanzplan für das BMVg jährlich um 250 Mio.€

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gekürzt wird und so auch von 2008 auf 2009 ohne Erhöhung in dem gekürzten 1 Umfang fortgeschrieben wird. ... Aus dem Vergleich mit dem auf 2009 durchge- 2 schriebenen 37. Finanzplan wird deutlich, dass sich der finanzielle Planungsrah- 3 men der Bundeswehr noch einmal nachhaltig verschlechtert. Da es sich dabei um 4 eine absehbar nachhaltige Planungslinie handelt, d.h. ohne Finanzzuwächse in den 5 Jahren bis Ende 2009 / Anfang 2010, ist bei unveränderter Sachlage bedauerli- 6 cherweise festzustellen, dass die Transformation der Bundeswehr zeitlich zumin- 7 dest deutlich in die Länge gezogen werden muss. ... Neuvorhaben werden, wenn 8 überhaupt, nur in ganz geringem Umfang angeschoben werden können« (Bun- 9 desministerium der Finanzen 2005). Bei dem im März 2007 verabschiedeten Bun- 10 deswehrplan 2008 liegen die militärischen Beschaffungen jährlich um rund eine 11 halbe Milliarde unter den Beschaffungen des Bundeswehrplans 2007 (Bundes- 12 ministerium für Verteidigung 2007). 13 Die Problematik der Haushaltslage zeigt sich besonders deutlich im Munitions - 14 bereich. Hier lagen die Inlands- und Auslandsaufträge bereits im Jahr 2005 unter 15 der für die Erhaltung der Kernkapazitäten kritischen Größe von 385 Mio. €. Schon 16 aufgrund der bisher geltenden Finanzplanung ist mit weiterhin sinkenden Aufträ- 17 gen in den nächsten Jahren zu rechnen, wie Abbildung 9 zeigt. Deshalb bezwei- 18 feln die Unternehmen, dass es gelingen wird, die gemeinsam mit dem BMVg de- 19 finierten 13 Kernfähigkeiten dieses Sektors zu erhalten, die für eine leistungs- und 20 wettbewerbsfähige nationale industrielle Basis als notwendig erachtet werden. 21 22 Abbildung 9: Munitionsaufträge in Mio. € 23 600 24 25 500 26 267 400 255 27 271 28 260 300 275 29 286 290 287 281 200 286 30

261 270 31 227 100 176 137 32 99 83 85 86 50 33 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 34 Inland Export 35 Quelle: VWG 36

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1 Für das Heer waren nach bisheriger Planung in den nächsten 10 Jahren 13 2 Mrd. € vorgesehen, das sind weniger als 28% der gesamten wehrtechnischen In- 3 vestitionen. Unter Berücksichtigung der »globalen Minderausgabe«, die den Ver- 4 teidigungshaushalt überproportional trifft, und unter Berücksichtigung einer In- 5 flationsrate ergibt sich für die kommenden Jahre eine reale Senkung des 6 Verteidigungshaushalts. Deshalb muss bezweifelt werden, ob die geplanten Be- 7 schaffungen des Bundes insgesamt, also die Inlandsnachfrage nach Rüstungsgü- 8 tern, in den nächsten Jahren realisiert werden können. Da aber die meisten in die- 9 ser Zeit anstehenden Neuvorhaben die Luftwaffe betreffen, sind die Unternehmen 10 im Bereich der Landindustrie zumindest mit einem zeitlichen Strecken der bisher 11 geplanten Beschaffungen, also mit sinkenden inländischen Auftragsvolumina kon- 12 frontiert. Gleichzeitig bleibt die Auslandsnachfrage gerade für diese Unterneh- 13 men aufgrund der geltenden Exportrestriktionen beschränkt – insbesondere in Re- 14 lation zu den wichtigsten Konkurrenten –, so dass trotz einer etwas liberaleren 15 Ausfuhrgenehmigung in letzter Zeit ein dramatisches Schrumpfen des Landsek- 16 tors in diesem Szenario zu erwarten ist. 17 Das schon von Verteidigungsminister Scharping verkündete Ziel, 30% des 18 Verteidigungshaushalts für investive Zwecke zu verwenden, wird im geltenden 19 Einzelplan 14 für das Jahr 200730 mit nur 22,5% weniger erfüllt als in den Vor- 20 jahren, so dass es bereits Überlegungen gibt, sich von diesem Ziel endgültig zu 21 verabschieden31. 22 Je länger der Status quo bzw. das Warten auf eine gangbare Alternative an- 23 hält, desto mehr deutsche Firmen der Landindustrie werden aufgeben. Das Beste, 24 was unter diesen Umständen geschehen könnte, wäre noch, wenn sie einen po- 25 tenten Käufer aus dem Ausland fänden, so dass wenigstens noch eine gewisse Pro- 26 duktion am deutschen Standort verbliebe. Nach Lage der Dinge kämen als Käu- 27 fer in erster Linie finanzkräftige amerikanische Investoren in Betracht. Dabei 28 besteht jedoch nicht nur die Gefahr, dass Technologien langfristig aus Deutsch- 29 land abgezogen werden. 30 Die großen US-Konzerne United Defense32 und General Dynamics haben be- 31 reits viele europäische Unternehmen der Landindustrie aufgekauft. Wenn aber 32 auch noch wichtige deutsche Unternehmen über den Atlantik verkauft würden, 33 34 30 Der Bundeshaushalt 2007 ist mit seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 28.12.2006 in Kraft getreten. 35 31 Expertengespräche. 36 32 United Defense wurde inzwischen selbst von BAE Systems gekauft.

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wüchse nicht nur die sicherheitspolitische Abgängigkeit von den USA, sondern 1 Deutschland hätte auch kaum noch Bedeutendes in einen europäischen Rüs- 2 tungsmarkt einzubringen, so dass dieser zum Schaden Europas entweder gar nicht 3 zustande käme oder ohne Deutschland stattfände. Eine prägende Mitgestaltung 4 der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (ESVP) durch die deut- 5 sche Politik wäre dann kaum noch möglich. 6 Würde aber ein Verkauf an ausländische Investoren mithilfe des geänderten 7 § 7 AWG verhindert, führte der Status quo zum Aus für viele deutsche Unterneh- 8 men der Landindustrie. Dies macht deutlich, dass der § 7 allein nicht weiterhilft. 9 Weil der Status quo keine Perspektive bietet, werden im Folgenden drei wei- 10 tere Szenarien auf ihre Realisierungschancen untersucht: ein nationales Basis- 11 szenario und ferner die europäische und transatlantische Vision. 12 13 14 5.2 Transatlantische Kooperation 15 16 Amerika hat sich schon längst auf die Herausforderungen des globalen Marktes 17 vorbereitet. Die US-Regierung hat frühzeitig nach dem Ende des Kalten Krieges 18 eine drastische Konzentration der amerikanischen Rüstungsindustrie durchge- 19 setzt33, um die Kosten der Waffenproduktion zu senken. So wurden jene Unter- 20 nehmen, die bereits Rüstungsaufträge erfolgreich eingeworben hatten und durch 21 eine Fusion Kosteneinsparungen erzielen konnten, vom Pentagon teilweise sub- 22 ventioniert. Außerdem wurden das staatliche Beschaffungswesen reformiert und 23 die Antitrust-Gesetze angepasst, um eine nationale Konsolidierung der Wehr- 24 technik zu ermöglichen (Dowdy 1997; James 1998; Markusen 1998). 25 Durch die Fusionswelle – das US-Verteidigungsministerium spricht von über 26 30 größeren Fusionen und Übernahmen zwischen 1992 und 1997 (Volkman, 1997) 27 – hat sich die Struktur der US-Rüstungsindustrie erheblich verändert: Die bis dahin 28 14 führenden Generalunternehmen (prime contractors) wurden bis 2002 auf nur 29 noch vier reduziert (Abbildung 10). Die Unternehmen haben verstanden, dass sie 30 unter den veränderten Bedingungen nur überleben können, wenn sie ihre Kräfte 31 bündeln. So ist der größte amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin durch 32 Fusionen und Akquisitionen in nur drei Jahren entstanden. 33 34 33 Die Auftragsvergabe für ein neues Waffensystem wurde 1993 vom Pentagon davon abhängig ge- macht, dass sich das Dutzend involvierter Unternehmen zu einem zusammenschließen (Küchle 35 2001). 36

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1 2 3 4 5

6 Boeing Raytheon Lockheed Martin Grumman Northrop 7 8 9 10 11 12 1999 – 2003 1999 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Boeing 22 23 24 Northrop Grumman Northrop

25 – 1998 1990 Lockheed Martin 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 Rockwell Boeing Mc Donnel Douglas Jeppesen Sanderson Hughes Electronics Satellite Gen Dyn Missiles Hughes Raytheon E-Systems instrument Texas Unisys IBM Missiles LTV Aerospatial Ford Loral Lockheed Gen Dyn Aircrafts Martin Marietta GE Aerospace GD Space Comsat Aircraft LTV Nothrop Grumman Westinhouse Logicon Comptek Data Corp. Federal Newport News Shipbuilding Litton TRW Abbildung 10: Les Concentrations aux USA 36 Quelle: FEM Defense Comitée – 6 mars 2006

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Die meist horizontalen und seltener vertikalen Zusammenschlüsse mögen auch 1 Nachteile haben, wie beispielsweise eine gewisse Unbeweglichkeit. Auf jeden 2 Fall hat der Kapazitätsabbau die economies of scale verbessert und beispiellose 3 Produktivitätssteigerungen ergeben. Höhere F&E Ausgaben der US-Regierung 4 größere Produktionsserien und ein aggressiveres politisches Marketing haben ihre 5 weltweite Dominanz weiter ausgebaut. 6 Bei den meisten Fusionen wurde nicht nur Größe erzielt, sondern die ent- 7 standenen Giganten haben sich in einem zweiten Schritt radikal von Geschäfts- 8 zweigen getrennt, die keine komparativen Vorteile boten (Dowdy 1997; Volkman 9 1997). Die Senkung der Overhead-Kosten nach einer Fusion führt zwar zu eini- 10 gen Ersparnissen, aber die dramatischsten Ergebnisse werden durch Konsolidie- 11 rungen auf der Segmentebene erzielt, wo letztlich der Konkurrenzkampf gewon- 12 nen oder verloren wird. 13 Bereits kurz nach dem erfolgreichen Abschluss der Fusionswelle amerikani- 14 scher Unternehmen änderte jedoch das US-Verteidigungsministerium (DoD) seine 15 Strategie und rief zu größerer transatlantischer Kooperation auf. Nach dem von 16 Jacques Gansler (DoD) 1996 entworfenen neuen Paradigma sollten die amerika- 17 nischen und europäischen Rüstungsmärkte der NATO-Länder integriert werden, 18 um ein Mindestmaß an Wettbewerb in den USA sicherzustellen, aber auch um den 19 begrenzten US-Markt zu erweitern und für noch größere, kostengünstigere Seri- 20 en zu sorgen. Europäische Hersteller wurden ermuntert, sich auf dem amerikani- 21 schen Markt zu engagieren und zivile Unternehmen wurden aufgefordert, sich um 22 militärische Aufträge zu bewerben. Seither hat es tatsächlich weniger Fusionen 23 gegeben. In einigen Fällen wurden bereits geplante Fusionen von den Kartellbe- 24 hörden nicht genehmigt. Trotzdem hat der Konzentrationsprozess weiter ange- 25 halten und zwar besonders unter den kleineren Unternehmen, die vielfach aufge- 26 kauft wurden. Die etablierten »prime contractors« dominieren stärker als je zuvor 27 die Märkte für Flugzeuge, Schiffe und Fahrzeuge, und der Wettbewerb ist gerin- 28 ger als vom Pentagon aber auch von Ökonomen gewünscht. 29 Die Gegenseitigkeit beim Marktzugang (Reziprozität) ist eines der schwie- 30 rigsten transatlantischen Probleme. Die Einbahnstraße im Rüstungshandel Europas 31 mit den USA ist unbestritten. Führende deutsche Unternehmen beklagen, dass ihr 32 Marktanteil in USA nahe Null sei34, weil es eine Unzahl von formellen und in- 33 formellen Barrieren gebe, die selbst die Beteiligung an einer Pentagon-Aus- 34 35 34 Interviews. 36

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1 schreibung unmöglich mache. Unabhängige US-Wissenschaftler bestätigen dies 2 und verweisen auf den protektionistischen Charakter vieler US-Vorschriften und 3 Gesetze35 und schätzen, dass das Ungleichgewicht bei Einbeziehung auch der mi- 4 litärischen Dienstleistungen bei 7:1 zu Gunsten der USA liegen könnte (Zakheim, 5 Weinberger und Sakazaki 2000; S. 78). 6 Amerikanische Unternehmen und Politiker fürchten, dass die Bemühungen 7 um eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), eine euro- 8 päische Beschaffungsagentur (mit OCCAR als Vorstufe) und den Erhalt einer ei- 9 genen Rüstungsbasis bei sinkenden Beschaffungsetats Europa und USA ausei- 10 nander dividieren und den europäischen Rüstungsmarkt für amerikanische Anbieter 11 verschließen. Sie sind unsicher, wie lange sie noch relativ freien Zutritt zu den 12 europäischen Absatzmärkten haben, wenn die europäische Konsolidierung er- 13 folgreich fortgesetzt wird. Die amerikanische Industrie wird sich zunehmend be- 14 wusst, dass eine Präsenz in Europa unabdingbar ist, um weiterhin Zugang zum 15 europäischen Beschaffungsmarkt zu haben, auch wenn dieser kleiner ist als der 16 amerikanische (Cevasco 2001). 17 Allerdings haben auch die US-Unternehmen Schwierigkeiten auf den euro- 18 päischen Märkten. Diese sind z.B. unterschiedlich offen. Am offensten sind die 19 Märkte jener Länder, die keine eigene Rüstungsproduktion haben, wie Dänemark 20 oder Portugal. Am geschlossensten die Märkte jener Länder, die in der Lage sind, 21 die komplette Palette der Waffensysteme zu entwickeln und herzustellen, wie 22 Frankreich und Großbritannien. Schwierig für US-Unternehmen ist auch, dass die 23 europäischen Märkte zudem durch unterschiedliche Gesetze, Restriktionen und 24 Reglementierungen der Nationalstaaten und der EU fragmentiert sind. Dies gilt 25 z.B. für Direktinvestitionen, Exportbeschränkungen und den Einfluss der Regie- 26 rungen über »Goldene Aktien« und staatliches Eigentum. Sie sind außerdem durch 27 unterschiedliche Industriemodelle gekennzeichnet: industrielle Beziehungen, Be- 28 schäftigungsauflagen, Standortpolitik, Subventionen unterscheiden sich von Land 29 zu Land erheblich. 30 Die im Vordergrund stehenden Ziele amerikanischer Unternehmen in Bezug 31 auf Europa sind Marktzugang und Technologie. Das kann erreicht werden über 32 Allianzen, Akquisitionen und Fusionen. Der besondere Charme einer Allianz be- 33 steht für die beteiligten Firmen darin, dass die Unternehmen die Vorteile einer Fu- 34 sion, nämlich Synergien, ausnutzen, aber deren Nachteile, nämlich Kapitalbelas- 35 36 35 Interview mit Francis M. Cevasco.

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tung, ausschließen. In Ländern, in denen ausländisches Eigentum an wehrtechni- 1 schen Unternehmen erlaubt ist, stellt die Errichtung 100 prozentiger Tochterun- 2 ternehmen einen beliebten Weg für US-Unternehmen dar, die eine lokale Basis in 3 Europa suchen. Dies erlaubt ihnen, als lokales Unternehmen mit anderen lokalen 4 Unternehmen dieses Landes in Konkurrenz zu treten, ohne komplizierte Ver- 5 handlungen für ein Jointventure führen zu müssen. In manchen Ländern ist US- 6 Unternehmen aber der Erwerb von Rüstungsfirmen erschwert oder gar verwehrt. 7 In diesen Fällen sind Jointventures oft die Voraussetzung für die notwendige lo- 8 kale Präsenz. Viele US-Unternehmen sehen jedoch bei Jointventures erhebliche 9 Nachteile gegenüber flexibleren Formen, teils weil die US-Regierung multilate- 10 rale Programme nicht selten vor ihrer Vollendung fallen lässt, teils weil die be- 11 teiligten Regierungen Entscheidungen treffen, die das Geschäftsergebnis negativ 12 beeinflussen. Dann erweisen sich die vertraglichen Verpflichtungen des Joint- 13 ventures als starr und hinderlich. Jointventures bieten sich vor allem an, wenn ver- 14 schiedene Regierungen ein Waffensystem gemeinsam entwickeln und anschaffen. 15 Weil hier Arbeitsvolumen und Technologie partnerschaftlich geteilt werden und 16 folglich keiner Seite eine eindeutige Führungsrolle zukommt, sind sie für Europa 17 in der Regel die attraktivere Form der Zusammenarbeit. 18 Die Untersuchungen des amerikanischen Rechnungshofes GAO zeigen, dass 19 amerikanische Unternehmen sich am liebsten in möglichst flexiblen Allianzen en- 20 gagieren (US General Accounting Office 2000). Dabei werden Teams anderen Al- 21 lianzen vorgezogen, da sie es ihnen ermöglichen, jeweils neue Partner in den an- 22 gestrebten Märkten zu wählen und Zugang zu notwendigen Technologien zu 23 erhalten, ohne permanente Verbindungen eingehen zu müssen. Oft wird versucht, 24 die Dauer des Teams auf einen konkreten Beschaffungsauftrag zu begrenzen. Teams 25 haben den Vorteil, dass kurzfristig und vorübergehend bestimmte Fähigkeiten er- 26 worben werden können, die für einen bestimmten Wettbewerb entscheidend sind. 27 Europäische Regierungen sind jedoch dieser Form gegenüber eher skeptisch, weil 28 sie befürchten, dass die europäischen Partner unter der Führung der US-Konzerne 29 nur eine subalterne Rolle spielen (US General Accounting Office 2000). 30 Für europäische Unternehmen ist die Bildung strategischer Allianzen mit US- 31 Unternehmen die einzige Chance, auf dem US-Markt Fuß zu fassen; nur auf diese 32 Weise können sie bei Aufträgen des DoD mitbieten. Die sich z.Z. herausbilden- 33 den transatlantischen Kooperationen scheinen aber hauptsächlich auf europäische 34 Programme gerichtet zu sein, während amerikanische Programme für europäische 35 36

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1 Unternehmen weitgehend verschlossen sind – mit Ausnahme der britischen Un- 2 ternehmen (Grams 2003; Küchle 2004). 3 Der amerikanische Markt ist durch eine Vielzahl von Gesetzen und adminis- 4 trativen Barrieren geschützt (Abbildung 11). Da insbesondere der US-Kongress 5 europäischen Lösungen skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, ist es für euro- 6 päische Unternehmen sehr schwer, sich als ernst zunehmende Anbieter zu quali- 7 fizieren (Adams 2000; S. 23 ff). Aber auch bei der Errichtung einer direkten Prä- 8 senz in USA durch Direktinvestitionen stoßen sie auf vielfältige Hindernisse. Dabei 9 geht es auf Seiten der USA sowohl um das Risiko der Weitergabe technologischer 10 Geheimnisse als auch eines befürchteten Verlusts der Technologieführerschaft. 11 Das Ergebnis ist ein komplexes System der Überprüfung ausländischer Direktin- 12 vestitionen. Zu diesem Zweck hat der US-Kongress 1988 das »Exon-Florio 13 Amendment to the Defense Production Act« in Kraft gesetzt, das den US-Prä- 14 sidenten ermächtigt, ausländische Übernahmen von bzw. Fusionen mit amerika- 15 nischen Gesellschaften zu verbieten, wenn die nationale Sicherheit dadurch ge- 16 fährdet werden könnte. Das »Committee on Foreign Investment in the United 17 States« (CFIUS) prüft dies im Auftrag des Präsidenten. Obwohl es keine for- 18 melle Verpflichtung gibt, eine Fusion oder Übernahme diesem Komitee anzuzei- 19 gen, schreckt es dennoch potenzielle Investoren ab, zumal »nationale Sicherheit« 20 und »ausländische Kontrolle« nicht klar definiert sind (Adams 2000; S. 25). 21 Im Herbst 2006 haben Senat und Repräsentantenhaus Gesetzentwürfe zu einer 22 noch strengeren Regulierung ausländischer Direktinvestitionen in den USA vor- 23 gelegt. Sie sehen eine Verschärfung des Prüfverfahrens und eine Neuordnung des 24 zuständigen Committee on Foreign Investment (CFIUS) vor. Dabei soll insbe- 25 sondere der Einfluss des Heimatschutz-, des Wirtschafts- und des Verteidigungs- 26 ministeriums gestärkt werden. Das CFIUS soll mindestens 75 Tage lang intensiv 27 prüfen dürfen, ob durch eine ausländische Investition die nationale Sicherheit 28 Amerikas bedroht wäre36. 29 30 31 32 33 34 35 36 36 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.7.2006.

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Abbildung 11: US-Gesetze und Restriktionen in Bezug 1 auf Transatlantische Allianzen 2 Antitrust Gesetze 3 Clayton Act 4 Hart-Scott-Rodino Act 5 Sherman Act 6 Gesetzliche Bestimmungen zur Bevorzugung heimischer Angebote 7 Buy American Act 8 Berry Amendment 9 Sonstige Restriktionen 10 Import/Export Gesetze und Regulierungen 11 Arms Export Control Act 12 International Traffic in Arms Regulations 13 Export Administration Act 14 Export Administration Regulations 15 Restriktionen der Nationalen Sicherheit bezüglich Übernahmen 16 und Fusionen 17 Executive Order 11858 18 Exon-Florio Amendment 19 National Industrial Security Program Operating Manual 20 21 Quelle: United States General Accounting Office (GAO), Defense Trade. Contractors En- 22 gage in Varied International Alliances. Washington DC, September 2000, S.6 f. 23 Amerikanische Unternehmen, die ganz oder teilweise in ausländischem Eigentum 24 sind (Foreign Owned, Controlled or Influenced (FOCI)), müssen darüber hi- 25 naus mit dem Verteidigungsministerium Sicherheitsvereinbarungen – Security 26 Control Agreements, Special Security Agreements (SSA), Voting Trusts oder 27 Proxy Agreements – abschließen. Diese FOCI-Vereinbarungen sollen sicherstel- 28 len, dass das ausländische Mutterunternehmen keinen Zugang zu sensiblen In- 29 formationen ihrer amerikanischen Niederlassung erhält. Außerdem müssen FOCI- 30 Unternehmen von US-Staatsbürgern geführt werden. Trotzdem werden sie im 31 Wettbewerb gegenüber einheimischen Firmen benachteiligt durch das System des 32 National Interest Determination (NID). Danach darf ein in ausländischem Be- 33 sitz befindliches amerikanisches Unternehmen bei einer Beschaffungsmaßnahme 34 des DoD nur berücksichtigt werden, wenn dies im nationalen Interesse der USA 35 36

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1 ist und keine einheimische Firma für diesen Auftrag gefunden wird kann (Defen- 2 se Science Board 1999; S. 7 ff). 3 Darüber hinaus erweisen sich die amerikanischen Exportkontrollen zunehmend 4 als Hindernis für eine Rüstungszusammenarbeit mit den europäischen Verbünde- 5 ten. Die amerikanischen Vorschriften verlangen jedes Mal eine Lizenz, wenn ein 6 amerikanisches Unternehmen etwas an nichtamerikanische Kunden verkaufen, aber 7 auch wenn es mit einem ausländischen Partner in Verhandlungen eintreten möch- 8 te. Auch Diskussionen zwischen amerikanischen Niederlassungen und ihren aus- 9 ländischen Müttern und auch Diskussionen über eventuelle Kooperationen, Joint- 10 ventures, Fusionen oder Übernahmen sind davon betroffen (Adams 2000; S.29). 11 Das Department of State ist verantwortlich für das Exportkontrollregime 12 nach dem Arms Export Control Act (AECA). Daneben gibt es die Internatio- 13 nal Traffic in Arms Regulations (ITAR) und die Munitions List, für die das Of- 14 fice of Defense Trade Controls (ODTC) verantwortlich ist. Danach müssen z.B. 15 Besuche ausländischer Staatsbürger in einem US-Rüstungsunternehmen im Vo- 16 raus genehmigt werden, was bei Niederlassungen europäischer Unternehmen in 17 USA ein großes Hindernis darstellt. 18 Der Buy American Act grenzt europäische Anbieter selbst dort aus, wo sie qua- 19 litativ und preislich wettbewerbsfähig sind. Zwar werden mit einzelnen europäischen 20 Staaten von Fall zu Fall Ausnahmen vereinbart. Diese »case-by-case waivers« kön- 21 nen jedoch vom Kongress zu Fall gebracht werden und sind daher unsicher37. 22 Die (durch die oben beschriebenen Hürden erschwerte) Gründung von Toch- 23 terunternehmen in Amerika bzw. Übernahme kleiner und mittlerer US-Firmen war 24 bisher für europäische Unternehmen fast die einzige Möglichkeit, Zugang zum 25 größten Rüstungsmarkt der Welt zu erhalten – falls die US-Regierung entschei- 26 det, dass dies den nationalen Sicherheitsinteressen dient (Küchle 2004). 27 Das Ergebnis ist eine transatlantische Einbahnstraße, deren Dimension Ab- 28 bildung 12 zeigt. 29 Abbildung 12: Transatlantische Einbahnstraße 30 31 US Markt ca. 196 Mrd. € Europäischer Markt ca. 37 Mrd. € 32 US-Anteil 99.7% (195,3 Mrd. €) US-Anteil 26% (9,6 Mrd. €) 33 Importe aus Europa 0,3% Importe aus USA 26% 34 Quelle: BDI 2002 35 36 37 Interview EADS.

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Ganze zwei Prozent des amerikanischen Beschaffungsbudgets gehen an auslän- 1 dische Firmen38. Der US-Rüstungsmarkt, der größte und lukrativste der Welt, 2 scheint danach für deutsche Unternehmen weitgehend verschlossen zu sein, so 3 dass die Vision einer transatlantischen Integration, die zweifellos große Vorteile 4 hätte, auf absehbare Zeit kaum realisierbar sein dürfte. Unter dieser Vorausset- 5 zung wären deutsche Unternehmen gezwungen, sich bei der Suche nach Allian- 6 zen auf Europa zu konzentrieren. 7 Dieses negative Bild der vergangenen Jahre scheint sich aber in jüngster Zeit 8 etwas aufgehellt zu haben. Das für Beschaffungen wichtige Foreign Test Pro- 9 gram sei heute offener für deutsche Anbieter, sei es wegen der Kalamitäten im 10 Irak, sei es wegen des hohen technologischen Niveaus deutscher Rüstungsgüter. 11 Unternehmensvertreter mit starken Interessen in den USA berichten jedenfalls, 12 dass man neuerdings durchaus bei amerikanischen Beschaffungen erfolgreich sein 13 könne, allerdings nur unter dem Dach eines amerikanischen Generalunternehmens 14 und unter anderem Produktnamen. Das »made in Germany« gehe dabei zwar 15 unter, aber in Fachkreisen wüsste man über seinen Ursprung dennoch Bescheid 16 und es helfe dem deutschen Unternehmen. Unter diesen Bedingungen sei teilweise 17 sogar eine Produktion am deutschen Standort möglich39. 18 Das hohe Schutzniveau deutscher Fahrzeuge, das bei einer Beschaffung durch die 19 US-Army vielen Soldaten im Irak das Leben hätte retten können40, ließe an sich gute 20 Exportchancen für deutsche Unternehmen erwarten. Immerhin sollen für den Nach- 21 folger des Joint Medium Tactical Vehicle HMMV 10.000 Stück beschafft werden. 22 Vielleicht kommen die jüngsten Versuche der Bundesregierung, auf einen 23 transatlantischen Binnenmarkt hinzuwirken, eines Tages auch den wehrtechni- 24 schen Unternehmen zugute. 25 26 27 5.3. Europäische Neustrukturierung 28 29 Die Integration des europäischen Kontinents ist stets ein übergeordnetes Ziel aller 30 Bundesregierungen gewesen. Nach Vollendung des europäischen Binnenmarktes 31 und der Währungsunion, die Europa einen großen Schritt voran gebracht haben, 32 ist ein gemeinsamer Verteidigungsmarkt der dritte noch fehlende Pfeiler der eu- 33 34 38 Handelsblatt, 11.9.2006. 39 Expertengespräche. 35 40 Expertengespräche. 36

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1 ropäischen Integration. Die im Aufbau befindliche Europäische Sicherheits- und 2 Verteidigungspolitik (ESVP) bedarf einer eigenständigen rüstungsindustriellen 3 und -technologischen Basis. Eine erfolgreiche Integration der europäischen Rüs- 4 tungsmärkte wäre zudem eine wichtige Voraussetzung für eine gerade von Deutsch- 5 land angestrebte Politische Union Europas. 6 7 5.3.1 Duplikation und Einsparpotenziale 8 Auf den national fragmentierten Rüstungs märkten Europas können nicht nur die 9 Vorteile der Internationalisierung, nämlich die Wahl des günstigsten Standorts und 10 des günstigsten Anbieters, nicht genutzt wer den. Unterschiedlicher Bedarf der 11 nationalen Streitkräfte und die nationalstaatli che Beschaffung militärischer Ausrüs- 12 tungen haben darüber hinaus Parallelentwicklun gen, gerin gere Serien und entspre- 13 chend hohe Stückkosten zur Folge. Die notwendige europäische Harmonisierung 14 aller Phasen des Beschaffungssystems wird insbesondere durch natio nale Regierun- 15 gen behindert, die einen Souveränitätsverlust und Beschäftigungs- und Technolo- 16 gieverluste nationaler Standorte befürchten. Der europäische Markt für gepanzerte 17 Fahrzeuge aller Art ist deshalb gekennzeichnet durch gravierende Mängel, nämlich: 18 einen Mangel an Koordination auf Regierungsebene, 19 einen Mangel an grenzüberschreitender Zusammenarbeit und 20 einen Mangel an Wettbewerb. 21 Die investiven Ausgaben der Mitgliedsländer belaufen sich im Jahre 2005 auf 82 22 Mrd. €, die jedoch überwiegend für eigene nationale Programme ausgegeben werden, 23 wobei es viele Doppelentwicklungen und Doppelproduktionen mit unterschiedlichen 24 Standards gibt. So gibt es in der EU vier verschiedene Kampfpanzer: Leclerc (Frank- 25 reich), Leopard 2A5 (Deutschland), Challenger (Großbritannien) und Ariete (Italien) 26 – in den USA nur einen. Es gibt 23 nationale Programme für gepanzerte Fahrzeuge. 27 Es gibt drei europäische 155 mm Haubitzen – aber nur eine amerikanische41. 28 Nur 18% der gesamten europäischen Beschaffungen in Höhe von 26,4 Mrd. € 29 sind gemeinschaftliche Beschaffungen von mindestens zwei Staaten, wie Abbildung 30 13 zeigt. Folglich werden 82% der Rüstungsgüter bei den nationalen »Hoflieferan- 31 ten« unter Ausschluss eines grenzüberschreitenden Wettbewerbs beschafft. Bei Re- 32 search & Technology beträgt der gemeinschaftliche Anteil sogar nur 12 % (Europe- 33 an Defence Agency 2006). 34 41 Selbst bei Kampfflugzeugen gibt es trotz starker Konkurrenz aus USA drei europäische Parallel- 35 entwicklungen, nämlich die schwedische Gripen, die französische Rafale und den internationalen 36 Eurofighter (Unisys 2005).

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Abbildung 13: Gemeinschaftliche und rein nationale Beschaffungen in Europa 1 2 COLLABORATION – DEFFENCE EQUIPMENT PROCUREMENT 3 Collaborative and Non-Collaborative Defence Equipment 4 Procurement in 2005 5 Total Defence Equipment Procurement: € 26,4 Billion 6

Non-Collaborative 7 Defence Equipment Procurement 8 82,00% 9 10 11

18,00% 12 Collaborative 13 Defence Equipment Procurement 14

Quelle: European Defence Agency 2006 15 16 Da national eigenständige Entwicklungen auch ein Problem der militärischen In- 17 teroperabilität sind, haben sich schon in der Vergangenheit Nato und WEAG immer 18 wieder um eine Koordinierung bemüht, die jedoch ergebnislos geblieben ist, ob- 19 wohl eine Einigung gerade für kleine Länder mit geringer Stückzahl zumindest 20 einen logistischen Vorteil hätte. Jetzt hat sich die Europäische Verteidigungsagentur 21 (EDA) dieses Problems angenommen – an einem Erfolg darf dennoch gezweifelt 22 werden. 23 Bei gepanzerten Fahrzeugen unter 10 t Gewicht mit deutlich verbessertem Schutz 24 wäre eine Koordinierung der nationalen Vorhaben durch die EDA noch möglich und 25 dringend notwendig, da es in vielen europäischen Staaten eine wachsende Nach- 26 frage für die kommenden Jahre und auch schon konkrete Überlegungen gibt: 27 Zu einer gemeinschaftlichen Beschaffung haben sich bisher nur entschieden 28 Großbritannien, Italien und Belgien, und zwar zusammen für 2000 Stück des 29 geschützten und auch minengeschützten Light Modular Vehicle (LMV) der 30 Firma IVECO. 31 Frankreich hat bereits 933 des 5 t schweren, allradgetriebenen A4 AVL der 32 Firma Panhard/Auverland unter Vertrag genommen. 33 Deutschland möchte eine ganze Familie geschützter Führungs- und Funkti- 34 onsfahrzeuge (GFF) anschaffen und zwar in drei Klassen: bis 5 t, bis 7,5 t und 35 bis 10 t. Dafür soll noch im Jahr 2007 eine Auswahl getroffen werden. 36

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1 Darüber hinaus möchte Deutschland demnächst eine Familie geschützter Trans- 2 portfahrzeuge (GTF) anschaffen. Hierbei ist an eine Weiterentwicklung vor- 3 handener Fahrzeuge gedacht, wobei insbesondere der Schutz zentral ist. 4 Leider ist hier, wo eine Koordinierung in der Frühphase noch möglich ist, die Eu- 5 ropäische Verteidigungsagentur (EDA) nicht involviert. Stattdessen wurde die 6 EDA beauftragt, sich um die mittleren geschützten Fahrzeuge (armoured fighting 7 vehicles AFV) zu kümmern, deren Beschaffungen jedoch bereits laufen. 8 Aufgrund der Überalterung der vorhandenen Bestände an Radpanzern mit einem 9 Gewicht von 25-30 t und Schützenpanzern über 30 t in 6x 6 und 8x8 Version (AFV), 10 aufgrund der Forderung nach Luftverladefähigkeit, aber auch aufgrund der ge- 11 sammelten Erfahrungen auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak ergibt sich 12 die Notwendigkeit von Neuentwicklungen. Dabei muss insbesondere der gestie- 13 genen Bedrohung der eigenen Soldaten durch Land- und Panzerminen und durch 14 die heute weit verbreiteten Rocket Propelled Grenades Rechnung getragen wer- 15 den. Deshalb werden gegenwärtig bei Radpanzern (zwischen 25 und 30 t) und 16 Schützenpanzern (über 30 t Gewicht) 23 nationale Beschaffungsprogramme vo- 17 rangetrieben, die jedoch nicht miteinander abgestimmt worden sind. Im Einzelnen 18 konnten die in Abbildung 14 gezeigten nationalen Beschaffungsvorhaben festge- 19 stellt werden, aber auch in Ungarn und der Türkei gibt es Überlegungen zur Be- 20 schaffung von 8x8 Fahrzeugen. Da jedoch die nationalen Beschaffungsprogramme 21 dieser beiden Panzerklassen bereits beschlossen sind bzw. kurz davor stehen, wird 22 die EDA ihr Ziel nicht erreichen, noch in der Planung befindliche Systeme bereits 23 im Vorfeld aufeinander abzustimmen und dadurch Synergieeffekte zu schaffen. 24 Dennoch ist die Untersuchung der 23 AFV-Programme durch die EDA hilf- 25 reich, weil sie auch einen Preisvergleich und eine Abschätzung der Einsparpoten- 26 ziale bei gemeinschaftlicher Beschaffung vornehmen will. Es liegt auf der Hand, 27 dass das Einsparungspotenzial bei Vermeidung von Doppelentwicklungen und – 28 produktionen erheblich ist. Neben Mehrfachbelastungen bei der Forschung erge- 29 ben sich auch Folgekosten im Bereich der Logistik, der Ausbildung und der In- 30 standsetzung. Um jedoch die Einsparungen zu quantifizieren, müsste man zunächst 31 die Entwicklungskosten in Erfahrung bringen. Dies ist für Außenstehende in der 32 Regel nicht möglich, da es sich um sensitive Informationen handelt (Küchle 2006). 33 Beim GTK Boxer haben die drei Partnerstaaten Deutschland, Großbritannien 34 und Niederlande je 180 Mio. € Entwicklungskosten an OCCAR überwiesen, damit 35 OCCAR das Programm bis zur Erstellung von 12 Prototypen vorantreibt. In der 36 Summe sind also 540 Mio. € staatlicher Zuschüsse geflossen. Unbekannt ist, wie-

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viel eigenes Geld die Industriefirmen in die Entwicklung gesteckt haben. Die zwi- 1 schen die Beschaffungsbehörde und das Generalunternehmen geschobene Arbeits- 2 gemeinschaft ARTEC habe immer behauptet, die zur Verfügung gestellten Mittel 3 seien im Gunde nicht auskömmlich. Die Firmen haben jedoch trotz beschränkter 4 Entwicklungsmittel oder strenger Preisvorgaben Möglichkeiten, dennoch auf ihre 5 Kosten zukommen, z.B. durch Umwidmung von Ingenieurleistungen oder durch 6 gesonderte Berechnung von zur Verfügung gestelltem Testgelände etc.42 7 8 Abbildung 14: Nationale Beschaffungsprogramme für Rad- und Schützenpanzer 9 Staat Fahrzeug Eigene oder Fremdentwicklung 10 A Pandur II (8x8) eigene nationale Entwicklung 11 Ulan (=Pizarro) Koentwicklung mit Spanien B Piranha III (8x8) schweizerisch 12 CZ Pandur II österreichisch 13 Dk Piranha III schweizerisch 14 CV 90 schwedisch 15 D PUMA eigene nationale Entwicklung 16 GTK Koentwicklung (D, UK, NL) 17 SF AMV eigene nationale Entwicklung 18 CV 90 schwedisch S CV 90 + SEP eigene nationale Entwicklung 19 F VBCI eigene nationale Entwicklung 20 IRL Piranha III schweizerisch 21 I VBC eigene nationale Entwicklung 22 Dardo eigene nationale Entwicklung 23 NL GTK Koentwicklung (D, NL) 24 CV 90 schwedisch 25 N AMV finnisch CV 90 schwedisch 26 PL AMV finnisch 27 P Pandur II österreichisch 28 Slov Pandur II österreichisch 29 E Piranha / Pizarro schweizerisch 30 CH Piranha III schweizerisch 31 CV 90 schwedisch 32 UK Piranha III schweizerisch 33 Quelle: Interviews 34 35 42 Expertengespräche. 36

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1 Für einen Preisvergleich zwischen alternativen nationalen Angeboten müsste man 2 das Mengengerüst, die technischen Details und vieles andere mehr wissen. Insti- 3 tute, die solche Vergleiche in der Vergangenheit versucht haben, seien bisher immer 4 gescheitert43. Zu unterscheiden sind zwei Grundpreise: der Gerätestückpreis und 5 der Gerätesystempreis. Dieser enthält auch den Ersatzteilerstbedarf, neue Kran- 6 anlagen, Ausbilder etc. und sei durchaus international vergleichbar. Der System- 7 preis liegt in der Regel um 12 bis 15% über dem Stückpreis. Ein europäisches 8 AFV ist nach Auskunft der EDA zwischen 2 Mio. und 3,5 Mio. € erhältlich. Bei 9 Preisen unter 2 Mio. könne das Schutzniveau gar nicht ausreichend sein, Preise 10 über 3,5 Mio. seien eindeutig überhöht. 11 Die Vergleichbarkeit der Beschaffungspreise ist, sofern sie überhaupt ermit- 12 telt werden können, durch eine Reihe von Faktoren eingeschränkt. So handelt es 13 sich bei den Kaufpreisen von Rüstungsgütern in der Regel um politische Preise 14 oder um Paketpreise. Darin kann z.B. die Ausbildung des Bedienungspersonals, 15 der Aufbau der notwendigen Infrastruktur oder eine (nicht bekannte) politische 16 Gegenleistung inbegriffen sein. Oft ist mit dem Kauf eines Systems eine jahr- 17 zehntelange Bindung an den Hersteller bei Wartung und Ersatzteilen verbunden. 18 In manchen Ländern gibt es »black programmes«, bei denen die Kosten nicht in 19 den nationalen Haushalten erscheinen und daher auch nicht bekannt sind44. Es gibt 20 auch Länder, die zunächst mit Dumpingpreisen arbeiten und später über »after 21 sales« Leistungen zu überhöhten Preisen das Defizit ausgleichen, z.B. durch Re- 22 paratur- und Ersatzteilpreise. Die dominierende Komponente bei Auftragsverga- 23 be ist industrie-, technologie-, regionalpolitischer Art, so dass auch Arbeitsplätze 24 und Standort eine wichtige Rolle spielen. Die oft entscheidende Frage der natio- 25 nalen Beschaffungsbehörden ist, wie viel vom Gesamtvolumen des Auftrags ins 26 Ausland abfließt bzw. wie viel davon im Lande bleibt45. 27 Als Alternative zu Doppelentwicklung und -produktion der Partnerstaaten wur- 28 den lange Zeit die gemeinschaftliche Entwicklung, Produktion und Beschaffung 29 gesehen. Aufgrund der in der Praxis zu beobachteten Schwierigkeiten mehren sich 30 jedoch die Zweifel, ob sie tatsächlich die Lösung des Kostenproblems sind. Vo- 31 raussetzung für gemeinsame Entwicklung ist zunächst ein gemeinsames Verständnis 32 der geforderten Fähigkeiten. Außerdem muss geklärt werden, was jedes teilneh- 33 mende Land dafür einbringen kann und was heute im Einsatz gebraucht wird. 34 43 Interview IABG 35 44 Interview EDA. 36 45 Interviews.

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Die dazu notwendigen Kompromisse führen jedoch in aller Regel zu deutlich hö- 1 heren Entwicklungskosten. Beispielsweise ergibt sich bei der Produktion ge- 2 meinschaftlicher Entwicklungen ein Kampf um nationale Standorte, Zulieferer 3 und Komponentenhersteller, der die Stückpreise zusätzlich erhöht46. Diese Schwie- 4 rigkeiten nehmen erfahrungsgemäß mit der Zahl der Teilnehmer zu. 5 Außerdem differieren die Ansichten über das notwendige Schutzniveau47 mit 6 dem Ergebnis, dass deutsche Panzer teurer und schwerer sind als konkurrierende 7 Panzer. Auf diese Weise wird das an sich wünschenswerte hohe Schutzniveau zu 8 einem preislichen Wettbewerbsnachteil deutscher Unternehmen. Deshalb wäre es 9 dringend notwendig, dass auf europäischer Ebene das Schutzniveau aller einge- 10 führten und projektierten gepanzerten Fahrzeuge offengelegt würde. Die EDA könn- 11 te sichere, leistungsfähige Produkte aus der gesamten Palette europäischer Anbie- 12 ter feststellen und unter gleichen Bedingungen testen, und sie könnte Angebote für 13 unterschiedliche Bestellgrößen der Mitgliedstaaten einholen und mit den Anbie- 14 tern günstige Stückpreise verhandeln. Wenn für die Soldaten der europäischen Ar- 15 meen klar ersichtlich wäre, welchen Schutz ihre Regierungen für sie einkaufen, 16 wäre die notwendige Standardisierung nur noch eine Frage der Zeit48. Mitarbeiter 17 der EDA haben sich zwar an einem Vergleich der internationalen Schutzniveaus 18 versucht, beklagen sich aber über mangelndes Interesse seitens des BWB49. 19 Beispiele für gemeinschaftliche Entwicklungen im Panzerbau sind der Ulan 20 bzw. Pizarro, der von Österreich und Spanien gemeinsam entwickelt wurde und 21 das Multi-Role-Armoured-Vehicle (MRAV) bzw. der GTK Boxer, an dem sich 22 neben Deutschland zunächst auch Großbritannien, Frankreich und die Nieder- 23 lande beteiligt haben. 24 Das ursprüngliche Ziel einer internationalen Kooperation beim GTK war, die 25 gesamte M113 Familie in Europa zu ersetzen. Dabei wurde mit einer Beschaffung 26 von ca. 6000 Stück gerechnet, so dass die Einbindung möglichst vieler Partner 27 notwendig erschien. Inzwischen sind jedoch Frankreich und Großbritannien de- 28 finitiv abgesprungen und die Niederlande drohten noch im Sommer 2006 mit Aus- 29 30 46 Experten berichten, dass beim GTK das Schweißen der Wanne aus Proporzgründen an die briti- 31 sche Alvis vergeben wurde, obwohl Alvis gerade dies weniger beherrsche als andere. 32 47 Experten vertreten die Auffassung, dass der Schutz der eigenen Soldaten für die britischen und französischen Berufsarmeen eine geringere Rolle spiele als für die deutsche Wehrpflichtigenar- 33 mee. Das höhere Schutzniveau deutscher Panzer könnte bei multinationalen Einsätzen sogar dazu 34 führen, dass den deutschen Soldaten die gefährlichsten Aufgaben zugewiesen werden. 48 www.geopowers.de, 12.12.2005. 35 49 Expertengespräch. 36

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1 stieg, um bessere Konditionen zulasten der deutschen Firmen durchzusetzen. 2 Deshalb ist GTK ein Musterbeispiel für die Problematik und preistreibende Wir- 3 kung einer Zusammenarbeit mit mehreren Partnerländern. Eine deutsche Allein- 4 entwicklung hätte Experten zufolge nur etwa die Hälfte der von den drei Partnern 5 investierten 540 Mio. € gekostet. Dadurch dass jedes Land seine eigenen Vor- 6 stellungen bezüglich Schutz, Erprobung etc. eingebracht hat, seien nicht nur die 7 direkten Entwicklungskosten enorm gestiegen, sondern auch die Entwicklungs- 8 zeit. Verglichen mit einer evtl. deutschen Alleinentwicklung habe GTK fünf Jahre 9 länger gebraucht50. Durch jedes verzögerte Jahr steigen die Beschaffungskosten 10 entsprechend den Preisgleitklauseln nach dem Index für industrielle Erzeuger- 11 preise, so dass sich allein dadurch eine zusätzliche Verteuerung bei der Beschaf- 12 fung um etwa 15% ergibt. Außerdem besteht bei der langen Entwicklungszeit 13 immer die Gefahr, dass einige Partner wieder aussteigen. Genau das ist beim GTK 14 geschehen, wodurch sich schließlich doch kleinere Losgrößen und höhere Stück- 15 kosten ergeben als erhofft. 16 Es wäre deshalb für Deutschland günstiger gewesen, eine abgespeckte GTK- 17 Version schnell auf den Markt zu bringen, für die es gegenwärtig in vielen euro- 18 päischen Ländern, aber auch in der Türkei, eine große Nachfrage gibt. So wurde 19 früher auch beim Leopard 2 und bei der Panzerhaubitze 2000 verfahren, die beide 20 abgemagerte Versionen (AV) eines ehemals internationalen Kooperationsprojekts 21 waren und die auf diese Weise große Exporterfolge erzielen konnten. So aber ist 22 beim GTK ein relativ großer Markt wegen der zeitraubenden multinationalen Ent- 23 wicklung und der Verzögerungstaktik einiger Kooperationspartner über GTK hin- 24 weggegangen, so dass konkurrierende Modelle wie Pandur, Piranha und AMV 25 jetzt die europäische Nachfrage bedienen. 26 Während in Deutschland europäische Kooperationen als Wert an sich gelten, 27 gab und gibt es bei unseren Partnern nur drei Gründe, sich an internationalen Ge- 28 meinschaftsentwicklungen zu beteiligen, nämlich wenn man 29 es nicht allein schafft, wenn man z.B. nicht die Systemkompetenz hat oder die 30 Kosten zu hoch sind, 31 Wissen von den Partnern abschöpfen möchte oder 32 das Gemeinschaftsprojekt zugunsten eines eigenen nationalen Projekts ver- 33 zögern möchte51. 34

35 50 Expertengespräch. 36 51 Expertengespräche.

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Gemeinschaftliche Panzerentwicklungen machen gerade für Deutschland keinen 1 Sinn, da die deutschen Unternehmen auf diesem Gebiet weltweit führend sind und 2 deshalb aus technologischen Gründen keiner Kooperationspartner bedürfen. Viel- 3 mehr laufen sie Gefahr, dass ihr hochentwickeltes Know-how über Gemein- 4 schaftsprojekte an die Konkurrenten abfließt. In Bezug auf die Kosten ist der Pan- 5 zerbau nicht zu vergleichen mit den großen und komplexen Programmen wie 6 Kampfflugzeugen oder Satelliten, wo Deutschland erstens nur Teilkompetenzen 7 aufweisen kann und wo zweitens die hohen Kosten alle Partner zu Gemein- 8 schaftsprogrammen zwingen. Deshalb gibt es den Eurofighter und den A400M und 9 auch die Fusion zur EADS – aber nichts Vergleichbares in der Heeresindustrie. 10 Aufgrund der in der Praxis komplizierten, zeitraubenden und kostentreiben- 11 den Gemeinschaftsentwicklung, kann unter den heutigen Bedingungen nur die 12 Schlussfolgerung gezogen werden, Entwicklung und Produktion weiterhin den 13 nationalen Systemhäusern zu überlassen. 14 15 5.3.2 Ein neuer Kooperationsansatz der EDA 16 Schon im Mai 2005 hatte die EDA im Bestreben einem europäischen Beschaf- 17 fungsmarkt trotz der genannten Schwierigkeiten näher zu kommen Schritte vor- 18 geschlagen, um wenigstens die vielen Parallelprogramme bei AFV zu reduzieren. 19 Zu nennen sind vor allem: 20 Kooperationsförderung bei Programmen der armoured fighting vehicles (AFV), 21 Initiierung einer AFV-Studie, die sich auf Industrie- bzw. Marktaspekte in 22 Europa konzentriert, 23 Erweiterung der Definitionsarbeiten auf die neue AFV-Generation im Zeit- 24 rahmen 2020+. 25 Das »user-club«-Konzept sollte die Nationalstaaten zu gemeinsamer Be- 26 schaffung eines bestimmten Modells drängen. Dabei könnten die einzelnen 27 Staaten durchaus auch spezielle Missionsausstattungen selbst modular festle- 28 gen und mitbestellen. Der EDA käme die wichtige Aufgabe zu, die gemein- 29 same Logistik sicherzustellen (Ersatzteile, Krananlagen, Ausbildung etc.) und 30 gerade dadurch die Kooperation nutzbringend zu machen52. 31 Ferner hat sich die EDA zur Aufgabe gemacht, die Bestrebungen für eine Stan- 32 dardisierung bei AFV zu unterstützen. 33 34 35 52 Ein Problem sind dabei die Lizenzen und Rechte (intelectual property rights), die bei den Firmen liegen. 36

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1 Der gegenwärtige Stand dieser Bemühungen ist jedoch ernüchternd: 2 EDA musste zur Kenntnis nehmen, dass eine kurzfristige Kooperation auf 3 Plattformebene nicht möglich ist, nicht zuletzt wegen der bereits existieren- 4 den nationalen Beschaffungsprogramme, die die Mitgliedsländer nicht bereit 5 sind anzupassen. 6 Die Arbeit zu den Erfordernisse einer nächsten Generation von AFV auf 7 der Grundlage des LoI und des Fähigkeitsansatzes der EDA ist unter Füh- 8 rung des Capability Direktorats in Gang gekommen. 9 Die in Auftrag gegebene Industrie- und Marktstudie wurde von einer Con- 10 sulting Firma durchgeführt und im April 2006 abgegeben (IPA 2006). Die 11 Ergebnisse – immer noch zu viele Hersteller für dieselben Produkte – lie- 12 gen aber auch Mitte 2007 noch unter Verschluss. Es ist z.Z. völlig un- 13 klar, ob und in wie weit ihre Ergebnisse in die künftige Arbeit der EDA 14 eingehen werden. 15 Das Thema »user-club« wurde zwar in Angriff genommen, stieß aber auf wenig 16 Interesse bei den Mitgliedsländern und ruht deshalb auf unbestimmte Zeit. 17 Das Armaments Direktorat arbeitet mit den Mitgliedsländern und anderen In- 18 teressenten an den Standardisierungsfragen und will eine EDA-Standardisie- 19 rungsstrategie vorlegen. 20 Eine Befragung der nationalen Beschaffungsbehörden durch die EDA ergab, 21 dass auf der Angebotsseite mehr als zehn Unternehmen aktiv sind, die die volle 22 Design- und Entwicklungsfähigkeit im AFV- Sektor besitzen. Darüber hinaus 23 gibt es zahlreiche weitere Firmen, die eine verantwortliche Rolle bei der End- 24 montage spielen. Zwischen all diesen nationalen Firmen hat die EDA kaum 25 eine Kooperation gefunden. 26 Weil die EDA jedoch daran festhält, dass Gemeinschaftsproduktionen – wenn sie 27 auf eine effiziente Art und Weise durchgeführt würden – die Spezialisierung der 28 Mitgliedsländer und ihre gegenseitige Interdependenz fördern, Doppelarbeit ver- 29 meiden und Kosten und Überkapazitäten reduzieren können, will sie jetzt einen 30 anderen Weg gehen. Sie glaubt erfolgreicher zu sein, wenn sie mit der Koordina- 31 tion auf der unteren Ebene beginnt und gerade den vielen kleinen Unternehmen 32 hilft, sich in den europäischen Markt einzubringen. Als klar wurde, dass auf der 33 Plattformebene keine Kooperation zu erreichen ist, hat die EDA deshalb den Fokus 34 auf Subsysteme und Komponenten ausgeweitet. Die meisten Mitgliedsländer wer- 35 den nämlich ihre Flotte gepanzerter Fahrzeuge (AFV) und die damit verbunden 36 Systeme mehrmals während der geschätzten Lebensdauer von 20-30 Jahren mo-

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difizieren und modernisieren müssen. Ein entsprechender Druck dazu geht auch 1 von den friedenschaffenden Einsätzen aus, die nicht ohne Folgen für die Inter- 2 operabilität und die technischen Bedingungen bleiben. 3 Gestützt auf eine Reihe von Gemeinsamkeiten bei Mitgliedsländern und In- 4 dustriefirmen in Bezug auf die technologischen Erfordernisse der AFVs hat die 5 EDA angeregt, dass die Unternehmen gemeinsame Vorschläge für Machbarkeits- 6 studien priorisierter Technologien erarbeiten. Als Folge hat die EDA fünf Studi- 7 enaufträge für Machbarkeitsstudien folgernder zentraler Felder vergeben: 8 network enabled armoured fighting vehicles, 9 unmanned ground systems (robotics), 10 active protection systems, 11 command and control beyond visual sight, 12 virtual prototyping. 13 Nach erfolgreichem Abschluss dieser Studien könnte die Phase der Demonstra- 14 toren beginnen mit der Aussicht auf eine spätere Serienproduktion. 15 Damit die Mitgliedsländer und Firmen sich für einen solchen Ansatz enga- 16 gieren und Geld und Know-how investieren, sind jedoch innovative Lösungen 17 notwendig. Dazu schlägt die EDA einen besonderen Beteiligungsmechanismus 18 vor, der trotz der bekannten Schwierigkeiten zu gleichen Wettbewerbsbedingun- 19 gen führen soll, indem er die rüstungsindustrielle und –technologische Basis der 20 Mitgliedsländer und die intellektuellen Eigentumsrechte der Unternehmen adä- 21 quat berücksichtigt und deshalb für alle Mitgliedsländer und alle Unternehmen 22 akzeptabel sein müsste. Wenn dieser »Mechanismus« bei geschützten Fahrzeu- 23 gen erfolgreich wäre, könnte er später auch auf andere Sektoren der Verteidi- 24 gungswirtschaft ausgedehnt werden53. 25 Die große Herausforderung für die EDA besteht darin, einen Kooperations- 26 mechanismus zu finden, der eine größere Teilnahme von Mitgliedsländern und 27 nationalen Firmen ebenso erlaubt wie eine Reduktion von Doppelarbeit, und der 28 darüber hinaus das technologische Spektrum ausweitet ohne gleichzeitig die 29 Kosten zu erhöhen. Die EDA glaubt, dass eine Kooperation auf der Ebene tech- 30 nologischer Demonstratoren die notwendige Dimension sowohl in Bezug auf Quan- 31 tität wie Qualität bringt. In den von der EDA vorgeschlagenen AFV-Machbar- 32 keitsstudien wird der Arbeitsanteil zum gegenseitigen Vorteil aller Teilnehmer 33 strukturiert, indem er primär abstellt auf eine technologische Zusammenarbeit, die 34 35 53 Expertengespräche und Diskussionspapiere der EDA. 36

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1 konsistent ist mit den Wünschen der Mitgliedsländer und nationalen Unternehmen, 2 aber gleichzeitig deren proportionale Beiträge zum Programm berücksichtigt. 3 Als Ausgangspunkt einer solchen Projektinitiative könnten sowohl die Un- 4 ternehmen als auch die Mitgliedstaaten technologische Interessengebiete oder kon- 5 krete Komponenten, Module oder Subsysteme vorschlagen. Sie wären dabei frei, 6 wo und wie weit sie zusammenarbeiten wollen. Auf jeden Fall ist jedoch eine kri- 7 tische Masse an teilnehmenden Staaten und Unternehmen erforderlich, und die 8 Vorschläge müssen konsistent mit den geforderten Fähigkeiten sein. Die finan- 9 ziellen Beiträge könnten in Form von Geld erfolgen oder auch in Form von Know- 10 how, das nach einem vereinbarten Maßstab zu bewerten wäre. 11 Das von der EDA erhoffte Ergebnis dieses Kooperationsmechanismus ist, dass 12 die separaten national strukturierten Netze großer Unternehmen und KMUs, wie 13 sie heute bestehen, zu einem europaweiten Netz weiterentwickelt werden. Mit die- 14 ser Transformation soll sich auch die Effizienz sowohl der Großen als auch der 15 KMUs verbessern. Die großen Unternehmen werden profitieren durch eine er- 16 höhte Zahl in- und ausländischer Subunternehmen. Darüber hinaus wird sich ihr 17 Marktanteil erhöhen, da auch kleinere Länder bereit sein werden, in Produkte zu 18 investieren, zu denen auch ihre nationalen Firmen beigetragen haben. Der Vorteil 19 für die KMUs kleiner Länder besteht u.a. darin, dass ihre Vernetzung mit großen 20 ausländischen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert und ihnen den not- 21 wendigen Zugang zu internationalen Märkten sichert. Wenn dieser Kooperati- 22 onsmechanismus von den Mitgliedsländern unterstützt wird, könnten sich daraus 23 europaweite Exzellenzzentren, eine erhöhte Interoperabilität und eine Konsoli- 24 dierung der Test- und Evaluierungszentren ergeben54. 25 Dagegen fallen die kleinen Länder aus dem bisherigen Kooperationsansatz 26 meist heraus, da 27 sie entweder aus dem jeweiligen Technologiebereich keine nationalen Unter- 28 nehmen anbieten können oder 29 die Beiträge der KMUs am gesamten Projekt und damit auch ihre Arbeitsan- 30 teile zu klein ausfallen. 31 Diese Situation wird von Experten der EDA als äußerst misslich erkannt, gerade 32 wenn man den großen Beitrag der KMUs zu Innovation und Arbeitsplätzen be- 33 denkt. Das Zusammenwachsen des westlichen und östlichen Teils Europas ver- 34 schärft das Problem weiter, da die neuen Mitgliedstaaten auch neues Know-how 35 36 54 Expertengespräche und Diskussionspapiere der EDA.

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und neue Kapazitäten in den avisierten Rüstungsmarkt einbringen. Eine fortdau- 1 ernde Ausgrenzung dieser kleinen, technologisch schwächeren Länder mit ihren 2 KMUs würde einen verhängnisvollen Trend befördern: 3 Wenn sie betriebswirtschaftlich zum Scheitern verurteilt sind, könnten auch 4 die Fördergelder der EU keine Trendwende einleiten, sie stellten dann viel- 5 mehr eine Fehlallokation dar. 6 Die Folge davon sei wiederum eine verstärkt protektionistische Beschaffung 7 nicht wettbewerbsfähiger, aber nationaler Produkte, die den Steuerzahler zu- 8 sätzlich belasten. 9 Die Chancen einer gemeinschaftlichen Beschaffung und ihrer Mengeneffek- 10 te könnten dann nicht genutzt werden. 11 Die Lösung würde vielmehr in steigenden Offsets bei Rüstungseinkäufen in 12 USA gesehen, wodurch der europäische Markt zusätzlich reduziert werde55. 13 Diesem Trend könnte durchaus entgegen gewirkt werden, allerdings nur unter 14 zwei Voraussetzungen: 15 Technologisch hochentwickelte Systeme und Komponenten müssen auf dem 16 ganzen EU-Markt verfügbar sein und sie müssen im Vergleich mit internatio- 17 nalen Produkten bestehen können. Eine gemeinsame F&T-Strategie könnte 18 hier helfen. 19 Stabile Angebotsketten mit enger Verzahnung innerhalb Europas sind erfor- 20 derlich. 21 Deshalb will die EDA möglichst viele Mitgliedstaaten für kooperative Projekte 22 gewinnen und einen bis heute nicht vorhanden Überblick erstellen über alle kom- 23 petenten KMUs in Europa und ebenso über die unterschiedliche Rolle der Lizen- 24 zen und Rechte (intellectual property rights). Parallel dazu müssten die ameri- 25 kanischen Verkäufe von Rüstungsgütern in der EU begrenzt werden. Das gelingt 26 jedoch nur, wenn der Anreiz großer Offsetangebote hinter der Teilhabe an attrak- 27 tiven europäischen Technologieprojekten zurücktritt. Daraus folgt, dass die durch 28 die EDA initiierten europäischen Projekte den nationalen Interessen der kleinen 29 Länder an Technologie- und Arbeitsplatzgewinn genügen müssen. Das ist der An- 30 gelpunkt, um auch die kleinen Länder und die kleinen Zulieferer aus den neuen 31 Mitgliedstaaten an den europäischen Markt zu binden. Dazu braucht man: 32 33 34 35 55 Expertengespräche und Diskussionspapiere der EDA. 36

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1 möglichst viele kooperationsfähige Unternehmen incl. KMUs, die verlässli- 2 che Partnerschaften innerhalb der neuen europäischen Angebotskette einge- 3 hen, 4 einen möglichst hohen industriellen Vernetzungsgrad auf europäischer Ebene, 5 Beiträge möglichst vieler Staaten. Die gesammelten kleinen Beiträge der klei- 6 nen Länder können insgesamt einen beachtenswerten Beitrag ergeben, 7 eine Vereinheitlichung der europäischen Beschaffungen. Dabei werden sich die 8 großen Unternehmen der großen Länder zu Systemintegratoren weiterentwi- 9 ckeln, die kleinen Länder beteiligen sich mit ihren kleinen Unternehmen als spe- 10 zialisierte Zulieferer an der kooperativen Beschaffung. 11 Diese Überlegungen führen die EDA-Experten zu folgendem Fazit: 12 Für kleinere Staaten kommen realistischerweise nur kleinere und mittlere na- 13 tionale Unternehmen für eine Teilnahme an europäischen Projekten in Frage. 14 Wenn sie anstelle von Offsets entsprechende Technologietransfers und Ar- 15 beitsplätze erzielen, ist die Kooperation zum Nutzen aller. 16 Ein Problem ergibt sich allerdings dadurch, dass viele anbietenden KMUs der 17 kleinen Länder nicht kooperationsfähig sind, was die Primes davon abschreckt, 18 sie in ein Kooperationsprojekt aufzunehmen. Da in solchen Fällen keine dau- 19 erhaften Verbindungen zustande kommen, müssen die KMUs folgende Merk- 20 male aufweisen: stabile Firmenverhältnisse, Verlässlichkeit, Erfahrungen im 21 Rüstungsbereich, Einhaltung internationaler Standards wie ISO 9001 etc. 22 Große Firmen scheuen auch davor zurück, ihre bewährten Angebotsketten auf- 23 zubrechen und neue Player aufzunehmen, die unbekannte Risiken mit sich 24 bringen. 25 Da Aufträge der nationalen Beschaffungsbehörden in nationale, aber nicht 26 konkurrenzfähige KMUs die Situation verfestigen, sollte eine aktive Teilha- 27 be an europäischen Projekten regierungsseitig eingefordert werden. 28 Für die praktische Umsetzung dieses Modells schlägt die EDA zum einen ein 29 Netzwerk sogenannter »Service Provider« vor, die die Möglichkeiten für neue 30 Kooperationen mit KMUs für die EDA untersuchen und sie aktiv beraten. Zum 31 anderen möchte die EDA auf nationaler Ebene Experten benennen, die die Ko- 32 operationsvorschläge der EDA oder der Mitgliedsländer bewerten und koordi- 33 nieren, nämlich die »Armaments Cooperation Coordinators« (ACC). 34 Die hier vorgestellten neuen Überlegungen der EDA werden in den folgenden 35 Abbildungen 15-17 veranschaulicht. 36

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Abbildung 15: Concept: Case 1 – setting up Budget for Study/Project (Study X – EDA initiated together with »willing pMS« )

Concept idea: Mechanism of Concept (case 1)

0 To enable pMS with already existing projects to take part and to 1. EDA initiates Study X (e.g. throught ap Techs, … reduce duplication of work within pMS 2. Study/Project paper preparation – dividing into work packages (WP) 0 To reduce the »overall« direct costs for each pMS or to increase 3. »willing pMS« commit financial participation for WPs (green boxes) the scope for the same cost STUDY X 4. Matching existing national contracted projects/studies with possible Wps in Study/Project. 1 EDA 5. pMS/Industry Participation with national owned IPR as WP in Study/Project

2 2 2

WP 1 WP 2 WP 3 WP 4 WP 5 WP 6 WP … 4 4

3 »willing pMS« 3 »willing pMS« 3 »willing pMS« «

«

Matching Matching » »

Concept Result Required Cash Budget for complete study Ù 800.000 EUR pMS - national pMS - national financed Project financed Project TRANSFER under contract under contract + providing existing national IPR” to Study/Project Ù 5 5 + additional Cash Budget required 500.000 EUR

»pMS with already existing Projexts« = OUTPUT VALUE equivalent to 800.000 EUR

85 WP … Work Packages Author: Stoussavliewitsch Martin, Armaments Directorale. EDA – Date: 29/05/206 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 86

1 2 3 4 500.000 EUR) 800.000 EUR 5 Ù WP … Ù 6 7 direct costs for eachdirect pMS orr to

8 « «

9 300.000 EUR to Study/Project (equ. overall Ù WP 6 » 10 « willing pMS 11 » 12 To reduce the reduce To 13 the scope for same costs increase IPR add value to existing projects, and share within To all pMS Concept idea (analogue case 1) 0 0

14 existing national IPR » WP 5 15

16 4 = OUTPUT VALUE equivalent to 800.000 EURVALUE = OUTPUT + additional Cash Budget required + additional Cash Budget required 17 + providing 18 TRANSFER Concept Result Cash Budget to continue/add value project Required EDA 19 WP 4 STUDY X

20 1 21

22 «

« 23 « providing » pMS 24 WP 3 willing pMS 25 » 4 under contract pMS - national financed Project 26 1

27

« IPR

28 providing »

29 WP 2 pMS existing Projexts with already under contract » pMS - national WP WP 30 financed Project 1 31 – existing national contracted projects/studies matching for WPs in Study/Project commit financial participation boxes) for missing WPs (green « 32 (pMS/Industry IPR providing as potential WP in study/project) « « 33 34 WP 1 willing pMS proviging IPRproviging willing pMS » specific national pMS IPR to initiate a Project/Study and contribute with a potential IPR WP in study. » 35 » 5. EDA contracting Study X through 3. Study/Project – paper preparation 4. dividing into work packages (WP) by EDA Mechanism of Concept (case 2) 1. pMS existing Project/Study with already in transfering commit their interest results 2. 4 Abbildung 16: Case 2 – 16: Abbildung Budget for Study/Project required 36 Packages WP … Work Author: Stoussavliewitsch MartinArmaments Directorale. EDA – Date: 29/05/206 ,

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Abbildung 17:

Scope of Technology

pMS Project 1 Planned Project progress

pMS Project 2 Planned Project progress

pMS Project 3 Planned Project progress

Current Parallel Development

»The mechanism« Ad-Hoc Project Cat B EDA Industry initiated –> (proposal for possi- ++ ble industry coopera- Common pMS tion) Technology + pMS + pMS Demonstrator – greater participation pMS/Industry pMS initiated –> + pMS – reducing duplication (areas of technical + pMS + pMS interest) – increasing technical scope for pMS + pMS + pMS

Cooperation Project 87 Fortsetzung nächste Seite 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 10 11 9 8 7 6 5 4 3 2 1 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd13.09.200710:56UhrSeite88 88

Current Parallel Scope of Development Technology

pMS1 Project Planned Project progress

pMS2 Project Planned Project progress

pMS3 Project Planned Project progress

Cooperation Project

» « Ad-Hoc Project Cat B The mechanism Common Technology Demonstrator Work Packages –> EDA … ++WP2 WP3 ++WP4 WP5 + WP6

– greater participation pMS/Industry Contribution –> … ++WP2 WP3 ++WP4 WP5 + WP6 – reducing duplication – increasing technical scope for pMS edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 89

5.3.3 Politische Bemühungen um einen gemeinsamen 1 Beschaffungsmarkt 2 Das Schicksal der deutschen Heeresindustrie hängt nicht zuletzt davon ab, ob es 3 in absehbarer Zeit gelingt, einen europäischen Beschaffungsmarkt zu errichten, 4 auf dem für alle Teilnehmer gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Dies 5 käme einem tiefgreifenden Strukturwandel auf nationaler und internationaler Ebene 6 gleich, da die bisherigen nationalen Zuliefererketten zugunsten europaweiter Be- 7 schaffung aufgegeben werden müssten. Darüber hinaus müssten wohl so manche 8 Standorte in Abhängigkeit ihrer relativen Wettbewerbsfähigkeit geschlossen wer- 9 den, was dort zu Arbeitslosigkeit und anderen sozialen und ökonomischen Kos- 10 ten führen dürfte. Davor schrecken vor allem jene Mitgliedstaaten zurück, deren 11 nationale Industrien besonders stark subventioniert sind und daher weniger effi- 12 zient arbeiten. Für die auf der Verliererseite stehenden Unternehmen und Regio- 13 nen müssten dann entsprechende arbeitsmarkt- und regionalpolitische Maßnah- 14 men ergriffen werden, um die sozialen Kosten abzumildern. Insgesamt jedoch 15 dürfte kein Zweifel bestehen, dass die Einsparungen und Vorteile einer europäi- 16 schen Beschaffung für die Steuerzahler und nationalen Haushalte in Europa weit 17 höher sind als die Schließungskosten einiger unproduktiver Standorte. 18 Die europäischen Regierungen haben in den zurückliegenden Jahren bereits 19 einige wichtige Schritte in Richtung eines gemeinsamen Beschaffungsmarktes 20 getan, wie z.B. die zumindest teilweise Privatisierung vieler Staatsbetriebe in den 21 romanischen Ländern, die Gründung von OCCAR und EDA. Auch das Grünbuch 22 der EU-Kommission und der Verhaltenskodex gehören dazu: 23 1. Die Gemeinsame Organisation für die Rüstungszusammenarbeit (OCCAR)56 24 wurde 1996 gegründet57, um die Steuerung gemein samer Rüstungsprogram- 25 me zu verbessern, die jeweils erneute Entwicklung von Verfahrensregeln zu 26 Beginn neuer Projekte zu vermei den und ein Kompetenzzentrum zu gründen, 27 das international be währte »best practice« Regeln in der Beschaffung an- 28 wendet. Die Harmoni sierung der Rüstungsbeschaffung über multinationale, 29 von OCCAR gesteuerte Programme58 soll die Neustrukturierung der europäi- 30 schen Rüstungsmärkte um einige führende Großunternehmen herum un- 31 32 56 Organisation Conjointe de Coopération en Matière d’Armement. 57 Die Mitgliedschaft in OCCAR ist allen europäischen Ländern offen, die sich an einem größeren 33 Gemeinschaftsprojekt beteiligen. Die Niederlande, Spanien und Belgien erwägen z.Z. eine Mit- 34 gliedschaft. 35 58 Dazu zählen u.a. die Programme Tiger, HOT/MILAN, Roland, FSAF, COBRA, GTK/MRAV, NH90 Helikopter und das taktische Transportflugzeug A400. 36

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1 terstützen und so zu den Größenvorteilen führen, die die fragmen tierten Märk- 2 te gerade nicht bieten können. Außerdem soll das »juste retour«-Prinzip nicht 3 mehr für jedes einzelne Programm angewendet, sondern ein Ausgleich pro- 4 grammübergreifend über eine mehrjährige Periode versucht werden. Dieser 5 commercial approach stößt jedoch bei der praktischen Umsetzung auf Schwie- 6 rigkeiten, da es OCCAR an genügend Programmen fehlt. 7 2. Als Weiterentwicklung von OCCAR wurde 2004 die Europäische Vertei - 8 digungsagentur (EDA) gegründet. Sie hat die Aufgabe, den operativen Bedarf 9 zu decken und dazu eine abgestimmte Beschaffungspolitik der Mit gliedstaaten 10 zu fördern (Europäischer Konvent 2002). Die Agentur ruht auf vier Säulen, 11 wozu neben der gemeinsamen Rüstungsbeschaffung auch die Entwicklung ge- 12 meinsamer Verteidigungsfähigkeiten, die militärische Forschung und eine in- 13 dustriepolitische Komponente zählen. Leider herrschen in den Mitgliedslän- 14 dern unterschiedliche Auffassungen über die EDA: Großbritannien versteht 15 die EDA mehr als Registrierungsstelle, während Frankreich sich eine aktive- 16 re Rolle der EDA wünscht, z.B. bei der Koordinierung und Finanzierung von 17 Raumfahrtprogrammen. 18 3. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen politi schen Erklärung zu Grund- 19 sätzen der Rüstungsexportpolitik (Code of Conduct) hat der Rat 1998 einen 20 wichtigen Schritt zur Harmonisierung der Rüstungsexportpolitiken getan. 21 Danach ver pflichten sich die Regierungen, bei Exportgenehmigungen in alle 22 Länder einige grundlegende Prinzipien zu beachten, so die Lage der Men- 23 schenrechte, die Beachtung von UN Sanktionen, die innenpolitische Situati- 24 on des Empfängerlandes, die Erhaltung von Frieden und Sicherheit in der be- 25 treffenden Region, das Risiko der Weiterverbrei tung und die wirtschaftliche 26 und finanzielle Situation des Empfängerlandes. Durch den im Rahmen des 27 Verhaltenskodex durchzuführenden Abstimmungsprozess der Mitgliedstaaten 28 – vor allem über die Notifizierung der Ablehnung von Direktexporten – soll 29 ein Angleichungsprozess der Rüstungsexportpolitiken stattfinden. Der CoC 30 hat jedoch keine rechtsverbindliche Wirkung und seine Formulierungen sind 31 in vielen Fällen unscharf. Deshalb wird er in den Mitgliedstaaten unterschiedlich 32 interpretiert, so dass sich an der unterschiedlichen Exportpolitik in Europa 33 kaum etwas geändert hat. 34 4. Im Juli 1998 wurde von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, 35 Schweden und Spanien eine »Absichtserklärung über Maßnahmen zur Er- 36 leichterung der Umstrukturierung der europäischen Rüstungsindustrie« (Let-

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ter of Intent, LOI) unterzeichnet, um gemeinsame Lösungen in einigen für 1 die Rüstungskooperation entscheidenden Bereichen aufzuzeigen und hierfür 2 Grundsätze, Organisation und Zuständigkeiten festzulegen. Neben den The- 3 men Versorgungssicherheit, Informationssicherheit, Forschung und Techno- 4 logie, Harmonisierung militärischer Anforderungen und rechtlicher Bestim- 5 mungen galt es außerdem, sich bei gemeinsamen Projekten jeweils auf eine 6 Liste von Ländern zu einigen, in die exportiert werden darf59. Der LOI-Pro- 7 zess führte schließlich im Juli 2000 zur Unterzeichnung eines Rahmenabkom- 8 mens, das den ersten umfassenden Versuch darstellt, die internen Regularien 9 der sechs wichtigsten europäischen Rüstungsproduzenten zu rationalisie ren 10 (Schmitt 2001). Es vereinfacht vor allem die Vorschriften und Kontrollen für 11 den Transfer von Komponenten zwischen den euro päischen Ländern, was be- 12 sonders wichtig für europäische Unterneh men ist, die Standorte in mehreren 13 Mitgliedsländern haben. Das Rahmenabkommen60 erleichtert daher die Schaf- 14 fung finanziell und technologisch potenter, integrierter europäischer 15 Rüstungsunternehmen. Die zumindest partielle Ablösung nationaler Verant- 16 wortung durch kollektive Verantwortung ist der zentrale Schlüssel für die Neu- 17 strukturierung des europäischen Rüstungsmarktes (Küchle 2005). 18 5. In ihrem Grünbuch von 2004 hat die EU-Kommission zum wiederholten Mal 19 die Notwendig keit einer effizienten, wettbewerbsfähigen europäischen 20 Rüstungsindustrie für eine unabhängige europäische Außen- und Sicherheitspo- 21 litik unterstrichen und dabei den für die Zersplitterung der europäischen Rüs- 22 tungsmärkte verantwortlichen Artikel 296 EGV zur Diskussion gestellt. Wenn 23 ein integrierter Rüstungsmarkt in Europa geschaffen werden soll, dann müs- 24 sen zumindest der grenzüberschreitende Transfer von Rüstungsgütern erleichtert 25 26 59 Die Vorschrift in Artikel 13, Absatz 3, sich schon in einem frühen Projektstadium auf zulässige 27 Export-Bestimmungsorte zu einigen, ist ein großer Fortschritt. Die Einigung soll durch Konsulta- tionen erzielt werden, bei denen jedoch nicht nur die Kriterien des EU-Verhaltenskodex, sondern 28 u.a. auch die internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien und ihre militärischen Interes- 29 sen zu berücksichtigen sind. Die unterschiedlichen politischen Beziehungen zu bestimmten Län- 30 dern in kritischen Regionen dürften deshalb wohl auch bei der Festlegung der Länderliste eine Rolle spielen. Der notwendige Kompromiss könnte davon abhängen, ob das im konkreten Fall res- 31 triktivere Land für eine Mitarbeit am Gemeinschaftsprojekt technologisch unverzichtbar ist. Soll- 32 te dies nicht der Fall sein, droht dieses Land vom Gemeinschaftsprojekt ausgeschlossen zu wer- den, was seine Kompromissbereitschaft wiederum erhöhen dürfte. 33 60 Der vollständige Titel lautet: Framework Agreement between The French Republic, The Federal 34 Republic of Germany, The Italian Republic, The Kingdom of Spain, The Kingdom of Sweden and 35 The United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland Concering Measures to Facilitate the Restructuring and Operation of the European Defence Industry. 36

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1 und faire Wettbewerbsbedingungen in allen Mitgliedstaaten hergestellt werden. 2 Dafür stellt jedoch der Artikel 296 ein zentrales Hindernis dar. Er schließt näm- 3 lich den Rüstungssektor aus dem Binnenmarkt aus und ist deshalb verantwort- 4 lich für die weiterhin bestehende nationale Fragmentierung der Rüstungsmärkte 5 mit der Folge zu kleiner Produktionsserien mit zu hohen Kosten. Mit der Aus- 6 grenzung des Rüstungssektors aus dem Binnenmarkt verhindert er außerdem die 7 Vollendung der europäischen Integration. Nicht zuletzt eine Europäische Si- 8 cherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) erfordert auch eine grenzüber- 9 schreitende Konsolidierung der rüstungsindustriellen und rüstungstechnologi- 10 schen Basis. Artikel 296 ist auch verantwortlich für die Protektion unrentabler 11 Staatsunternehmen, die nur durch öffentliche Beihilfen künstlich am Leben er- 12 halten werden – zulasten rentabler Unternehmen und zulasten der Steuerzahler. 13 Ein liberalisierter europäischer Rüstungsmarkt mit supranationaler Beschaf- 14 fungsbehörde könnte nach einer britischen Studie bis zu 15 Milliarden € ein- 15 sparen. Andere schätzen die jährlichen Gesamtkosten der innerge meinschaftli- 16 chen Handelsbarrieren für das Jahr 2003 auf 3,16 Mrd. € (Unisys 2005). 17 Deshalb muss Artikel 296 ersatzlos gestrichen werden, zumal er heute auch 18 sicherheitspolitisch obsolet ist. Denn unter dem Dach der NATO, einer Ge- 19 meinsamen Sicherheits- und Außenpolitik und einer Europäischen Sicherheits- 20 und Verteidigungspolitik kann es in den einzelnen Mitgliedstaaten kaum noch 21 voneinander unterschiedene »wesentliche Sicherheitsinteressen« geben. Da 22 aber einige nationale Regierungen die Abschaffung des 296 nicht zulassen, 23 versucht die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch, den Artikel 296 24 wenigstens auf den engen Bereich der wirklich sensiblen Rüstungsgüter zu 25 begrenzen und seinen extensiven Missbrauch zu verhindern. 26 Der Missbrauch besteht vor allem darin, dass die meisten Mitgliedstaaten 27 fast automatisch die Ausnahmemöglichkeit des Artikels 296 für nahezu alle 28 Beschaffungen nutzen, die irgend etwas mit dem Militär zu tun haben, wie 29 z.B. die Beschaffung von Uniformen oder Stiefeln, und dabei nicht die Be- 30 dingungen beachten, die vom Vertrag und vom Europäischen Gerichtshof de- 31 finiert wurden. 32 Die Kommission belegt den Missbrauch des Art. 296 mit dem empirischen 33 Tatbestand, dass die Regierungen nur 10% der vergebenen militärischen Auf- 34 träge öffentlich und europaweit ausschreiben im Vergleich zu 25% der zivi- 35 61 Interview EDA. 36 62 Interviews.

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len (Datenbank TED). Besonders stark ist der Missbrauch des Art. 296 für 1 nichtsensitive Güter dort, wo die betreffenden nationalen Industrien eine nur 2 geringe Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Die hauptsächliche Ursache des 3 Missbrauchs ist deshalb schierer Protektionismus. Viele Regierungen befürchten 4 strukturelle Verschiebungen, etwa durch eine Änderung geschlossener natio- 5 naler Zuliefererketten61. Widerstand geht aber auch von einigen Außenminis- 6 terien aus, die keine weitere Souveränität an die EU abtreten möchten62. 7 Um den Missbrauch einzuschränken, schlägt die Kommission im Grün- 8 buch zwei mögliche Initiativen vor: 9 eine erläuternde Mitteilung, die die Prinzipien erklärt, die eine Abwei- 10 chung von Artikel 296 erlauben und 11 eine Richtlinie, die neue, flexiblere Regeln für die Beschaffung jener Rüs- 12 tungsgüter bietet, die keine wesentliche Sicherheitsinteressen berühren 13 (Commission of the European Communities 2005). 14 Eine erläuternde Mitteilung ist eigentlich nicht notwendig, weil die allgemei- 15 nen Vergaberegeln prinzipiell für alle Güter gelten, also auch für Rüstungs- 16 güter. Artikel 296 stellt lediglich eine Ausnahme dar, die in jedem Einzelfall 17 sicherheitspolitisch zu begründen ist. 18 Die Entscheidung, ob Rüstungsverträge wesentliche Sicherheitsinteressen 19 berühren oder nicht, ist aber eine politische und keine juristische Entschei- 20 dung, so dass die Mitteilung möglicherweise noch größere Verwirrung stiften 21 und weitere juristische Auseinandersetzungen über die Grenzen des 296 ver- 22 ursachen könnte. Allerdings könnte die Kommission mit einer erläuternder 23 Mitteilung ex cathedra deutlich machen, dass die Beschaffung ziviler Güter 24 und dual-use Güter nicht dem Anwendungsbereich des Artikel 296 unterlie- 25 gen. Damit würde sie zum einen politischen Druck auf die nationalen Regie- 26 rungen ausüben, den bisherigen Missbrauch einzuschränken. Zum anderen 27 würde sie damit auch dem Europäischen Gerichtshof den Rücken stärken, um 28 den ständigen Rechtsmissbrauch bei der Berufung auf die Ausnahmevor- 29 schriften des Artikels 296 in Zukunft konsequenter auf seine Verhältnismä- 30 ßigkeit zu untersuchen. 31 Von den Befürwortern einer neuen Richtlinie für nicht-sensible Rüs- 32 tungsgüter wird der besondere Charakter von Rüstungsgütern ins Feld geführt, 33 so dass auf Geheimhaltung (confidentiality) und Probleme der logistischen 34 Versorgung (security of supply) besondere Rücksicht genommen werden müsse. 35 Auf diese Weise würde es den nationalen Regierungen leichter fallen, die Aus- 36

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1 nahmen nach Artikel 296 auf die wirklich sensiblen Güter zu beschränken. 2 Diese Begründung überzeugt allerdings nicht, denn eine europäische Verga- 3 be gewährt heute im Konfliktfall einen nahezu ebenso sicheren Zugang zu Er- 4 satzteilen und Komponenten wie eine nationale Vergabe. 5 Die beiden genannten Besonderheiten gelten auch für andere strategische 6 Branchen, z.B. für die Energie- und Wasservorsorgung oder bestimmte Hoch- 7 technologien, ohne dass sie durch einen besonderen Artikel geschützt werden. 8 Es ist prinzipiell problematisch, für einzelne Sektoren Sonderregelungen zu 9 schaffen und damit das Recht des öffentlichen Auftragswesens ohne Not zu 10 zersplittern. Schließlich entstünden dadurch drei separate Beschaffungspro- 11 zesse mit neuen Grenzen zwischen verschiedenen Marktsegmenten. Deshalb 12 sollte überall dort, wo sicherheitspolitisch begründete Ausnahmen nach Arti- 13 kel 296 nicht greifen, nach den allgemeinen Vergaberegeln verfahren werden. 14 Das langfristige Ziel muss die Integration des gesamten Rüstungssektors in 15 den Binnenmarkt sein. Deshalb wäre eine weitere Sonderregelung für nicht- 16 sensible Rüstungsgüter zusätzlich zum Fortbestehen des Artikels 296 eher der 17 falsche Weg (Küchle 2006). 18 6. Wichtiger als Richtlinie und Mitteilung der Kommission dürfte die Recht- 19 sprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Artikel 296 sein. Seit einigen 20 Jahren bemüht sich das Gericht, gegen den seit Inkrafttreten der Römischen 21 Verträge zu beklagenden Missbrauch des Art. 223 bzw. 296 vorzugehen. Der 22 EuGH stellt unmissverständlich klar, dass 23 der Art. 296 eine Ausnahme vom Marktregime darstellt, 24 Ausnahmen eng auszulegen sind, 25 nur die Notwendigkeit der Wahrung »wesentlicher Sicherheitsinteressen« 26 zur Berufung auf die Ausnahmebestimmung berechtigt und 27 die Geltendmachung des Ausnahmetatbestandes »auf dem Gemeinsamen 28 Markt die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der nicht eigens für mi- 29 litärische Zwecke bestimmten Waren nicht beeinträchtigen« dürfen. 30 Vor allem die letztgenannte Anspruchsvoraussetzung unterwürfe – wenn sie 31 denn ernst genommen würde – den gesamten Bereich der doppelt verwend- 32 baren Technologien und Produkte der Rechtsordnung des Binnenmarktes 33 (Rauch 2004; Richter 2004). 34 7. Schließlich haben die sich an der EDA beteiligenden Regierungen beschlos- 35 sen, einen freiwilligen, nicht bindenden Verhaltenskodex zu vereinbaren, um 36 mehr Wettbewerb bei Rüstungsbeschaffungen, die unter den Artikel 296 fal-

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len, anzuregen. Beschaffungen über eine Mio. € sollen für alle Anbieter aus 1 den teilnehmenden Staaten offenstehen mit Ausnahme der Bereiche Forschung 2 und Technologie, Nuklearwaffen, chemische, bakteriologische und radiologi- 3 sche Güter (European Defence Agency 2005). Regierungen, die auf einer Aus- 4 nahme von diesem Code of Conduct (CoC) bestehen, müssen sich vor der 5 EDA rechtfertigen. Davon erwartet man sich einen gewissen moralischen 6 Zwang und größere Transparenz. Die EDA wird ein Internetportal einrichten 7 und verwalten, auf dem alle neuen Beschaffungsausschreiben der 25 nationa- 8 len Bulletins in einer einheitlichen Sprache veröffentlicht werden. Interessierte 9 Unternehmen schicken ihr Angebot an EDA und erhalten von dort alle not- 10 wendigen technischen Details. EDA wird die Interessenten sodann vertraut 11 machen mit den nationalen Beschaffungsbehörden und ihren Prozeduren, den 12 speziellen Anforderungen und Terminen des Wettbewerbs und seinen Aus- 13 wahlkriterien. Alles Weitere läuft dann ausschließlich über die nationalen Be- 14 schaffungsbehörden ohne weitere Mitwirkung der EDA63. 15 Der CoC dürfte tatsächlich zu mehr Transparenz führen und das ist sicher ein 16 Fortschritt. Der CoC schafft jedoch keine gleichen Wettbewerbsbedingungen. 17 Dafür wäre ein Verbot des Artikels 296 und eine Harmonisierung aller staatli- 18 chen Subventionen und Offsets notwendig, ferner eine einheitliche Ausgestal- 19 tung der Exportbedingungen und ein Rückzug des Staates aus allen Rüstungs- 20 unternehmen, wie dies im neuen Weißbuch zu Recht gefordert wird 21 (Bundesministerium der Verteidigung 2006). Zu kritisieren ist vor allem der nicht- 22 bindende Charakter des CoC. Es sind keinerlei Sanktionen für den Fall der Über- 23 tretung vorgesehen. Dass zeigt, dass eine Reihe von Regierungen gar nicht zu 24 einer entsprechenden Praxis bereit ist. Deshalb wird dieser CoC kaum die be- 25 stehende Beschaffungspraxis in Europa ändern, genau so wie der Verhaltensko- 26 dex zum Rüstungsexport wenig an der unterschiedlichen Praxis der Mitglieds- 27 länder geändert hat. Dennoch bezeichnet das Weißbuch den freiwilligen Kodex 28 zur Anwendung des Artikels 296 EG-Vertrag, der am 1. Juli 2006 in Kraft ge- 29 treten ist, als »einen wesentlichen Schritt zu mehr Wettbewerb und Transparenz 30 im Bereich der Rüstungswirtschaft« (Bundesministerium der Verteidigung 2006). 31 Vor diesem Hintergrund weiterhin ungleicher Wettbewerbsbedingungen und un- 32 verbindlicher Verhaltenskodizes sind nun die Perspektiven und möglichen Op- 33 tionen einer supranationalen Konsolidierung in Europa zu sehen. 34 35 63 Interview EDA. 36

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1 5.3.4 Westeuropäische Konsolidierung 2 Grenzübergreifende strategische Allianzen sind auch in der Landsystemindustrie 3 die Antwort auf den europäischen Einigungsprozess, um so die Marktposition im 4 internationalen Wettbewerb zu verbessern und projektspezifische Kooperations- 5 auflagen der Regierungen zu erfüllen. Aufgrund der überwiegend noch nationa- 6 len Vergabe und Finanzierung von Rüstungsaufträgen hat ein Standort im Auf- 7 traggeberland erhebliche Wettbewerbsvorteile zu bieten. Deshalb werden 8 strategi sche Partnerschaften aber auch Übernahmen in Europa zunehmen. 9 Eine europäische Konsolidierung64 ist jedoch in mindestens zwei unter- 10 schiedlichen Varianten denkbar: Das Idealmodell wäre eine Konsolidierung der 11 vorhandenen nationalen Standorte nach ihren jeweiligen Fähigkeiten und einer 12 wechselseitigen Abhängigkeit der Nationalstaaten ohne Dominanz eines einzel- 13 nen Staates. Wenn es jedoch einem Nationalstaat gelingt, die grenzüberschrei- 14 tende Konsolidierung in Europa zu dominieren und für seine eigennützigen na- 15 tionalen Ziele zu instrumentalisieren, dann kann dies zu Ergebnissen führen, die 16 aus deutscher Sicht nicht wünschenswert erscheinen. 17 18 5.3.4.1 National dominierte Konsolidierung 19 Die privaten Firmen in Deutschland, aber auch in Großbritannien und Schweden, 20 haben seit Ende des Kalten Krieges erhebliche Anpassungen ihrer Kapazitäten 21 vorgenommen und ihre Leistungsfähigkeit erhöht und zwar weitgehend ohne öf- 22 fentliche Subventionen (Lepper 2005). Dagegen stehen in den romanischen Län- 23 dern die vollständige Privatisierung und der damit einhergehende Abbau von Über- 24 kapazitäten immer noch aus. Die Privatisierung der staatlichen Rüstungsunter- 25 nehmen wurde meist erst nach der Jahrhundertwende eingeleitet, um sie reif zu 26 machen für eine europäische Restrukturierung. Bisher handelt es sich jedoch nur 27 um Teilprivatisierungen mit weiterhin starken Staatseinfluss durch Sperrminori- 28 tät, goldene Aktien, das »Mesosystem« personeller Verflechtung65 und die finan- 29 ziell unterfütterte aktive Industriepolitik der nationalen Regierungen. 30 64 Die Relevanz des europäischen Marktes zeigt u.a. auch die Tatsache, dass Rheinmetall Defence 31 80% seiner Exporte in europäischen Ländern absetzt. 32 65 Beispielsweise finden sich in den Vorständen der französischen Rüstungsunternehmen vornehmlich In- 33 genieure, die als eine der »grand corps« die Symbiose zwischen staatlichen Institutionen und den we- nigen großen Unternehmen sichern (Serfati 2001). Die »grand corps«, die schon an den Eliteschulen 34 an den Begriff des »interêt général« orientiert werden, unterhalten nicht nur enge Verbindungen unter- 35 einander, sondern es gibt auch einen regen Wechsel von Regierungsbeamten in leitende Management- funktionen der Industrie und umgekehrt. Diese in Deutschland verbotene symbiotische Beziehung wird 36 noch durch die regelmäßigen Strategiegespräche der mächtigen Beschaffungsbehörde DGA mit den Unternehmen gefördert, wobei man sich gegenseitig über Absichten, Ziele und Probleme informiert.

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Der führende Player der französischen Heerestechnik ist die staatlich sub- 1 ventionierte GIAT, die bei Rheinmetall als »ein hochinteressantes, mit vielen Kom- 2 petenzen ausgestattetes Unternehmen« bewertet wird (Gabrielli 2000), dessen Fä- 3 higkeiten sich vielfach mit der deutschen Industrie überschneiden, ohne dass aber 4 eine herausragende Stärke auf zentralen Feldern zu sehen wäre. GIAT leidet unter 5 Überkapazitäten und technologischem Rückstand, so dass bei einer Fusion unter 6 diesen Bedingungen den effizienteren deutschen Partnern ein erneuter Beschäfti- 7 gungsabbau droht66. Deshalb wird von allen befragten Experten die vollständige 8 Privatisierung und Konsolidierung von GIAT als Vorbedingung für deutsch-fran- 9 zösische Fusionen genannt. 10 Nur ein Experte vertrat die Meinung, es gebe zu Frankreich keine Alternati- 11 ve für die deutsche Landindustrie. Der US-Markt sei verschlossen, aber für die 12 Markterschließung in der restlichen Welt könne Frankreich sehr hilfreich sein. 13 Deshalb solle man schon jetzt mit der französischen Regierung über einen Kauf 14 von GIAT reden. In Frankreich sei die deutsche Technologieführerschaft bei Land- 15 systemen unbestritten und die französische Regierung akzeptiere eine Übernah- 16 me GIATs durch Rheinmetall und/oder KMW. Natürlich müsse der französische 17 Staat selbst für den Abbau der überschüssigen Kapazitäten sorgen, aber dabei 18 könne man schon heute jene Fähigkeiten im Auge behalten, die für die Zukunft 19 eines späteren deutsch-französischen Systemhauses von Bedeutung sind. 20 Diese These wird jedoch von der Mehrheit der befragten Experten als völlig 21 unrealistisch eingeschätzt. GIAT unter deutscher Führung sei in Frankreich nicht 22 akzeptabel. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass Frankreich den Staatskonzern 23 GIAT zugunsten von Rheinmetall und/oder KMW aufzugeben bereit wäre. Im Ge- 24 genteil, die verlustbringenden Einheiten werden seit einigen Jahren zielstrebig 25 ausgegliedert, die Beschäftigung rasant abgebaut67 und das Kernunternehmen mit 26 27 28 29 66 Diese Konsequenz wurde u.a. auch beim französischen Übernahmeversuch der deutschen Groß- 30 werft HDW durch DCN öffentlich diskutiert, weshalb der Koordinator für die maritime Wirtschaft inzwischen davon ausgeht, »dass die dort erforderlichen strukturellen Anpassungen einen eher mit- 31 telfristigen Zeitraum beanspruchen werden und erst dann eine Zusammenarbeit ‚unter Gleichen‘ 32 sowie eine Zusammenführung europäischer Marineschiffbaukapazitäten überhaupt in Betracht kommen kann« (Adamowitsch 2005). 33 67 Bei GIAT ist die Belegschaft »von 12.225 Mitarbeitern 1996 auf 6.249 Anfang 2003 zurückge- 34 gangen. Der Sozialplan von 2003 sieht bis Ende 2006 einen weiteren Personalabbau auf 2.500 Be- schäftigte vor« (Project Consult/Syndex 2004, S. 50 f.). Nachdem sich ein beabsichtigter Export 35 nach Saudiarabien zerschlagen hat, musste die Produktion von Neufahrzeugen im Werk ROAN- 36 NE eingestellt werden.

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1 viel Staatsgeld modernisiert68, auf dass es beim Poker um die europäische Neu- 2 strukturierung ausdrücklich eine entscheidende Rolle spielen und nach Möglich- 3 keit die Führung übernehmen könne. Das ist gar nicht mal unrealistisch, wenn 4 man die Unterkapitalisierung der führenden deutschen Unternehmen dieses Sek- 5 tors69 bedenkt, die gegen ein aggressiv agierendes Staatsunternehmen im freien 6 Wettbewerb keine große Chance haben. 7 Kritiker werfen der Pariser Regierung vor, sie versuche stets, europäische Ko- 8 operationsprojekte entweder zu dominieren oder aber zu verhindern, und sich an- 9 dere Optionen offen zu halten (Kerber 2002). Dafür stehen die Beispiele des GTK 10 Boxer, KZO-Brevel und Aktivitäten in der Munitionsindustrie. Auch die bisheri- 11 gen deutsch-französischen Unternehmenszusammenschlüsse anderer Sektoren 12 sind eher Lehrbeispiele für eine französische Industriepolitik, der es hauptsäch- 13 lich darum geht, die nationalen Interessen Frankreichs durchzusetzen: 14 Die staatliche französische Kriegswerft DCN – die von Experten als marode 15 angesehen wird – hat im Jahre 2005 zusammen mit der teilstaatlichen Thales 16 und mit massiver Unterstützung der französischen Regierung (»Sarkonomics«) 17 versucht, den weltweiten Technologieführer Howaldtswerke Deutsche Werft 18 AG (HDW) zu schlucken. Dabei war offensichtlich eine Verlagerung der welt- 19 weit einmaligen U-Boot Kompetenz nach Frankreich vorgesehen70. Dieser 20 Vorgang war schließlich für die Bundesregierung so gravierend, dass sie den 21 § 7 Außenwirtschaftsgesetz geändert hat, um bei künftigen Verkäufen strate- 22 gischer Unternehmen an ausländische Investoren ein Mitspracherecht zu haben. 23 Die deutsch-französische Konsolidierung hätte sich bei Untätigkeit der Bun- 24 desregierung zulasten der effizienteren und innovativeren Firma und auf dem 25 Rücken der deutschen Beschäftigten vollzogen. 26 Nachdem Hoechst, eine Perle der deutschen pharmazeutischen Industrie, mit 27 einem französischen Unternehmen zur deutsch-französi schen Aventis fusio- 28 niert wurde, hat die französische Regierung bereits im April 2004 die Über- 29 nahme der Aventis durch das französische Unternehmen Sanofi entgegen einer 30 klaren Vereinbarung zwischen Paris und Berlin, dass beide Regierungen in 31 dieser Sache neutral bleiben werden, aktiv betrieben und durchgesetzt, so dass 32 der deutsche Technologiekonzern Hoechst nun Teil eines eindeutig französi- 33 34 68 Die durchrationalisierte GIAT heißt seit September 2006 Nexter, hat einen Umsatz von 720 Mio. €, volle Auftragsbücher und einen operativen Gewinn von 44 Mio. €. www.nexter-group.fr. 35 69 Expertengespräche. 36 70 Expertengespräche

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schen Unternehmens ist. Der Schweizer Gegenspieler Novartis teilte schließ- 1 lich mit, wegen des großen Drucks seitens der französischen Regierung habe 2 man sich entschlossen, das Angebot für Aventis zurückzuziehen. Bundeswirt- 3 schaftsminister Clement zeigte sich zutiefst irritiert. Die Aventis-Übernahme 4 sei »ein interventionistischer Vorgang, wie ich ihn lange nicht mehr erlebt habe«. 5 Die französische Regierung habe sich »in massivster Weise« eingemischt. Mit 6 dieser Politik werde der Wettbewerb für Deutschland mit seiner offenen Markt- 7 wirtschaft verzerrt71. Premierminister Jean-Pierre Raffarin sagte dazu, die Ei- 8 nigung entspreche dem »strategischen Interesse Frankreichs«. Es sei sicherge- 9 stellt, dass die »Entscheidungszentren und die Arbeitsplätze in Frankreich ... 10 bleiben ... Wir wollen um große Einheiten herum eine europäische Industrie- 11 politik schaffen, in der Frankreich eine starke Rolle spielen kann«72. 12 Umgekehrt versucht die französische Regierung energisch zu verhindern, dass 13 französische Konzerne – z.B. Suez – von Konzernen aus europäischen Part- 14 nerländern – z.B. von der italienischen Enel – übernommen werden. Premier- 15 minister Villepin nennt dies »ökonomischen Patriotismus«73. 16 Die deutsch-französische EADS und Airbus werden von französischer Seite 17 gelegentlich als Modell für die europäische Konsolidierung auch der Heeres- 18 technik propagiert. Doch Insider beklagen, dass hier laufend Technologie aus 19 deutschen Unternehmen nach Frankreich abgezogen und deutsche Zulieferer 20 veranlasst würden, ihren Standort nach Toulouse zu verlagern. Kritisiert wird 21 auch die Besetzung strategisch wichtiger Positionen mit französischen Ma- 22 nagern, die mangelnde Transparenz bei der Vergabe von Unteraufträgen und 23 die Benachteiligung deutscher mittelständischer Unternehmen. Die nahelie- 24 gende Vorstellung, dass Deutschland zum Ausgleich für die französische Do- 25 minanz in der EADS bei einem späteren Verbund der Marine- oder Heeresin- 26 dustrie wegen seiner technologischen Spitzenstellung in diesen Sektoren die 27 Führung oder wenigstens der Sitz der Zentrale zufalle, wird sich wahrschein- 28 lich als naiv erweisen. In aller Offenheit antwortet DCN-Chef Jean-Marie 29 Poimboeuf auf die Frage, ob Frankreich bereit wäre mit einer maritimen EADS 30 31 32 33 71 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.2004. 34 72 Handelsblatt, 27.4.2004. 73 »Could French giants be good for Europe, but European giants bad for France«? fragt die Finan- 35 cial Times Deutschland, 6.3.2006. 36

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1 langfristig die U-Boot-Kompetenzen in Deutschland zu konzentrieren: »Das 2 ist politisch für Frankreich unakzeptabel«74. 3 Französische Vorschläge einer Fusion von Thales (30% französischer Staat) 4 und EADS sprechen für die Fortsetzung der Aventis-Strategie auch bei EADS: 5 aus einem deutsch-französischen Unternehmen soll möglichst schnell ein ein- 6 deutig französisch dominierter Weltkonzern werden unter Absaugung deut- 7 scher Technologie. Der lang diskutierte und inzwischen eingetretene Teilaus- 8 stieg DaimlerChryslers gab deshalb zu Gedankenspielen Anlass: entweder 9 Thales oder ein anderes französisches Unternehmen erwirbt das Daimlerpa- 10 ket ganz oder auch nur teilweise. Damit wäre nicht nur die Aventis-Strategie 11 perfekt, sondern gleichzeitig der Einfluss des französischen Staates gesichert. 12 Der Daimleranteil könnte aber auch an die Börse gehen. Auch dabei geriete 13 EADS unter französische Dominanz, wenn die Aktien überwiegend bei fran- 14 zösischen Investoren landen. Nur wenn die Aktien breit beim Publikum ge- 15 streut würden, könnte die fragile deutsch-französische Balance zunächst ge- 16 wahrt werden. Aber auch in diesem Fall wäre die Tür durch mögliche 17 Weiterverkäufe diverser Aktienpakete für eine allmähliche französische Do- 18 minanz des Unternehmens geöffnet. Die langfristige Folge wäre ein Abzug 19 von Hochtechnologie, Arbeitsplätzen und Steueraufkommen nach Toulouse, 20 die Marginalisierung Deutschlands im Luft- und Raumfahrtsektor und eine 21 verminderte Mitsprache der Bundesregierung bei der Gestaltung der ESVP. 22 Diesen worst case hat die Bundesregierung zwar zunächst noch einmal ver- 23 hindern können. Die gefundene Notlösung ist jedoch alles andere als befrie- 24 digend, weil durch das Einspringen öffentlicher Bankinstitute die privat-un- 25 ternehmerische Kompetenz und Verantwortung zugunsten eines stärkeren 26 Staatseinflusses weiter zurückgedrängt wurde. 27 Interessant sind vor diesem Hintergrund auch französische Überlegungen, der 28 deutsch-französische Luftfahrt- und Verteidigungskonzern EADS könnte zur 29 Mutterholding fast aller Rüstungsgeschäfte in Frankreich und Deutschland 30 werden. Die EADS könnte sowohl das Dach für die Geschäfte des französi- 31 schen Rüstungselektronikkonzerns Thales wie für eine evtl. fusionierte deut- 32 sche Heeres- oder Werftenindustrie bilden. Immerhin ist die EADS bereits bei 33 Atlas Elektronik (Marine) beteiligt und bekundet Interesse an den noch von Sie- 34 74 Handelsblatt, 26.7.2004, S. 2. Auf die Frage »Würden Sie akzeptieren, dass eine maritime EADS 35 ihren Firmensitz in Deutschland hätte«, antwortet Frankreichs Finanzminister mit der Gegenfrage 36 »Wo bitte sitzt noch mal die Europäische Zentralbank?« (Handelsblatt, 13.10.2004).

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mens gehaltenen 49% an KMW75. Außerdem ist die EADS bereits der größte 1 Heeresausrüster in Deutschland. Es muss jedoch bezweifelt werden, ob eine sol- 2 che Monopolisierung der gesamten Wehrtechnik unter dem Dach eines Konzerns, 3 der unter starkem französischem Einfluss steht, in deutschem Interesse wäre. 4 Aufgrund der vielen negativen Beispiele französischer Industriepolitik zulasten 5 deutscher Interessen sehen einige Experten selbst für den Fall der vollständigen 6 Privatisierung und Konsolidierung von GIAT keine tragfähige Lösung für eine 7 Fusion mit deutschen Partnern. Es könnte nämlich – analog zu den Befürchtun- 8 gen anlässlich des Übernahmeversuchs DCN-HDW im Marinebereich – das Ziel 9 der französischen Regierung sein, GIAT über die Fusion mit den technologisch 10 und ökonomisch effizienteren deutschen Unternehmen zu sanieren und dessen 11 Technologien zulasten des deutschen Standortes nach Frankreich zu verlagern76. 12 Vor diesem Hintergrund ist auch die sensationelle Meldung im Frühjahr 2006 13 zu sehen, wonach GIAT zusammen mit KMW ein »Mittleres geschütztes Mehr- 14 zweck-Radfahrzeug« bzw. »Medium Size Multirole Armored Fighting Vehicle« 15 (MSMRAV) von weniger als 20-Tonnen gemeinsam entwickeln und finanzieren 16 will78. Der erste Demonstrator der 6x6 Radfahrzeug-Plattform soll ab 2010 ver- 17 fügbar sein und den spezifizierten Anforderungen von Deutschland, Frankreich, 18 Italien, Schweden und Spanien entsprechen, die in dieser Klasse auch einen Be- 19 darf angemeldet haben. Die Entwicklung eines 20-t-MSMRAV wäre aber nur dann 20 sinnvoll, wenn es den Schutz für Soldaten bietet, der heutzutage nur mit 30 Ton- 21 nen realisierbar ist bzw. demnächst mit dem Boxer79 verwirklicht wird. Nur völ- 22 lig neuartige, reaktive Plattformen können dieses Ziel erreichen80. 23 24 25 75 Handelsblatt, 26.4.2006. 76 So geschah es auch vor einigen Jahrzehnten als der Thales Vorgänger Thomson bis auf Loewe die 26 gesamte deutsche Radio-, Fernseh- und Schallplattenspielerindustrie aufkaufte, die Technologie 27 und die intellek tuellen Urheberrechte nach Frankreich transferierte, sich die besten Ingenieure holte und die Arbeitsplätze in Deutschland wegrationalisierte. 28 77 Griephan Briefe, 10.4.2006. 29 78 Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am 13.12.2006 die Beschaffung des GTK 30 Boxer billigend zur Kenntnis genommen. Es sollen 272 gepanzerte Transport-Kraftfahrzeuge in den Varianten Gruppentransportfahrzeug, Führungsfahrzeug, Fahrschulfahrzeug und schweres ge- 31 schütztes Sanitätskraftfahrzeug mit einem Vertragsvolumen von 827 Mio. € beschafft werden. Die 32 Beschaffung erfolgt gemeinsam mit den Niederlanden. Auftragnehmer ist ein Firmenkonsortium aus KMW, RLS und Stork PWV. Das Vorhaben sichert ca. 500 Arbeitsplätze der deutschen wehr- 33 technischen Industrie und erhält wichtige Technologien am Standort Deutschland (BMVg, Pres- 34 semitteilung, Berlin, 13.12.2006). 35 79 Expertengespräch. 80 Expertengespräch. 36

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1 Da die französische Regierung von GIAT verlangt habe, sich für dieses Programm 2 einen ausländischen Partner zu suchen81, könnte es sich hier um einen strategischen 3 Schachzug der französischen Industriepolitik handeln mit dem Ziel, die Bildung eines 4 großen deutschen Systemhauses aus Rheinmetall und KMW und dessen mögliche 5 Führungsrolle in Europa zu verhindern und selbst die Führung zu erkämpfen. 6 Betriebswirtschaftlich gesehen könnte dieses Angebot für KMW möglicher- 7 weise lukrativ sein. Doch hier geht es um mehr, und deshalb ist die Bundesregie- 8 rung gefordert, da nur sie dazu berufen ist, die übergeordneten, nationalen Inte- 9 ressen zu vertreten. Dies kann nicht einem Familienunternehmen überlassen werden. 10 In Anbetracht der französischen Politik bleibt auch der Bundesregierung nichts 11 anderes übrig, als auch ihrerseits die nationalen Interessen in Europa stärker zu 12 verfolgen. Es ist an der Zeit, staatliche Industriepolitik, die in Deutschland häu- 13 fig mit dirigistischen, planwirtschaftlichen Staatseingriffen verwechselt wird, neu 14 zu überdenken. Die Bundesregierung sollte bei der europäischen Neustrukturie- 15 rung darauf achten, dass wichtige technologische Kompetenzen und Konzern- 16 zentralen im Land verbleiben. Der Standort der Unternehmenszentrale ist über 17 das Schicksal der einzelnen Firma hinaus auch relevant für die gesamte Volks- 18 wirtschaft: für Investitionen, Arbeitsplätze, Forschungseinrichtungen und Steuer- 19 zahlungen. Für den Technologiestandort Deutschland macht es darüber hinaus 20 einen Unterschied, ob strategisch und technologisch wichtige Unternehmen von 21 hier oder vom Ausland aus geführt werden. 22 Die Bundesregierung könnte sich dabei beispielsweise an der britischen Re- 23 gierung orientieren, die sich in ihrem jüngsten industriepolitischen Strategiepa- 24 pier (White Paper) zum Ziel gesetzt hat, eine rüstungsindustrielle Basis zu för- 25 dern, die jene Industriekapazitäten im eigenen Lande sichert, die für die nationale 26 Sicherheit notwendig sind (Secretary of State for Defence 2005). 27 Die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt – sowohl auf dem Welt- 28 markt, als auch im deutsch-französischen Güteraustausch – erfolgreicher ist als 29 die französische, sollte kein Grund für die deutsche Politik sein, der Konkurrenz 30 freiwillig ein strategisch und technologisch wichtiges Feld zu überlassen und auf 31 Chancen zu verzichten. 32

33 81 Von amerikanischen Vertretern aus Politik und Wirtschaft ist mitunter die Meinung zu hören, von 34 Frankreich dominierte deutsch-französische Unternehmen würden eine Kooperation mit US-Fir- men erschweren und damit Chancen vergeben. Im Gegensatz dazu sehen deutsche Firmenvertreter 35 kaum prinzipielle US-Vorbehalte gegenüber französischen Firmen. Amerikaner seien dafür zu prag- 36 matisch, entscheidend seien für sie vielmehr das Produkt und der Nutzen der Zusammenarbeit.

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Unbeschadet einer auch weiterhin Priorität genießenden deutsch-französischen 1 Partnerschaft sollte bei der Neustrukturierung der Landsysteme eine einseitige Bin- 2 dung an Frankreich unter Hintanstellung deutscher Interessen vermieden werden. 3 Da sich die als Voraussetzung deutsch-französischer Fusionen notwendige Priva- 4 tisierung und Konsolidierung der französischen Staatsbetriebe noch eine Reihe von 5 Jahren hinziehen dürfte, drohen den deutschen Unternehmen in der Zwischenzeit 6 – sofern man keine Alternativen hat – viele Kernkompetenzen verloren zu gehen. 7 Die deutsche Politik sollte deshalb nicht weiter zuwarten, sondern ihr Augenmerk 8 auf die Stärkung des deutschen Standorts richten, der sowohl bei einer späteren 9 deutsch-französischen Fusion, als auch einem paneuropäischen Verbund oder auch 10 bei einer transatlantischen Kooperation81 eine bestimmende Rolle spielen kann. 11 Verschiedene Alternativen und mehrere Optionen zu haben, würde die deutsche 12 Verhandlungsposition gegenüber allen denkbaren Partnern verbessern. 13 14 5.3.4.2 Konsolidierung nach Fähigkeiten 15 Für die Vision einer europäischen Neuordnung ist weiterhin grundlegend, was das 16 Bundesver teidigungsministe rium schon 1998 wie folgt beschrieben hat: »Es muss 17 ein eu ropäischer Konsens hergestellt werden mit dem Ziel, ge wollte gegenseiti- 18 ge Abhängigkeiten zu schaffen, die nationales Autonomiestreben ausschließen. 19 Europa braucht eine Bündelung der Fähigkeiten unter Wahrung einer fairen und 20 partnerschaftlichen Beteili gung der Nationen. In den Wechselbeziehun gen von 21 nationaler Konsolidierung und Vorbereitung europäischer Lösungen muss ein In- 22 teressenausgleich zur europäischen Rüs tungsbasis derart Platz greifen, dass ein 23 Land dort die Führung übernehmen wird, wo seine Industrie wirtschaftlich und 24 technologisch stark ist, eine inter natio nale Spitzenstel lung einnimmt und auch Ge- 25 samtsystemkompetenz besitzt. Die Restruktu rierung darf sich nicht auf dem Rü- 26 cken eines Part ners vollziehen und zur Dominanz einer europäischen Nation auf 27 dem europäischen Markt führen. Dabei sind auch mittelständische Be triebe – häu- 28 fig als Subunternehmen wichtige Technologieträger – angemessen zu be- 29 rücksichtigen«. 30 Diese Idealvorstellung eines integrierten europäischen Marktes tangiert jedoch 31 nicht nur die Souveränität unabhängiger Nationalstaaten, sondern auch deren 32 ökonomische Interessen. Deshalb wird diese Vision – wenn überhaupt – nur in 33 kleinen Schritten über einen längeren Zeitraum zu verwirklichen sein. 34 Skepsis, ob eine europäische Konsolidierung nach Fähigkeiten jemals zustande 35 kommt, nährt jedoch nicht nur die französische Politik. Bisher galten britische 36

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1 Unternehmen als die besseren Partner, da sie wie in Deutschland privatwirtschaftlich 2 organisiert sind und keinem direkten Staatseinfluss unterliegen wie die französi- 3 schen. Deshalb war auch 1999 British Aerospace der Wunschpartner für die deut- 4 sche DASA und nicht die französische Staatsfirma Aérospatial. 5 Inzwischen wurde die britische Industriepolitik neu konzipiert (Ministry of 6 Defence UK 2002, 2003; Secretary of State for Defence 2005). Dabei wurde bei- 7 spielsweise die Beschränkung ausländischen Eigentums an britischen Rüstungs- 8 unternehmen von bisher 49,5% auf nur noch 15% deutlich reduziert. Ausländi- 9 sche Investoren können durch diese Liberalisierung die Mehrheit an britischen 10 Rüstungsunternehmen erwerben und an britischen Beschaffungsaufträgen ohne 11 Diskriminierung partizipieren – Hauptsache es wird am britischen Standort pro- 12 duziert! Damit signalisiert aber die britische Regierung, dass sie kaum bereit sein 13 dürfte, britische Standorte im Zuge einer europäischen Konsolidierung zuguns- 14 ten effizienterer ausländischer Standorte aufzugeben. 15 Als treibende Kraft einer europäischen Neustrukturierung der Landsystemin- 16 dustrie kommt neben den deutschen Systemführern und der französischen Staats- 17 firma GIAT/Nexter nur die britische BAE Systems in Betracht. BAE Systems ist 18 der größte europäische Rüstungskonzern, hat aber bei wichtigen Kennzahlen wie 19 Umsatz pro Beschäftigte oder Gewinn keine überzeugende Performance. Das BAE- 20 Systems-Momentum ist aber so groß, dass sich ihm z.B. die britische Regierung 21 gar nicht entziehen kann. Durch die Übernahme von Alvis/Hägglunds und Royal 22 Ordnance hat BAE schon seit einiger Zeit eine starke Landsystemkomponente. 23 Deren Übernahme hätte damals – so wurde von einem Insider ausgeführt – 24 keinem strategischen Plan der BAE, sondern dem Wunsch der britischen Regie- 25 rung entsprochen82. Die Landsysteme gehörten angeblich nicht zum Kerngeschäft 26 der überwiegend in der Luftfahrt tätigen BAE. Da auch das Management vor allem 27 aus der Luftfahrt komme, sei ein Verkauf von Alvis an deutsche Interessenten sei- 28 ner Einschätzung nach durchaus denkbar, zumal sich BAE intensiver um das US- 29 Geschäft kümmern will und zwar zulasten seiner europäischen Engagements, die 30 offensichtlich abgestoßen werden, um die Kriegskasse für Übernahmen in Ameri- 31 ka zu füllen: »Everything‘s up for grabs« (Spiegel 2005). So hat BAE bereits seine 32 beiden wichtigsten europäischen Jointventures mit der italienischen Finmeccani- 33 ca (AMS) und mit der schwedischen SAAB verkauft. Auch Atlas Elektronik wurde 34 35 82 Nach einer anderen Quelle soll der BAE-Chef jedoch in einem Gespräch geäußert haben, dass die 36 Übernahme von Alvis sehr wohl eine bewusste strategische Entscheidung gewesen sei.

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2005 an ThyssenKrupp und EADS verkauft. Dies spräche zunächst für eine Be- 1 reitschaft, die Landsysteme evtl. an deutsche Konkurrenten abzutreten. 2 Doch der überraschende Kauf der amerikanischen United Defense Industries 3 (UDI) für 3,974 Mrd. Dollar in bar83, einen US-Prime im Landsektor mit 11.000 4 Mitarbeitern84, der u.a. den Schützenpanzer Bradley und Artilleriesysteme baut, 5 macht einen Verkauf von Alvis jetzt gänzlich unwahrscheinlich. Denn Alvis/UDI 6 ist jetzt nicht nur ein wahrhaft transatlantisches Unternehmen mit Zugang zum 7 großen US-Markt, sondern auch ein außerordentlich starker Player in Europa, der 8 damit als Übernahmekandidat für KMW oder Rheinmetall ausscheidet. Stattdes- 9 sen könnte die als finanzkräftig geltende BAE Systems jetzt ihrerseits zum Nu- 10 kleus einer Neustrukturierung werden und als Interessent für den zum Kauf an- 11 gebotenen Siemensanteil an KMW i.H.v. 49% oder auch als Käufer der Rheinmetall 12 Defence in Betracht kommen. In Zusammenarbeit mit UDI könnten Alvis und 13 eventuelle deutsche Übernahmen vermutlich kräftig an den steigenden US-Aus- 14 gaben für Panzer verdienen, die im Irak und Afghanistan eingesetzt werden. So 15 dürfte Alvis für die US-Army durch seinen Panzer in Leichtbauweise mit einem 16 Chassis aus Aluminium interessant sein und auch die deutsche Industrie hätte auf- 17 grund ihrer technologischen Spitzenstellung einiges zu bieten. 18 Dies könnte eine völlig neue, aber interessante europäische Lösung ergeben 19 mit einer privatwirtschaftlichen Konsolidierung nach Fähigkeiten und gleichzei- 20 tig transatlantischem Charakter. Die restrukturierte GIAT/Nexter könnte sich die- 21 ser Allianz später anschließen, wobei ein französischer Führungsanspruch dann 22 allerdings ausgeschlossen wäre. Umgekehrt wäre es wohl nicht möglich, eine fran- 23 zösisch dominierte deutsch-französische Achse um BAE zu erweitern. 24 25 5.3.5 Kooperation mit Osteuropa und neuen EU-Mitgliedern 26 Die Bundesregierungen haben die Stärkung der eigenen rüstungsindustriellen und 27 rüstungstechnologischen Kapazitäten meist zugunsten der europäischen Integra- 28 tion und vor allem der deutsch-französischen Zusammenarbeit vernachlässigt. Da 29 aber die bisher angestrebte europäische Neustrukturierung der Verteidigungsin- 30 dustrien nach Fähigkeiten – wie gezeigt – aufgrund nationaler Egoismen nicht er- 31 folgreich war und weiterhin ungewiss bleibt und stattdessen die Gefahr droht, dass 32 die technologisch führenden deutschen Systemhäuser entweder unter ausländi- 33 34

83 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.3.2005. 35 84 www.uniteddefense.com 36

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1 sche Dominanz geraten oder wegen des zu kleinen Marktes gar nicht überleben, 2 sollte eine strategisch ausgerichtete deutsche Industriepolitik auch nach geeigne- 3 ten Alternativen suchen. Das setzt allerdings voraus, dass die eigenen nationalen 4 Interessen in diesem Prozess definiert und alle sich bietenden Chancen ernsthaft 5 geprüft werden. Außer dem transatlantischen und dem westeuropäischen Szena- 6 rio böten sich dafür auch osteuropäische Kooperationen an, die im Folgenden dis- 7 kutiert werden. 8 9 5.3.5.1 Ostmitteleuropäische Beitrittsländer 10 Bereits Mitte der 90er Jahre begann der Integrationsprozess der ehemaligen sow- 11 jetischen Satellitenstaaten Mittelosteuropas in die NATO und in die Europäische 12 Union. Die NATO hat nach einer schon früheren Aufnahme Polens, der Tschechei 13 und Ungarns in einer 5. Erweiterungsrunde am 29.3.2004 sieben weitere mittel- 14 osteuropäische Staaten als Mitglieder aufgenommen, nämlich Bulgarien, Estland, 15 Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Zusätzlich bereiten sich 16 Albanien, Kroatien und Mazedonien im Rahmen des NATO Membership Action 17 Plans auf eine Mitgliedschaft vor 85. Darüber hinaus gibt es einen NATO Action 18 Plan mit der Ukraine. 19 Auch die EU hat seit dem 1.5.2004 zehn neue Mitglieder. Bulgarien und Ru- 20 mänien folgen am 1.1.2007, Kroatien und Mazedonien sind weitere Anwärter. Die 21 neuen Mitglieder verpflichten sich u.a. zur Sicherung der Außengrenzen, da dies 22 eine notwendige Voraussetzung für offene Grenzen innerhalb der EU ist. Dazu 23 leistet die EU materielle und fachliche Hilfe, um die Grenzkontrollen der Neuen 24 auf EU-Standard zu bringen. Alle neuen EU-Mitglieder außer Malta und Zypern 25 sind auch neue NATO-Mitglieder. 26 Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der neuen Mitgliedsländer beträgt jedoch 27 nur etwa ein Fünftel der alten NATO-Länder. Entsprechend klein sind die Vertei- 28 digungshaushalte. Sie betragen im Jahr 2006 rund 18% der westeuropäischen 29 NATO-Länder (Abbildung 18). Entsprechend gering sind ihre Mittel für die Be- 30 schaffung von Rüstungsgütern. 31 Deshalb ist der Rüstungsmarkt der Beitrittsländer relativ klein, könnte jedoch 32 langfristig von strategischer Bedeutung sein. Amerikanische Rüstungsunterneh- 33 men sind jedenfalls sehr aktiv in Osteuropa. Viele ostmitteleuropäische Regie- 34 rungen waren nicht zu Unrecht der Meinung, dass der Kauf amerikanischer Waf- 35 36 85 www..int, last updated 7.6.2005.

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fensysteme einer als dringlich angesehenen schnellen Aufnahme in die NATO för- 1 derlich sein würde. Tatsächlich wurde in den meisten dieser Länder nicht der Eu- 2 rofighter, sondern die amerikanische F-16 angeschafft. Damit sind diese Länder 3 für lange Zeit in Bezug auf Komponenten, Ersatzteile und Kampfwertsteigerun- 4 gen festgelegt. 5 6 Abbildung 18: Verteidigungsausgaben pro Kopf 2006 in US-$ zu Preisen und Wechselkursen des Jahres 2000 in Mio. € 7 8 700 9

600 10 11 500 12 13 400 14 300 15 16 200 17 100 18 19 0 UK F DK GR NL L D I B SLO E P CZ EST PL SK H LAV LI 20 21 Quelle: NATO 2006 22 Das Marktpotenzial dieser Länder dürfte aufgrund der geringen Etats weniger von 23 einer Aufrüstung der Streitkräfte, als vielmehr von der notwendigen Modernisie- 24 rung bestimmt sein, die sich ihrerseits an der angestrebten Interoperabilität mit 25 den alten NATO-Staaten orientieren muss. Der wehrtechnische Produktmarkt in 26 Ostmitteleuropa besteht deshalb aus der Beschaffung kompletter Systeme, der 27 Kampfwertsteigerung vorhandener Systeme und der Entwicklung neuer Rüs- 28 tungsgüter (Hanel 2000; S. 133). 29 Die Streitkräfte des Warschauer Paktes waren fast ausschließlich mit sowje- 30 tischen Produkten ausgestattet, die teilweise in Lizenz gefertigt wurden. Eigen- 31 ständige Forschung und Entwicklung (F&E) wurde kaum betrieben. Deshalb dürf- 32 ten nur wenige Unternehmen Überlebenschancen in diesem Hightech-Markt haben. 33 Polen hatte früher große exportorientierte Produktionskapazitäten gerade bei Land- 34 systemen. Nach dem Wegbrechen des sowjetischen und des irakischen Marktes 35 ist der Zwang zum Exportieren eher noch größer geworden. Aufgrund niedriger 36

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1 Preise können polnische Firmen auf Teilgebieten ernstzunehmende Konkurren- 2 ten sein. Ungarn, Tschechei und Slowakei hatten eine eher kleine, aber durchaus 3 leistungsfähige, auf den Inlandsmarkt ausgerichtete Rüstungsindustrie. Ein gro- 4 ßer Teil der Unternehmen in all diesen Ländern ist jedoch aufgrund der großen 5 Abhängigkeit als Lizenznehmer und als Zulieferer für die Sowjetunion aufgege- 6 ben worden86. Übrig geblieben sind hauptsächlich Instandsetzungsbetriebe. Diese 7 könnten die Keimzelle für den Aufbau moderner Rüstungsunternehmen sein. Dazu 8 bedürfte es jedoch der Kooperation mit westlichen Unternehmen und des Tech- 9 nologietransfers. Dies sollte im Interesse der ostmitteleuropäischen Länder lie- 10 gen, da die Alternative, nämlich der komplette Bezug moderner Rüstungsgüter 11 mit NATO-Standard aus dem Westen, wegen der mangelnden Zahlungsfähigkeit 12 unrealistisch erscheint. Die Regierungen werden zumindest versuchen, die noch 13 vorhandenen Kapazitäten durch Offsetverpflichtungen der westlichen Lieferan- 14 ten auszulasten. So kooperiert die polnische Firma Bumar Labedy mit Mowag zur 15 Vermarktung des PIRANHA in Polen und mit der italienischen OTO Breda zur 16 Vermarktung des Schützenpanzers BWP 2000. Für solche Kooperationen bieten 17 sich aber nicht nur westeuropäische, sondern vor allem auch amerikanische Un- 18 ternehmen an. 19 Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte gestattet Polen ab 2002 einen 20 Bestand von 1.577 Kampfpanzern, 1.370 gepanzerten Kampffahrzeugen und 1.610 21 Artilleriegeschützen (Hanel 2000; S. 135). Auch die anderen, kleineren Länder 22 mussten ihre Bestände aufgrund dieses Vertrages erheblich abbauen. 23 Obwohl die frühere Rechtsunsicherheit seit der Aufnahme in NATO und EU 24 überwunden ist, bleiben weiterhin eine Reihe von Hindernissen für eine strategi- 25 sche Kooperation deutscher Firmen mit ostmitteleuropäischen Ländern. Dazu zäh- 26 len der Staatseinfluss, die zu geringe Eigenkapitalbasis der meist noch teilstaatli- 27 chen Unternehmen, die geringe internationale Erfahrung und mangelnde 28 Sprachkenntnisse (Hanel 2000). Der von der EDA vorgeschlagene Kooperati- 29 onsmechanismus (Kapital 5.3.2.), könnte jedoch den Weg für spätere Koopera- 30 tionen und Allianzen ebnen, in dem er zunächst den kleinen Ländern und kleinen 31 Unternehmen mit spezialisierten Kenntnissen eine Chance auf dem europäischen 32 Markt gibt. 33 34 86 Dabei hat es auch Fälle der Industriekonversion gegeben. So wurde im slowakischen Martin von Panzer – auf Traktorenproduktion umgestellt. Viele Unternehmen sind jedoch bankrott gegangen 35 (Bonn International Center for Conversion 1999; Kiss 1999a, 1999b; Wieczorek und Zukrowska 36 1996).

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5.3.5.2 Russland 1 Das Zentrum der sowjetischen Rüstungstechnologie lag hauptsächlich in Russ- 2 land und der Ukraine. Obwohl auch diese beiden Kernländer des sowjetischen mi- 3 litärisch-industriellen Komplexes einen schweren Einbruch und den Verlust des 4 ostmitteleuropäischen Marktes zu verkraften haben, besitzen sie nach wie vor 5 große Produktionskapazitäten und auch technologisch weiterentwickelte Rüs- 6 tungsgüter. Beispiele auf dem Landsektor sind der russische Panzer T 90 und der 7 ukrainische T 84. Da beide Länder weitgehend die gleichen Rüstungsgüter her- 8 stellen, stehen sie vielfach in Konkurrenz zueinander, was sich insbesondere auf 9 Drittmärkten, z.B. beim Export in den Mittleren Osten, zeigt. 10 Im Auswärtigen Amt und in der NATO gibt es Überlegungen, auf eine enge- 11 re politische, wirtschaftliche und kulturelle Verflechtung zwischen der EU und 12 Russland hinzuarbeiten. Dabei wird besonders auf Potenzial in der Luft- und 13 Raumfahrt hingewiesen. Tatsächlich hat die transnationale EADS mehrere Ko- 14 operationen mit und Kapitalbeteiligungen an russischen Unternehmen, unterhält 15 ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Moskau und ein Jointventure zur 16 Vermarktung russischer Produkte im Westen87. 17 Größere Kooperationsprojekte mit Russland sind jedoch sowohl politisch als 18 auch betriebswirtschaftlich problematisch, so dass strategische Allianzen mit rus- 19 sischen Unternehmen keine realistische Alternative etwa zu einer deutsch-fran- 20 zösischen Kooperation darstellen dürften. Politisch gesehen könnte ein deutsch- 21 russischer Alleingang bei den westeuropäischen Verbündeten möglicherweise zu 22 erneutem Misstrauen führen, den Tauroggen-Rapallo-Komplex reaktivieren und 23 so zu politischen Kollateralschäden führen. Vor allem aber wäre eine deutsche 24 Abhängigkeit von der autoritären und imperial ambitionierten Atommacht Russ- 25 land höchst riskant, wie der Versuch einer politischen Erpressung der Ukraine oder 26 Georgiens mit Hilfe der Gaslieferungen zeigt. Eine zu enge Zusammenarbeit mit 27 Russland wäre deshalb besonders auf dem Rüstungssektor kaum opportun, viel- 28 leicht sogar gefährlich. 29 Als ökonomisch problematisch hat sich laut Auskunft deutscher Geschäfts- 30 partner in vielen Kooperationsversuchen die chronische Unterkapitalisierung der 31 russischen Partner erwiesen, die sie oftmals dazu verleite, Preise und sonstige Ge- 32 schäftsbedingungen nach Vertragsabschluss einseitig zu ändern88. Solche Prakti- 33 34

87 Expertengespräch. 35 88 Expertengespräch. 36

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1 ken können für den deutschen Partner, vor allem für kleinere Unternehmen, exis- 2 tenzgefährdend sein. Dies gilt insbesondere für die deutschen Unternehmen der 3 Landsystemindustrie, die im Vergleich zur EADS eher mittelständischen Cha- 4 rakter haben. Auch eine gemeinsame Vermarktung stoße in der Regel auf enorme 5 Schwierigkeiten89. 6 7 5.3.5.3 Ukraine 8 Deutlich besser sind die Chancen strategischer Partnerschaften und rüstungswirt- 9 schaftlicher Kooperationen mit der Ukraine, die sich energisch nach Westen ori- 10 entiert. Die westliche Ukraine war längere Zeit ein Teil Österreich-Ungarns und 11 seit ihrer Unabhängigkeit hat die Ukraine den festen Willen, sich in die NATO 12 und in die Europäische Union zu integrieren. Schon im Juli 1997 hat die Ukrai- 13 ne mit den damals 16 NATO-Staaten eine »Charta über eine ausgeprägte Part- 14 nerschaft zwischen der Nordatlantikvertrags-Organisation und der Ukraine« un- 15 terzeichnet und enge militärische Konsultationen vereinbart. 1998 hat der 16 ukrainische Präsident ein Dekret »Über die Strategie der Integration der Ukraine 17 in die EU« erlassen, nachdem das »Abkommen über Partnerschaft und Zusam- 18 menarbeit« mit der EU in Kraft getreten war (Ponomarenko 1999). Die siegrei- 19 che orangene Revolution Ende 2004 und die in den freien Wahlen im März 2006 20 gewonnene Mehrheit der demokratischen Parteien hat den prowestlichen, euro- 21 päischen Kurs vollends bestätigt, und der Westen ist seither bereit, die Ukraine 22 auf diesem Weg zu unterstützen90. 23 Insbesondere die USA befürworten einen schnellen NATO-Beitritt der Ukrai- 24 ne und eine ökonomische und politische Stabilisierung durch enge Anbindung an 25 die EU. Außenministerin Rice hat mit ihrer öffentlichen Erinnerung daran, dass die 26 27 89 Expertengespräch. 90 NATO Generalsekretär de Hoop Scheffer sagte nach der Wahl: »Ukraine is an important strategic 28 partner for NATO, and we look forward to further deepening our cooperation. As always, NATO 29 stands ready to assist Ukraine to realize its Euro-Atlantic aspirations, and work with Ukraine to 30 promote peace and security in the region« (NATO Press Release, 27.3.2006). Das Europäische Parlament »urges the Commission and Council to respond promptly and con- 31 cretely to the growing hopes of the Ukrainian people, who are increasingly looking to the EU, and 32 to consider a further strengthening of the measures included in the European Neighbourhood Po- licy's Action Plan which are designed to support the further democratic development of Ukraine, 33 in particular with regard to strengthening respect for the rule of law and the continuation and streng- 34 thening of social and economic reforms; also urges the Member States to undertake similar initia- tives and projects to provide concrete support, contributing to a continuation of the democratisa- 35 tion and reform process in Ukraine« Texts adopted by Parliament. Straßburg 6. April 2006, 36 www.europarl.europa.eu.

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Ukraine »ein strategischer Partner« sei, ein klares Zeichen gesetzt. Amerika möch- 1 te die NATO in Osteuropa und am Schwarzen Meer arrondieren und die Ukraine 2 aufgrund ihrer geostrategisch wichtigen Lage in das Bündnis einschließen91. 3 In Europa gibt es allerdings auch skeptische Stimmen. Frankreich beispiels- 4 weise, das sowohl Erweiterung als auch Ausbau der NATO scheut, befürchtet 5 durch eine schnelle Aufnahme der Ukraine eine Irritation Russlands. Die Zuspit- 6 zung der Krise um das iranische Atomprogramm könnte die Prioritäten im Ver- 7 hältnis zur Ukraine und zu Russland verändert haben. In Brüssel ist deshalb noch 8 nicht entschieden, wie man die Ukraine unterstützen soll. »Bei der Ukraine geht 9 es darum, wie wir das Land in Europa verankern. Die Nachbarschaftspolitik kann 10 dazu einen Beitrag leisten«, so EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn92. 11 Der neue prorussische Ministerpräsident Janukowitsch hat zwar im Septem- 12 ber 2006 eine »Pause« auf dem Weg der Ukraine ins transatlantische Bündnis ge- 13 fordert, ohne aber EU und NATO als Ziel formal aufzugeben93. Somit käme eine 14 enge Anbindung der Ukraine an die Strukturen der ESVP ohne formelle Aufnah- 15 me in EU und NATO diesem neuen Kurs entgegen und würde darüber hinaus 16 Russland nicht übermäßig reizen. 17 Für den Westen insgesamt wäre der Schaden beträchtlich, wenn die Ukraine 18 mit ihrer entwickelten Rüstungsindustrie den weißrussischen statt den baltischen 19 Weg ginge. Die Ukraine ist darüber hinaus auch eines der entscheidenden Spiel- 20 felder im internationalen Monopoly um die Versorgung Europas mit Energie. Die 21 wichtigsten russischen Gasleitungen nach Westen führen über ukrainisches Ter- 22 ritorium. Europa muss deshalb aus eigenem Interesse einen Weg finden, seine sta- 23 bilisierende Wirkung auf die Ukraine auszuüben und dafür geeignete Modelle der 24 Anbindung an die EU auch jenseits einer baldigen Mitgliedschaft zu entwickeln. 25 Für Deutschland ist die Ukraine nicht nur wegen ihrer geostrategischen Lage 26 interessant. Die rohstoffreiche Ukraine mit einer Bevölkerung von 47 Mio. Ein- 27 wohnern, einem kräftig steigenden Bruttoinlandsprodukt und einem riesigen Nach- 28 holbedarf auf fast allen Gebieten könnte darüber hinaus auch aus ökonomischen 29 Gründen ein interessanter Partner für die deutsche Wirtschaft werden. Das reale 30 Wirtschaftswachstum betrug 2004 12% und 2005 8%. Deutschland ist bereits 31 heute für die Ukraine der zweitwichtigste Handelspartner mit Einfuhren i.H.v. 32 33 34 91 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.1.2006. 92 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.1.2006. 35 93 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.9.2006. 36

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1 3 Mrd. € im Jahre 2005, das ist ein Zuwachs von über 13% gegenüber dem Vor- 2 jahr94. Diese Tendenz dürfte sich nach der orangenen Revolution weiter verstär- 3 ken. Die deutsche Politik sollte daher ein hohes Eigeninteresse an einer weiteren 4 Heranführung dieses Landes an die EU haben. Die wirtschaftliche und politische 5 Bedeutung der Ukraine könnte auch durch rüstungstechnologische und rüstungs- 6 industrielle Gemeinschaftsprojekte gefördert und noch weiter entwickelt werden. 7 Beispiele für relevante Technologien und Kooperationsmöglichkeiten sind vor 8 allem der T 84 und verschiedene Waffensysteme. 9 Auch die ukrainischen Unternehmen mit ihren riesigen Kapazitäten, wie z.B. 10 die Malyshev Werke, suchen wegen der geschrumpften Inlandsnachfrage nach 11 ausländischen Partnern. Sie sind dabei nicht unbedingt auf deutsche Unterneh- 12 men angewiesen. Amerikanische Rüstungskonzerne gehen jedenfalls in ganz Ost- 13 europa mit Unterstützung ihrer Regierung expansiv vor und locken mit großzü- 14 gigen Offsets in Form von Aufträgen, so dass sich nicht zuletzt deshalb viele dieser 15 Länder für amerikanische statt europäische Waffensysteme und Industriekoope- 16 rationen entschieden haben. Eine zu enge Bindung osteuropäischer Länder an die 17 USA scheint jedoch europapolitisch nicht unproblematisch zu sein. 18 Eine volle EU-Mitgliedschaft ist für die gewünschte Stabilisierung der Ukrai- 19 ne gar nicht unbedingt notwendig. Unterhalb dieser Hürde scheinen verschiede- 20 ne Formen einer engen Anbindung realistisch, die über die bisherige, unzurei- 21 chende »Nachbarschaftspolitik« hinausreichen. Neben einer »strategischen 22 Partnerschaft« wird unter Experten auch über eine »Modernisierungspartnerschaft« 23 oder eine »sektorale Integration« nachgedacht, wodurch die Schwelle einer Bei- 24 trittszusage nicht überschritten würde, die aber der Ukraine substanzielle ökono- 25 mische und politische Vorteile böten (Frankenberger 2006). In diesem Sinne haben 26 die Außenminister der EU am 22. Januar 2007 ein Verhandlungsmandat für ein 27 »neues und verbessertes« Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine gebilligt und 28 die Bereitschaft der Union zu einer weiteren Stärkung der gegenseitigen Bezie- 29 hungen durch »eine schrittweise erfolgende wirtschaftliche Integration und Ver- 30 tiefung der politischen Zusammenarbeit« bekräftigt95. 31 Deutsche Kooperationen könnten in diesem Rahmen einen wertvollen Beitrag 32 leisten96. Frankreich hat bereits 1994 sogar mit Russland ein Abkommen zur ge- 33 meinsamen wehrtechnischen Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermark- 34 94 www.auswaertiges-amt.de/laenderinfos. 35 95 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.1.2007. 36 96 Expertengespräche, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.7.2006

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tung in Drittländer geschlossen (Hanel 2000). Warum also sollte nicht auch 1 Deutschland mit der Ukraine wehrtechnisch kooperieren? Die technologischen 2 und industriellen Kernkompetenzen ukrainischer Firmen bei Systemen, Subsys- 3 temen, Komponenten und Bewaffnung könnten durchaus zu strategischen Alli- 4 anzen oder Jointventures mit deutschen Firmen genutzt werden. Immerhin gibt es 5 zwischen deutschen und ukrainischen Hochschulen bereits 129 zivile For- 6 schungskooperationen97. 7 Aus dem Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie gibt es ein lehrreiches Bei- 8 spiel dafür, wie eine zum beiderseitigen Vorteil mögliche deutsch-ukrainische Ko- 9 operation auf dem deutsch-französischen Altar geopfert wurde: Bei der Ent- 10 scheidung für einen neuen Militärtransporter stand eine deutsch-französische 11 Neuentwicklung gegen die Weiterentwicklung der ukrainischen Antonow zur De- 12 batte. Die bereits in der Praxis bewährte Antonow erfüllte alle militärischen und 13 technologischen Anforderungen. Dazu kam der Vorteil ihrer schnellen Verfüg- 14 barkeit. Allerdings hätten die lauten Triebwerke weiterentwickelt und die Elek- 15 tronik auf NATO-Standard umgestellt werden müssen. Dafür war sowohl in der 16 Ukraine als auch in Deutschland eine Produktionslinie mit entsprechenden Ar- 17 beitsplätzen vorgesehen. Stattdessen entschied sich Bundeskanzler Schröder auf 18 Drängen Frankreichs für eine völlige Neuentwicklung, nämlich die A400M, deren 19 Fertigstellung aber noch einige Jahre auf sich warten lässt, so dass die Bundes- 20 wehr in der Zwischenzeit ausländische Transportkapazitäten mieten muss. Der 21 A400M kostet den deutschen Steuerzahler 7 Mrd. DM mehr98 als die Weiterent- 22 wicklung der Antonow. Deutschland hätte für die Hälfte der Haushaltsmittel99 und 23 ohne technologisches und budgetäres Risiko zügig ein bewährtes Transportflug- 24 zeug erhalten. Der Militärtransporter A400M bleibt dagegen in Punkto Nutzlast 25 und Reichweite weiterhin unterhalb der Anforderungen an den strategischen Luft- 26 transport100. Bei der deutsch-französischen Neuentwicklung A400M ist nicht nur 27 das unausgewogene Verhältnis von nationalen Arbeitspaketen und Finanzie- 28 29 97 www.botschaft-ukraine.de, 3.2.2006. 30 98 Expertengespräche. 99 Seriöse Quellen geben den Preis für eine AN-70 mit 50 Mio. $ und den Preis eines »Basismodells« 31 der A400M mit 101,4 Mio. $ an. 32 100 Im Dezember 2006 gab die EADS bekannt, dass bis zur Erstauslieferung 2009 noch »Herausfor- derungen zu bewältigen« seien. Ermittelt wurden »kritische Risikobereiche« bei der Systemausle- 33 gung, speziell der Verkabelung, Veränderungen am Triebwerk und Arbeiten an der Endmontageli- 34 nie. Die US-Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass Mehrkosten von mindestens 1 Mrd. € 35 anfallen werden. Vgl. auch Kleine Anfrage der FDP Fraktion vom 8.11.2006 an die Bundesregie- rung, BT-Drucksache 16/3405 und die Antwort der Bundesregierung am 27.11.2006. 36

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1 rungsanteilen zu kritisieren, sondern auch die Qualität der Arbeits teilung, vor allem 2 in Bezug auf den Hightech-Anteil. In Deutschland wird hauptsächlich die Innen- 3 einrichtung gefertigt, während Toulouse, wo das technologisch anspruchsvolle 4 Cockpit des A400M gebaut wird, zu einem riesigen Technologiezentrum ausge- 5 baut wird mit dem Zwang für viele deutsche Zulie ferer, sich dort anzusiedeln. Das 6 Ergebnis ist ein »brain drain«, ein Technolo gieabzug aus Deutschland. Vom Stand- 7 punkt deutscher Interessen war die deutsch-französische Neuentwicklung A400M 8 deshalb eine Fehlentscheidung, aus der für zukünftige Kooperationsprojekte ge- 9 lernt werden sollte. 10 Anders als die Luft- und Raumfahrtindustrie hat gerade die deutsche Land- 11 systemindustrie wegen ihrer technologisch führenden Stellung in Europa mehr 12 Alternativen als nur die Zusammenarbeit mit französischen Unternehmen. Mit 13 diesen Pfunden gilt es, eine strategische, an den eigenen Interessen ausgerichtete 14 Industriepolitik zu entwerfen und anzuwenden. 15 Leider wird eine strategische Zusammenarbeit Deutschlands mit der Ukraine 16 auf diesem Gebiet durch die auch für die Ukraine nach wie vor geltenden Politi- 17 schen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sons- 18 tigen Rüstungsgütern vom 19.1.2000 begrenzt und fast unmöglich gemacht101. 19 Wenn es wie in USA eine »defense diplomacy« gäbe, bei der die Belieferung 20 oder auch Nichtbelieferung bestimmter Staaten ein politisches und strategisches 21 Kalkül der Außenpolitik wäre, könnte Deutschland einen wichtigen Beitrag für 22 die Stabilisierung der Ukraine und ihrer Unabhängigkeit gegenüber Russland leis- 23 ten. Zwar kennt die Außenwirtschaftsverordnung zu recht »besondere Beschrän- 24 kungen« gegen einige Staaten, die die Menschenrechte verletzen oder mit dem 25 Terrorismus verbunden sind, wie z.B. Somalia, Ruanda, Sierra Leone, Irak, Li- 26 beria, Simbabwe, Elfenbeinküste, Sudan und Usbekistan (Bundesregierung 2006). 27 In einem Fall wie der Ukraine, die näher an Europa herangeführt werden soll, 28 muss aber eine Kooperation möglich sein, ohne deshalb die grundlegenden Prin- 29 zipien der deutschen Exportpolitik über Bord zu werfen. 30 31 32 33 34 35 101 Expertengespräch mit Ruslan Khmelnytski, Stellvertretender Leiter der Handels- und Wirt- 36 schaftsmission der Ukraine in Deutschland.

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5.4 Stärkung des nationalen Standorts 1 2 Grundvoraussetzung für alle europäischen und transatlantischen Szenarien, die 3 aus der Sackgasse des Status quo herausführen sollen, ist die Stärkung der natio- 4 nalen rüstungstechnologischen und -industriellen Basis in Deutschland. Deutsche 5 Unternehmen sollten so stark sein bzw. gemacht werden, dass sie entweder allein 6 im globalen Wettbewerb bestehen können oder aber als attraktive Partner für die 7 verschiedensten Allianzen in Betracht kommen, in denen sie darüber hinaus eine 8 maßgebliche Rolle spielen können. Abbildung 19 verdeutlicht die verschiedenen 9 Optionen der deutschen Heeresindustrie. Nur ein starker deutscher Standort hat 10 alle Chancen, die sich anbahnende europäische Neustrukturierung entscheidend 11 mitzugestalten und auf dieser Grundlage möglicherweise auch transatlantische 12 Allianzen eingehen zu können. Ein leistungsfähiger deutscher Standort wäre ein 13 strategisches Unterpfand, mit dem die Bundesregierung zumindest verhindern 14 könnte, dass die Neugestaltung Europas an den deutschen Interessen vorbeigeht. 15 16 Abbildung 19: Optionen für eine wettbewerbsfähige deutsche Landsystemindustrie 17 18 19 Option 1 Option 2 Option 3 Option 4 20

Status quo: Stärkung des Europäische Transatlantische 21 Nationale deutschen Standortes Konsolidierung Kooperationen und 22 Fragmentierung; durch Allianzen keine Industrie- – aktive Industrie- 23 politik politik – Clusterbildung 24 – Fusionen 25 26 27 Option 3.1 Option 3.2 28 Unter Konsolidierung 29 französischer nach Dominanz Fähigkeiten 30 31 32 33 34 35 36

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1 5.4.1 Fusionen 2 Ein notwendiger und erster Schritt für einen attraktiven deutschen Standort ist die 3 Konsolidierung der Kapazitäten auf nationaler Ebene. Das betrifft sowohl die vie- 4 len mittelständischen Komponentenhersteller und Zulieferer als auch die beiden 5 Systemhäuser Rheinmetall Defence und Krauss-Maffei Wegmann (KMW). Seit vie- 6 len Jahren gibt es Bestrebungen insbesondere von Seiten der Bundesregierungen, 7 diese beiden Firmen zu einem nationalen Systemhaus zu fusionieren. Beide Unter- 8 nehmen haben teilweise komplementäre Fähigkeiten, »da könnte man relativ schnell 9 die Kompetenzen austauschen« (Gabrielli 2000). Beide Unternehmen bauen zu- 10 sammen mit einer sehr großen Anzahl Zuliefer-Firmen (allein beim Leopard 2 ca. 11 1.500) militärische Landsysteme wie den Leopard 2 oder die Panzerhaubitze 2000. 12 Dazu kommt über das Jointventure PSM noch der SPz 3, der PUMA, hinzu. 13 Nicht nur wegen der beschränkten Haushaltsmittel, sondern auch wegen sich 14 ausdifferenzierender Anforderungen der Militärs und sich fortentwickelnder Tech- 15 nologien kann heute in weiten Bereichen der Heeresindustrie nur noch in kleinen 16 Losgrößen produziert werden. Deshalb ist in der Tat fraglich, ob in Deutschland 17 zwei Systemhäuser mit mehreren Standorten auf Dauer ausgelastet werden kön- 18 nen. Schließlich muss dabei auch die spezifische Situation bei den Landsystemen 19 berücksichtigt werden, die sich von der Luft- und Raumfahrtindustrie und auch 20 vom Schiffbau in einem hier wichtigen Aspekt, nämlich der Komplexität der Pro- 21 dukte, deutlich unterscheidet. Während man im Flugzeugbau, wo das Produkt un- 22 gleich komplexer ist, an mehreren Standorten produzieren kann, ja sogar muss, 23 wird dies im Panzerbau betriebswirtschaftlich nicht für sinnvoll gehalten. Sin- 24 kende Stückzahlen verschärfen dieses grundsätzliche Problem noch. Die Konso- 25 lidierung der Landsysteme kann sich deshalb kaum nach dem EADS-Modell mit 26 vielen Standorten (»EADS-Land«) vollziehen. 27 Der Kampf um die industrielle Führung der beiden bisher von privaten Fa- 28 milien dominierten Unternehmen hat jedoch bis dato ihre Zusammenführung ver- 29 hindert. Doch mit dem zum Verkauf anstehenden Siemensanteil von 49% an KMW 30 und dem Ausstieg der Familie Röchling bei Rheinmetall ist einiges in Bewegung 31 geraten. So wird z.B. ein Modell diskutiert, das durchaus Charme hat: KMW könn- 32 te die Führung des neuen Unternehmens KMW/Rheinmetall Landsysteme über- 33 nehmen, das aber unter dem Dach der breiter aufgestellten Rheinmetall Defence 34 firmieren würde. Noch besser wäre es jedoch, wenn diese Fusion mit dem Ein- 35 stieg eines industriellen Schwergewichts verbunden würde. Dafür böte sich der 36 ThyssenKrupp-Konzern an, der nicht nur im Schiffbau, sondern auch auf dem Ge-

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biet der Elektronik rüstungsindustrielle Interessen hat. Da ThyssenKrupp in vie- 1 len Bereichen die politische Unterstützung der Bundesregierung für seine Aus- 2 landsaktivitäten benötigt, könnte sich der Konzern einem energischen Drängen 3 der Politik wahrscheinlich kaum verweigern102. Durch Übernahme des 49%igen 4 Siemensanteils und Zukauf weiterer KMW-Anteile könnte ThyssenKrupp sogar 5 die industrielle Führung der Landsystemindustrie übernehmen. Der Reiz dieses 6 Modells liegt auch darin, dass der Konzern mit der Gründung der ThyssenKrupp 7 Marine Systems bereits die industrielle Führung des Werftensektors übernommen 8 hat, so dass damit endlich auch die nationale Konsolidierung der gesamten noch 9 ausstehenden Rüstungsbereiche zu einem erfolgreichen Ende gebracht würde. 10 Allerdings ist bei der Frage der Notwendigkeit einer solchen Fusion zwischen 11 der ökonomischen und der strategischen Ebene zu unterscheiden. Nach Meinung 12 befragter Unternehmensführer ist eine Fusion zu einem einzigen nationalen Sys- 13 temhaus zwar möglich, aber unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht 14 immer und nicht unbedingt notwendig. Als grundlegender wird vielmehr ein funk- 15 tionierendes Kooperationsnetzwerk gesehen, also eine langjährig bewährte Zu- 16 sammenarbeit mit vertrauenswürdigen Partnern103. In der Tat sind Fusionen der 17 allerletzte Schritt und kein Allheilmittel. Auch die Gefahr des Scheiterns ist groß, 18 wie Untersuchungen zeigen (Sommerlatte 1998). Schließlich sollte auch das Kri- 19 terium Größe nicht generell überwertet werden, denn es kann auch zu wirt- 20 schaftlicher Ineffizienz führen, wie ein Vergleich mit französischen Staatsfirmen 21 zeigt: Während die größere GIAT aus Gründen der Auslastung alle Leistungen im 22 eigenen Konzern vergibt, suchen sich die relativ kleineren Unternehmen KMW 23 und Rheinmetall spezialisierte, innovative und wettbewerbsfähige Zulieferer, die 24 die Systemhäuser wie Satelliten umkreisen und qualitativ und preislich besser sind 25 als die GIAT eigenen Betriebsteile104. Zusammen mit diesen Satelliten erreichen 26 KMW oder Rheinmetall eine ähnlich große Wertschöpfung wie GIAT. Rein be- 27 triebswirtschaftlich muss deshalb eine Fusion von KMW und Rheinmetall nicht 28 unbedingt notwendig sein. Entwicklung und Produktion würden dadurch wahr- 29 scheinlich kaum billiger, weil beide Firmen hochspezialisiert und weitgehend kom- 30 plementär sind. 31 32

102 Expertengespräche. 33 103 Manche mutmaßen sogar, der Ruf der Bundesregierung nach Fusionen und nach der dabei erfol- 34 genden Konsolidierung auf nationaler Ebene könnte auch vom Motiv geleitet sein, die in der Öf- 35 fentlichkeit ungeliebte Branche loszuwerden und dabei Geld einzusparen. 104 Expertengespräche. 36

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1 Anders stellt sich die Frage von Fusionen allerdings, wenn die europäische 2 Neustrukturierung von Deutschland aktiv mitgestaltet werden soll. Dann ist eine 3 Konsolidierung auf nationaler Ebene Grundvoraussetzung, um Treiber und nicht 4 Getriebener in diesem Prozess zu sein, bzw. um die eigenen nationalen, strategi- 5 schen Interessen erfolgreich einzubringen. Wenn über die deutsche Technologie- 6 führerschaft die europäischen Landsysteme zusammengeführt werden sollen, be- 7 darf es auch einer bestimmten Größe und Finanzkraft der deutschen Unternehmen, 8 die nur durch Fusionen erreicht werden können. 9 Wenn das BMVg die weitere nationale Konsolidierung tatsächlich wünscht, 10 dann müsste es allerdings auch für neue Programme sorgen, die für Fusionspro- 11 jekte notwendig sind. So wurde schließlich auch im Falle IWKA und Henschel 12 verfahren, die mit sanftem Druck bei der Auftragsvergabe letztlich von Rhein- 13 metall übernommen wurden. 14 Ähnlich hätten auch die vorerst letzten großen Programme GTK und PUMA 15 zur nationalen Konsolidierung genutzt werden müssen. Experten weisen jedoch 16 darauf hin, dass GTK absichtlich nicht für die Konsolidierung der deutschen Sys- 17 temfirmen genutzt, sondern unter Hintansetzung deutscher Interessen auf dem eu- 18 ropäischen Altar geopfert wurde. GTK sei vom BMVg von Anfang an als inter- 19 nationales Kooperationsprojekt konzipiert worden. Großbritannien und Frankreich 20 dagegen hätten gar kein echtes Interesse daran, sondern eigene Pläne gehabt. Sie 21 hätten nur zum Schein mitgemacht, was als »staatlich geförderte Industriespio- 22 nage« bezeichnet werden könne und sind dann abgesprungen. Beim PUMA schließ- 23 lich hätte das BMVg den beiden Systemfirmen erklären müssen, dass der Seri- 24 enauftrag nur unterschrieben wird, wenn beide Firmen fusionieren105. Das wäre 25 eine aktive Industriepolitik, die auf lange Sicht Technologie und Arbeitsplätze in 26 Deutschland sicherte106. Nun fehlt es dem BMVg an weiteren Programmen, über 27 die die nationale Konsolidierung vorangetrieben werden könnte107. 28 Nach einer Faustregel ist Systemführer nur, wer ca. 50% der Wertschöpfung 29 des relevanten Marktes auf sich vereinigt und darüber hinaus mit anderen Unter- 30 nehmen und Forschungseinrichtungen vernetzt ist. Entscheidende Bezugsgröße bei 31 32

33 105 So wurde das Problem vom Pentagon schon 1993 erfolgreich gelöst. Vgl. Kapitel 5.2. 34 106 Das ist jedoch kein einzelner Fehlschlag. Das Scheitern des Versuchs, ein »German Missile House« durch die Fusion der Lenkflugkörper GmbH (LFK) mit den Bodenseewerken Gerätetechnik (BGT) 35 zu schaffen, unterstreicht die Unfähigkeit der deutschen Politik in diesem Bereich. 36 107 Expertengespräche.

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der Notwendigkeit von Fusionen ist daher der relevante Markt. Falls die Bemü- 1 hungen um internationale Alternativen scheitern sollten und es letztlich oder doch 2 für längere Zeit bei einem nationalen deutschen Markt bliebe, müssten die beiden 3 Systemhäuser KMW und Rheinmetall Defence nicht unbedingt fusionieren, zumal 4 die dabei entstehende Monopolisierung des kleinen nationalen Marktes auch mit 5 negativen Folgen verbunden wäre, wie z.B. eine größere Abhängigkeit des Auf- 6 traggebers vom Monopolisten und die Möglichkeit eines Preisdiktats etc. 7 Wenn die Bundesregierung jedoch die Ambition hätte, die nationale Ebene zu 8 überwinden und einen integrierten europäischen Markt zu schaffen, dann wäre al- 9 lerdings ein starkes Systemhaus notwendig, das auch auf europäischer Ebene 50% 10 der Wertschöpfung erzielt, mit einer Stimme spricht und die Führung im europäi- 11 schen Markt übernehmen kann108. 12 13 5.4.2 Vorteile der Clusterbildung 14 In beiden Fällen – also auch wenn es nicht zu einem nationalen Systemhaus kommt 15 – besteht die grundlegende Aufgabe von Industrie und Politik darin, die System- 16 führerschaft in Deutschland zu erhalten bzw. zu stärken, da sie eine Vorausset- 17 zung für alle möglichen Zukunftsmodelle ist. Eine Vernetzung aller wichtigen Ak- 18 teure dieses Sektors in Form eines Industrie- und Forschungsclusters scheint uns 19 dafür ein notwendiges Etappenziel zu sein, das spätere Fusionen keineswegs aus- 20 schließt, sondern sie im Gegenteil vorbereitet. Unter dem aus der Regionalfor- 21 schung entlehnten Begriff »Cluster« versteht man ein organisiertes, kreatives Netz- 22 werk aus Wirtschaft und Wissenschaft109. Ein starkes nationales Industrie- und 23 Forschungscluster – man könnte hier auch von einem »nationalen Innovations- 24 system« sprechen – ist für das Überleben des deutschen Standortes in der einen 25 (nationalen) oder anderen (europäischen) Form grundlegend. 26 Für den deutschen Standort im Allgemeinen gilt, dass der Nachteil in Form 27 hoher Kosten ausgeglichen werden muss durch Innovationen und Produktivitäts- 28 steigerungen. Nur dadurch kann der relative Vorsprung gegenüber ausländischen 29 Konkurrenten gehalten und möglichst ausgebaut werden. Ein bewährtes Mittel zu 30 31 108 Dies wäre lediglich eine Anpassung an die Politik der relevanten europäischen Partner, sowohl 32 Spaniens, Großbritanniens (BAE Systems) und vor allem Frankreichs. Die französische Indus- triepolitik ist aktiv bemüht, auf allen strategisch wichtigen Märkten starke national champions zu 33 schaffen, um eine führende Rolle in Europa zu spielen. Dies kann man auf dem zivilen Sektor 34 (Aventis/Sanofi) ebenso wie auf dem militärischen (Snecma/Sagem) besichtigen. 35 109 »Clusters are geographic concentrations of interconnected companies and institutions in a parti- cular field« (Porter o.J.). 36

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1 diesem Zweck ist die Bildung von Clustern, indem Unternehmen auf ein Netz an 2 spezialisierten Zulieferern in ihrem unmittelbaren Umfeld zugreifen können und 3 ein Pool an hoch qualifizierten Mitarbeitern zur Verfügung steht. Cluster können 4 helfen, klare Technologieschwerpunkte zu erarbeiten und die vorhandenen Kom- 5 petenzen und Fähigkeiten zu bündeln und auf gemeinsame Projekte auszurichten. 6 Cluster bieten auch Informations- und Kostenvorteile, denn Synergien ent- 7 stehen nur bei intensiver Kooperation. Durch eine wertschöpfungsorientierte, auch 8 interdisziplinäre Zusammenarbeit der Unternehmen sowie durch Forschungs- und 9 Entwicklungskooperationen entstehen Innovationen, Produktivitätssteigerungen 10 und schließlich wirtschaftliche Erfolge. Dabei muss das wissenschaftliche Po- 11 tential der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für die 12 Wirtschaft besser erschlossen und die Vernetzung innerhalb der Unternehmen einer 13 Branche verbessert werden. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Unter- 14 nehmen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollen 15 Forschungsergebnisse noch schneller als in der Vergangenheit in marktfähige Pro- 16 dukte überführt werden. Ein intensiver Austausch hilft auch der Wissenschaft, die 17 Bedürfnisse der Unternehmen besser zu verstehen und das eigene Forschungs- 18 profil entsprechend zu schärfen. Der Wissenstransfer ist somit wechselseitig. Von 19 einer verstärkten Zusammenarbeit profitieren sowohl Wirtschaft als auch Wis- 20 senschaft. Mit der Einbindung von Unternehmen in Netzwerke werden auch die 21 Bindungskräfte an einen Standort entscheidend erhöht (Bayerisches Staatsminis- 22 terium für Wirtschaft 2006). Charakteristisch für Clusterpolitik ist der unterneh- 23 mensübergreifende Ansatz. Außer den Kernkompetenzen und -technologien wer- 24 den auch die Infrastruktur, unterstützende Institutionen und Organisationen sowie 25 die weiteren Rahmenbedingungen mit einbezogen. 26 Der Nutzen von Clustern zeigt sich darin, dass sie 27 Konkurrenz und Kooperation gleichzeitig erlauben, 28 die Größe der Partner erweitern durch gegenseitige Ergänzung, 29 die Produktivität steigern und 30 Innovationen fördern und die Gründung neuer Unternehmen stimulieren. 31 Cluster bewirken somit globale Überlegenheit durch lokale Synergien insbeson- 32 dere bei Produktivität und Innovation. Cluster beugen damit auch der Gefahr vor, 33 dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden (müssen). 34 Neben der unabdingbaren Beteiligung der Großen, die internationalen Markt- 35 zugang und eigene Technologiepotenziale haben, muss die Clusterpolitik auch die 36 kleinen Unternehmen und Zulieferer einbeziehen. Die Netzwerkbildung erleich-

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tert gerade den kleinen Betrieben in der Fläche den Zugang zu den für sie rele- 1 vanten und interessanten Forschungseinrichtungen und Partnerunternehmen und 2 hilft, Standortnachteile auszugleichen. Viele KMU sind international erfolgreiche 3 Anbieter, oft sogar Weltmarktführer. Sie stoßen jedoch oft auf finanzielle Gren- 4 zen und personelle Engpässe. Das gilt gerade bei der notwendigen Vernetzung 5 verschiedener Bereiche. Insbesondere brauchen sie verbesserte Zugangsmöglich- 6 keiten zu Forschungseinrichtungen. 7 Clusterplattformen haben die Aufgabe, die Vernetzung der Potenziale zu or- 8 ganisieren, d.h. die Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen an 9 einen Tisch zu bringen, intensive Kooperation zu ermöglichen und so Innovati- 10 ons- und Produktivitätspotenziale zu erschließen. Clusterplattformen sind also 11 Dienstleister für die Unternehmen der jeweiligen Branche oder des Kompetenz- 12 bereichs. Im Vordergrund der Tätigkeit der Plattformen wird Aufbau und Pflege 13 eines Kontaktnetzes zwischen Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrich- 14 tungen, Kammern und Verbänden, Kapitalgebern, Förderinstitutionen, Beratern 15 und anderen Akteuren des jeweiligen Clusters stehen. Das Kontaktnetzwerk soll 16 den Zugang zu leistungsfähigen Lieferanten und Leit-Kunden, zum technischen 17 Know-how von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, zu hoch qualifizier- 18 ten Mitarbeitern und zu Kapitalgebern erleichtern. Von diesen Plattformen profi- 19 tieren insbesondere mittelständische Unternehmen, denen eine abgestimmte Zu- 20 sammenarbeit mit anderen Unternehmen einen höheren Grad an Spezialisierung 21 ermöglicht und die so ihre Wettbewerbsposition gegenüber Großunternehmen ver- 22 bessern (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft 2006). 23 24 5.4.3 Landsektorspezifisches Industrie- und Forschungscluster 25 Bezogen auf die Landsystemindustrie stellt sich die Frage, welche Segmente und Un- 26 ternehmen in ein solches Cluster einer fähigkeitsorientierten Heeresstechnik einge- 27 bunden werden sollten. Generell werden jene industriellen Fähigkeiten benötigt, die 28 auch grundlegend für die Netzwerk-Zentrierte-Operationsführung (NetOpFü) sind, 29 also Fähigkeiten auf dem Gebiet von Aufklärung, Führung und Wirkung. Diese Fä- 30 higkeiten sind vor allem bei den Systemhäusern KMW und Rheinmetall umfassend 31 vorhanden. 32 Ein deutscher Industrieverbund der Heerestechnik muss aber auch andere wich- 33 tige Firmen einbeziehen, die zumindest einige dieser Fähigkeiten teilweise besit- 34 zen und eine wichtige Rolle in einem solchen Verbund spielen könnten wie Diehl 35 und Renk, aber auch MTU, STN-Atlas, Zeiss und MAN (vgl. Abbildung 20). Mit 36

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1 diesen Kernfirmen wäre nach dem Modell der DASA ein deutscher Industriever- 2 bund Landsysteme denkbar und sinnvoll, der genügend Potenzial hätte, um die ver- 3 schiedensten internationalen Allianzen – sowohl innerhalb Europas als auch trans- 4 atlantisch – einzugehen und dabei möglicherweise eine führende Rolle zu spielen. 5 6 Abbildung 20: System- und Subsystemfirmen der deutschen Landsystemindustrie 7 8 Systemfirmen KMW + Rheinmetall 9 Plattformkomponenten Renk 10 Sensorsysteme STN-Atlas + Zeiss 11 12 Waffe & Munition Diehl + Rheinmetall 13 Ausrüster MAN-Brückenbau 14 15 Anzustreben ist deshalb die Definition einer landsektorspezifischen Clusterpoli- 16 tik als Form der Industriepolitik, deren Spezifik sich zum einen in der Ausrich- 17 tung auf regionale ökonomische Besonderheiten zeigt und zum anderen in der 18 Ausrichtung auf die Erfassung und Weiterentwicklung der jeweils vor Ort gege- 19 benen Akteurskonfigurationen. Es darf also nicht nur bei einem auf den Indus- 20 triesektor beschränkten Verbund bleiben, sondern erfordert ein Cluster aus In- 21 dustrie, Forschung und Politik. Das Zusammenwirken von BMVg, Bundes- 22 ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWT) und Bundesministerium für 23 Bildung und Forschung wäre also ebenfalls notwendig. So könnte ein stabiles 24 Netzwerk geschaffen werden, das das Eigengewicht politischer Prozesse gegen- 25 über ökonomischen Prozessen ebenso betont wie die Eigendynamik bei der in- 26 dustriellen Wertschöpfung. Abbildung 21 zeigt den Kreis der notwendigen Ak- 27 teure, den ein solches Cluster umfassen müsste. 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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Abbildung 21: Nationales Innovationssystem Landsystemindustrie

Amtsbereich Universitäten • WTZ Forschungsinstitute • ITZ Ausrüster Plattformkomponenten • MAN Brückenbau • B+V Industrietechnik • Santa Barbara Sistemas • Diehl Remscheid Kaiserslautern (Brücken) • ESW-Extel Simulation & Test • Renk • IABG • MTU • RDE

Systemführer militärische Landfahrzeuge Systemführer zivile • Rheinmetall Defence Landfahrzeuge Sensoren • KMW • DaimlerChrysler • STN Atlas • IVECO Waffe & Munition • Zeiss Optronik • Faun • Rheinmetall W&M • Diehl Munitionssysteme • Junghans • Heckler & Koch • Bayern Chemie

Schutztechnologien • Keller F&T • IBD • FUG • DLR Spezialisierte • FGAN Beratungsunternehmen 123 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 edition#200_7.0_Korr 4.qxd:edition#200_5.0.qxd 13.09.2007 10:56 Uhr Seite 124

1 5.4.4 Fazit 2 Der Bundesregierung verbleiben nur wenige Handlungsoptionen, um im Rahmen 3 einer Konsolidierung der Landsystemindustrie Kernfähigkeiten in Deutschland 4 zu erhalten. Für eine Stärkung des deutschen Standorts ergeben sich die folgen- 5 den Handlungsempfehlungen: 6 1. Aktive Clusterpolitik 7 Erweiterung bzw. Neudefinition des Begriffs der Heerestechnik um den 8 Bedarf aller in den Sicherheitsbegriff einbezogenen Bedarfsträger 9 (»Sicherheitstechnik Land«), 10 detaillierte Analyse der Teilnehmer am Cluster »Sicherheitstechnik Land« 11 z.B. nach US-amerikanischem Vorbild (»Defense Industrial Base Capabi- 12 lities Study, DIBCS«), 13 projektspezifisches Zusammenführen von Unternehmen, Forschungsein- 14 richtungen und Einrichtungen der Amtsseite in gemeinsamen Programmen 15 (F&T, Beschaffung, Betreibermodelle), 16 Erweiterung der Aufgabenstellung um die Aspekte der Inneren Sicherheit 17 (Homeland Security) und damit Bündelung der deutschen Nachfrage nach 18 Sicherheitsprodukten über den Einzelplan 14 hinaus. 19 2. Schaffung eines »National Champions«: 20 Ziel ist die Herausbildung eines oder mehrerer »Lead System Integra- 21 tors« (LSI) mit dem qualifizierenden Merkmal der NetOpFü-Fähigkeit, 22 die sich in Größe und Leistungsfähigkeit von einem klassischen System- 23 haus unterscheiden. Ein deutscher »Lead System Integrator« müsste das 24 Potenzial haben, um sich zu einem »European Sector Champion« zu ent- 25 wickeln. 26 Realisierung über nationale und europäische Auftragsvergabe, an ein LSI 27 fähiges Unternehmen, oder ein Konsortium, in dem heutige Systemführer 28 mit anderen Unternehmen die LSI-Fähigkeit herstellen (reine Projektge- 29 sellschaften reichen dafür nicht aus). 30 Erhalt der Wertschöpfung in Deutschland durch eine projektbezogene »In- 31 tegration von Fähigkeiten« statt pauschaler »Konsolidierung von Kapazi- 32 täten«. 33 Einbezug von Zulieferern mit Subsystemfähigkeiten, Komponentenher- 34 stellern, spezialisierten Ingenieurbüros etc., indem vor Auftragsvergabe 35 vom LSI eine konkrete industrielle Arbeitsteilung verlangt wird (Wahrung 36 von komparativen Fähigkeiten durch workshare-Prinzip).

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3. Industrie- und sicherheitspolitische Koordinierung 1 Eine industrie- und sicherheitspolitische Koordination für den Landsektor 2 (analog zur Luft- und Raumfahrt) ist als Prozess zu begreifen, wobei zu- 3 nächst: 4 • die nationalen Sicherheitsanforderungen und die dafür notwendigen 5 Technologien und die industrielle Basis definiert werden müssen, 6 • die industrielle Basis in Deutschland beobachtet werden muss, um ein- 7 greifen zu können, wenn Sicherheitsfragen z.B. durch drohenden Tech- 8 nologieverlust oder durch den Verkauf industrieller Kapazitäten berührt 9 werden (hier ist die vom BMI initiierte »Sicherheitspartnerschaft« ein 10 wichtiges Beispiel), 11 • die Koordination im Rahmen des AK Rüstung, sowie die Koordinati- 12 on auf Referatsleiterebene ist ein richtiger Schritt; im Rahmen des ge- 13 nannten Prozesses kann so auf einen in der Endstufe bei der Bundes- 14 regierung einzurichtenden Koordinator hingearbeitet werden. 15 Dieser sicherheitspolitischen Koordination obliegt die Definition einer 16 nationalen Sicherheitsindustrie als erweiterter Begriff der Wehrtechnik. 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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6 Industriepolitische Erfordernisse 1 2 3 Aufgrund der deutschen Technologieführerschaft bei Landsystemen ergibt sich 4 geradezu eine europäische Verantwortung der Bundesregierung, bei der Neu- 5 strukturierung dieses Sektors die Führung zu übernehmen. Die Bundesregierung 6 sollte sich deshalb einerseits weiterhin an europäischen Agenturlösungen wie 7 OCCAR oder EDA beteiligen und ihre Bemühungen um eine Abschaffung des 8 Art. 296 fortsetzen. Schließlich bleibt den Europäern schon aus finanziellen Grün- 9 den nichts anderes übrig, als grenzüberschreitend zu kooperieren. Andererseits 10 sollte dies aber in der auf jahrzehntelanger Erfahrung beruhenden Erkenntnis ge- 11 schehen, dass sich einseitige Opfer auf dem europäischen Alter nicht lohnen, u.a. 12 weil wichtige Partner zwar von einem europäischen Rüstungsmarkt reden, ihn 13 aber ihren nationalen Eigeninteressen unterordnen und sich dabei auch kraftvoll 14 der EDA als Instrument bedienen. Die Zögerung der Bundesregierung, auch ihrer- 15 seits die nationalen rüstungspolitischen Interessen zu definieren und auch aktiv 16 auf der europäischen Ebene für sie einzutreten, sendet falsche Signale an die Part- 17 ner110 und kostet Deutschland viel Geld und Arbeitsplätze, wie sich an vielen Ko- 18 operationsprojekten zeigen lässt. Deshalb sollte u.a. auch die deutsche Seite wieder 19 auf dem Reziprozitätsprinzip bei Rüstungskooperationen bestehen. Vorleistungen 20 zugunsten eines »patriotism économique«111 anderer Regierungen darf es nicht 21 mehr geben. Sollte es nicht möglich sein, die deutschen Interessen im westeuro- 22 päischen Konsolidierungsprozess angemessen zur Geltung zu bringen, wäre die 23 bisherige Fixierung auf Frankreich und Westeuropa kritisch zu überprüfen und 24 gegebenenfalls zu revidieren. Es gibt auch Alternativen in und außerhalb Europas, 25 um die sich die deutsche Politik deshalb aktiv bemühen sollte. 26 Die deutsche Landsystemindustrie kann nur begehrter Kooperationspartner 27 und Nukleus einer internationalen Neustrukturierung werden, wenn sie ihre kom- 28 parativen Stärken bewahrt bzw. weiter ausbaut. Wie gezeigt wurde, ist zur Stär- 29 30 110 In einer wissenschaftlichen Befragung der Universität Marburg wurde hochrangigen Experten aus 31 Politik und Unternehmen u.a. folgende Frage gestellt: »Glauben Sie, dass in den europäischen 32 Hauptstädten – allen voran Paris und London -, neben den offiziellen politischen Verlautbarungen, tatsächlich der politische Wille vorhanden ist, die nationalen Rüstungsmärkte für europäische Wett- 33 bewerber zu öffnen?« 83,3% der Experten haben dies verneint! (Küllmer 2007). 34 111 Dies war eine zentrale Losung im französischen Präsidentschaftswahlkampf. Der neugewählte 35 Staatspräsident Sarkozy erklärte, er wolle den Franzosen ihre nationale Identität und ihren Stolz zurückgeben (FAZ, 8.5.2007). 36

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1 kung des deutschen Standorts eine aktive Clusterpolitik für Landsysteme not- 2 wendig, bei der eine Verzahnung von Industrie, Forschung und Politik erfolgt, die 3 über eine bloße Konzentration von Industriefähigkeiten hinausgeht. Darüber hi- 4 naus sollte auf einen »Lead System Integrator« hingewirkt werden. 5 Um einen integrationsfähigen deutschen Landindustrieverbund zu erreichen, 6 ist eine landsektorspezifische Industriepolitik notwendig, die mehr ist als ein blo- 7 ßes ad-hoc Reagieren auf einzelne Ereignisse. Leider ist staatliche Industriepoli- 8 tik allzu oft auf eine Konservierung überholter Industriestrukturen gerichtet. In- 9 dustriepolitik im Sinne einer zukunftsfähigen Weichenstellung bedeu tet dagegen, 10 vor allem die Rahmenbedingungen für die gewünschte industrielle Produktion, 11 die technologische Kernkompetenz und den weltweiten Vertrieb zu konzipieren. 12 Fördermittel sollten auf Bereiche konzentriert werden, die der deutschen Indus- 13 trie ein Alleinstellungsmerkmal ga rantieren. 14 Darüber hinaus müssen die eigenen nationalen Interessen – wenn sie denn de- 15 finiert sind – auch in ein strategisches Konzept eingebettet werden, wie dies in 16 vergleichbaren Partnerländern erfolgreich praktiziert wird. Frankreich und Groß- 17 britannien haben ihre Industriepolitik in den letzten Jahren neu konzipiert und sich 18 damit in Europa strategisch positioniert (Ministère de la Défense 2004; Ministry 19 of Defence UK 2002, 2003). Wenn Deutschland jedoch weder Führungsambitionen 20 hat, noch ein strategisches Konzept verfolgt, ist es solchen Konkurrenten nicht 21 gewachsen. Industriepolitik ist auch Interessenpolitik. Es reicht nicht, dass ge- 22 meinsame Programme gut für Europa und die ESVP sind. Sie müssen auch gut 23 für den Standort Deutschland, für seine Technologie, Industrie und Beschäfti gung 24 sein und sich für den deutschen Steuerzahler rechnen. Deshalb sollten die Kom- 25 petenzen der Landsystemindustrie als nationale Assets begriffen, die priorisier- 26 ten Kernfähigkeiten gefördert und in Leuchtturmprojekten umgesetzt werden. 27 Strategische Planung nationaler Interessen ist in Nachkriegsdeutschland wegen 28 des Machtmissbrauchs der Nazis in Misskredit geraten112. Aus mindestens zwei 29 Gründen wäre es aber heute für Deutschland notwendig, seine nationalen, strate- 30 gischen Interessen in angemessener Weise auf internationaler Ebene zur Geltung 31 zu bringen. Zum einen werden im Rahmen der GASP Zielvorstellungen für eine 32 gemeinsame europäische Rüstungsindustrie definiert, und dabei sollten auch die 33 34 112 Im Unterschied zur ideologisch-theoretischen Ebene wurde in der Praxis sehr wohl Industriepoli- 35 tik betrieben, z.B. von Franz-Josef Strauss in Bayern, der die Luft- und Raumfahrt in Oberbayern 36 angesiedelt hat.

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deutschen Interessen gebührend berücksichtigt werden. Zum anderen eröffnen 1 strate gische Technologien ökonomische und politische Optio nen. In Frankreich 2 gibt es einen breiten nationalen Konsens, sowohl in Bezug auf die Sicherheits- 3 und Verteidigungspolitik als auch in Bezug auf die rüstungsbezogene Industrie- 4 politik. Dieser nationale Konsens zwischen allen Parteien der Linken und der 5 Rechten beruht auf dem gemeinsamen Bestreben, die führende Rolle Frankreichs 6 zu erhalten und die französischen Interessen in Europa zu sichern (Serfati 2001). 7 Das verdeutlicht Deutschlands Nachteil gegenüber seinen europäischen Part- 8 nern, die gleichzeitig auch Konkurrenten sind. Da Politik – auch internationale Po- 9 litik – immer Kampf um und Vertretung von Interessen ist, gereicht eine nicht sys- 10 tematisch vorbereitete, spontane ad hoc Politik oftmals zum Schaden des Landes. 11 Beispiel für eine solche ad-hoc Politik war die Reaktion auf den angekündigten 12 Rückzug von DaimlerChrysler aus der EADS im Sommer 2006. Sofort wurden in 13 der Bundesregierung Stimmen laut, die staatliche KfW möge einspringen, damit 14 das deutsch-französische Gleichgewicht im Konzern erhalten bleibe113. Richtiger 15 wäre es dagegen, erst mal zu fragen, ob und was Deutschland strategisch mit der 16 Luft- und Raumfahrt vorhat und welche industriepolitische Rolle die EADS dabei 17 spielen soll. Aber ein solches strategisches Konzept gibt es nicht. 18 Seit Bundeskanzler Schröder das bisher vermiedene Wort von den »deutschen 19 Interessen«114 öffentlich ausgesprochen hat, behaupten zwar immer wieder ein- 20 zelne Politiker, dieser oder jener Auslandseinsatz der Bundeswehr sei »im deut- 21 schen Interesse«. Doch was diese deutschen Interessen in Europa und in der Welt 22 wirklich sind und auf welchen Feldern sich Deutschland strategisch positionieren 23 sollte, bedürfte einer eingehenden Analyse und öffentlichen Debatte, um dazu 24 auch einen nationalen Konsens zu erreichen. Zu beantworten wären grundlegen- 25 de Fragen, die bisher in diesem Lande nicht einmal gestellt worden sind. Was sind 26 beispielsweise die vitalen Interessen Deutschlands, für die es überhaupt verant- 27 wortbar wäre, das Leben deutscher Soldaten zu riskieren? Liegen diese Interes- 28 sen tatsächlich im Kongo oder im Libanon? Immerhin meint eine Mehrheit des 29 Volkes, dass diese Auslandseinsätze der Bundeswehr den deutschen Interessen 30 31 32 113 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.11.2006. 114 Der Thüringen-Monitor der Universität Jena, der im Auftrag der Staatskanzlei die politischen Ein- 33 stellungen Werthaltungen der Bürger erfragt, macht rechtsextremistische Haltungen u.a. an fol- 34 gender Aussage fest: »Was unser Land braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deut- scher Interessen gegenüber dem Ausland«. 60% der repräsentativ befragten Thüringer bejahten 35 diese Aussage. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2006. 36

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1 eher schaden als nützen115. Wie soll das künftige Europa, die ESVP oder ein eu- 2 ropäischer Rüstungsmarkt strukturiert werden, dass dabei auch die deutschen In- 3 teressen gebührend berücksichtigt werden und die Dominanz eines anderen Staa- 4 tes verhindert wird? Ein strategisches Konzept nationaler Interessen bedarf einer 5 professionellen Analyse, wie sie auch Bundespräsident Köhler anmahnt116, und 6 zwar in einer institutionalisierten Form. Unregelmäßig tagende Beraterkreise und 7 unverbindliche Gesprächsforen einzelner Ministerien reichen dafür nicht aus. 8 Das neue Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums wäre eine gute Ge- 9 legenheit für den Beginn einer solchen Debatte gewesen. Schließlich hatte der Mi- 10 nister die Absicht, auch die spezifisch deutschen Sicherheitsinteressen zu defi- 11 nieren. Doch entscheidende, wenn auch zaghafte Formulierungen in diese Richtung 12 im Entwurf seien vom Kabinett für die Endfassung getilgt oder verändert wor- 13 den117. Immerhin konstatiert das Weißbuch, dass Deutschland aufgrund seiner 14 Größe, seiner Bevölkerung, seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner geografi- 15 schen Lage im Herzen des Kontinents eine zentrale Rolle bei der Gestaltung 16 Europas zukommt. »Deutschland … ist entschlossen, den Zugewinn an Freiheit 17 und Gestaltungsraum in einer Welt der Globalisierung zu nutzen und krisenhaf- 18 ten Entwicklungen, die seine Sicherheit beeinträchtigen, … entgegenzutreten«. 19 Unter den »Interessen unseres Landes« werden jedoch zunächst hauptsächlich all- 20 gemeine Werte wie Demokratie, Wohlfahrt, Souveränität, Menschenrechte auf- 21 gezählt und erst als letztes auch die Förderung des »freien und ungehinderten Welt- 22 handels« genannt. Die deutlichste Formulierung lautet: »Von strategischer 23 Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und Europas ist eine sichere, nachhalti- 24 ge und wettbewerbsfähige Energieversorgung« (Bundesministerium der Vertei- 25 digung 2006). Diese eher allgemeinen Interessen dürften sich jedoch kaum von 26 den Interessen Frankreichs oder der Niederlande unterscheiden; es sind gemein- 27 same europäische Interessen. Was also sind die spezifisch deutschen Interessen in 28 diesem Prozess? Oder gibt es die nach Meinung der Bundesregierung gar nicht? 29 30 115 Nach einer Umfrage von TNS Infratest für den Spiegel sagten 42% der Befragten, dass die Aus- 31 landseinsätze den deutschen Interessen eher nützen. 46% sagten, dass sie eher schaden. Der Spie- 32 gel 45/2006, S. 32. 116 »Diese Debatte (über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik) braucht klare Analysen, wel- 33 che deutschen Interessen es zu schützen und zu fördern gilt, vor welchen Herausforderungen und 34 Bedrohungen wir dabei stehen, auf welche Ressourcen wir zählen können, wie wir vorgehen und welche Rolle dabei die Bundeswehr übernimmt.« Bundespräsident Horst Köhler, Kommandeur- 35 tagung der Bundeswehr in Bonn am 10.10.2005 (Bundesministerium der Verteidigung 2006). 36 117 Der Spiegel, Nr. 42, 16.10.2006; Bernhard Gertz, Berliner Zeitung, 23.10.2006.

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Schließlich wurde im außenpolitischen Diskurs unseres Landes lange Zeit be- 1 hauptet, aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit dürfe es kein »natio- 2 nales Interesse Deutschlands« geben118 bzw. die nationale Politik Deutschlands 3 dürfe nur die universellen Interessen wie Frieden, Entwicklung, Umweltschutz, 4 Menschenrechte, Armutsbekämpfung etc. verfolgen, anstatt internationale Poli- 5 tik im nationalen Interesse zu betreiben, wie dies alle Nachbarstaaten zielstrebig 6 tun (Küchle 2005). 7 Ein Blick nach Großbritannien oder Frankreich zeigt, dass es dort für die Kon- 8 zipierung der nationalen, strategischen Ziele statt der in Deutschland üblichen ad- 9 hoc Politik bewährte Institutionen gibt. Bemerkenswert ist das direkt beim fran- 10 zösischen Premierminister angesiedelte Secrétariat Générale de la Défense 11 Nationale (SGDN), das alle Ministerien koordiniert, die bei der konkreten Pro- 12 blematik involviert sind. Darüber hinaus kontrolliert das SGDN die Rüstungsex- 13 porte und beschäftigt sich mit industriepolitischen Fragen. Ähnliche Institutionen 14 gibt es in Großbritannien in Form der Prime Minister’s Strategy Unit oder in 15 USA in Form des National Security Councils (Küchle 2005). 16 In Deutschland fehlt eine solche Institution gänzlich. Die verschiedenen Mi- 17 nisterien werden dieser Aufgabe kaum gerecht. Es gibt keine Querschnittsabtei- 18 lung, keinen interministeriellen Ausschuss, der die militärstrategischen, sicher- 19 heitspolitischen und industriepolitischen Experten der verschiedenen Ministerien 20 zusammenführt. Es gibt auch keinen Koordinator für die gesamte wehrtechnische 21 Industrie im Bundeskanzleramt, der eine Klammer zwischen den involvierten Res- 22 sorts schaffen könnte (Küchle 2005). 23 Notwendig ist ein gesondertes Gremium, das mehr als eine bloß informelle 24 Abstimmung leistet. Am praktikabelsten wäre es, den bereits bestehenden Bun- 25 dessicherheitsrat auszu bauen und seine Kompetenzen zu erweitern. In seiner heu- 26 tigen Form als Kabinettsausschuss fehlen ihm ein eigenes Budget, ein ausrei- 27 chender administrativer Un terbau, ein hauptamtlicher Sekretär, der sich 28 ausschließlich dieser Arbeit widmet, und ein permanenter Stab, der auch lang- 29 fristig-strategische Fragen vorbereiten und Gutachten in Auftrag geben könnte. 30 Dieser erweiterte Bundessicherheitsrat müsste ho rizontal und vertikal mit den ein- 31 schlägigen Ressorts und den politischen Entscheidungs- und Handlungsebenen 32 vernetzt werden. Die Ver netzung der Kabinettsebene, der Staatssekretärsebene 33 34 35 118 Bundesaußenminister Fischer lehnte es dezidiert ab, nationale Interessen der deutschen Außenpo- litik zu definieren (Der Spiegel, 2001). 36

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1 und der Ar beitsebene wäre ein entscheidender Fortschritt, da diese bisher nur locker 2 kooperieren und über kein gemeinsames Sekretariat verfügen (Meier-Klodt 2002). 3 Auf diese Weise könnte der Bundessicherheitsrat als Ressort übergreifendes 4 Organ eine Struktur gewährleisten, durch die alle relevanten Akteure nicht nur im 5 Krisenfall effizient zusammenarbeiten, sondern sich auch auf langfristige Ziel- 6 vorgaben und grundsätzliche Entscheidungskriterien verständigen. Auch die Ent- 7 scheidungskompetenz über Rüstungsexporte sollte hier angesiedelt werden. 8 Ein industriepolitisches Konzept, das den strategischen nationalen Interessen 9 gerecht wird, müsste insbesondere die Bereiche Exportpolitik, Offsets und Tech- 10 nologiepolitik neu ausrichten, da sich hier schwere Wettbewerbsnachteile für die 11 deutschen Unternehmen insbesondere der Heeresindustrie ausmachen lassen: 12 Exportpolitik: Wenn eine rüstungsindustrielle und -technologische Basis im 13 nationalen Interesse ist, muss diese auch durch entsprechende Aufträge aus- 14 gelastet werden. Größere und kontinuierlichere Beschaffungen des Staates 15 bzw. Aufträge an die Unternehmen sind aber wegen der bekannten Haus- 16 haltszwänge auf absehbare Zeit kaum möglich. Darunter leidet insbesondere 17 die Landsystemtechnik, da sie nur noch einen geringen Teil der investiven 18 Mittel erhält. Umso stärker müssen andere Instrumente ergänzend genutzt wer- 19 den. Die Privatisierung der Instandhaltung (HIL) kann zu einer besseren Grund- 20 auslastung bestimmter Unternehmen beitragen. Auch Polizei, Feuerwehr, Ret- 21 tungsdienste, das Technische Hilfswerk (THW) und andere Organisationen 22 des Katastrophen- und Zivilschutzes, die mit Innerer Sicherheit zu tun haben, 23 könnten wegen des zunehmend wichtiger werdenden Schutzfaktors der Rüs- 24 tungsgüter und ihres dual-use Charakters auch verstärkt Auftraggeber der Hee- 25 resindustrie werden. Dafür sollten Industriepotenziale geöffnet werden. Die 26 größten Möglichkeiten, die zu geringen Inlandsaufträge zu kompensieren, lie- 27 gen jedoch im internationalen Geschäft. 28 Deutschland betreibt jedoch nicht nur keine Exportförderung wie Frank- 29 reich und Großbritannien (Secretary of State for Defence 2005; S. 46 ff), son- 30 dern ist in der praktischen Anwendung seiner exportpolitischen Grundsätze 31 deutlich restriktiver als seine europäischen Partner. Dadurch werden die Wett- 32 bewerbsbedingungen in Europa verzerrt und zwar einseitig zulasten der deut- 33 schen Unternehmen und ihrer Beschäftigten. Da ausländische Kooperations- 34 partner nicht an einer Arbeitsteilung interessiert sind, die von der restriktiven 35 deutschen Genehmigungspraxis abhängt, haben deutsche Unternehmen auch 36 geringere Chancen, bei grenzüberschreiten den Kooperationsprojekten betei-

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ligt zu werden. Darüber hinaus könnte nur eine gemein same Restriktionspo- 1 litik aller europäischen Rüstungsexporteure die Belieferung unerwünschter 2 Empfänger mit Waffen wirksam einschränken, nicht aber ein gegenseitiges 3 Ausspielen (Küchle 2005). Die Bundesregierung sollte deshalb die notwen- 4 dige Harmonisierung der Exportpolitik nicht länger von der europaweiten 5 Über nahme des deutschen Restriktionsniveaus abhängig machen. 6 Im Unterschied zum Ausland werden in Deutschland Rüstungsexporte nicht 7 als Instrument der Beschäftigungspolitik akzeptiert. Wenn die Beschaffungen 8 der Bundeswehr aber zurückgefahren werden, ist dieser Grundsatz revisions- 9 bedürftig. Die Unternehmen fordern deshalb 10 • bei zwischenstaatlichen Regierungsgeschäften unterstützt zu werden, 11 • bei der Darstellung ihrer Fähigkeiten im Ausland, insbesondere bei aus- 12 ländischen Messen, Foren und Symposien, aktiv gefördert zu werden, 13 • die Beteiligung auch der Bundeswehr an diesen Messen systematisch 14 auszubauen, um ausländische Kunden von der Überlegenheit ihrer Rüs- 15 tungsgüter zu überzeugen. 16 Darüber hinaus ist die deutsche Rüstungsexportpolitik in sich widersprüch- 17 lich. So werden deutsche Waffen seit vielen Jahren und in großem Umfang 18 nach Israel geliefert, obwohl der Nahe Osten eines der akutesten Spannungs- 19 gebiete der Welt ist, in die deutsche Waffen gemäß den Richtlinien eigentlich 20 nicht exportiert werden dürfen. Dennoch erklärte Bundeskanzler Schröder im 21 Bundestag: »Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was 22 es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es 23 dann, wenn es gebraucht wird« (Nassauer und Steinmetz 2003; S. 7). 24 Dieser Widerspruch wäre auflösbar, wenn sich die Bundesregierung zu 25 einer expliziten Rüstungsdiplomatie entschlösse. Dabei müsste der Rüs- 26 tungsexport unter Beachtung des europäischen Verhaltenskodex in die Palet- 27 te außenpolitischer Handlungsparameter integriert werden, denn »Rüstungs- 28 exportpolitik ist weltpolitische Standortbestimmung« (Richter 2004; S. 1). 29 Wenn die Existenz Israels tatsächlich im nationalen Interesse Deutschlands 30 liegt, dann ist es selbstverständlich richtig, Israel nach Kräften mit Waffenex- 31 porten zu unterstützen, auch wenn der Nahe Osten ein Krisengebiet ist. Um- 32 gekehrt muss verhindert werden, dass Länder deutsche Waffen erhalten, die 33 deutschen Interessen zuwiderhandeln – auch wenn sie nicht in einem Krisen- 34 gebiet liegen. 35 36

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1 Im Rahmen einer solchen Rüstungsdiplomatie, wie sie auch von den Verbün- 2 deten betrieben wird, könnte der Export in befreundete Staaten dazu beitra- 3 gen, Einfluss in der Welt zu nehmen, deutsche Interessen zu verfolgen, die 4 Stückkosten zu senken119 und die als notwendig erachteten Kernkompeten- 5 zen und -kapazitäten im Inland zu erhalten. 6 Offsetpolitik: Zweifellos sind Offsets ein nichtmarktwirtschaftliches, protektion- 7 istisches In strument, das gerade innerhalb Europas nicht mehr angewandt wer- 8 den sollte. Dies müsste dann aber für alle Partner gleichermaßen gelten – an- 9 dernfalls wird nur der Wettbewerb verzerrt. Deutschland ist nach einer 10 amerikanischen Studie das einzige Land, das keine offizielle Offsetpolitik hat. 11 Allerdings berücksichtige der Bundestag bei Käufen über 25 Millionen Euro 12 gelegentlich den »industriellen Nutzen« (Zakheim, Weinberger und Sakazaki 13 2000; S. 82). Offsets könnten erhebliche positive Beschäftigungswirkungen 14 in der unterausgelasteten deutschen Wehrtechnik haben und zur Sicherung not- 15 wendiger Kernkapazitäten beitragen. Insbesondere bei Rüstungskäu fen in USA 16 – es handelt sich hierbei um eine Einbahnstraße – könnten im Gegenzug für 17 importierte Waffensysteme amerikanische Aufträge an deutsche Unternehmen 18 verlangt werden. 19 Da die meisten europäischen Länder eine systematische Offsetpolitik be- 20 treiben, sollte auch Deutschland bei seinen Importen auf Kompensationen be- 21 stehen, zumal die deutschen Unternehmen bei ihren Exportgeschäften in an- 22 dere Länder in der Regel hohe Offsets in Kauf nehmen müssen. Eine 23 industriepolitische Benachteiligung deutscher Unternehmen gegenüber der 24 ausländischen Konkurrenz ergibt sich auch dadurch, dass sie weder bei he- 25 reinkommenden (incoming) noch bei zu leistenden (outgoing) Offsets staat- 26 liche Unterstützung erhalten wie in Großbritannien und Frankreich. 27 Die EDA entwickelt z.Z. Denkmodelle, wie man es den kleinen europäi- 28 schen Ländern ermöglichen könnte, auf Offsets zu verzichten, ohne deshalb 29 industrielle Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Diese Vorschläge sollten 30 von der Bundesregierung unterstützt werden. 31 32 33 119 Zu einer »defense diplomacy« würde auch gehören, dass die deutschen Botschaften im Aus land 34 sich dieser Aufgabe stellen, anstatt sich ihnen zu verweigern. Im Unterschied zur Praxis in ande- 35 ren Staaten sind die deutschen Bot schaften angewiesen, nicht akquisitorisch tätig zu werden. 36

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Art. 296: Die Bundesregierung sollte in Europa für gleiche ordnungs politische 1 Grundprinzipien und gleiche Wettbewerbsbedingungen eintreten. Diese sind 2 unabdingbar für eine faire grenzüberschreitende Partnerschaft und Vorraus- 3 setzung für die notwendige Integration der nationalen Rüstungsmärkte zu 4 einem europäischen Rüstungsmarkt, der von ökonomischer Rationalität ge- 5 leitet ist. Artikel 296 EG-Vertrag verhindert aber, dass die Angebotsseite mit 6 ihren europaweiten Überkapazitäten, Doppelentwicklungen und zu kleinen 7 Produktionsserien endlich im Interesse der Steuerzahler rationalisiert wird und 8 dass die unrentablen, am staatlichen Tropf hängenden Betriebe umstrukturie- 9 ren oder zugunsten der leistungsfähigen Unternehmen durch freien Wettbe- 10 werb aus dem Marktprozess ausscheiden müssen. 11 § 7 AWG: Der geänderte § 7 Außenwirtschaftsgesetz ist von zentraler Be- 12 deutung für die nationale Konsolidierung und eine spätere Neustruk turierung 13 des europäischen Rüstungsmarktes und die Rolle Deutschlands in einer ESVP. 14 Die wichtigsten Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung, nämlich Auf- 15 tragsvergabe, Forschungsmittel und Exportrestriktionen, greifen bei allen Un- 16 ternehmen in Deutschland gleichermaßen unabhängig davon, ob sie in aus- 17 ländischem oder deutschem Besitz sind. Allerdings besteht die Gefahr, dass 18 die ausländische Mutter langfristig wichtige Technologien und Arbeitspakte 19 an den ausländischen Standort verlagert. Problematisch sind nicht nur Fi- 20 nanzinvestoren aus Übersee, die die Perlen der deutschen Landindustrie auf- 21 kaufen könnten. Auch feindliche Übernahmen durch Staatsbetriebe europäi- 22 scher Partnerländer können zu einem für Deutschland ungünstigen Ergebnis 23 führen. Es gilt auch zu verhindern, dass ein künftiger europäischer Rüstungs- 24 sektor von einem National staat dominiert wird und deutsche Unternehmen 25 dabei trotz techno logischer Führungsposition zum Juniorpartner degradiert 26 werden. Zumindest sollte man den eigenen strategischen Zielen und Interes- 27 sen zuwiderlaufende Entwicklungen verhindern können. Die Meldepflicht mit 28 der Möglichkeit einer Untersagung kann dazu dienen, vom ausländischen Käu- 29 fer Zusagen etwa zur Versorgungssicherheit, zur Einhaltung bestimmter Lie- 30 ferverträge oder zum Erhalt bestimmter technologischer Fähigkeiten und Ar- 31 beitsplätze fest zu schreiben. Der § 7 ist eine notwendige Voraussetzung für 32 die Mitgestaltung europäischer Prozesse, reicht aber bei weitem nicht aus, 33 denn Blockieren ungewollter Entwicklungen kann aktives Gestalten und ver- 34 antwortliches politisches Handeln nicht ersetzen. Das Hauptproblem besteht 35 nicht in der Schaffung formeller Gesetze, sondern vielmehr darin, dass die Re- 36

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1 gierung wissen muss, was sie in Europa will und dass sie zur Umsetzung deut- 2 scher Interessen die geeigneten Strategien und Instrumente entwickelt und 3 dass sie willens ist, diese auch einzusetzen. Dies ist zwar bei Atlas Elektro- 4 nik, aber nicht beim Verkauf der strategisch wichtigen MTU Friedrichshafen 5 an einen ausländischen Finanzinvestor geschehen, die ein wichtiges Glied in 6 einem deutschen Industrie- und Forschungsverbund wäre. Mit der Entschei- 7 dung der Regierung der Großen Koalition, den Verkauf von MTU Fried- 8 richshafen an einen skandinavischen Finanzinvestor nicht zu untersagen bzw. 9 mit Auflagen zu versehen, wurde ein industriepolitisch und verteidigungspo- 10 litisch falsches Signal gesetzt. 11 Technologiepolitik: Der dual-use-Charakter vieler Hochtechnologieprodukte 12 und deren Anpas sung an militärische Erfordernisse bietet das Potenzial zu 13 erheb lichen Kosteneinsparungen und könnte zu einer Verkürzung der Inno - 14 vationszyklen führen. Viele Entwicklungen wehrtechnischer Systeme im Be- 15 reich der Heerestechnik bewegen sich inzwischen in Nischen mit Stückzahlen 16 und Umsatzvolumina im kritischen Bereich der dauerhaften Überlebens - 17 fähigkeit. Angesichts der fiskalischen Situation könnten deshalb mit Blick auf 18 die vorzüglichen Fähigkeiten der deutschen Industrie im zivilen Bereich »um- 19 gekehrte spin-offs« gesucht und gefördert werden. So ließen sich z. B. die Mi- 20 krosystemtechnik und die optischen Technologien, aber auch die modernen 21 Fertigungstechnologien und betrieblichen Organisations formen produkt- und 22 prozessorientiert auf den Bereich der Wehrtechnik über tragen bzw. für »smar- 23 te« Technologien und Produkte der wehrtech nischen Zukunft nutzbar machen. 24 Der hohe ingenieurwissenschaftliche Stand der deutschen gepanzerten 25 Fahrzeuge und insbesondere ihr außergewöhnlich hohes Schutzniveau sollte 26 für Fördergelder aus dem 7. Forschungsrahmenplan der EU genutzt werden. 27 Ansatzpunkte dafür könnten Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Infor- 28 mations- und Kommunikationstechnologien, der Nanotechnologie, alternati- 29 ver Materialien, neuer Produktionstechnologien, der Energie und des Trans- 30 ports sein. Damit könnte evtl. der sich aus den hohen Aufwendungen ergebende 31 hohe Preis deutscher Fahrzeuge gedrückt werden, der sich als hinderlich für 32 den Verkauf in (auch europäische) Länder erweist, die dem Schutz ihrer Sol- 33 daten weniger Bedeutung beimessen. Andernfalls könnte sich die schlechte- 34 re, aber billigere Ausrüstung europaweit durchsetzen. 35 Im Rahmen ihrer neuen »Hightech-Strategie« will die Bundesregierung 36 bis 2009 14,6 Mrd. € in Forschung und Entwicklung investieren und damit

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bis zu 1,5 Mio. Arbeitsplätze schaffen. Dies soll Auftakt für eine neue Inno- 1 vationspolitik sein, die über alle Ressorts hinweg eine nationale Strategie ent- 2 wickelt, um Deutschland wieder an die Spitze der wichtigsten Zukunftsmärkte 3 zu führen. Dabei sollen die bisher getrennten Welten von Wissenschaft und 4 Wirtschaft überwunden werden. Eine bessere Kooperation beider Bereiche 5 soll Innovationen schneller in marktfähige Produkte umwandeln (Bundesmi- 6 nisterium für Bildung und Forschung 2007). 7 Parallel dazu bereitet die Bundesregierung ein »Nationales Sicherheits- 8 forschungsprogramm« vor, da die Sicherheitsforschung bisher unkoordiniert 9 und auf Sparflamme betrieben worden ist. Das Programm wird mit 20 Mio. € 10 jährlich ausgestattet und soll ausgerichtet sein auf Terrorbekämpfung, orga- 11 nisierte Kriminalität, Großunfälle und Naturkatastrophen. Das Programm soll 12 zwar zivil sein, aber von der Wehrforschung profitieren und vor allem in neu- 13 artige Technologien investieren. Gedacht wird dabei an Geräte zur Detektion 14 von Sprengstoffen und Bio-Erregern, Überwachungsroboter, vollintegrierte 15 Flughafenschleusen, biometrische Sensoren, Trägersysteme für Sensoren, Po- 16 lizeiuniformen mit Stressmeldern (Bundesministerium für Bildung und For- 17 schung 2007) . 18 Dafür gilt es, auch europäische Mittel abzuschöpfen, da auch die EU ab 19 2007 jährlich 190 Mio. € in die Sicherheitsforschung investieren will120. 20 Zusätzlich sollte auf eine Verzahnung des European Security Research Pro- 21 grammmes (ESRP) und der nationalen F&T-Programme gedrungen werden, 22 damit eine Überlappung der deutschen und europäischen F&T- Ziele und damit 23 eine Minimierung der Eigenbeteiligung erreicht wird. Bei der Festlegung der 24 nationalen F&T Schwerpunkte sollte deshalb eine Abstimmung mit europäi- 25 schen Programmen eine entscheidende Rolle spielen. 26 Die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der wehrtechnischen Industrie hängt 27 auch in besonderem Maße von der Ausbildung hochqualifizierter gewerblicher 28 Mitarbeiter und der Qualifikation des technisch-wissenschaftlichen Nach- 29 wuchses ab. Entwurf und Konzeptionsphase komplexer technischer Systeme 30 müssen dabei ebenso erstklassig personell ausgestattet sein wie Konstruktion, 31 Fabrikplanung, Fertigungstechnik und schließlich Erprobung und Instandhal- 32 tung. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland für eine in dieser Form 33 und Qualifikation einzigartige Facharbeiterschaft in Verbindung mit einer seit 34 35 120 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.9.2006. 36

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1 über 100 Jahren weltweit hochangesehenen Ingenieurausbildung an führen- 1 2 den Universitäten und technischen Hochschulen darf deshalb nicht nach dog- 2 3 matischem Belieben zugunsten sogenannter Bachelor- und Masterabschlüsse 3 4 zur Disposition gestellt werden. Der in der Industrie allseits beklagte Inge- 4 5 nieurmangel ist bereits ein gravier endes Symptom einer jahrelangen verfehl- 5 6 ten Bildungspolitik, die in der Vernach lässigung der Meisterausbildung leider 6 7 ihre Entsprechung findet. 7 8 Aufgrund der Langfristigkeit und Komplexität vieler wehrtechnischer Sys- 8 9 teme und Produkte ist die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie 9 10 die Implementierung neuer Technologien auch unter marktgerechten ord- 10 11 nungspolitischen Rahmenbedingungen auch in Zukunft von staatlicher und 11 12 internationaler Förderung abhängig. Die fehlende strategische Ausrichtung, 12 13 Bündelung und Durchsetzung vitaler deutscher Interessen hat in der Techno- 13 14 logiepolitik auf europäischer Ebene zu geradezu unhaltbaren Zuständen ge- 14 15 führt. Die EU-Kommission lenkt strate gische Forschungs- und Technologie- 15 16 felder in Mitgliedsstaaten, deren Indu stri ali sierung gerade erst vom deutschen 16 17 Steuerzahler finanziert worden ist, und gleichzeitig bringt die Repräsentanz 17 18 einzelner Bundesländer und Kleinstaaten in Brüssel ständige Nachteile im Ver- 18 19 teilungskampf gegen zentralistisch organisierte Nationalstaaten.Vom Techno- 19 20 logieabfluss ist die deutsche wehrtechnische Industrie genauso betroffen wie 20 21 von ungleichen Wettbewerbsbedingungen auf den Absatz märkten innerhalb 21 22 der EU und darüber hinaus (AK »Wehrtechnik und Arbeitsplätze in der IG 22 23 Metall« 2006). 23 24 Fazit: Grundlegende Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit der deutschen 24 25 Heeresindustrie in Europa ist vor allem ein starker, attraktiver nationaler Stand- 25 26 ort, so dass zum Zwecke von grenzüberschreitenden Allianzen auf gleicher Au- 26 27 genhöhe verhandelt werden kann. Dies bedeutet aber auch, selbstbewusster in 27 28 Europa aufzutreten, die eigenen Interessen in diesem Prozess zu definieren, sie 28 29 strategisch vorzu bereiten, finanziell zu unterfüttern und politisch durchzusetzen. 29 30 Sollte es nicht gelingen, eine klare industriepolitische Perspektive zu formulieren 30 31 und zu praktizieren, wird sich Deutschland den Fakten ausgesetzt sehen, die an- 31 32 dere Regierungen und internationale Rüstungsunternehmen geschaffen haben. 32 33 33 34 34 35 35 36 36

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Hilmes, Rolf. 2004a. »Gepanzerte Fahrzeuge für neue Aufgaben.« Soldat und 1 Technik, März, Seiten 16-23. 2 Hilmes, Rolf. 2004b. »Systemtechnik in der Panzerentwicklung.« Soldat und Tech- 3 nik, Juli, Seiten 25 – 31. 4 Ibbeken, Peter. 2003. »Schutz und Abstandsfähigkeit durch Wirkmittel mit hoher 5 Präzision.« Ausrüstung für Soldaten in zukünftigen Einsätzen. Mannheim, 6 10. und 11. November 2003. 7 IPA. 2006. AFV Study. Study on European industrial strength, capabilities, inter- 8 ests and market opportunities in and outside Europe in the area of Ar- 9 moured Fighting Vehicles (AFVs) – unveröffentlicht. Berlin, IPA Network 10 International Public Affairs GmbH, 13 February. 11 James, Andrew D. 1998. Post-merger strategies of the leading US defence aero- 12 space companies. Stockholm. 13 Keip, Eckehardt. 2004. »Wirtschaftlichkeit und Finanzierung (Vortrag).« Berliner 14 Agenda ‘Sicherheit & Verteidigung im 21. Jahrhundert’. Berlin, September. 15 Kerber, Markus C. (Hrsg.). 2002. Zur Lage der Heeresindustrie in Europa. Texte 16 und Materialien zur gewerkschaftlichen und sicherheitspolitischen Diskus- 17 sion. Frankfurt am Main: IG Metall. 18 Kersten, Sandra und Hilmes, Rolf. 2003. »Aspekte zum Einsatz gepanzerter 19 Fahrzeuge in zukünftigen Szenarien – Anforderungen an die Auslegung 20 zukünftiger gepanzerter Fahrzeuge.« Ausrüstung für Soldaten in zukün- 21 ftigen Einsätzen. Mannheim, 10. und 11. November 2003. 22 Kiss, Yudit. 1999a. Regional and employment consequences of the defence in- 23 dustry transformation in East Central Europe. Geneva. 24 Kiss, Yudit. 1999b. The Transformation of the Defense Industry in Hungary. Bonn. 25 Kogan, Eugene. 2005. European Union enlargement and its consequences for Eu- 26 rope's defence industries and markets. Paper 40. Bonn, BICC. 27 Küchle, Hartmut. 2001. Rüstungsindustrie im Umbruch. Strategien deutscher Un- 28 ternehmen und Ansätze einer europäischen Neuordnung. Baden-Baden: 29 Nomos Verlagsgesellschaft. 30 Küchle, Hartmut. 2004. Rüstungsindustrie transatlantisch? Chancen und Risiken 31 für den deutschen Standort. Düsseldorf: Edition der Hans-Böckler-Stif- 32 tung 131. 33 Küchle, Hartmut. 2005. Neustrukturierung des deutschen Rüstungsmarktes als in- 34 dustriepolitische Aufgabe. Düsseldorf: Edition der Hans-Böckler-Stiftung 35 135. 36

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1 Küchle, Hartmut. 2006. »Rüstungsunternehmen zwischen Konversion und strate- 2 gischer Industriepolitik.« In: A. Heinemann-Grüder (Hrsg.), Konversion 3 und Konflikttransformation. Fernuniversität Hagen, S. 89 – 106. 4 Küchle, Hartmut. 2006. The cost of non-Europe in the area of security and de- 5 fence. Brüssel: Europäisches Parlament. 6 Küllmer, Michael. 2007. Die Umgestaltung der europäischen Streitkräfte: Poli- 7 tik, Wirtschaft und Technologie. Baden-Baden: Nomos, im Erscheinen. 8 Lange, Sascha. 2005. Neue Bundeswehr auf altem Sockel. Berlin. 9 Lepper, Karsten. 2005. »Bedeutung und Leistungen der wehrtechnischen Indus- 10 trie.« In: G. Hubatschek (Hrsg.), Bundeswehr. 50 Jahre Wehrtechnik und 11 Ausrüstung. Bonn: Report Verlag, S. 158 – 165. 12 Liechtenauer, Bernhard und Kiesewetter, Roderich. 2006. »Schutz und Wirkung 13 für das Heer im Einsatz.« Strategie und Technik, Nr. 3, September 2006, 14 Seiten 2 – 7. 15 Markusen, Ann. 1998. »The Post Cold War Defense Industrial Challenge: Amer- 16 ican and European Responses.« In: J.-P. Maulny und Caillaud, F.-E. (Hrsg.), 17 Europe/États-Unis: cooperations et compétitions dans le domaine des sys- 18 tèmes de défense et des hautes technologies. La documentation fran- 19 caises. 20 Meier-Klodt, Cord. 2002. »Einsatzbereit in der Krise? Entscheidungsstrukturen 21 der deutschen Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand.« SWP-Studie, S 34, 22 Seiten 21. 23 Meuter, Thomas. 2006. »Das Radfahrzeugsystem Gefas.« Behörden Spiegel, 24 Dezember 2006. 25 Ministry of Defence UK. 2002. »Defence Industrial Policy.« Ministry of Defence 26 Policy Papers, No. 5, Seiten 21. 27 Ministry of Defence UK. 2003. First Review of the Implementation of Defence 28 Industrial Policy. London, Oktober. 29 Nassauer, Otfried und Steinmetz, Christopher. 2003. Rüstungskooperation zwis- 30 chen Deutschland und Israel. Rüstungskooperation zwischen Deutschland 31 und Israel. 32 NATO. 2006. NATO-Russia Compendium of Financial and Economic Data Re- 33 lating to Defence. Press Release 999. URL: 34 www.nato.int/issues/defence_expenditures. 35 Ponomarenko, Anatolij. 1999. Die europäische Orientierung der Ukraine. C 39. 36 Bonn, Zentrum für Europäische Integrationsforschung.

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Porter, Michael E. o.J. »Clusters and the New Economy of Competition.« Har- 1 vard Business Review, Reprint 98609. 2 Project Consult/Syndex. 2004. Die Zukunft der europäischen Verteidigungsin- 3 dustrie – Diskussionsgrundlage für die EMB-Konferenz in Brüssel am 4 10/11. Dezember 2003. Frankfurt am Main. 5 Rauch, Elmar. 2004. Rüstungsmarkt und Europäischer Verfassungsentwurf. Berlin. 6 Richter, Thilo. 2004. Die Rüstungindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht. 7 Nationale Sicherheit im Gemeinsamen Markt. Institut für Öffentliches 8 Recht. Bonn: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. 9 Ripley, Tim. 2005. Western European Industry Ownership Jigsaw. URL: 10 http://defence-data.com/ripley. 11 Rohde, Joachim. 2002. »Zur Rolle von Bundeswehr und Rüstungswirtschaft in 12 einer europäischen Sicherheitspolitik.« Gewerkschaftliche Monatshefte, 13 2-3/2002 »Bundeswehr, Gewerkschaften, Demokratie«, Seiten 114 – 121. 14 Rühle, Michael. 2006. »Sicherheit in Zeiten des Terrors.« Frankfurter Allgemeine 15 Zeitung, 1.2.2006, S. 6. 16 Schmitt, Burkard. 2001. Towards a common European export policy for defense 17 and dual-use items? 18 Secretary of State for Defence. 2005. Defence Industrial Strategy. Defence White 19 Paper. London, UK Ministry of Defence, December 2005. 20 Serfati, Claude. 2001. »The Adaptability of the French Armaments Industry in an 21 Era of Globalization.« Industry and Innovation, Bd. 8, Nr. 2, Seiten 211 – 22 239. 23 Spiegel, Peter. 2005. »Everything's up for grabs – BAE.« Financial Times, 24 Feb. 24 Sommerlatte, Tom. 1998. »Gefährliche Euphorie.« Die Woche, 18.12.1998. 25 Theile, Burkhard. 2003. »Auswirkungen der Streitkräftetransformation auf die 26 Rüstungsindustrie.« Network Centric Capabilities und der Transforma- 27 tionsprozess. Bonn, 4. September. 28 Unisys. 2005. Innergemeinschaftliche Transfers von Verteidigungsgütern. End- 29 bericht der Studie »Bewertung der Gemeinschaftsinitiativen im Zusam- 30 menhang mit dem innergemeinschaftlichen Transfer von Rüstungsgütern«. 31 Brüssel, Europäische Kommission, Februar 2005. 32 US General Accounting Office. 2000. Defense Trade. Contractors Engage in Var- 33 ied International Alliances. GAO/NSIAD-00-213. Washington D.C., GAO, 34 September 2000. 35 36

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1 Volkman, Alfred G. 1997. European Defense Industry Perspectives. The Ameri- 2 can Viewpoint. Accessed: 2.2.1999. URL: 3 www.acq.osd.mil/icp/speeches/volkman_europe.htm. 4 Voll, Hans-Jörg. 2006. »Heeresentwicklung in der Transformation.« Strategie und 5 Technik, Juni, Seiten 10 – 17. 6 Wagner, Hans-Joachim. 2004. »Der Schützenpanzer 3 PUMA: Die Subsysteme.« 7 Wehrtechnik, III/04, Seiten 59-68. 8 Westermann, Harald. 2003. »Schutz und Mobilität bei Auslandseinsätzen – Er- 9 fahrungen und künftige Anforderungen.« Ausrüstung für Soldaten in zukün- 10 ftigen Einsätzen. Mannheim, 10. und 11. November 2003. 11 Wieczorek, Pawel und Zukrowska, Katarzyna. 1996. Conversion in Poland: The 12 Defense Industry and Base Redevelopment. Bonn. 13 Zakheim, Dov S.; Weinberger, Sharon A. und Sakazaki, Melvin. 2000. Export 14 Control and Transatlantic Cooperation: The Implications of U.S.-Euro- 15 pean Negotiations on Export Reform. Arlington, Va, System Planning Cor- 16 poration, 31.12.2000. 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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Gesprächspartner 1 2 3 Allen, Dr. Gary W. US Army Verbindungsoffizier zum BWB. 4 Arnold, Ulli. Prof. Dr., Lehrstuhl Investitionsgütermarketing und Beschaf- 5 fungsmanagement, Universität Stuttgart. 6 Arnold, Rainer. MdB, Sprecher des Sicherheitsausschusses der SPD-Fraktion 7 im Deutschen Bundestag. 8 Barowski, Mark A. Referatsleiter Heeresangelegenheiten. Büro für gemein- 9 same Verteidigungsangelegenheiten der US-Botschaft in Deutschland. 10 Bason, Mark. European Defence Agency, Brüssel. Senior Officer Industry & 11 Market. 12 Barth, Eckhart. Teldix, Betriebsratsvorsitzender. 13 Bischoff, Holger. Lürßen Werft, Betriebsratsvorsitzender. 14 Busch, Alexander van den. Direktor Rheinmetall Defence AG. 15 Claussen, Dipl. Ing. Bernd. MOWAG. 16 Czirwitzky, Dr.-Ing. Thomas. Oberst i.G., Leiter der Koordinierungsgruppen 17 Analysephase und internationale Rüstungszusammenarbeit im Heeresamt 18 Abt. III. 19 Fantasia, Edward C. Director, U.S. Commercial Service, US Consulate Ge- 20 neral. 21 Gadow, Rainer. Prof. Dr., Dekan der Fakultät Konstruktions- und Fertigungs- 22 technik, Universität Stuttgart. Ordinarius und geschäftsführender Direktor des 23 Instituts für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile, IFKB. 24 Grabowski, Dirk. Ministerialrat, Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- 25 nologie, Berlin. 26 Grams, Christoph M.A. Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für 27 Auswärtige Politik (DGAP). 28 Grau, Kurt Dipl.-Wirtsch. Ing. Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH 29 (IABG), Leiter Geschäftsentwicklung Verteidigung. 30 Haun, Frank. Geschäftsführer Krauss-Maffei Wegmann. 31 Harff, Helmut. BDI, Geschäftsführer Ausschuss Verteidigungswirtschaft. 32 Hausmann, Wolf D. ThyssenKrupp Technologies, Senior Manager of Inter- 33 national Sales. 34 Hesse, Richard. EADS, Vice President Export Administration. 35 36

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1 Horn, Karl D. Vice President and Country Director Raytheon International 2 Inc. 3 Hülsen, Klaus. BAE Systems. 4 Kaestner, Roland. Oberst i.G., Zentrum für Transformation der Bundeswehr, 5 Bereich Streitkräfteeinsatz 2020/Strategische Zukunftsanalyse. 6 Kellein, Dieter. Brigadegeneral a.D, Geschäftsführer Thales Deutschland. 7 Khmelnytski, Ruslan. Stellvertretender Leiter der Handels- und Wirtschafts- 8 mission der Ukraine in Deutschland, Außenstelle Bonn. 9 Lang, Erich. European Defence Agency, Brüssel. Assistant Director, Arma- 10 ments Directorate. 11 Mey, Prof. Dr. Holger H. EADS. 12 Peckmann, Heinz. Krauss- Maffei Wegmann, Betriebsratsvorsitzender. 13 Quille, Gerrard. European Parliament, Directorate General External Policies, 14 Brüssel. 15 Rabert, Dr. Bernhard. EADS. Vice Precident Defence Affairs. 16 Rauch, Dr. Elmar. RA, Deutsch-Russische Wirtschaftsallianz, Mitglied des 17 Vorstands. 18 Rohde, Joachim. Principal Officer Industry & Market, European Defence 19 Agency, Brüssel. 20 Scaruppe, Peter. Rü II 1, BMVg, Bonn 21 Schaaf, Dr. Peter. IG Metall, Abteilung Gesellschaftspolitik. 22 Schmidt-Bischoffshausen, Prof. Dr. Horst. Ehem. EADS Vorstandsmitglied. 23 Schulz, Robert R. Internationales Technologiebüro der US Armee in Deutsch- 24 land. 25 Schneider, Axel. SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, AG Sicherheits- 26 fragen. 27 Stamm, Gerd. Diehl. 28 Stein, Harald. Dipl.-Ing. Vizepräsident des BWB. 29 Stiver, Oberst Daniel J. USAF Chief. Office of Defense Cooperation US Em- 30 bassy Germany. 31 Stoll, Siegfried. IVECO. 32 Sondermann, Michael. Fraunhofer Institut Naturwissenschaftlich-Technische 33 Trendanalysen, Euskirchen. 34 Stousslavljewitsch, Martin. Senior Officer Armaments, European Defence 35 Agency, Brüssel. 36

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Theile, Burkhard. Ehemaliger Leiter der Hauptabteilung Strategische Unter- 1 nehmensentwicklung und Technologie der Rheinmetall AG, Unternehmens- 2 bereich Defence. 3 Veres, Andreas. Projektleiter, Project Consult. 4 Wagner, Hans Joachim. Oberst i.G., ehemaliger Referatsleiter RüV2 im BMVg, 5 Fachredakteur Strategie und Technik. 6 Wessels, Gert. Brigadegeneral, Unterabteilungsleiter RüV, BMVg. 7 Wogau, Karl von. Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Verteidi- 8 gungspolitik des Europäischen Parlaments. 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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Mitglieder des Projektbeirats

Arnold, Ulli. Prof. Dr., Lehrstuhl Investitionsgütermarketing und Beschaf- fungsmanagement, Universität Stuttgart. Barth, Eckhart. Teldix, Betriebsratsvorsitzender. Bischoff, Holger. Lürßen Werft, Betriebsratsvorsitzender. Gadow, Rainer. Prof. Dr., Dekan der Fakultät Konstruktions- und Fertigungs- technik, Universität Stuttgart. Ordinarius und geschäftsführender Direktor des Instituts für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile, IFKB. Gerlach, Dr. Frank. Hans-Böckler-Stiftung. Kruse, Heinz-Josef. Rheinmetall AG, Unternehmensbereich Defence. Peckmann, Heinz. Krauss- Maffei Wegmann, Betriebsratsvorsitzender. Rabert, Dr. Bernhard. EADS, Vice President Defence and Security Affairs. Rauch, Dr. Elmar. RA, Deutsch-Russische Wirtschaftsallianz, Mitglied des Vorstands. Rohde, Joachim. Principal Officer Industry & Market, European Defence Agen- cy, Brüssel. Schaaf, Dr. Peter. IG Metall, Abteilung Gesellschaftspolitik, Leiter des Ar- beitskreises »Wehrtechnik und Arbeitsplätze in der IG Metall«. Schneider, Axel. SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, AG Sicherheitsfra- gen. Sondermann, Michael. Fraunhofer Institut Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen, Euskirchen. Theile, Burkhard. Ehemaliger Leiter der Hauptabteilung Strategische Unter- nehmensentwicklung und Technologie, Rheinmetall AG, Unternehmensbe- reich Defence. Wagner, Hans Joachim. Oberst i.G., ehemaliger Referatsleiter RüV2 im BMVg, Fachredakteur Strategie und Technik.

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edition der Hans-Böckler-Stiftung Bisher erschienene Reihentitel ab Band 130 1 2 Angela Wroblewski • Andrea Leitner Bestellnr. ISBN Preis / € 3 Lernen von den Besten. Interdependenzen von Frauenerwerbsbeteiligung 4 und Geburtenzahlen im Ländervergleich 13130 3-86593-007-7 15,00 5 Hartmut Küchle 6 Rüstungsindustrie transatlantisch? Chancen und Risiken für den deutschen Standort 13131 3-86593-008-5 12,00 7 8 Klaus Maack Wachstumspol Stettin und Auswirkungen auf die 9 Entwicklung der deutschen-polnischen Grenzregion 13132 3-86593-009-3 18,00 10 Herbert Baum • Klaus Esser 11 Judith Kurte • Jutta Schneider Regionale Entwicklung und der Frankfurter Flughafen 13133 3-86593-010-7 15,00 12 13 Anita Pfaff • Gert G.Wagner • Jurgen Wasem Zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung 13134 3-86593-011-5 24,00 14

Hartmut Küchle 15 Die Neustrukturierung des deutschen Rüstungsmarktes 16 als industriepolitische Aufgabe 13135 3-86593-012-3 20,00 17 Mechthild Kopel • Sandra K. Saeed • Dietrich Englert Gender Mainstreaming 13136 3-86593-013-1 i.Vorb. 18 19 Mathias Hein • Gertrud Hovestadt • Johannes Wildt Forschen Lernen 13137 3-86593-014-X 12,00 20

Oliver Farhauer 21 Humanvermögensorientierung in 22 Grundsicherungssystemen 13138 3-86593-015-8 18,00 23 Andreas Pentz • Achim Sollanek 24 Cash-Pooling im Konzern 13139 3-86593-016-6 15,00 25 Volker Eichener • Rolf G. Heinze Beschäftigungspotenziale im Dienstleistungssektor 13140 3-86593-017-4 29,00 26 27 Peter Kalkowski • Otfried Mickler Projektorganisation in der IT- und Medienbranche 13141 3-86593-018-2 28,00 28

Riza Gürel 29 Betriebsverfassungsgesetz in türkischer Sprache 13142 3-86593-019-9 15,00 30 Henry Schäfer • Philipp Lindenmayer 31 Externe Rechnungslegung und Bewertung von Humankapital 13143 3-86593-020-4 10,00 32 33 Ulrike C. Kannengießer Arbeitsschutz für Frauen 13144 3-86593-021-2 15,00 34

Carsten Wurmann 35 Was heißt hier eigentlich gewerkschaftlich? 13145 3-86593-022-2 12,00 36

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1 Bestellnr. ISBN Preis / 2 € 3 Dorothee Beck (Hrsg.) 4 Zeitarbeit als Betriebsratsaufgabe 13146 3-86593-023-9 15,00 5 Martin Führ • Andrea Baukrowitz (Hrsg.) Evaluierung regionalwirtschaftlicher Wirkungsanalysen 13147 3-86593-024-7 19,00 6 7 Birgit K. Mielke Grundlagen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses 8 und Jahresabschlussanalyse 13148 3-86593-025-5 10,00

9 Thomas Ebert 10 Generationengerechtigkeit in der gesetzlichen Rentenver sicherung – Delegitimation des Sozialstaates? 13149 3-86593-026-3 18,00 11 Marcus Kahmann 12 Mit vereinten Kräften. Ursachen,Verlauf und 13 Konsequenzen der Gewerkschaftszusammenschlüsse von IG BCE und ver.di 13150 3-86593-027-1 10,00 14 15 Sibel Vurgun (Hrsg.) Gender und Raum 13152 3-86593-029-8 28,00 16 Achim Sollanek 17 Bankbilanzen nach deutschem Handelsrecht. 18 Betriebswirtschaftliche Handlungshilfen 13153 3-86593-030-1 12,00 19 Siegfried Leittretter (Hrsg.) Energieeffizientes Krankenhaus – für 20 Klimaschutz und Kostensenkung 13154 3-86593-031-X 18,00 21 Klaus Maack • Jesco Kreft • Eckhard Voss 22 Zukunft der Milchwirtschaft 13155 3-86593-032-8 18,00

23 Susanne König • Mette Rehling 24 Mitarbeitergespräche 13156 3-86593-033-6 12,00

25 Herbert Klemisch • Philip Potter (Hrsg.) 26 Instrumente nachhaltigen Wirtschaftens in der Unternehmenspraxis 13157 3-86593-034-4 19,00 27 Peter Martin 28 Mobile Büoarbeit 13158 3-86593-035-2 12,00 29 Björn Rohde-Liebenau 30 Whistleblowing 13159 3-86593-036-0 10,00

31 Ju¨rgen Enders 32 Promovieren als Prozess – Die Förderung von Promovierenden durch die Hans-Böckler-Stiftung 13160 3-86593-037-9 12,00 33 Thomas Blanke 34 Vorrats-SE ohne Arbeitnehmerbeteiligung 13161 3-86593-038-7 12,00 35 Oliver Schöller 36 Mobilität im Wettbewerb 13162 3-86593-039-5 12,00

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1 Bestellnr. ISBN Preis / € 2 3 Gertrud Hovestadt • Nicole Keßler • Otto Pompe 4 Peter Stegelmann Internationale Bildungsanbieter auf dem deutschen Markt 13163 3-86593-040-9 12,00 5

Marita Körner 6 Flexicurity in atypischen Arbeitsverhältnissen 13164 3-86593-041-7 10,00 7 Birgit Soete 8 Biotechnologie in Vergleich – Wo steht Deutschland? 13165 3-86593-044-1 19,00 9 Heinz Putzhammer (Hrsg.) 10 Wege zu nachhaltigem Wachstum, Beschäftigung und Stabilität 13166 3-86593-045-X 10,00 11

Frank Havighorst 12 Personalkennzahlen 13167 3-86593-046-8 10,00 13 Thomas Fritz • Kai Mosebach • Werner Raza 14 Christoph Scherrer 15 GATS-Dienstleistungsliberalisierung 13168 3-86593-047-6 15,00 16 Wolfgang Irrek • Stefan Thomas Der EnergieSparFonds für Deutschland 13169 3-86593-048-4 16,00 17 18 Thomas Blanke Erweiterung der Beteiligungsrechte SE-Betriebsrats 19 durch Vereinbarung 13170 3-86593-049-2 10,00 20 Reiner Tramp 21 Der Jahresabschluss der Holding. Betriebswirtschaftliche Handlungshilfen 13171 3-86593-050-6 12,00 22

Wolfram Bremeier • Hans Brinckmann • Werner Killian 23 Public Governance kommunaler Unternehmen 13173 978-3-86593-052-1 24,00 24 Ingo Ku¨bler 25 Stabsmitarbeiter und Referenten 26 betrieblicher Interessenvertretungen 13174 3-86593-053-0 10,00 27 Gertrud Ku¨hnlein Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ) 13175 3-86593-054-9 10,00 28 29 Peter Liepmann • Oliver Bonkamp • Britta Martina Gohs Kooperation und Netzwerke in ausgewählten 30 Branchen der Region Ostwestfalen-Lippe 13176 978-3-86593-055-2 29,00 31 Henry Schäfer • Oliver Kuhnle 32 Die bilanzielle Behandlung von Zweckgesellschaften u. ihre Bedeutung im Rahmen der Corporate Governance 13177 978-3-86593-056-9 15,00 33

Daniel Tech 34 Flexicurity und beschäftigtenorientierte 35 Unternehmensstrategien im Betrieb 13178 978-3-86593-057-6 15,00 36

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1 Bestellnr. ISBN Preis / € 2 Juri Hälker • Claudius Vellay (Hg.) 3 Union Renewal – Gewerkschaften in Veränderung 4 2. erweiterte Auflage 13179 978-3-86593-058-3 19,00

5 Jürgen Kühling 6 Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat 13181 978-3-86593-060-6 10,00 7 Ronald Schettkat Lohnspreizung:Mythen und Fakten 13183 978-3-86593-062-0 10,00 8 9 Judith Beile • Max Klein • Klaus Maack Zukunft der Fleischwirtschaft 13186 978-3-86593-066-8 15,00 10 Andreas Ebert • Ernst Kistler • Falko Trischler 11 Ausrangiert - Arbeitsmarktprobleme Älterer 12 in den Regionen 13189 978-3-86593-069-9 25,00 13 Lionel Fulton (Hg.) The forgotten Resource: Corporate Governance 14 an Employee Board-Level Representation. 15 The Situation in France, the , Sweden and the UK. 13190 978-3-86593-070-5 18,00 16 17 Elke Ahlers • Fikret Öz • Astrid Ziegler Standortverlagerungen in Deutschland – 18 einige empirische und politische Befunde 13194 978-3-86593-074-3 12,00

19 Otto Jacobi • Maria Jepsen • Berndt Keller 20 Manfred Weiss (Hg.) Social Embedding and the Integration of Markets. 21 An Opportunity for Transnational Trade Union Action 22 or an Impossible Task? 13195 978-3-86593-075-0 20,00 23 Michael Nusser • Birgit Soete • Sven Wydra (Hg.) Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungspotenziale 24 der Biotechnologie in Deutschland 13197 978-3-86593-077-4 30,00 25 26 27 28 29 30 31

32 Ihre Bestellungen senden Sie bitte unter Angabe 33 der Bestellnummern an den Setzkasten oder unter Setzkasten GmbH Angabe der ISBN an Ihre Buchhandlung. Kreuzbergstraße 56 34 Ausfü¨hrliche Informationen zu den einzelnen Bänden 40489 Düsseldorf 35 können Sie dem aktuellen Gesamtverzeichnis Telefax 0211-408 00 90 40 36 der Buchreihe edition entnehmen. E-Mail [email protected]

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Hans-Böckler-Stiftung 1 Die Hans-Böckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des 2 Deutschen Gewerkschaftsbundes. Gegründet wurde sie 1977 aus der Stiftung Mitbestimmung und der Hans-Böckler-Gesellschaft. Die Stiftung wirbt für Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip einer demo- 3 kratischen Gesellschaft und setzt sich dafür ein, die Möglichkeiten der Mitbestimmung zu erweitern. 4 5 Mitbestimmungsförderung und -beratung Die Stiftung informiert und berät Mitglieder von Betriebs- und Personalräten sowie Vertreterinnen und 6 Vertreter von Beschäftigten in Aufsichtsräten. Diese können sich mit Fragen zu Wirtschaft und Recht, 7 Personal- und Sozialwesen oder Aus- und Weiterbildung an die Stiftung wenden. Die Expertinnen und Experten beraten auch, wenn es um neue Techniken oder den betrieblichen Arbeits- und Umwelt- 8 schutz geht. 9 10 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung forscht zu 11 Themen, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Bedeutung sind. Globalisierung, Beschäf- 12 tigung und institutioneller Wandel, Arbeit, Verteilung und soziale Sicherung sowie Arbeitsbeziehungen und Tarifpolitik sind die Schwerpunkte. Das WSI-Tarifarchiv bietet umfangreiche Dokumentationen 13 und fundierte Auswertungen zu allen Aspekten der Tarifpolitik. 14 15 Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) Das Ziel des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler- 16 Stiftung ist es, gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu erforschen und für die wirtschaftspolitische 17 Beratung einzusetzen. Daneben stellt das IMK auf der Basis seiner Forschungs- und Beratungs- arbeiten regelmäßig Konjunkturprognosen vor. 18 19 Forschungsförderung 20 Die Stiftung vergibt Forschungsaufträge zu Mitbestimmung, Strukturpolitik, Arbeitsgesellschaft, Öffentlicher Sektor und Sozialstaat. Im Mittelpunkt stehen Themen, die für Beschäftigte von 21 Interesse sind. 22 23 Studienförderung Als zweitgrößtes Studienförderungswerk der Bundesrepublik trägt die Stiftung dazu bei, soziale 24 Ungleichheit im Bildungswesen zu überwinden. Sie fördert gewerkschaftlich und gesellschaftspoli- 25 tisch engagierte Studierende und Promovierende mit Stipendien, Bildungsangeboten und der Vermitt- lung von Praktika. Insbesondere unterstützt sie Absolventinnen und Absolventen des zweiten Bil- 26 dungsweges. 27 28 Öffentlichkeitsarbeit Mit dem 14- tägig erscheinenden Infodienst »Böckler Impuls« begleitet die Stiftung die aktuellen po- 29 litischen Debatten in den Themenfeldern Arbeit, Wirtschaft und Soziales. Das Magazin »Mitbestim- 30 mung« und die »WSI-Mitteilungen« informieren monatlich über Themen aus Arbeitswelt und Wissen- schaft. Mit der Homepage www.boeckler.de bietet die Stiftung einen schnellen Zugang zu ihren Ver- 31 anstaltungen, Publikationen, Beratungsangeboten und Forschungsergebnissen. 32 33 Hans-Böckler-Stiftung 34 Hans-Böckler-Strasse 39 Hans Böckler 40476 Düsseldorf 35 Telefax: 02 11/77 78-225 Stiftung 36 www.boeckler.de Fakten für eine faire Arbeitswelt.

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