Nr. 18 | Brückengeneration 5 | Juni · Juli 2020 | Euro 5,50

Österreichische Post AG | PZ16Z040851P Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 14 – Kunst und Kultur Burggasse 8, 9021

Kärnten im Wandl „Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.“ vor.bilder anstatt eines vor.wortes

... und summte das Lied von der Neuen Realität. Foto: Klaus Pichler/© mumok Pichler/© Klaus Foto:

Wertlose Übung: durch die Finger schaun. Funktionale

Mit Siegfried Zaworka lädt das mumok im Wiener MuseumsQuartier erstmals einen öster- reichischen Künstler ein, die Wand im Foyer des Museums mit einer eigens dafür konzipier- ten Arbeit zu bespielen. Nach den fotobasierten Installationen von Cindy Sherman, Louise Lawler und Jeff Wall sind es bei dem aus Wolfsberg stammenden Siegfried Zaworka die Mit- tel der Malerei, die einer künstlerischen Befragung unterzogen werden. Unter dem Titel „Funktionale“ arrangiert er eine Gruppe von auf bloße Leinwand gemalten Bildelementen zu einem temporären Wandbild, das mit der Wahrnehmung der Betrachter*innen ein raffinier- tes Spiel treibt. Was auf den ersten Blick wie eine surreale Landschaft mit Gebirgskette, Tannenbaum und vegetabilen Formen anmutet, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als systematische Auseinandersetzung mit dem illusionistischen Potenzial der Malerei. www.siegfriedzaworka.com Am großen Fenster zur Wirklichkeit. Da wurde mir ganz übel. Siegfried Zaworka: Funktionale Das mumok öffnet wieder am 17. Juni, die Funktionale ist bis Ende des Jahres zu sehen. www.mumok.at

Zur aktuellen Lage Aufgrund der nach wie vor aktuellen Corona-Ungewissheiten für viele Kulturveranstalter*innen, werden in dieser Ausgabe die „Horizonte“ sowie der Kulturkalender ausgesetzt. Ab der nächsten BRÜCKE werden wir Ihnen diese nach Möglichkeit wieder zukommen lassen. Stattdessen finden Sie in diesem Heft auf den Seiten 52-65 zusätzliche Beiträge aus der digitalen BRÜCKE Nr. 17 abgedruckt.

Impressum Freunde und Familie erlaubt. Andere nixipixi. DIE BRÜCKE Herausgeber, Medieninhaber und Copyright: Land Kärnten, Abteilung 14 – Kunst und Kultur, Igor Pucker, Burggasse 8, 9021 Klagenfurt am Wörthersee; [email protected], www.bruecke.ktn.gv.at | Chefredaktion: Gabbi Hochsteiner | Redaktion: Mario Waste, Otwin Bernhard Mekul, Patricia Kurucz, Michael Herzog | Abos & Kulturtermine: Daniela Vellick, T 050536-34032 | Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder. Lang lebe die Meinungsfreiheit! – Die Redaktion behält sich vor, Beiträge bei Bedarf zu Hanno Kautz: aus der Serie C-days 2020 kürzen oder zu ändern. Zur Verfügung gestelltes Text- oder Bildmaterial wird (wenn nicht anders vermerkt) nicht retourniert. | Der in Klagenfurt lebende Künstler bezieht den Aufruf der Bundesregierung, sich auf das Notwendigste zu beschränken, Seitens der Autor*innen und Fotograf*innen wurde dem Hrsg. Land Kärnten vertraglich garantiert, dass einer auf die Wahl und den Einsatz seiner Darstellungsmittel. Veröffentlichung und Verwertung der gelieferten Beiträge (Texte, Fotografien etc.) keinerlei Rechte Dritter entgegenstehen. | Schwarzer Stift auf weißem Papier plus Textnotiz – sonst nichts. BRÜCKE-Architektur: Harald Pliessnig; Art Direction & Grafik: Arne Schiemann, Werk1, T 0463-320 420 | Seine minimalistischen Eintragungen ins Skizzen-Tagebuch Druck: Kreiner Druck, | Verlagspostamt: 9021 Klagenfurt am Wörthersee | erheben die Kunst des Weglassens zum Gebot der Stunde. Abonnement: 6 Doppel-Ausgaben 27,80 Euro inkl. KulturCard Kärnten, Porto und Versand. Die Arbeiten werden im Sommer in Alpen-Adria-Galerie in Klagenfurt zu sehen sein [siehe auch BRÜCKEseite 47]. Fotos: Hanno Kautz Cover: Philosophische Versuchsreihen: Kärnten im Wandl. BRÜCKEN.BOGEN

„In Zeiten der Krise bauen die Weisen Brücken, während Narren Mauern errichten.“ 4 Werkstättengespräch mit Arnold Mettnitzer: Die Kunst des Alltags. Gabbi Hochsteiner 6 Hinter der Maske. Corona und die Hybris der „Moderne“. Bertram Karl Steiner 8 Die Durchhalter. Kärntens Kunst und Kulturleben in Zeiten von Corona. Karin Waldner-Petutschnig 15 welter.skelter. Die Unzeit. Oliver Welter 16 Kultur – ein Lebensmittel kämpft ums Überleben. Ein Gespräch mit LH Peter Kaiser. Bertram Karl Steiner 18 Mein Vater hielt mich auch für weltfremd. Über die Dauerkrise der Kunst. Michael Cerha 20 Neuer Platz für Kultur. Die IG KiKK greift Raum für Diskurs. Tina Perisutti 22 Corona, Kunst und Unbehagen. Versuch einer Zusammenschau. Alexander Wöran 23 schräg.lage. Endlich habe ich Zeit! Christian Hölbling 24 Flaschen:post / Pismo v steklenici. Kunstsinnige Lebenszeichen aus dem Packeis. Andrea Kirchmeir 26 Leviathan contra Corona. Die Rolle des Staates in Zeiten der Krise. Edmund Primosch 27 denk.mal. Maria auf der Mondsichel. Geraldine Klever 28 Die Tage der deutschsprachigen Literatur 2020. Hubert Winkels im Interview. Katharina Herzmansky 30 Zwei Millimeter Homo sapiens. Der Stillstand und die Natur. Helmut Zwander 31 unter.wasser.film.tipp. Gerald Arnold. Slobodan Žakula 32 Das Ritual und die Liebe zum Absurden. Raphaela Edelbauer | Simon Goritschnig 33 kari.cartoon. Marko Lipuš | Astrid Langer 34 Auf der Suche nach der verlorenen Freiheit. Hannes Gröblacher. Wolfgang Rössler 35 literarische.notiz. Anton Fuchs. Jozej Strutz 36 lechts und rinks. Primus inter Pares Sitter. Wilhelm Huber 37 Anna Baar. Als ob sie träumend ginge ... André Heller 38 Der Künstler auf der Kaviardose. Rendezvous mit Fabio Zolly. Andrea Schurian 39 literatur.tipp. Heinz Pototschnig. Günter Schmidauer 40 Eine Hommage an Franz Moro. Ilse Gerhardt | Nora Leitgeb 41 Performance des Alltags. Die Kunst der Leonie Humitsch. Markus Waitschacher 42 edition B kunst.aus.druck. Stephka Klaura. Nora Leitgeb extra.blatt. Textil-Malerei. 44 Theatermachen ist immer ein Versuch. Florian Scholz im Gespräch. Tina Perisutti 46 Musik in einer atonalen Welt. Reflexionen zum Beethoven-Jahr. Dieter Kaufmann 48 Fidelio im Klagenfurter Landhaushof. Erinnerungen aus 1948. Georg Horcicka 50 Synapse im kollektiven Gedächtnis. Das Kärntner Literaturarchiv. Reinhard Kacianka 51 literatur.tipp. Michael Guttenbrunner. Klaus Amann 52 Oblivio. Erinnern und Vergessen als kulturelle Leistungen. Konrad Paul Liessmann 54 Wo man Grenzen überbrückt. Die Kunst- und Kulturprojekte von CARINTHIja 2020. Karin Waldner-Petutschnig 57 Ein Wortwechsel mit Martin Traxl. DIE BRÜCKE 59 Worte großer Philosophen. Antonio Fian 60 Mehr als Peršmanhof versus Ulrichsberg. Die Mobile Ausstellung CARINTHIja 2020. Wolfgang Rössler 64 Die Historie der Selbstbestimmung. Wilhelm Wadl 66 nachlese.ponovno branje. Christine Lavant. | vorlese.prvo branje. Robert Woelfl. 68 buch.tipps. Lesen Sie gefälligst! 70 musik.tipps. Das Beste ... steht nicht in den Noten. 71 seite.ohne.namen. Eine neue schöne Welt. Michael Herzog Ein Augenblick Brücke Stable Square Eine Brücke zwischen eingefrorener und vergehender Zeit. Videoloop, 7 Min, QR-Code zum Video:

● Karen Irmer Die aus Bayern stammende Künstlerin ist Kärntens diesjährige Stipendiatin für künstlerische Fotografie und Medienkunst. Aufgrund von Corona wird sie – statt im Mai 2020 – im Frühjahr 2021 nach Klagenfurt kommen. Ihre Videoarbeit „Stable Square“ beschäftigt sich mit einem Zustand, in dem Stillstand und Bewegung gleichzeitig vorhanden sind. Charakteristisch für Karen Irmers Werke ist eine reduzierte Bildsprache, die sich mit atmosphärischen Stimmungen beschäftigt. Im Fokus steht nicht die Wiedergabe einer landschaftlichen Situation, sondern der emotionale Aspekt,

Foto: Karen Irmer den diese evoziert. www.karen-irmer.de

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 3 Werkstättengespräch Die Kunst des Alltags Arnold Mettnitzer über Weltpremieren, kreativen Konkurs und Runzeln auf der Seele.

Wie geht’s Ihnen in diesen Corona- brauchen wir ein neues Mitein- habe ich viel deutlicher das Tagen, wie erleben Sie diese Zeit? ander, das einer gnadenlos pro- Gefühl, über meine Zeit verfügen Vieles von dem, was wir jetzt durchzu- fitorientierten Vernichtung der zu können – und halte es mit machen haben, ist so noch nie da gewesen. natürlichen Lebensgrundlagen be- Hans-Curt Flemming: „Vorschlag für Wohl niemand reagiert darauf mit Alltags- herzt widerspricht, Ressourcen schont, meine Grabinschrift / gelebt / hat er nur routine. Wir durchleben Weltpremieren an Lebensräume sichert und den Klimawandel / die Zeit / die er sich / genommen hat“. Zumutungen. Am Ostermontag ist, wenn nicht kleinredet. Ich glaube nicht, dass es Sie mir dieses persönliche Beispiel erlau- übertrieben ist, Corona als Warnschuss Welche Gretchenfrage stellt uns Corona? ben, meine Mutter verstorben. Wie gerne zu verstehen. Im Grunde sagt uns die Natur In der Theologie gibt es den berühmten hätte ich beim Abschied ihre Hand gehal- damit ja nur: Ihr seid ein Teil der Natur. Satz der „creatio ex nihilo“ – womit ledig- ten?! Wie gerne hätte ich damals auf den Wenn es denn unbedingt sein soll: Ich lich gesagt werden will, dass Gott die Welt Notbehelf einer Videotelefonie verzichtet! brauche euch nicht – ihr mich aber sehr! „aus dem Nichts“ erschaffen hat. Etwas In guten Zeiten haben wir manchmal zuei- von diesem „Nichts“ trägt jeder Mensch nander ermutigend gesagt: „Damit alles so Das Anthropozän, das Zeitalter in in sich. Und dieses „Nichts“ ist auch die bleibt, wie es ist, muss sich vieles ändern!“ dem der Mensch alles gestaltet, ist Quelle aller großen Kulturleistungen der Jetzt, nachdem schlagartig so vieles so entlarvt ...? Menschheit; alle sind sie sozusagen „aus anders ist, müssen wir uns darin üben, Nicht unbedingt. Es ist und bleibt die dem Nichts“ entstanden. Sie waren vorher anders zu denken und aus diesem anderen Aufgabe des Menschen, diese Welt zu nicht da und als sie plötzlich da waren, Denken vieles anders machen. Das ist eine gestalten, sie im Sinne des Schöpfers haben alle gestaunt und es sich nicht ungeheure Herausforderung an unseren zumindest mitzugestalten. So gesehen wäre erklären können, wie das möglich war. Einfallsreichtum und unsere Kreativität. ein „kreativer Konkurs“ sogar die nobels- Und darin könnte auch die „Gretchenfra- te Aufgabe des Menschen, aber eben nicht ge“ der momentanen Krise liegen: Viele Eine Mikrobe hebt unsere Welt aus den im Sinne einer „Konkursmasse“ als Kon- Menschen stehen buchstäblich vor dem Angeln: Wir (er)leben eine umfassende kurrenz zum Schöpfer, sondern im Sinne Nichts ihrer Existenz und wissen nicht, Funktionsstörung von Normen und Nor- einer Entfaltung der in jedem Menschen wie es weitergeht. Meine Hoffnung besteht malitäten. Was macht das mit uns? Und angelegten Potentiale zum Wohle möglichst darin, dass möglichst viele vor diesem was machen wir damit? vieler. Die Natur selbst bietet sich hier als Nichts nicht verzweifeln, sondern neue Das was, wie Sie formulieren, die Welt unsere Lehrmeisterin an. Wer bei der Natur Wege suchen und finden. „aus den Angeln“ hebt, ist letztlich auch in die Schule geht, beginnt unweigerlich das, was die Welt weiterbringt. Dem Men- darüber nachzudenken, ob nicht manches Wie steht es um unsere seelischen Trag- schen, der „Krone der Schöpfung“, wird von dem, was jetzt nicht mehr möglich ist, fähigkeiten? ausgerechnet durch ein Virus namens überhaupt jemals wichtig war und auch Die Seele eines Menschen ist sein inne- Corona seine Grenze aufgezeigt. Seither darüber, was von unserem Wohlstand wir res Kraftwerk, sein Ressourcenpotential, steht die gesamte Menschheit – einig wie wirklich brauchen und worauf wir verzich- wenn Sie so wollen, sein eigentliches selten zuvor – gebannt wie das Kaninchen ten können, ohne dabei das Gefühl zu Vermögen, das ihn in der Welt unverwech- vor der Schlange ... und hat Angst. Angst haben, es wäre uns etwas Wesentliches selbar und einzigartig sein lässt. Die vor einer unbestimmten Zukunft, vor dem weggenommen worden. Reich ist nicht, Seele aber will, um das leisten zu können drohenden Verlust der Gesundheit, des sagt ein spiritueller Meister, wer viel hat, und nicht verkümmern zu müssen, Arbeitsplatzes, der Wohnung. Und wenn sondern der, der weniger braucht. genährt, „befeuert“ werden. Und dieses Sie mich jetzt fragen, was das mit uns Feuer kommt aus dem, wofür sich ein allen macht, dann weiß ich mir zunächst Haben Sie in den vergangenen Wochen Mensch zu begeistern imstande ist. Albert nur damit zu helfen, auf neue Fragen nicht (Wieder-)Entdeckungen gemacht? Schweitzer hat immer wieder darauf billige alte Antworten zu suchen. Ja, überraschend viele sogar. Eine davon hingewiesen, dass, so wie die Haut eines Plötzlich ahnen wir, wie sehr wir ein besteht darin, mehr Zeit zu haben. Vorher Menschen im Laufe der Zeit Runzeln Stück Natur sind, wie sehr wir diesen Blick hatte ich oft den Eindruck: Die Zeit hat bekommt, seine Seele aus Mangel an aufs Ganze wiederfinden müssen. Dazu mich und treibt mich vor sich her. Jetzt Begeisterung zu runzeln beginnt. Ohne

4 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Arnold Mettnitzer * 1952 in Gmünd, wuchs als ältestes von sechs Kindern auf einem Kärntner Bergbauernhof auf, studierte in Wien und Rom Theologie. 1978 empfing er die Priesterweihe und wurde 1979 zum seelsorglichen Dienst in der Diözese Gurk- Klagenfurt berufen. Von 1986 bis 1993 war er Rektor des Bildungshauses St. Georgen am Längsee und Diözesanjugendseelsorger in Kärnten. Danach war er bis 2001 Pfarrer der Gemeinde Klein St. Paul. 2003 entschied er sich für das Leben mit seiner Frau und beendete seinen kirchlichen Dienst. Seit 1996 arbeitet Arnold Mettnitzer als Psychotherapeut (Ausbildung u. a. bei bei Erwin Ringel) in freier Praxis in Wien. Neben seiner therapeutischen Arbeit ist er auch als Buchautor und Vortragender in der Erwachsenenbildung sowie als freier Mitarbeiter des ORF – u. a. im Rahmen der Sendereihe „Lebenswege. Über Gott und die Welt mit Arnold Mettnitzer“ bei Radio Kärnten – tätig. www.mettnitzer.at Foto: Kleine Zeitung/Markus Traussnig

das Feuer der Begeisterung gibt es kein Eine große Gefahr im Umgang mit der Neben der physischen und wirtschaftli- Leben, kein Lebendigsein, keine Kreativi- Sprache besteht zunächst einmal darin, chen Gesundheit der Gesellschaft steht tät, keinen Zauber der Kultur, keinen anders zu fühlen als zu denken und dann auch die geistige im Fokus. Was diagnos- Reichtum, der uns von innen her erwär- – aus welchen Gründen auch immer – tizieren Sie in diesen Tagen der Kultur? men kann. Erich Fromm hat diesen Gedan- anders zu sprechen als zu handeln. Davor Die 1932 im Böhmerwald geborene und ken in seinem Alterswerk „Haben oder warnt schon vor 2.500 Jahren der chine- jetzt in Wien lebende Annemarie Kury hat Sein?“ vertieft und das ursprünglichste sische Philosoph Konfuzius: „Wenn die seit Beginn der Balkankrise mit ihrem mit „Vermögen“ eines Menschen eben nicht Worte nicht stimmen, dann ist das Gesag- Hilfsgütern beladenen Auto erst in Kroati- „auf der hohen Kante“, sondern in seinem te nicht das Gemeinte. Wenn das, was en, dann in Bosnien unzähligen Menschen Innersten gesehen, dort, wo er täglich gesagt wird, nicht stimmt, dann stimmen geholfen, ihr Leid zu lindern. Liebevoll Entscheidungen darüber trifft, was ihm die Werke nicht. Gedeihen die Werke nennt man sie heute im Nordosten von wichtig ist, was er kraft seiner Liebe, nicht, so verderben Sitten und Künste. Bosnien die „Mutter Teresa von Tuzla“. seines Geistes und seines Tuns „vermag“. Darum achte man darauf, dass die Worte Nach dem UNO-Friedensvertrag von Dayton stimmen. Das ist das Wichtigste von berichtete sie mir davon beeindruckt und Welches Potential für Paradigmenwech- allem.“ Diese Gedanken entlarven jede von der Hoffnung der Menschen zutiefst sel hat das Corona-Heute und -Morgen? Art von Populismus, dessen verschwie- berührt, dass dort, wo die Geschoße ver- Können Sie der Idee eines gerade pas- gene Hintergedanken in der Regel stärker stummten, sehr schnell Musik erklungen sierenden Realexperiments des Wandels, sind als ihre rattenfangenden Argumente ist, Menschen trotz aller Not begonnen der Verwandlung, etwas abgewinnen? im öffentlichen Disput. Um dem zu haben, Theater zu spielen und Feste zu Wandel und Verwandlung sind die entgehen, bedarf es komplizierter, gründ- feiern. Im Innersten des Menschen wohnt Manifestationen alles Lebendigen. Wie licher und genauer Gedanken in einer eine große Sehnsucht nach allem, was kein anderer vor ihm hat bereits Heraklit einfachen und verständlichen Sprache. tröstet, ermutigt und heilt. Das heißt für von Ephesos (520-460 v. Chr.) die ober- Populistinnen und Populisten hingegen mich im Umkehrschluss: Eine Gesellschaft, flächliche Realitätswahrnehmung und reden von vornherein einfach und ver- in der die Kultur verstummt, wird stumpf. Lebensart seiner Umgebung kritisiert und meintlich allgemein verständlich; was sie Kunst und Kultur sind die Milch und der alle Entwicklung aus dem polaren Zusam- uns dabei aber verschweigen, entspringt Honig, das Brot und der Wein gegen den menspiel gegensätzlicher Kräfte erklärt: keinem gründlichen Nachdenken, sondern Hunger der Seele. Kunst und Kultur sind Aus diesem Zusammenspiel von Nacht einem unausgesprochenen Macht- und der Atem einer Gesellschaft, auch und vor und Tag, Dunkel und Hell, Krieg und Eroberungskalkül. Das macht den Popu- allem dort, wo ihr für einen Moment die Frieden erklärt er sich die harmonische lismus gerade in Krisenzeiten so brand- Luft zum Durchatmen genommen ist. Nie Ganzheit der Welt. Darum haben nach gefährlich. sind Kunst und Kultur so wichtig wie in Heraklit diejenigen Unrecht, die ein Ende solchen Zeiten. Sehr schön zeigt mir das allen Kampfes in einem ewigen Frieden Das Wort, so immer wieder in Ihren der Beginn in Friedrich Hölderlins Hymnus herbeisehnen. Denn mit dem Aufhören Texten, ist eines der „ältesten Medika- „Patmos“, den ich als ermutigende Zusage der schöpferischen Spannungen würde mente“ der menschlichen Heilkunst ...? lese: „Nah ist / Und schwer zu fassen der totaler Stillstand und Tod eintreten. Die- Diese Erkenntnis ist nahezu 3.000 Jah- Gott. / Wo aber Gefahr ist, wächst / Das sem Gedanken bin ich vor einem halben re alt. Was uns dabei zuallererst berührt, Rettende auch. / Im Finstern wohnen / Die Jahrhundert als Gymnasiast zum ersten ist nicht so sehr der sachlich-fachlich Adler und furchtlos gehen / Die Söhne der Mal begegnet; seither fasziniert er mich motivierte Inhalt, sondern der Klang hin- Alpen über den Abgrund weg / Auf leicht- und lässt mich vieles von dem, was um ter den Worten und zwischen den Zeilen. gebaueten Brücken.“ mich herum passiert, besser verstehen Wir sind, mit etwas Übung, gerade in ● Gabbi Hochsteiner und gelassener darauf reagieren ... kritischen Situationen des Lebens ganz Chefredaktion DIE BRÜCKE besonders dazu befähigt, zu hören, was Das Gespräch in voller Länge finden Sie auf Wie erleben Sie den Umgang mit Sprache ein Mensch uns in seiner Not im Moment www.bruecke.ktn.gv.at – sei es politisch, medial, privat, ... – nicht zu sagen vermag. in Corona-Zeiten?

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 5 Hinter der Maske Corona und die Hybris der „Moderne“.

Wo auch immer auf dem Globus, das stummte: Vertreibt uns da jemand aus bereiche noch perfekter, noch besser, noch gleiche Bild: Wir Menschen schleichen jenen künstlichen Paradiesen, an deren geschwinder, kontrollierbarer, machbarer, uns mit einem bohrenden Unbehagen aus Errichtung und Ausschmückung wir so marktgerechter, überwachbarer, eben glei- unseren Häusern, die Hälfte unserer emsig, zielstrebig, ohne Rücksicht auf cher werden müssen als noch heute; und Gesichter haben wir vermummt; aus einer Verluste zu nehmen, Tag und Nacht erst übermorgen. räumlichen und zeitlichen Distanz betrach- gewerkt haben? Dabei hatten wir uns doch Perfekt konzipierter Mensch, Design tet, möchte man uns für Pestärzte hinter so perfekt einrichten wollen in unserer aus perfekt konstruierten Maschinen, der ihren Masken halten, oder für jene tau- schönen neuen Welt, die wir uns selber Homunculus in Serie produziert und auf senden, soeben noch übermütig gewese- über den Ruinen der alten Welt aufzubau- den Markt geworfen. Gleichförmigkeit in nen Feiernden des venezianischen Carne- en im Begriffe waren, nachdem wir mit letzter Konsequenz. Etwaige Mängelex- vals, die da jetzt, am Aschermittwoch, fanatischer Intoleranz alles verhöhnt und emplare, welche dem jeweiligen politi- unter dem Donnern der großen Glocke des sodann zerstört haben, woran zahllose schen Mainstream oder dem biologischen Campanile zusammengezuckt sind und Generationen vor uns glaubten. Die Standard nicht mehr entsprechen, werden den blechernen Schrei aus dem Sprachrohr abscheulichen Visionen des „Futuristi- ausgesondert. Und warum sollte man sie vernommen haben: „Il Carnevale è finito!“ schen Manifestes“ des Tommaso Marinet- dann nicht einer allgemein nützlichen Misstrauisch schauen wir uns um. Wel- ti, anno 1911, eines Grundtextes sowohl Verwendung zuführen: Ausbeutung, chem unbewussten Corona-Verbreiter der Ideologie der „Moderne“ als auch jener Arbeitslager, biologische Experimente am werden wir gleich auf der Straße begeg- der „rechten“ wie auch der „linken“ lebendigen Körper, Recycling von Men- nen? Werden wohl auch unsere Mitmen- Faschismen – Nationalsozialismus, Leni- schenfleisch, von fötalem Zellenmaterial schen sich vermummt haben, damit wir nismus, Maoismus inklusive – haben wir in der Kosmetik und so weiter ...? von ihnen und sie von uns halbwegs nicht in den vergangenen hundert Jahren geschützt sind? Müssten wir einander immer wieder versucht, das künstliche „Machbarkeit“, der titanische Wahn nicht lieber aus dem Weg gehen? Reicht Paradies zu verwirklichen? Vermeinten sämtlicher totalitärer Ideologen hinter die Entfernung zum Trottoir dort drüben wir nicht, die letzte Instanz im Universum deren jeweiliger Maske, erschien nun aus? Wie weit können kontaminierte zu sein? Haben wir „Humanismus“ nicht endlich in Erfüllung zu gehen. Lässt sich Aerosole schweben? mit Hybris verwechselt? Waren wir doch nicht aus allem „Kapital“ schlagen, vor von der geradezu mystischen Überzeugung allem aus dem „Menschenmaterial“? Und Vertreibung aus dem Paradies. Im See- durchdrungen, dass im Sinne des das geschieht nicht allein im Bereich des lengrund aber meldet sich eine existen- allmächtigen Fortschrittes – die einzige sogenannten „Kapitalismus“, sondern etwa zielle Bangigkeit, eine Frage, die in „nor- Allmacht, die wir noch gläubig akzeptier- auch im „roten“ Machtbereich, in der malen“ Zeiten unter unseren „zeitgemäßen“ ten, weil ja wir selbst, die sogenannte gewesenen Sowjetunion oder in China, wo Gewissheiten verschüttet, fast unhörbar „Menschheit“, die Verkörperung des Fort- die Leichen von Millionen „Konterrevolu- geworden war, jedoch nie gänzlich ver- schrittes seien – schon morgen alle Lebens- tionären“ immer schon als Baumaterial

6 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Arnold Pöschl: Menschen hinter Masken. CoV19-Dokumentations-Projekt. Die Arbeiten werden im Sommer in Alpen-Adria-Galerie in Klagenfurt zu sehen sein. Fotos: Arnold Pöschl

der „neuen“ Gesellschaft, als wohlfeile Philemon und Baucis eine arm- Blüte, schwebt wie Löwenzahn- Gebrauchsware gewertet wurden. Wenn selige Hütte und eine Kapelle samen sachte über Kontinente freilich die unantastbare Würde jedes gebaut. Die beiden haben zu ver- und Ozeane, verbreitet sich über einzelnen Menschenkindes nicht mehr schwinden, befiehlt die technische die gesamte schöne neue Welt. Und gelten darf, was sind wir dann noch wert? Vernunft; Mephistopheles, der Verführer, dem Virus ist die Macht gegeben zu töten. Allmächtig, zu allem berechtigt, dünkte möge sich um die Entfernung dieses letz- Die weltweit auf Knien angebetete Macht sich der „neue Mensch“ und selbstberech- ten Hindernisses kümmern, deutet Faust der Ökonomie fällt wie ein Kartenhaus in tigt zu jeglicher Tat und Untat. Weltweit an: man sollte die beiden Alten „umsie- sich zusammen, manche Menschen fangen pervertierten wir den hehren Wert der deln“. Der Teufel macht sich bereitwilligst langsam an, an der stolzen Selbstvergöt- Menschenrechte zum Recht, alles zu tun, ans Werk, am Ende sind Philemon und zung des Menschen zu zweifeln. Die was uns gerade recht ist. Baucis tot. Das aber habe er nicht gewollt, Hybris in der Maske des „Experten“ ist beteuert Faust, doch immerhin, so rechnet der schlechteste aller Ratgeber, auch wenn Schöne neue Welt. In seinen alten Tagen er: Jetzt würden „Räume vielen Millionen“ ihr längst in sämtlichen politischen Par- ist Goethe das sogenannte „zweite Gesicht“ eröffnet ... „Im Innern hier ein paradiesisch teien der Erde, in den Laboratorien, in den zuteil geworden; er sieht unsere „schöne Land [...] Solch ein Gewimmel möcht ich Wissenschaften, von der Biologie bis zur neue Welt“ so wie sie ist (oder war?). Am sehn! / Auf freiem Grund mit freiem Vol- Soziologie, prächtige Tempel errichtet Ende von Faust II fühlt sich das Univer- ke stehn! / Zum Augenblicke dürft ich wurden. Vielleicht, man wagt es kaum zu salgenie am Ziel aller seiner Träume und sagen: / Verweile doch, du bist so schön! hoffen, entdecken die Leute unter dem Ambitionen. Nicht dass Faust, der Magier, / Es kann die Spur von meinen Erdentagen Schock der Krise eine uralte Tugend wie- der Politiker, Ingenieur, Planer, Experi- / Nicht in Äonen untergehn.“ Bloß Phi- der, nämlich die Demut. Diese ist zwar mentator, dezidiert bösen Willens wäre, lemon und Baucis sind dafür getötet peinlich „unmodern“, dafür aber illusions- er ist bloß von der Leidenschaft beseelt, worden und die Lemuren haben Faustens los, langmütig und gütig gegenüber der eben einen „neuen Menschen“, sich selber Grab bereits ausgehoben. Schöpfung und allen Menschenkindern. eine „neue Welt“ zu schaffen, den Homun- Der alte Lockruf des Götzen Fortschritt, Die Hoffnung stirbt zuletzt ... culus in Serie: Er errichtet gigantische der Sirenenton der diversen Ideologen der ● Bertram Karl Steiner Dämme, gräbt tiefste Kanäle, um den „Moderne“, das alte Versprechen des * 1948 in Niederösterreich, lebt und arbeitet in Kärnten, studierte Geschichte und Romanistik in Wien, verweilte Ozean einzugrenzen und auf dem so Mephistopheles, die neue Hybris der als Lehrbeauftragter für österreichische Zivilisation an gewonnenen Lande ein gesellschaftliches Moderne: „Ihr werdet sein wie Gott!“ der Universität Brest in der Bretagne, war Kulturchef der Kärntner Tageszeitung, ist Verfasser mehrerer Bücher Idyll einzurichten. Ein genialer Plan, über Kärnten. allerdings stellt sich, kurz vor der Vollen- Und dann wacht aus den Eingeweiden der dung, ein anscheinend geringfügiges Pro- sogenannten Natur auf einmal ein winziges blem, denn auf der riesigen Baustelle Wesen auf, schillert unterm Mikroskop hatte sich vor vielen Jahren das alte Paar verführerisch wie eine fleischfressende

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 7 Die Durchhalter Die Kultur läuft derzeit auf Sparflamme. Wie sich Kärntner Kunstschaffende über Wasser halten und was es trotz der vielen Absagen zu erleben gibt. Ein Rundblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Kärntens Kulturschaffende ste- kleine, feine Ideen, die ihre hat: „Wir wollten gerade den Bau des cken zwar fest, kämpfen sich poetischen Kreise ziehen und Containers in Auftrag geben, da sind die aber unermüdlich weiter durch das dem Zuseher, der Zuhörerin schnell Verordnungen gekommen. Eine Verschie- Corona-Packeis. Von Schiffbruch keine ein leises Lächeln entlocken – und Neu- bung in den Herbst oder Winter hinein ist Spur. Durchhalten und kreativ sein, heißt gierde auf mehr kulturelle Kost als Kont- bei diesem Projekt nicht möglich.“ die Devise. Mit der „DS Morgenröte“, rapunkt zum Corona-Schrecken wecken. einem britischen Dreimaster auf Polarex- Allerdings: Ohne Internet würde die Kul- Virtuelle Bühne. Doch vor allem Kärntner pedition vor rund 100 Jahren, machen sich turlandschaft auch bei uns düster ausse- Theatermacher*innen entdecken immer das Universitätskulturzentrum Unikum hen. Wer hätte das gedacht: Die virtuelle stärker das World Wide Web als Bühne. und der Verein Vada virtuell auf den Weg. Welt überbrückt für das auf Diät gesetzte Herbert Gantschacher ist mit seiner Doch das abenteuerliche Unternehmen Publikum die veranstaltungslose Zeit! Musiktheatergesellschaft Arbos seit Jahren scheint dem Untergang geweiht, nichts ein Pionier in Sachen Internet-Übertra- geht mehr, Kärntens Kulturschaffende Neuer Platz für Kultur. Wer kann, ver- gungen. Bis Mitte Juni findet heuer das sitzen im Packeis fest: Die „Flaschen:post sucht also sein Projekt auf einer anderen 21. europäische und internationale visu- /Pismo v steklenici“, mit der sich die als der geplanten Ebene abzuhandeln. So elle Theaterfestival „Visual“ zur Gänze via beiden heimischen Kreativlabors via Inter- wie die IG KiKK, die ihr CARINTHIja Livestream statt. Gantschacher: „Anstatt net melden, ist nur eine der spannenden 2020-Projekt „Demokratie in Bewegung“ zu lamentieren, eine große Kunst in Öster- und humorvollen Initiativen, mit denen kurzerhand ins Netz verlegte [BRÜCKE­ reich, hat Arbos unter Einhaltung aller sich die auf Eis gelegte Kunstszene im seiten 20-21]. In dem zweitägigen Online- Regeln weitergearbeitet!“ Land bemerkbar macht [siehe auch Symposium wurden beeindruckende Zah- Während der große Kulturtanker Burg- BRÜCKE­seiten 24-25]. len zu Kärntens freier Kulturszene auf den theater unter der Leitung des neuen Zwei Monate kompletter Shutdown, die Tisch gelegt: So besuchen rund 350.000 Intendanten Martin Kušej vorerst auf das Unsicherheit bezüglich einer schrittweisen Menschen jährlich die mehr als viertau- Abspielen von Archivmaterial hochgelob- Lockerung der Maßnahmen, Einnahmen- send Veranstaltungen der Kulturinitiati- ter Inszenierungen oder von Lesungen der entgang und Zukunftsangst ließen auch ven, in denen rund eintausend Kulturar- Burg-Stars setzte, probierte die neuebu- die Kulturszene zu Beginn der Krise in beiter zum Großteil freiberuflich tätig sind. ehnevillach etwas Neues aus: „Dieses Schockstarre fallen. Die hat sich mittler- Doch nicht alles lässt sich ins Internet Stück eignet sich einfach perfekt dafür“, weile wieder gelöst, zahlreiche originelle verlegen. So ist etwa ein weiteres CARIN- preist Intendant Michael Weger Daniel Produktionen aus Kärnten kann sich die THIja 2020-Projekt ins Stocken gekom- Glattauers „Die Wunderübung“. In Form Kulturkonsumentin, der Kunstkonsument men: Ein interaktiver Wandercontainer einer Video-Konferenz via Zoom war dabei aus aller Welt heute in sein Wohnzimmer sollte durch dreißig Gemeinden Südkärn- das Publikum als stummer Zuseher bei holen oder per Post zustellen lassen. Nicht tens ziehen und die Bevölkerung einladen, einer Online-Paartherapie beteiligt. Weger, die international gehypten Balkonkonzer- sich aktiv einzubringen (Katholisches Regisseur und Darsteller in Personaluni- te oder das Abspielen von Archivmaterial Bildungshaus Sodalitas). Veronika Kušej, on, versuchte als Therapeut vor seinem via YouTube ist damit gemeint. Es sind die mit Miha Dolinšek die Idee entwickelt Laptop im Homeoffice in Villach ein zer-

8 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Kunstsinnige Flaschen:post aus dem Packeis: Christina Clar: Patterns In A Solid Field – Eisbilder. Foto: Christina Clar | Franziska Füchsl: Nasenatmung. Foto: Franziska Füchsl / UNIKUM | Sigrid Friedmann: Kaltes Fruchtfleisch. Foto: Sigrid Friedmann | Barbara Rapp-Ambrusch: Isolation im Krähennest auf der DS Morgenröte. Foto: Barbara Rapp-Ambrusch/Niki Meixner

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 9 Der chinesische Bildhauer Wu Shaoxiang und eine Wandinstallation von Melitta Moschik. Fotos: privat / Moschik

strittenes Ehepaar, jeweils vor seinem los geworden. Im Herbst soll im Salzbur- des Verbandes slowenischer Schrift­- eigenen Bildschirm in zwei Wiener Woh- ger Landestheater seine Neuschreibung steller­*innen Österreichs aus der neuen nungen, zu versöhnen. Sechsmal wurde von Ferdinand Raimunds „Der Barome- Anthologie „Unser Kärnten/Naša das Stück, das schon 2016 seine (analoge) termacher auf der Zauberinsel“ heraus- Koroška“ machen die beiden Interessens- Premiere in Villach erlebte, gezeigt – der kommen, außerdem ist eine Premiere im vertretungen via YouTube auf ihr lesens- Zugang zur Videokonferenz wurde nach Wiener TAG geplant u. a. m. wertes CARINTHIja 2020-Projekt (Verlag Anmeldung gratis vergeben. Die Komödienspiele Porcia mussten Hermagoras/Mohorjeva, siehe BRÜCK- Dient das Internet als Bühne, so wird von Intendantin Angelica Ladurner Eseite 69) aufmerksam – erstmals werden das Zusehen fast immer ohne Eintrittsgeld ausgerechnet in ihrer 60. Spielzeit eben- in dem sorgfältig gestalteten Buch (mit ermöglicht. So handhabte es auch das falls schweren Herzens abgesagt werden: zwanzig Arbeiten bildender Künstlerin- klagenfurter ensemble, das via Homepage „Die Welt hält den Atem an“, meint sie nen und Künstler aus Kärnten) sämtliche einige seiner besten Produktionen als in ihrer Videobotschaft traurig, „aber ein Texte in beiden Landessprachen abge- Streaming-Angebot online stellte. Theater ohne Publikum ist kein Theater!“ druckt. Herausgeberin Gabriele Russ- Eine Initiative von Kulturreferent LH wurm-Biró über die Zusammenarbeit mit Analog mit Auflagen. Doch die Durststre- Peter Kaiser ermöglicht aber, dass zumin- ihrem slowenischsprachigen Kollegen cke des Aufführungsverbotes nützte Prin- dest der beliebte Theaterwagen des Niko Kupper: „Wir verständigen und zipal Gerhard Lehner mit seinem Team Ensembles Porcia im Sommer mit einer verstehen einander schon seit vielen hinter den Kulissen für Planungsarbeiten. adaptierten Komödienversion durch die Jahren sehr gut und hoffen beide auf eine Und so wurde, kaum dass das Theaterver- Lande ziehen kann. Zukunft mit mehr Augenmerk auf das bot mit Ende Mai fiel (unter Auflagen), ein Schwer aufgrund der Abstandsregeln Gemeinsame!“ „Auto Theater Festival Klagenfurt“ prä- haben es auch Tanztheaterproduktionen Buchautor und Kolumnist Egyd sentiert. Für dreiunddreißig Aufführungen wie das Tanztheater „einAnder“, das für Gstättner arbeitet nicht nur in Corona- zwischen Juni und September werden CARINTHIja 2020 „24 Stunden Grenzer- Zeiten hauptsächlich von seinem Heim- dabei zum Beispiel Uraufführungen von fahrung“ erarbeitet. Leiterin Klaudia büro aus. Das, was Geld einbringt, fällt Antonio Fian und Werner Kofler, Lesungen Ahrer: „Wenn es nicht ohne Mundschutz allerdings seit Wochen aus: „Ich habe seit (u. a. Josef Winkler) und ein Konzert der geht, dann machen wir es nicht.“ 30 Jahren im Schnitt zwanzig bis dreißig Talltones geboten – dann allerdings wieder Lesungen pro Jahr in Kärnten, Österreich wie gewohnt gegen Eintritt. Seitenweise Literatur. Nicht nur so man- und darüber hinaus. Heuer habe ich drei Bernd Liepold-Mosser, Neo-Intendant chen Theaterbesuch konnten die Kärntner absolviert, bevor der Lockdown kam. des für heuer erstmals angesetzten „Kla- (auf der ganzen Welt) online absolvieren. Finanziell massiv auswirken wird sich die genfurt Festival“, das so etwas wie ein Auch Lesungen in unterschiedlichster Misere erst in der zweiten Jahreshälfte.“ Wiederauferstehen der legendären „Woche Form wurden und werden im Netz gezeigt. Auf seine Kreativität habe das noch keinen der Begegnung“ aus den 1980er- und -90er- Das Unikum-Team liest auf seiner Einfluss: „Die Schreibtischarbeit geht gut Jahren werden sollte, muss seine Planun- Homepage in einer „Komplettlesung“ voran. Aber sie ist eben nicht an Bezahlung gen allerdings auf nächstes Jahr verschie- das gesamte neue Reise-Wanderbuch gekoppelt. Meine Hauptauftraggeberin ist ben – da es im Herbst 2020 „wegen der „Aus der Enge“ (von Gerhard Pilgram, derzeit die Schublade.“ ebenfalls verschobenen CARINTHIja-Ver- Wilhelm Berger, Werner Koroschitz). Mit Während Autor*innen „für die Schub- anstaltungen eng werden würde“. Doch Kurzlesungen von Autor*innen des Kärnt- lade“ produzieren, bemühen sich die Liepold-Mosser ist deswegen nicht arbeits- ner SchriftstellerInnen-Verbandes und heimischen Verlage um „business as

10 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Marie Lenoble mit ihrer Maske „Große Klappe“, ein Beispiel für Ina Loitzls Kunst-Masken und Tanja Prušnik mit ihrer Faltmaske. Fotos: privat

usual“, wie Achim Zechner (Verlag Heyn) Remissionen aus den Buchhandlungen Verleger und Autor aber nicht in Frage, erklärt. Mit Online-Versand könne man zu befürchten ist. es gebe eben zeitliche Umschichtungen. zwar die Umsatzausfälle im Sortiments- „Wir haben genügend zu tun“, betont „Am schlimmsten ist der Einnahmenent- buchhandel nicht wettmachen, an den auch Martina Mosebach-Ritter (Ritter gang, da Messen, Autorenlesungen, Oster- Büchern des Herbstprogrammes werde Verlag), obwohl der Ausfall der Leipziger märkte, Buchhandel weggefallen sind“, trotzdem weitergearbeitet wie üblich. „Wir Buchmesse schmerze: „Das ist vor allem erlaubt Ragger einen Blick in seinen geben uns Mühe. Den Verlag gibt es seit für Autoren schade, die ihre Erstveröffent- Geschäftsalltag. „Der Vorteil: Ich komme 150 Jahren, wir haben zwei Weltkriege lichung bei uns präsentieren wollten.“ als Autor selbst mehr zum Schreiben“, überlebt, wir werden auch das überstehen. Überhaupt macht sich die Verlegerin mehr zeigt er sich dennoch optimistisch. Das ist meine Lebensaufgabe!“ Kündigun- um ihre Autor*innen als um ihren Verlag Bücher seien keine lebensnotwendigen gen gab es keine, doch die fünf Angestell- Sorgen: „Jeder Autor ist ja ein Einzelun- Güter, Lieferungen würden daher nur mit ten sind in Kurzarbeit. Verstärkt auf ternehmer. Denen brechen komplett die längeren Wartezeiten möglich sein, befand Social Media aktiv zu sein, sei nicht für Einnahmen weg!“ Glücklicherweise wür- am Höhepunkt der Krise der Online- alle Schreibenden einfach: „Für ältere den ja die Druckereien, wenn auch manch- Händler Amazon. Wie lebensnotwendig Autoren ist das ganz was Neues, dass sie mal (wegen Schwierigkeiten mit den der Verkauf von Büchern aber für die YouTube-Lesungen halten sollen.“ Auch Papierlieferungen) verzögert, so doch Autoren ist, erkannte die Verwertungs- Egyd Gstättner stellte eine „Appetizer- weiterarbeiten. Doch auch sie betont: „Der gesellschaft Literar Mechana, die unbü- Lesung“ auf seine Facebook-Seite sowie Sortimentsbuchhandel ist unser wichtigs- rokratisch und kurzfristig im März gehol- eine „Keller-Botschaft“ auf die seines ter Partner!“ fen hat – mit Ausfallshonoraren für Verlages (Picus). „Gespräche kann man nicht nur digital Schriftsteller­ *innen,­ deren Lesungen „Wir verlegen uns auf neue Formen der führen“, betont Adrian Kert (Hermagoras/ entfallen sind. Egyd Gstättner: „Ansons- Kommunikation“, erzählt auch Lojze Mohorjeva) die Wichtigkeit des persönli- ten? Der Verweis des Kulturstaatssekre- Wieser von verstärktem Marketing via chen Kontaktes, der in Corona-Zeiten so tariates auf den Härtefonds der Wirt- Social Media, damit „unsere Bücher das fehlt. Trotzdem ist er zuversichtlich: „Die schaftskammer war der reinste Murks, Licht der Welt erblicken“. Lesekreise, die Resonanz auf unser verstärktes Marketing Bürokratie bis zum Gehtnichtmehr. Das online über Bücher diskutieren, werden via Newsletter und dergleichen ist gut, habe ich gleich bleiben lassen. Und man mit Neuerscheinungen des Verlages die Aufrufe regional und lokal zu bestellen will sich ja nicht mit den Friseuren und beschickt, Buchhändler*innen direkt fruchten. Hoffentlich vergessen die Leute Gastronomen, denen die Existenz noch angeschrieben, E-Books als „Geschenk das nicht und es bleibt auch nach der schlimmer abgeschnitten ist, um ein des Hauses“ versandt. „Wir leben ja davon, Krise so!“ Almosen balgen.“ dass unsere Bücher vom Buchhandel Gernot Ragger vom Verlag „der wolf“ Mit „Schreibweitergeschichten“ regte angepriesen werden, vom direkten Kon- in Völkermarkt ist quasi ein Ein-Mann- Carmen Kassekert mit dem Verein „Slam takt.“ Das sei jetzt wochenlang weggefal- Unternehmen, das vom Lektorat über if you can“ das Publikum dazu an, selbst len und schwer wieder aufzuholen. Das Korrektorat bis zum Layout alles selbst aktiv zu werden. In einer Fortsetzungsge- Herbstprogramm werde mit zwei bis drei macht. Die Druckereien in Ungarn und schichte, an der sich alle beteiligen konn- Neuerscheinungen wohl eher ein erwei- der Slowakei, mit denen er arbeitet, sind ten, die sich registrierten, wurde ein tertes Frühjahrsprogramm werden. Sor- zum Teil auf Kurzarbeit umgestellt und Kärntner Superheld zum Leben erweckt. gen macht dem Verleger die Frage der nehmen keine neuen Aufträge an. Buch- Die Abenteuer des Regalschlichters Hörbi Liquidität, da eine verstärkte Zahl an produktionen stornieren kommt für den Maurer konnte man alle zwei Tage Kapitel

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 11 „Couture“ vom Teatro Zumbayllu und „Sie haben Post/Dobili ste pošto“ von und mit VADA und Branka Jovanović. Fotos: Zumbayllu / VADA

für Kapitel via Homepage und Facebook in Kärnten lebende und arbeitende Künst- meiner konzeptuellen künstlerischen mitverfolgen (www.hoerbie.at). Ebenfalls ler-Ehepaar Wu Shaoxiang und Jiang Arbeit sehe ich mich durch die Corona- quasi an der Hand nahm das Teatro Shuo, das in Wien und Singapur bei Krise persönlich nicht eingeschränkt, wohl Zumbayllu sein Publikum bei Online- aktuellen Schauen nicht dabei sein konn- aber in der industriellen Fertigung meiner Führungen, die virtuell Einblicke in die te. Doch die Chinesen sind froh, die Gestaltungen, da alle meine Produktions- Kostümwelt der „Couture Zumbayllu“ Corona-Krise in Kärnten zu überstehen. firmen ihren Betrieb eingestellt haben!“ gewährten – vom Klagenfurter Raum 8 Wu: „Hier sind die Maßnahmen viel besser. aus riefen Florian und Sara Zambrano den Wir leben so wie vorher, ich arbeite im Masken-Ball. Der Kunstverein Kärnten, Menschen zu: „Rettet das Theater!! Denn Garten. Nur meine Tätigkeit als Professor mittlerweile wieder (unter Einschränkun- ohne Theater ist kein Leben möglich!!!“ an der Kunstakademie in Tianjin kann ich gen) zugänglich, verlängerte seine aktu- Mit virtuellen Postkarten versucht der derzeit nicht ausüben.“ ellen Ausstellungen bis Mitte Juni und Theaterverein Vada dem Publikum seine Von Melitta Moschik mussten gleich ließ sich ein besonderes Angebot für die jüngste Ausstellung zu präsentieren: zwei geplante Ausstellungen verschoben Besucher*innen einfallen: Mitglieder des Anstatt die Veranstaltung zu streamen, werden: Anfang Mai hätte das vom Kunst- Kunstvereins von Marianne Bär bis Ina entwarfen Yulia Izmaylova und Felix verein Kärnten konzipierte interdiszipli- Loitzl, Marie Lenoble bis Wolfgang Grossl Strasser gemeinsam mit Branka näre Kunstprojekt „Zeit. Čas. Tempo“ u. a. m. gestalteten künstlerische Masken Jovanović eine interaktive Ausstellung starten sollen (neu: November 2020). Und zum Verkauf. mit dem Titel „Sie haben Post/Dobili ste das für CARINTHIja 2020 geplante Brü- Mit dem Schneidern von Masken pošto“, bei der das Publikum, die Multi- ckenprojekt „Brücken bauen/Gradimo reagierten viele Künstler*innen des Lan- mediakünstlerin und deren Exponate auf mostove“ wartet ebenfalls noch auf seine des: Die Kärntner Siebdruckerin, Desig- dem Postweg miteinander kommunizieren Realisierung (an der Brücke Seidendorf nerin und Trägerin des BA Kunstpreises können (post.vada.cc). – Völkermarkt – Stein). Doch die nächsten Stephka Klaura [siehe BRÜCKEseiten Herausforderungen für die Künstlerin liegt 42-43] reagierte schnell und produziert Ateliers als Homeoffice. Bildende Künst- bereits auf ihrem Tisch: Derzeit arbeitet seit Wochen in ihrem zum Atelier umge- lerinnen und Künstler, ähnlich mit dem sie an einem vom Land Steiermark aus- bauten Wirtshaus in Wien Ottakring den Homeoffice vertraut wie Schriftsteller­ geschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung individuellen Mund-Nasen-Schutz: „Hier *innen, vermissen vor allem den regulären eines Denkmals in Reflexion auf die explodiert gerade die Anfrageflut und wir Ausstellungsbetrieb, auf den sie oft mona- Corona-Pandemie. Moschik über das Arbei- haben unser Team nun erweitert. Familie telang hinarbeiten. So auch das seit Jahren ten unter erschwerten Umständen: „In und Freunde ... alle helfen sie mit!“

12 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Galeristin Lena Freimüller. Foto: Joana Pianka

Tanja Prušnik, Präsidentin des Künst- Kindern und der Arbeit wenig Zeit, um „ihrer“ Künstler*innen punkten. Regel- lerhauses in Wien, macht ihre Masken- Aussendungen zu machen.“ Sie kritisiert, mäßige Blogs, Postings, Newsletter gab es Unikate zu Kunstobjekten. Mit einem dass medial vor allem von virtuellen von der Galerie 3 schon vor der Corona- entsprechenden Objektkasten, den man Kunstaktivitäten berichtet wird, die aus Krise. Das analoge Erleben von Kunst an die Wand hängt oder als Raumobjekt den Hauptstädten kommen: „Dabei gibt es könne dadurch aber nicht ersetzt werden. postiert, wirken die Masken wie Skulptu- gar keinen Unterschied, ob eine Galerie „Wir haben uns bewusst dagegen entschie- ren. Diese C-unst Masken oder „multiple oder ein Museum Online-Kunstvermittlung den, in der Krise nur im virtuellen Raum readymades“ beeindrucken mit kunstvol- anbietet oder wir in der Galerie Freihaus- zu agieren“, betont die Klagenfurterin, die len Faltungen im Stil der Origami-Technik. gasse in Villach. Beides findet zu Hause seit einem Jahr auch einen kleinen, feinen statt. Und unsere unzähligen Aktivitäten Schauraum in Velden betreibt, bei dem Dass auch Künstler*innen oft Familien- mit @theateracme – wie unser Podcast auch Passanten im Vorübergehen die menschen sind, die Homeschooling und mit tollen Gästen wie den Gebrüdern regelmäßig wechselnden Ausstellungen Arbeit, Existenzsorgen und soziale Isola- Moped und Vera Kropf (Luise Pop), unser erleben können. Sie setzt ebenso mit ihrem tion unter einen Hut bringen müssen, müde Kinderbuch „Nur Mut, Herr Hut“, das Projekt Flux 23 auf Kunst im öffentlichen werden und sich gequält wie alle anderen derzeit kostenlos heruntergeladen werden Raum, initiiert und kuratiert barrierefreie mit der Bürokratie herumschlagen, ist dem kann (www.acmeonline.org) und das aktu- Projekte und denkt „Galerie“ neu. kulturaffinen Publikum oft nicht bewusst. elle Online-Schreibprojekt „die Corona- Neu denken musste auch Arthur Sigrid Friedmann, Video- und Installati- Files“ können überall auf der Welt gelesen Ottowitz (Werner Berg Museum Bleiburg) onskünstlerin, bringt es auf den Punkt, und angehört werden.“ die Ausstellung „Manfred Deix trifft Wer- wenn sie sagt: „Ich glaub, es ist ein großer ner Berg“, die schließlich doch, wenn auch Unterschied, ob man jetzt in dieser Zeit Schaufenster zur Kunst. „Bei den Künst- um drei Wochen verspätet, eröffnen konn- als Künstler*in zu Hause Kinder hat, denen lern erwartet man bei Krisen immer, dass te. Zu Beginn der Krise war alles unklar: langweilig ist und die mit Homeschooling- sehr schnell etwas Kreatives rauskommt“, Ob die Speditionen mit den Leihgaben betreut werden müssen oder ob man in spricht die Klagenfurter Galeristin Lena fahren dürfen, wie weit die Versicherun- Ruhe, relativ unabgelenkt die Zeit zum Freimüller (Galerie 3) ein weit verbreite- gen dafür abgeschlossen werden können, Arbeiten nutzen kann.“ Auch die Villacher tes Klischee an. „Alle denken, dass wir im ob man überhaupt Plakate drucken lassen Konzeptkünstlerin und Autorin Simone Kulturbereich die Kreativität gepachtet soll, wann man die Fassadengestaltung Dueller stimmt da mit ein: „Wir haben haben.“ Sie ist eine der Galeristinnen, die am Hauptplatz hängen kann, et cetera, et keine Pressesprecherin und neben den besonders durch die persönliche Betreuung cetera. „Die Ausstellung kann über Video

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 13 Gerhard Maurer: aus der Serie „what are we waiting for“. Die Arbeiten werden im Sommer in Alpen-Adria-Galerie in Klagenfurt zu sehen sein. Foto: Gerhard Maurer | Ab 6. Juni „Von Picasso bis Hockney. EDWARD QUINN, Künstlerfotograf“ in der Stadtturmgalerie Gmünd. Foto: Edward Quinn: Picasso in seinem Bildhaueratelier in Le Fournas, 1953. | Beim Gitarrenfestival in Millstatt sind heuer statt der Musiker*innen aus aller Welt heimische Gitarrenvirtuosen zu Gast. Foto: Sergej23/pixelio | „Viech“ steht auf der Gästeliste des Carinthischen Sommers. Foto: Gerfried Guggi

14 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Night of the Living Dead (1968), ein Klassiker des US-Filmemachers George A. Romero. Foto: George A. Romero

nicht so drübergebracht werden“, ist Holger Bleck, Intendant des Carinthi- Ottowitz erleichtert, dass die Schau nun schen Sommers, will sein Festival auf welter.skelter doch zustande kam, „ein bissl Lachen nach keinen Fall absagen: „Mein Ziel ist, dass dieser anstrengenden Zeit tut uns allen wir im Juli und August spielen!“ Konkre- Die Unzeit gut!“ Museen sind ein wichtiger Wirt- te Entscheidungen was und wie soll es Der Sonntag war mir von allen Wochentagen schaftsfaktor. Vor zwei Jahren lockten die Anfang Juni geben. immer schon der verhassteste. An Sonntagen Bleiburger mit einer Gottfried-Helnwein- „Durchhaltevermögen“ wünscht das versuchen die Menschen etwas zur Ruhe zu kommen, versuchen ein klein wenig Erholung Ausstellung mehr als 22.000 Besucher an, Kulturforum Amthof Künstler*innen zu finden, eh sie am Montag im reißenden pro Jahr zählt man in den Kärntner Muse- und Publikum, denn auch die Feldkirchner Strom eines turbokapitalistischen Systems wie- en insgesamt rund 550.000 Besucher, die Kulturarbeiter mussten bis in den Sommer der unterzugehen drohen. Jetzt, in einer Zeit, eine Wertschöpfung von rund 12 Millionen hinein alle Veranstaltungen absagen, dar- die ihren linearen Lauf verlassen hat und zur Euro erwirtschaften. unter auch das Pfingstfestival der Alten Unzeit wurde, fühlt sich jeder Tag wie ein quä- Die Künstlerstadt Gmünd, die so wie Musik und das dritte Tango-Festival. Als lend langer Sonntag an. Zäh und dickflüssig ist alle anderen heuer auf Ausstellungseröff- virtuelles Trostpflaster gibt’s auf der die Unzeit. Sie strömt in alle Richtungen. Schon nungen verzichten muss, bringt erstmals Homepage des Amthofs Links zu Videos in den frühen Stunden dieses ewigen Sonntags ein „Vademecum“ als Führer durch die mit Klassik-, Jazz- und Folkmusik sowie hat sich eine seltsame Bleiernheit meiner zahlreichen Galerien und Museen heraus. zu Karikaturen. ermächtigt und will seitdem nicht mehr von mir Erika Schuster von der Kulturinitiative lassen. Kaum Platz zum Atmen. Im trockenen Gmünd: „Auf einen Blick soll deutlich Ein Bild vom Leben in der Krise kann man Mund, unter der Maske, der säuerliche werden, was alles in Gmünd zu sehen ist, sich auch mit Kärntner Fotokünstlern Geschmack von Rost und Knochen. Jemand hat was wo und wann offen hält und zum machen. Arnold Pöschl: „Nachdem ich der Welt ihr Mark entrissen und durch ein hoh- Staunen und Kennenlernen einlädt!“ Ab Leute Zu hause abgelichtet habe, porträ- les Skelett aus Angst und Verunsicherung 6. Juni ist in Gmünd die kurzfristig anbe- tierte ich nun Menschen in Klagenfurt mit ersetzt. Auf allen Kanälen wird gezeigt, wie raumte Ausstellung in der Stadtturmga- Masken [siehe BRÜCKEseiten 6-7]. Eine Kunst und Kultur zu Grabe getragen werden. lerie zu sehen: „Von Picasso bis Hockney sehr befremdliche Situation wird so fest- Nur vorübergehend tot, sagen sie. Kunst und Edward Quinn, Künstlerfotograf“. gehalten.“ Und auch der Klagenfurter Kultur: missachtet, geschändet, in ein drecki- ges Loch geschmissen und mit fauler Erde Die meisten anderen Museen öffnen mit Fotograf Gerhard Maurer arbeitet an zugeschüttet. Irgendwann werden wir sie schon Ende Mai ihre Tore, das Klagenfurter einem Fotoessay und dokumentiert seine wieder zum Leben erwecken, sagen sie. Als Musil-Museum ist am 2. Juni soweit. Familie, sein Zuhause und sein unmittel- Untote freilich nur, sage ich. Untote in einer bares Lebensumfeld [siehe BRÜCKEseiten Unzeit. Das passt. Was noch? „Die Pest“ von Ruhiger Konzertsommer. Und die Musik? 19 und 27]. Johannes Puch, Fotograf und Albert Camus. Allerorts vergriffen im Moment, „Die Situation ist eine Katastrophe für den begeisterter Hobbykoch hat seine zwei dafür in einer mehrstündigen Marathonlesung gesamten Kulturbetrieb“, meint Arthur Leidenschaften kombiniert und ist in der vorgetragen von fast 120 Personen. Dabei durf- Ottowitz von der Kulturinitiative Bleiburg, Kombüse sowie in der Dunkelkammer der te ich mitwirken. Das war gut. Ansonsten ist da, „vor allem die Musiker sind auf Auftritte „DS Morgenröte“ zu finden: An Bord des will man von den üblichen Fäkalien einmal angewiesen.“ So wie sein Jazzveranstalter- Kunstprojektes „Flaschenpost“ (Unikum/ absehen, nichts, das in dieser Unzeit aus mir Kollege Hans Jalovetz vom Kulturforum Vada) bereitet er als Smutje Matrosen- raus will, aus mir raus muss. Diese paar Zeilen Villach musste er Konzerte absagen, Flü- Sushi, einen Skorbut-Salat und andere hier bloß, die einer gerne als ersten und letzten ge und Zugreisen stornieren, vorverkauf- Köstlichkeiten zu. Mit einem Klick ins Eintrag eines Miniatur-Coronatagebuchs verste- te Eintrittskarten rückerstatten. Jalovetz: Internet wird sichtbar: Kunst ist kein hen darf. Mehr ist da nicht. Jemand hat der „Bedauern tue ich die Künstler, die leben schlechtes Rezept gegen die Krise. Welt ihr Mark entrissen und mit einem Skelett ja von den Tourneen.“ ● Karin Waldner-Petutschnig aus Angst und Verunsicherung einen nicht Kurzfristig umprogrammiert hat Julia (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben mehr enden wollenden Sonntag, dem mir ver- ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“ hasstesten aller Wochentage, geformt. Eine Malischnig ihr Gitarrenfestival in Mill- leitete sie 12 Jahre den -Verlag und drei Jahre statt. Statt der internationalen Gitarren- das Museum Liaunig. bleierne Schwere hat sich seitdem meiner ermächtigt. Nichts, das aus mir raus will. Nur virtuosen, die sie im Sommer nach Ober- das Warten auf den Montag. Nur das Warten kärnten holen wollte, lädt sie nun vom 5. auf das Ende der Unzeit. bis 9. August heimische Gitarristen ein: ● „Wir setzen auf Regionalität.“ Rasch umdis- Oliver Welter Musiker, Schauspieler und Autor. Geboren in Klagenfurt, lebt poniert haben auch Elena Denisova und in Klagenfurt und Innsbruck, stirbt vermutlich in Klagenfurt Alexei Kornienko: Das Musikfestival oder Innsbruck oder gar nicht. „Wörthersee Classics“, das ursprünglich Anfang Juni hätte stattfinden sollen, wird nun am 29. November eröffnet.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 15 Kulturreferent LH Peter Kaiser. Foto: Büro LH Peter Kaiser

Kultur – ein Lebensmittel kämpft ums Überleben Ein Gespräch mit Landeshauptmann Peter Kaiser.

Durch „Corona“ befinden wir uns in gesellschaftlichen Gefüge einnimmt; viel- Wir haben es zunächst mit den größeren einer Krise von globalen Dimensionen. leicht wird ihre gesamtgesellschaftliche Kulturanstalten wie Stadttheater, KSO, Kann man die Kultur als ein „Überle- Kraft uns erst jetzt mit der Corona-Krise Gustav Mahler Privatuniversität, Carin- bensmittel“ für die verunsicherten Men- in vollem Umfang bewusst. Wie sehr die thischer Sommer, Komödienspiele Por- schen sehen? Kultur den Menschen fehlt, ist evident. cia zu tun, mit den vielen Personen, Ja. Historisch gesehen, etwa in Kriegs- Auch bei der Berechnung des Existenz- die hier ihre Arbeitsplätze haben. und Nachkriegszeiten, spielte die Kultur minimums sollte das eingerechnet wer- Wie vermag die Kulturpolitik Kärntens eine enorme Rolle für die Gesellschaft. Ich den, hier gibt es sehr wohl einen Anspruch hier einzugreifen? Sind die finanziellen erinnere an Namen wie Jura Soyfer oder auf Anteilnahme am kulturellen Leben. Mittel zumindest mittelfristig ausrei- Kurt Tucholsky. Nicht zu vergessen die Wir denken da an Vergünstigungen bei chend? Wirkung von Humor und Satire gerade in Tarifen etc. Möglichst viele Menschen Wir müssen hier sehr differenziert und lebensgefährlichen Situationen. Noch ein- sollen in den Genuss kultureller Einrich- auf den jeweiligen Bereich abgestimmt mal, ja. In der gegenwärtigen Lage mit der tungen kommen. vorgehen. Was das Theater betrifft, ist es Covid-19-Pandemie ist aber das Lebens- uns möglich geworden, Kurzarbeit durch- mittel Kultur selbst in die Lage geraten, Wie reagieren Kulturschaffende und zusetzen, damit Massenentlassungen um sein Überleben kämpfen zu müssen. Publikum auf die Krisensituation? verhindert werden konnten. Jetzt brau- Wir haben es mit einem dialektischen Mit durchaus berechtigter Kritik und chen wir rasch einen Zeitplan, um zumin- Prozess zu tun: Einerseits spendet die Enttäuschung auf vielen Ebenen der Kul- dest Probenvorläufe zu ermöglichen. Kultur Hoffnung, gibt Mut, eröffnet neue turpolitik. Es ist auch Selbstkritik ange- Vielleicht geht sich die Premiere von Perspektiven; andrerseits sehen wir die bracht: Man hat Wünsche, mehr zu tun, „Elektra“ im September doch noch aus. Kulturschaffenden, die um ihr materielles aber ... Ein bedrückendes Gefühl des Zuwe- Auch kann man bei der hoffentlich nicht Überleben zu kämpfen haben. Die prekä- nig lässt sich nicht leugnen. Wir bemühen allzu fernen Wiedereröffnung unter ren Lebensverhältnisse, unter denen sie uns schon in der vierten oder fünften Berücksichtigung der gesundheitspoliti- leiden, sollten ein alarmierendes Zeichen Videokonferenz, um gemeinsam mit allen schen Auflagen, wie der Abstände zwi- für die gesamte Gesellschaft sein. Es bedarf involvierten Partnern zu möglichst raschen schen den Zuschauerinnen und Zuschau- eben einer ordentlichen Sozialversiche- Lösungen im Sinne der in ihrer nackten ern, 300 bis 400 Plätze im Hause rung, einer Einkommenssicherung. So Existenz bedrohten Kulturschaffenden zu bereitstellen. Es ist noch ausreichen Zeit utopisch das vielleicht klingen mag: Wenn gelangen. Und ich hätte mir in dem Zusam- vorhanden, um Modelle zu entwickeln. es eines Beweises bedurfte, wie nützlich menhang auch eine Soforthilfe seitens des Zum Beispiel könnte man Parterre und ein Grundeinkommen wirklich wäre, hier Bundes erwartet. Die Betroffenen zeigen Parkett mit den jüngeren Zuschauer*innen wird es offensichtlich. sich gerade von der grünen Staatssekretä- besetzen und den Älteren die Logen zur rin besonders enttäuscht ... Verfügung stellen. Was den Carinthischen Ist die gegenwärtige Situation auch ein Übrigens Kompliment an die IG KiKK, Sommer betrifft, so wollen wir zuwarten Indiz dafür, wie tief die Kärntner Gesell- die Interessensgemeinschaft der freien so lange es nur geht und auf eine Verbes- schaft vom Bedürfnis nach Kultur durch- Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška, die serung der Pandemie-Situation hoffen. drungen ist? stets kritisch auch mir gegenüber, in Vielleicht wird es doch möglich werden, Ich zögere ein wenig. Ja, es schmerzt, diesen Tagen doch beweist, wie wichtig das Festival in kleinerer Form durchzu- dass man das Bedürfnis nach kulturellen sie in der Kulturszene des Landes ist. Sie führen. Die Gustav Mahler Privatuniver- Aktivitäten derzeit nicht völlig befriedigen weist laut und deutlich auf Schwierigkei- sität ist seit 18. Mai wieder in angemes- kann. Die Vielfalt der Kultur bringt es mit ten und Notlagen hin; das halte ich für sener Weise in Betrieb. sich, dass sie eine besondere Stellung im sehr wichtig.

16 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Bei den Komödienspielen Porcia haben tekommen würden, sowie an Es wird uns schmerzlich wir mit der Intendantin Angelica Ladurner Verlagsförderungen sowie an bewusst werden, dass der Viren- das vielversprechende Modell eines der Errichtung von Arbeitsstipen- pandemie eine Arbeitslosenpan- „Kärntner Theaterwagens“ entwickelt, auf dien im literarischen Bereich. Lite- demie folgen wird, mit allen gefähr- dem vom 1. Juli bis zum 14. September ratinnen und Literaten sind ja darauf lichen Konsequenzen für die Gesellschaft. Protagonistinnen und Protagonisten auf- angewiesen, dass ihre Werke erscheinen. Wir werden aktiv dagegen auftreten müs- treten werden. Es wird sich um Auffüh- In dieser Richtung kann ich mir vorstel- sen, dass sich auf längere Sicht eine rungen im Freien mit akustischer Verstär- len, Lesungen im kleineren Kreis zu Kultur der Unterdrückung und der Obrig- kung in verschiedenen Gemeinden veranstalten. keitshörigkeit etabliert. Eine solche Krise, handeln. Dieses Straßentheater soll auch die früher zu unversöhnlichen politischen anderen Compagnien und Schauspielern Das kulturelle Programm des Jubilä- und gesellschaftlichen Gegensatzpositio- an sechzig Tagen parallel zum Ensemble umsjahres „CARINTHIja 2020“ wird nen geführt hätte, könnte uns diesmal des Theaterwagens als Aufführungsort ja nicht so wie vorgesehen ablaufen auch zur Erkenntnis führen, dass wir zur Verfügung stehen. Damit haben wir können. Wie wird das Land damit wechselseitig voneinander abhängig sind. auch die Chance, vermehrt Kunst zu den umgehen? Das wiederum könnte zur Ausbildung Menschen in den Regionen zu bringen. Wir hoffen, im Juni die Mobile Ausstel- einer neuen Form von Solidarität führen. Die finanziellen Mittel werden immer lung [siehe BRÜCKEseiten 60-63] eröffnen Vielleicht dämmert es jetzt so manchem zu gering sein, das ist mir wohl bewusst. zu können. Wir möchten alles durchfüh- Neoliberalen, dass der „Markt“ allein nicht Vergessen wir freilich nicht, dass Kärnten ren, was vom geplanten Programm in dazu in der Lage ist, eine solche globale schon drei finanzielle „Sturmtiefs“ hinter unserer Lage nur geht. Bislang gilt der 31. Krise zu bewältigen. Das Prozesshafte der sich und bewältigt hat. Jetzt heißt es, der August als Termin für das Ende des kul- gesellschaftlichen Entwicklung zeigt, dass Kulturszene möglichst effektiv zur Seite turellen Shutdowns. Vielleicht aber könn- man nie einen fixen Standpunkt erkennen zu stehen. Mir geht es heute im Wesent- te man dennoch wichtige Termine des kann. Denken wir da auch an die Klima- lichen darum, durch Härtefonds und spe- Jubiläumsprogrammes vorverlegen, das veränderung, gegen die es keinen Impf- zifische Förderungen existenzielle Nöte kommt allerdings auf die Entspannung stoff gibt. Sollten wir nicht radikal, im zu überbrücken und Berufsverluste zu der Covid-19-Situation bis dahin an. Sinne von der Wurzel her, gegen das verhindern. Nur die schnellste Hilfe hilft Ansonsten wird das Programm eben zeit- Überflüssige auftreten, das wir bisher aus wirklich. Wenn man bei der Pandemie so verschoben bis 2021 ablaufen. Das Jubi- Rücksicht auf die Bequemlichkeiten der lange gewartet hätte wie bei der Unter- läum ist ja nicht unbedingt datumsfixiert, Wohlstandsgesellschaft für unverzichtbar stützung im Kulturbereich, hätten wir eine prioritär sind die Inhalte. So werden von gehalten haben? weitaus größere Ausbreitung der Seuche. den insgesamt 89 eingereichten Projekten ● Bertram Karl Steiner 88 durchgeführt werden [siehe BRÜCKE­ * 1948 in Niederösterreich, lebt und arbeitet in Kärnten, studierte Geschichte und Romanistik in Wien, verweilte Zu alldem kommen die Probleme der seiten 54-58], einige wenige eben erst im als Lehrbeauftragter für österreichische Zivilisation an immens wichtigen Freien Szene, aber Jahre 2021. Die geplante Abschlussver- der Universität Brest in der Bretagne, war Kulturchef der Kärntner Tageszeitung, ist Verfasser mehrerer Bücher auch jene der Literatinnen und Litera- anstaltung, das „Fest der Täler“, wird über Kärnten. ten, der bildenden Künstlerinnen und voraussichtlich in einer anderen Form Künstler. Ihnen drohen Einbußen, die stattfinden müssen. Man hätte ja mehre- schwer zu überbrücken sein dürften. re zehntausend Menschen erwartet. Wir arbeiten zum Beispiel intensiv an der Schaffung von Synergien von Kunst Und Ihr Fazit aus der weltweiten Erfah- und Wirtschaft, die beiden Seiten zugu- rung mit dem Coronavirus?

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 17 Mein Vater hielt mich auch für weltfremd Die Künstlerin und Akademielehrerin Barbara Putz-Plecko ermutigt Studierende nicht nur in der vorübergehenden Corona-Krise, sondern auch in der Dauerkrise der Kunst.

Brot und Markt. Wenn Walther Phase endet. Wer sollte so eine käre Verhältnisse betrifft, bin ich vielleicht von der Vogelweide anno 1209 Garantie auch gewähren? Es gibt die falsche Gesprächspartnerin, weil ich fünf andere Garderoben besessen ja umgekehrt auch keine Garantie mich nicht in solchen Verhältnissen befin- hätte, hätte er sich wohl weniger dafür, dass ein bestimmtes Kunst- de. Aber ich bin ein politischer Mensch. darüber aufgeregt, dass ihm die Höflinge werk der Gesellschaft einen bestimmten Bernhards von Kärnten das vereinbarte Nutzen bringt, ja, dass es auch nur Wenn es um Kunstschaffende in prekären Honorar von zwei neuen Kleidern vorent- irgendwen interessiert. Falls doch, errei- Verhältnissen geht, kann es schon auf- hielten. Mag sein, diese Kerle räumten chen die Erzeugnisse von Künstlerinnen schlussreich sein, mit einer Person zu den Lohn für sich selbst auf die Seite, wie und Künstlern so etwas wie einen Markt- reden, die seit vielen Jahren junge Men- der Minnesänger nicht ausschloss. Mag wert, der ihnen zumindest bis auf weite- schen auf den Kunstberuf vorbereitet. aber auch sein, sie verstanden ihre Vor- res das Auskommen sichert. Um diese Sicher. Ich habe eine Verantwortung. gangsweise wirklich als logische Antwort Glücksfälle geht es im folgenden Gespräch Wenn wir jungen Menschen einen Ent- auf ungebührliche Kritik. Wo es um Kunst weniger. Die Aufmerksamkeit ruht, auch wicklungsraum für Kunst geben, scheint und Geld geht, muss man mit allem rech- wegen der unmittelbaren und der abseh- mir wichtig, ihnen auch alles mitzugeben, nen. Typisch an dem frühen Unfall im bar langfristigen finanziellen Effekte der damit sie von dieser Profession leben Kärntner Kulturbetrieb ist jedenfalls, dass Corona-Pandemie, auf jenem Teil der können. Dazu gehört das Bewusstsein für Kunstschaffende finanziell häufig auf der Kunstszene, der an und unter der Armuts- die Notwendigkeit einer gewissen Diszi- Strecke bleiben. Sie können sich davor grenze lebt. Einer Brücke sind ja nicht plin in der Lebens- und Alltagsarbeit. Man eigentlich nur in die Berühmtheit retten. nur diejenigen nahe, die oben darüber steht ja quasi im Selbstauftrag. Dazu Denn in den sozialen Verteilungskämpfen stolzieren. gehören aber auch alle Fähigkeiten, die haben Berufe, die frei zugänglich sind und eine Brücke schlagen zu irgendeiner Art auf der bloßen Behauptung einer beson- Barbara Putz-Plecko, geboren 1956 in von Öffentlichkeit. Es geht darum, sich deren Begabung beruhen, einen schweren Klagenfurt, ist Künstlerin, Kunstvermittlerin früh genug mit allen diesbezüglichen Stand. Da helfen Standesvertretungen sowie Vizerektorin für Forschung in Kunst Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Ich letztlich auch nur bedingt. und Wissenschaft der Universität für ange- bin überzeugt davon, dass die Kunst in Es ist immer wieder so, wie ein Dank- wandte Kunst Wien: In so einer Zeit erweist unserer Gesellschaft eine wichtige Aufga- brief Vincent van Goghs an seinen Bruder sich, was die Kunst wirklich ausmacht. be erfüllen kann. Aber heute müssen wir Theo für die Ermöglichung eines Zahn- Die ganzen Ausgangsbeschränkungen und schon ganz schön laut sein, um wahrge- arztbesuchs belegt: Es ist ein wunderba- Veranstaltungsverbote sind zunächst nur nommen zu werden. res Gefühl, sein Gebiss in Ordnung zu eine gesundheitspolitische Reaktion. Man haben. Da hatte dieser Künstler halt nur kann sie gutheißen oder nicht. Es zeigt Die bloße Lautstärke ist noch keine mehr drei Zähne. Es stimmt schon, dass sich aber dadurch, wie sensibel die Ein- Legitimierung. Vielleicht eher eine manche Kunstschaffenden, wenn sie kommensmöglichkeiten von Kunstschaf- Selbstermutigung. Ich kann mir vorstel- einmal über Zuwendungen oder Einnah- fenden sind. Künstlerische Arbeit setzt len, dass sich junge Kunstschaffende men verfügen, sie nicht gleich in die voraus, ein physisches Gegenüber zu mitunter unsicher sind, ob sie überhaupt vielleicht angebrachten Arztbesuche haben. Gegebenenfalls entsteht daraus nach ihrer Meinung gefragt sind, ob die investieren. Es stimmt auch, dass manche eine Wertschätzung, die sich dann auch Gesellschaft nicht mit künstlerischen Kunstschaffenden geradezu berufsbe- finanziell ausdrückt. Ohne realen Aus- Angeboten bereits übersättigt ist. dingt keine Koryphäen in Sachen Geld- tausch fällt diese Basis weg. Augenblicklich Es geht nicht um ein Angebot, das zu anlagen sind. Und zweifelsohne sind wurde da eine ganze Agenda stillgelegt. allen schon vorhandenen Angeboten dazu- Kunstschaffende nicht dafür berühmt, Das bedeutet eine enorme Verschärfung kommt. Es geht, für die Gesellschaft um falsche Rücksicht auf die Gesellschaft zu der ökonomischen Lage der Kunstschaf- eine Erweiterung des Horizonts, auf die nehmen, von der sie leben wollen. Trotz- fenden. sie nicht verzichten kann. Die Frage, wer dem ist es doch irgendwie eine Anstößig- mich gefragt hat, habe ich mir nie gestellt. keit, dass in einer Gesellschaft um Mil- Mit der es schon vorher nicht zum Bes- Wenn ich lebe, bedeutet das doch, mich lionen Euro Werke von Menschen ten bestellt war. auszudrücken. Wie würde eine Gesell- gehandelt werden, die man vorher unge- Künstlerin oder Künstler zu sein, war schaft aussehen, in der alle nur reden, rührt zugrunde gehen ließ. immer schon eine riskante und anstren- wenn sie gefragt werden? Es ist eine Die Laufbahnen von Kunstschaffenden gende Form des Lebens, die Mut braucht. wesentliche Leistung von Künstlerinnen beginnen chronisch mit einer Phase der Manche schlittern auch so hinein. Das und Künstlern, dass sie ungefragt reden, Brotlosigkeit. Es gibt keine Garantie dafür, Schlimmste im Moment ist sicher, das dass sie offenlegen, was sie begreifen und dass man noch am Leben ist, wenn diese Der-Dynamik-ausgeliefert-Sein. Was pre- wie sie begreifen.

18 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Gerhard Maurer: aus der aktuellen Serie „what are we waiting for“, in der der Klagenfurter Fotograf seine Familie, sein Zuhause, sein unmittelbares Lebensumfeld in der Zeit des Social Distancing dokumentiert. Die Arbeiten werden im Sommer in Alpen- Adria-Galerie in Klagenfurt zu sehen sein. Foto: Gerhard Maurer

Jenen Kunstschaffenden, die von ihrer Arbeit nicht leben können, hält die Gesellschaft, oft in Gestalt der eigenen Familie, mitunter vor, sie hätten besser von Anfang an „etwas Gescheites“ gelernt. Mein Vater hielt mich auch für welt- fremd, und irgendwann hat er doch begrif- fen, dass es nicht nur Dunst ist. Diese Prophezeiung, du wirst nicht davon leben können, hab ich irgendwann gelöscht. Es ist einfach ein Unsinn, zu sagen, alle Kunstschaffenden, die nicht davon leben können, liegen falsch. Mit der Pandemie haben sich momentan die Einkommens- perspektiven für Kunstschaffende ver- schlechtert. Vielleicht kommt das Schlimmste überhaupt erst hinterher. Eine Konsequenz der Krise ist für mich aber auch die Erkenntnis, was das Hantieren mit konkretem Material bedeutet. Viele Studierende beklagen sich, dass sie sich digital nicht vermitteln können. Die ana- loge Welt ist offenbar doch nicht zur Gänze digital einholbar. Es bleibt, wenn sie ausfällt, eine ganz klare Fehlstelle.

Was die künftigen Einkommensperspek- tiven für Kunstschaffende betrifft: Politisch hat die Kunst eine sehr leise Stimme. Mit der neoliberalen Entwicklung hat sich eine Kluft aufgetan. Es gibt einerseits das Bild des Kunstschaffenden als junger Entrepreneur, risikofreudig, sich ständig neu erfindend. Andererseits erfahren vie- Dann sollten die Kunstförderungszu- anfragen, ob man mit seiner Mappe vor- le Künstlerinnen und Künstler, was es ständigen vielleicht nicht in ihren Amts- beikommen kann. Die Entscheidungen heißt, ständig in so knappen Verhältnissen burgen auf Ansuchen warten. fallen anders. Als junge/r Künstlerin oder zu leben. Romantisierend hat das am Ja, die Kunstförderung. Das ist ein Hüp- Künstler auf jemanden zu treffen, der sich Beginn der Industrialisierung schon Carl fen von einem Anhaltspunkt zum nächsten. dafür interessiert, wie man sich entwickelt, Spitzweg thematisiert. Es ist nur überhaupt Das ist als Lebensgrundlage ganz schön ist ein absoluter Glücksfall. Und trotzdem: nicht romantisch. Es geht an die Substanz. schwierig. Und es gibt kein Entkommen, Kunst ist und bleibt ein Lebensmittel. Aber das, was Arbeit ausmacht, wird sich außer vielleicht, wenn man über das ● Michael Cerha in dreißig, vierzig Jahren massiv verändert bedingungslose Grundeinkommen nach- * 1953 in Vorarlberg, lebt seit 2010 in Damtschach, Autor, Dramaturg und Kulturjournalist. Kärntner Kultur- haben, dann bekommt Kreativität vielleicht denkt. Wenn man ständig in der Rolle des korrespondent der Tageszeitung „Der Standard“. wieder einen neuen Stellenwert. Anfragenden ist, des Ansuchenden, des Sich-Bewerbenden, ist es unheimlich her- Es gibt auch so etwas wie eine Kunst- ausfordernd, den Respekt vor sich selbst förderung. Ist es nicht so, dass diejeni- zu bewahren. Zu wenige von denen, die gen, die es am dringendsten bräuchten über die Verteilung der Fördermittel ent- und am höchsten verdienten, sich scheiden, sind wirklich engagiert. Eine manchmal gar nicht mehr bewerben? Galerie muss man heute gar nicht mehr

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 19 Neuer Platz für Kultur Die IG KiKK greift Raum für Diskurs.

„Kreative Unruhen im Land“ wurden sie wurde das für April geplante Alina Zeichen vorgestellt wurde: 1990 in einem Artikel der Kleinen Zeitung zweitägige Symposium. Aus drei „Mit 354.125 Besucherinnen und genannt, als sich Kulturinitiativen in virtuellen Räumen bestand das Besuchern, 4.749 Veranstaltungen Kärnten/Koroška zu einer eingetragenen Online-Forum, das für Anregungen im Jahr 2018 und 55 % Eigenleistung Interessensgemeinschaft zusammenge- und Gedanken geöffnet wurde, um dort zeigen die Kulturinitiativen, dass sie ein schlossen hatten. „Ruhe“ geben sie auch mit geladenen Gästen diskutiert zu wer- unübersehbarer Faktor in der Kärntner nach 30 Jahren nicht – erst recht nicht, den und im Laufe des Jahres in weiter- Kulturlandschaft sind. Dem stehen man- wenn die Absage des geplanten Symposi- führende Gespräche an unterschiedlichen gelnde öffentliche Förderung und perso- ums durch ein neuartiges Virus droht. Orten in Kärnten einzufließen. Die von nelle Unterbesetzung (nur zweiundzwan- Christian Hölbling moderierte Video- zig ganzjährig Vollzeitbeschäftigte) Demokratie ist Prozess. Hundert Jahre Konferenz am 23. April mit IG-KiKK- gegenüber. Den größten Förderanteil nachdem Männer und Frauen(!) in Kärn- Obfrau Alina Zeichen, der Philosophin leisten die Gemeinden inklusive der Städ- ten in einer demokratischen Abstimmung Utta Isop sowie dem Kulturwissenschaft- te Klagenfurt und Villach.“ Nach wie vor über ein Territorium entschieden hatten, ler Michael Wimmer stand unter dem ein großes Thema stellt die „Raumfrage“ sollte die Bedeutung von Demokratie wie Zeichen der von der UNESCO initiierten, dar: Nur drei von den befragten 80 Kul- die Notwendigkeit, einer ständigen Aus- weltweit laufenden „ResiliArt-Debatte“. turinitiativen haben Räumlichkeiten im einandersetzung damit unter dem Titel Im Zentrum dieser steht die Frage, wie Eigentum. Bedarf an Veranstaltungsräu- „Demokratie in Bewegung – Demokracija die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen men gibt es bei 40 %. Schwarz auf weiß v razvoju“ in einem öffentlichen und über Krisen hinaus geschützt werden und in Zahlen gegossen sei damit verdeut- offenen Raum mit möglichst vielen Men- kann. Denn die Kultur steht auch in der licht, wie sehr eine Gesellschaft Kultur schen in einen freien Diskurs gehen. Die Zeit des Stillstandes nicht still. Vielerorts braucht und wie hoch der Anteil von wechselseitige Beziehung zwischen Kunst wurden Veranstaltungen in das weltwei- freien Initiativen in Kärnten dabei ist. Die und Kultur mit Staat und Gesellschaft te Netz verschoben oder extra welche detaillierten Ergebnisse sind unter www. wurde gerade jetzt, in der Zeit der Krise, dafür kreiert – was allerdings den Ausfall igkikk.at abrufbar. noch stärker deutlich – was auch die der lebensnotwendigen Einnahmen nicht Frage aufwirft, wie unser Staat Menschen kompensiert. Kultur und Demokratie. Mit den Zahlen davor schützen kann, sich das tägliche wird zudem sichtbar, dass Kultur nicht so Leben nicht mehr leisten zu können. Basisdatenerhebung. Unter welchen hoch gefördert wird, wie vielfach ange- Bedingungen die Kulturinitiativen in Kärn- nommen, sondern nur zu 45 %. Der Rest Nicht abgesagt, sondern mit einer Video- ten arbeiten, ergab die 2019 durchgeführ- besteht aus Eigenleistungen, die aufgrund Konferenz in den virtuellen Raum verlegt te Basisdatenerhebung, die eingangs von des Veranstaltungsverbotes und dem damit

20 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Live-Videokonferenz als Symposiums-Auftakt: Christian Hölbling moderierte die Diskussion zwischen IG-KiKK-Obfrau Alina Zeichen, Philosophin Utta Isop, Kulturwissenschaftler Michael Wimmer und UNESCO-Mitarbeiterin Klara Kostal. Nachzuschauen auf der Website der IG KiKK. Fotos: Strelux GmbH

einhergehenden Einnahmenverlust weg- Expertenräume. Der zweite Tag des Sym- rung langfristig geplanter Projekte zu fallen. Wie damit umgegangen werden posiums, den Kristin Pan mit Christian führen. Thematisiert wurde hier auch das kann, ist ein hochbrisantes, demokratie- Hölbling moderierte, gab die Möglichkeit Fehlen öffentlicher, freier Plätze. politisches Thema, das sich vor allem in zur gemeinsamen Diskussion mit den drei der Frage nach einer Chance auf mehr geladenen Gästen: Yvonne Gimpel, Sichtbar am „Neuen Platz für Kultur“. Gerechtigkeit widerspiegelt. Utta Isop Geschäftsführerin der IG Kultur Öster- Mit der Erkenntnis, doch viele Menschen benennt dabei die Gefahr der Abhängigkeit reich; Monika Kircher, Vorständin der auch im virtuellen Raum angesprochen von Menschen im Prekariat und der daraus Kärntner Kulturstiftung und Igor Pucker, zu haben, ist dies für Alina Zeichen erfolgenden Bremsung kritischer Stimmen, Leiter der Landeskulturabteilung. Auch dennoch kein gangbarer Weg für was eine massive Bedrohung einer Demo- Yvonne Gimpel empfahl eine verstärkte zukünftige Treffen. Unmittelbarkeit und kratie bedeutet. Wichtig sei es jetzt, darauf Zusammenarbeit mit Gruppierungen direkte Kommunikation sind genauso zu schauen, dass nicht alle das Gleiche außerhalb des Kulturbereiches. Der Vor- wichtig wie ein kulturelles Erleben. So bekämen, sondern alle genug, um gut leben schlag, sich für mehr Rotation und leich- soll das künstlerische Rahmenprogramm zu können. Dies stellt die Grundlage für teren Zugang zu Gremien sowie Beiräten des Symposiums „Neuer Platz für Kultur“ eine gerechte Teilung der Macht dar. Mit stark zu machen, kam von den zugeschal- schnellstmöglich umgesetzt werden: Der dem Vorschlag, beispielsweise ausge- teten Diskussionsteilnehmer­*innen. größte Kulturplayer des Landes – die schriebene Stipendien zu verlosen, regte Dass die letztes Jahr ins Leben gerufene freien Kulturinitiativen – sollen am größ- Isop zu einer völlig neuen Perspektive auf Kärntner Kulturstiftung vorhat, das viel- ten Platz des Landes, dem Neuen Platz in übliche Vergabekriterien an. fältige Kärntner Kulturgeschehen anhand Klagenfurt, anhand grafisch gestalteter Michael Wimmer hingegen wirft die von ausgeschriebenen Projekten breitflä- Arbeitstische, sobald es möglich ist, sicht- „Blasenhaftigkeit“ der Diskussion an sich chig und nachhaltig über die Landesgren- bar gemacht werden. auf, wie die vorherrschende Haltung „Ich zen hinaus sichtbar zu machen, erläuter- ● Tina Perisutti bin Künstler*in und mache Kunst für te Monika Kircher. Aktuell unterstützt die Kulturarbeiterin und Kulturjournalistin. andere“, die eine kritische Auseinander- private Stiftung Künstler*innen mit einem Information und Dokumentation: www.igkikk.at setzung zwischen Kunstproduktion und Solidaritätsfonds, durch die COVID-Krise Kunstkonsum nach sich ziehe. Vor allem zu kommen. sei es nun wichtig, Anschluss zu finden Über die sechsunddreißig neu beschlos- an andere soziopolitische, gesundheits- senen Arbeitsstipendien des Landes Kärn- oder bildungspolitische Fragen und offen- ten informierte Igor Pucker, der den siv in diese hineinzugehen, was vor allem Kulturschaffenden versprach, Gespräche ein Denken in Widersprüchen verlange. mit Gemeinden hinsichtlich der Realisie-

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 21 Georg Pinteritsch, Dezentralisierung, Tusche/Marker auf Karton, 25x26,5 cm, 2020. Der aus Spittal an der Drau stammende Künstler lebt und arbeitet seit 2009 in Linz; www.georgpinteritsch.com; instagram.com/ horse.of.plow Foto: Georg Pinteritsch

kritischer Blick, Perspektivenwechsel, Dinge „anders“ betrachten ... „jo eh, stimmt scho ...“. Beim Nachdenken über dieses Gefühl des Unbehagens und insbesonde- re vor den unermüdlichen Leistungen derjenigen, die das notwendigste System in der schwersten Zeit aufrechtzuerhalten haben und denen an dieser Stelle aus- drücklich der Dank gilt, mutet das aber an, wie eine Art Rechtfertigungsreflex, um die eigene Unverzichtbarkeit hervor- zukehren. Diese indirekten Formen der Rechtfertigung sind jedoch nicht nötig. Krisen wie Corona führen unserer Gesell- schaft die eigene Verwundbarkeit vor Augen und setzen unsere Verdrängungs- mechanismen außer Kraft. Wie schnell letztere wieder intakt sein können, ist dem Arzt und Verfasser der Chronik Rieux in Albert Camus’ Die Pest nur allzu Corona, Kunst & Unbehagen bewusst; noch während die Stadt das Sinken der Neuerkrankungen und die Versuch einer Zusammenschau. Lockerung der Maßnahmen feiert, erinnert er sich daran, dass die Pest geduldig sein kann und ihre Ratten erneut aussenden wird, damit „sie in einer glücklichen Stadt „Auf den Würfelwurf lässt sich überhaupt nicht einwirken. wirklich vorzustellen, wie sich das Virus sterben“. Doch leben wir nicht in einer Doch der Würfelwurf ist es, worauf eingewirkt werden muss.“ in kürzester Zeit von Person zu Person, Zeit, in der das Unbehagen zum ständigen von Ort zu Ort über die gesamte Erde Begleiter wird, könnte es uns nicht in ausgebreitet hat, sich vorzustellen, wie vielen, oft unvermuteten Situationen sich das Leben der Menschen auf Grund beschleichen? Weit ... Innerhalb kürzester Zeit krempel- derselben Ursache verändert hat, ob in Es ist heute etwa kaum mehr möglich, te die Coronavirus-Pandemie unser aller China, Peru, Luxemburg, Islamabad, Paris, ein belangloses Gespräch über das Wetter Leben um. Sie hat sich in unsere Realität Neu-Delhi oder Villach. Die enge Verschlei- zu führen, in unseren Nacken brütet die eingeschrieben, hat Leid verursacht, hat fung von Globalität und Lokalität zeigt Erderwärmung und sie durchlöchert die unseren Alltag eingeschränkt. Aber stellt sich im Zuge der Pandemie beinahe Oberflächlichkeiten. Die Komplexität tie- sich neben diesen ganz konkreten Aus- unverstellt, denn das Weltgeschehen über- ferer Kausalitäten dringt auf unbehagliche wirkungen nicht auch ein diffuses Unbe- lagert sich mit unserer unmittelbarsten Weise in unseren Alltag ein, sie ist real hagen ein, ein Unbehagen, das deutlicher Erfahrungswelt. Es ruft sich uns perma- und übersteigt dennoch unser Vorstel- schwingt als üblich? Vielleicht ist es die nent ins Bewusstsein, beim Lesen der lungsvermögen. Wer sich einmal von eigenartige Verquickung der Kategorien Zeitung genauso wie beim Einkauf von einem Kunstwerk hat einnehmen lassen, Entschleunigung, Lokalität, Beschleuni- Lebensmitteln. Ist dieses Unbehagen mög- dem könnte das Gefühl vertraut sein; gung und Globalität, welche unser Vor- licherweise ein Ausdruck tieferer Kausa- diese unbehagliche Simultanität von Inti- stellungsvermögen zu übersteigen scheint litäten, die wir zu ahnen beginnen? Und mität und Distanz, Gegenwart und Abwe- (zumindest meines). So ist es zwar zwei- wie könnte die Kunst zu diesem Unbeha- senheit. Vielleicht ist das Unbehagen ein fellos möglich, die Situation zu rationali- gen stehen? der Kunst immanenter Aspekt (nicht ihre sieren, etwa die rasante Ausbreitung des Zugegebenermaßen, es ist verlockend, „Aufgabe“), weil sich an ihr verdeutlicht, Virus und die drauffolgenden Maßnahmen in einem Essay, der versucht – ein Ver- wie wir die Umwelt erfahren und gleich- in einen abstrakten Gedanken zu fassen. such kann es nur sein – Kunst, Kultur zeitig niemals gänzlich erfahren können. Jedoch wird es schon komplizierter, sich und Corona zusammenzuschauen, die Das Unbehagen wird gerne verdrängt, es dieses Ausmaß wirklich vorzustellen, sich bewährten, alten Schlagwörter zu zücken: trägt die Inschrift der Grenzen dessen, was

22 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 wir verstehen können, was natür- lichkeit einer ökologischen Acht- ● Alexander Wöran lich nicht meint, dass wir nicht samkeit, die sich aus dem Unbe- * 1987 in Linz, wo er schreibt und lebt. Kom- bestmöglich verstehen sollten. Jeden- haglichen entwickelt, anstatt es zu paratistik-Studium in falls ist Kunst dann nicht bloß das „Auf- verdecken? Einer Achtsamkeit, welche die Wien. Verfasst Prosa und Essays; nähert zeigen anderer Perspektiven“ (natürlich weiten Verschlingungen der Dinge dieser sich Sprache auch), sondern der Versuch, den Fragezei- Erde anerkennt (uns miteingeschlossen), auch durch - Installati- chen auf unseren Gesichtern ihren Raum bis hin zu den Unergründlichkeiten, die onskunst. einzuräumen, sie zu würdigen, anstatt zu ihnen anhaften? Im Lichte dieser lassen verdrängen. In diesem Jahrhundert könn- sich jedenfalls Kategorien wie Stadt und schräg.lage te jedes Surren einer Klimaanlage, jeder Land – oder ein Land und das andere, oder - Sonnenbrand, jede Schutzmaske, jeder ein Kontinent und der andere – nicht mehr Regentropfen die Fragen auf unseren wie gewohnt denken, das Unbehagliche Gesichtern zum Leuchten bringen. ist überall zu finden, es kündet noch in den unscheinbarsten Kleinigkeiten von ... und weiter ... Wenn das Unbehagen Größerem. Auch für die Kunst und heutzutage in vielen Facetten durch die Kultur könnte das bedeuten, dass Verschraubung von Globalität und Loka- die „große, weite Welt“ nicht lität immer weiter in unser Bewusstsein (mehr?) nur, wie man glaub- tritt, was sich an der Corona-Pandemie te, in den „Zentren“ zu unmaskiert zeigt (auf jeden Fall unmas- finden ist, bloß mehr - kierter als etwa beim Aufladen eines Menschen. Smartphones oder beim Verzehr einer - Banane), dann lässt sich dieses fortschrei- - tende Bewusstsein vielleicht mit Bauch- schmerzen verdrängen, aber nicht mehr unbewusst „machen“. Davor haben Ver- sprechungen zur Rückkehr zu einer frü- heren Natürlichkeit einen genauso unan- genehmen ideologischen Beigeschmack wie krude Techno-Utopien. Was wäre diese frühere Natürlichkeit? Keine Smart- phones, keine Bananen oder gar kein Ackerbau? Im Gegensatz dazu haftet den Unmengen an Analysedaten durch Satelliten und anderen Mess- geräten ein eigenes Unbehagen an; Timothy Morton formuliert es in The Ecological Thought treffend: „The more we analyze, the more ambi- guous things become.“ Steht dagegen nicht die Mög-

Ich blase zwanzig Jahre Staub aus der Werkzeugkiste und sortiere Schrauben. Große, kleine, Muttern extra. Das erste Mal seit fünf Jahren vertikutie Christian Hölbling ●

sozial! Morgen gehe ich häckseln.

1972 in Bruck an der Mur, lebt in Schiefling am Wörthersee, * Kabarettist,Liedermacher, Kunstfigur Autor Helfried, [siehe Rote-Nasen-Clowndoctor, BRÜCKEseite 68] u. v. m. angelehnt stand, habe ich zusammengeschraubt und nun fülle ich es bereits seit Tagen mit liebevoll selbst gesiebtem Kompost. Ich freu mich schon auf den Pokal“ aus Frottee. Den Schas waskönnte leben. ich Sowasversteigern. Ehre!muss –manWahrscheinlich ein alsGroßveranstalter Künstler würde unterstützen. angerufen! ihnKulturszene. irgendein Kürzlich Er wollte Wiebesserverdienender habe rührend, mich ich aber von wie nichtder aufopfernd, FreundAKM veranstalten die aus wieStreaming-Abrech Mitleid herzergreifend (das erstehen,wollte er re ich den Rasen: längs, quer und,was mirweil’s sicher soes schönnur peinlichlustige eine ist, Kontobewegung. auchwäre.Selfie-Videos schräg. Was soll’s? Man ins Meine Netz. Zumglaubt SchämenMutterIch gar mach nicht,und hat ist das Künstlern. unter derwiedie für Kleinkram,Zeitverfilzt falschemFacebookAufrufe zu Seit schlecht.alles aufJahrzehnten Namensagteund ist.Facebook Youtube, DasMeineer eine immer, Hochbeet veranstaltet alteundTochter denn DVDzahleYoutube ,die dashat von sich wollen erseitjede teilen,mir nurfür einem Menge bestellt. ihnjadie esschließlich nichtabsoluten Jahrgehe Playmobil, Abends aufaus.um unserer auchdieTop-Stars,Ich stelle das Existenzmüsse von sie Terrasseich irgend nichtdenn seinetotal der Endlich habe ichHäcksler Zeit!sene morgen Apanage – es zu geht zahlen,mehr doch braucht. mache nichts ichAber über es isthaltselbstgemachten esnung derweil moralisch bekommen:to leisten, ehrenamtlich. vertretbar, Rindenmulch! wenn dreinoch jemandEuro nie),denWer zweiundsechzig Erlössondernweiß,Da drei meine selbst Bücherwofür beschwor Frau zu es von kassieren?gutfürnicht mir mitdasist. bereitbestellt, weinerlicherBeimvergangene Ich ist, Aufräumen habe was mir abereinenJahr. fürStimme diese niefindeDamit Online-Shop vorkommt. die Hausmeist ich kann Solidarität meinen ich eingerichtet. Heuteer-Hackn mir „Ha unter schon hatmburger Künstlerinnenmicheine fastBis angemes–Comedy- jetdas welchezt Porgab

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 23 Flaschen:post / Pismo v steklenici Kunstsinnige Lebenszeichen aus dem Packeis.

Terror in der Kulturnation. Ungewöhn- O-Ton einer historischen Wochenschau dein Ohr ...“ steckt jedoch ein humorvolles liche Zeiten, so heißt es dieser Tage, hören wir – in den Sprachen beider Volks- Plädoyer für aktives Zuhören, das die verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. gruppen – wie es unbeschwert die Anker gemeinsame Botschaft aller unter Deck Ungewöhnlich daher der Hilferuf, den lichtete, zusehends in unwegsamere Versammelten zusammenfasst: „Wir Kärntner Kunst- und Kulturschaffende Gewässer geriet und schließlich vom Pack- haben beschlossen, die Welt per Flaschen- mit einer gleichsam witzig-ironischen wie eis eingeschlossen wurde. Verdammt dazu, post über unseren Verbleib zu unterrich- kritisch-tiefsinnigen Aktion aus der unfrei- mehrere Monate im Bauch des Schiffes ten. Wir werden regelmäßig Nachrichten willigen Isolation heraus starten. Den abwarten zu müssen, sinniert die Mann- aus dem Packeis absetzen in der Hoffnung, aktuellen Abstandsbeschränkungen ge- schaft nun: „Welches Schicksal uns wohl dass sie beherzte Menschen erreichen, recht werdend, findet diese vorbildlicher- zuerst ereilen möge: Ob bald das ersehnte die unverzüglich handeln und schnellst- weise im (zumindest physisch) infektiös Tauwetter einsetzte oder ob uns vorher die möglich eine Rettungsexpedition ausrüs- risikoarmen virtuellen Raum statt. Auf Kohle ausgehe ...“ Angesichts dieses mög- ten. Eine Rettungsexpedition, die den im www.unikum.ac.at wird man zunächst vom lichen Szenarios erscheint die Namensge- Packeis eingeschlossenen Kärntner Künst- Bild der im Packeis gefangenen „HMS bung „Morgenröte“ schicksalhaft. Die lerinnen und Künstlern zu Hilfe eile, eine Terror“ (mit echtem virtuellen Schneefall!) „Aurora“ von Shackletons Endurance- Fahrrinne aus dem Eise freisprenge und empfangen. Sinnbild für katastrophales Expedition (welcher Name auch hier!) in uns den lebenswichtigen Kohlenachschub menschliches Scheitern angesichts der die Antarktis 1914-1917 wurde ebenfalls bringe“. Gewalten der Natur (nur vier von 133 im Eis zerdrückt. Ein böses Vorzeichen? überlebten), dient die „Terror“ der Arktis- Zumindest hatten hier alle Expeditions- Kreative Besatzung. Die unter der Flagge Expedition von John Franklin als Aufhän- mitglieder unter widrigsten Umständen von VADA und UNIKUM fahrende DS ger für ein Kärntner Kunstprojekt. Omen überlebt. Morgenröte kann mit Yulia Izmaylova est nomen?! Wie deprimierend schlecht von VADA auf eine Expeditionsleiterin müssen die Betroffenen ihre Überlebens- Botschaft aus der Enge. Per Mausklick und Kapitänin mit Vorerfahrungen zurück- chancen einschätzen, dass es so weit geht es weiter unter Deck der DS Morgen- greifen. Gemeinsam mit Navigator Felix kommen muss? Und das trotz der mantra- röte, in ihr reich bevölkertes Inneres. Strasser hält sie auf der Brücke Stellung. artigen Beschwörungen der von „unseren“ Sämtliche Räume und deren Funktionen UNIKUM CEO Gerhard Pilgram patrouil- Künstler*innen getragenen Kulturnation werden anschaulich aufgelistet, farbige liert als Backschafter entlang von Klagen- Österreich und den wiederholten öffen­ Hinterlegungen kennzeichnen bereits furt und stößt auf Absonderlichkeiten, die tlichen Bekenntnissen zu ihr selbst von belegte Bereiche, die man betreten kann. er fotografisch festhält. Das Album dazu höchster kulturpolitischer Stelle! Hier haben die in ihren Kajüten gefange- ist in der Offiziersmesse zur Einsicht nen einzelnen Besatzungsmitglieder aufgelegt und macht mit Einträgen wie Abenddämmerung oder Morgenröte? Das künstlerisch einiges zu bieten! Das Ret- „überall herrscht Mangel ... am Weitblick symbolisch aufgeladene Bild nimmt uns tungsboot „Melancholie“ mag mitunter ... und stehen die Zeichen auf Abstieg ... per Mausklick direkt hinein in die aktuel- wieder eine negative Assoziation auslösen, da hilft kein Kulturprogramm“ nachdenk- le Geschichte eines anderen Schiffes, der in dem dahinter verborgenen, von Gerhard lich. Trotzdem versuchen Sara Zambrano „DS Morgenröte | Zora“. Im simulierten Pilgram dargebrachten Gstanzl „Leih mir und Florian Zambrano Moreno als

24 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Thales Weilinger im Segeldepot: Videostill der Tanzperformance „Isolation“. Foto: Martin Beisteiner | Niki Meixner im Ankerspill: Videostill aus der „Serenade“. Foto: Niki Meixner | In der Dunkelkammer, Johannes Puch: Mast. Foto: Johannes Puch

Kesselwarte mit einem spani- Morgenröte weiter durchs Pack- Existenzbedrohende Langsamkeit. Be- schen Piratenlied der Liebe zur eis: Im Mannschaftsraum schauliches Leben unter Deck also? Der Heimat ordentlich einzuheizen. befragt das Ensemble Freak Out Schein trügt. „Die Entdeckung der Lang- Dem verstört nach Orientierung das Liebesorakel: „Ich vermiss dich, samkeit“, die in Sten Nadolnys gleichna- suchenden Individuum werden im Video ich vermiss dich nicht ...“ – praktische migem Roman den Helden und Forscher von Ulrich Kaufmann zusehends Grenzen Lebenshilfe für Künstler*innen, denen Franklin auszeichnet, mag ja ein men- von außen aufgezwungen, die am Ende plötzlich das Publikum abhandengekom- schenfreundliches Prinzip sein, nur leider keinen Ausweg lassen – schönes Vogel- men ist? Ob dieses seine Künstler*innen ist es in diesem Fall ein kunstfeindliches. gezwitscher in diesen Zeiten hin oder her! wohl vermisst? Daneben fordert die Per- Das Ideal der Entschleunigung – von so Nur verständlich, dass sogar der Karto- kussion-Session von Emil Krištof die manchen Optimist*innen in dieser Krise graph, alias Hannes Zebedin, unisono Maschine mit voller Kraft voraus und als zukunftsfähige Chance propagiert – mit Radiohead in wirklichkeitsverneinen- Boris Randzio schraubt sich parallel zum gerinnt für viele schnell zum Überlebens- der Verachtung „I’m not here, this isn’t schrillen Ton der Schiffsingenieursglocke kampf. Dass Kohle für die „DS Morgenrö- happening“ tönt. gelenkig durch den Raum. Zur Ruhe te | Zora“ auf folgendem Depot gebunkert Wie wohltuend, dass Karen Asatrian kommt man erst wieder durch die bikul- werden kann (IBAN: AT53 3900 0000 0250 und Emmanuel Hovhannisyan zwischen- turellen Einschübe des Schiffsgeistlichen 7390) unterstreicht die Ernsthaftigkeit der durch der Seele etwas Musik-Proviant Jani Oswald, der angesichts des nahen- originellen künstlerischen Intervention. zukommen lassen. Ins selbe Horn stößt den Eisbergs mahnend die Stimme erhebt: Hoffen wir, dass der Hilferuf von der an der Harpune Primus Sitter mit den „Höret ihr uns? ... Erhöret uns!“ Die Kulturnation Österreich rechtzeitig wahr- „Open Chords for Tegetthoff“ und ver- Bordbibliothek bietet Lesestoff in Form genommen wird. Hoffen wir, dass dieser sprüht mit seinen groovigen Klängen den von Hörens- und Sehenswertem, Niki FLASCHEN:POST nicht ein Schicksal Duft der großen weiten Welt. Der Duft aus Meixners Serenade im Ankerspill leitet widerfährt wie jener, die einst von der im der Kombüse nebenan rührt von Schiffs- auf einen idyllischen abendlichen Aus- Eis festgefrorenen „Admiral Tegetthoff“ koch Johannes Puch her, der Rezepte für klang hin. Der Kesselraum von Stefan 1874 abgesetzt wurde: Erst 104 Jahre lange Seereisen ins Ungewisse seriell auf Gfrerrer vermittelt mit dem „Unfinished später gefunden kam sie schließlich auf Zelluloid gebannt hat. Ay-Ei Captain, business“, dass noch lange nicht aller Umwegen vom Nordpol wieder zurück in Eismeersaibling oder Salat „Skorbut“ – in Tage Abend ist auf der Morgenröte. Akti- die Heimat, wo sie heute noch in den den Ritzen alter Schiffsplanken ist so vität herrscht selbst am stillen Örtchen Sammlungsbeständen der Österreichi- manches Gut zu finden. Selbst das Gur- oder dort, wo das Pulveräffchen die höl- schen Akademie der Wissenschaften in kenfass an Bord bietet mit Dietmar Pickls zernen Planken schrubbt. Denn laufend Wien als Relikt eines versunkenen Gol- Essay „Home-Schooling“ für Lehrer*innen gehen neue Mitglieder an Bord, darunter denen Zeitalters dahindümpelt. ein Schmankerl an didaktischen Spitzfin- zahlreiche Frauen wie Bella Ban, Sigrid ● Andrea Kirchmeir digkeiten – Corona-tauglicher Unterrichts- Friedmann, Christina Clar, Fransziska Kunsthistorikerin und Pädagogin, Mitarbeiterin der Kulturabteilung des Landes Kärnten. entwurf inklusive. Füchsl, Marie & Luise oder Barbara Reich bestückt mit künstlerischen Per- Ambrusch-Rapp [siehe auch BRÜCKE­ formances jedweder Art schraubt sich die seite 9].

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 25 Leviathan contra Corona Im Spannungsfeld von Gesundheitsschutz und Freiheit: die Rolle des Staates in Zeiten der Krise.

Das Titelblatt von Thomas Hobbes’ Leviathan (1651) zeigt den Souverän, der über Land, Städte und deren Bewohner*innen herrscht. Sein Körper besteht aus den Menschen, die in den Gesellschaftsvertrag eingewilligt haben. In seinen Händen hält er Schwert und Hirtenstab, die Zeichen für weltliche und geistliche Macht. Überschrieben ist die Abbildung durch ein Zitat aus dem Buch Hiob: „Keine Macht auf Erden ist mit der seinen vergleichbar.“ Foto: gemeinfrei

Jeder öffentliche Notstand lis“, der mit sanitätspolizeilicher Eindäm- schützen. Verhaltensgebote, insbesonde- wirkt sich auf konkrete mung der Pandemie erreicht wird, re Betretungsverbote, haben den Zweck, Menschen als Opfer und erscheint als „neue Normalität“ um den die Ausbreitung der hoch infektiösen Leidtragende aus. Auch Preis eingebüßter Freiheiten teuer erkauft. Viruserkrankung durch möglichst weit- soziale Institutionen sind heraus- Hatte John Locke in Reaktion auf Hobbes gehende Vermeidung von Kontakten zu gefordert, insbesondere der Staat als nicht dem Leviathan Fesseln angelegt? verhindern. Verhaltensgebote dienen aus- primärer Koordinator und vor allem Träger Erst ein regelgebundener, machtbegrenz- schließlich der Verhinderung weiterer eines regulierten, hierarchisch organisier- ter und gewaltentrennender Staat schützt Infektionen. Allerdings ist gesetzlich nicht ten Krisenmanagements. Erfüllt der Staat vor staatlicher Freiheitsbedrohung und vorgesehen, dass damit die Leistungsfä- die in ihn gesetzten Erwartungen, so gewährleistet größtmögliche und gleich- higkeit des öffentlichen Gesundheitssys- bestätigt dies die Richtigkeit der institu- berechtigte Freiheit der Individuen bei tems erhalten werden soll. Gegenüber der tionellen Ordnung und erneuert das Ver- notwendiger Sicherheit aller. Leviathan körperlichen Unversehrtheit als grund­ trauen in seine Sicherheitsdispositionen. ist heute freilich nicht entfesselt, sondern sätzlich absolut geschütztes Rechtsgut Hingegen setzen Versagen und Vertrau- als demokratischer Rechtsstaat intakt: Für stehen andere Grundrechte, wie die ensverlust Impulse, um die bestehende individuelle und generelle Freiheitsbe- Erwerbsfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit Ordnung zu transformieren. Freilich tref- schränkungen gilt die Bindung an das der Person und Versammlungsfreiheit, im fen den Staat in der Krise verschiedene parlamentarisch erzeugte Gesetz. Grund- jeweils notwendigen und zielführenden – im pluralistischen Gemeinwesen auch rechtseingriffe müssen im öffentlichen Ausmaß zurück. Vergegenwärtigt man konkurrierende – Erwartungshaltungen. Interesse sowie geeignet, erforderlich und sich die Totalität und die Folgen eines angemessen sein. Es besteht ein System Shutdown, der das individuelle, wirtschaft- Leviathan in Fesseln. Als die Pandemie von Rechtsschutzeinrichtungen. All dies liche, gesellschaftliche, religiöse und kul- um sich gegriffen hat, ist die Notwendig- wäre jenen randständigen politischen turelle Leben trifft, sind an die Rechtset- keit einer funktionierenden staatlichen Gruppierungen und Akteuren im virtuel- zung spezifische Anforderungen zu stellen: Schutzordnung deutlich geworden. Hiefür len „Untergrund“ entgegenzuhalten, die die laufende Erforschung der fachlichen können analog Thomas Hobbes’ staatsthe- verschwörungstheoretisch motivierte Grundlagen zu risikogeneigten Verhal- oretische Vorstellungen bemüht werden: Behauptungen verbreiten, den demokra- tensweisen und Situationen, eine strenge Durch die ungehinderte Ausbreitung des tischen Staat verachten und ihm sinistre Verhältnismäßigkeitsprüfung, die konse- Coronavirus wird der Mensch dem Men- Absichten sowie eine „Inszenierung der quente Suche nach gelinderen Mitteln schen zum Wolf (homo homini lupus). Um Coronakrise“ unterstellen. Ihr Programm (z. B. Mund- und Nasenschutz, Mindest- diesen „status naturalis“ zu beenden, ist vielmehr antimodernistische Selbster- abstand, genügend Testkapazitäten), das bedarf es einer organisierten Zwangs- mächtigung. Andererseits gibt es durchaus Bemühen um Herstellung praktischer macht, die die Infektionsgefahr eindämmt Staaten, die Krisen für autoritäre Zwecke Konkordanz zwischen dem Ziel des Infek- und die Einzelne, den Einzelnen schützt. instrumentalisieren. tionsschutzes einerseits und der Ausübung Die dafür nötige Machtfülle, die die Frei- garantierter Freiheiten andererseits, sach- heitssphäre zugunsten der Gesundheit Die konsequente Suche. Was ist eine lich gerechtfertigte Differenzierungen für vielfach beschränkt, entspricht dem Bild adäquate Policy im Spannungsfeld von Ausnahmeregeln aufgrund relevanter des Staates als „Leviathan“: als allmäch- Gesundheitsschutz und Freiheit? Das Unterschiede im Tatsachenbereich (z. B. tiges Seeungeheuer, das mit dem Rachen Grundrecht auf Leben verpflichtet den bei Verkaufsflächen, Waschstraßen), die eines Krokodils auftritt. Der „status civi- Staat, vor Gefahren für Leib und Leben zu Bedachtnahme auf regionale Gegebenhei-

26 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Die vieldeutige Marien-Pestsäule aus dem Jahr 1718 in Wolfsberg. Foto: Geraldine Klever denk.mal Maria auf der Mondsichel Die Pest spielte in den kollektiven Ängsten der Bevölkerung der innerösterreichischen Länder seit ihrem ersten Auftreten 1348 eine besonde- re Rolle. Im westlichen Teil der habsburgischen Länder kam es bis 1713, im Südosten noch bis ins 19. Jahrhundert hinein, zu Epidemien. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde deshalb die ehemalige Militärgrenze gegen das Osmanische Reich zu einem Pestkordon ausgebaut. Während der Staat vernunftgeleitet auf seuchenpolizeili- che Maßnahmen setzte, wurde dem Volk zum Schutz vor der Pest Frömmigkeit auferlegt. Aus- gehend von Wien ließen die Habsburger in ihren Ländern unzählige Pestsäulen errichten. Deren Figurenprogramm – die Heilige Dreifaltigkeit oder Maria Immaculata – operierte mit einer weiteren Furcht: jener vor den Türken. Die 1718 als Votivgabe der Stadt Wolfsberg gestiftete und 2018 restaurierte Mariensäule bezieht sich dezi- diert auf die Türkensiege von 1571 (Seeschlacht von Lepanto) und 1683 (Belagerung von Wien). Nachdem Papst Pius V. den Sieg der Heiligen Allianz über die Osmanen auf das Rosenkranz- gebet und die Fürsprache Mariens zurückge- führt hatte, konnte das Bild der auf der Mondsi- chel stehenden Immaculata bzw. Apocalyptica als Siegeszeichen der katholischen Kirche und des Glaubenseifers der Domus Austriacae eine Gerhard Maurer: aus der aktuellen Serie „what are we waiting for“, in der der Klagenfurter Fotograf wirkungsmächtige politische Symbolik entfalten. seine Familie, sein Zuhause, sein unmittelbares Lebens­umfeld in der Zeit des Social Distancing Angeregt von Vorbildern in Rom und München dokumentiert. Foto: Gerhard Maurer wurden in der Mitte des 17. Jahrhunderts auch in Wien und Prag Mariensäulen errichtet. In ten und die Identifizierung der Möglichkeit Über das Krisenmanagement hinaus erwar- Anlehnung an die Offenbarung des Johannes regionaler Lockerungen, besondere Prä- ten wir von „unserem“ Leviathan, dass steht Maria auf der Mondsichel und zertritt die Schlange der Häresie. Rochus und Sebastian zision und rasche Reaktion der Legistik, ihm gesellschaftlicher Zusammenhalt und wurden seit dem Mittelalter als Wundertäter die Befristung der Maßnahmen (sunset Solidarität Anliegen sind, er auf spezifische angefleht, um Infektionskrankheiten abzuwen- clause), die regelmäßige – ja tägliche – Problemlagen reagiert sowie dazu beiträgt, den. Dass am Wolfsberger Monument zusätzlich Evaluierung der Verhaltensgebote unter die sozialen und wirtschaftlichen Folgen zum üblichen Pestheiligenrepertoire auch die Einbeziehung aktueller Erkenntnisse. In für Betroffene abzumildern. Schließlich Bistumsgründer Heinrich II. und Kunigunde als den Abwägungsprozessen darf der Wert sind staatliche Akteure gefordert, Lehren Sockelfiguren hinzugefügt wurden, war ein eines Lebens nicht relativiert werden: Es aus der Bewältigung der Krise zu ziehen, Zugeständnis an das Hochstift Bamberg, das geht nicht an, Menschen aufgrund ihres um adäquat die Zukunft bestreiten und zum Zeitpunkt der Denkmalerrichtung noch die Alters zu diskriminieren oder ihnen wegen sich in Resilienz üben zu können. Oberhoheit über Wolfsberg ausübte und auch einer Risikoeigenschaft die gleichen Wahl- ● Edmund Primosch einen namhaften Betrag für die Herstellung der möglichkeiten und ihre volle Inklusion * 1967 in Klagenfurt; Legist und Leiter des Verfassungs- Mariensäule gespendet hatte. dienstes des Amtes der Kärntner Landesregierung. sowie Teilhabe an der Gemeinschaft zu ● Geraldine Klever verwehren. * 1967 in Klagenfurt, seit 2003 im Bundesdenkmalamt, Abteilung für Kärnten, tätig.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 27 Spielraum in den Druckverhältnissen der Gegenwart Hubert Winkels im Interview.

Ingeborg-Bachmann- Wo sind Sie gerade? Ausnahmerecht und Durchre- Preis-2020-spezial Am Niederrhein, bei meiner gieren und so etwas Paradoxes betagten Mutter, in einem Zimmer wie „einverständigen Gehorsam“ Die Tage der deutschsprachigen Literatur mit Ausblick ins Grüne. Ich arbeite ... – auf dieser Ebene haben diese von 17. bis 21. Juni. weitgehend von hier aus. frühen Texte und die panikgeschrumpfte Gegenwart denn auch wieder miteinander Coronabedingt wird das ORF-Theater in Und wo würden Sie gerne sein? zu tun. – Danke, dass Sie danach fragen, Klagenfurt zwar nicht zum Anziehungs- In den Souks von Fès in Marokko, wohin das setzt einige Erinnerungen und Gedan- punkt für die deutschsprachige Literatur- ich mit meiner Tochter hätte reisen wollen ken frei. szene, aber es wird zu ihrer Schaltzentra- in diesem Frühjahr. le. Nach der Änderung der Statuten für „Wir werden nach der Eindämmung dieses Ausnahmejahr werden die Beiträge 1986 veröffentlichten Sie bei Kiepen- nicht in einer neuen Welt aufwachen; der 14 Teilnehmer*innen aus Deutschland, heuer und Witsch den Erzählband „Aus- es wird die gleiche sein, nur ein wenig der Schweiz und Österreich vor dem nahmezustand. In Variationen“. Ich schlimmer“, war zuletzt von Michel Bewerb von Kamerateams aufgezeichnet. hatte im Moment nicht die Möglichkeit, Houellebecq zu vernehmen, soziale Iso- Am 17. Juni wird im ORF-Theater von an das Buch heranzukommen, die Bib- lation und Entfremdung würden zuneh- Moderator Christian Ankowitsch und Jus- liotheken sind noch geschlossen, des- men. Andere sehen Entschleunigung tiziar Andreas Sourji die Lesereihenfolge halb muss ich Sie fragen: Worum geht oder gar mehr Solidarität als Folgen. gelost. Zudem wird es Musik von Klaus es darin, hatten Sie dabei auch so etwas Wer hat eher Recht? Paier und Asia Valcic geben. Gemeinsam oder etwas Ähnliches wie die derzeitige Ich fürchte, regierende und noch schla- mit der (ebenfalls aufgezeichneten) Kla- Situation vor Augen? fende Autokraten könnten die gegenwär- genfurter Rede zur Literatur von Sharon Es war eine eher mimetische literari- tige Situation verführerisch finden, weil Dodua Otoo mit dem Titel „Können Schwar- sche Reaktion auf die harte und kühle Art sie lehrte, wie leicht mit entsprechendem ze Blumen Malen?“ wird diese Eröffnung von Punk und New Wave, denen ich als Angstdruck Gesellschaften zu unterwer- als Livestream auf bachmannpreis.orf.at intellektueller Schöngeist gerade in der fen und zu formen wären. Der gegenwär- übertragen. Szene in Düsseldorf (Ratinger Hof) heftig tige Einschnitt in die gewohnte Ordnung Die Lesungen und Diskussionen (18. bis und auch lustvoll ausgesetzt war. Schließ- der politischen und sozialen Dinge ist 20. Juni) werden von 3sat wie gewohnt lich war ich auch der Chefredakteur des für mindestens drei Generationen völlig live übertragen; das Besondere 2020: damaligen Stadt- und Szenemagazins neu. Es ist der reale Ernstfall, der bisher Niemand der Hauptakteur*innen ist in „Überblick“. Tatsächlich gab es eine Art immer nur denkbar war. Und es ist kein Klagenfurt. Die Jurydiskussionen werden Konzept, nämlich die Verschränkung von Krieg. So lässt sich vielleicht einüben, – ebenso wie die Schlussveranstaltung Erleben und Reflektieren des Erlebens mit diesem Bruch im Gesetz und im und Abstimmung – über Liveschaltungen aufzulösen mit einem „Coup“, einem tradierten sozialen Gefüge, als Gemein- zu den Jurorinnen und Juroren abgewickelt. Schlag. Also einen Ausnahmezustand schaft vernünftig umzugehen, d. h. den anzusteuern, in dem es keinen Abstand Weg zu Gewaltenteilung und differen- Die Autorinnen und Autoren mehr gibt zwischen den Dingen und zierter Institutionenkompetenz erneut aus Deutschland: Hanna Herbst, Leonhard Hieronymi, Lisa Krusche, Jasmin Ramadan, Verhältnissen hier und den Bezeichnun- zu bahnen. Helga Schubert und Matthias Senkel gen und Deutungen da. Das macht manche aus der Schweiz: Meral Kureyshi, Katja Schönherr Geschichten – ich hab sie aber ewig nicht Glauben Sie an die Literatur in Krisen- und Levin Westermann mehr gelesen – wohl offen für Dezisionis- zeiten? Wenn ja, was sind ihre Stärken, aus Österreich: Laura Freudenthaler, Lydia Haider, Egon Christian Leitner, Jörg Piringer mus und Gewalt. Es war auch eine para- was vermag Literatur, vielleicht mehr und Carolina Schutti doxe Selbstrücknahme der hermeneuti- als andere künstlerische Ausdrucks- schen Verfügung über die Welt. Auf einer und auch Kommunikationsformen? Die Jury: Hubert Winkels (Vorsitz), Nora ganz allgemeinen Ebene – schließlich Das oben Gesagte schließt die Künste Gomringer, Klaus Kastberger, Brigitte Schwens- Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein geht es heuer in Coronazeiten gerade auch und die Literatur mit ein. Ihre spieleri- und Insa Wilke um Notstand, Ausnahmezustand und sche Auflösung der akut verhärteten Aufhebung von Verfassungsrechten, die So-Seins-Befehle schafft Abstand und individuelle Freiheiten garantieren, also Freiheit.

28 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Hubert Winkels, seit 2015 Vorsitzender der Bachmannpreis-Jury. Foto: Johannes Puch

Dystopisch-apokalyptische Szenarien Experiment erwächst. Man weiß ja nie. den, dass dieses unter Umständen auch hat es in der Literatur stets gegeben, Und 2021 geht’s vor Ort weiter in Kärnten, schon die Auswahl der Texte beein- auch im Film. Mir kam zu Beginn der in Klagenfurt. Zur Vergewisserung der flusst? Krise Thomas Glavinics Roman „Arbeit realen Präsenz von allem wird man wohl Nein, das denke ich nicht im Hinblick der Nacht“ in den Sinn, eine Vision eines als Erstes einmal in den Wörthersee ein- auf die Texte. Die Diskussionen werden einzigen Überlebenden in einem sonst tauchen. sicher etwas monologischer ausfallen als entvölkerten Österreich. Albert Camus’ sonst, mit ein paar seltsamen Übergängen Roman „Die Pest“ führt die Zahl der Sie haben sich der Petition einiger Jury- und Rucklern, aber das kennt man ja jetzt aktuell meistverkauften belletristischen mitglieder, dass der Preis bzw. die TddL schon seit etlichen Wochen. Klassiker weltweit an. Was reizt Ihrer heuer nicht ausgesetzt, sondern eben in Meinung nach so sehr daran? anderer Form durchgeführt werden Sie sind seit 2010 Juror bei den Tagen Nun ja, man hätte gerne vergangene sollen, nicht angeschlossen, sondern der deutschsprachigen Literatur, seit Vorwegnahmen des Unaushaltbaren als waren skeptisch. Was waren bzw. sind 2015 Vorsitzender der Jury. Werden Sie Entlastung von der bedrohlich unsicheren Ihre Beweggründe? Klagenfurt vermissen? Oder anders Gegenwart. Man kommt ihr so aber nicht Ich wollte in der frühen Phase vor allem gefragt: Was werden Sie bei den TddL auf die Schliche. Ich denke, man sollte die Aussage nicht teilen, dass das Aus- 2020 am meisten vermissen? sich eher von ihr entfernen, um ihr nahe- setzen des Wettbewerbs falsch sei. Meines Alles. Ich hab oft und gern Urlaub rund zukommen. Das Schöne tut seine Wirkung Erachtens gab es gute Gründe, dieses um das Ereignis gemacht, auch in hinterrücks, in ihrem Pakt mit der Wahr- Aussetzen zu erwägen. Für einen lediglich Österreich, auch in Kärnten, auch für heit. Man muss ihm nur mehr trauen, ihm online durchgeführten Bewerb war ich dieses Jahr hatte ich eine gute Woche mehr zutrauen. auch nicht zu erwärmen, weil ich die TV- Kärntner Seen auf dem Plan. Ich mag das Übertragung für gleichsam ‚lebenswichtig‘ Land, die Stadt, die Atmosphäre. Ich war Was lesen Sie gerade? halte. Also weil ich durch eine schnell jetzt über dreißigmal da, und mag es nicht Ich habe gerade die letzten beiden improvisierte Internetfassung des gern missen. Außerdem möchte ich mit Romane von Graham Swift gelesen, „Ein Bewerbs seine Zukunft auch als Fernseh­ den Autoren und meinen Mitjuroren reden, Festtag“ und „Hier sind wir“. Eben diese ereignis gefährdet sah. Aber so, wie es essen, trinken und über dies und das herausragenden illusionistischen Zau- jetzt als Übergangslösung gedacht ist, als klagen und überhaupt die Anspannung, bereien führen uns die Träume vor, die Livestream und TV-Liveübertragung mit die auch ein interessantes Körpergefühl wir, nach Shakespeare, sind: „Stuff as einem soliden technischen Konzept finde ist, das man ausbaden können muss vor dreams are made on.“ Man gewinnt so ich es gut, und das war meine Haltung Ort und mit den Freunden. Spielraum in den Druckverhältnissen auch von Anfang an. Darunter wollte ich der Gegenwart. „es nicht tun“. Worauf können wir uns freuen? Vor allem auf Hochkonzentration. Nicht Heuer soll, nach anfänglicher Absage, Wie tief ist so ein Einschnitt von analog nur von uns und den Autoren, sondern das Wettlesen um den Bachmannpreis zu digital aus Ihrer Sicht? Was ist zu auch von den Zuhörern und Zuschauern. im Internet stattfinden. In gewisser bedenken, um 2021 zum „Normalzu- Ohne Ablenkung, ohne Reden zwischen- Weise auch eine Dystopie, ein Nicht-Ort. stand“, also physische Veranstaltung durch, just listen and see. Noch weniger Was erwartet uns? in Klagenfurt und Fernseh-Direktüber- ein Fest für die Sinne als sonst. Dafür tief Wir werden hören und sehen. Es ist tragung, zurückzukehren? inhalierte Bilder und Argumentations- wichtig, dass es dieses Literaturfest wei- Ich denke, man wird einige Defizite kaskaden im hochequilibristischen Stil: terhin gibt. Im Internet UND im Fernse- erkennen und froh sein, wieder zurück- als Eins. hen. Zur Prognose: Autoren und Juroren zukehren zur alten Form. Die uns im ● Katharina Herzmansky sind in der technischen Vermittlung Übrigen garantiert ist vom ORF. Was will Mitarbeiterin der Kulturabteilung des Landes, literarischer BRÜCKEnpfeiler. audiovisuell noch weiter voneinander und man in dieser Situation mehr? vom Publikum entfernt, die Gespräche können sicher nicht ihr volles Gegen- Denken Sie, dass sich heuer die Art der wartsaroma entfalten, aber spannend ist Texte und auch der Jurydiskussionen es allemal, was aus diesem einmaligen durch das digitale Format ändern wer-

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 29 Das Wort „Kultur“ leitet sich ab vom lateinischen „cultivare, colere“ für „bebauen, bearbeiten, pflegen“. Fotos: Helmut Zwander

Zwei Millimeter Homo sapiens Welche Effekte hat der Stillstand auf die Natur?

Stillstand, den gibt es in der Natur nie – haben sich an der Erklärbarkeit des eines infizierten Menschen auslösen kann, seit 3.900 Millionen Jahren gibt es keinen Begriffs Leben „die Zähne ausgebissen“. so leise und so unheimlich sterben und Stillstand! 3.900 Millionen Jahre sind ein Auch in einem der besten Versuche auf verschwinden auch die Artenvielfalt, die gewaltiger Zeitraum. Nimmt man auf einem die Frage „Was ist Leben“ konnte der fruchtbaren Böden und die sauberen „Band des Lebens“ für jede Million Jahre Physiker und Nobelpreisträger Erwin Gewässer. Nur wird gegen dieses „leise einen Zentimeter, entstehen 3.900 Zenti- Schrödinger in seinem Bestseller-Buch Sterben“ der intakten Natur kein Lock- meter Länge als Gegenteil von Stillstand nur die Kennzeichen des Lebens erklären, down verkündet. und dazu kommen noch etwa 700 Zenti- nicht aber den Begriff des Lebens selbst. meter Nicht-Stillstand für die 700 Millionen Vielleicht. Aber, es gibt zumindest einen Jahre der Vorbereitung auf den Beginn des Das leise Sterben. Es wäre aber nun zu leisen Hoffnungsschimmer auf eine Ver- Lebens. Leben bedeutet grundlegend stän- einfach, dem Effekt der Corona-Pandemie änderung, immer verbunden mit dem dige pulsierende Veränderungen. auf den „Stillstand“ – oder besser, den Wörtchen „vielleicht“. Genauso wenig wie in einem belebten „Nicht-Stillstand“ – der Natur nicht doch Vielleicht ist, wenn viele Weltbürger System jemals ein Stillstand die Herrschaft nachzuspüren. Dafür muss aber die Ebene sehen, dass es ohne Massenkonsum auch übernehmen könnte, gibt es in der Natur gewechselt werden und es muss die Frage ganz gut geht, ein Umdenken möglich! keine Normalität. Eine „normale“ Natur gestellt werden, ob der Lockdown des Vielleicht entsteht eine größere Dank- ist ein Wunschgebilde unserer Sehnsucht gesellschaftlichen Lebens einen „Still- barkeit für die Leistungen der lokalen nach Stabilität. Natur kann gar nicht stand“ bezüglich der menschlichen Ein- Produzenten, eine der sogenannten „Hel- irgendwelchen Normen entsprechen, das wirkungen auf die Natur bewirken konn- dengruppen“ der vergangen Wochen. wäre völlig gegen ihre offene Entwicklung. te. Und hier gibt es neben den vielen Vielleicht schärft sich der Blick auf die Die Natur im Sinne der Lebendigkeit ist negativen Effekten der Corona-Pandemie vielen Vorteile einer ökologisch geprägten geradezu das Gegenteil von „normal“ und wenigstens einige positive Aspekte. Diese Landwirtschaft, welche dem „leisen Ster- es gibt eigentlich nichts „unnormaleres“ positiven und wahrscheinlich zeitlich nur ben“ in der Natur entgegenwirken könnte. als ein lebendiges System. begrenzten Auswirkungen sind ein parti- Vielleicht könnte dieser Blick auf die Wobei aber das Bild eines „lebendigen eller Stillstand in einem Prozess, den der lokale landwirtschaftliche Produktion eine Systems“ schwer oder gar nicht zu defi- Mediziner und Humanbiologe Martin längst notwendige Revolution für eine nieren ist, weil ja der Begriff des Lebens Grassberger in seinem gleichlautenden gesunde Zukunft einleiten. an sich nicht erklärbar ist. Auch die Buch als „Das leise Sterben“ bezeichnet Vielleicht könnten viele Weltbürger größten Philosophen, egal ob vom Mate- hat. So leise und so unheimlich wie ein sehen, dass der übermäßige Fleischkon- rialismus oder von Religiosität geprägt, winziges Virus-Partikelchen das Sterben sum eines der größten Übel im ökologi-

30 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Foto: Gerald Arnold film.tipp Unterwasserfilmer Motiviert durch die Filme von Hans Haas wollte der gebürtige Klagenfurter Gerald Arnold bereits in seiner Jugend Taucher werden. So arbeitete er in den Ferien seines Medizinstudi- ums als Tauchlehrer und begann schließlich, das Erlebte aus den Unterwasserwelten filmisch festzuhalten. In den letzten Jahrzehnten machte er mehrere Filme sowie zahlreiche Produktio- nen und Beiträge fürs Fernsehen. Die Arbeit an seinem neuen Film Ocean Colors dauerte fast sechs Jahre. In der Urlaubszeit reiste und filmte er an verschiedenen Locations, u. a. auf den Malediven und am Roten Meer. Die Geschichte, die in den Alpen beginnt und in den Korallenrif- fen endet, ist visuell beeindruckend sowie inhaltlich spannend und informativ. So wird die Welt auf dem Meeresboden in unterschiedli- chen Facetten präsentiert. Farbenträchtige Freundschaften und Feindschaften in einer Umgebung, die in ihrer Komplexität, aber auch in ihrer Einfachheit und in Konzentration auf das Wichtigste, fasziniert. Zusammenleben, Kämpfe, Hunger, Verdrängung und Migrationen, all das kennt man bereits gut genug. Gerald Arnold beschäftigt sich dabei kritisch mit den schen Footprint der westlich in den Medien Lobeshymnen auf negativen Seiten des Tauchtourismus, der seit geprägten Lebensweise darstellt. die so wichtigen und segensrei- Jahren boomt. Die Verschmutzung, die Ausbeu- Vielleicht bleibt die Erinnerung chen Errungenschaften der Digi- tung der Tiere und der Klimawandel werden an die Leichtigkeit des Wanderns auf talisierung unseres Lebens gesungen. thematisiert. Wo und wie der Film gezeigt und dem Lebensweg mit einem nicht so riesi- Wie selten hörte man dagegen Lobeshym- vertrieben wird, ist aufgrund der aktuellen gen materiellen Rucksack wie vor der nen auf eine gesunde Landwirtschaft als Beschränkungen noch ungewiss. Auch in beruf- Covid-19-Krise möglichst lange erhalten. Basis für unser Leben. Was in den Kreisen licher Hinsicht beeinflusst die Coronakrise den Vielleicht – vielleicht – vielleicht! der Hoch- und Volkskultur sowie innerhalb Filmemacher. Als Arzt arbeitet Arnold zwar in der Antreiber für eine digitalisierte Welt einem systemrelevanten Beruf, während der Cultivare. Colere. Eines ist jedenfalls gerne vergessen wird: Kultur konnte nur Pandemie ist er als Pathologe nicht direkt an sicher: Verglichen mit den Problemen, die entstehen und wird auch in Zukunft nur der vordersten Front. „Ich fühle mich in dieser wir Menschen durch die fortschreitende möglich sein, wenn man sich immer wie- Situation privilegiert und habe große Wertschät- Zerstörung der Vielfalt der Lebendigkeit der in Erinnerung ruft, dass sich das Wort zung für die Menschen, die aufgrund der Pande- auf dem Planeten Erde erzeugen, sind die „Kultur“ vom lateinischen „cultivare, cole- mie viel mehr belastet sind“, erklärt er. Im Probleme der Covid-19-Pandemie eine re“ für „bebauen, bearbeiten, pflegen“ Moment wurden mehrere Pläne Arnolds für die Kleinigkeit. 3.900 Millionen Jahre hat die ableitet. Kultur hat also eine Gesellschaft, Dreharbeiten auf Madagaskar und in Indonesi- Entwicklung des Lebens benötigt, um ein die in der Lage ist, eine zukunftsfähige en auf Eis gelegt. In nächster Zeit wird er sich mehr auf einheimische Geschichten konzentrie- mit „Weisheit“ begabtes Lebewesen und gesunde landwirtschaftliche Produk- ren. Ein lange geplantes Kunstprojekt in Zusam- namens Homo sapiens hervorzubringen. tion von Lebensmitteln zu gewährleisten. menarbeit mit Julia Malischnig soll mit Livemu- Bezogen auf diese 3.900 Zentimeter exis- sik im Rahmen eines Festivals in Kärnten reali- tiert der Homo sapiens gerade einmal 2 Das ist das Wichtigste! Jede Krise birgt siert werden. mm, das sind 200.000 Jahre. Was haben in sich auch die Chance einer Veränderung ● Slobodan Žakula wir als Art in dieser Zeit unserem Plane- – nutzen wir sie im Sinne eines Umden- Cineast und Sendungsmacher bei radio AGORA 105,5. ten nicht schon alles zugemutet! kens bei der Erhaltung der wesentlichen Ein Lockdown all dieser unnotwendigen Basis unserer Kultur und unseres Seins! Dokumentarfilm: Ocean Colors Kamera/Idee: Gerald Arnold und maßlosen Ausbeutungsaktivitäten ● Helmut Zwander Produktion: Gerald Arnold/EKUS wäre ein Wunsch an die Postpandemie-Zeit! Biologe, Botaniker und Bio-Landwirt, Präsident des Vorführungen: wenn es Corona erlaubt Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten. Dazu ist ein durchaus machbarer Wechsel des Konsumverhaltes notwendig. Wie oft wurden zum Beispiel in den letzten Wochen

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 31 Liebe zum Absurden Die Exorzismus-Performance des Kollektivs Edelbauer/Goritschnig.

Raphaela Edelbauer und Simon Gortitschnig in ihrer Performance „Das Ritual“. Foto: Kollektivs Edelbauer/Goritschnig

Was Simon Gortitschnig und des Livestreams konterkariert, kommene Abschaffung der auratischen mich in unserer künstlerischen die so plötzlich in unsere Leben Künstlerpräsenz: „bar dieser ‚physischen Arbeit vereint, sind zwei wesent- Einzug hielt. repräsentation‘ der kunst – weil sie nun liche Dinge: Das tiefe Gefühl der Die Elemente unseres Setups, das einmal momentan virologisch untersagt Allverbundenheit aller Dinge und die fast den Charakter einer Installation hat- wurde – emaniert aus dem was übrig bleibt Liebe zum Absurden. Ersteres heißt: Ein te, waren ein Dreibein, an dem ein Schafs- (nämlich gar nix) in unvergleichlich majes- Glaube an die weltbewegende Kraft der kopf hing, ein vier Meter langer Altar und tätischer weise die vollkommene leere. es Sprache und Zeichnung, die sich tief in ein efeubewachsener „Thron“ nebst Gong. ist eine übersteigerung der unsinnigkeit des die Conditio humana eingeschrieben – Die Sequenzen der Dramaturgie hingegen literaturbetriebs und sein teleologlischer oder sie (wie etwa Edelbauer denkt) sogar scheinen wie eine Mischung aus alche- abschluss.“ begründet – haben. Damit geht unweiger- mistischen Lehrbüchern und dem Necro- Was ist unlogischer daran, mit Runen lich die Erforschung der Formmöglichkei- nomicon: Erst muss der Virus aus dem und mittelalterlichen Apokryphen die ten von Text und Bild als eine Exploration Körper eines Menschen (in diesem Falle Weltenseele zu heilen, als daran, die der Menschheitsgeschichte und der Bedin- meinem) extrahiert werden. Dann wurde Anwesenheit der Künstlerin, des Künstlers gungen von Naturwissenschaft einher. eine kleine Plastikpuppe – ein sogenann- durch den Orbit zu schicken? Nicht viel: Letzteres heißt: Die Erkenntnisse aus ter Wirt – gemeinsam mit einem Rehgebiss Ein ultimativer Live-Stream ist ultimative erstens in übersteigerter, performativer und einem Strauß Blumen, der dem Virus Präsenz in der Abwesenheit; eine Art Art aufzubreiten und eigentlich nicht „Nahrung bieten“ sollte, verkocht. künstlerische Quantenheilung. zusammengehörige Formen miteinander Die Atmosphäre schwankte zwischen Vielleicht ist das übrigens Edelbauer/ kollidieren zu lassen. Parodie und Schauder – zwischen etwas, Goritschnigs nächstes Format – mit das unsere archaische Seele anrührt und irgendwas müssen die Künstler*innen ja Exorzismus. In unserer Performance „Das doch dem hochtechnisierten Zugriff von die Corona-Entgänge reinholen. Ritual“, die wir im Garten meines Eltern- Social Media unterworfen ist: Sofort durch- ● Raphaela Edelbauer hauses in der Hinterbrühl bei Wien auf- brachen wir den vermeintlichen Stream * 1990 in Wien, Bachmann-Publikumspreisträgerin 2018 und Klagenfurts Stadtschreiberin 2019, studierte Sprach- gezeichnet und dann (vermeintlich) live mit Einspielungen, die an die Skikommen- kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien, per Stream auf YouTube stellten, spielen tatoren des ORF erinnerten und unser wo sie lebt und arbeitet. wir mit all diesen Elementen in Zeiten der Format von innen heraus dekonstruierten. ● Simon Goritschnig virenbedingten Vereinzelung. Die Prämis- Nach der Performance konnte man Zerti- * 1988 in Klagenfurt, studierte Grafik/Druckgrafik an der Universität für angewandte Kunst; lebt, arbeitet se: Das Coronavirus soll, gleichsam als fikate, die die eigene Exorziertheit bestä- und studiert Philosophie in Wien. handelte es sich um einen bösen Geist, tigen, kaufen. der ganzen Welt in einem Exorzismus In einem Interview benannte ich den „Das Ritual“ ist zu nachzusehen unter: ausgetrieben werden. Eine Stellvertreter- satirischen Zweck aus meiner Sicht auch www.simongoritschnig.com handlung, eine magische Abfolge, die die als Schlaglicht auf den Literatur(und ohnehin schon stellvertreterhafte Gattung Kunst-)betrieb. Der Live-Stream als voll-

32 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 KARI.CARTOON

Marko Lipuš: Schlüsselmomente, Fotocartoon, 2020. Der Künstler wurde 1974 in Eisenkappel/Železna Kapla geboren, lebt und arbeitet in Wien. Sein Schwerpunkt liegt auf experimenteller transformativer Fotografie, mit unterschiedlichen Interventionen entstehen neue Formen der Sichtbarkeit. 2018 veröffentlichte er den Bildband „Kratzungen blau“. www.markolipus.com Foto: Marko Lipuš

Astrid Langer, * in Klagenfurt, ihre Werke umspannen die Bereiche Malerei, Comic und Karikatur. Die Dachziegl ist eine von Astrid Langer eigens für DIE BRÜCKE entwickelte Figur. Sie lebt auf den Dächern von Klagenfurt, unterhält sich gerne mit Dachziegeln, ist musisch bewandert, mal Wissenschaftler, mal Preisträger und immer wahnsinnig wichtig.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 33 Auf der Suche nach der verlorenen Freiheit Der Landschaftsarchitekt und Künstler Hannes Gröblacher.

Installation des dominierenden Körperteils des modernen Menschen in der Kirche von St. Jakob im Rosental. Foto: Walter Polesnik | Hannes Gröblacher und seine „Österreich-Ziegel“. Foto: Johannes Hloch | Ubahnpeople. Foto: Hannes Gröblacher

In der Welt von gestern pflegte Hannes abwechslungsreich: Menschen, die in ihr Han. Der wortmächtige Kritiker algorith- Gröblacher viele Stunden am Tag mit Handy starren. „Sie nehmen alle dieselbe mengesteuerter Selbstoptimierung warnt Bleistift und Schreibblock in den Wiener Körperhaltung ein. Was um sie herum in seinen dystopischen Schriften davor, U-Bahnen zu verbringen. Der in Villach geschieht, nehmen sie kaum wahr.“ Es dass Freiheit am Ende bloß eine Episode geborene Künstler zeichnete Menschen. musste nicht erst eine Gesichtsmasken- gewesen sein könnte. „Nichts hat mir je Männer, Frauen, Junge, Alte, Manager und pflicht im öffentlichen Nahverkehr verfügt so viel Angst gemacht wie dieser Satz“, Obdachlose. Drei Sekunden reichten Gröb- werden, um Gesichter gesichtsloser zu sagt Gröblacher. „Wir müssen höllisch lacher, um mit wenigen Strichen einen machen. aufpassen, dass wir unser Gefühl für Augenblick ihres Lebens einzufangen. Freiheit nicht verlieren.“ „Irgendwann habe ich gar nicht mehr auf Fingerzeig. Der 43-jährige Gröblacher ist Die Umsetzung der Installation in St. das Papier gesehen, nur noch gezeichnet Landschaftsarchitekt und Künstler. Seine Jakob im Rosental war eine Art Heimspiel was ich sah.“ Zwischen 2007 und 2010 Ausdrucksformen sind vielfältig, thema- für Gröblacher. Hier hatte er in seinen entstanden an die 4.000 Skizzen von tisch beschäftigt er sich immer wieder mit Jugendjahren erste Erfahrungen mit der Menschen mit oder ohne Ziel: am Weg zur Individualität und persönlicher Freiheit. Welt der Kunst gemacht. Als Teil der Arbeit, nach Hause, zu ihren Geliebten Sein womöglich stärkstes Statement gegen Theatergruppe „teatr trotamora“ des Regis- oder ins Nirgendwo. Die Bilder zeigen die zunehmende Gleichschaltung in Zeiten seurs Marjan Štikar habe er die Scheu Menschen, die Bücher lesen, eine Zeitung der Digitalisierung war eine Installation abgebaut, sich im öffentlichen Raum zu studieren oder vor sich hinblicken. Sie in der Kirche von St. Jakob im Rosental. exponieren. „Aber mein wichtigstes Aus- reagierten verblüfft, verärgert oder Im Inneren des Gotteshauses ließ Gröbla- drucksmittel war immer das Zeichnen“, geschmeichelt darauf, dass sie von Gröb- cher einen riesigen Finger aus der Wand sagt Gröblacher. lacher gezeichnet wurden. Mit manchen wachsen, der nicht zufällig auch an einen kam er ins Gespräch, es entstanden Phallus erinnerte. Der Finger stand für Also zog es ihn zum Studium der Land- Bekanntschaften, Einladungen zum Kaf- den dominierenden Körperteil des moder- schaftsarchitektur nach Wien, wo er mit feetrinken oder zu Partys. „Wenn man die nen Menschen, jenem, mit dem Handys Gleichgesinnten am liebsten Stadtspazier- Distanz überschreitet und in das Leben und Tablets bedient werden. Der angedeu- gänge ohne scheinbares Ziel unternahm. der Wienerinnen und Wiener tritt, ziehen tete Penis thematisierte die libidinöse „Man lässt sich treiben und versucht, sie erst eine Schnute. Aber dann erzählen Beziehung des digitalisierten Menschen Situationen herzustellen. Eine kleine sie einem ihr halbes Leben.“ zu seinen datenhungrigen Endgeräten. Änderung der Wegroute kann völlig neue Aus heutiger Sicht sind die Bilder wohl Nicht genug, dass die Leute ihre Einzigar- Blicke aufmachen“, erzählt Gröblacher. Zeitdokumente. „Heute könnte ich unbe- tigkeit opfern. Es macht sie auch noch geil. Die vielfältigen Begegnungen mit Fremden obachtet zeichnen. Viele würden es gar Die Installation war das Ergebnis einer schärften den Blick auf seine Mitmen- nicht mehr bemerken“, sagt Gröblacher. intensiven Auseinandersetzung mit dem schen: „Im Alten AKH trafen wir auf zwei Und auch die Motive wären weniger südkoreanischen Philosophen Byung-Chul Obdachlose, die in einem Verschlag lebten.

34 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Archiv Foto: literarische.notiz Ein markanter Erzähler Das Jahr 1920 stand Pate für viele große Auto- ren, den unsterblichen Paul Celan, die schillern- de Marlen Haushofer, den Underground-Lyriker Charles Bukowski ... Nicht zu vergessen den Romancier und Poeten Anton Fuchs (1920- 1995), um den es paradoxerweise schon zu Lebzeiten eher still geworden war, obwohl er alle Eigenschaften eines Wortmagiers und Kul- turmediators besaß und wie eine Ikone der Kul- turcafés wirkte: groß, hager, kurzes bürstenarti- ges Haar, grauer buschiger Schnurrbart, mar- kanter Bariton. Ein Don Quijote – statt mit Lan- ze mit einer Zigarette zwischen den Fingern! Wenn er eine seiner Kurzgeschichten vorlas, war jeder Satz wie eine sonore Cellophrase, Einer der beiden hat sich auf den Boden stadt Tulln errichtete er – zunächst ohne Ton für Ton traf er die Melodie bis hin zum gut gelegt und uns aufgefordert, auf seinen es zu wissen – einen ganz besonderen gebauten Finale mit Coda. Die Frage stellt sich, Körper zu steigen.“ Gröblacher machte Kinderspielplatz. Dabei wollte er eigentlich warum man seine Geschichten heute kaum mit, mit einem Gefühl der Beklommenheit. Medienkritik betreiben. Gröblacher leim- noch erhält, die „Imaginären Berichte“, die „Fla- „Er wollte uns wohl zeigen, dass er das te aus zehntausenden Ausgaben des Revol- schenpost“, den im Alekto-Verlag von Walter aushält. Dass er seine Situation aushält. verblattes „Österreich“ Ziegel, mit denen Peball edierten Roman „Deserteur“, den Kurt Dass er kein Schwächling ist.“ er einen „Irrgarten“ errichtete: „Ein nutz- Kusenberg so geschätzt hat. Habent sua fata Nach dem Studium heuerte Gröblacher loses Archiv als Antithese zum herrschen- libelli, die Bücher haben ihr Schicksal, so wie es in verschiedenen Landschaftsarchitektur- den Dogma permanenter Verfügbarkeit Anton Fuchs hatte, den es 1972 von Wien ins büros an. Glücklich machte ihn das nicht. und doch präsent in seiner physischen ländliche Klagenfurt zog, in das von ihm (und „Man verbringt viel Zeit im Büro vor dem Gestalt.“ So weit die Theorie. Die minder- seiner Lotte) so geliebte Südland. Im Bildband Computer, in Meetings. Ich habe das jährigen Besucher*innen des Tullner „Auf ihren Spuren“ hat er Essays über die Musi- irgendwann nicht mehr ausgehalten. Wasserparks interessierten sich aber nicht ker geschrieben, die von Kärnten inspiriert wur- Wenn ich mich mit der Gestaltung eines die Bohne für den Grundstoff des Laby- den (Brahms, Mahler, Berg, Webern, Hugo Raumes beschäftige, dann muss ich diesen rinths: Ob das Papier von der New York Wolf). Von dieser karantanischen Inspiration Raum erfahren und ihn nicht nur über Times oder von Österreich stammte, war und Aufgeschlossenheit hat Anton Fuchs als Fotos oder Google Maps am Computer ihnen einerlei. Sie sahen in dem Kunst- „Kunstsprecher und Sprechkünstler“ auch sehen.“ Er sei wohl, befand Gröblacher werk einen perfekten Ort zum Spielen und selbst vieles weitergegeben, vor allem an seine schließlich, nicht geeignet für das klassi- Kraxeln. Bald gab es Löcher im Gebälk, Dichterkollegen aus Osteuropa. sche Geschäft der Landschaftsarchitektur. dafür wurden neue Stiegen errichtet und ● Jozej Strutz * 1952 in Ruden/Ruda bei Völkermarkt/Velikovec, Autor, „Wenn es zu lange dauert, breche ich aus.“ ein improvisiertes Kaffeehaus. „Sie haben Musil-Forscher und Übersetzer aus dem Slowenischen. So kam es, dass er sich mehr und mehr sich das Kunstwerk angeeignet und zu mit temporären Kunstprojekten beschäf- einem Spielplatz gemacht“, sagt Gröbla- tigte. Er gestaltete einen OBI-Baumarkt in cher stolz. Was kann sich ein eigenwilliger der Wiener Triester Straße mit einer Künstler wie er Besseres wünschen? www. ausgeklügelten Installation von Pflanzen- bla.zone | www.ubahnpeople.com trögen und Gießkannen. Für das Landscape ● Wolfgang Rössler Festival im tschechischen Ostrava mach- 39, aus Steindorf am Ossiacher See, lebt in Wien, ist u. a. Korrespondent der NZZ am Sonntag. te er auf einer aufgelassenen Brücke durch Eisenbahnschwellen und Asphaltbruch die Veränderungsprozesse in der einstigen Metropole der Schwerindustrie sichtbar. Und für die niederösterreichische Garten-

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 35 Primus Sitter. 2019 erhielt er den Würdigungspreis des Landes Kärnten für Musik. Foto: Marion Pecksieder

lechts und rinks Primus inter Pares Sitter.

Zuweilen bedarf es vieler Jahre und schick- Spielweise ist die Zupf- oder Schlaghand Als Theaterkomponist, Musikalischer salhaft verschlungener Zufälle, bis das nicht wie allgemein in seiner Zunft üblich Leiter und Gitarrist arbeitete er u. a. für einem in die Wiege gelegte Talent sein die stärkere, sondern die schwächere. das klagenfurter ensemble, das Klagen- kongeniales Betätigungsfeld findet. Wie Diese Umkehr wurde ihm nach Anfangs- furter Stadttheater, das Düsseldorfer bei dem bis zu seinem fünfzehnten Lebens- schwierigkeiten im Lauf der Zeit ein Vorteil. Schauspielhaus, das Burgtheater und für jahr musikalisch vollkommen unbedarften Dem BORG folgten ein zweiwöchiges die Salzburger Festspiele. Vom Theater Primus Sitter, der bei seinem Eintritt in PÄDAK-Intermezzo und die anschließen- ist es nur ein Katzenhechtsprung ins den musischen Zweig des BORG kein de Flucht nach ; ausbildungsschluss- Theatercafe der Cafetiere Veronika Sal- Instrument spielte und aus Kostengründen endlich absolvierte er die neue Jazzklasse cher. In diesem gastronomischen Kunst- die Gitarre anstatt des Klaviers wählte. am Klagenfurter Konservatorium. Dort raum leitete er beinahe zwei Jahrzehnte Mit dieser Entscheidung hatte der junge lernte er Michael Erian kennen und grün- die sensationelle Konzertreihe THEATER- Sitter, frei nach Albert Camus, das gewählt, dete mit ihm Prima Volta. Deren CD CAFE DIREKT, in der die besten heimi- was am wichtigsten in seinem weiteren „Sometime – Somewhere“ klang bis in die schen und dutzende internationale Musi- Leben sein sollte und er hatte die Kraft, Ohren der Organisatoren des Jazzfestival kerinnen und Musiker aufspielten dabei zu bleiben. Montreux, und die Gruppe wurde, als (nachzuhören auf den CDs „Primus Sitter Schon in seinem ersten BORGjahr grün- erste und bisher einzige Kärntner Forma- Werkstatt“). dete er mit Gleichgesinnten eine Band, tion, zu einem Auftritt dorthin eingeladen; Gegenwärtig muss Sitter, der durch die die wild und experimentell drauflos legte direkt nach ihnen musizierte Al Di Meola. halbe Welt tourte, öffentliche Auftritte und bereits nach sechs Monaten ihr erstes Seither spielte und komponierte Primus hintanstellen. Untätig bleibt er nicht. Im Konzert gab. Jimi Hendrix, John McLough- Sitter – der in Nashville/Tennessee Preis- Rahmen des aktuellen UNIKUM- und lin, teilweise Frank Zappa, später Pink träger der „International Heritage Jazz- VADA-Projektes „Flaschenpost“ [siehe Floyd und vor allem Carlos Santana waren Guitar-Competition“ wurde – in und für BRÜCKEseiten 24-25] spielt er als Harpu- damals seine spielerischen Vorbilder. so viele Formationen, dass für deren nier die „Open Chords For Tegetthoff“. Für Sitter versuchte auf seiner klassischen Aufzählung auf dieser Seite viel zu wenig den gerade entstehenden, neuen Robert- Gitarre Santana zu imitieren, bis er nach Platz wäre. Darum nur eine kleine, nicht Schabus-Film „shut up & down“ komponiert Monaten des Übens und Experimentierens chronologische Auswahl: Minor Affaires, er die Musik und mit dem Autor und begriff, dass er mit seinem Instrument mit dem legendären Schlagzeuger Erich Liedermacher Alfred Goubran spielte er diesen Sound nicht spielen konnte. Dieses Bachträgl und dem deutschen Trompeter aus dem kommenden Album „M’zungu positive Scheitern führte zum Kauf seiner Oliver Groenewald, in dessen international Blues“ für eine Rundfunkübertragung in ersten elektrischen Gitarre. Mittlerweile besetzter Formation Oliver Groenewald der Villa Forest [siehe BRÜCKEseite 70]. spielt er ausschließlich nur auf eigens für Newnet er sein Gitarrenspiel in neue Play it again, Prime! ihn angefertigten Unikaten des Gitarren- Höhen katapultierte. Primus Sitter Five, ● Wilhelm Huber bauers Gregor Rogy. mit dem Bassisten Peter Herbert, dem Rezensent, Destillateur und gemeinsam mit Klaus Amann Gestalter der St. Veiter Literaturtage. Sitters unverwechselbares Spiel hat in Pianisten Karen Asatrian und dem Drum- Nuancen seinen Ursprung in seinen ersten mer Alex Deutsch, der ihn nach New York Lernstunden: Obwohl Linkshänder, hielt holte. „The Talltones“, mit Richi Klammer er die Gitarre seit seiner ersten Saitenbe- und Stefan Gfrerrer oder mit dem Bassis- rührung wie ein Rechtshänder. Bei dieser ten Marc Abrams.

36 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Johannes Puch Foto:

Anna Baar Als ob sie träumend ginge ...

Alles, was ich von Anna Baar kenne, hat den gleichen, lange in der Erinnerung nachklin- genden, Zauber: ihre Sprache, mit der sie eminente Geschichten erzählt und schreibt, die umfassende Anmut ihrer Person, ihr Schweigen nachdem sie kurz lachen musste, die Art wie sie einen Tee trinkt. Es scheint, dass Qualitäten einer höheren Sphäre sich in ihr zur Aufführung bringen. Jede Begeg- nung mit dieser mädchenhaften Frau und ihren Arbeitsergebnissen lässt mich vergnügt staunen. Das Dasein der Anna Baar ist ein schlafwandlerisch-sicheres Musizieren für alle, die mit dem sechsten und siebten Sinn gesegnet sind. ● André Heller

Anna Baar erhält den Humbert-Fink-Literatur­preis ­ 2020. Die ursprünglich für den 7. Juni geplante Preisverleihung wurde auf den Spätherbst verschoben.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 37 Rendezvous mit Fabio Zolly oder: Der Künstler auf der Kaviardose.

Fabio Zolly. Foto: Roland Unger

Welträtselrallye. Einer der besten Wege, beste Freunde und später, wenn man so nämlich Zollys Kanaldeckel-Frottagen. Wo um sich Kunst zu nähern, ist die Ratlosig- will, auch Geschäftspartner geworden. immer Zolly auf seinen Reisen landete, keit. Und, ja, bei Fabio Zolly ist das nicht Zolly zieht eine Fotomontage aus dem Berg nahm er Abriebe der Kanaldeckel, diese nur der beste Weg, sondern die einzige aus Fotos, Katalogen, Skizzen, Utensilien, Frottagen wurden – auch – zu einer Art Möglichkeit. Denn nichts ist so, wie es Zeugs, das auf dem großen Ateliertisch Markenzeichen. scheint. Und doch ist alles so, wie es ist. verstreut ist: Es ist sein Entwurf für die Nämlich: „Kunst ist meine Anwesenheit Foyergestaltung eines Hotels in einem der Kaviar – die Jause des Künstlers. Der ist Kunst.“ Und das mutiert dann, wiede- Türme der TrIIIple City, die von der Sora- Empfangschef hinterm Roadstar-Radio- rum ausstellungsweise, zu einem „Ren- via Group am Donaukanal hochgezogen Empfangs-Tresen ist dem Künstler wie dezvous mit der Wirklichkeit“. wurde. Und, ja, es zaubert ein Schmunzeln aus dem Gesicht geschnitten. Die Minia- Und jetzt also ein Rendezvous mit dem auf die Lippen: Ein schickes Hotelfoyer, turausgabe von Fabio Zolly ist ein 3D-Druck Künstler. Das geräumige Atelier liegt in das gute Laune macht, scheint schon und kauert im Atelier auf blauen Caviar- Wien-Simmering, der Bezirk ist nicht einmal ein gelungenes Konzept zu sein. Blechdosen. „Kaviar – die Jause des Künst- gerade als Hot Spot für die Kunst bekannt. Zolly, das sollte an dieser Stelle vielleicht lers“, witzelt dessen Alter Ego. Die Kunst- Stattdessen Autohäuser. Werkstätten. noch rasch eingefügt werden, ist ein figur erblickte das Licht der Kunstwelt in Wohnblocks. Autobahn. Lebensmittel-Im- Sammler alter Gerätschaften, weshalb sein den 1990er-Jahren in New York, als Zolly und -Export. Randstädtischer Indust- Atelier ein Hauch von Nostalgie durch- ein dreimonatiges Stipendium für Foto- riecharme. Der nächste mit Kunst assozi- weht. Seine Reiseschreibmaschine, die grafinnen und Fotografen im Big Apple ierte Ort ist das Belvedere 21 und in etwa noch aus DDR-Zeiten stammt, nennt er verbrachte. Der kleine 3D-Zolly saß freilich dreißig Fußmarschminuten stadteinwärts liebevoll Frau Erika, im Atelier schreibt schon an vielen Orten, unter anderem im entfernt, das Heeresgeschichtliche Muse- er auf einer mechanischen Torpedo in Museum Moderner Kunst Kärnten oder um liegt schon eine Spur näher. Der Grau. Ein Sharp-Röhrenfernseher steht da in der Wiener Galerie Viktor Bucher: Auf Immobilien-Entwickler Erwin Soravia hat und auch ein Roadstar-Radio aus den Transportkisten hockend blickte er auf Zolly die Räumlichkeiten vor gut fünfund- Roaring Sixties. Und dieses findet sich auf ein Pappkartonhaus, das wiederum auf zwanzig Jahren kostenlos überlassen. Man den Hotelfoyerplänen wieder, aufgeblasen wackeligen Pappstelzen fast so hoch hin- kennt einander aus der Heimatstadt Spit- zu einer Rezeptionsbudel (was entfernt aus wollte wie der Turm zu Babel – und tal an der Drau, wo der Künstler 1955 an den Popstar Claes Oldenburg erinnert, daher buchstäblich an den Plafond stieß. (und der Unternehmer zwölf Jahre später) der bekanntlich Kleinzeug wie Lippenstift Seine rot-weiß-roten, mit „do not cross“ geboren wurde. Das erste Bild, erzählt der oder Eisstanitzel in riesige Skulpturen und „copyright by Fabio Zolly“ bedruckten Künstler, habe „der Erwin“ mit siebzehn transformiert hat). Eine Art Welträtselral- Statement-Absperrbänder schlang er als gekauft. Seit damals sei man ziemlich lye ist auf die Foyerwände affichiert, Zugangsverwirrung drum herum. Mit

38 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Peter Krawagna: Mittagskogel, 2010. In Heinz Pototschnigs Roman „Die Wanderung“ ist ein Mann unterwegs zum Mittagskogel ... Foto: Ferdinand Neumüller literatur.tipp Literatur, die nicht alt wird Vor 25 Jahren starb Heinz Pototschnig, lang- jähriger Vizepräsident des P.E.N. Kärnten, Teil- nehmer am Bachmann-Wettlesen 1977, Her- ausgeber der Zeitschrift „Der Bogen“. Ich habe gerade sein Buch „Die Wanderung“ (ersch. 1976 bei Zsolnay) gelesen. Mit Vergnügen gele- sen. Klare Sprache, keine wie auch immer gear- teten Metaebenen, dass man halt doch mit dem Geschriebenen eigentlich ein Dahinter meint, vielleicht das Geworfen-Sein des Menschen in eine entfremdete Natur, die Einsamkeit des Individuums, oder was weiß ich noch alles. Ein Stück direkte Literatur, der man das Entste- hungsjahr nicht ansieht. Erwartungshaltungen mögen sich ändern. Sie sollten den Stoff, aus dem die Leseabenteuer bestehen, nicht beein- flussen. Pototschnig spannt einen Bogen der Suggestion über die Leserin, den Leser, dem ich mich nicht entziehen möchte. Einfache diesen Bändern hat er schon Straßenzüge ins Atelier gefahren, fand aber alles sinn- Geschichte, auf den ersten Blick hin einfach in Paris begrenzt, das Areal vor der Wie- los. Wenige Wochen später ist mein Kol- erzählt. Ein Mann wandert, beschließt, vom Weg abzukommen, stürzt in eine Mulde, bricht ner Staatsoper abgesperrt oder sie um die lege Karl-Heinz Ströhle plötzlich gestor- sich ein Bein, verrenkt sich die Schulter, kann Akropolis gezurrt, was er dann „Festung ben. Das hat alles relativiert.“ Lieber noch sich kaum bewegen, verbringt eine Nacht im Europa“ nannte. Seine künstlerische Aus- als Kunst zu machen, sitzt er daheim am Wald. In Sichtweite, aber doch weiter entfernt, einandersetzung mit dem (öffentlichen) Küchentisch oder im Atelier und schreibt gehen Menschen vorbei. Er kann sich nicht Raum und die nicht gerade unwesentliche seine assoziativen Gedankensprünge auf: bemerkbar machen, eine Blutvergiftung Frage, wer ihn sich aneignen darf und wer „Ich sag immer, ich bin ein Küchenpoet.“ schmerzt. Jeder einzelne Schritt, jede Handbe- offenbar – warum eigentlich? – draußen Folgerichtig steht auf seiner Ateliertür wegung wird beschrieben. Es geschieht neben bleiben muss, hat zuletzt durch die coro- „Artist’s Kitchen.“ Er steckt die Karte, die mir, dem Beobachter (Leser) ganz nahe. Der nabedingten Ausgangsbeschränkungen er sich selbst an seine Atelieradresse Wald ist Dialogpartner ohne Kitsch. Auf der einen geradezu beängstigenden Aktuali- geschickt hat, zu hunderten anderen in Suche nach „dem Kärntner Roman“, der von tätsschub erfahren. Auch mit den Fotos eine Schachtel. Seit vielen Jahren schon Manfred Posch stets eingefordert wurde, bin durchleuchteter Menschen, Koffer und tippt er täglich minutiöse Berichte über ich H. Pototschnig begegnet. Erstaunliche Ein- Reisetaschen nahm er bereits vor zwölf seinen Alltag, aber auch Kochrezepte, sicht für mich: Bemerkt und besprochen wird in Jahren die Debatte um den gläsernen Banales und Philosophisches auf Ansichts- der Hauptsache, was gerade ins zeitgeistige Menschen, um GPS, Pop-up-Ads und nicht karten oder Fotos, frankiert sie und schickt Verlags- oder Rezeptionsprogramm des Feuille- zuletzt um Contact-Tracing-Apps vorweg. sie entweder an seine niederösterreichi- tons passt. Was ist mit Lorenz Mack, Hans Leb, sche Wohnadresse oder ins Atelier. Das Michael Guttenbrunner (Danke, Vinzenz Jobst), Artist’s Kitchen. Wie wirklich ist die gehöre eigentlich alles längst geordnet, was mit Lernet-Holenia? Wo ist Anton Fuchs? Wirklichkeit? Diese Frage treibt Fabio sagt er und blickt leicht verzweifelt um Eine Spurensuche führt zu den Altvorderen, weist in unsere Gegenwart und kann vielleicht Zolly um. Antworten gibt er, wenn, dann sich: „Aber eigentlich bin ich faul. Dazu eine zukünftige Entwicklung andeuten. In wel- verschlüsselt, er ist schließlich kein stehe ich. Ich kann stundenlang einfach chen kulturellen Zusammenhängen, betrachtet Weltenerklärer, aber ein die Welt stetig nur dasitzen und schauen und nachdenken mit den Mitteln der Literatur, stehen wir? Lite- Hinterfragender. Kontext und Konzept und dahinfantasieren.“ ratinnen und Literaten beschäftigen sich gerne ● sind die Zauberworte. Der auf Verkauf Andrea Schurian mit ihren Großvätern und -müttern. Das sollte und Wiedererkennbarkeit trainierte Kunst- aus Feldkirchen stammende, in Wien lebende, freie Autorin; „Die Presse“-Kolumnistin und Chefredakteurin auch mit den Künstler*innen geschehen, dann markt langweilt Zolly, spätestens nach der jüdischen Zeitschrift NU; langjährige Leiterin des geschieht etwas mit uns. seinem Herzinfarkt und drei Bypässen vor Standard-Kulturressorts; Moderatorin (u. a. für den ORF-Kulturmontag oder die 3Sat-Kulturzeit) und Filme- ● Günter Schmidauer fünf Jahren hat er sich die Frage nach Sinn macherin (z. B. über Maria Lassnig oder André Heller). Präsident des Kärntner P.E.N.-Clubs. und Unsinn neu gestellt. „Ich bin damals

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 39 Franz Moro. Foto: Ernst Peter Prokop | Franz Moro: Belvedere, 1968. Foto: Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK | F. Neumüller Franz Moro Eine Hommage.

Künstlerischer Angelpunkt. Am 21. April und seine Situationskomik. Von seinen Franz Moro stellt 1963 erstmals bei feierte der bedeutende Klagenfurter Künst- Freunden liebevoll „Babi“ genannt, fällt Heiderose Hildebrand in Klagenfurt aus, ler Franz Moro seinen 80. Geburtstag. Franz Moro aber durch Bescheidenheit in weitere Ausstellungen im In- und Ausland Moro, Sohn eines Kärntners und einer Hinblick auf seine künstlerische Kompe- folgen. Seit damals nimmt er nicht nur als Italienerin, wuchs in Klagenfurt auf und tenz auf. Insgesamt gehört Franz Moro Künstler, sondern auch als Kunsterzieher absolvierte hier das humanistische Gym- der künstlerischen Nachkriegsgeneration und als Mitglied und später Sprecher im nasium. Nach der Matura wurde er in die an. Diese wurde kaum gefördert, wegen künstlerischen Beirat des Kunstvereins Klasse von Paris Gütersloh an der Akade- der Geldknappheit nicht mit Aufträgen wesentlich Anteil am Kärntner Kunstge- mie der bildendenden Künste in Wien überschüttet, daher quasi zu Unrecht schehen. In den folgenden Jahren löst er aufgenommen und besuchte diese von übersehen, wenig geehrt und erst in spä- sich zunehmend von einer seine frühen 1958 bis 1963. Nach Kärnten zurückge- ten Jahren neu entdeckt. Demnach müss- Werke bestimmenden Gegenständlichkeit, kehrt, profilierte sich Franz Moro über- te Franz Moro in diesem Jubiläumsjahr seine Malweise wird gestischer und spon- wiegend mit Gouachen, Aquarellen und besondere Aufmerksamkeit geschenkt taner, informelle Tendenzen zeigen sich. Zeichnungen als exzellenter Maler, dessen werden! Sich überlagernde Farbschichten im Werk man in Einzel- und Gruppenausstel- ● Ilse Gerhardt Zusammenspiel mit dynamischen Linien, lungen bewundern konnte. 1975 erhielt * 1944 in St. Veit an der Glan, lebt in Klagenfurt, die in den Untergrund gekratzt oder auf ist u. a. Autorin und Kulturjournalistin. er den großen Förderungspreis der Stadt diesen gemalt oder gezeichnet werden Klagenfurt und 1979 den Kunstförderungs- und expressive Farbspritzer bestimmen preis des Landes Kärnten. 1974 stattete Abstrahierte Formensprache. Das Früh- die für ihn nun typischen Kompositionen. er die Einsegnungshalle Klagenfurt- werk Franz Petschounig-Moros ist geprägt Diese beziehen sich zwar ursächlich auf Hörtendorf mit Glasfenstern aus. Mehr- von den Einflüssen der Wiener Schule des reale Gegebenheiten wie Landschaftsaus- mals wurde Moro bei der INTART-Bien- Phantastischen Realismus, als dessen schnitte, Mauerreste oder architektonische nale präsentiert und konnte im Zuge Mitbegründer Albert Paris Gütersloh, Fragmente, werden allerdings in einer dieser internationalen Kunstschau eine Wiener Maler, Schriftsteller und Professor stark abstrahierten Formensprache wie- Einzelpräsentation absolvieren. Von 1982 an der Akademie der bildenden Künste, dergegeben. Ein harmonischer Bildaufbau, bis 1984 war Franz Moro Kopf der „Großen gilt und dessen Klasse für Malerei Franz intensive Farbigkeit und ausgewogene Galerie im Künstlerhaus“ und erwies sich Moro besuchte. Zunächst zeigt sich im Hell-Dunkel-Kontraste erzeugen eine ganz hier auch als künstlerischer Leiter des Werk Franz Moros ein eigenständiger eigene Atmosphäre. Kunstvereins Kärnten. Franz Moro zeich- Realismus in intensiven, kontrastreichen ● Nora Leitgeb net sich zudem als kunsthistorischer Farben, nahezu verspielt wirken oftmals Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin für zeitgenössi- sche Kunst, Graz und Klagenfurt; derzeit: Ausstellungs- Pädagoge, der als „Brotberuf“ am Bundes- die Sujets durch die weiche Konturierung management & Pressearbeit im Museum Moderner gymnasium 1 bildende Kunst unterrich- und die sanfte Schattierung. Die Abgren- Kunst Kärnten. tete, aus. Als hervorragender Künstler zung zur abstrakten Malerei, surreale und seiner Generation war und ist er gleichsam expressionistische Tendenzen und ein mit allen österreichischen Kolleginnen Bezug zur Neuen Sachlichkeit – markant und Kollegen seiner Generation befreun- für die Wiener Phantasten – sind zunächst det und bildet quasi einen künstlerischen auch bei Franz Moro deutlich spürbar. In Angelpunkt in seiner Heimatstadt. Dies seinen Porträts oder Stadtansichten greift ist nicht nur auf sein exquisites Wissen er wiederholt fantastische, unwirkliche zurückzuführen, sondern auch auf seine Formen auf, jedoch immer in Bezug zur sprachliche Treffsicherheit, seinen Humor äußeren Wirklichkeit.

40 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Leonie Humitsch. Foto: Sam Strauss Performance des Alltags und die Kunst der Leonie Humitsch.

„Man muss das Leben tanzen.“ Choreographin. Sie arbeitet mit namhaften und vermittelt zeitgenössischen Tanz in Choreograph*innen wie Bert Gstettner, Form von Workshops. Konkret sind das, je Willi Dorner, Silvia Costa und Andrea K. nach Subventionslage, drei bis vier Projek- Schlehwein zusammen und war als Tän- te jährlich. Hoffentlich lernt die öffentliche Covid-19 hält ein Brennglas über unseren zerin und Choreographin bereits vom Hand aus Corona, dass Kulturschaffende Alltag. Die Stunde, da wir nichts voneinan- Landestheater Bregenz bis zum Tanz*Hotel keine Eichhörnchen sind, die für den har- der wussten beginnt gerade erst oder ist Wien zu erleben. Leonie lebt in Wien, ten Winter Subventionen hamstern. schon längst ausgeschlagen. Sie wird uns jedoch ist ihr künstlerischer Arbeits- noch länger begleiten. Plötzlich wird der schwerpunkt verstärkt in Kärnten, haupt- Die Frage nach dem Wo. Im Moment Spaziergang auf dem Gehweg zur unge- sächlich im ART SPACE stift millstatt, wo sind auch für Leonie erst mal alle Veran- wollten Tanzeinlage, Einkaufen im Super- sie Stücke erarbeitet, aufführt und Work- staltungen abgesagt. Unter anderem Gast- markt eine absurde Stegreifperformance. shops hält. spiele in der Schweiz und Deutschland, Neue Kostüme und Maskierungen inklu- Für Leonie beginnt Tanz dort, „wo er in denen sie als Tänzerin engagiert war. sive. Die Warteschlange vor dem Baumarkt sich den Raum nimmt, erfahrbar und Auch ihre Unterrichtstätigkeit hat sich choreographieren, behandschuht mit den spürbar wird und auf Offenheit und Refle- verschoben. Sie versorgt einen Großteil Einkäufen jonglieren, aber auch in ver- xionsfähigkeit stößt.“ Und diese Offenheit ihrer Teilnehmer*innen wöchentlich mit einsamten Zügen oder Straßenbahnen und Reflexion braucht ein Gegenüber. Für Online-Tanzvideos, bestehend aus Cho- Theater spielen. Wir wissen schon längst sie braucht Tanz sein eigenes Live-Publi- reographien, Trainingsabfolgen und Tanz- nicht mehr, wo denn der Tanz eigentlich kum. Dass das in Zukunft in kleineren techniksequenzen. Das alles macht sie, beginnt. Rahmen stattfinden wird müssen, sieht wenn sie nicht ihren dreieinhalbjährigen sie durchaus als Chance noch greifbarer, Sohn beschäftigt. Ab Mai startet sie dann Chance auf Intimität. Leonie Humitsch intimer und unmittelbarer zu werden. Mit wieder mit dem Proben. Zuerst alleine, tanzt seit gut dreißig Jahren. Und das ist Silvia Salzmann arbeitete sie bereits an um am Ende des Monats hoffentlich mit beinahe ihr ganzes Leben. Mit dem Tanzen etlichen solchen Projekten. Mit ihrem vier Musiker*innen in vorgegebenen aufhören wollte sie nie. 2016 wurde ihr Kollektiv eva & eva gingen sie gemeinsam Sicherheitsabständen und vermutlich mit der Förderpreis für Darstellende Kunst mit Stefanie Sternig beispielsweise aus Mund-Nasen-Schutz gemeinsam proben des Landes Kärnten verliehen und damit dem Theater in Kärntner Schulen und zu können. hat das Land eine Tänzerin ausgezeichnet, entwickelten mit den Schülerinnen und Leonie meint: „Tanz ist für mich orts- die wegweisend in all ihren Projekten Schülern Aufführungen. ungebunden, womit sich die Frage nach einen transdisziplinären Austausch zwi- 2018 gründete sie dann freitanz, einen dem Wo auflöst.“ www.freitanz.art schen Musik, bildender Kunst, neuen Verein für zeitgenössische Tanzprojekte. ● Markus Waitschacher Medien und darstellender Kunst findet. freitanz produziert Tanzstücke mit unter- * 1991 in Klagenfurt, lebt in Graz, wo er am Universal­ museum Joanneum als Kunstvermittler für moderne und Leonie Humitsch ist ausgebildete „zeitge- schiedlichen Künstler*innen, arbeitet in zeitgenössische Kunst tätig ist. Nebenbei arbeitet er als nössische Tanzpädagogin“, Tänzerin und Projekten mit Kindern und Jugendlichen freischaffender Kurator.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 41 edition B kunst.aus.druck Stephka Klaura Textil-Malerei Foto: Magdalena Maria Muszynska Maria Magdalena Foto:

Außergewöhnliche Umstände erfordern Meisterklasse Malerei bei Prof. Adolf Kunstgeschichte und Architektur entlehnt außergewöhnliche Maßnahmen. Neben Frohner und die Klasse für Bildende und und werden je nach Verwendung auf bis großen Modemanufakturen stellten in den Mediale Kunst bei Prof. Johanna Kandl zu acht Meter lange Stoffbahnen in wie- letzten Wochen viele kleinere Couturiers, besucht und ihr Diplom 2010 bei Prof. derkehrenden Mustern gedruckt. Als End- heimische Labels, Künstler*innen und Gerd Müller mit Auszeichnung abgelegt. produkt präsentiert die Künstlerin ihre Designer*innen ihren Betrieb auf die 2013 erfolgte in einem ehemaligen Wirts- bedruckten und bemalten Stoffe entweder Produktion von Mund-Nasen-Schutzmas- haus in Ottakring die Unternehmensgrün- direkt an einer Stange befestigt von der ken um, so auch die in Salzburg geborene dung FabricFabrik e.U., die Siebdruck- Decke hängend oder schon als Designob- und in Kärnten im zweisprachigen Eisen- Textildruckwerkstatt: ein Atelier für jekt verarbeitet: tapezierte Möbelstücke, kappel aufgewachsene Künstlerin und Kreative, Designer*innen und Inspirierte Teppiche oder Taschen sind allesamt Designerin Stephka Klaura. Unter den aus der Welt der Kunst, der Architektur Unikate. Hashtags #Fremdschutz und #Friend- und des Textilen sowie Standort für ihr Übereinander gedruckte vegetabile schutz produziert sie anstelle ihrer Label FabricFabrik. „Fabric“ steht für das Formen und ornamentale Muster in blauen üblichen Bekleidung, Pölster, Taschen, englische Wort Textil und „Fabrik“ bezieht und grünen Tönen erzeugen in der der Bettwäsche oder installativen Textilskulp- sich auf ihren Arbeitsplatz bzw. nimmt BRÜCKE beigelegten Textil-Malerei eine turen und -objekte gemeinsam mit der Bezug zu Andy Warhols Factory und sei- bewegte Tiefe, obgleich jegliches klassi- Wiener Textilwerkstatt schnittBOGEN und ner Vorliebe für großformatige Siebdrucke. sche Kompositionsschema aufgegeben ist. einem kleinen Team von Freiwilligen rund Denn auch Stephka Klaura arbeitet vor- Der Blick streift von einem zum anderen um die Uhr in gewohnter handwerklicher rangig mit dem Siebdruck. Dafür übt sie kleinteiligen Motiv, eigene Assoziations- Sorgfalt MNS-Masken als Design-Acces- auf ihrem eigens konstruierten, zehn ketten und Erinnerungen an Gesehenes soires. Die Nachfrage war so groß, dass Meter langen Drucktisch, den sie mit werden in Gang gesetzt. Die Farben und binnen zwei Wochen keine Bestellungen einem befreundeten Architekten entwor- Formen sind aufeinander abgestimmt und mehr angenommen werden konnten, ver- fen und umgesetzt hat, ein selten gewor- obgleich die Malerei so bewegt ist, wirkt kauft wurde zeitweise nur noch über die denes Handwerk aus: den manuellen sie harmonisch und stimmig. „Das Design Marien-Apotheke im 6. Bezirk in Wien Siebdruck. Bedruckt werden über Papier nimmt uns mit: auf eine (Digital)-Safari, und über die Werkstatt im Hof in Bad und Leinwand hinausgehend Stoffe, Flie- zieht uns hin, in eine polychrome Bildwir- Eisenkappel. Mittlerweile ist der Annah- sen, Holz oder Leder, in weiterer Folge kerei. Das Ästhetische verschmilzt mit mestopp schon wieder aufgehoben und entstehen nicht nur zweidimensionale dem Praktischen und lässt die Gebrauchs- ein Webshop eingerichtet. Wandarbeiten, sondern auch komplette gegenstände lustvoll transzendiert Der Vorwurf, sich an der Maskenpro- Innenraumgestaltungen. Ganz bewusst zurück“, beschreibt der aus Suetschach duktion zu bereichern und die Situation entfernt sich die Siebdruckerin von dem bei Feistritz im Rosental stammende Autor auszunützen, klingt wie neidvoller Hohn, Gedanken, Kunst ausschließlich gerahmt Stefan Feinig die künstlerisch anmutenden der nur den Kopf schütteln lässt. Andere an der Wand zu zeigen. So gestaltete sie Designobjekte von Stephka Klaura. „Ober- Einnahmen brechen weg, Projekte und beispielsweise 2014 mittels Siebdruck- flächenstrukturen, dekorative Muster und Workshops sind abgesagt, die Möglich- Verfahren die Fußböden der BH Völker- farbgewaltige Pattern ziehen sich über die keiten in Kunsträumen auszustellen und markt – eine bis dato genuine Idee ohne banale und praktikable Wirklichkeit der vielleicht etwas zu verkaufen, liegen im Vorbilder. Für die Architektin Eva Rubin, Dinge und verzieren unser allgemeines Moment bei null. Dafür leistet die Künst- die in Kärnten lebende Tochter Roland Anwendungsbewusstsein. Das Nützliche lerin, wie manche anderen Kreativen, Rainers, bedruckte sie Glasflächen in der wird plötzlich ästhetisch sinnvoll und dem ihren Beitrag in der Krise, da Werkstätten, Schule für Wirtschaft und Mode in Kla- feinsinnig, formvollendet und kunstvoll Möglichkeiten und Ressourcen vorhanden genfurt. 2015 entwickelte sie als erste Schönen öffnet sich die Möglichkeit des sind, denn „jede Art von Schutz schützt „artist in residence“ im DOMENIG STEIN- Zweckdienlichen.“ (Stefan Feinig, Die Ablei- weitaus mehr als kein Schutz!“. Haupt- HAUS ein eigenes „Steinhaus-Textil“. tung des Zwischenraums [Stephka Klauras sächlich Material- und Produktionskosten vegetative Bildwirkerei – ein Annäherungs- sind gedeckt, denn der Kostenbeitrag für Polychrome Bildwirkerei. Das Arbeiten versuch], 2019) die Masken ist gering. mit Stoffen ist kennzeichnend für Stephka stephka.klaura.at | www.fabricfabrik.at Klaura. Jedoch bilden mit der Hand ● Nora Leitgeb Stephka Klaura lebt und arbeitet seit gezeichnete Grafiken immer den Aus- Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin für zeitgenössi- sche Kunst, Graz und Klagenfurt; derzeit: Ausstellungs- ihrem Studium an der Universität für gangspunkt für die weitere Verarbeitung. management & Pressearbeit im Museum Moderner Kunst angewandte Kunst in Wien. Sie hat die Die grafischen Formen sind aus Natur, Kärnten.

42 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Stephka Klaura: Detail aus einer Textilarbeit | 2019. Foto: FabricFabrik/Stephka Klaura Theatermachen ist immer ein Versuch Zum Ende seiner Klagenfurter Intendanz zieht Florian Scholz künstlerische, menschliche und kärntenspezifische Bilanz seiner Kulturarbeit.

Das Tragen von Masken ist aktuell ein Kooperationen waren meine Aufgabe Ort der Hochkultur positioniert. Mit dem Thema für alle Menschen – zum Theater während meiner Tätigkeit vor der Inten- Carinthischen Sommer ist eine qualitäts- gehören Masken von jeher dazu und danz in Klagenfurt an der Staatsoper in volle Sommerbespielung vor allem im sind auch als bildhaftes Symbol für Bayern (Direktor für Internationale Bezie- Bereich der zeitgenössischen Oper möglich Theater in Form einer fröhlichen und hungen und Sonderprojekte an der Baye- – das ist in Kärnten keine Konkurrenz einer traurigen Maske bekannt. Welche rischen Staatsoper bei Nikolaus Bachler sondern eine Win-win-Situation. dieser beiden Masken würden Sie gera- in München von 2006 -2012). Kooperati- de wählen? onen helfen bei der Realisierung von Was hat Sie in Kärnten überrascht? Die lachende Maske. Wenn man in die- großen Projekten. Zudem tut es auch der Es hat mich überrascht, wie viel besser ser Zeit überhaupt Freude empfinden darf Stadt gut, dass ein Austausch mit anderen man in Kärnten isst: teurer und besser. ... ich empfinde Freude: Ich übergebe Städten stattfindet. So habe ich Klagenfurt Hier gibt es eine andere Lebenserfahrung, dieses Haus in einem guten Zustand an europaweit gut verorten können durch so in der Natur eingebettet zu sein. Auch einen idealen Nachfolger mit großer Kennt- Kooperationen: Es gab im letzten Jahr neun so sehr von Tieren umgeben zu sein. Das nis des Metiers und viel Leidenschaft. Kooperationen, darunter mit der Opera ist eine wesentliche Erfahrung und lässt Zudem freue ich mich sehr auf meine neue Dijon (Koma), mit dem Théâtre des sich mit dem Wort „Kärnten“ zusammen- Aufgabe. Champs-Élysées Paris, der Opéra de Dijon fassen. Überraschend ist auch, dass auf so und dem Théâtre du Capitole Toulouse geheimnisvolle Weise dieser Landstrich Stärker als sonst sind im Moment Zah- (Pelléas et Mélisande), mit den Vereinig- so viele Sprachkünstler hervorgebracht len im Fokus von Entscheidungen und ten Bühnen Bozen und der KULA Compa- hat. Die Produktion „Lass dich heimgeigen, Erklärungen – welche Zahlen sind Ihnen gnie (Die Stunde da wir nichts voneinan- Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe“ als Intendant eines Theaters wichtig? der wußten) oder mit dem Theater mit dem Text von Josef Winkler war mit Schwarze Zahlen sind mir wichtig als WalTzwerk und der Pädagogischen Hoch- Sicherheit eine der besten Aufführungen. solide Grundlage für eine gute Arbeit, schule Kärnten (Das Heimatkleid). weshalb das Stadttheater Klagenfurt auch Die Oper „Il canto s’attrista, perché?“, Was war Ihre Vision für dieses Haus? von einer Doppelspitze [Anm.: mit der welche in Kooperation mit den Wupper- Die große Leidenschaft von mir ist die kaufmännischen Direktorin Iris Dönicke] taler Bühnen als Auftragskomposition an Oper, das Musiktheater. Das Zusammen- geführt wird. Eine falsche Kennzahl ist einen der bedeutendsten Musiktheater- führen von sehr hoher musikalischer die Auslastung, die nicht als einziger komponisten der Gegenwart, Salvatore Qualität mit einer gesellschaftlichen Rele- Wertmaßstab gelten kann, aber oft als Sciarrino, erteilt wurde, muss aufgrund vanz dessen, was man auf die Bühne solcher ausgelegt wird. Abonnement- der aktuellen Corona-Situation verschoben bringt, und die über Unterhaltung hinaus- Zahlen sind ein Dauerthema: Wie geht werden, wobei die Wuppertaler Bühnen geht. Im Theater zählt immer auch das man damit um, ein breites Publikums- als Kooperationspartner sehr fair und Können von Schauspieler*innen. spektrum so anzusprechen, dass es das partnerschaftlich agierten. Theater fördert durch Abos, ohne das Was war die Herausforderung für dieses Theater zu nivellieren. Das gehört auch Zu den Kooperationspartnern reiht sich Theater? zur Kunst des Theatermachens. Das Pub- auch der Carinthische Sommer ... Herausfordernd war es, dass ich ein likum muss immer neu gewonnen werden. Das Stadttheater Klagenfurt hat auch Theater machen wollte, das eine Relevanz im Sommer Kapazitäten einer Bespielung, über die Grenzen hinaus hat und gleich- Vor allem in den letzten Jahren waren doch hat sich die Lösung durch Wieder- zeitig das Richtige ist für Zuschauer*innen immer wieder Kooperations-Produktio- aufnahmen von Produktionen durch die aus Hermagor, Klagenfurt und Wolfsberg nen zu sehen. Wie kam es dazu, was vielen Angebote in fast jedem Steinbruch mit den lokal-spezifischen Interessen und steht dahinter? totgelaufen. Ich habe das Haus immer als Befindlichkeiten. Hier ist dies eindeutig

44 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Florian Scholz hat das Stadttheater Klagenfurt in der Spielzeit 2012/13 übernommen, nun wechselt er an das Theater Bern. Foto: Gerhard Maurer

schwieriger als in einer Großstadt, wo man ßig eine kleine Fangemeinde und in herangehen. Dass sich Theater so toll nach sich viel dezidierter auf ein Zielpublikum Pordenone findet einmal jährlich eine außen präsentiert ist spielerisch-künstle- konzentrieren kann. Pressekonferenz statt. Mit Slowenien gab risch – man kann gar nicht genug präsent es vor allem zweimal wunderbare Produk- sein nach außen hin. Was eine Frage ist: Wie stehen Sie zu „Abwegen“ respektive tionen mit der Regisseurin Mateja Wie kommt man hier an die Studierenden „Irrwegen“? Koležnik. Internationalität ist ganz wich- heran? Abwege wie Irrwege gibt es immer. tig und die Verbindungen zu Pordenone, Theatermachen ist immer ein Versuch, aber auch zu Ljubljana müssen ausgebaut Programmhefte sind ebenso ein wichti- der dann an oft ungeahnte Orte führt. Man werden. ger Teil der „Theatralik“ am Theater. muss eine gewisse Freude am Scheitern Sehen Sie ein Ende dieser Tradition? haben wie auch eine Offenheit, die man In Kärnten werden zwei Sprachen Finden Sie diese inzwischen überholt? dem Theater gegenüber mitbringen muss gesprochen. Haben Sie das Gefühl, dass Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter – auch dem Publikum und den Kritiker­ man mehr mit der zweiten Landesspra- von allem, was gedruckt wird. Das Theater *innen. che, mit Slowenisch, machen müsste? ist sinnlich und Programmhefte sind Um mehr in diesem Bereich machen zu haptisch – das gehört zusammen. Die Freie Szene ist ein starkes künstle- können, bräuchte man eine Studiobühne risches Element und vielfach kritisch. im Haus, für die ich von Beginn an Was nehmen Sie mit aus Kärnten? Wie ging es Ihnen mit der Freien Szene gekämpft habe. Ohne eine solche kann Ich nehme eine wunderbare Freund- in Kärnten? Ist sie hier anders als man auch nicht ausreichend Kinder- und schaft mit der Nachbarin Annelies Mandl anderswo? Jugendtheater anbieten. mit. Acht Jahre Berufserfahrung, an denen Die Freie Szene ist hier nicht anders als Ich gehe jetzt nach Bern, das auch ich gewachsen bin, nehme ich ebenso mit. anderswo. Die Gruppen und Vereine agie- mehrsprachig ist, wobei eine Mehrspra- Sehr viele, sehr schöne Erinnerungen. ren fast wie einzelne Künstler*innen und chigkeit aber nicht stigmatisiert ist. Das sind geprägt von langen Leitungsperioden. Theater dort agiert Deutsch, mit französi- Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger? Die Szene ist hier sehr fließend, denn schen Gastspielen. Ich wünsche ihm viel Freude. Die Unter- Schauspieler*innen und Regisseur*innen stützung des Publikums – denn das The- arbeiten sowohl für das Stadttheater als Auch das Stadttheater kann aufgrund ater ist das Theater des wunderbaren auch für freie Theater und Vereine. In den der Corona-Pandemie die aktuelle Spiel- Kärntner Publikums: Dieses gestaltet das acht Jahren meines Hierseins gab es eine zeit nicht zu Ende bringen und hat alle Theater viel mehr mit, als es selbst weiß. friedliche Koexistenz, bei der einmal im Vorstellungen abgesagt. Eine Videoüber- ● Tina Perisutti Jahr eine Produktion mit der Freien Szene tragung kommt für Sie in dieser Situa- Kulturarbeiterin und Kulturjournalistin. stattfand. tion nicht infrage? Ich bin der Falsche für Videoübertra- Zum Nachlesen: Kärnten ist Teil des Alpen-Adria-Rau- gungen. Das ist für mich überhaupt kein Ein Interview mit dem neuen mes, der sich über Grenzen hinaus Ersatz. Es ist theatraler, einen Spaziergang Stadttheaterintendanten Aron Stiehl in erstreckt. Ist für Sie dieser Raum hier zu unternehmen als sich ein Theaterstück DIE BRÜCKE Nr. 16, S. 4-5. spürbar? am Computer anzuschauen. Der Alpen-Adria-Raum als solches ist ganz stark zu spüren. Es gibt auch enge Was muss ein Theater heutzutage alles künstlerische Zusammenhänge mit vielen leisten (können)? Künstler*innen aus Italien wie etwa mit Theater muss sich stets neu erfinden. Cesare Lievi. Aus Italien kommt regelmä- Man muss ganz gezielt an das Publikum

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 45 Musik in einer atonalen Welt Reflexionen zum Beethoven-Jahr 2020.

„Wir leben in einer atonalen Welt und hören ab 1922 die Weltmusiktage der Internati- Schutzpatrone der Aussterbenden. Es doch hauptsächlich tonale Musik.“ onalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) ist schon interessant, dass Jubiläen – wie entwickelt haben, die 2021 im chinesi- 2006 oder 2020 die runden Geburtstage schen Nanning und Shanghai stattfinden von Mozart und Beethoven – zum Anlass In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts, werden [die für 2020 in Neuseeland geplan- genommen werden, lebenden Komponis- also vor 100 Jahren, war die Welt noch im ten Weltmusiktage mussten abgesagt wer- ten Aufträge zu erteilen. Die Notwendig- Lot: Der Charleston drückte das Lebens- den], so gibt es heute immer häufiger keit solcher Schutzpatrone zeigt im Grun- gefühl der Menschen aus. Skandale bei ähnliche Initiativen. Je größer die Stadien, de das schlechte Gewissen, für lebende Aufführungen Neuer Musik belebten die in denen die Massen ihre meist sehr Exemplare dieses Berufsstandes zu wenig Konzertsäle, aber sie wurde gespielt, von bescheidene Musik konsumieren, umso getan zu haben. Wenn die Komponistin Schönberg bis Strawinsky, die sich übri- kleiner der Kreis ausgewählter Freundinnen Olga Neuwirth anlässlich der fulminanten gens gegenseitig nicht besonders gut leiden und Freunde für zeitgenössische Heraus- Uraufführung ihrer Oper „Orlando“ in der konnten. Dann in den 30ern, in der Zeit forderungen. So heißt es jetzt Andreas Wiener Staatsoper gesagt hat, Komponie- der Diktatoren Dollfuß, Schuschnigg und Gabalier und Helene Fischer im Olympia- ren sei ein aussterbender Beruf, so hat sie Hitler, gab es – vor allem in der Filmbran- stadion gegen Walter Baco, um nur einen jedenfalls sicher nicht die Kompositionen che – immer mehr Unterhaltung, die Musik noch (?) relativ unbekannten Komponisten von Andreas Gabalier gemeint. Es geht wurde zunehmend konservativ und bald und Initiator heutiger musikalischer Pri- also darum, die große Tradition der abend- galt das zuvor Neue als „entartet“. Nach vataufführungen zu nennen. Diese Ent- ländischen Kunstmusik zu erkennen und dem Zweiten Weltkrieg hatte man dann wicklung bestätigt, dass es im Grunde in ihren neueren und neuesten Ausfor- dementsprechend viel zu tun, um diese immer wenige waren, die den Mut hatten, mungen am Leben zu erhalten. In anderen „Entartungen“ endlich gebührend zu wür- sich neuen musikalischen Formen zu Kunstbereichen gibt es dafür offenbar digen. Tonalität contra serielle Musik hieß öffnen und sich damit einer Kunst zuzu- mehr Verständnis als in der Musik, wo der neue Zweikampf, „Mob und Tonart“ wenden, die eine Veränderung traditio- oft Mainstream-Produktionen den Blick contra Pierre Boulez, György Ligeti oder neller, künstlerischer und gesellschaftli- auf anspruchsvolle Weiterentwicklungen gar John Cage. Aber beides wurde gespielt cher Normen anstrebt. im Jazz oder in der sogenannten Neuen und gesendet – auch tagsüber! Das aber widerspricht ganz deutlich Klassik verstellen. Heute, am Vorabend düsterer Polit- dem kapitalistischen Prinzip eines mess- Selbst diese neuerdings gängige Bezeich- Prognosen, darf „ernste“ Neue Musik im baren Fortschritts: Mehr ist besser, schnel- nung zeigt schon den Zug zur Vergangen- ORF nur noch von 23 bis 24 Uhr nachts ler ist besser. Quantität ist messbar und heit. Die Sonntagvormittag-Konzerte der gesendet oder in speziellen Konzertpro- schlägt die nicht am Publikumszuspruch Wiener Philharmoniker präsentieren seit grammen (Achtung: Neue Musik!) aufge- messbare Qualität von Kunst. Das heißt Generationen das gleiche Programm: die führt werden, aber jedenfalls nur selten aber auch, dass die bloße Bewunderung erste Wiener Schule mit Haydn, Mozart öffentlich aufscheinen. Ich weiß nicht, wie von Kunst der Vergangenheit eben ins und Beethoven plus Brahms und Bruckner, weit der Umkehrschluss erlaubt ist: Läuft Museum gehört, was uns in der bildenden eventuell Richard Strauss, vielleicht noch dieser Trend zur Unterhaltung, zum Kon- Kunst ganz selbstverständlich erscheint, Gustav Mahler. Aber schon die zweite servativismus in der Kunst, zur Ablehnung wo heute in den Ausstellungen aktueller Wiener Schule mit Schönberg, Berg, einer kritischen Auseinandersetzung Kunst letztlich entscheiden wird, was Webern fehlt fast zur Gänze, von Urauf- von Künstlerinnen und Künstlern mit einmal ins Museum kommt. führungen lebender Komponisten und der Gegenwart, parallel zu einer Ableh- Im Konzertsaal kämpft eine Avantgarde Komponistinnen ganz zu schweigen. nung alles Ungewohnten, Fremden oder oft hoffnungslos gegen die Last der Tradi- Trösten wir uns damit, dass es immer fremd Wirkenden, ja zu jeder Form der tion, gegen die Konkurrenz von Meister- schon Minderheiten waren, die sinnerfas- Veränderung auch in der Politik? Gehen werken aus der Vergangenheit. Im Ghet- send zuhören können, seien es die Mönche, wir wieder einmal auf mögliche kriegeri- to von Festivals für Neue Musik wird dann oder kunstsinnige Aristokraten, oder das sche Auseinandersetzungen oder auf Wiedergutmachung versucht. Darin zeigt Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts. Umweltkatastrophen ungeahnten Ausma- sich auch der Unterschied zwischen Bil- Verständlich, dass heute – im Zeitalter des ßes zu, die wir von angenehmen Klängen, dung und Kunstverständnis. Bildung ist Massenkonsums – für kritische Musik Texten und Bildern begleiten lassen, zwar eine wichtige Voraussetzung für kein Platz ist. solange es eben geht? Kunstverständnis, wer sinnerfassend Goe- ● Dieter Kaufmann the lesen kann, wird auch Peter Handke * 1941, Studien in Wien und Paris, lebt in Feldkirchen und Wien; Komponist von elektroakustischen, vokalen und Mut für neue musikalische Formen. Ein verstehen. In der Musik bieten sich Bach instrumentalen Werken, von Musiktheater und Multime- interessanter Aspekt ist auch das neuer- und Beethoven als Lehrmeister an. Aber dia-Produktionen, die er mit dem K&K Experimentalstu- dio (Kaufmann & König) international aufführt. liche Aufblühen von Hauskonzerten. Wenn im Grunde sollte sich auch Bildung nicht Schönberg 1918 in Mödling den „Verein auf vergangenen Werten ausruhen, son- für musikalische Privataufführungen“ dern – nicht nur in der Politik – „mutig gegründet hatte, aus dem sich schließlich in die neuen Zeiten“ schreiten.

46 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Hanno Kautz: C-days 2020 Hanno Kautz bezieht den Aufruf der Bundesregierung, sich auf das Notwendigste zu beschränken, auf die Wahl und den Einsatz seiner Darstellungsmittel. Schwarzer Stift auf weißem Papier plus Textnotiz – sonst nichts. Seine minimalistischen Eintragungen ins Skizzen-Tagebuch (zu sehen auf Facebook) erheben die Kunst des Weglassens zum Gebot der Stunde. Die Wort-Strich-Kombinationen öffnen Bedeutungsräume, in denen viel Platz für individuelle Interpretationen bleibt. Inhaltlich setzt sich Kautz fast keine Grenzen. Die Ampeln für emotionale Ausschweifungen stehen auf Grün. Gesetze der Schwerkraft sind außer Kraft, Ironie und Realitätsflucht in die Poesie erlaubt. Es herrschen lediglich Fantasie-Empfehlung und Assoziations-Pflicht [siehe auch BRÜCKEseite 2]. Foto: Hanno Kautz

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 47 Fidelio im Klagenfurter Landhaushof Erinnerungen im Beethoven-Jahr.

Im Sommer 1948 gab es im Rahmen von Die Aufführung. Der Männerchor hat in leichte Aufgabe gut und ernteten auch ein „Wörthersee-Sportwochen“ auch kulturel- Fidelio drei Auftritte: im ersten Akt als anerkennendes Nicken des Dirigenten le Veranstaltungen, darunter eine Auffüh- Wache mit der Pizarro-Arie und im großen Kurt von Tenner. rung von Beethovens Oper „Fidelio“ im Gefangenen-Chor, dem fast unmittelbar Solistisch war die Aufführung sehr gut Klagenfurter Landhaushof. Da für eine das Finale folgt („Leb’ wohl, du warmes besetzt. Florestan war Josef Janko, Hel- Vorstellung im Freien der Chor des Stadt- Sonnenlicht“), im zweiten Akt als gemisch- dentenor der Grazer Oper. Er war aller- theaters zu klein war, wurde ein Hilfschor ter Chor im Schlussbild („Heil sei dem dings extrem kurzsichtig und da ein aufgeboten. Durch Vermittlung eines ehe- Tag, Heil sei der Stunde“). Unser Stimm- Gefangener mit Brillen unmöglich ist, maligen Schulkollegen bewarb ich mich, führer des Tenors, ein ausgezeichneter bemühte sich Leonore (Cordi Struckl sang damals siebzehnjährig, und wurde nach und absolut sicherer Sänger, war aber diese schwierige Partie tadellos) ihn zu problemlosem Vorsingen als „Chorsänger- recht beleibt, für einen Wache-Soldaten leiten, was im Schlussbild als liebevolle Eleve“ (erster Bass) engagiert. daher ungeeignet und auch als Gefange- Umarmung auch passend war. – Ein Wort Regisseur war der Burgschauspieler ner hielt er sich eher im Hintergrund. zur Partie des Florestan: Fidelio wurde Walter Sofka. Er wollte Intendant des Diesbezüglich hatte ich keine Schwierig- damals auch bei den Salzburger Festspie- Stadttheaters werden und war daher keiten, denn in den Nachkriegsjahren len unter Wilhelm Furtwängler gegeben bestrebt, durch eine besonders wirkungs- noch unterernährt, waren die Folgen mit Julius Patzak als Florestan. Wer diesen volle Inszenierung gleichsam seine künst- langer Kerkerhaft auch ohne kosmetische hoch musikalischen und hoch intelligen- lerische Visitenkarte für den angestrebten Hilfe glaubhaft. ten Sänger in dieser Rolle gehört hat, war Posten zu präsentieren. Die Konsequenz Höhepunkt für den Chor ist jener der für alle Zukunft „verdorben“ und konnte waren zahllose Proben: zunächst vor allem Gefangenen. Die Architektur des Land- auch mit einem Wolfgang Windgassen, des Chores, auch nach Stimmen gesondert, haushofes bot eine eindrucksvolle Kulisse, James King oder anderen Helden nicht dann der Solistinnen und Solisten einzeln denn aus dem Verbindungsgang zwischen mehr glücklich sein. und im Ensemble, zuletzt einzelner Szenen den beiden Türmen kamen wir tatsächlich Den Don Pizarro sang Hans Habietinek, und schließlich die übliche Hauptprobe aus dem Dunkel des Kerkers ans Licht: ein (wohl nebenberuflicher) Rechtsanwalt und die Generalprobe. Korrepetitor war „O welche Lust, in freier Luft den Atem aus Wien, den Rocco der Klagenfurter Bass Günter Lehmann, der später erster Kapell- leicht zu heben!“ Der erste Gefangene Hans Welz, die noch ganz junge Dorothea meister wurde. hatte Sorge, den nicht ganz leichten Ein- Siebert mit beseelter Stimme die Marzel- Ich versäumte keine einzige Probe, auch satz für sein Solo zu treffen und erbat sich line (sie kam dann an die Wiener Volksoper) jene nicht, an denen ich unbeteiligt war. daher von einem diesbezüglich kundigen und den Jacquino Fritz Fischer. Er war im Besonders beeindruckten mich die reinen Kollegen einen leichten, aber zeitgerech- Neben-(oder Haupt-)Beruf Fotograf in Kla- Orchesterproben, da das Stimmengewebe ten Stoß. „O Himmel! Rettung!“, sangen genfurt, mit seiner hellen, leicht anspre- viel deutlicher zu hören ist, wenn es kei- wir mezzaforte im Sprechgesang – angeb- chenden Stimme und talentiertem Spiel ne Sängerinnen und Sänger gibt. Kurz lich von Toscanini eingeführt –, „O schlechthin eine Idealbesetzung. Ich habe gesagt: Ich lernte dieses großartige Werk Freiheit, o Freiheit, kehrst du zurück!“, ihn später noch als Steuermann im Flie- so genau kennen, wie es in meinem dama- dann aber fortissimo und in aller Intensi- genden Holländer und in der Verkauften ligen Alter nur möglich war – die Texte tät, sodass mir in der ersten Aufführung Braut als ausgezeichneten Wenzel gehört. kann ich aber auch heute noch (fast) aus Rührung fast die Stimme versagte. Minister war Rolf Polke, eine imponie- auswendig. Ich glaube, wir bewältigten diese nicht rende Erscheinung mit ebensolcher Stim-

48 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Leonore verhindert in der Kerkerszene die Ermordung Florestans. Diese Rettungstat Leonores ist der dramatische Kern der Oper. Foto: Archiv

me, die den Landhaushof mühelos füllte. schlaglichtartig wiederzugeben: Liebesdu- Dieser glückliche Ausgang der Opernhand- Er machte später in Deutschland mit den ett, Rachearie u. ä., bzw. Zauberoper, lung setzte jenes zielgerichtete Geschehen großen Wagner-Partien Karriere. Zu seinem Nationaloper, Revolutionsoper – und eben: voraus, Wirkung ihre Ursache. Demnach Auftritt im Schlussbild kam er hoch zu Freiheitsoper. Tatsächlich werden in Fide- ist die Rettungstat Leonores der dramati- Ross durch den Landhaushof angeritten, lio am Ende (!) der Opernhandlung Gefan- sche Kern und „Rettungsoper“ die einzig was gewiss sehr eindrucksvoll war, aber gene befreit: Politisch Inhaftierte durch und allein zutreffende Bezeichnung. eine genaue Zeitplanung erforderte, denn den überraschend erschienenen Minister Inhaltlich symptomatisch sind aber auch zum Einsatz des Chores musste er spätes- und – breit ausgespielt – auch der vom die Titel jener Opern, die Beethovens tens auf der Bühne sein und das Pferd stand Gouverneur des Gefängnisses Don Pizarro Textdichtern Joseph Sonnleitner und Georg erst bei der Generalprobe zur Verfügung. aus persönlicher Rachsucht eingekerkerte Friedrich Treitschke als Vorlagen dienten: Im Schlussbild war dem Regisseur ein und zuletzt sogar mit dem Tod bedrohte Léonore ou L’amour conjugal von Jean schönes Detail eingefallen: Nach den tenorale Hauptdarsteller namens Florestan. Nicolas Bouilly, mit der Musik von Pierre Worten des Ministers „Euch, edle Frau Aber: Von wem wird Florestan effektiv Gaveaux, in Paris 1798 uraufgeführt, sowie allein, euch ziemt es ganz, ihn zu befrei’n“, befreit? Doch nicht vom Minister! Nach die 1804 in Dresden uraufgeführte Oper fielen die dem Florestan abgenommenen dessen rühmenden Worten „ziemt es Leonora ossia L’amor conjugale von Ferdi- Ketten just in dem Augenblick laut klir- Leonore allein“, Florestan die Ketten abzu- nando Paër (Text: Giacomo Cinti nach rend zu Boden, ehe das Orchester einsetzt nehmen, die ihn bisher fesselten. Bouilly). Daher sind zweifellos auch diese und Leonore den so weihevollen Abschnitt Leonore weiß, dass der Kerkermeister Vorbilder „Rettungsopern“, denn sie iden- beginnt: „O Gott! welch’ ein Augenblick!“ Rocco sich weigerte, im Auftrag Don tifizieren den Namen der Titelheldin mit Ich habe die Erinnerung an diesen Land- Pizarros einen Gefangenen zu ermorden, (der Wirksamkeit) ehelicher Liebe. haushof-Fidelio über die Jahrzehnte hin- nun aber in der Zisterne dessen Grab Es wäre wirklich an der Zeit, den miss- weg als einen wertvollen Schatz bewahrt, vorbereiten soll. Ihre ganze komplizierte verstehenden Terminus „Freiheitsoper“ konnte ich doch dieses großartige Werk Gemütslage – Unsicherheit, Hoffnung, nicht mehr in öder Permanenz zu wieder- so unmittelbar lebendig und so detailgenau Entschlossenheit, Liebe – ist konzentriert holen und auch den signifikanten Text kennenlernen. in einer großen Szene, der eigentlichen des Chores nicht länger zu ignorieren, der Schlüsselszene der Oper. Als Don Pizarro die Grundidee des Dramas in eine hym- Rettungsoper. Abschließend möchte ich zur geplanten Tat schreiten und Florestan nische Schlussapotheose fasst: „Wer ein noch eine ergänzende Klarstellung zur erdolchen will, tritt Leonore dazwischen: holdes Weib errungen / stimm’ in unsern sogenannten „Freiheitsoper Fidelio“ ein- „Töt’ erst sein Weib!“, um dann mit gezück- Jubel ein! / Nie wird es zu hoch besungen, bringen: Ein Begriff, eine Meinung, ein ter Pistole – ein berühmt gewordenes / Retterin des Gatten sein“. Urteil kann so falsch gar nicht sein, um Szenenbild – Pizarro am Mord zu hindern. ● Georg Horcicka nicht in zäher Langlebigkeit scheinbar In diesem Augenblich ertönt das befohle- * 1931 in Klagenfurt, Studium an der (damaligen) Hoch- schule für Welthandel in Wien, von 1956 bis 1992 berufli- richtig zu werden. So ergeht es auch der ne Trompetensignal, um die Ankunft des che Tätigkeit in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Oper Fidelio, die als „Freiheitsoper“ Ministers zu melden. für Kärnten. Jahrzehntelange Beschäftigung mit Mozart, die in zahlreichen Publikationen dokumentiert ist. schlechthin charakterisiert wurde und wird. Florestans wiedererlangte Freiheit ist Soll ein Musikstück oder ein Teil daraus also nicht der Güte des Ministers zu dan- mit einem einzigen Begriff benannt werden, ken, sondern allein der effizient geplanten versucht man, dessen wesentlichen Gehalt und mutig bewirkten Tat seiner Gattin.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 49 Synapse im kollektiven Gedächtnis Das Kärntner Literaturarchiv im Robert-Musil-Haus.

Novalis war es wohl, der – so ich nicht scheiterten an literaturwissenschaftlicher Autor*innen auch deren Korrespondenzen irre – das Archiv als das Gedächtnis einer und archivarischer Evidenz. Eines ließ und Lebensdokumente archiviert und Nation bezeichnet hat. Damit würdigte diese lokalpolitische Posse aber deutlich erschlossen. der Dichter und Denker der Romantik werden: Archive sind durchaus als Dis- Neben dem parteipolitisch skandalisier- eine Institution, die in der öffentlichen positive der Macht aufzufassen und der ten Vorlass von Josef Winkler finden sich Wahrnehmung lange Zeit mit Staub als Gefahr ausgesetzt, Spielball politischer Archivalien von weiteren vierundvierzig Zentralmetapher assoziiert wurde: das Ränkespiele zu werden. Denn Archive Persönlichkeiten im Kärntner Literatur- Archiv. Dadurch wurde – so die Süddeut- sind wie Bibliotheken oder Museen Syn- archiv; von Ingeborg Bachmann bis Carl sche Zeitung im April 2005 – der „dyna- apsen im kollektiven Gedächtnis. Sie Zuckmayer. Von einigen Autor*innen mische Charakter“ des Archivs verborgen. definieren die kulturelle Werthierarchie finden sich eher wenige Dokumente im Tatsächlich aber – führt der Autor des (Boris Groys) einer Gesellschaft. Kärntner Literaturarchiv. Einige andere Artikels, Lothar Müller, aus – würden Die Erinnerungskultur einer Gesell- aber sind weitestgehend exklusiv im dadurch die „weitreichenden Verbindun- schaft ist stets gedachte Rekonstruktion Bestand: Gert Jonke etwa oder Florjan gen in Recht, Politik, Literatur und Wis- der Geschichte, deren Validität stark von Lipuš. Auch von Peter Handke finden sich senschaften“ verschleiert. Archive würden der Qualität des materialisierten kultu- zahlreiche Manuskripte und Lebensdoku- so unter dem Radar der öffentlichen rellen Gedächtnisses abhängt. Erinne- mente im Klagenfurter Musil-Haus. Grund- Wahrnehmung bleiben. rungskultur braucht materialisierte, wis- sätzlich ist das zeitgenössische Literatur- Das Kärntner Literaturarchiv im Kla- senschaftlich aufbereitete Konkretionen schaffen Kärntens repräsentativ vertreten. genfurter Musil-Haus stand vor nicht und Referenzobjekte. Wer also über das Überraschenderweise finden sich auch allzu langer Zeit allerdings im Brennpunkt Archiv verfügt, erhält Deutungshoheit drei Archivboxen des Wiener Arbeiter- der öffentlichen Wahrnehmung. Staub, über die Geschichte. Und weist damit dichters Theodor Kramer mit Gedichtma- Asche und Urne waren die Stichworte in auch mögliche Wege der kulturellen und nuskripten und Briefen an Michael Gut- einer Rede von Josef Winkler, die das gesellschaftlichen Weiterentwicklung: tenbrunner, den poetischen Widerborst, öffentliche Interesse befeuerten. Winkler „Zukunft braucht Herkunft“, ließ uns Odo aus den Jahren 1950 bis 1957 im Kärntner hatte diese drei Begriffe im Zusammen- Marquard wissen. Literaturarchiv. Für die Dokumente aus hang mit dem Unfalltod eines Alkolenkers Das 1994 gegründete Kärntner Litera- dem Nachlass von Carl Zuckmayer sowie erwähnt. Und als das Kärntner Literatur- turarchiv ist Teil des Robert-Musil-Instituts dessen Gattin Alice ist wohl Michael Gut- archiv den Vorlass des Büchner-Preisträ- für Literaturforschung der Alpen-Adria- tenbrunner (1919-2004) zu danken. Bei gers aus Kärnten erwerben wollte, haben Universität Klagenfurt. Literatur wird als der Durchsicht des Verzeichnisses des diese Stichworte eine Kärntner Partei unbestechliches Zeitzeugnis aufgefasst, Literaturarchivs stößt man auch auf veranlasst, massiv dagegen aufzutreten, das individuelle Erinnerung kraft des Autor*innen, deren Existenz nicht unbe- den Ankauf durch Stadt Klagenfurt und Literaturschaffens zu einem unverzicht- dingt allgemein bekannt war. Da gibt es Land Kärnten verhindern zu wollen. baren Bestandteil des kollektiven Gedächt- zum Beispiel Dokumente von Egon Geier nisses macht. Das jeweilige autorische Ich (1904-1976), einem Kärntner Schriftstel- Dispositiv der Macht. Der machtpoliti- bringt in seinem literarischen Schaffen ler steirischer Herkunft mit politisch sche Einfluss dieser Partei reichte aber ein Wir zum Ausdruck. Darum werden fragwürdiger Vergangenheit im rechtsna- nicht aus. Die Skandalisierungsversuche neben Manuskripten von relevanten tionalen Spektrum. Ein literarisch tätiger

50 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 literatur.tipp Michael Guttenbrunner Im vergangenen Jahr wäre der 100. Geburtstag Michael Guttenbrunners, des bedeutendsten Dichters des Landes aus der Generation von Lavant und Bachmann, zu feiern gewesen. In Kärnten war, mit Ausnahme eines schönen Bei- trags des ORF-Landesstudios, wenig zu vermer- ken, obgleich der Dichter am Land hing und sei- nen eminenten Nachlass dem Musil-Institut der Universität vermacht hat. Guttenbrunners Werk ist, in der Lyrik wie in der Prosa, ein Lobpreis der Schönheit des Lebens – mit allem, was es umfasst: die Natur, die Arbeit, die Kunst, die Lie- be, das Alphabet und die Schrift als die Symbole des Wissens und der Vernunft. Doch alles, was er geschrieben hat, steht auch unter dem Zei- chen von Krieg und Vernichtung – dem Brandmal seiner Generation. Guttenbrunner ist in seiner eigensinnigen Unbestechlichkeit und mit seiner sprachlichen Brillanz ein Autor von bleibender Aktualität. Doch sein Werk war zuletzt kaum mehr sichtbar; vergriffen oder verstreut in klei- nen Verlagen. Im Wiener Löcker-Verlag, der sich mit mehreren Büchern von und über Guttenbrun- Das einzige originale Robert-Musil-Autograph des KLA ist eine Widmung eines Folders des Hotels ner verdient gemacht hat, ist nun eine 2-bändige „Werzer“ an seine Mutter. | Der schottische Bestsellerautor Sir Walter Scott schreibt an John Robison, Ausgabe erschienen, die sein lyrisches Werk (8 den Ururgroßvater des Kärntner Autors Arthur Laszowski (1830, ältestes Autograph im KLA). Bände zwischen 1947 und 2001) und seine Fotos: Kärntner Literaturarchiv grandiosen Aufzeichnungen „Im Machtgehege“ (8 Bände zwischen 1976 und 2004) auf mehr als 900 Seiten wieder zugänglich macht. Ist damit Architekt, Franz Eberhard Kneissl (1945- des kollektiven und kulturellen Gedächt- einer breiteren Wahrnehmung des Dichters der 2011), sorgt ebenso für Erstaunen wie der nisses den Erfordernissen der Netzwerk- Weg bereitet? Im Prosaband springt schon auf Nachlass Nora Wydenbrucks (1894-1959); gesellschaft (Manuel Castells) anzupassen. der ersten Seite ein sinnentstellender Druckfeh- beides Persönlichkeiten, die kennenzuler- Diese Öffnung des Archivs ins Digitale ler in die Augen: „Gewicht“, statt „Gedicht“. In nen durchaus interessant ist. radikalisieren zwei Projekte des Robert- der kurzen „Nachbemerkung“ des Herausgebers: Musil-Instituts im Zusammenhang mit zwei Druckfehler, ein Kasusfehler. Alarmiert Öffnung ins Digitale. Ergänzend zu den CARINTHIja 2020: „Kärnten – Generatio- überprüfe ich den Nachdruck der „Schwarzen Vor- und Nachlässen von Autor*innen nen/Geschichte/Gegenwart“ und „Fotoal- Ruten“ (1947) an der Erstausgabe: auf 50 Seiten 23 vom Original abweichende Stellen. Im Nach- gibt es im Kärntner Literaturarchiv noch ben erzählen 100 Jahre Kärnten“. Beide druck von „Im Machtgehege I“ (1976): auf 42 Sammlungen von Menschen und Institu- Projekte setzen auf Partizipation und Seiten 34 vom Original abweichende Stellen; tionen, die „das literarische Leben Kärn- verschränken so individuelles und kollek- Verschreibungen, Lesefehler; Wörter, ja, ganze tens geprägt haben“ (Homepage) und tives Erinnern zu einem Projekt des Verse und Sätze ausgelassen; mangelnde Sorg- Gelehrtenvor- und -nachlässe von z. B. kommunikativen Gedächtnisses, das als falt. Hochgerechnet wären das mehr als 500 Klaus Amann, dem Gründer des Kärntner Teil des kollektiven Gedächtnisses die Abweichungen. Und das bei einem der Meister- Literaturarchivs, oder von Karl Corino, Erinnerung prägt. Geschichte widerfährt schüler von Karl Kraus! Ein editorisches Desas- dem Musil-Kenner schlechthin. Robert dem Menschen nicht, sie passiert nicht in ter. Keine Empfehlung. Musil selbst ist im Kärntner Literaturar- der historischen Rückschau, sie ereignet ● Klaus Amann chiv nicht vertreten. Sein Werk aber wird sich jetzt. Geschichte ist nicht nur Erzäh- Literaturhistoriker, Gründer und 1994-2014 Leiter des Robert- am Robert-Musil-Institut für Literarturfor- lung der Macht, sie ist von jedem Men- Musil-Instituts für Literaturforschung der Universität Klagen- furt und des Kärntner Literaturarchivs. Zahlreiche Publikatio- schung digital aufbereitet. Das Internet- schen persönlich erfahrene und wieder nen, u. a. gem. mit Eckart Früh den Porträt-Band „Michael Portal „MUSIL ONLINE“ ist ein zukunft- erinnerte Realität. Jeder Mensch schreibt Guttenbrunner“ (Klagenfurt: Ritter Verlag 1995). weisender Versuch, das Gesamtwerk des Geschichte. Michael Guttenbrunner Werkausgabe Kurzzeit-Kärntners in einer dem Internet- ● Reinhard Kacianka Hg. Helmuth A. Niederle | edition pen LÖCKER | Band Zeitalter adäquaten Form öffentlich * 1957, Kulturarbeiter, Übersetzer und Kulturwissen- 1: Im Machtgehege, 2017 | Band 2: Nicht völlig Tag und schaftler an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt; auch nicht völlig Nacht, Gesammelte Gedichte, 2020 zugänglich zu machen und damit das seit 2009 PhiloCafétier im raj in Klagenfurt. Archiv als unverzichtbaren Bestandteil Zum Nachlesen: DIE BRÜCKE Nr. 14, S. 48

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 51 Oblivio Erinnern und Vergessen als kulturelle Leistungen.

Wie erinnern? Warum gedenken? Welche 100 Jahren trat der Vertrag von Saint- tion, sofern sie sich mit Künstlern, Wis- Bedeutung hat die Vergangenheit für die Germain in Kraft, der die Auflösung der senschaftlern und Ereignissen der Vergan- Gegenwart? Braucht Zukunft wirklich österreichischen Reichshälfte der ehema- genheit auseinandersetzt, untergeordnet Herkunft? Und wenn ja, wer definiert, ligen Habsburgermonarchie formell regel- wird. Allerdings hat die Sache auch eine welche Herkunft Zukunft hat? Solche und te, und in Kärnten wurde eine Volksab- andere Seite. Denn ohne diese Kultur der ähnliche Fragen stellen sich bevorzugt in stimmung über das Schicksal der südlichen Gedenktage gäbe es für wichtige Unterneh- jenen Jahren, die ein gehäuftes Maß an Landesteile abgehalten. mungen schlicht kein oder zumindest Jubiläen abzuarbeiten haben. 2020 ist solch merkbar weniger Geld. Ohne die runden ein Jahr. Die Musikwelt steht im Banne Verhältnis zur eigenen Geschichte. Kri- Geburts- und Todestage, ohne ritualisierte

CARINTHI ja 2020 Ludwig van Beethovens, die Gutenberg- tische Beobachter der Kultur verspüren Jubiläen und kollektive Erinnerungsakte Galaxis kreist um Friedrich Hölderlin, die angesichts solch einer Inflation an Gedenk- würden zahlreiche Symposien nicht Philosophie erinnert sich an den Meister- tagen in der Regel ein ziemliches Unbeha- abgehalten, etliche Bücher nicht geschrie­ denker G. W. F. Hegel, sie alle wurden vor gen. Nicht nur, dass man dadurch in die ben, viele Ausstellungen und Forschungs- 250 Jahren geboren. Wir könnten aber Pflicht genommen wird, und sich, ob man projekte unterbleiben und manch eine auch des 200. Geburtstages von Friedrich will oder nicht, im Jahre 2020 eben mit mediale Sensation einfach verpuffen. Engels oder des 150. Geburtstages von Beethoven, dem Ende des Ersten Weltkriegs Gedenk- und Jahrestage sind auch notwen- Wladimir Iljitsch Lenin gedenken, ebenso oder Lenin beschäftigen muss, der Kultur- dige kollektive Veranstaltungen, in denen des 1.000. Todestages von Leif Eriksson, betrieb orientiert sich selbst zunehmend abseits der tagespolitischen Aktualitäten des Entdeckers des nordamerikanischen an solchen Gedenktagen. Wer immer viel- eine Gesellschaft ihr Verhältnis zur eigenen Kontinents. Und wir müssen uns auf eine leicht seit Jahren über Hölderlin, die Kärnt- Geschichte reflektiert. Reihe historischer Ereignisse besinnen, ner Volksabstimmung oder die Wikinger Jubiläen und Jahresregenten geben so vor 75 Jahren wurde das Vernichtungsla- arbeiten wollte, weiß, das Buch muss im die Möglichkeit, dass sich eine Zeit ihrer ger Auschwitz-Birkenau befreit, fielen die Jubiläumsjahr erscheinen. Gedenktage Stellung zur Vergangenheit vergewissert. Atombomben auf Hiroshima und Nagasa- erscheinen so als rein äußerliche Anlässe, Die Gewichtung, Intensität und inhaltliche ki und endete der Zweite Weltkrieg, vor zufällige Daten, denen die geistige Produk- Ausrichtung solcher Veranstaltungen gibt

52 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Guido Katol nimmt in seiner aktuellen Intervention im Rahmen des Landesprojekts „CARINTHIja 2020“ auf die 1938/39 im Klagenfurter Landhaus abgeschlagenen Fresken Anton Koligs Bezug, greift sie in zeitgemäßer Farben- und Formensprache auf und setzt somit einen Kristallisationspunkt der Kunstgeschichte in Kärnten in neues Licht. (Katharina Herzmansky) Foto: Guido Katol: Frühling / F. Neumüller

darüber Auskunft, welchen Wert man wohlfeile Zwecke zu instrumentalisieren. Erinnerung ragen, die verblassen darf, Vergangenem in Hinblick auf die eigene Dass vor allem die großen Zivilisations- weil man sich ihrer auf eine unproblema- Gegenwart und nahe Zukunft zumisst. brüche und Menschheitsverbrechen des tisch gewordene Weise versichert. Eine Natürlich kann es dabei nie darum gehen, 20. Jahrhunderts nicht vergessen werden schöne Wendung könnte etwa eine Erin- objektiv die Bedeutsamkeit von Künstlern, dürfen, ist allgemeiner Konsens. Zu tief nerungskultur nehmen, die Ereignisse der Politikern oder historischen Ereignissen war der damit verbundene Blick in die Vergangenheit wie den Kärntner Abwehr- festzuhalten, sondern darum, Differenzen Abgründe des Menschlichen, als dass wir kampf und die Volksabstimmung des in Kontinuitäten zu betonen – Beethoven auf diese mahnende Erinnerung verzich- Jahres 1920 zu einem willkommenen galt auch dem 19. Jahrhundert als Genie, ten könnten. Solange man es mit Men- Anlass nimmt, um einfach gemeinsam aber wir feiern ihn anders –, Vergessenes schen zu tun hat, muss man wissen, wozu und grenzüberschreitend zu feiern. Es oder Verdrängtes wieder ins Bewusstsein Menschen fähig sind. Für anderes aber muss nicht jeder Schimmer, den die Ver- zu holen und anderes, das uns unange- lässt sich sehr wohl die Frage stellen, ob gangenheit auf die Gegenwart wirft, mit nehm oder peinlich geworden ist, sanft in die seit der Antike bekannte Formel des der Schwere von obsolet gewordenen den tiefen Brunnen der Vergangenheit Vergessens, die oblivio, mit der auch als Identitäts- und Grenzfragen unnötig ver- gleiten zu lassen. Spätere Zeiten werden ungerecht empfundene Friedensschlüsse dunkelt werden. Aus heutiger Perspekti- manches davon vielleicht wieder hervor- versehen wurden, nicht eine gewisse ve könnte dieses Jubiläum auch als Aus- holen. Berechtigung hat und Ausdruck von druck der zuerst schwierigen, dann immer Humanität sein kann. Um dem Frieden freieren und selbstverständlicheren Lust Formel des Vergessens. Die Erinnerung überhaupt eine Chance zu geben, war es an einem gemeinsamen Leben in Vielfalt an geniale Wissenschaftler und Künstler, im alten Athen nach einem Bürgerkrieg gewertet werden. Der Reigen der Veran- noch mehr aber die Auseinandersetzung sogar verboten, sich „an das Schlimme“ staltungen, der sich im Jahre 2020 über mit Ereignissen der Geschichte, stehen zu erinnern. Erinnern kann auch bedeuten, Kärnten ziehen wird, scheint dieser impli- immer vor der Herausforderung, damit alte Rechnungen doch noch begleichen zu ziten Maxime mitunter durchaus zu folgen. verbundene moralische Wertungen und wollen und verglimmende Konflikte wie- Und das ist gut so. politische Implikationen zu beachten. der anzuheizen. ● Konrad Paul Liessmann Vermeiden lassen sich diese nicht, und * 1953 in Villach, Professor für Philosophie an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des sie sollen auch gar nicht vermieden wer- Lust an einem Leben in Vielfalt. Natür- Philosophicum Lech; zahlreiche Auszeichnungen, den. Aber man muss wissen, was man tut, lich kann vergessen nicht bedeuten, nichts darunter Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizis- tik und österreichischer Wissenschafter 2006; zuletzt wenn man Vergangenes nicht ruhen lässt. mehr von der Vergangenheit wissen zu sind erschienen: Bildung als Provokation (2017); Gerade bei Konflikten, die jahrzehntelang wollen. Eher im Gegenteil. Je mehr der Der werfe den ersten Stein. Mythologisch-philosophi- sche Verdammungen (2019); gemeinsam mit Michael als ambivalent erinnert wurden, die einer Vergangenheit als Vergangenheit Rech- Köhlmeier: Das alles sind bösartige Übertreibungen Gemeinschaft traumatisch erscheinen nung getragen wird, desto weniger kann und Unterstellungen. Text. Stil. Polemik (2020). mögen, die an Spaltung, Hass und Krieg sie zu einem unseligen Moment der gemahnen, war und ist die Versuchung Gegenwart werden. In unsere Zeit könnte groß, diese für politische Ideologien und solch eine Vergangenheit auch als eine

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 53 Wo Kultur Grenzen überbrückt Die Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekte im Rahmen von CARINTHIja 2020 sind dreihundert Einladungen zur kreativen Begegnung mit Vergangenheit und Zukunft. Empfehlungen für Neugierige ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Fotos: Adobe Stock, MMKK/Neumüller – Gestaltung bigbang GmbH bigbang Gestaltung – MMKK/Neumüller Stock, Adobe Fotos:

„Wie man mit Denkmälern umgeht, mit lich gewürdigt wird. Diese wissenschaftlich- schaftlichen, bildungsspezifischen Beitrag bestehenden und mit zukünftigen“, steht künstlerische Intervention will als kriti- zu Kärntens Weg in die Zukunft zu leisten. im Mittelpunkt eines der rund 90 Kunst- sches Statement zur Erinnerungskultur ab Herausgekommen ist dabei eine Fülle an und Kultur-Projekte im Rahmen des jah- Mitte September das Denkmal ergänzen. Ideen, die in hunderte Veranstaltungen resbestimmenden Jubiläumsschwerpunk- münden, die zeigen wollen, wie „innovativ, tes. Der Villacher Historiker und Aus­- Neben dem offiziellen Festprogramm, interaktiv, integrativ“ (so die offizielle stellungs-Kurator Werner Koroschitz, das im Oktober (so Corona will) mit einem Homepage) Themen aufbereitet werden zuletzt verantwortlich für die Tourismus- Festakt in Klagenfurt, einer Festsitzung können. Vom Tanztheater (einAnder: Schau „Zimmer frei“ und die überregional von Landtag und Landesregierung, sowie „24 Stunden Grenzerfahrung“), Wissen-

CARINTHI ja 2020 beachtete Präsentation „Vermessungsamt“ zahlreichen Kranzniederlegungen seinen schaftssymposien und Filmprojekten von in St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu, Höhepunkt finden soll, tourt dann die Schülerinnen und Schülern bis zu Vor- wollte sich zwar „anfangs gar nicht betei- Mobile Ausstellung unter Federführung tragsreihen und Workshops reicht die ligen“ an den Initiativen rund um die des Landesmuseums durch die Bezirks- Vielfalt an Formaten. hundertste Wiederkehr der Volksabstim- städte Kärntens. „Nicht das Land besucht Die Präsentation einer Anthologie mit mung. Die Skepsis wich aber doch ange- die Ausstellung, die Ausstellung kommt Texten in beiden Landessprachen ist eine sichts der Chance auf neue Sichtweisen ins Land“, lautet die Devise, die eine ganz gleich mehrfache Premiere: Denn erstmals und spannende Dialoge. Mit einer „Fuß- wesentliche Intention dieses Jubiläums- arbeiteten sowohl der Kärntner Schrift- note“ (so der Titel des Projektes) will er formates illustriert: Nicht nur Südkärnten stellerInnenverband (Gabriele Russwurm- mit dem Verein Erinnern „ganz unaufge- und die einstige Abstimmungszone sollen Biró) und der Verband der slowenischen regt“ einen zusätzlichen Blick auf den sich auf vielfältigen Wegen mit hundert Schriftsteller Österreichs (Niko Kupper) einstigen Villacher Bürgermeister und Jahren Kärntner Geschichte auseinander- für ein Buchprojekt zusammen (Verlag Nationalsozialisten Oskar Kraus werfen, setzen. Hermagoras/Mohorjeva; siehe BRÜCKE­ der auf einem Abwehrkämpferdenkmal Landauf, landab waren kreative Köpfe seite 69). Auch eine Lesung aus Werken beim Silbersee aus dem Jahr 2002 nament- aufgerufen, einen künstlerischen, wissen- des verstorbenen Fabjan Hafner (in einer

54 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 KPD Šmihel: Internationales Figurentheaterfestival Cikl Cakl. Foto: KPD Šmihel | Slowenischer Kulturverein Zarja: Ausstellung „Petzen/Peca: Obir“. Foto: Forum Zarja

Übersetzung von Peter Handke, Suhrkamp Erinnerungskultur, Dialog, Migration, rung, einen Staffellauf mit Friedenslicht, Verlag) steht im Rahmen von CARINTHI- Demokratie und Infrastruktur befassen. eine Videoproduktion und eine Ausstel- ja 2020 auf dem Programm. Vieles vom Nicht nur klassische Veranstaltungsfor- lung. „Die Grenze ändert sich in unseren Geplanten musste zwar inzwischen ver- men wie Ausstellungen, Konzerte und Köpfen“ haben sich die Veranstalter als schoben werden – manches auch in das Theateraufführungen stehen dabei auf Leitsatz gewählt und so einen der Schlüs- Jahr 2021 – einiges adaptiert. Dennoch dem Programm. selbegriffe des Event-Reigens formuliert: beeindruckt die Vielfalt an Veranstal- Dem Thema „Grenze“ und vielen Ablei- tungsformaten – auch und besonders in Unterwegs sein. Bei „Festen des Mitei- tungen daraus ist eine Vielzahl an Veran- Corona-Zeiten. nanders“ in Bleiburg/Pliberk (die ersten staltungen gewidmet. Grenzerfahrungen mussten allerdings abgesagt und in das und Grenzüberschreitungen sind bei Die 89 Projekte aus den Bereichen Kunst Frühjahr 2021 verschoben werden) wird Grenzwanderungen zu erleben, so wie sie und Brauchtum, Schule und Wissenschaft gemeinsam alpen-adriatisch musiziert und sich etwa die bildende Künstlerin und illustrieren anschaulich, wie kreativ und gekocht, einmal wird auch die slowenische aktuelle Präsidentin des österreichischen kritisch, witzig und wertschätzend, poe- Nachbarstadt Ravne eingebunden und mit Kunstvereins, Tanja Prušnik, einfallen tisch und phantasievoll die Kärntnerinnen einem Sonderzug angefahren. Aber auch hat lassen. Der Weg führt dabei entlang und Kärntner im Jahr 2020 mit ihrer zu Fuß werden die Menschen unterwegs einer sieben Kilometer langen Freiraum­ Geschichte umgehen. Vielfalt schmeckt sein. Etwa für eine Menschenkette entlang installation zum Gedenken an drei Wider- ihnen besser als Eintopf, wozu das der Karawanken zwischen Mallestiger standskämpfer vom Wölflhof bis zum Bewusstsein für das vereinte Europa und Mittagskogel (dem westlichsten Punkt der Peršman-Museum bei Bad Eisenkappel/ die Positionierung im Alpen-Adria-Raum einstigen Demarkationslinie in der Abstim- Železna Kapla. Verschiedene Stationen, wohl auch beigetragen haben dürften. mungszone A) und dem Dreiländereck. permanente Kunstmarkierungen und ein Appetit auf Kunst und Kultur machen fünf Das Projekt der landwirtschaftlichen Fach- Kunstbuch werden die performative Wan- Schwerpunkte, die sich auf unterschied- schule Stiegerhof (September) umfasst derung ergänzen (September). Nicht weit lichste Art und Weise mit den Themen auch Programmpunkte wie eine Wande- davon entfernt findet in der ehemaligen

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 55 UNIKUM: PULLFAKTOR. Festzug der Tiere durch Kärnten. Foto: UNIKUM | Hermagoras Verein: Die Zukunft der Kärntner Slowenen 100 Jahre nach der Volksabstimmung. Foto: Justi Hribernik | schau.Räume: Abwunderung. Foto: schau.Räume | ARBOS: INVALID 2020. Foto: ARBOS, Herbert Gantschacher

Gemeinde Leifling/Libelice (heute Neu- Regionen sind seit Jahrzehnten eines der oder an verlassenen Orten, in Szene haus/Suha) eine musikalische Grenzwan- Markenzeichen dieser Pionier*innen der gesetzt. Der Verein arbeitet dafür mit derung statt, bei der sich Chöre aus Freien Szene in Kärnten. Für das Jubilä- regionalen Wissenschafter*innen, NGOs, Kärnten und Slowenien singend begegnen umsjahr stellen die Kreativköpfe ein spek- Künstler*innen, Theatergruppen, etc. (Mai 2021). takuläres künstlerisches Projekt auf die zusammen. Ende Juni/Anfang Juli hat das „Grenzdebil“ nennt die Künstlerin Beine, besser gesagt: auf die Räder. Im CARINTHIja 2020-Publikum bei geführten Barbara Ambrusch-Rapp mit Augenzwin- September und Oktober wird der tierische Touren durch die „verpartnerten“ Städte kern ihre begehbare Audio- und Raumin- Festumzug als Wanderausstellung durch Spittal an der Drau und Ferlach die Mög- stallation in der Kirche St. Peter in St. das Land ziehen. Die Carnica-Honigbiene lichkeit, sich (analog) in jeweils vier

CARINTHI ja 2020 Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu. Die aus Kirschentheuer und der Fink aus Räumen (Komm-Raum, Geh-Raum, Nach- Vernissage ist zwar entfallen, doch bis Finkenstein, der Waldrapp aus Rosegg bar-Raum, Spiel-Raum) mit den Themen Juni kann man unter Einhaltung der und der Aal aus Schwabegg, das Pferd aus Abwanderung, Einwanderung, Zuwande- Corona-Verordnungen die Kirche besu- Treffen und das Brillenschaf aus Eisen- rung auseinanderzusetzen. Eine virtuelle chen: „Wo Grenzen sich nicht auf Trenn- kappel sind nur einige der Umzugsteil- Realisation mit sechs Räumen wird an linien in Regionen oder Ländern beschrän- nehmer, die auf von Künstler*innen gestal- drei Aufführungstagen im Netz angeboten. ken, sondern mitten durch Orts-­ teten Pkw-Wagenanhängern unterwegs gemeinschaften und sogar Familienkon- sein werden. Der fahrende Zoo wird in „Dialog, Dialog, Dialog!“ wünschte sich stellationen ihre Spur ziehen, manifestiert Eisenkappel/Železna Kapla, Klagenfurt/ von Planungsbeginn an Kurator Peter sich auch das Destruktive an solchen Celovec und St. Johann im Rosental/ Fritz. Und Dialog ist neben den Worten geografischen und gesellschaftlichen Pro- Šentjanz v Rožu Station machen. „Grenze“ und „Brücke“ der dritte Schlüs- zessen“, erläutert die Kulturarbeiterin Wanderbewegungen noch viel weiter selbegriff, der sich durch viele der Veran- dazu (Tel.-Info: 0680 13 32112). fasst die „Abwunderung“ des Vereins staltungen zieht. „Viel(ge)schichtig“ schau.Räume, der sich seit 2011 mit werden die Ergebnisse eines spannenden Mit einem „Festzug der Tiere“ wird sich „marginalisierten sozialen Räumen“ partizipativen Geschichtsforschungspro- das Universitätskulturzentrum UNIKUM beschäftigt, wie Katrin Ackerl Konstan- jektes sein (OeAD/KulturKontakt auf den Weg machen. Grenzüberschrei- tin erzählt. Dabei werden Themen, über u. a.). Dafür haben Jugendliche aus vier tende Wanderungen in wenig bekannte die man kaum spricht, in Leerständen ausgewählten Gemeinden (Velden, St.

56 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 CARINTHIja 2020

Ein Wortwechsel mit Martin Traxl

Sie waren Mitglied der Jury zur Auswahl der Kultur-Projekte. Ich habe das Verfahren als ungemein lebendi- gen, wenn auch sehr anstrengenden Prozess erlebt. Ich war schon öfter Jurymitglied, aber eine solche Menge an Ideen und Projekten hatte ich noch nie zu bewerten. Das zeigt mir, welches Interesse es im Land gibt, dieses Gedenken mit- zugestalten. Ich fand von Anfang an die Idee großartig, den Menschen nicht irgendein Groß­ event oder eine würdige Ausstellung vorzusetzen, sondern die Bevölkerung selbst aufzufordern, ihre Vorschläge einzubringen und ihre Kreativität spielen zu lassen. So entsteht ein vielstimmiger Chor der Meinungen, ein kulturelles Panoptikum, das hoffentlich ein neues Bewusstsein im Umgang mit diesem wichtigen Kapitel der Kärnt- ner Geschichte entstehen lässt.

Wie nehmen Sie als Kärntner in Wien und als Kulturjournalist die Aktivitäten im Jubiläums- jahr CARINTHIja 2020 wahr? In Wien ist dieses Thema noch nicht wirklich angekommen, aber das wird sich über das Jahr noch ändern. Mich freut vor allem, dass es viele Projekte im öffentlichen Raum gibt. Damit rückt das Thema unmittelbar an die Bevölkerung her- an, es wird zum Tagesgespräch, zum Gegen- stand der Auseinandersetzung und wird hof- Theater im Raum: Immer noch Sturm. Foto: Christian Brandstätter | Verein „Leppener Schule“: der falsche socken zum richtigen schuh. Foto: Zdravko Haderlap fentlich viel Unbekanntes und bisher Ungesag- tes zutage fördern. Wir sollten ja viel mehr über diese Zeit wissen, bevor wir uns eine Meinung bilden. Das beseitigt Grenzen und Barrieren – vor allem in den Köpfen. Jakob im Rosental/Šentjanz v Rožu, Kla- Zu „einer Spurensuche mit Mitteln des genfurt, Nötsch) gemeinsam mit Theaters unter Einbeziehung von Was wünschen Sie sich für die nachfolgen- Wissenschaftler*innen, Künstler*innen Schüler*innen, medizinischen Fachleuten den Jahre, wie kann, wie sollte das Jubilä- und Ortsansässigen ihren Alltag in Bezie- und Künstler*innen“ will Herbert Gant- umsjahr in die Zukunft wirken? hung zu historischen Veränderungen von schachers Gesellschaft für Musik und Ich wünsche und erhoffe mir, dass die Chance Landschaften und Raumnutzungen gesetzt Theater „Arbos“ einladen. Bei „Invalid genutzt wird, Mehrsprachigkeit und Mischkultur (Juni). 2020“ geht es an verschiedenen Südkärnt- aus heutiger Sicht neu zu bewerten. Man muss ner Orten nicht nur um das Thema Kriegs- sich ja einmal vorstellen, dass die slowenischen Landschaften spielen eine wesentliche invalidität von Menschen, sondern auch Wurzeln in vielen Familien über Jahrzehnte ver- Rolle in den künstlerischen Projekten von um jene von Ländern. „Abgebrochen wird leugnet wurden, dass eine Sprache nicht mehr CARINTHIja 2020. Das Jauntal, als „Jaun- nichts, alle Veranstaltungen finden der gesprochen wurde, weil sie geradezu geächtet war. Was ist da geschehen? Warum wurde das feld“ überregional bekannt geworden durch Situation angepasst statt“, sagt Arbos- Bekenntnis so vieler slowenischer Familien zu Literaturnobelpreisträger Peter Handke, Leiter Herbert Gantschacher zu seiner Kärnten im Nachhinein ins Negative umgedeu- steht im Mittelpunkt seines Dramas Programmplanung. tet? Ich erwarte mir viele kritische Fragen zu „Immer noch Sturm“. Regisseur Rüdiger Wer Handke liest, kennt auch Bach- diesem Thema und vielleicht auch ein paar ver- Hentzschel wird es – Corona-bedingt unter mannpreisträgerin Maja Haderlap. Sie nünftige Antworten. Aber allein die Auseinan- Umständen zeitlich auf 2021 verlegt – auf steht mit ihrem lyrischen Werk im Mit- dersetzung damit ist – besonders für die junge der Heunburg in Handkes Heimatgemein- telpunkt einer Theaterproduktion ihres Generation – eminent wichtig. Damit das de Griffen in Szene setzen. Dem großen Bruders Zdravko auf dem Vinkl-Hof im Geschehene nicht verschwiegen und verzerrt Sohn des Landes widmen sich auch Regis- Leppen-Graben bei Eisenkappel, im Eltern- wird wie viele Jahrzehnte davor. Und damit end- seur Maximilian Achatz und das Theater haus der beiden. Mit „der falsche socken lich der Reichtum und die Besonderheit der WalTzwerk: Im Kulturhaus Cingelc in zum richtigen schuh oder die zeichen Kärntner Kultur zum Tragen kommt. Tratten bei Ferlach wird Peter Handkes stehen auf sturm“ kehrt der einstige Chef ● Martin Traxl Text „Spuren der Verirrten“ aufgeführt – des Tanztheaters Ikarus zu seinen cho- * 1964 in Kärnten, Journalist und Fernsehmoderator, „eine Art Pilgerweg, der Station für Stati- reographischen Ursprüngen zurück. Mit seit 2007 TV-Kulturchef des ORF. on durch die Welt führt“ (voraussichtlich professionellen Tänzer*innen (u. a. Mar- 13. September bis 4. Oktober). tina Rösler) und Schauspieler*innen (u. a.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 57 Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk: Manfred Deix trifft Werner Berg. Fotos: Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk | Zdravko Haderlap

Magda Kropiunig) und zur Musik von schmalen Grates zwischen Typologie und Koroschitz kuratiert das wissenschaftlich Nikolaj Efendi baut er im Freien ein Sta- Karikatur werden zentrale Fragen der begleitete Ausstellungsprojekt, das sich tionentheater auf, in dem sich das Publi- Gruppenidentität bildhaft erörtert. Groß- mit zwei markanten Bergen Unterkärntens kum „mit dem Klappsessel als Eintritts- flächige Fassadengestaltungen erweitern beschäftigt: dem Hochobir, auf dessen karte“ frei bewegen kann. Wandelt es im wie in den Vorjahren die Ausstellung in Gipfelkreuz eine Gedenkplakette für den ersten Teil durch einen „Jahrmarkt der den öffentlichen Raum. Skulpturen von Abwehrkämpfer und Nationalsozialisten Gefühle“, so führt der zweite Teil in eine Werner Hofmeister zum Thema „Ort“ im Hans Steinacher angebracht ist und der landschaftliche Installation – „kleine The- Garten des Museums thematisieren Zei- Petzen, einem einstigen Partisanenstütz- aterszenen, eher performativ und körper- chen und Ursprung. punkt. „Zwei Berge mit unterschiedlicher

CARINTHI ja 2020 lich gespielt“, schildert Zdravko Haderlap. Identität und Erinnerungskultur sind nationaler Bewertung“, wie Koroschitz Starke, groteske, schöne Bilder will er auf das Thema einer Ausstellung, die erklärt, zwei Berge aber auch mit Gemein- Deutsch und Slowenisch liefern, auch Absolvent*innen des CHS Villach zurück samkeiten: „Beide sind durch Höhlensys- wenn „Lyrik theatralisch fast unmöglich an den Ort ihrer Ausbildung führt. Anläss- teme und Bergbau geprägt.“ zu verarbeiten ist“ (ab 22. Juli 2021). lich des 20-jährigen Bestandsjubiläums In Bad Eisenkappel/Železna Kapla, Fer- ihrer Schule werden ab kommendem lach sowie an weiteren Orten Südkärntens Bilder vieler Ausstellungen werden am Schuljahr unter der Leitung der Künstle- werden Filmfreunde auf ihre Kosten kom- Ende des Jubiläumsjahres ein buntes Por- rin Larissa Tomassetti Arbeiten der men: Nicht zufällig erinnert der Titel trät heimischen Kunstschaffens ergeben unterschiedlichsten Gattungen – von „2020 – A Grace Odyssey“ an Altmeister haben. Zur zehnten Wiederkehr der Kärnt- Malerei, über Grafik und Plastik bis hin Stanley Kubrick. Mit einem Experimen- ner Volksabstimmung hatte einst Anton zu Fotografie und Film entstehen. Die talfilm, Konzerten der Talltones und Kolig seine später von den Nazis zerstörten Ergebnisse dieses „Comebacks“ werden Schauspiel-Szenen der Theatergruppen Landhausfresken geschaffen. Der Villacher in einer digitalen Ausstellung ab März Zora, Trota Mora und Vada bereitet der Guido Katol malte Paraphrasen darauf 2021 vorgestellt. „Verein zur Erkundung der Universellen [siehe BRÜCKEseite 52], die von 1. Juli bis Ein besonderes Medium steht rund zehn Schönheit“ (VERUS) das Jubiläumsthema 1. November im Museum des Nötscher Kärntner Künstler*innen (darunter als Mischung aus Fake-News, Animation Kreises und im Kolig-Saal im Landhaus Markus Orsini-Rosenberg, die Kunst- und Kunstfilm auf. – Der Umgang mit Klagenfurt zu sehen sein werden. Im sportgruppe Hochobir, Gernot Fischer- Denkmälern jeder Art kann also durchaus Werner Berg Museum in Bleiburg ist ab Kondratovitch u. a. m.) für die Aus­ auch unterhaltsam sein. 20. Mai eine spannende Zusammenschau stellung „Obir – Petzen/Peca“ des ● Karin Waldner-Petutschnig von Werken des Namensgebers mit jenen Slowenischen Kulturvereins Zarja in (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“ des verstorbenen Karikaturisten Manfred Eisenkappel/Železna Kapla zur Verfügung leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre Deix zu sehen. In der Gegenüberstellung (September): Sie gestalten Bienenstock- das Museum Liaunig. der charakteristischen Menschendarstel- brettchen (Stirnbretter) aus Fichtenholz, lungen der beiden Maler finden Eigentüm- die üblicherweise mit naiver Bauernma- Situationsbedingt kann es zu zeitlichen lichkeiten und Besonderheiten der Einhei- lerei geschmückt sind, in ihrem persön- Änderungen kommen. Die tagesaktuellen Termine mischen einer bestimmten Region ihren lichen Stil. Angelika Kampfer steuert ein finden Sie unter: www.carinthija2020.at künstlerischen Niederschlag. Anhand des Fotoprojekt bei, der Historiker Werner

58 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Worte großer Philosophen

(Das Strandbad in Klagenfurt an einem Maiabend 2020, menschenleer bis auf, am Ende des Steges, zwei ehemalige Beachvolley- ball-Nachwuchsspieler. Sie tragen Schirmkappen, schwarze Stiefel, schwarze Hosen und schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Security“. Während der erste in einem Taschenbuch liest, wirft der zweite Kieselsteine ins Wasser.)

Edith Payer: aus „das universum DER ZWEITE: Echt, du Obndschul ob Heabst? leidet nicht“, 2015. Foto: Edith Payer

DER ERSTE (nickt): In drei Johr Matura.

DER ZWEITE: Und wia weast tuan, wonn muasst oaweitn obnds?

DER ERSTE: Gibt fia Vuamittog aa, Obndschul.

(Pause)

DER ZWEITE (zeigt auf das Buch): Und warum leanst jetz schon?

DER ERSTE: Is nit leanen. Lesn. Woate großa Philosophn. Da Sokrates zum Beispül sogt: „Ich weiß, doss ich nichts weiß.“ Taugt ma.

DER ZWEITE: Vaschwind! Stimmt jo goa nit! Weil wonn waß, doss nix waß, waß er ja wos, oda? Konn nit sogn, waß nix. Miassat sogn: Ich weiß, doss ich fost nichts weiß. Oda so gut wie nichts.

DER ERSTE (nach kurzem Überlegen): Stimmt. Oda kennt sogn: Ich weiß, doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß.

DER ZWEITE: Jo. Miasst owa imma weita gehn. Ich weiß, doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß und so weita. Bis in olle Ewigkeit.

DER ERSTE: Genau. Deswegn wead hobn obgekirzt: Ich weiß, doss ich nichts weiß.

DER ZWEITE: Konn sein.

DER ERSTE (blättert. Nach einer Pause): Do, Heraklit. Taugt ma aa. „Olles fließt.“

DER ZWEITE: Trottl. Soll amol außegehn Lendkanal, wead a schon segn, wia olles fließt! (Lacht bitter.)

(Lange Pause. Kieselsteine. Blättern.)

DER ZWEITE: Von Liessmonn aa wos drin?

DER ERSTE: Von Liessmann?

DER ZWEITE: Aa Philosoph, oda? Guate Sprich.

DER ERSTE (blättert zum Namensregister. Nach einer Pause): Nix.

DER ZWEITE: Schod. Hett unbedingt eine gegheat, Liessmonn

DER ERSTE: Wos’n zum Beispül?

DER ZWEITE: „Wonn’s laft, laft’s.“ ● Antonio Fian Schriftsteller, Essayist und Dramatiker, Vater der Gattung „Dramolett“, geboren 1956, aufgewachsen in Spittal an (Vorhang) der Drau, lebt seit 1976 in Wien.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 59 Mehr als Peršmanhof versus Ulrichsberg Eine ausgeklügelte Mobile Ausstellung bringt die Geschichte rund um die Volksabstimmung in alle Kärntner Bezirke.

Vor einigen Wochen bekam Brigitte ihr Referat in diesem Rahmen gewiss für den und bislang Unbeachtetes zu Tage Entner eine Einladung auf unsicheres rote Köpfe und hitzige Wortmeldungen gefördert werden. Terrain. Die Historikerin forscht zur Rolle gesorgt. Doch nun sprach sie vor wert- Das Projekt ist ein Wagnis, denn es soll der Frauen rund um den Abwehrkampf schätzendem und interessiertem Publi- die teils widersprüchlichen Aspekte eines und die Volksabstimmung vor hundert kum. „Das zeigt mir, dass wir alle eine historischen Ereignisses greifbar machen, Jahren. Besonders im Fokus hat Entner Wahrnehmung unserer gemeinsamen das Kärnten bis heute prägt – auch und slowenischsprachige Frauen, die sich Geschichte haben“, sagt Entner. gerade durch die Leerstellen, durch das, damals für einen Anschluss Unterkärntens worüber bisher gern geschwiegen wurde. an den jugoslawischen SHS-Staat engagier- Herzstück Mobile Ausstellung. Entner „Die großen historischen Eckpunkte kann

CARINTHI ja 2020 ten. Frauen wie die Botanikerin Angela ist eine von zahlreichen Expert*innen, die man inzwischen außer Streit stellen“, Piskernik, Kärntens erste promovierte an einem Herzstück der ganzjährigen sagt Entner. „Die eigentliche Frage ist, Naturwissenschafterin, die nach der Volks- Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum welche Auslassungen es in den unter- abstimmung nach Ljubljana übersiedelte, der Kärntner Volksabstimmung mitwir- schiedlichen Erzählungen gibt. Die Gesell- später von den Nationalsozialisten im KZ ken. Eine Mobile Ausstellung zum Thema schaft krankt daran, dass ein großer Teil Ravensbrück interniert wurde und nach macht – bedingt durch den Ausbruch der der Geschichte des Landes noch nicht dem Zweiten Weltkrieg als Direktorin des Corona-Epidemie mit Verspätung – in allen Eingang in das kollektive Bewusstsein Naturhistorischen Museums von Ljublja- Bezirken Kärntens Station. Man hofft, dass gefunden hat und manches auch noch na zu einer führenden Naturschützerin der Start der Mobilen Ausstellung im Juni nicht wirklich von allen Seiten aufgear- avancierte. In Slowenien wurde Piskernik erfolgen kann. Eine 40 Meter lange, teil- beitet wurde.“ schon zu Lebzeiten verehrt. Diesseits der weise überdachte Holzgrundkonstruktion Karawanken waren viele nicht gut auf sie auf Schienen präsentiert die wechselvolle Was außer Streit steht: Nach Ende des zu sprechen. Geschichte rund um das Plebiszit vom 10. Ersten Weltkriegs, der zu einem Zerfall Nun aber wurde Entner ausgerechnet Oktober 1920. Insgesamt 30 Fachleute der Habsburgermonarchie führte, stellte von der Kärntner Landsmannschaft ein- aus unterschiedlichen Disziplinen arbei- der neu entstandene SHS-Staat als Sieger- geladen, Anfang März über ihre Recher- teten an dem Konzept mit, um möglichst macht Gebietsansprüche auf gemischt- chen zu berichten – einem Verein, der die viele Facetten der jüngeren Kärntner sprachige Teile Südkärntens. Dagegen Traditionen der Deutschkärntner Bevöl- Geschichte angemessen zu repräsentieren. regte sich in Widerstand, mehrfach kam kerung hochhält. Entner sagte zu und war Besonderes Augenmerk liegt auf den es zu Kampfhandlungen. Über Vermittlung verblüfft. Noch vor ein paar Jahren hätte Zwischentönen. Stereotype sollen vermie- von US-Präsident Woodrow Wilson wurde

60 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Fotos: Adobe Stock, MMKK/Neumüller – Gestaltung bigbang GmbH bigbang Gestaltung – MMKK/Neumüller Stock, Adobe Fotos:

für den 10. Oktober 1920 eine Volksab- sich Teile der anderen Gruppe davon für die Ausschreibungsprojekte formulier- stimmung in einer von zwei Zonen des provoziert fühlen.“ te Grundkonzeption.“ umstrittenen Gebietes angesetzt. Bei einer Mit anderen Worten: Es geht in der Wahlbeteiligung von 95 Prozent stimmt Mobilen Ausstellung darum, mit Wider- Entsprechend flexibel ist auch die Mobile eine deutliche Mehrheit für den Verbleib sprüchen umzugehen, sie in einen neuen, Ausstellung, die an die unterschiedlichen bei Österreich. Möglich wurde das Ergeb- bejahenden Kontext zu setzen. „CARIN- Standorte angepasst wird. So soll die nis von 22.000 zu 15.000 Stimmen, weil THIja“, lautet das Motto der Jubiläums- Geschichte der einzelnen Bezirke rund viele Kärntner Sloweninnen und Slowenen feierlichkeiten, das klar macht, worum um die Volksabstimmung in die Ausstel- gegen den Anschluss an den SHS-Staat es geht: einen verbindenden und mög- lung einfließen. Und das nicht nur in den votierten. Bei dem Plebiszit handelte es lichst nicht mehr schmerzbehafteten unmittelbar betroffenen Städten. Spittal sich um eine der ersten demokratischen Zugang zur gemeinsamen Geschichte zu an der Drau etwa war außerhalb der Abstimmungen im Sinne des Selbstbe- finden. Abstimmungszone, spielte aber als Sitz stimmungsrechtes der Völker. der Kärntner Exilregierung eine entschei- Außer Streit steht auch, dass die Volks- Grundprinzip Partizipation. Das ließe dende Rolle. „Ausgehend von den Kerner- abstimmung am Anfang einer wechsel- sich allerdings nicht von oben herab eignissen an zentralen Orten wollen wir vollen Geschichte beider Volksgruppen dekretieren, zeigt sich Igor Pucker über- exemplarische Einblicke geben“, sagt stand, mit kollektiven wie individuellen zeugt. Der Leiter der Abteilung für Kunst Pucker. Am Ende stehen zahlreiche offi- Traumata, die bis heute nachwirken. und Kultur in der Landesregierung ist zielle Festveranstaltungen des Landes Gräben, die noch immer nicht ganz zuge- gemeinsam mit der Protokollchefin des rund um den 10. Oktober, die Kärntens schüttet sind, gegenseitiges Misstrauen. Landes, Christiane Ogris, federführend Vielfalt widerspiegeln sollen. Hier sei Es sind konträre Erzählungen, die den verantwortlich für das Gesamtprogramm allerhand geplant. Was in welchem Zugang beider Sprachgruppen zur Volks- des Jubiläumsjahres. Dazu zählen hunder- Umfang durchgeführt werden kann, sei abstimmung – und allem, was darauf te themenbezogene Veranstaltungen in aber abhängig von den weiteren Entwick- folgte – prägt. „Die Idee der Ausstellung ganz Kärnten. „Das Grundprinzip ist lungen in Hinblick auf die Corona-Krise. ist es, die unterschiedlichen Zugänge Partizipation“, sagt er. „Wir verordnen widerzugeben“, sagt Entner. „Zeigen, nicht, wie das Jubiläum auszusehen hat, Geschichte auf dem Laufsteg. Zuvor aber welche Erinnerungskulturen es gibt, wel- sondern rufen die Bevölkerung auf, sich wird die vom Klagenfurter Architekten che Erinnerungszeichen von einer Grup- zu beteiligen und Projekte einzubringen. Roland Winkler entwickelte Mobile Aus- pe als zentral angesehen werden, während Das ist die Kernlinie der von Peter Fritz stellung durch ganz Kärnten ziehen.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 61 Durch ein Einbahnsystem und die Mög- Laufsteg frei bewegbar sind. „Jeder Pavil- Mobilen Ausstellung erörtert werden. „Uns lichkeit, Besucher*innenströme zu steu- lon hat ein Steuerrad, mit dem er sich interessiert die Aufarbeitung der Vergan- ern, trägt die Konstruktion den Corona- verschieben lässt. Man kann im übertra- genheit mit Themenstellungen, die in die bedingt verschärften Sicherheitsauflagen genen Sinne am Rad der Geschichte dre- Zukunft gerichtet sind“, sagt Hornböck. Rechnung. Einen „Laufsteg“ nennt Wink- hen“, sagt Winkler. ler sein Werk. Mobil ist nicht nur die Veränderbarkeit der Erinnerungskultur. Unterkonstruktion. Die Ausstellungsge- Blick nach vorne. Dabei soll der Blick Die Arbeit der Expert*innen an den The- genstände und Vitrinen – „Erinnerungs- nicht nur nach hinten gerichtet sein. „Wir men der Ausstellung, die Vermittlungs- speicher“ – lassen sich auf Schienen wollen mit der Ausstellung auch die mög- technologien, die Gestaltungen und Auf-

CARINTHI ja 2020 bewegen. „Wir haben die Möglichkeit liche Zukunft der Gesellschaft abbilden“, bereitungen im Rahmen der Mobilen geschaffen, Zeiträume auseinanderzu- sagt Markus Hornböck, Geschäftsführer Ausstellung übernimmt der auf künstleri- schieben.“ Der gestalterische Aufbau des der Kärntner Betriebsansiedlungs- und sche und museale Großprojekte speziali- mobilen Museums sollte die Grundgedan- Beteiligungsgesellschaft Babeg, die in die sierte Projektmanager Wolfgang Giegler. ken der Ausstellung widerspiegeln, die Ausstellung eng eingebunden ist. Wie vor „Wir stellen ausgehend von der Volksab- Veränderbarkeit von Geschichte: „Ich hundert Jahren sei Kärnten auch heute stimmung 1920 ein ganzes Jahrhundert möchte auch mit der bequemen Erklärung Teil einer globalen Entwicklung. War die in den Fokus der Ausstellung. Damit aufräumen, dass es immer die da oben Zeit vor hundert Jahren durch das Ende können wir auch zeigen, dass Geschichte sind, die Geschichte machen. Dabei hat des Ersten Weltkrieges und den weiterlo- nicht in Stein gemeißelt ist, sondern von jeder und jede Einzelne die Möglichkeit, dernden Nationalismus gekennzeichnet, jeder Zeit neu interpretiert und kommen- selbst in das Zeitgeschehen einzugreifen. sind es heute unter anderem technologi- tiert wird.“ Erinnerungsorte in Kärnten, Man kann es zumindest versuchen.“ sche Entwicklungen wie künstliche Intel- vor allem eine Auswahl von Denkmälern, Das sei eine Lehre der Volksabstim- ligenz oder virtuelle Realität: „Wie werden bilden daher ein zentrales Ausstellungs- mung, die letztlich nicht von Mächtigen sich die Digitalisierung und die Verände- modul, ebenso wie Sprachspiele, die einen entschieden wurde, sondern von der Bevöl- rung unserer Arbeitswelt auf unseren künstlerischen Zugang zur Zweisprachig- kerung. Das sichtbarste Zeichen der Mit- Umgang miteinander auswirken? Was keit als wichtiges kulturelles Merkmal bestimmung sind zwei kleine Pavillons, bedeutet das für eine Region wie Kärnten? Kärntens ermöglichen. „So wie sich der die Ausstellungsbesucher*innen an beson- Wie wird Kärnten in hundert Jahren aus- Blick auf Historisches ständig entwickelt, ders heißen oder regnerischen Tagen sehen?“ Auch diese Themen sollen im so werden auch mit Sprache(n) spezifische Schutz bieten sollen – und die auf dem Kontext der Landesgeschichte in der Wirklichkeiten geschaffen.“

62 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 Nicht das Land besucht die Ausstellung, die Ausstellung besucht das Land: Das Modell der von den Architekten Winkler + Ruck entworfenen Mobilen Ausstellung. Foto: LPD | Helge Bauer

Eine Art therapeutische Ausstellung für dig. Er verstehe seine Rolle als eine Art wahn der damaligen Zeit erfasst wurde“, ganz Kärnten? So weit will Giegler nicht Korrektiv, erläutert der gebürtige Wolfs- sagt Konrad. Entscheidend für das aus- gehen. „Auf jeden Fall bringt die Mobile berger. „Wir diskutieren viel, wie sich die schlaggebende Votum vieler Sloweninnen Ausstellung eine Offenheit mit sich, die unterschiedliche Erinnerungskultur mög- und Slowenen im Sinne des Verbleibs bei auch in den Ausstellungsgemeinden sehr lichst ausgewogen widerspiegeln lässt.“ Österreich seien eben keine emotionalen willkommen geheißen wird.“ Mit einem Denn: „Erinnerungskultur ist mehr als Gründe gewesen: „Es wäre für die Bäue- Schwerpunkt auf Bildungs- und Lebens- Peršmanhof versus Ulrichsberg.“ Am rinnen und Bauern schwerer gewesen, ihre chancen bringt die Mobile Ausstellung zu Peršmanhof bei Eisenkappel verübten in Erdäpfel über den Loibl oder den Seeberg- CARINTHIja 2020 auch deutliche den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs pass zu bringen als nach Klagenfurt oder Zukunftsaspekte. Aus hundert Jahren NS-Soldaten ein Massaker an slowenischen Villach. Und für viele spielte nach der Kärntner Geschichte werden Perspektiven Zivilist*innen. Der Ulrichsberg war die Erfahrung des Ersten Weltkriegs die Tat- auf die Kärntner Bildungslandschaft und jahrzehntelange Pilgerstätte soldatischer, sache eine Rolle, dass es im SHS-Staat auf zukünftige gesellschaftliche Heraus- mitunter deutschnationaler Kriegsheim- Wehrdienst gab, während Österreich forderungen eröffnet. Dabei spielen die kehrerverbände. damals ein Berufsheer hatte.“ starke Einbindung künstlerischer Stand- Die große Herausforderung sei es gewe- Zumindest kurzfristig hätten Pragma- punkte (Stefan Hafner, Emil Krištof, Maj- sen, die unterschiedlichen Erzählungen tismus und Vernunft Oberhand über ideo- da Krivograd, Milena Olip, Jani Oswald, nebeneinanderzustellen, meint Konrad. logischen Eifer behalten. Und das, davon Six/Petrisch, zweintopf) und die vielfach „Gemeinsames Erinnern heißt zu akzep- ist Konrad überzeugt, sei eine wichtige multimediale Vermittlung gut zusammen. tieren, dass auch die andere Seite ihre Moral des 10. Oktober, die auch hundert Giegler: „Man geht durch Worte, die zu legitimen Positionen hat“, sagt Konrad. Jahre später nichts von ihrer Gültigkeit einem sprechen, schreien oder flüstern, Es wäre, sagt er, auf „jeden Fall einfacher verloren hat. man arrangiert, entdeckt und kann, wenn gewesen, eine Ausstellung von nur einem ● Wolfgang Rössler man will, sein eigenes deutsch-sloweni- Standpunkt aus zu gestalten. Aber was 39, aus Steindorf am Ossiacher See, lebt in Wien, ist u. a. Korrespondent der NZZ am Sonntag. sches Gedicht komponieren.“ wäre dann das Gemeinsame gewesen?“ Wie aber könnte eine positive Erzählung Unterschiedliche Erzählungen. Für das der Volksabstimmung aus Sicht der slo- konzeptionelle Panorama, den Blick auf wenischen Minderheit aussehen? „Der 10. das große Ganze ist der Historiker Helmut Oktober hat gezeigt, dass die slowenische Konrad von der Universität Graz zustän- Sprachgruppe nicht vom Nationalisierungs-

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 63 Angelika Kaufmann: kakó prósim/wie bitte. Aus dem zweisprachigen Text eines Buches über den Abwehrkampf schuf die Künstlerin ein begehbares Schriftbild. Foto: Ausstellungsansicht „Nebelland hab ich gesehen“*. Zum Verhältnis von Kunst und Literatur *Ingeborg Bachmann/MMKK, 2013/2014 © Ferdinand Neumüller

Die Historie der Selbstbestimmung Ein Plebiszit gegen den Nationalismus und für ein gemeinsames Kärnten.

„Der 10. Oktober 1920 ist ein Festtag des Dezember 1918 fasst die Kärntner Lan- Ende Mai 1919 steuert der Konflikt um großen Gedankens vom Selbstbestim- desversammlung mit Landesverweser Kärnten auf seinen Höhepunkt zu. Am mungsrecht der Völker, der sonst in den Arthur Lemisch den mutigen und weit- 27. Mai fasst der Oberste Rat in Paris Friedensverträgen leider nicht zum Durch- reichenden Beschluss zum bewaffneten den endgültigen Beschluss für eine bruch gelangt ist“, meinte Bundeskanzler Widerstand. Ludwig Hülgerth organisiert Volksabstimmung in Kärnten. Nahezu Schober 1930. Dieses 90 Jahre alte State- als Landesbefehlshaber den Abwehr- gleichzeitig greifen jugoslawische Trup- ment kennzeichnet treffend das Wesen kampf. Kärntner Freiwilligenverbände pen mit großer Übermacht an. Schon am von Kärntens Festtag: Der 10. Oktober ist und Volkswehreinheiten befreien gemein- 29. Mai muss Landesbefehlshaber Hül- Kärntens Tag der Selbstbestimmung, an sam innerhalb weniger Tage große Teile gerth den Befehl zum Rückzug geben. Am

CARINTHI ja 2020 dem deutsch- und slowenischsprachige Kärntens. 30. Mai übersiedelt die Landesregierung Kärntnerinnen und Kärntner sich für die Durch die Kämpfe zur Jahreswende nach Spittal an der Drau. Am 6. Juni gemeinsame Heimat und gegen nationale 1918/1919 wird die internationale Auf- besetzen jugoslawische Truppen die Lan- Trennung ausgesprochen haben. merksamkeit auf Kärnten gelenkt. Ame- deshauptstadt und große Teile des Kla- rikanische Experten unter der Leitung genfurter Beckens. Der militärische Der Abwehrkampf. Im November 1918 von Sherman Miles versuchen, sich ein Abwehrkampf endet mit einer verheeren- bricht das Vielvölkerreich der Habsbur- objektives Bild von der Stimmung der den österreichischen Niederlage, doch er germonarchie zusammen. Nationale For- Bevölkerung zu machen. Ihr Abschluss- hat schon entscheidend dazu beigetragen, derungsprogramme werden aufgestellt. bericht, der die Haltung der amerikani- dass für Kärnten eine Volksabstimmung Künftige Grenzkonflikte kündigen sich an. schen Friedensdelegation in Paris ent- beschlossen wurde. In allen national gemischten Kronländern scheidend beeinflussen wird, fällt Auf österreichischer Seite sterben in beginnt der Kampf um die Landeseinheit. eindeutig zugunsten Österreichs aus. Die den bewaffneten Auseinandersetzungen Der slowenische Nationalrat in Laibach Miles-Kommission empfiehlt die Kara- 272 Menschen, darunter 46 Zivilist*innen. fordert den Anschluss großer Teile Kärn- wanken als künftige Grenze und spricht Auf südslawischer Seite sterben 140 Sol- tens an den südslawischen Staat und sich für den Verbleib ganz Kärntens bei daten, von denen nur fünf aus dem heu- ordnet deren militärische Besetzung an. Österreich aus. Präsident Wilson kann tigen Kärnten stammen. Am 30. November 1918 überschreiten sich mit dieser Forderung auf der Pariser Am 10. September unterzeichnet Karl südslawische Verbände die Drau und Friedenskonferenz nicht durchsetzen. Die Renner in Paris den Staatsvertrag von St. erobern Völkermarkt. Nun ist auch Kla- Kompromisslösung ist eine Volksabstim- Germain. Kärnten muss schmerzliche genfurt unmittelbar bedroht. Am 5. mung im Klagenfurter Becken. Gebietsverluste hinnehmen. Das Kanaltal

64 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 mit der Stadt Tarvis kommt zu Italien, das reicher*innen verbessern sich nun rasch. Die internationale Aufsicht führt zu Mießtal mit Unterdrauburg und die Die Demarkationslinie muss geöffnet wer- einer korrekten Abstimmung. Die Stimm- Gemeinde Seeland fallen an Jugoslawien. den. Tausende Flüchtlinge können endlich zettel in den versiegelten Wahlurnen in ihre Heimat zurückkehren. werden zentral ausgezählt. Drei Tage Die Volksabstimmung. Nun beginnt das Die heiße Phase des Wahlkampfes bangen Wartens folgen. Am Abend des lange Warten auf die Volksabstimmung. beginnt. Alle Parteien kämpfen gemeinsam 13. Oktober kommt es auf dem Neuen Erst am 16. Juli 1920 tritt der Friedens- um die Landeseinheit. Die österreichische Platz in Klagenfurt zur Kundmachung des vertrag in Kraft. Innerhalb von drei Propaganda [siehe auch BRÜCKEseiten Ergebnisses, das in seiner Eindeutigkeit Monaten muss nun die Volksabstimmung 32-33] verwendet hauptsächlich wirt- überrascht. Mehr als 59 % der Wähler*innen stattfinden. schaftliche und soziale Argumente: stimmen für den Verbleib des Abstim- Die Abstimmungszone I steht während- Österreich ist eine Republik mit mungsgebietes bei Österreich. dessen unter jugoslawischer Verwaltung. vorbildlicher Sozialgesetzgebung. Sie ist vom übrigen Kärnten nahezu völlig Österreich hat keine Wehrpflicht und Genaue Wahlanalysen haben ergeben, dass abgeschnitten. An der Demarkationslinie wird in Zukunft keine Kriege führen. mehr als 10.000 slowenischsprachige stehen serbische Soldaten. Ihr überhebli- Das Klagenfurter Becken ist eine wirt- Kärntner*innen­ für Österreich gestimmt ches Auftreten als Besatzer lässt die schaftliche Einheit. Ohne die Märkte von haben. Die Volksabstimmung vom 10. Sympathien für den südslawischen Staat Klagenfurt und Villach können die Bauern Oktober 1920 war somit keine nationale bei der Bevölkerung schwinden. nicht überleben. Entscheidung, sondern eine Abstimmung Der Kärntner Heimatdienst soll die Die österreichische Propaganda ist kon- gegen den Nationalismus und für ein Propaganda für Österreich organisieren. sequent zweisprachig. Kurz vor der gemeinsames Kärnten. Riesige Mengen an Flugblättern werden Abstimmung erklärt die Kärntner ● Wilhelm Wadl gedruckt und in der Nacht auf Schleich- Landesversammlung in einer feierlichen * 1954, lebt in Gnesau, Germanist und Historiker, von 2001-2019 Direktor des Kärntner Landesarchivs, ist beim wegen in die jugoslawisch besetzte Proklamation, dass sie den slowenischen Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung (CARINTHIja Abstimmungszone gebracht. Landsleuten ihre sprachliche und nationa- 2020) maßgeblich beratend tätig. Am 16. Juli 1920 trifft endlich die inter- le Eigenart jetzt und alle Zeiten wahren will. nationale Plebiszitkommission in Kärnten Viele ältere Wähler*innen sind noch ein. Sie sieht ihre wichtigste Aufgabe Analphabeten. Auf sie nimmt der Abstim- darin, eine faire Abstimmung zu gewähr- mungsvorgang Rücksicht: Man muss zer- leisten. Die Bedingungen für die Öster­ reißen, was man ablehnt.

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 65 Christine Lavant: Baruscha (Auszug)

Christine Lavant 1963 in ihrer Wohnung in St. Stefan im Lavanttal. Foto: Ernst Peter Prokop

In dem hölzernen Gang, wo sie die rot- dann doch meist am Morgen gestohlen schen in Baruscha haben eine Art zu gelben Maiszapfen aufgehängt haben, bin waren. – Ach, sie hätte wohl so viele schweigen, als wären sie zugefrorene ich den ganzen Vormittag als ordentlicher Botschaften mitnehmen müssen, meine Bäche. © Hans Schmid Privatstiftung Gottesmensch gesessen und habe einen kleine zarte Mutter, dass sie davon unter- ● Christine Lavant Korb geflochten. Sie sollen nur sehen, wegs sicher zusammengebrochen wäre (1915-1973) veröffentlichte die Märchenerzählung „Baruscha“ gemeinsam mit „Die goldene Braue“ und dass man sein Leben auch noch auf eine und vielleicht in alle Ewigkeit nicht bis „Der Messer-Mooth“ 1952 im Grazer Leykam-Verlag. Der andere Art fristen kann als mit solch zu dem Himmel käme. Nein, sie hat schon hier aus Anlass des 105. Geburtstages der Autorin am 4. Juli wiedergegebene Auszug ist dem von Klaus Amann dummen Eseln, die es vielleicht überhaupt recht getan und verhungert bin ich des- und Brigitte Strasser hrsg. Sammelband „Christine nicht gibt. Der Korb ist schöner geworden wegen ja trotzdem nicht, wie man wohl Lavant: Zu Lebzeiten veröffentlichte Erzählungen“ (Göttingen: Wallstein, 2015, S. 268 ff.) entnommen und als je einer, obwohl er nicht so geworden sehen kann. Überdies hat sie mir ja zwei mit freundlicher Genehmigung der Hans Schmid Privat- ist, wie ich es eigentlich gewollt habe. so wunderschöne, unterschiedliche Augen stiftung abgedruckt. Die Geschichte des Korbflechters Corbinian, der nach Nämlich, ich dachte am Anfang, dass er hinterlassen, mit denen ich bestimmt noch Baruscha kommt, um dort seine Frau, als sein Gegenüber so werden müsste wie das Herz meiner einmal mein Glück machen werde. Ich und seine Ergänzung, zu finden, war jener Prosatext, den die Autorin, eigenen Aussagen zufolge, „von allen [ihren] armen Schwester, die mit einer einzigen brauch dazu ja nur eine Frau mit dem Erzählungen am liebsten“ hatte (Christine Lavant an Rose in das Meer hinausgeschwommen Herzen meiner Schwester. Und da ich ihr Maria West Crone, 20.1.1957). In einem Brief an Philippa

NACHLESE.PONOVO BRANJE NACHLESE.PONOVO BRANJE Hansen heißt es: „... als ich die ‚Baruscha‘ schrieb, da ist und nie mehr davon zurückkam. Dar- in alle Ewigkeit treu sein werde, braucht war ich so verzweifelt, dass ich mir einen Ort ein Daheim über starb meine Mutter. Sie brauchte so sie dann auch nicht mit einer Rose in das finden musste, dass ich mich selbst aufteilen musste in den Korbinian und die Herrin Baruscha, in die Stadt und wenig Zeit zum Sterben wie andere zu Meer hinauszuschwimmen. – Hier in die Leute und Engel und Vögel, all das bin ich selber gewesen. Bloss Adam – mein Selbst – das konnte ich einem Abendgebet, und als die Nachba- Baruscha ist ja auch gottlob das Meer nicht sein, deswegen steht von ihm auch so wenig in der rinnen kamen, konnten sie ihrer lieben nicht so nahe und welches Mädchen Geschichte, obwohl Adam die Urgeschichte wäre.“ Seele keine Botschaft mehr mitgeben, könnte es über sich bringen, mit einer Redaktion: Katharina Herzmansky

obwohl jede etwas für Gott auf dem Her- Rose in einen gelben Fluss zu gehen? ... Briefstellen zit. nach: Ilija Dürhammer und Wilhelm zen gehabt hätte. Vielleicht sind sie auch An all das dachte ich, während ich am Hemecker: „... nur durch Zufall in den Stand einer Dichterin geraten.“ Unbekannte autobiographische Texte von deshalb dann alle ein bisschen hart zu Vormittag meinen Korb begann, aber dann Christine Lavant. In: Sichtungen 2 (1999), S. 97-126. mir gewesen, so von Haus zu Haus, weil kamen diese winzigen, pfeilschnellen sie alle Mühe mit mir gänzlich umsonst Vögel, kamen immer über mich, pickten hatten. – Ein wenig hätte sie wohl noch sich was aus dem gelbroten Mais oder warten können, sagte mir zum Beispiel meinem Kopf und flogen mit Gelächter die Müllerin gerade ins Gesicht, so viel wieder davon. Wie kleine, lachendeKreu- wenigstens, dass ich ihr hätte klarmachen ze schwirren sie in der Luft, und wo sie können, wo Gott das Hochwasser im in die Sonne kommen, glänzen sie wie Frühjahr hinleiten soll, damit wir nicht alter Schiefer. Wer ihr Gelächter hört, samt der schönen Mühle in Lebensgefahr kann nicht mehr an anderes denken als kommen. Aber ihr armen Leute habt wohl an Baruscha. Vielleicht gibt es nirgends überhaupt kein Gefühl für Anstand und mehr auf der Welt solche Vögel, vielleicht Dankbarkeit, wo sie doch wissen musste, haben sie diese Art, sich zu verständigen, dass du nur von unserer Mildtätigkeit eben nur hier erlernt, denn ich habe mir wirst aufwachen müssen ... Ja, so in der sagen lassen, dass Baruscha, die arme Art sagte es mir die Müllerin immer Herrin, manchmal mit solchem Lachen wieder einmal und die Allerheiligen-Waba Tage und Nächte lang über die vielen hätte schönere Astern für ihren Beruf Treppen ihres Hauses geht. Ich meine gebraucht, solche, die der größte Reif nicht jetzt sie, die wirkliche Herrin, nach der umbringt, damit sie nicht alle Nacht Säcke die Stadt den Namen hat. Sonst weiß ich über ihren Garten breiten müsste, die noch nicht viel von ihr, denn die Men-

66 DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 In helles Licht Erstveröffentlichung.

Robert Woelfl. Foto: Andreas Ferchner

Ein schmaler Schotterweg verbindet unser bevor ich losfahre, im Garten mit Wasser Oberhalb vom Sägewerk, sage ich. Haus mit der Bundesstraße, die nach fülle. Im Unterschied zu den Rädern der Bis zum Sägewerk darfst du doch gar Bleiberg führt. Der Weg ist nicht sehr lang, Profis zum Beispiel bei der Tour de France nicht fahren. Du darfst doch nicht weiter hundert oder hundertfünfzig Meter, dafür hat mein Rad keinen Flaschenhalter. Mein als bis zur Bleiberger Straße. hat er so viele Schlaglöcher, dass man sie Vater hat deshalb aus dünnem Draht am Ja. Aber ich war dort. gar nicht zählen kann. Mein Vater füllt Lenker eine Vorrichtung gebaut, in die Mit dem Rad? diese Löcher regelmäßig auf. Mit einem man die Flasche stecken kann. Allerdings Ja. Eimer holt er von dort, wo die neuen klemmt sie dann dort so fest, dass man Sie schüttelt den Kopf. Das ist viel zu Häuser gebaut werden, Schottersteine, stehen bleiben muss, wenn man sie aus weit. So weit weg fährst du nicht mehr. schüttet sie in die Löcher und klopft sie dem Drahtgestell herausziehen will. Aber ich habe so ein Licht gesehen, mit einer Schaufel fest. Aber schon nach Wenn ich eine Reise hinter mich beharre ich. Er war sehr hell und hat sich kurzer Zeit sind die Löcher wieder da, als gebracht habe, berichte ich meiner Groß- bewegt.

würden die Steine von einer geheimnis- mutter davon. Sie lebt bei uns im Haus in Sie sieht mich ungläubig an. Aber sie VORLESE.PRVO BRANJE vollen Kraft nach unten gesogen werden. einem Zimmer im Erdgeschoß. Sie muss behauptet nicht, dass ich lüge. Sie versucht Mein Vater schimpft über die Stadtver- den ganzen Tag im Bett verbringen, weil nicht, mir auszureden, was ich gesehen waltung, die den Zufahrtsweg zu seinem sie krank ist. Welche Krankheit sie hat, habe. Sie lacht auch nicht über meine Haus seiner Meinung nach schon längst weiß ich nicht. Man hat es mir bestimmt Erzählung. Sie sagt: Man darf nie in helles asphaltieren hätte müssen. erklärt, aber ich habe die medizinischen Licht schauen. Davon kann man blind Mit dem ersten Rad, das ich bekomme, Ausdrücke nicht gekannt und auch gleich werden. Weißt du das? unternehme ich auf diesem Schotterweg wieder vergessen. Die meiste Zeit sitzt sie Das weiß ich. Ich schaue auch nie direkt lange Reisen. Weil man auf einer Strecke aufrecht im Bett und liest. Ihr Lesestoff in die Sonne. Ich habe nur dieses eine Mal von hundert Metern keine Weltreisen ist die Bibel und der Lesezirkel. hingeschaut. unternehmen kann, fahre ich den Weg In den Zeitschriften des Lesezirkels gibt ● Robert Woelfl unendlich oft auf und ab. Ich starte am es Fotos von Autoradios, die man aus dem wurde 1965 in Villach geboren, studierte an der Universi- tät für angewandte Kunst und lebt seitdem als freier Gartentor, fahre bis zur Kreuzung mit der Auto nehmen und an einem Griff mit sich Schriftsteller in Wien. Für seine Theaterstücke erhielt er Bleiberger Straße, wende, fahre wieder tragen kann, Fotos von Walkie-Talkies mit zahlreiche Preise, darunter den Reinhold-Lenz-Preis für neue Dramatik, den Autorenpreis der deutschsprachigen zurück, und wende abermals am Garten- langen Antennen, Fotos von Eddy Merckx, Theaterverlage und den Dramatikerpreis des Stadtthea- tor. Und immer so weiter, bis ich nach Fotos von Formel-1-Fahrern und Bilder ters Klagenfurt. Für seine Videoessays erhielt er den Österreichischen Videokunstpreis. Zu den bekanntesten Italien komme. Manchmal fahre ich auch von UFOs. Meine Großmutter liest mir die Stücken gehören „Überfluss Wüste“, „Ressource Liebe“ und „Wir verkaufen immer“, die auch als Hörspiele pro- nach Spanien. Und manchmal nehme ich Berichte der Menschen vor, die von Außer- duziert wurden. Seit vielen Jahren leitet Robert Woelfl die an einer Rallye teil, die quer durch die irdischen entführt und in eines ihrer österreichischen Hörspieltage. Seit rund zehn Jahren hat er an der Universität für angewandte Kunst am Institut für Wüste führt und die den Teilnehmern Raumschiffe gebracht wurden, um dort Sprachkunst einen Lehrauftrag für Szenisches Schreiben. große Strapazen abverlangt. untersucht zu werden. Nicht alle wurden Zuletzt erschienen: „Überfluss Wüste“ in Theater Aktuelle Stücke 29, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2018. Ich lege zwischendurch Pausen ein, aber wieder freigelassen, manche sind für Das Stück wurde am ETA Hoffmann Theater in Bamberg ich gebe nie auf, bevor ich nicht am Ziel immer verschwunden. So etwas passiert uraufgeführt und 2019 vom WDR als Hörspiel produziert. www.robertwoelfl.com angekommen bin. nicht bei uns, aber in New Mexico, in Peru Meine Mutter gibt mir in Alufolie ver- und in Sibirien. packte Butterbrote mit. Alufolie und Tup- Weil ich meiner Großmutter imponieren perware-Boxen haben etwas mit Raum- will, erzähle ich ihr, dass ich auch schon schifftechnologie zu tun. Ich lege die einmal ein so gleißend helles Licht gesehen Tupperware-Box in einen kleinen Koffer, habe. den ich unter die Spange des Gepäckträ- Wo? fragt sie mich. gers klemme. Mein Vater hat mir eine Im Wald. Trinkflasche gekauft, die ich jedes Mal, In welchem Wald?

DIE BRÜCKE Nr. 18 | Brückengeneration 5 67 68

DIEBRÜCKENr. 18|Brückengeneration 5 BUCH.TIPPS „Lesen Siegefälligst!“ und im E-Mail Ihren vollständigen Namen und Postadresse angeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück! ausgeschlossen. ist Rechtsweg Der angeben. Postadresse und Namen vollständigen Ihren E-Mail im und Buchtitel und Autor den Betreff Als VERLOSUNG –SOFUNKTIONIERT’S: 3 Exemplare ISBN 978-3-99029-439-0 |18,80 Euro 104 Seiten Verlag,Wieser 2020 mit Zeichnungen von Heinz Ortner gemurmelt Astloch Ins Hölbling: Christian gen BRÜCKE-CartoonistenHeinzOrtner. vom vielfachpreisgekröntenundlangjähri- nicht müssen.DieZeichnungenstammen lings Beobachtungenwitzigseindürfen,aber Nachdenken. Undsokommtes,dassHölb- ebenso ausgeprägtwiejeneamkritischen Lust ampointiertenFormulierenistbeiihm Berufs wegeneingenauerBeobachter.Die BRÜCKEseite 23].DerKabarettististvon Gedanken ausderletztenZeit[sieheauch Sammlung derbestenSatiren,Glossenund Christian HölblingserstesBuchisteine Ins Astlochgemurmelt ISBN 978-3-99029-426-0 50 Seiten|14,95Euro Wieser Verlag,2020 Maria Stern:PolitiknachCorona Menschen vergessensoschnell.“ ten Corona-WocheinÖsterreich.Dennwir die 55gutenNachrichtenimLaufderers- mir fürunsereKinderwünsche,notierteich Arm undReichnichtdieZukunftist,ich laps unddiesichöffnendeScherezwischen erkennen will.DaderdrohendeKlimakol- tieren kann,wennsiedieZeichenderZeit an denensicheinezukünftigePolitikorien- dass die55gutenNachrichtenfeststanden, Woche wurdeÖsterreichsoumgekrempelt, auf demanderenlassenwürde.Innureiner „Es warbaldklar,dassCoronakeinenStein 55 guteNachrichten 3 Exemplare forderte DIEBRÜCKEVERLOST DIEBRÜCKEVERLOST Peter Handke bei der in Verleihung Klagenfurt seiner Ehrendoktorwürde

Es gewinnen die jeweils ersten E-Mail-Schreiber*innen: [email protected] Es die gewinnen jeweils E-Mail-Schreiber*innen: ersten

ISBN 371-0-341-922ISBN Euro |20,30 Seiten 308 p.c. united |Verlag Erzählung Eine Arbeit Geistes Jele: Harald am Robert-Musil-Institut. Literaturarchivs E fein gelungenist. stellt undnebenhersprachlichauchsehr restrategien anderUniversitätinFrage einsetzen kann.EineErzählung,dieKarrie- Plan, beidemerseineFähigkeitenbestens setzung anderUniversitätruftihnaufeinen Abschlussarbeiten. EineeklatanteFehlbe- gen undistGhostwritermitderSpezialität aus demakademischenLebenzurückgezo- Der klugewiekauzigeArnoldGeisthatsich Geistes Arbeit 3 Exemplare ISBN 978-3-8000-7748-9 Euro |34 Seiten 300 Verlag,Ueberreuter 2020 Werner Berg trifft Deix Manfred (Hg.): Scheicher Harald Absage zuerteilen. durch überspitzteDarstellungeineklare Chauvinismus undbornierterVerklemmtheit listischer Selbstherrlichkeit,bösartigem offenbart, wieesauchmöglichistnationa- geprägt. DerposthumeDialogderbeiden jeweils unverwechselbareMenschenbilder Deixfiguren oderdemKopftuchweiberl lend –lebenslangabgearbeitetundmitden an ihrerHeimat–obsatirischodermitfüh- Eigenheiten ihrerMitmenschenhabensich Die beidenKünstlermitgenialemBlickfür Deix trifftBerg lmar Lenhart, DIEBRÜCKEVERLOST betreut die Archivalien des Kärntner Kärntner des Archivalien die betreut

3 Exemplare 978-3-7086-1092-4 ISBN |42 Euro Seiten 304 Verlag,Hermagoras 2020 Karlheinz doma/daheim Fessl: dem KlagenfurterFotografenKarlheinzFessl. erkenntnisreiche Begegnungenvonundmit ren.“ Soentstanden45aufschluss-und wurde, zurecherchierenundfotografie ner politischerSystemesosehrgeschmäht Bevölkerungsgruppe, diewährendvergange band undeinegroßeAusstellungüberjene die IdeeendlicheinenumfangreichenBild schriebene Aufträgezuerfüllen.Soentstand graf, derseinenJobernstnimmt,auchunge Meinung nachhatmanalskritischerFoto nach Klagenfurt,GrazoderWien.Meiner unterwegs bin,insJaun-,Rosen-undGailtal, Sloweninnen undSlowenenzudenenich „Wakounig isteinervon45Kärntner doma/daheim 3 Exemplare 978-3-7086-1093-1 ISBN |22 Euro 32 Seiten Mohorjeva/Hermagoras | ab 6 Jahren Pauke die auf schlug Lukas Und Buch: Hanca und Sonja A und TochtersorgsamgestaltetesBüchlein. dert ...Einsprachgewandtes,vonMutter als erdortankommt,hatsicheinigesverän- einiger ZeitzurückinseinenGarten,doch tum entdecken.Dennochziehtesihnnach Wasser lässtihneinenungeahntenReich- Weiten, gebirgigeHöhenundsprudelnde über HügelundBäche,steppenähnliche selbst dieWeltzuerkunden.SeineReise Pflanzen mitundbeschließteinesTages, bringt erfremdeGeschichtenund denen ergemeinsammusiziert.VomMarkt Menschen, dieihndortbesuchenundmit zen. SeinenbuntenGartengenießtermit Der kleineLukasisteinFreundderPflan- kinder.buch.tipp ndrea Kirchmeir, ndrea DIEBRÜCKEVERLOST DIEBRÜCKEVERLOST

Pädagogin

- - - - - 3 Exemplare 978-3-99065-026-4 ISBN |24 Euro 296 Seiten Edition Atelier, 2020 wären Wer wir Kröll: Norbert ● Oftmals brauchtesgenaudas. takt füreinenkleinenLichtblick. düsteren Erzählweg–alsAuf- Kröll pflastertgekonnteinen allem fürsichselbst.Norbert seinen Freund,sondernvor übernehmen muss:nichtnurfür Albert, dasserVerantwortung cken. ErstamEndeerkennt glücklichere Zukunftüberde- Gedanken aneinevielleicht gen, dievorerstjedweden men, TräumenundErinnerun- atmosphärisch dichtenPhantas- setzt istdieseTalfahrtvon bis hinzurPilzvergiftung.Durch- Abstieg, sexuelleFrustration– Autounfall, Jobverlust,sozialer absolvieren: gescheiterteEhe, persönlichen Leidenswegs dafür zahlreicheStationeneines ten RomansWerwirwären Kröll dieHauptfigurseineszwei- lebende KärntnerAutorNorbert Wie zurStrafelässtderinWien bricht erjeglichenKontaktab. stellung zuverabschieden, Anstatt sichvonseinerIdealvor- Projektion alsdieRealitätwar. Beziehung mehrseineeigene muss, dasswohlvielesinihrer erkrankt undAlberterkennen offenbar, alsKlauspsychisch auch selbstkünstlich.Daswird Kunstwerke, sondernsieist gemeinsame Begeisterungfür Nicht nurkreistsieumdie pelten SinneeinKunstprodukt. ten BildhauerKlausistimdop- rator Albertunddemtalentier- schen demangehendenRestau- Die intimeFreundschaftzwi- Freundschaft Requiem füreine AndreasPeterjan wissenschaftlich tätig. und ist journalistisch Germanist, * 1988, lebt in Feldkirchen, Feldkirchen, in 1988, lebt DIEBRÜCKEVERLOST 3 Exemplare R. i. Johann St. 2. Juli,19:30 Uhr, k¢er Buchpräsentation 978-3-7086-1108-2 ISBN |24 Euro Seiten 200 Projektes CARINTHIja 2020 des Rahmen im Mohorjeva, obdelave | Verlag Hermagoras / poskusAufarbeitung Literarni VersuchLiterarischer einer Koroška /Naša Kärnten Unser ● such wert. insgesamt aberistesdenVer- unterschiedlich gutgelungen; ist indeneinzelnenVersuchen ben. DieAufarbeitung/obdelava und zukunftsfähigzubeschrei- Kärnten alsDrittenRaumneu Kampfabsage zuformulieren, versucht, eineliterarische Existenzen (Musil)habendarin verfassen. Dieschreibenden Texte zumThema„Kärnten“zu pisateljev vAustrijieingeladen, und derDruštvoslovenskih SchriftstellerInnenverbandes ras hatMitgliederdesKärntner turverein Mohorjeva/Hermago- Der slowenischeKärntnerKul- anzuwenden. Konzept aufKärnten2020 kus“ gelesenwerden,dieses scher Versuch/literarnipos- ras-Verlag könnteals„literari- aus demMohorjeva/Hermago- Unser Kärnten/NašaKoroška gen zukönnen.DieAnthologie der Kulturen(Huntingtonabsa- Strategie definiert,denKampf wird dieserDritteRaumals kurs derKulturwissenschaft keitsform desDaseins.ImDis- Erfahrung überwindet.Möglich- Beschränkung menschlicher eröffnet, derdiedualistische macht. EinDritterRaumwird neu undanderserfahrbar ständlich WeltundWirklichkeit chensystem, dasfürviele sönliche ErfahrungineinZei- Mensch übersetztseinejeper- Übersetzung. Derschöpferische Literatur istwieKunststets Der DritteRaum ReinhardKacianka * 1957,Kulturwissenschaftler. DIEBRÜCKEVERLOST ver-

● chen ErbedieserZeitergeben. sich imUmgangmitdembauli- und Herausforderungen,die Sinn fürdieBrüche,Irritationen ästhetisch, abernichtohne sphären zuvermitteln–hoch- tag, StimmungenundAtmo- das räumlicheErlebenimAll- auf sprachlicherEbenegelingt: Herausgeber undAutorVejnik Fotoessay insBild,wasdem Gerhard Maurersetztinseinem deren Rezeptionuntersucht. ten derArchitekturepocheund die soziokulturellenBedingthei- Co-Autorin SimoneEgger,die Texte genausowiejenenvon Hans-Jörg Abujabegleitenseine storbenen KärntnerFotografen dem Nachlassdes2002ver- drucksstarken Aufnahmenaus Gegenwart heraus.Dieaus- und Wirkungenbisindie tet sodieVerbindungslinien ter denWerkenvorundarbei- Persönlichkeiten undBüroshin- lungen imLaufderZeit,stellt Kontext derBauten,ihreWand- den Blickaufräumlichen schen Beschreibungen.Erlenkt sich niemitobjekthaft-analyti- Architekturlandschaft, begnügt sebegleiter“ durchdieKärntner Lukas Vejnik,verständiger„Rei- land hinaus. Gegenstand unddasBundes- keit weitüberdeneigentlichen und Zeitgeschichte,mitGültig- tenreiches WerkzuBaukultur puppt sichimLesenalsfacet- Kärnten entstandensind,ent- hafte Bauten,die1945-1979in Die Monografieüberbeispiel- Nachkriegsmoderne Reise durchdie 3 Exemplare ISBN 978-3-85415-603-1 |24 Euro 270 Seiten Verlag,Ritter 2020 1945-1979 Kärnten in Architektur derLand Moderne Vejnik (Hg.):Lukas TobiasHagleitner oberösterreich. architekturforum afo des Leiter scher 2020/21 interimisti kommunikation. Bereichen (Bau-)Kunst und Architektur * 1981, lebt in Linz, freischaffend in den den in freischaffend 1981, Linz, in lebt DIEBRÜCKEVERLOST

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- ● *innen. für leserischeFeinschmecker­ kein Erfolg.DieNeuauflageist gleichlich. DieErstausgabewird hafte desBuchessindunver- Dieser GestusunddasRausch- spontanen Gestuszunehmen. und Rhythmus,ohneihmden beitet erdenText,feiltanKlang Sprache frei.Allerdingsüberar- wand spritzt,lässtNizondie son PollockFarbeaufdieLein- des ActionPainting.WieJack- sche Form,eineArtschreiben- mit „Canto“eineneueliterari- Leben istgelebt.Soschaffter geschriebenes, ästhetisiertes che Wirklichkeitschaffen.Erst scheitert. NizonwilldurchSpra- selbst imlebendigenRom ganze Lebenfassenwillund Es gehtauchumeinen,derdas „Canto“ istnichtnurGesang. reflektiert seinSchreiben.Aber durch dieStadt,schreibtund ein Ich,einmalEr,treibt mus. DerProtagonist,einmal mit Sprache,KlangundRhyth- einen Rausch,spieltexzessiv tuierten. Nizonschreibtsichin gen mitFrauen,auchProsti- Passanten, esgibtBegegnun- ziehen vorbei,Passantinnenund aneinander. DetailsderStadt gen, ErlebnisseundGedanken steller assoziativWahrnehmun- Handlungslos reihtderSchrift- Text besingtRomtatsächlich. Gesang, derhochmusikalische nung. Cantoheißtitalienisch Buch ohneGattungsbezeich- und isteinFanfarenklang.Ein erfolg. „Canto“erscheint1963 und prophezeiteinenWelt­ hält erPaulNizonfüreinGenie Unseld dasManuskriptliest, Als derVerlegerSiegfried Canto 3 Exemplare ISBN 978-3-518-42904-4 Euro |20,60 254 Seiten Suhrkamp Verlag, 2019, Neuauflage Paul Nizon: Canto

DIEBRÜCKENr. 18|Brückengeneration 5 WilhelmHuber Literaturtage. Veiter St. der Gestalter Amann Klaus mit Rezensent, Destillateur und gemeinsam DIEBRÜCKEVERLOST 69 BUCH.TIPPS 70

DIEBRÜCKENr. 18|Brückengeneration 5 MUSIK.TIPPS „Das BesteinderMusikstehtnichtdenNoten.“ Baswod: I Need You To INeed Baswod: ORF A für alleLebenslagen. erzeugt werden.SchöneMusik selbst, ermusserstimKopf gibt esnichtzwingendvon ineinander, unddenklarenBlick und wiederauchab,fließen sphärisch ineinanderundhin driften auchdieKlängeatmo- verschwommenes Bildzeigt, ren. UndsowiedasCoverein weise aucheinwenigzuverlie- finden, sondernsichmöglicher- helfen, nichtnursichselbstzu den Instrumenten,dieeinem me undfastruhendanmuten- Töne, erzeugtmitsanfterStim- doch sindesdieoftzarten Geschichten undTräume.Und gekehrt werdenkönnen, um Gefühle,dienachaußen kümmern. InjedemFallgehtes bringen, sichumselbstzu der motiviert,sichselbsteinzu- Zuhörers, manwirdimmerwie- Raum füreigeneRückblickedes seine Musik,lässtaberauch dene Emotioneneinfließenin Erinnerungen unddamitverbun- auf eineReiseinsSelbst,lässt de Wirkung.Linderbegibtsich eine ausgesprocheninspirieren- Töne: DieMusiklebtundhat dem Alltagnichtnurganzleise mus gebendenInstrumentaus anderen ungewöhnlichenRhyth- re, Cellounddemeinenoder Rest“, erzeugtmitKlavier,Gitar- „I NeedYouToPencilInThe Album mitdemklingendenTitel burg lebt.Obwohl–seindrittes gen hatundderheuteinHam- zum StudiumnachWiengezo- „Baswod“, einKärntner,denes Linder mitdemProjekt-Namen Er isteinStiller,Dominik Baswod März 2020 Rest The In Pencil Gustav Mahler Gustav Mitarbeiterin des Benke, ngelika - Landesstudio Kärnten sowie bei Ö1. bei sowie Kärnten Landesstudio , 1860

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1911, Dirigent und österreichischer Komponist

Alfred Goubran alias „Nabil“ Alfred Goubranalias„Nabil“ steller undSinger-Songwriter Fast möchtemandemSchrift Protestsongs 25. November2019 recorded Vienna, Live@Jazzland, M’zungu Blues Sitter: Primus feat. NABIL G der Arbeitslosigkeit? im September–zumHöhepunkt das Albumcoronabedingterst blick zugeben.Leidererscheint Sunshine“ einenpositivenAus dem Gassenhauer„Youaremy sich Goubrannichtzublöd,mit Sitter. JaundzumSchlussist vollen Gitarren-SolosvonPrimus nicht nurwegendesstimmungs hungsgeschichte ragtheraus, Volltreffer. DieUnderdog-Bezie Dafür ist„Bleibhier“wiederein weniger authentischgelingt. Jacques Brels„Amsterdam“,was sucht esGoubranpoetischermit Wolf Biermann.Dazwischenver er angelehnt,inhaltlicheheran denberg undHerbertGrönemey stimmlich einweniganUdoLin deutsche Protestsongalso, Kapitalismus. Derklassische auf Deutsch–gegendenTurbo- Im GPS-Bluesgehtes–diesmal die Rassendiskriminierungvor. Come“ vonSamCookegegen verten Song„AChangeisgonna sich denunzähligeMalegeco weiter. AlsNächstesnimmter ten würde.InderTonartgehtes Abermillionen Jobsweltweitkos Monate späterdieCoronakrise nicht ahnend,dasswenige Reibeisenstimme herunter– krächzt GoubrandenSongmit Folksong àlaWoodyGuthrie Mittelfeld zwischenBluesund Obdachlosigkeit. Irgendwoim von Massenarbeitslosigkeitund und schildertdieKonsequenzen hört. Erheißt„WorkersAppeal“ eingespielten neuenAlbums im NovemberWienerJazzland ner GitarristenPrimusSitterlive gemeinsam mitdemUnterkärnt man denerstenSongseines zuschreiben. Zumindestwenn prophetische Eigenschaften und Jazz-Aficionado. ilbert Waldner,ilbert Kulturjournalist

------www.kafra.at tungskost zuservieren. Popmusik undleichteUnterhal- volle Theatermusikalsauch sowohl Kunstmusik,anspruchs- tisch seinwillunddarf,um vergisst unddurchwegspoli- wie groovigeBalkan-Beatsnicht Musik, dieauchaufWeltklänge slowenisch-kärntnerische junge Kärnten-slowenischebzw. druck hinterlassenhaben.Neue dem sieeinenbleibendenEin- schwinden TextundKlangnach- te undleichteKost.Undsover- sind wieAngstundLiebe,erns- genauso miteinanderverbunden zweiflung unddieHoffnung machen sichtbar,dassdieVer- Klänge nochTexte.Diese nichts verlorensein,weder Macht fürNiemand“sollhier Steine Scherben“-Motto„Keine schwindet. Freinachdem„Ton dert, ehesieverdampftundver- löst unddieBlutgerinnungför- setzt eineMedizin,dieKrämpfe aus demSlowenischenüber- men. SomeintKafraeigentlich helfen einmalrichtigdurchzuat- auswirken kann.Klänge,die positiv aufdasAtemzentrum machen sieMusik,diesich Dufek (KeyboardsundVokals) Steinmair (Bass)undHannes Štikar. GemeinsammitDaniel Autors undRegisseursMarjan lach geborenenSchauspielers, zeug) sinddieKinderdesinVil- (Vokals) undLanŠtikar(Schlag- auf derBandhomepage).Ajda sieren (mehrzumCrowdfunding Debütalbum derBandzufinali- können nunselbsthelfendas Musikgruppen gefährdet.Fans Situation dieExistenzenjunger bleiben wirdunddieaktuelle gere Zeitwohlunbeantwortet durch dieCorona-Kriseauflän- die FragenachLive-Konzerten momentan umsowichtiger,da eine BandfürFans.Dasist Musik inderPipeline.Kafraist Kafra M Kulturreisender & -schaffender. ichael Herzog,

www.artificialsons.com CD/Download/Streaming 2020 Records, Nose Red Sculptured Sons: Artificial gener Vergleich. sehr gewagter,aberauchgelun- head undBjörk.EininderTat nennen sieSigurRós, Alex. AlsVorbilderundEinfluss fluss aufunsereMusik“,erklärt mit unddieshatnatürlichEin- immer wiederbeiFilmprojekten „Andi arbeitetinseinemStudio Soundtrack ergänzenkönnten. Film, densiealspassender lich nachBildern,einem onen. IhreLiederschreienförm- scheehafte Indie-Pop-Depressi- cholisch, aberpositiv,ohnekli- atmosphärisch. Siesindmelan- sind poppig,melodischund Höhepunkt bis zumsechsMinutenlangen gebaut voneinemkurzenIntro auf beit istfein.AllezwölfSongs Ergebnis dieserZusammenar- ander Fischer(Bass)an.Das Rudi Pravda(Drums)undAlex- Martin Kirchbaumer(Gesang), und nachschlossensichihm rent (Gitarre)gegründet.Nach Gruppe wurdevonAndreasKur- bereits amzweitenAlbum.“Die viel imStudioundarbeiten zerte absagen.Derzeitsindwir grund derPandemievieleKon- der Band:„Wirmusstenauf- erklärt AlexFischerdenAlltag mit anderenMittelnweiter.So live vorzustellen,machensie Album Sculpturedwiegeplant cial Sons.Stattihraktuelles für dieKlagenfurterBandArtifi- Künstler*innen. Dasgiltauch treffen –beeinflusstviele aus derZukunftaufeinander aus derVergangenheitunddie 2020 –indemdieAlbträume Das surrealeLebenimJahr Artificial Sons lobodan Žakula Slobodan bei radio AGORA 105,5. AGORA radio bei Sculpured –geschicktauf- Night OfTheIsle– , S endungsmacher Radio-

Utopien und Phantasien: Die Decke der Düsseldorfer Tonhalle ist ähnlich einem lichtflutenden Planeten. Künstlichkeit überstrahlt hier Natürlichkeit. Lukas Meschik macht sich digital Gedanken, wie es mit der Kunst in Zukunft weitergeht. Fotos: Magic Sky | Christian Franke

Eine neue schöne Welt Wie sieht die Zukunft für Kultur und Kunst mit und nach der Krise aus? Blogs und digitale Tagebücher wie jenes von Lukas Meschik versuchen ein Kulturleben zu vermitteln, wie wir es bis zum Frühling noch nicht kannten.

Mit Jahresanfang ist das wenig bekannte liert, dafür aber aufgemotzt mit tiefsinnig- Sein Tagebuch zeichnet Skizzen, es gibt Werk von George Orwell „Über Nationa- filigranen literarischen Textzeilen wie bei keine Antworten, ist auch ein Indikator lismus“ (Verlag dtv, Erstveröffentlichung Element of Crime, Tocotronic oder Isolation für eine Stimmungslage – in diesem Fall 1945) zum ersten Mal überhaupt in deut- Berlin. „Auf der Suche nach der verlorenen jene für die Kultur während der Krise. Seit scher Sprache erschienen. Zwar wird es Zeit“ von Marcel Proust (1913) wird zu dem 17. März schreibt Meschik täglich an von seinem Hauptwerk „1984“ überstrahlt, „Die verlorene Zeit nach der Suche“ umge- seinem öffentlichen Notitzbuch. Schwan- aber genauso wie dieses ist es gerade in dreht – ein Spiel mit Wahrheiten, Halb- kend ist die Stimmung – mit Fluch und Krisenzeiten, wo Grenzen geschlossen wahrheiten, wem man glauben kann und Segen behaftet – denn es erwachsen rie- werden und die Demokratie in vielen soll und wem nicht. Das Internet ist hier sige Vorteile aus den immensen Nachtei- Ländern ins Wanken gerät, eine Lektüre, eine wahre Schlangengrube, aber auch len. „Digitale Vernetztheit zu nutzen, die einem die auferlegte Isolation erleich- ein lohnender Fundort und kann sogar obwohl es nicht nötig ist – zum Beispiel SEITE.OHNE.NAMEN tert. Schwerwiegend ist die Isolation für zur Bühne werden. Der „Daheimbleib- für ein Treffen über Bildschirm innerhalb Kunst und Kultur. Keine Konzerte, Ver- Blues“ von Moll, den man sich auf Youtu- derselben Stadt –, wäre graue Dystopie; anstaltungen, Kulturereignisse mit Pub- be anschauen/-hören kann, ist auch ein sie aber als nützliches Instrument ver- likum auf lange Sicht? Plötzlich werden Spiel mit der Möglichkeit, der Krisenme- wenden können, um vorübergehend zu Grenzen und Mauern sichtbar. Lösungen lodik einen bestimmenden Rhythmus zu ersetzen, was anders nicht zu bewerkstel- scheinen in weiter Ferne zu sein, aber die geben und selbst den Takt zu bestimmen. ligen wäre, ist ein Segen. Ich bekreuzige Not macht erfinderisch. Vielen Künstle- mich vor dem Gott des Internets“, schreibt rinnen und Künstlern wird durch ausge- Lebensraum „Blog“. Eine weitere Mög- der junge Autor am ersten Tag, an dem fallene Live-Darbietungen die Grundlage lichkeit ist ein eigener Blog mit einem die Denkweise, für was Frühling eigentlich zur Existenz ihrer Kunst genommen. digitalen Notizbuch. Auf www.coronarrativ. alles zu stehen hat, überdacht werden com geht es um Themen wie den globalen, musste. Am 18. April schreibt er weiter: Lukas Meschik nahm im vergangenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Die Simulation unserer Wirklichkeit ist Jahr mit dem kontrovers diskutierten Text Wandel, der uns erfasst, aber auch um derart perfide, dass jene, die sie als solche „Mein Vater ist ein Baum“ am Ingeborg- Fragen nach der Bedeutung der Krise für erkennen und entlarven, zu geisteskran- Bachmann-Preis in Klagenfurt teil, 2019 Kunst und Kultur. Darin verschafft sich ken Realitätsverweigerern erklärt wer- erschien auch sein „Vaterbuch“ [siehe DIE Lukas Meschik eigene Freiräume – Gedan- den.“ Deshalb heißt es sich im Lebensraum BRÜCKE Nr. 14, S. 65]. Darüber hinaus keninseln in Worte gefasst. Doch kann es „Blog“ gemütlich zu machen – die schöne ist Meschik, der durch seinen aus Treffen diese Inseln wirklich geben, gerade in einer neue Welt spielt sich derzeit im Netz ab bei Villach stammenden Vater Kärntner Zeit, wo sich so schnell alles ändert? Mar- – die Auswahl an virtuellen Tagebüchern Wurzeln hat, auch Musiker. Sein Solo- schieren wir gar den Utopien hinterher, reicht von Kulturinstitutionen (www.lite- Projekt Moll folgte auf die Indie-Band Filou, wie sie Aldous Huxley in seiner „Schönen raturhaus-graz.at) über bekannte Persön- mit der er drei Alben aufnahm. Mit dabei neuen Welt“ (1932) beschrieben hat, wo lichkeiten (www.facebook.com/elenauhlig sind Musiker wie Sebastian Kierner (Gitar- das Beseitigen aller Krankheiten durch schauspielerin) bis zu kritischen Kultur­ re), Max Payer (Bass) und Simon Schenk- Impfungen vor der Geburt zu Gesundheit arbeiter*innen wie Regisseurin, Autorin, Mair (Schlagzeug). Verbunden ist man und mehr Leistungsbereitschaft animiert Zeichnerin Andrea Maria Dusl (www. dabei dem Wienerlied. Auf dem Debütal- und wir einer Industriekultur mit Göttern comandantina.com). bum „Musik“ gibt es, wie es Moll bereits aus der Autobranche unterliegen? Hat ● Michael Herzog im Namen verrät, so manche melancholi- dieser Virus alles gestoppt oder wird Kulturreisender & -schaffender. sche Indie-Pop-Perle zu hören. Eher unpo- unsere Zukunft wirklich so aussehen?

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