Trash Statt Taktik Werbung Mit Hiesigen National- Spielern Ist out – Stattdessen Werden Altstars Und Ausländische Idole an Die Reklamefront Geschickt
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Sport NATIONALMANNSCHAFT Trash statt Taktik Werbung mit hiesigen National- spielern ist out – stattdessen werden Altstars und ausländische Idole an die Reklamefront geschickt. as macht ein Bier- brauer, wenn er für Wseine Werbung Fuß- baller verpflichtet hat, die so lausig spielen, dass sie öffentlich als „Flaschen“ ver- höhnt werden? Das Un- ternehmen versammelt die Sportler im TV-Spot auf der Ladefläche eines Bierlasters. Am Ende der inszenierten Mannschafts- besprechung fragt der Teamchef seine Spie- ler, ob es noch irgendwelche Unklarheiten BRAINWASH gibt – und alle melden sich. Reklamestar Matthäus*: „Lasst uns aus Versagern Gewinner machen“ Die Schlusspointe des Werbefilms setzt Trainer Erich Ribbeck: „Und jetzt müssen Industrie hat ihre Konsequenzen daraus Zidane, dem Italiener Alessandro del Pie- wir mal zeigen, wo wir stehen.“ An- gezogen: Nie zuvor interessierte sich die ro und dem Engländer David Beckham. schließend sieht der Fernsehkonsument, werbetreibende Wirtschaft vor einem Deutsche Kräfte waren im Drehbuch dass der Lkw weit ab vom Schuss in der großen Turnier so wenig für die National- nicht erwünscht. Denn deutsche Kicker Pampa parkt. kicker wie zur Euro 2000. beherrschen keinen Doppelpass, werden Ratlose deutsche Fußballer, abgestellt Vorbei die Ära, als ein Stammplatz in von ihren niederländischen Kollegen vor- im Nirgendwo. Die tiefe Symbolik des Re- der DFB-Elf fast zwangsläufig lukrative Ne- geführt und haben einen Trainer, der kei- klamestreifens, der deutsche Pils-Trinker benjobs nach sich zog. Ob streitbare Geis- ne Ahnung hat. So nüchtern sieht es Mar- seit Tagen auf die Europameisterschaft ein- ter wie Paul Breitner, filigrane Künstler cel Loko von der Hamburger Werbeagen- stimmen soll, gestattet zwei Deutungen. wie Karl-Heinz Rummenigge oder biedere tur „Zum Goldenen Hirschen“, der seine Entweder ist er ernst gemeint und entlarvt Handwerker wie Hans-Peter Briegel – ein Kunden davor warnt, auf Fußball zu set- die Einfallslosigkeit der Werbestrategen im jeder machte als Werbelokomotive man- zen. Es sei denn, jemand sucht nach einem Hause Bitburger. Oder er ist spöttisch ge- che Extra-Mark. Jetzt hält nicht mal der Partner für den Slogan: „Scheitern als meint und stellt das Ansehen der deut- Sportausrüster Adidas die deutschen Spie- Chance“. schen Nationalelf bloß. ler für massenwirksam. Vergangenen Don- Selbst treuen Weggefährten, die, wie Bit- In jedem Fall zeigt er beispielhaft, wie nerstag starteten die Franken ihre welt- burger oder Mercedes-Benz, schon lange schwierig es ist, in Zeiten, da die DFB- weite Kampagne – mit dem Holländer mit dem DFB verbandelt sind, wird die Truppe nicht mal gegen die Schweiz zu Patrick Kluivert, dem Franzosen Zinedine Partnerschaft nicht leicht gemacht. Erst gewinnen vermag, mit deutschen Fußball- jüngst musste die Deutsche Telekom einen profis Werbung zu machen. Auf die Image- * Mit Freundin Maren Müller-Wohlfahrt bei Dreharbeiten Spot mit dem DFB-Trainergespann neu träger von einst ist kein Verlass mehr. Die für einen TV-Spot der Firma 12snap in New York. drehen, weil Ribbeck seinen Assistenten Uli Stielike gefeuert und durch Horst Hru- bestätigte damit das Bild der Fußballprofis besch ersetzt hatte. als Prolls in kurzen Hosen. Olsson: „Wenn Was die Werber abschreckt, Kampagnen ich sehe, wie sich manche aufführen, da mit einzelnen Spielern zu starten, ist vor al- kann man der Wirtschaft nur abraten.“ lem der mangelnde Star-Appeal des Per- Zumal es ja Alternativen gibt. Eine „In- sonals. Anstatt sich mit blässlichen Typen ternationalisierung der Sportwerbung“ be- wie Markus Babbel oder Jens Nowotny zu obachtet Hartmut Zastrow von der Agen- verbünden, setzen manche Firmen lieber tur „Sport und Markt“. In einer Erhebung auf vertraute Gesichter. So ließ die Deut- der Kölner Trendforscher über die Be- sche Bahn bei ihrer jüngsten Fernseh- liebtheit und Bekanntheit von Sportlern in offensive Günter Netzer im ICE durch die Deutschland schaffte es kein Bundesliga- Lande reisen, während Werbepionier kicker unter die ersten zehn. Franz Beckenbauer („Kraft in den Teller, Jugendliche interessieren sich immer öf- Knorr auf den Tisch“) unermüdlich für die ter nur noch dann für Fußball, wenn Ha- Handy-Funker von E-Plus charmiert. Das Werbepionier Beckenbauer (1974) rald Schmidt darüber Zoten reißt. Nicht Revival der Alten hat einen Vorteil: Le- Keine neuen Helden in Sicht Jens Jeremies oder Carsten Jancker sind genden von anno dazumal die Idole dieser Spaßgeneration, sondern können wenigstens auf dem TV-Knalltüten wie Stefan Raab oder In- Rasen nicht mehr floppen. stant-Promis wie Zlatko Trpkovski aus dem Auch jene aktuellen Na- „Big Brother“-Haus. tionalspieler, die sich zur EM Wie dünn die Luft für das hiesige Ball- noch eines Individualver- tretergewerbe geworden ist, belegen auch trags erfreuen können, ver- Zahlen aus der Fernsehforschung. Die Par- danken ihn alten Meriten: tie Dortmund gegen Bayern erreichte auf Mehmet Scholl, wiewohl Sat 1 bei den 14- bis 29-Jährigen einen bald 30 Jahre alt, lebt von Marktanteil von nur 22,4 Prozent. „Big seinem Image als dauernder Brother“ kam zeitgleich in derselben Al- Teenieschwarm und knutscht tersstufe auf deutlich mehr als 30 Prozent. für den Mobilfunker Viag In- „Fußball ist kein Selbstgänger mehr“, terkom auf einer Parkbank. urteilt Zastrow und mahnt den DFB und Kollege Matthäus, 39, zehrt die Vereine, schleunigst Abschied von der vom Ruf des ewigen Lothar „Elf-Freunde-müsst-ihr-sein-Romantik“ zu und der Blondheit seiner Ma- Imageträger Nationalelf*: Nicht mehr massenwirksam nehmen. Statt weiter nur den braven Ath- ren, mit der er unlängst in leten zu hegen, müsste sich die Bundesliga New York für die Internet-Firma 12snap ten, beständig schwer, auch abseits des Ra- dazu bekennen, Teil der Unterhaltungs- drehte. Und Oliver Bierhoff, 32, der in den sens das Niveau zu halten. branche zu sein – womit plötzlich schräge kommenden Wochen für die Deutsche „Keine Größe, kein Stil, nichts“, so ur- Typen wie Nachtschwärmer Mario Basler Bank von der Mattscheibe grüßen wird, teilt Peter Olsson von der Marketing-Agen- wieder gesellschaftsfähig würden und zu profitiert vom Geschick seines Managers, tur „Performers“ über den derzeit besten „Aushängeschildern des Fußballs“ aufge- der auf langfristige Kontrakte Wert legte. deutschen Fußballer Stefan Effenberg. Mit baut werden könnten. Trash statt Taktik. Noch wird der Torjäger von jenem „Gol- geröteten Augen und offenkundig ent- In England, dessen Nationalelf seit 1966 den Goal“ getragen, mit dem er Deutsch- hemmt vom Weizenbier, hatte der Spiel- keinen Titel gewinnen konnte, wird die- land 1996 zum Europameister machte. macher des FC Bayern auf dem Münchner se Art der Selbstironie in der Werbung Neue Helden sind nicht in Sicht. Das Marienplatz den Trainer von Bayer Lever- schon lange gepflegt. Die Hamburger mag einerseits daran liegen, dass der ge- kusen („Vize-, Vizemeister Daum“) ver- Agentur „Weltmeister AG“ sieht darin neigte Kunde bei Namen wie Marko Reh- höhnt. Effenberg, ohnehin vorbelastet auch für Deutschland einen Ausweg. Im mer oder Paulo Rink nicht auf Anhieb dar- durch seinen Stinkefinger-Protest während Kern, sagt Geschäftsführer Maik Nöcker, auf kommt, dass es sich dabei um Spieler der Weltmeisterschaft 1994 in den USA, seien die Bedingungen nämlich ideal: aus dem EM-Kader handelt. Andererseits „Lasst uns aus Versagern Gewinner ma- tun sich jene, die das Zeug zum Star hät- * Im jüngsten Werbefilm für die Deutsche Telekom. chen.“ Gerhard Pfeil.