RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN # 21 APRIL 2007 2,80€ #21 APRIL 2007 APRIL #21

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FC Bayern Reportage: Zwischen Panik und Ohnmacht Bernd Schneider Erstmals: Der Schweiger Außerdem: im großen Interview Mirko Slomka Arsène Wenger Bob Marley Nationalelf Keine Zukunft ohne Einwanderer 3,80€ _ Italien _ 4,00€ _ 3,80€_Griechenland Spanien Spanien 3,20€

Luxemburg

3,20€ Österreich Exklusiv über den Wechsel in die , 5,50sfr sein neues Image und die Revolution im DFB-Team Schweiz

rrund0407_001_Titelund0407_001_Titel 1 227.02.20077.02.2007 17:28:0317:28:03 UhrUhr RUND Einlaufen

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, der FC Bayern steckt in der schwersten Krise seit Jahren. Die Entlas- die Spitze – und falls sie es doch schaffen, entscheiden sie sich meist sung von Trainer und die Rückkehr von Ottmar Hitzfeld für die Nationalmannschaft der Heimat ihrer Eltern. Warum das so sind nur die auffälligsten Symptome einer Krankheit, die am deut- ist und was der DFB dringend ändern muss, wenn die deutsche Nati- schen Rekordmeister zehrt. Die Bayern, die ähnlich selbstbewusst auf- onalelf im Weltfußball weiter eine wichtige Rolle spielen soll, lesen zutreten pfl egten wie ihr politisches Pendant, die CSU, wissen nicht Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 20, für die wir auch DFB-Prä- mehr, wer sie sind. Dieser Identitätsverlust wirkt auf die sportliche sident Theo Zwanziger in Frankfurt am Main trafen. Realität und drückt sich in einer konfusen Transferpolitik und inter- Eines unserer kuriosesten Interviews konnten wir mit Bernd Schnei- nen Richtungskämpfen aus. Der FC Bayern reibt sich auf in dem Wi- der führen. Leverkusens Nationalspieler gewährt in der Regel keine derspruch, einerseits ein Volksklub zum Anfassen bleiben und sich ausführlichen Gespräche, als große Verehrer seiner Fußballkunst mach- andererseits zum internationalen Fußballkonzern wandeln zu wol- ten wir ihm aber so lange unsere Aufwartung, bis er dann schließlich len. Unser Autor Markus Lotter, einst Profi beim FC St. Pauli und der doch noch zusagte. Doch der weiße Brasilianer gab sich beim Termin SpVgg Greuther Fürth, begleitete die kriselnden Bayern über mehre- zugeknöpft und mundfaul. Schneider bleibt eines der größten Mys- re Monate. Lesen Sie die große Vereinsreportage ab Seite 34. terien des deutschen Fußballs. Lesen Sie das grandiose Protokoll ei- In rund 20 Jahren wird die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr ner Verweigerung ab Seite 60. Gesprächiger zeigte sich Nationaltor- mit Michaels und Torstens, sondern mit Mehmets und Murats auf- wart Jens Lehmann bei unserem Besuch auf dem Trainingsgelände laufen. Eine Utopie? Lange hat der deutsche Fußball die türkischen des FC Arsenal in London. Lehmann erzählte bereitwillig, wie er Bun- Talente in Deutschland links liegen gelassen, mittlerweile aber wird deskanzlerin Angela Merkel schätzen lernte, und über seine Zukunfts- auch seitens des DFB heftig um sie geworben. Man braucht diese Spie- pläne, die eine baldige Rückkehr in die Bundesliga nicht ausschlie- ler, weil in den Jugendmannschaften immer weniger Deutsche spie- ßen (ab Seite 44). Ihnen viel Spaß beim Lesen und eine gute Zeit! len. Doch bisher kommen die Kinder der Einwanderer selten bis an IHRE RUND-REDAKTION

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rrund0407_003_Einlaufen_Nund0407_003_Einlaufen_N Abs1:3Abs1:3 008.03.20078.03.2007 23:20:0123:20:01 UhrUhr RUND Aufstellung

Inhalt 04 07

AM BALL 08 SCHNELLSCHUSS Eine RUNDreise zu den Fußballtrikots dieser Erde 14 FELDSALAT Roque Santa Cruz, Jogi Löw, und was macht Gomez? 20 DEUTSCHE AUSLÄNDER Die Kinder der Einwanderer sind die Zukunft des DFB 30 LAGE DER LIGA Aktuelles und Interessantes von den 18 Bundesligisten 34 AN DER SÄBENER STRASSE Die Krise als Herausforderung für Bayern München 41 KOMMENTAR Waren die DFB-Funktionäre für das Nazi-Regime?

GLEICHE HÖHE 44 DER PROFI SPRICHT Zu Besuch bei Nationalkeeper Jens Lehmann in London 50 AUSLANDSREPORTAGE Weltklasse: Die neuen Fußballtalente aus Tschechien 64 56 TAKTIKREPORT Warum die Viererkette der Dreierkette vorgezogen wird 60 THÜRINGER SPEZIALITÄT Bernd Schneider übers Rumprotzen und Xavier Naidoo 64 QUEREINSTEIGER Wer ist Schalke-Trainer Mirko Slomka? Ein Porträt 69 AUF DER LINIE Kasey Keller über seine Leidenschaft Heavy Metal 50 70 ERBSENZÄHLER Aus welchen Bundesländern Nationalspieler kommen 72 STARGAST Paul Scholes feiert bei ManU unerwartet ein Comeback

IM ABSEITS 76 LÜGENDETEKTOR Aachens Cristian Fiél über Klimawandel und Machos 79 SPIEL MIT PUPPEN wird König des FC Barcelona 80 OHNE FLÜGEL Sachsen Leipzig bekommt keine Millionen von Red Bull 84 BUNDESADLER So entstand Paule, Maskottchen des deutschen Fußballs 86 GEKAUFTE KARRIERE Al-Saadi Gaddafi ist Fußballprofi, weil er Geld bezahlt 89 PIONIERGEIST Torwart Julian Reinard über Profifußball in Israel 90 WELTKLASSE Stadionverkauf in Serbien, Torwartabgabe in Rumänien 92 KRANKER ESEL Der letzte Comebackversuch von Ariel Ortega

106 SPIELKULTUR 96 INTERVIEW Die Leningrad Cowboys über Frings, Sauna und Fußball 102 BOBFOOT Reggae-Idol Bob Marley liebte den Fußball 106 LEBENDE LEGENDE Arsenal-Trainer Arsène Wenger glaubt, Japaner zu sein 110 BÜCHER Bilder- und Lesebücher in der Kritik 112 DVD So sehen Menschen den Fußball, die ihn nicht sehen 113 IMPRESSUM/VORSCHAU Und das erwartet Sie im Mai im RUND-Magazin 114 LESERBRIEFE/RUNDE PRESSE Das sagen Sie zur Arbeit der RUND-Redaktion 116 AUSLAUFEN MIT THADEUSZ Wenn ein Moderator schwarz trägt und auf alles pfeift

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rrund0407_004_005_Inhalt_Nund0407_004_005_Inhalt_N 4 008.03.20078.03.2007 23:26:5623:26:56 UhrUhr RUND Aufstellung

DER PROFI SPRICHT: „KEIN REVOLUZZER“ Karriereende in Deutschland? Jens Lehmann über seine Zukunft, sein neues Image, deutsche Medien, Theo Zwanziger und Bundeskanzlerin Angela Merkel 34 44

AN DER SÄBENER STRASSE: „WIR WURDEN ÜBERROLLT“ Der FC Bayern steckt in der größten Krise seiner Geschichte. Findet Manager Uli Hoeneß nicht bald eine Lösung, stürzt der Rekordmeister weiter ab

DEUTSCHE AUSLÄNDER: DIE TÜRKEN KOMMEN Gebürtige Polen und Ghanaer spielen längst in der Nationalelf. Jetzt soll endlich die größte Einwanderergruppe integriert werden: die Türken 20 THÜRINGER SPEZIALITÄT: „WAS WOLLEN SIE?“ Leverkusens Mittelfeldlenker und Nationalspieler Bernd Schneider erstmals im langen Interview 60

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rrund0407_004_005_Inhalt_Nund0407_004_005_Inhalt_N 5 008.03.20078.03.2007 23:27:0023:27:00 UhrUhr RUND Am Ball

AM BALL HARTNÄCKIG NAH DRAN AKTUELL

„Integration ist auch etwas, woran man arbeiten muss“ THEO ZWANZIGER

8 SCHNELLSCHUSS Im Trikot um die Welt – Überall trägt man im Alltag Fußballjerseys. Eine textile RUNDreise

20 DEUTSCHE AUSLÄNDER Die Türken kommen – Der deutsche Fußball hat nur mit Einwanderern eine echte Chance

30 LAGE DER LIGA Höhenfl ug und Absturz – Die Liga ist turbulent wie nie. Unsere Experten wissen, wo’s brennt

34 AN DER SÄBENER STRASSE „Wir wurden überrollt“ – Uli Hoeneß vor der größten Herausforderung seiner Karriere

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rrund0407_006_007_VorschalBaund0407_006_007_VorschalBa 7 005.03.20075.03.2007 13:07:5013:07:50 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

PERU: Das Fußballturnier im Amazonasgebiet, im Dreiländereck Brasilien, Kolumbien und Peru, hat Andreína (li.) und Maria, zwei Peruanerinnen, angelockt – Seite an Seite spielen sie in einem Team

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rrund0407_008_013_Schnellsch_Nund0407_008_013_Schnellsch_N 8 008.03.20078.03.2007 22:32:5622:32:56 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

TOGO: Yao (vorne rechts) trifft sich täglich mit seinen Freunden zum Spiel. Am Mittag genießen sie den Schatten auf der kleinen Tribüne. Er hat sein Juve-Trikot auf dem Markt seines Dorfes gekauft

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PORTUGAL: In der Basilika von Fatima wird der Fußballgott vermutet, die kroatischen Anhänger beten für ihre Mannschaft

ANGOLA: Luis lebt in Oncocua, einem Dorf im angolanischen Nichts. Sein Trikot ist seine zweite Haut, er trägt es jeden Tag – „ich habe kein anderes“

ITALIEN: Obwohl ihr Verein, Juventus Turin, nicht mehr in der Serie A spielt, fährt Carla mit ihren Eltern zu jedem Spiel. Was sie niemals erfahren darf: Ihr Trikot ist leider kein Original

THAILAND: Bau arbeitet in einem Restaurant auf der Insel Ko Phangan. Er trägt jeden Tag ein anderes Trikot. Während der Arbeit lässt er sich die Ergebnisse der Bundesliga per SMS auf sein Handy schicken

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rrund0407_008_013_Schnellsch_Nund0407_008_013_Schnellsch_N 1010 008.03.20078.03.2007 22:33:0222:33:02 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

TUNESIEN: Francesco Totti ist in Tunis noch nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren, das Trikot der italienischen Nummer zehn taucht dennoch Woche für Woche in der Stadtbahn auf – Karim ist Fan des Italieners

KOLUMBIEN: Deisy lebt in Segovia, 200 Kilometer entfernt von Bogotá. Frauen werden in Segovia oft Opfer von Gewalttaten. Um den Umgang der Geschlechter untereinander zu verbessern, kickt sie mit Männern und Frauen in einem Projekt: „Fútbol por la Paz“ – Fußball für den Frieden

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rrund0407_008_013_Schnellsch_Nund0407_008_013_Schnellsch_N 1111 008.03.20078.03.2007 22:33:0522:33:05 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

MALI: Das dreitägige ‚Festival Au Desert‘ fi ndet seit sieben Jahren in der Südsahara statt. Auch Ibrahim, der junge Pfandsammler im Trikot, genießt das Konzert der Tuareg-Nomaden – wer Messi ist, weiß er nicht

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rrund0407_008_013_Schnellsch_Nund0407_008_013_Schnellsch_N 1212 008.03.20078.03.2007 22:33:0922:33:09 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

SIMBABWE: Mindestens dreimal pro Woche zieht Bernard das Nationaltrikot an, um zu kicken. Sein Lieblingsklub ist der FC Arsenal, sein Vorbild Thierry Henry. Seine Gegenspieler fürchten ihn – er ist ein harter Verteidiger

SLOWAKEI: Die Teamkollegen von Miroslav nennen ihn nur Milo. Auf der Linie hält der Keeper stark, seinen Unterhalt verdient er durch Gele- genheitsjobs. Er hat vier Kinder, sechs Enkel und keine Frau mehr, die sein Lieblingsoutfi t wäscht

BRASILIEN: Bruna und Ana gehören zum Indianerstamm der Ticuna. Ihre Elf ist das erste Team, das aus den Ureinwohnern der Region besteht

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rrund0407_008_013_Schnellsch_Nund0407_008_013_Schnellsch_N 1313 009.03.20079.03.2007 14:03:2414:03:24 UhrUhr AM BALL Feldsalat

„Es gibt gewisse Voraussetzungen, die dazu führen, dass ich Menschen begeistern kann und andere, die dazu führen, dass ich genau so gut mit einer JÜRGEN KLOPP, TRAINER DES FSV MAINZ 05, FOTO IMAGO Mikrowelle reden könnte.“

WAS MACHT GOMEZ? „Einfach noch der Mario“ Nationalspieler MARIO GOMEZ kommt inzwischen auf über 60 Ligaeinsätze für den VfB Stuttgart und zählt zu den Toptorjägern dieser Spielzeit. Seit vergangenem Sommer begleitet RUND den 21-Jährigen auf seinem Weg und fragt jeden Monat: Was macht Gomez? VON ELKE RUTSCHMANN, FOTO AXL JANSEN

tern leben in Granada, verfolgen über die spa- en spielen würde, dann wären die Sympathien nischen Medien, wie sich der prominente En- auch klar verteilt. Allerdings mit einer Ein- kel entwickelt. José Gomez und seine deutsche schränkung. „Ich drücke Deutschland die Dau- Frau Christa leben trotz des zauberhaften Auf- men – aber nur wenn Mario mitspielt.“ stiegs von Mario ihr Leben weiter und sind Doch wie viel Spanien steckt nun in Mario froh, dass der Sohn in Unlingen „einfach noch Gomez? „Ich beherrsche Spanisch als Umgangs- der Mario“ sein kann. sprache, liebe spanisches Essen, das Meer und Identitätsprobleme hat der 21-Jährige nie ge- natürlich den FC Barcelona“, verrät Mario. Das habt, fühlte sich nie hin- und hergerissen zwi- Stadion Camp Nou kennt er aber bislang nur „Froh für Deutschland zu spielen“: schen den beiden Nationalitäten. „Ich bin sehr von einer Besichtigung. Das könnte sich än- Mario Gomez spielt nun häufi ger im DFB-Dress froh, dass ich für Deutschland spielen darf“, dern, falls der VfB in der kommenden Saison sagt Mario Gomez. Als irgendwann die erste in der Champions League spielt. Jetzt freut er Wenn der Malermeister José Gomez den Auf- Einladung des DFB für die U15-Nationalmann- sich auf den nächsten Einsatz in der DFB-Elf. trag für eine Renovierung bekommt und an schaft kam, war für den Stürmer klar, dass er Gegen die Schweiz hat der Torjäger die Hym- der Wand im Kinderzimmer ein Poster seines das Trikot mit dem Bundesadler tragen will. ne nicht mitgesungen. „Das hat nichts damit Sohnes Mario entdeckt, ist er schon ein biss- „Das liegt auch daran, dass die Spanier im Ge- zu tun, dass ich halber Spanier bin. Ich habe chen stolz. „Wir freuen uns sehr über das, was gensatz zur Türkei im Ausland kaum sichten, das auch in den Jugendmannschaften so ge- Mario bislang erreicht hat, aber ich wäre auch weil der eigene Nachwuchs sehr stark ist“, er- halten und wollte bei meinem ersten Einsatz stolz auf ihn, wenn er wie ich Handwerker ge- zählt José Gomez. Er selbst verspürte keine so wenig wie möglich ändern“, erzählt Gomez. worden wäre“, sagt der Vater. Mit 15 Jahren ist Wehmut als sein Sohn gegen die Schweiz sein Er sei eben ein Gewohnheitstier. Bei der spa- er nach Deutschland gekommen, hört sich an erstes A-Länderspiel bestritt. Und falls die nischen Hymne „Königsmarsch“ hätte Gomez wie ein waschechter Unlinger und sagt: „Ich Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw übrigens auch nicht mitgesungen – sie hat gar fühle mich eigentlich als Europäer.“ Seine El- bei der EM im kommenden Jahr gegen Spani- keinen offi ziellen Text.

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rrund0407_014_019_Feldsalat_Nund0407_014_019_Feldsalat_N 1414 008.03.20078.03.2007 19:35:3719:35:37 UhrUhr AM BALL Feldsalat

SEAN DUNDEE RAINER RAUFFMANN Der damalige Stürmer des KSC sollte 1995 für Südafrika Vom Meppener zum Nationalhelden – das schafft man im Spiel gegen Deutschland aufl aufen. Doch er meldete ERNST WILLIMOWSKI wohl nur mit einem Wechsel der Staatsbürgerschaft. Da- sich krank, weil er lieber für Deutschland kicken wollte. Der für entschied sich der aus Bayern stammende Rainer Rauf- DFB überredete Dundee, Deutscher zu werden, und Ber- Er galt als einer der besten Stürmer seiner Zeit. Als Ernest fmann im Jahre 2002. Kein Wunder, traf er auf Zypern nicht ti Vogts nominierte ihn dreimal. Gespielt hat er nie. Aber Wilimowski schoss er Tore für Polen, als Ernst Willimowski nur seine Ehefrau, sondern plötzlich auch das Tor: Für Omo- aus der Weltkarriere wurde ja auch nichts. stürmte er nach dem Überfall auf Polen für Nazideutschland nia Nikosia knipste er in 152 Spielen 181-mal. und die Elite-Soldatenmannschaft „Die Roten Jäger“. Auch weil er dadurch seiner Mutter Pauline helfen konnte, die im KZ Auschwitz inhaftiert war.

ELF AUSLANDSDEUTSCHE PODOLSKIS AHNEN FERYDOON ZANDI ∫ MIRKO VOTAVA FOTOS IMAGO, PICTURE ALLIANCE, Kommt aus Ostfriesland, Mama deutsch, Papa Iraner. Star Gerne hätte er mitgespielt, aber Jupp Derwall ließ ihn im beim VfB Lübeck, dann Betzenberg, Koblenz und jetzt zyp- WITTERS, ZANDER Spiel gegen die CSSRˇ bei der EM 1980 nicht ran. Mirko rische Liga. Hat fünfmal für die deutsche U21-National- Votava hatte seine Karriere bei Dukla Prag begonnen, ehe mannschaft gespielt, sich dann vor zwei Jahren für den Iran er in den Westen übersiedelte und einen deutschen Pass entschieden, obwohl er bis dahin nie dort war. Aber Freun- beantragte. Nur fünf Länderspiele machte der überzeugte de berichteten dem Fery, „wie schön es dort sei“. Schnauzbartträger für den DFB.

RAINER BONHOF 30 Jahre nach dem WM-Finale 1974 verlangten hollän- JUPP POSIPAL dische Medien die Wiederholung. Als Rainer Bonhof zum MANFRED SCHAEFER ersten Mal für die DFB-Jugendauswahl spielte, ausgerech- „Sag Liebrich, ich werde ihm den Ball so oft durch die Bei- net gegen Holland, besaß er noch seinen niederländischen Manfred Schaefer sollte als Australiens Vorstopper Gerd ne spielen, wie ich Lust habe“, sagte Ferenc Puskás beim Pass. Eingebürgert wurde er erst danach. Aber Weltmeis- Müller bei der WM 1974 in Deutschland aufhalten. Was ersten Ungarn-Spiel 1954 zu Jupp Posipal. Der, als Bana- ter ‘74 sowie Vorbereiter des 2:1 ist und bleibt er. dem Milchmann aus Sydney beinahe gelang. Müller traf terschwabe im rumänischen Lugoj geboren, sprach Unga- beim 0:3 tatsächlich nur einmal, der in Königsberg ge- risch und tat wie geheißen. Liebrich trat Puskás um. Dol- borene und in Niedersachsen aufgewachsene Schaefer metscher Posipal wurde Weltmeister. konnte nach der Vorrunde wieder Milch ausliefern.

DARIUSZ WOSZ Als Hinterhofkicker im polnischen Piekary Sla˛skie´ ange- TOM DOOLEY fangen, Auswanderung in die DDR, gar Nationalspieler der BERND KRAUSS Deutschen Demokratischen Republik. Dann Zwangswech- Ein Pfälzer wird Kapitän der USA. Kein Märchen! Vor der sel in die BRD, Lieblingsessen immer noch die Gurken- Gebürtiger Dortmunder, spielte bei den Borussias aus WM 1994 machte der amerikanische Verband dem Sohn suppe von Mama und schließlich der Höhepunkt als Dortmund und Mönchengladbach und nahm die österrei- eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter das Ange- Herthaspieler: Dariusz spielte bei GZSZ mit. chische Staatsbürgerschaft an. 22-mal schnürte er für das bot für die Nationalelf der USA zu spielen. Onkel Tom wur- Alpenland die Schuhe. Die gerechte Strafe: Er musste bei de US-Bürger, durfte aber seine deutsche Staatsbürger- der Schande von Gijón, dem verschobenen Spiel gegen schaft behalten. Die Ausbeute: 81 Länderspiele. die BRD bei der WM 1982, auf dem Platz mittun.

∫Wir suchen: Die elf schönsten Torjubel der Fußballgeschichte. Schreiben Sie an: [email protected]. Stichwort: Torschrei.

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rrund0407_014_019_Feldsalat_Nund0407_014_019_Feldsalat_N 1515 008.03.20078.03.2007 19:35:4119:35:41 UhrUhr AM BALL Feldsalat

BILDERRÄTSEL WAS IST DAS DENN FÜR EIN KLUB?

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Hier gibt’s Gewinne!!!!!

Welcher Bundesligaverein geht so farbig mit dem Arbeitsende um? Bringen Sie die Buchstaben in die richtige Reihenfolge und senden Sie die Lösung bis zum 16. April 2007 an: Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Ham burg; Fax 040-80 80 686-99 oder [email protected], Stichwort: Feierabend. Wir verlosen drei Ausgaben des schön illustrierten Fußballkartenspiels „Hattrick“ von Marcel Bitter. Das Lösungswort des Märzrätsels lautet: Schattenriss B. Die Gewinner der Trikotsätze der Firma Takko werden im nächsten Heft bekanntgegeben. Die Gewinner der fünf DVDs „Profi s. Ein Jahr Fußball mit Paul Breitner und Uli Hoeneß“ (Sony/BMG, www.silberpfeil.net) aus dem Februarheft gehen an: D. Joisten, Köln; D. Wendland, Weil am Rhein; A. Rinke, Hannover; M. Bimberg, Kirchheim/Teck; D. Einhaus, Lindlar. Die Gewinner werden von uns benachrichtigt.

DAS BESONDERE INTERVIEW „Am Anfang hat es Überwindung gekostet“ Für WOLFGANG KOPP (39) und seine Frau ELVIRA (41) sind Bundesligaspiele harte Arbeit. Am Bahnhof in Mönchengladbach oder Gelsenkirchen sammeln sie die Dosen und Flaschen, die die Fans wegschmeißen INTERVIEW SEBASTIAN PETERS, FOTOS DAVID KLAMMER

Wie ist das Gefühl, das einsammeln zu machen wollen. Wir merken, wenn Ärger in WK Wir teilen das auf. Elvira wartet bei den müssen, was andere Menschen wegwerfen? der Luft liegt. Dann verziehen wir uns lieber. Tüten und passt auf. Ich schaue in die Müllei- WOLFGANG KOPP Am Anfang hat es Über- Besonders nach Niederlagen, wenn viele Fans mer und achte natürlich darauf, wer sein Bier windung gekostet. Inzwischen ist es uns nicht aggressiv sind. fast leer getrunken hat. Da gehe ich dann hin. mehr peinlich. Wir tun ja was Gutes: Wir hel- Sie sind nicht alleine. Sie haben Konkurrenz, Man muss fl ott sein, wenn man Pfand sam- fen, den Bahnhofsvorplatz sauber zu halten. die ebenfalls sammelt. Gibt es da manchmal melt. In Gladbach ist die Konkurrenz nicht so Wie viel nehmen Sie durch das Pfand ein? auch Streitigkeiten? groß. Auf Schalke sind noch drei andere Samm- ELVIRA KOPP Kommt drauf an. Bei Fußball- EK Man muss schnell sein. Und mein Wolf- ler dort, wo wir stehen. Einer davon ist sehr spielen im Sommer mehr als im Winter, wenn gang ist schnell! Manchmal ist er fast zu hek- gut. Da muss ich richtig aufpassen, dass der nicht so viel Bier getrunken wird. tisch. Der konzentriert sich ganz auf das Sam- mir nicht den Rang abläuft. WK Heute werden es wohl 70 Euro werden. meln. Der kann sich da richtig reinsteigern. Was sagen die Kioskbesitzer, wenn Sie nach Viele Acht-Cent-Flaschen, einige mit 25 Cent. dem Sammeln mit den Flaschen ankommen? An guten Tagen macht das bis zu 100 Euro. WK Das Sammeln selber ist halb so wild. Aber Wir sammeln in zwei Stadien, bei Schalke 04 wenn der Kioskbesitzer wieder meckert, weil und Borussia Mönchengladbach. In Gelsen- wir ihm zu viele einzelne Flaschen bringen, kirchen kann man viel mehr Geld machen als dann schämen wir uns schon ein wenig. Elvi- hier in Gladbach, weil dort viel mehr Plastik- ra will das nie machen. Deshalb übernehme fl aschen rum liegen. Die bringen mehr Geld. ich den Job. Wenn wir nach Hause fahren, ge- Werden Sie öfter mal von Fans beschimpft? ben wir auf dem Weg meist an jedem Kiosk so WK Ach, wir Pfandsammler gehören mittler- 20 bis 25 Flaschen ab. Und den Rest dann zu weile zum Fußball fast schon dazu. Wenn die Hause im Großmarkt. eigene Mannschaft gewonnen hat, sind die Wie lang ist Ihr Arbeitstag? Fans aber sowieso ziemlich nett. Viele Fuß- WK Heute waren wir um 13 Uhr am Bahnhof, ballfans schenken uns ihre Flaschen. Niemand haben uns schon mal umgesehen und über- hier bringt sein Pfand selbst weg. Meckern tun legt, wo wir uns hinstellen. Wenn das Spiel wenige. Nur manche, die ihren Frust an uns läuft und alle Fans im Stadion sitzen, machen auslassen und sich vor ihren Freunden groß „Schnell sein“: Pfandfi nder Elvira und Wolfgang Kopp wir uns meist auf den Heimweg.

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rrund0407_014_019_Feldsalat_Nund0407_014_019_Feldsalat_N 1616 008.03.20078.03.2007 19:35:4519:35:45 UhrUhr AM BALL Feldsalat ++KLEINKLEIN++ KUALA LUMPUR – Der FC Esteghlal Teheran, einer der UNTER DER ZEITLUPE erfolgreichsten Fußballvereine des Iran, wurde aus der Asiatischen Champions League ausgeschlossen. Er ROQUE SANTA CRUZ hat versäumt, rechtzeitig eine Spielerliste einzureichen, teilte der asiatische Verband AFC mit. Im letzten Jahr wurden aus einem ähnlichen Grund Vereine aus Thailand und Indonesien ausgeschlossen. ++++++++++ MIAMI – Der frühere Präsident des kolumbia- nischen Fußballvereins Independiente Santa Fe aus Bogotá, Luis Eduar- do Mendez, steht wegen des Vorwurfs Kokain in die USA geschmuggelt zu haben, vor einem Ge- richt in Miami. ++KLEINKLEIN++ KAMPALA – Der ugandische Fußballverband Fufa hat der UPDF, der Armee des Landes, 55 Fußbälle geschenkt. Die Spende ist für die Fußballmeisterschaft der verschiedenen Waffengattungen gedacht. „Es ist eine Spende zur richtigen Zeit“, erklärte General Katumba Wamala. „Sie wird die Fußballentwicklung Als 18-jähriges „Jahrhunderttalent“ (l.), vom paraguayischen Armeesportklub in den Streitkräften verstärken. zu den Bayern, dann verletzt und wieder verletzt, ++++++++++ heute Frauenschwarm statt Fußballstar (r.): Du Roque, wir Fans! ATHEN – Ein lieber FOTOS IMAGO ungenannt blei- bender französischer Fußballtrainer gab der griechischen Polizei den entschei- denden Tipp zur Aufdeckung eines UMFRAGE illegalen Prostituier- tenrings. Wie die Zeitung „Kathimerini“ berichtet, traf Jeden Monat fragt Sie RUND nach Ihrer Meinung. er sich mit einer Frau aus Moldawien, die er nach Frank- reich holen wollte. Als ihr Zuhälter versuchte, die Aus- Dieses Mal wollten wir von Ihnen wissen: reise zu verhindern, verständigte der Trainer die Polizei. ++++++++++ WO SOLL MIROSLAV KLOSE JERUSALEM – Toto Tamuz, 18, wuchs in Israel auf, spricht fl ießend hebräisch, spielt für den Spitzen- klub Beitar Jerusalem in der ersten Liga und traf als IN DER NÄCHSTEN SAISON SPIELEN? Stürmer auch schon für die Nationalelf. Allerdings hat (die Online-Umfrage im Februar) der Sohn nigerianischer Eltern weder einen israelischen noch nigerianischen Pass, er hat den Status des Ille- galen aber Geduldeten. Verband, Verein und Öffentlich- keit fordern jetzt die volle Staatsbürgerschaft für Tamuz. 53,4% ++KLEINKLEIN++ RIO DE JANEIRO – Carlos Dunga, Trainer der brasilia- nischen Nationalmannschaft, musste sich nach der 0:2-Pleite seines Teams gegen Portugal Anfang Februar nicht nur für das 18,9% Spiel entschuldigen. In Kritik 15,6% geriet er auch, weil er ein grelles Schwarz-weiß-Hemd mit auf- 7,6% gemalten falschen Hosen- 4,4% trägern trug. „Vor allem möchte ich richtig stellen, dass es Werder FC Barcelona Bayern München SG Blaubach-Diedelkopf Juventus Turin kein buntes, sondern ein weißes (sein Heimatverein) Hemd mit schwarzen Blumen war“, teilte Dunga nach der Niederlage mit. FOTO IMAGO Jeden Monat stellen wir Ihnen auf unserer Homepage eine RUND-Frage zum aktuellen Fußballgeschehen. Das Ergebnis folgt im Heft darauf. Unter www.rund-magazin.de/voting können Sie jederzeit abstimmen. Im vergangenen ++++++++++ Monat nahmen 4189 Personen teil.

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rrund0407_014_019_Feldsalat_Nund0407_014_019_Feldsalat_N 1717 008.03.20078.03.2007 19:35:4719:35:47 UhrUhr AM BALL Feldsalat

MAROTTE DES MONATS COOLER AUGENBLICK Auch wenn Bundestrainer JOACHIM LÖW immer kontrolliert wirkt, kann er doch eines nicht lassen: Redet er über Fußball, schweift sein Blick immer ab zu einem bestimmten Punkt MATTHIAS GREULICH, FOTO IMAGO

Jogi Löw ist ein cooler Hund. Bei Länderspielen steht er stoisch an der Linie. Der Bundestrainer bleibt stets kontrolliert. Fällt ein Tor sei- ner Elf, ballt er die Faust. Das war’s. Aber der Analytiker kann auch anders. Im persönlichen Gespräch über modernen Systemfußball zeigt er sich außergewöhnlich temperamentvoll und erreicht die Grenzen der Selbstkontrolle. Er kann sein Gesicht nicht ruhig halten. Immer wieder reißt er abrupt den Kopf herum, schaut auf einen Punkt am linken Handgelenk, als ob da auf einem Fußballfeld etwas geschehe, was man im Auge behalten müsse. „Was haben Sie da, Herr Löw?“, möchte man fragen. Aber da ist natürlich nichts. Der Bundestrainer macht das in Intervallen von mehreren Minuten, er kann eben nicht anders. Anfangs macht der Gesprächspartner die wilden Drehungen unwillkürlich mit, dann nicht mehr. Reine Gewöhnungssache. Ein cooler Hund ist er trotzdem, der Jogi Löw.

TRAUMSPIEL „Wie im Rausch gehalten“ Der jetzige Dortmunder Borusse ROMAN WEIDENFELLER erinnert sich nur zu gern an sein erstes Europapokalspiel auf dem Betzenberg. Doch für das wichtigste Spiel seiner Karriere war er zunächst gar nicht vorgesehen AUFGEZEICHNET VON KONRAD STAHLSCHMIDT, FOTO IMAGO

gen des Spieltags brach sich unser damaliger war schon in der fünften Minute, und von da Stammtorwart Georg Koch im Abschlusstrai- an bekam ich pausenlos Bälle auf mein Tor. ning auch noch den Fuß. Ich habe dann fast wie im Rausch gehalten. Mir war natürlich sofort klar, was die Stun- Obwohl die PSV Eindhoven an diesem Tag sehr de geschlagen hatte: Ich musste kurzfristig ins stark war, haben wir schließlich durch ein Tor Tor. Zunächst war ich ziemlich aufgeregt, da kurz vor der Pause mit 1:0 gewonnen. „Ich habe fast wie im Rausch gehalten“: ich ja wusste, was alles auf dem Spiel stand, Dieses Spiel war mein ganz persönlicher Weidenfeller als junger Torwart beim FCK aber Georg Koch hat versucht, mir die Nervo- Durchbruch. Es war nicht nur eines meiner sität zu nehmen und hat mich dann aufs Spiel besten Spiele, es hat mich auch geprägt, es war eingestellt. Ich erinnere mich, dass ich an die- die Initialzündung für meine Karriere. Einfach Mein Traumspiel war gleichzeitig eine Pre- sem Tag in aller Munde war und dass alles sehr, traumhaft! Klar schaut man sich so ein Spiel miere – mein erstes Europapokalspiel. Mit dem sehr schnell ging. dann gerne noch einmal von der Couch aus 1. FC Kaiserslautern spielten wir das Hinspiel Im Spiel wurden wir gleich von Anfang an an und genießt, wie das alles damals abgelau- im Viertelfi nale des Uefa-Pokals gegen die PSV hinten reingedrängt. Unser ganzer Abwehr- fen ist. Bis heute werde ich immer noch von Eindhoven, die damals um Ronald Waterreus verbund hat aber dagegengehalten und ein tol- Leuten angesprochen: Da sei doch mal so ein im Tor und Mark van Bommel eine grandiose les Spiel abgeliefert. Meine Nervosität legte Spiel gewesen mit einem jungen Weidenfeller Mannschaft hatte. Und ausgerechnet am Mor- sich, als ich den ersten Ball gehalten hatte. Das als Torwart gegen PSV.

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rrund0407_014_019_Feldsalat_Nund0407_014_019_Feldsalat_N 1818 008.03.20078.03.2007 19:35:5619:35:56 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

Vergangenheit und Zukunft: Exnationalspieler Mustafa Dogan ˘ (o.), DFB-Hoffnung Mesut Özil (r.)

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2020 008.03.20078.03.2007 22:17:0022:17:00 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

DIE TÜRKEN KOMMEN

Wieder einmal hat der DFB die Zeichen der Zeit verschlafen: Spieler mit ausländischen Wurzeln wurden jahrelang ignoriert, die Integration verpasst. Wer aber Erfolg haben will, kommt nicht mehr an ihnen vorbei. Die KINDER DER EINWANDERER sind die Zukunft des deutschen Fußballs. Das Gesicht der Nationalelf wird schon bald ein anderes sein

VON MATHIAS HEYBROCK, MARTIN KRAUSS UND MALTE OBERSCHELP, ILLUSTRATIONEN TONI SCHRÖDER

Mustafa Do˘gans zweites Länderspiel war ein ganz besonderes. Wenn auch ein besonders kurzes. Im Oktober 1999 wurde er im EM-Quali- fi kationsspiel gegen die Türkei – das Münchner Olympiastadion war fest in türkischer Hand – eine Minute vor Schluss eingewechselt. Sport- lich ergab das wenig Sinn, es stand 0:0, was sollte da ein weiterer Manndecker? Es ging um die Geste, ein Jahr nach der WM 1998 mit ihrem multikulturellen Sieger Frankreich. Do˘gan, 1992 eingebürgert, war der erste türkischstämmige Spieler in der deutschen Nationalelf. Und das ganze Stadion pfi ff ihn aus. Fast auf den Tag genau sechs Jahre später gab ein anderer in Deutsch- land aufgewachsener Türke sein Länderspieldebüt. Auch Nuri ¸Sahin wurde eingewechselt, rechtzeitig genug allerdings, um in Istanbul das entscheidende Tor zu erzielen – das 2:0 gegen Deutschland. Bis zu- letzt hatte der DFB versucht, ¸Sahin für sich zu gewinnen, doch er kam zu spät. Als Kapitän der türkischen U17 hatte ¸Sahin nicht mehr wech- seln wollen. Und ein ganzes Land jubelte. So unterschiedlich können trotz gleicher Voraussetzungen Karrie- ren verlaufen. Mustafa Do˘gans Familie kam nach Duisburg, als er zwei Jahre alt war, Nuri ¸Sahin ist in Lüdenscheid geboren. Beide lernten

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2121 008.03.20078.03.2007 22:18:0122:18:01 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

Längst hat in Deutschland ein Werben um die Talente begonnen, die Mehmet oder Hakan heißen

Sprache und Fußball in Deutschland. Doch während Do˘gans Berufung – er machte nach München nie wieder ein Länderspiel – wie ein hilfl o- ser Refl ex auf die französische Einbürgerungspolitik wirkte, war ¸Sa- Geboren in Lüdenscheid: der türkische Nationalspieler Nuri Sahin¸ (r.), BvB hins Zukunft Thema einer öffentlichen Debatte. Schließlich ist er ein europaweit hoch gehandelter Nachwuchsstar. Längst hat in Deutschland ein Werben um die Talente begonnen, nischstämmige Talente nach. Irgendwann braucht das Team auch die die Mehmet und Hakan, Giuseppe und Massimo oder Goran und Zla- türkischen Namen“, glaubt Mustafa Özil. Er ist der Vater des 18-jäh- tan heißen. Das war einmal anders. „Es gab früher oft die Einstellung, rigen Talents Mesut Özil, das diese Saison in den Schalker Profi kader dass wir genügend gute Spieler haben, und wenn wir einen verlieren, aufgerückt ist und bereits mehrfach eingewechselt wurde. Neben Fathi dann nehmen wir halt den anderen“, gibt Theo Zwanziger zu. Das will und dem Stuttgarter Serdar Ta¸sçı ist Özil einer der wenigen türkisch- der DFB-Präsident ändern. Das muss er auch, soll die Nationalmann- stämmigen Spieler, die sich für die Perspektive in den deutschen Aus- schaft langfristig in der Spitze mitspielen. Die Bevölkerungsentwick- wahlteams entschieden haben (siehe Interview Seite 24). Als einer der lung lässt dem deutschen Fußball keine andere Wahl. wenigen hat er es auch bis an die Schwelle einer aussichtsreichen Pro- Die Prognosen erwarten bis zum Jahr 2050 zehn bis 20 Millionen fi karriere geschafft. Einwohner weniger. Dazu kommt die Überalterung der Gesellschaft. Denn das ist das eigentliche Problem: Nur ein Bruchteil der auslän- Der einzige Faktor, der beide Trends abbremst, ist die Zuwanderung. dischen Spieler erreicht überhaupt ein so hohes Leistungsniveau, dass Durch die Einwanderer selbst zum einen, zum anderen aber auch durch sie sich für eine Nationalelf entscheiden müssen. Und das, obwohl die die Tatsache, dass ausländische Frauen mehr Kinder zur Welt bringen Kinder der Einwanderer in der Jugend oft in der Mehrzahl sind. „In als deutsche. Schon heute stellen Spieler mit migrantischem Hinter- den unteren Klassen und bei kleinen Vereinen ist es für diese Spieler grund in den Ballungsgebieten das Gros vieler Jugendmannschaften, viel schwieriger. Der DFB kommt eigentlich erst ins Spiel, wenn die ohne sie müssten viele Vereine zusperren. Die Kinder der Einwande- Jungen diesen schwierigen Weg bewältigt haben“, sagt Nuri Sahins rer sind die Zukunft des deutschen Fußballs. Seit etwa zehn Jahren bildet sich dieser Trend im Nationalteam be- reits ab (siehe Zeitleiste Seite 26/27). Doch die größte Einwanderer- gruppe, die Türken, spielt in der DFB-Elf so gut wie gar nicht mit. Knapp 1,8 Millionen Türken leben in Deutschland, weitere 840.000 haben sich einbürgern lassen. Das sind mehr als drei Prozent der Be- völkerung. Aber nach dem gescheiterten Versuch mit Mustafa Do˘gan dauerte es bis August 2006, bis erneut ein türkischstämmiger Spieler in der Nationalelf aufl ief: Malik Fathi von Hertha BSC. Auch die Ita- liener und die Exjugoslawen bleiben meist außen vor. „Heute hat die Nationalmannschaft ja schon ihre Polanskis und Po- dolskis. Aber irgendwann kommen vielleicht nicht mehr so viele pol-

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Geboren in Herne: der türkische Nationalspieler Yıldıray Ba¸stürk, Hertha BSC

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2323 008.03.20078.03.2007 22:18:1722:18:17 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

„ICH MUSSTE MIR WORTE WIE ,VERRÄTER‘ ANHÖREN“

Der 18-jährige MESUT ÖZIL ist in Gelsenkirchen geboren. Mit der A-Jugend von Schalke 04 wurde er 2006 Deutscher Meister, nun schaffte er den Sprung ins Bundesligateam. Zudem feierte er kürzlich sein Debüt in der U19 des DFB. Sein Vater und er nennen die Gründe, warum er sich nicht für die türkische Auswahl entschieden hat

Mesut Özil, Sie haben die türkische und die zeln: Sie müssen sich doppelt so sehr anstren- deutsche Staatsbürgerschaft. Warum haben gen, um berücksichtigt zu werden; sie müs- Sie sich für die deutsche Nationalmannschaft sen viel mehr tun, um die Chance zu erhalten, entschieden? sich weiterzuentwickeln. Das sage ich nicht MESUT ÖZIL Ich habe jetzt nur noch den aus dem Bauch heraus. Das ist eine Tatsache, deutschen Pass. Vergangene Woche waren wir die ich jahrelang beobachten musste. auf dem türkischen Konsulat und haben die In der Nationalelf gibt es längst Spieler, die Formalitäten erledigt. Für die deutsche Natio- zum Beispiel polnische Wurzeln haben. nalmannschaft habe ich mich nach Gesprächen Türkische Namen fi ndet man selten. Schon gar mit meinem Vater und der ganzen Familie ent- nicht in einer Größenordnung, die dem Anteil schieden. Auch mit Schalkes Manager Andre- an der Bevölkerung entspricht. Warum nicht? as Müller haben wir uns beraten. MESUT Aus meinem Jahrgang kenne ich viele Herr Özil, wie schwer ist Ihnen dieser Schritt Jugendliche, deren Eltern sagen: „Wenn über- denn gefallen? haupt, dann spielst du für dein Herkunftsland.“ MUSTAFA ÖZIL Er ist uns leicht gefallen. Ich Und zwar lange, bevor der deutsche Verband bin mit zwei Jahren nach Deutschland gekom- überhaupt anklopfen konnte. men, ich lebe und arbeite seit nun bald 40 Jah- MUSTAFA Da spielt der Nationalstolz schon

ren in diesem Land. All unsere Kinder sind hier eine Rolle, weil die erste Generation der Ein- „Es ist uns leicht gefallen“: geboren, ich selbst habe die deutsche Staats- wanderer sich in dieser Gesellschaft zwar ge- Mustafa Özil (l.) mit Sohn Mesut bürgerschaft. duldet, aber eben nicht zu Hause fühlte. Heu- Haben sich beide Fußballverbände um Mesut te ist es ja nicht mehr so, doch in den 70ern bemüht? war es für Türken nahezu unmöglich, eine Woh- MESUT Der türkische Verband suchte den nung in einer etwas besseren Gegend zu be- Kontakt zuerst. Es wurden Telefonnummern ausgetauscht, und ich sollte zu einigen Test- „Aus meinem Jahrgang kenne ich viele Jugendliche, deren Eltern spielen eingeladen werden. sagen: ‚Wenn überhaupt, dann spielst du für dein Herkunftsland‘“ MUSTAFA Wir hatten allerdings das Gefühl, dass die sich etwas halbherzig kümmern. Beim kommen. Sie mussten alle in die Randgebiete Hatten Sie bei Ihrer Entscheidung für den DFB war das anders. Zudem hatte Mesut ja – und sich später den Vorwurf anhören, sie DFB auch die Signalwirkung im Auge? auch schon jahrelang in Auswahlmannschaften würden sich abschotten. Insofern muss man MUSTAFA Ja, wir wollen tatsächlich mithel- gespielt – in der Westfalenauswahl und der Verständnis haben, dass manche ihren Sohn fen, dass der Integrationsprozess vorankommt. Niederrheinauswahl. Wir haben überlegt, wo nicht für Deutschland spielen lassen wollen. Die andere Seite tut das inzwischen ja auch – seine Zukunft liegt. Und wir fanden, sie liegt Sie stellen eher die Ausnahme dar? der DFB hat sich wirklich sehr um Mesut be- in der Bundesliga und beim DFB. MUSTAFA Ich denke anders als viele aus mei- müht. Als Andreas Müller dem DFB-Sportdi- Mesut, was zählt im Verein? Die Leistung? ner Generation. Daher musste ich mir auch rektor unsere Entscheidung Oder spielt der kulturelle Hintergrund auch Worte wie „Verräter“ anhören. mitteilte, hat der sich total gefreut. Und wenn eine Rolle? Nachdem Mustafa Do˘gan sich Mitte der ein Spieler so etwas merkt, fühlt er sich ganz MESUT Ich würde sagen, dass heute nur die 90er-Jahre für den DFB entschieden hatte, ist automatisch anerkannt und auch gleichberech- Leistung zählt. Aber in der Jugend war das er von Türken ausgepfi ffen worden. tigt. Und wenn Mesut dann mit der Nummer schon noch ein bisschen anders. MUSTAFA Ja, damals war das bestimmt noch zehn in der deutschen U19 aufl äuft, hat das MUSTAFA Mesut hat immer auf hohem Ni- schlimmer als heute. Doch auch mein eigener tatsächlich auch eine gewisse Signalwirkung: veau ge spielt, er wurde immer in den nächst- Schwager hat dagegen protestiert, dass Mesut Wir haben uns entschieden, diesen Weg zu ge- höhe ren Jahrgang vorgezogen – wegen seiner für den DFB spielt. Es sind eben Wunden zu- hen, damit andere sich das auch trauen. Leistung. Und trotzdem hatte er es schwerer. rückgeblieben. Allmählich wird das besser, DAS GESPRÄCH FÜHRTE MATHIAS HEYBROCK, Das gilt für alle Spieler mit ausländischen Wur- wenngleich nicht von heute auf morgen. FOTO MAREIKE FOECKING

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2424 008.03.20078.03.2007 22:18:5022:18:50 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

Je höher das Niveau der Liga, desto stärker sinkt der türkische Anteil

bis auf die höchste Ebene fort. „Es sind banal erscheinende Stol- persteine, deren Wirkungen sich im Laufe der Jahre akkumu- lieren und am Ende den Ausschlag geben“, hat Kalter beobach- tet. Das Anfangsalter ist so einer. Oder die Tatsache, dass der Vater kein Auto hat, um sein Kind zum Spiel zu fahren. Der Migrationsforscher belegt seine These anhand einer Be- obachtung, die zwar nichts mit Zuwanderung zu tun hat, aber Vater Savas Sahin, der selbst als Trainer und Spielleiter tätig ist. „Die die Bedeutung banaler Hindernisse bestätigt: Die meisten Bundesli- Proportion stimmt nicht“, stimmt der Soziologe Frank Kalter zu. „Die gaprofi s werden im September und Oktober geboren, die wenigsten Quote, die es nach oben schafft, ist angesichts der Überrepräsentati- im Juli. Der Grund? Bis 1997 war der Stichtag für die Einteilung der on in den unteren Klassen erstaunlich gering.“ Nachwuchsjahrgänge der 1. August. Deshalb waren alle September- Der Professor an der Uni Leipzig ist Migrationsforscher und Fuß- und Oktoberkinder den anderen Kickern körperlich fast ein Jahr vor- ballfan, er hat den Werdegang ausländischer und deutscher Fußballer aus, und wurden mehr gefördert – bis in die Bundesliga. erstmals detailliert untersucht und in seinem Buch „Chancen, Fouls Eine Reihe türkischer Talente gehen dem deutschen Nachwuchs- und Abseitsfallen. Migranten im deutschen Ligenfußball“ die Ergeb- system auch deshalb verloren, weil sie in die Türkei abwandern. Nicht nisse zusammengefasst: Ausländische und deutsche Jugendliche ha- nur das Büro des türkischen Fußballverbands in Köln, aufgebaut vom ben bis zur A-Jugend etwa die gleichen Chancen. Aber wenn es darauf ehemaligen BVB-Profi Erdal Keser, hält nach jungen Spielern Aus- ankommt, in den Seniorenbereich aufzurücken und sich dort zu be- schau. Galatasaray Istanbul wird dieses Jahr in fünf deutschen Städ- haupten, sind deutsche Spieler deutlich im Vorteil. Je höher das Ni- ten Nachwuchscamps abhalten, in denen 15- bis 17-Jährige vorspielen veau der Liga ist, desto stärker steigt der deutsche Anteil, während der können. Der Erstligist Ankaraspor hat den Oberligisten Berlin Anka- türkische und italienische sinkt. In die Bundesliga schaffen es die we- raspor Kulübü 07 zu seinem Farmteam umfunktioniert. Der Klub fährt nigsten. Und selbst wenn sie es schaffen, entscheidet sich die Mehr- zum Trainingslager regelmäßig in die Türkei, in der Winterpause un- zahl – Yıldıray Ba¸stürk, die Altıntop-Zwillinge oder eben ¸Sahin – ge- terschrieben zehn Spieler bei türkischen Klubs. Dazu unterhalten tür- gen ein Engagement in der deutschen Nationalelf. kische Vereine in Deutschland – zum Beispiel Türkiyemspor Berlin – Warum ist das so? Ist es wirklich die sogenannte Mentalität, mit der gute Kontakte zu türkischen Erst- und Zweitligisten. kurzerhand so viele Unterschiede wegerklärt werden? Frank Kalter „Mobilitätsfallen“ nennt der Soziologe Kalter solche Anwerbungen. hat einen ganz anderen, überraschenden Ansatz. Er hat herausgefun- Lieber schnell Profi in der zweiten türkischen Liga werden, als weiter den, dass türkische Eltern ihre Kinder im Schnitt zwei Jahre später im für eine eventuelle Karriere in der Bundesliga zu trainieren. Der Be- Verein anmelden als deutsche. „Ein systematischer und massiver Start- griff wird übrigens auch verwendet, wenn Zuwanderer in ihren Stadt- nachteil“, meint der Soziologe. Wer früher gefördert wird, hat eher die teilen sichere, aber schlecht bezahlte und perspektivlose Arbeitsplät- Chance, auch die nächste Förderstufe zu erreichen. Das setzt sich dann ze annehmen, anstatt langfristig den Erfolg außerhalb zu suchen.

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2525 008.03.20078.03.2007 22:18:5622:18:56 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

Doch auch Diskriminierung spielt eine Rolle. „Vor allen Dingen an den Stellen, an denen es darauf ankommt: in den unteren Klassen, in der Jugend“, meint Kalter. Der Befund folgt einer einleuchtenden The- orie: Diskriminierung gibt es am wenigsten dort, wo allein das Leis- tungsprinzip gilt – also bei den Profi s. Kein Trainer kann es sich leis- ten, einen Topspieler auf die Bank zu setzen, nur weil er rassistische Ressentiments hat. „Aber sobald die Vereine ehrenamtlich geführt wer- den, kommen leistungsfremde Kriterien dazu“, meint Kalter. „Dann wird es für Migranten schwer, da verlieren viele die Lust.“ Der Mainzer Profi Otto Addo kennt so einen Fall. Er erinnert sich an einen türkischen Mitspieler, der gemeinsam mit ihm in die Erste Herren aufrückte und sich lautstark beim Trainer beschwerte, als ein verdienter deutscher Spieler in der Kabine einen Türkenwitz erzähl- te. „Danach galt er als Stressmacher“, erzählt Addo. „Plötzlich fi ng der Trainer an, Aktionen von ihm im Spiel anders zu bewerten als bei mir, der eher alles geschluckt hat.“ Auch Negerwitze wurden in der Mann- schaft erzählt. „Wenn man nach oben wollte, musste man einstecken können“, sagt der Ghanaer, der in Hamburg zur Welt kam. Addo hat die Erfahrung gemacht, dass Ausländer mehr tun müssen als Deutsche. „Wenn zwei Spieler gleich gut waren, dann hat der Trai- ner lieber den Hans-Werner und nicht den Mehmet genommen“, sagt er. Damit Chancengleichheit herrscht, wäre eine Professionalisierung nötig: gut ausgebildete Trainer an die Basis. Das ist allerdings eine al- te Forderung, die jeder unterschreibt – aber wie beim garantierten Kindergartenplatz in der Politik weiß keiner, wie das fi nanziert wer- den soll. „Wir haben im DFB etwa eine Million Ehrenamtliche. Da fehlt manchmal natürlich der pädagogische oder sozialpädagogische Hintergrund“, sagt Theo Zwanziger. „Der DFB bietet Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur an, aber eine konkrete fi nanzielle Un- terstützung der Vereine ist nicht möglich.“ Zwanziger will am Ehren- amt festhalten und es modernisieren. Etwa durch weitere Zusatzqua- lifi zierungen vor Ort. Die Mutter deutsch, der Vater türkisch: Sportdirektor Matthias Sammer glaubt gar nicht an die These vom Nationalspieler Malik Fathi, Hertha BSC Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Leistungsniveau. „Die gibt es doch auch in höherklassigen Fußballvereinen“, sagt er. Sam- mers Ansatz klingt danach, als habe er seine Philosophie als Spieler in eine Theorie des Handelns überführt. „Der Sport ist davon abhängig, wer ihn vorstellt“, sagt er. „Wer gibt die Führung vor? Wer ist der Trai- ner? Entscheidend sind die Köpfe.“ Das ist natürlich richtig – aber manchmal sind eben genau die Köpfe das Problem. Der DFB wirkt noch ein wenig ratlos, wenn es um die Integration der Zuwanderer geht. Theo Zwanziger hat die Problematik erkannt, und als gesellschaftspolitisch engagierter Präsident ist sie ihm auch erkennbar wichtig. Was der Verband konkret tun kann, ist allerdings die zweite Frage. „Fußball ist die Integrationsmaschine Nummer eins“, sagt Zwanziger, „aber Integration ist auch etwas, woran man arbeiten muss.“ Richtig ist, dass es für viele Einwanderergruppen einfacher ist, im Fußball Anerkennung zu fi nden als im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt – doch das nur bis zu einem gewissen Niveau. 1934 Kloses Ahnen: Fritz Szepan bei der WM. Seine Eltern kamen aus Masu- Eine Maßnahme des Verbands ist es, Menschen mit migrantischem ren ins Ruhrgebiet. Schwager Ernst Hintergrund in die Gremien zu holen. Ende Dezember ernannte der Kuzorra spielte auch in der Nationalelf.

RUND 26

rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2626 008.03.20078.03.2007 22:19:4922:19:49 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

Es geht gar nicht so sehr um die Integration in den Fußball, sondern die Integration in die Gesellschaft

DFB eine Integrationsbeauftragte: Die 47-jährige Gül Keskinler wur- „Das Hauptproblem ist die soziale Herkunft, die versteckt in die Bil- de von der Integrationsbeauftragten des Bundes, Maria Böhmer, vor- dung übergeht“, so Kalter. Von 100 deutschen Kindern gehen 42 auf geschlagen. Die gebürtige Türkin nahm 1998 die deutsche Staatsbür- das Gymnasium, von 100 türkischen nur zwölf. An den Hauptschulen gerschaft an, sie ist CDU-Mitglied, Mitglied der Zuwanderer kommission ist das Verhältnis genau umgekehrt. Wenn die Fußballerkarriere im ihrer Partei und nahm 2006 am Integrationsgipfel der Bundeskanzle- reichen Deutschland auch eine Frage der Bildung geworden ist, liegt rin teil. Zu ihrer neuen Aufgabe beim DFB soll sie sich gleichwohl vor- genau hier der Grund für die kurzen Karrieren vieler türkischer Kids. erst nicht äußern. „Der DFB arbeitet mit Gül Keskinler an der Rechts- Das heißt aber auch: Es geht gar nicht mal so sehr um die Integration ordnung und an der Verfahrensordnung in den Spruchkammern, da im Fußball, sondern die Integration in die Gesellschaft. soll vieles geändert werden“, sagt Zwanziger. Außerdem soll Keskinler Mangelnde Integration ist häufi g auch der Grund, warum die meis- für den Kontakt zu den türkischen Communitys zuständig sein. ten Talente für das Land ihrer Eltern spielen. Selbst wenn ein Yıldıray Integrationsoffensive, Integrationsbotschafter, integrationsfreund- Ba¸stürk sich gar nicht vorstellen kann, in der Türkei zu leben. „Mei- liche Instrumentarien – vieles von dem, was Theo Zwanziger ankün- ner Meinung nach steht im Vordergrund, dass sich die Spieler nicht digt, klingt abstrakt. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Fußball als Deutsche fühlen“, meint Otto Addo. Er spielt für Ghana. „Ich fühle überhaupt viele Einfl ussmöglichkeiten hat. Frank Kalter hat ein ge- mich schon als Deutscher, aber von Teilen der Gesellschaft wirst du wisses Interesse mancher Landesverbände registriert. „Auf einmal ent- nicht als einer anerkannt.“ Einmal wurde Addo dreimal an einem Tag decken alle, dass das ein Problem ist“, sagt er. „Aber diese Antworten von der Polizei angehalten, weil die Beamten einen Schwarzen mit kann man nicht von heute auf morgen geben.“ Mercedes offenbar seltsam fanden. Das liegt zum Beispiel daran: Der Soziologe hat in seiner Studie fest- Darius Zifonun hat eine weitere Erklärung. Er ist ebenfalls Soziolo- gestellt, dass das Vereinseintrittsalter der türkischen Kinder sich dem ge und hat sich in Mannheim mit den türkischen Vereinen beschäf- der deutschen annähert, je besser sie die deutsche Sprache sprechen, tigt. Um dem Ideal der teilnehmenden Beobachtung gerecht zu wer- je mehr deutsche Freunde sie haben und je höher der Bildungsgrad ih- den, hat er sogar eine Schiedsrichterausbildung gemacht und Spiele rer Eltern ist. „Auch die Häufi gkeit der Sporttätigkeit sowie ihr Erfolg gepfi ffen. „Es spielt auch eine Rolle, dass der DFB in der Vergangen- sind hochgradig bildungsabhängig“, sagt Kalter. Das betrifft Durchset- heit kein Auge auf die Migranten geworfen hat“, sagt Zifonun. „Wenn zungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, den Umgang mit Misserfolgen Sie mit den Vätern der heutigen Spieler sprechen, erzählt Ihnen jeder, – auch wenn es gewiss noch unterprivilegierte Talente gibt, für die der wie er nicht in diese oder jene Auswahl kam. Diese Missachtungser- Sport sozialen Aufstieg bedeutet. fahrung ist im kollektiven Gedächtnis aufbewahrt. Der DFB mag sich

EINE KLEINE GESCHICHTE DER EINGEBÜRGERTEN NATIONALSPIELER

1994 Der erste Italiener: Maurizio Gau- 2000 Italoschweizer: be- 2001 Afrika: , geboren 2006 Szepans Erben: In der WM-Start- dino, Sohn eines neapolitanischen Lkw- kam 1998 den deutschen Pass. Anders in Mampong, Ghana, zog mit zwölf Jahren elf stehen die beiden gebürtigen Polen Fahrers, wurde von mit 16 als , der im gleichen Spiel de- nach Deutschland. Später kam mit David und Miroslav Klose. Kolle- Jahren zum deutschen Pass überredet. bütierte, ist Neuville bis heute dabei. Odonkor ein Deutschghanaer dazu. ge Patrick Sinkiewicz war nicht im Kader.

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2727 008.03.20078.03.2007 22:20:2422:20:24 UhrUhr AM BALL Deutsche Ausländer

„Argumente dagegensetzen“: DFB-Präsident Theo Zwanziger

heute Mühe geben, aber das Misstrauen ist noch da.“ Oft sind es genau die Väter, die gegen das Engage- ment in der deutschen Elf sind. DAS 1:0 AM FAMILIENTISCH In der Schweiz (siehe Kasten rechts) hat das bes- Wenn die Schweizer Nationalspieler vor ihren Auftritten der Hymne ser funktioniert. Dort war Kubilay Türkyılmaz bereits lauschen, dann stehen schon lange nicht mehr nur Müllers, Hubers in den 90er-Jahren ein Star in der Nati. Hier hat der DFB und Meiers in Reih und Glied. Heute heißen die besten Eidgenossen umgedacht. „Der türkische Verband hatte seine Agentur, und wir ha- am Ball Blerim Džemaili, Johan Djourou oder Valon Behrami; viele von ihnen gehören zu den „Secondos“, wie in der Schweiz die Nach- ben damals nicht mal unsere Argumente dagegengesetzt“, sagt Zwan- fahren eingewanderter Gastarbeiter genannt werden. ziger. „Nach der WM 1990, der EM 1996 und den Auswirkungen der Auch in Zürich, Basel, Bern und Genf bietet der Fußball oft die große Wiedervereinigung haben sich manche ja für unschlagbar gehalten. Chance, den Lebensstandard zu verbessern. Im Fall des U21-Na tio- nalspielers Zdravko Kuzmanovic ´ haben sich sogar die Eltern ent schie- Wenn du auf einem solch hohen Sockel hockst, gehst du nicht so ag- den, ihren Beruf aufzugeben und mit ihrem damals 17-jährigen Sohn gressiv ran wie andere.“ Heute spricht man selbst mit den Talenten, nach Basel zu ziehen – in der Hoffnung, die Rechnung könnte für die ganze Familie aufgehen. Der Wunsch wurde erfüllt: Im Winter wech- zeigt ihnen Perspektiven auf, besucht die Eltern. Michael Skibbe et- selte Kuz ma novic ´ junior für drei Millionen Euro zum AC Florenz. wa war oft bei den Sahins. Aber es gibt auch Grenzen. Matthias Sam- Kuzmanovic ´ ist bosnischer Herkunft, doch er hat sich entschieden, für mer: „In gewissen Bereichen, nämlich der Familie, können wir nur die Schweiz zu spielen. Viele der Secondos entscheiden sich wie er, die wenigsten wie Mladen Petric, ´ der Toptorjäger der Liga vom FC bedingt Einfl uss nehmen. Wenn Glaubensfragen, Nationalstolz und Basel, der für Kroatiens Nationalmannschaft aufl äuft. Der Grund liegt Identität ins Spiel kommen, haben wir nur bedingt Argumente.“ auch in der professionellen Betreuung der Talente durch den Verband. Früh wird nicht nur Wert auf fußballerische Schulung gelegt, auch Manchmal wird mit harten Bandagen um die Talente gekämpft. Der die Eltern werden regelmäßig mit in die Diskussionen einbezogen, um Deutschmarokaner Adil Chihi vom 1. FC Köln entschied sich erst für zu verhindern, dass sich die Talente gegen eine Handvoll Dollar für den DFB, zwei Monate später revidierte er seine Entscheidung. An- Auf gebote aus heimatlichen Ländern entscheiden. Dass dabei auch Geld fl ießt, wird nicht diskutiert im Land – und ist auch nicht bewiesen. geblich war der marokkanische Botschafter im Auftrag des Königs- Das Bemühen um die jungen Fußballhoffnungen ist nicht neu. Schon hauses bei den Eltern vorstellig geworden. „Wir werden nicht mit un- 1994 sorgte sich der damalige Bundesrat Adolf Ogi höchstpersönlich darum, dass Murat Yakın bei seiner Einbürgerung keine Steine in sauberen Mitteln arbeiten“, sagt Theo Zwanziger zu solchen Fällen. den Weg gelegt würden. Es galt, dem talentierten Türken, der später Wird die Nationalelf des Jahres 2020 also aus lauter Mehmets und in Stuttgart und Kaiserslautern unter Vertrag stand, die Spielberech - Murats bestehen? „Sie sind herzlich willkommen. Aber sie müssen tigung für die WM 1994 zu ermöglichen. Das Parlament des Kantons Baselland sagte trotz heftiger Proteste vom rechten politischen Flügel sich gegen die Deutschen, die Italiener, die Afrikaner durchsetzen“, Ja, und Murat Yakın verließ das Gebäude als stolzer Schweizer. Nur sagt der Sportdirektor. Der Präsident ist optimistischer: „Das ist sehr zur WM fuhr er nicht. Trainer Roy Hodgson hatte ihn aussortiert, auch gut möglich. Wenn Deutschland integrationsfreundlicher wird.“ Von weil er sich einen Friseur ins Mannschaftshotel bestellte. Eingebürgert wurde an jenem Tag auch Hakan Yakın, der jüngere Bruder, später für diesem Wörtchen wenn wird abhängen, ob er recht behält. kurze Zeit ebenfalls in Stuttgart tätig. Ihn hatten türkische Scouts zuvor für ein U17-Testspiel nach Istanbul eingeladen, aber als er den Schweizer Pass erhielt, war auch für ihn das Thema Türkei vom Tisch. IM NETZ Doch ein Selbstläufer ist die Geschichte nicht. Und der Blick auf Mehr zum Thema lesen Sie unter www.rund-magazin.de die Kaderlisten der U17 und U16 besagt, dass die Arbeit auf diesem speziellen Rekrutierungsfeld eher intensiver wird. Bis heute hat die Schweiz speziell gegen die Balkanstaaten und die Türkei das 1:0 in der Regel sehr oft schon am Familientisch erzielt. MICHAEL MARTIN

Heute spricht der DFB selbst mit den türkischen Talenten, zeigt Perspektiven auf, besucht die Eltern

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rrund0407_020_028_Titelgesch_Nund0407_020_028_Titelgesch_N 2828 008.03.20078.03.2007 22:20:4622:20:46 UhrUhr rrund0407_030_033_Lage_de_N 30 u n d AM BALL Lage der Liga 0 4 0 7 _ 0 3 0 _ 0 3 3 _ L a g e _ d e _ N

3 0

DIE LAGE DER LIGA

Wie geht es Ihrem Verein? Und wie der Konkurrenz? Unsere Experten haben den 18 BUNDESLIGISTEN auf die Füße geschaut. Dieses Mal: Aachener Axt, Bremer Frauen und Schalker Jubel

FOTOS DAVID KLAMMER UND BENNE OCHS

1 ZITAT DES MONATS 2 DIESER SPIELER FEHLT 3 DIE WAHRHEIT AUF DEM PLATZ 4 DER FEIND DES MONATS 5 WAR SONST NOCH WAS? 008.03.2007 22:47:59 Uhr 8 . 0 3 . 2 0 0 7

2 2 : 4 7 : 5 9

U h r rrund0407_030_033_Lage_de_N 31 u n d 0 4 0 7 _ 0 3 0

_ BORUSSIA 0 BAYERN MÜNCHEN ALEMANNIA AACHEN FC SCHALKE 04 VFB STUTTGART 3

3 MÖNCHENGLADBACH _ L a g e _ d e _ N

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1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: „Ich hoffe nicht, dass dem einen „Ich gehe nach dem Leistungs- „Wenn ich den Ball auf die Tribüne „Wir sind hoch motiviert und aus- „Ich habe bei Tante Tilly gewohnt. „Der Fan soll träumen, und wenn oder anderen das hier am Arsch prinzip, das ist für mich das Ent- dresche, wird das in der Sport- gestattet mit totaler Konsequenz – Der Lothar hatte eine eigene wir die Träume schüren können, vorbeigeht. Das wäre fatal.“ Torwart scheidende. Und dazu gehört schau sowieso rausgeschnitten.“ ich habe nicht gesagt mit totaler Wohnung. Überhaupt war ich der ist das doch umso schöner.“ Dieter , das vermeintliche sicherlich auch eine gute Einstel- Rustikalverteidiger Thomas „die Dominanz.“ Trainer Mirko Slomka Ruhigere von uns beiden“, kom- Hecking hat offenbar eine roman- Auslaufmodell, wurde in der lung und ein entsprechendes Axt“ Stehle sichert Cuttern den versucht, den vor Saisonbeginn mentierte die Kolumne tische Ader. Und eine Mannschaft, schwierigsten Phase zum wichtigs- Verhalten.“ Trainer Jos Luhukay Arbeitsplatz und ist nur zu bewun- ausgegebenen Grundsatz „totale von Lothar Matthäus in der „Sport- die mittlerweile wirklich zum ten Spieler. Tolle Paraden und über Wesley Sonck und Bernd dern, wenn man ins Stadion geht. Dominanz“ weiterzuentwickeln. Bild“. Matthäus hatte von „sturm- Träumen anregt. harte Worte, das freut den Fan. Thijs, die beide beim 2:2 gegen Dass aus der Dominanz letztlich freien Buden“ berichtet, als Bremen nicht im Kader waren. Konsequenz wurde, hat seinen beide Spieler 1980 gemeinsam Dieser Spieler fehlt: Dieser Spieler fehlt: 2 Grund wohl auch darin, dass der bei Mönchengladbach kickten. 2 Dieser Spieler fehlt: Eskapadenfreund Jan Schlaudraff Niemand. Deshalb macht man sich 2 erste Versuch bei Spielern und An- Immerhin kein Effenberg mehr. Dieser Spieler fehlt: eine homöopatische Spur längst an die Planung für die 2 hängern mehrheitlich nicht auf Ge- Der Holländer Mark van Bommel Gladbach hat genügend Spieler. Stehle statt provozierend körper- Dieser Spieler fehlt: kommende Saison. Abwehrspieler genliebe gestoßen war. 2 beklagte vor Wochen noch Gute zum Teil sogar. Aber zu schonender Spielweise. Der VfB hat die Chance, sich für Thomas Kleine, laut Hecking „einer recht deutlich das Fehlen eines häufi g nicht die geeigneten für die die Königsklasse zu qualifi zieren, der besten Innenverteidiger der „Arschlochs“ im Kader, um dann vakanten Positionen. Etwa Stoß- 2 Dieser Spieler fehlt: und steht im DFB-Pokal-Halbfi nale. Zweiten Liga“, kommt im Sommer Die Wahrheit auf dem Platz: in Madrid mit der von einer Boule- stürmer, torgefährlicher Mittelfeld- 3 Zwischenzeitlich waren es mal acht Er will jedoch nicht sagen, in wel- aus Fürth, Sergio Pinto wurde Aachen kann drin bleiben, weil die vardzeitung als „Stinke-Faust“ spieler, „echter“ Sechser, spiel- Stammspieler, die nicht aufl aufen chem Mannschaftsteil man sich Alemannia Aachen abgeluchst. neue humorlose Stehlisierung der apostrophierten Geste zu glänzen. starker Innenverteidiger. konnten. Das kann wohl kein Team verstärken will. Dennoch braucht Spielkultur seit dem 1:4 gegen Die Richtung stimmt. der Welt verkraften. Daran könnte der VfB noch einen entwicklungsfä- Hannover mehr Erfolg verspricht Die Wahrheit auf dem Platz: auch das Ziel Deutsche Meister- higen offensiven Mittelfeldspieler. 3 Die Wahrheit auf dem Platz: als offensivlustige Konteranfäl- Kaum zu glauben, aber Hannover 3 schaft scheitern. 3 Die Wahrheit auf dem Platz: „Wir waren eine Mannschaft.“ ligkeit. Entscheidend wird der Mai, 96 ist zu einer regelrechten Tor- Das Spiel wird unter Ottmar Hitz- Nando Rafael, der das 2:2 in letzter wenn die Axt den Riederwald 3 Die Wahrheit auf dem Platz: fabrik in der Bundesliga geworden. feld nicht besser, und immer Sekunde gegen Bremen schoss. roden will und den Volkspark. 3 Die Wahrheit auf dem Platz: Der VfB besitzt wieder eine Mann- Vier Siege mit insgesamt 16:8- deut licher ist, dass er nicht die Lö- Die Spieler versuchen, ihr Saison- schaft, die eine Mischung aus Toren hat das Team in der Rückrun- sung für die gloriose Zukunft sein ziel überaus zielstrebig und Stabilität, individueller Klasse und de bereits in den ersten sechs Der Feind des Monats: Der Feind des Monats: kann. Ein Trainer wird gesucht. Ein 4 4 mit höchstem Einsatz zu verfolgen. Homogenität auf den Platz bringt. Spielen erreicht. Wenn es schlecht läuft in einem Aquaplaning. Dem überpromilligen Neuer mit ebensolchen Ideen. Die Entschlossenheit, die alle Das Team, in dem Pavel Pardo den Verein, lohnt es sich, Kronzeugen Moses Sichone folgten die mor- Schalker Akteure ausstrahlen, ist Rhythmus bestimmt, lebt nicht für den angeblichen Niedergang gend lichen Restalkoholiker Marius Der Feind des Monats: fast schon greifbar – auch wenn nur von der Begeisterung, sondern 4 Der Feind des Monats: und das Missmanagement zu fi n- Ebbers und Jan Schlaudraff per Krämpfe. Manager Christian Hoch- 4 die Bemühungen nicht immer von überzeugt durch ein kluges Ausgerechnet Christian Lell. Ein den, die selbst im Unfrieden ge- Porsche in die Autobahnleit plan ken. stätter ist wie der Trainer bemüht, Erfolg gekrönt sind. Konzept und eine reife Spielanlage. vermeintlich Netter und Streb- gangen (worden) sind. Folge: Spott über den Trinksport- eine bodenständige Sichtweise der samer aus der eigenen Talentauf- durfte das Feuer schüren, Horst verein Lallemannia Aachen und eigenen Chancen durchzusetzen. zucht ramponiert nach seinem Köppel auch, beide zu ihren Zeiten launige Tivoli-Trans parente „Laufen 4 Der Feind des Monats: 4 Der Feind des Monats: Einen Uefa-Cup-Platz am Ende der ersten 90-Minuten-Dienst das eher Teil des Problems denn Opfer. statt Saufen“. Undiszipliniertheiten. Paradebei- Uli Hoeneß. Der Bayern-Manager Saison bezeichnete er als „nicht eigene Tagwerk und das eh schon Die Reihe wurde zunächst durch spiel für diese nervtötende Eigen- will auch als möglichen realistisch“. Gäbe die Leitung das verwundete Bayern-Image (siehe den Teilerfolg gegen Werder unter- schaft ist Wiederholungstäter Lin- Nachfolger beobachten lassen. als neues Ziel aus, „würde die War sonst noch was? van Bommel und Pizarros Polizei- brochen. Nächster Ratgeber wäre 5 coln, der mit seiner Tätlichkeit nach Mannschaft verkrampfen“. Die Erklärung für drei Heimsiege akte). In der Nacht nach dem sicherlich Markus Münch gewesen, dem Spiel gegen Bayer Leverku- in Folge gegen Bayern München War sonst noch was? Wolfsburg-Spiel schlug er ange- der in Gladbach auch kein Bein sen gegen Bernd Schneider eine 5 liegt in Aachens Personalstruktur. Die Marketingabteilung druckte im War sonst noch was? trunken vor einer Discothek seine auf den Boden brachte. ganze Saison des Klubs leichtfertig 5 Trainer Frontzeck erlebte schon Stadionheft eine Anzeige mit Fer- Erstmals blieb beim Heimspiel der Freundin. Da hat einer den aufs Spiel setzte. Gesperrt am als Spieler in Gladbach ein solch nando Meira. In roter Schrift Roten gegen Effe-Faktor falsch interpretiert Spielfeldrand hilft er seinem Team War sonst noch was? seltenes Triple. Sportdirektor standen die Jahreszahlen der Meis- der Platz des am 10. Februar 2007 5 nun wirklich nicht weiter. Steve Gohouri überstand nicht nur Schmadtke schaffte später das terschaften „1950, 1952, 1984, verstorbenen „Tafelmannes“ Peter 5 War sonst noch was? zwei Kopfball-Crashs mit Almeida gleiche im Tor des SC Freiburg. Er 1992, …“ und darunter „Werden Neubauer leer. Über 40 Jahre lang Die Abteilung Einkauf ist fl eißig. und Mertesacker, die beide aus- ist also der erste doppelte Bayern- 5 War sonst noch was? auch Sie Mitglied beim Verein für gab er an der Seitenlinie die Aus- Nach Jan Schlaudraff und Hamit gewechselt werden mussten. daheimdreifachserienbesieger im Der Klub wird immer stromlinienför- Begeisterung.“ Selbst Traditiona- wechslungen bekannt und wurde 008.03.2007 22:48:04 Uhr 8

. Altıntop kommt nun der Argentinier Der Innenverteidiger von der Elfen- deutschen Fußball. Kein Wunder miger. Interviews dürfen nicht mehr listen werden die Abwandlung des zu einer Institution im Hannoveraner 0 3

. José Ernesto Sosa. Kann hinter beinküste servierte auch noch bei einem, der 1985 bei Fortuna an Spieltagen veröffentlicht wer- Vereinsnamens verschmerzen Sport. Auch in Zukunft wird sein 2 0

0 den Spitzen spielen. Und immer getackert und turbanisiert per Düsseldorf sein erstes Spiel gegen den, Handynummern der Spieler können. Vor allem, wenn die Zah- bisheriger Arbeitsplatz als Zeichen 7

noch fragt man sich: Wo bleibt der Kopf Rafael den Ball zum 2:2. die Bayern machte – und wuchtig werden ausgetauscht. lenreihe fortgeführt werden kann. der Ehrenbekundung symbolisch

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2 Superstar? 4:0 gewann. leer bleiben.

: DETLEF DRESSLEIN BERND SCHNEIDERS BERND MÜLLENDER JÖRG STROHSCHEIN ELKE RUTSCHMANN OKE GÖTTLICH 4 8 : 0 4

RUND U 31 h r rrund0407_030_033_Lage_de_N 32 u n d AM BALL Lage der Liga 0 4 0 7 _ 0 3

0 ARMINIA BIELEFELD VFL WOLFSBURG HAMBURGER SV HERTHA BSC BERLIN _ 0 3 3 _ L a g e _ d e _ N

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1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: „Ein historischer Tag für Arminia „Wir spielen wie ein Überraschungs- „Es ist mir sch…nurzegal, wer „Wir haben noch (hier bitte Zahl „Mit Ruhe und Augenmaß.“ Ant - „Der Mannschaft fehlt ein richtiger Bielefeld!“ Präsident Hans-Her- ei“, sagt Kapitän . die Tore schießt.“ Klaus Augentha- einsetzen) Endspiele.“ Woche für wort von Klubchef Heribert Kopf! Das Team hat kaum Fanta- mann Schwick freut sich, dass der Treffender kann man diese lers Antwort auf die Frage, ob Woche zählt Huub Stevens seinen Bruchhagen auf die Frage, wie er sie! Es gibt zu viele Aus reden! Der Klub 1,7 Millionen Euro ausgeben Mannschaft auch wirklich nicht der 2:2-Ausgleich gegen Schalke Countdown runter. Egal, wie gut die praktisch aus dem Nichts Druck ist enorm!“ darf. Dafür bekommen die Arminen charakterisieren. durch Marcelinho oder durch oder schlecht das Spiel war: aufgetauchte Abstiegsgefahr zu schreckt uns auf und nennt die von der Stadt aber das 35.000 Diego Klimowicz erzielt wurde. Dieser Satz kommt immer. Stevens bannen trachtet: „Was anderes „größten Hertha-Fehler“. Wir erin- Quadratmeter große Grundstück, weiß, dass der HSV bis zuletzt bleibt uns ja nicht übrig.“ nern uns an den Wert, den Bobic Dieser Spieler fehlt: auf dem ihr Stadion steht. 2 gegen den Abstieg kämpfen wird. für die Hertha hatte, und legen uns Neu ist dieser Mangel nicht: Aber Dieser Spieler fehlt: 2 beruhigt wieder hin. gerade jetzt, wo die Plätze mat- Diego Fernando Klimowicz fehlte 2 Dieser Spieler fehlt: 2 Dieser Spieler fehlt: schig sind und ein kalter Wind zu lange. Nun hat er nach ver let- 2 Dieser Spieler fehlt: Ohne die schülerhaften individu- Mit Sibusiso Zuma und Heiko Wes- pfeift, täte so ein richtig fi eser Kerl zungsbedingt fast komplett verpass- Kaum waren nach vielen Monaten ellen Bolzen der kompletten 2 Dieser Spieler fehlt: termann waren zuletzt die beiden gut. Einer, den die Gegner hassen, ter Vorrunde die Torproduktion fast alle Spieler wieder fi t, verletz- Mannschaft würde die Eintracht Huch, das sind in der letzten Zeit talentiertesten Bielefelder im Form- weil jeder Zweikampf mit ihm weh wieder aufgenommen. Es gibt weni- ten sich Collin Benjamin und Nigel längst auf UI-Cup-Kurs segeln. richtig viele geworden. An das tief. Man munkelte, sie beschäf- tut. So ein Mark van Bommel oder ge Stürmer im mittleren Gehalts- de Jong im Training. Es waren die Das Dumme an den Schnitzern: Es Fehlen von Yıldıray Bastürk ¸ hat man tigten sich bereits mit der kommen- ein zum Beispiel. niveau, die ein so gutes Preis-Leis- Muskelverletzungen 13 und 14 machen immer wieder andere sich schon gewöhnt, an das von den Saison und der Frage, wo tungs-Verhältnis haben. dieser Saison. Stevens musste um- Spieler immer wieder neue Fehler. Kevin-Prince Boateng auch, und sie dann am meisten Geld verdie- bauen und beim HSV rätselt man, jeden Spieltag kommt irgendein Die Wahrheit auf dem Platz: nen können. Spielerisch empfehlen 3 ob die Trainingsplätze zu hart sind. ausgefallener Leistungsträger dazu. Bayer schwankt zwischen maß- Die Wahrheit auf dem Platz: Die Wahrheit auf dem Platz: konnten sie sich nicht mehr. 3 3 Ob der demnächst abtrünnige Ash- loser Offensive unter sträfl icher In den ersten 15 Saisonspielen Ist erschütternd: Beim Rückrun- kan Dejagah fehlt oder nicht, das Vernachlässigung der Abwehrauf- kassierte Simon Jentzsch gerade Die Wahrheit auf dem Platz: denstart wähnten sich alle noch auf 3 zu beurteilen fehlt uns leider die 3 Die Wahrheit auf dem Platz: gaben und dem umgekehrten mal 0,8 Tore pro Spiel. Aber dann: Stevens wird böse, wenn man sein der sicheren Seite: 20 Punkte, Muße. Die Halbwertszeit zwischen Dass der neue Cheftrainer Frank Extrem. Die große Frage lautet: 1:2, 1:2, 1:2, 2:2, 3:2, 2:2, 2:2, stabiles Defensivgerüst mit nur die Finanzen in Ordnung, drei Re- den diversen Rauswürfen und Geideck nach zuvor zehneinhalb Kann diese Mannschaft vielleicht 1:2. An Jentzsch lag es nicht. einem Stürmer als solches bezeich- konvaleszenten – Chris, Jermaine Begnadigungen war zuletzt zu kurz. Jahren in der Kotrainerrolle die auch mal eine Mitte fi nden? Woran dann? An der durch Mar- net – er sieht auch Rafael van der Jones, Christoph Preuß – zurück – jüngste Spielphilosophie fortführt, celinho veränderten Balance zwi- Vaart als Angreifer. Stevens könnte was sollte da, bitte schön, schief- ist so verständlich wie richtig – schen Offensive und Defensive? souveräner sein. Der Erfolg gehen? Vier Wochen später ist 3 Die Wahrheit auf dem Platz: Der Feind des Monats: dass die Mannschaft nach einer 4 Daran, dass in der Abwehrzentrale gibt ihm doch Recht: Endlich hat die Zweite Liga urplötzlich näher Die Hertha hat im Spätwinter Die Kölner Combo um Christoph guten Hinrunde dermaßen ab- Hofl and nicht immer spielte? Der der HSV ein Spielsystem, mit als ein Klassenverbleib. 2007 ein bisschen ihre Linie ver- Daum, Michael Meier und auch gestürzt ist, macht seine Aufgabe VfL wirkt deutlich verbessert. Aber dem er sich wohlfühlt und aus dem loren. Wenn es mit dem Uefa- Reiner Calmund, der immer öfter davon unabhängig schwer. die Zahlen wiesen es nicht nach. Keller marschiert. Cup-Platz noch was werden soll, beim FC rumhängt, ist ein wunder- Der Feind des Monats: 4 muss sich das ändern. Denn barer Feind. Bayer-Geschäftsführer Ist mächtig und vielbeinig: die an- lies nach im Fredi-Evangelium: 4 Der Feind des Monats: Holzhäuser schnaubt schon, wenn Der Feind des Monats: Der Feind des Monats: deren 17 Bundesligateams. Auf 4 4 Der Druck ist enorm. . Der arbeitslose er diese Namen nur hört, dabei ist Der Tod. „Ich kann mir ein Ende Boubacar Sanogo bringt ein gan- einmal – niemand weiß, warum – Trainer sehnt sich offenbar so sehr es doch herrlich, mit den Herren nicht vorstellen. Ich kann nicht zes Stadion zum Pfeifen. Er ist ist die Konkurrenz irgendwie stär- nach einem neuen Engagement um begehrte Spieler und andere glauben, dass wir nicht mehr zurück- taktisch schlecht ausgebildet, ker geworden. Oder man selbst 4 Der Feind des Monats: in der Bundesliga, dass er sich für Kleinigkeiten zu streiten. Man kann kommen, nicht mehr da sind.“ ungefährlich und träge – die Zei- schwächer. Der Mammon, schnöder. Manager eine Rückkehr nach Bielefeld ins sich nämlich drauf verlassen, Tom van der Leegte im Stadionblatt chen stehen auf Abschied, zumal Dieter Hoeneß schüttelt in Sachen Gespräch bringen ließ. dass die Kölner sich blamieren. „Grün Und Gut“. Vielleicht kann Ivica Olic ´ das laufi ntensive Leben Dejagah-Wechsel nur den Kopf War sonst noch was? ja der Kirchenvorstand St. Dionysus als einzige Spitze besser ausfüllt. 5 über die Tatsache, dass hier offen- Wenigstens hat die Eintracht das in Kleinenbroich die Frage be- bar das Geld die Entscheidung 5 War sonst noch was? War sonst noch was? wichtigste Spiel der Jahres ge- 5 antworten. Sein Name: Berti Vogts. gefällt habe. Wenig plausibel, Manche Medien lobten den „leisen Bernd Schneider ist ein Mann mit War sonst noch was? wonnen – gegen den verhassten 5 dass ihm nach knapp 30 Jahren im Abgang“ des Trainers Thomas von ausgeprägter Neigung zum Genie- Lange hat man Vorstand Bernd Rivalen von der anderen Mainseite. Profi geschäft erst jetzt dämmert, Heesen, dabei hat er die Mann- streich. „Und du willst Brasilianer War sonst noch was? Hoffmann und Sportchef Dietmar Damit kann die Saison, einerlei 5 was wirklich zählt. schaft mit seinem monatelangen sein?“, fragte der weiße Brasilianer Kritiker behaupten, der VfL Wolfs- Beiersdorfer nicht mehr so zufrie- wie sie endet, schon mal nicht ganz Versteckspiel erst völlig verun- Schneider den ziemlich schnell burg habe noch nie etwas „gewon- den gesehen. Endlich packt verkorkst gewesen sein. Für sichert und mit seinem sofortigen eingeschnappten Südbrasilianer nen“. Fakt ist: Der VfL ist zumindest jemand die Profi s so hart an, wie die Hardcore-Fans ist der Sieg im 5 War sonst noch was? Rücktritt dann sich selbst über- Lincoln. Noch cooler kann man bis auf weiteres neben Bayern, sie es selbst nicht können. Stevens DFB-Pokal gegen Kickers Offen- Ellery Cairo geht weg, Bastürk ¸ 008.03.2007 22:48:07 Uhr 8

. lassen. Assistent Geideck musste die Schalker Diva nicht provozie- HSV, Leverkusen und Mainz hat die Autorität, die Thomas Doll bach ohnehin bedeutender als wackelt, Dejagah verabschiedet 0 3

. die Scherben zusammenkehren, ren, Lincoln griff Schneider ins der einzige Klub in Deutschland, nie hatte. Einen Anschiss von die Bundesliga. Zumal, wenn der sich, Zecke ist auch vorm Ab- 2 0

0 was nicht ohne Schnittwunden Gesicht und sah dafür Rot. der noch nie aus der Bundesliga ihm möchten sich alle Profi s gern Gegner spielt wie ein Regional- sprung. Hertha 2007/08 wird sehr 7

vonstattenging. ULI HARTMANN DANIEL THELEWEIT abgestiegen ist. PETER UNFRIED ersparen. FRANK HEIKE ligist. THOMAS KILCHENSTEIN anders aussehen. PETER AHRENS

2 2 : 4 8 : 0 7

U h r rrund0407_030_033_Lage_de_N 33 u n d 0 4 0 7 _ 0 3 0 _

0 ENERGIE COTTBUS VFL BOCHUM 1. FC NÜRNBERG BORUSSIA DORTMUND SV WERDER BREMEN FSV MAINZ 05 3 3 _ L a g e _ d e _ N

3 3

1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: 1 Zitat des Monats: „Die Fans sollen nicht nur vorm „Wenn man zwei Spiele nach- „Dass wir mal Meister werden und Neulich bei der U21: „ Mein „Nichts.“ auf die „Von der Stadt verraten, vom Land Fernseher Krawall machen, einander gewinnt, ist man plötzlich in der Champions League spielen!“ Zimmerkollege, der Gonzalo Castro Frage, was mit Werder los sei. vergessen. Macht nur so weiter, sondern im Stadion. Schon lange Champions-League-Kandidat“, Hans Meyer auf die ernst gemeinte von Bayer Leverkusen, ist genauso und wir spielen in Hessen.“ Auf fürchtet keine Mannschaft glaubt Abwehrspieler Marcel Mal- Frage, was seinem Club noch fehlt wie ich: ein ruhiger Playstation- einem Transparent ärgern sich die Dieser Spieler fehlt: mehr die Atmosphäre im Stadion tritz. Wenn umgekehrt zwei Nieder- zu einem europäischen Topteam. Zocker.“ BVB-Spieler Marc Kruska 2 Fans über die Politiker, die den Mohammed Zidan und Leon Andre- der Freundschaft.“ Der Landrat des lagen in Folge Abstiegskampf fi ndet wohltuende Worte der Stadionneubau in Mainz torpedie- asen, in Mainz überaus erfolgreich. Spree-Neiße-Kreises, Dieter bedeuten, erklärt sich die VfL-Sai- Selbstbetrachtung in einer stetig ren. Plötzlich erstrahlt selbst der Dieser Spieler fehlt: Werder-Boss Jürgen Born witzelte: Friese, hat einen Aufruf an die Fans son von selbst. 2 komplexer werdenden Fußballwelt. hessische Alternativstandort Leider nach wie vor Joshua Ken- „Da haben wir wohl die falschen gestartet, öfter Eintrittskarten zu Wiesbaden in neuem Glanz. Zumal nedy. Der australische WM-Teilneh- abgegeben.“ Klaus Allofs verdreht lösen, unfreiwillig aber einen Aufruf sich der Aufstieg des Zuschauer- Dieser Spieler fehlt: mer kommt nach seinem Achilles- Dieser Spieler fehlt: die Augen. Alles okay, sagt er. zur Gewalt initiiert. 2 2 schrecks SV Wehen wohl Der zwölfte Mann. Der VfL verfügt sehnenriss einfach nicht mehr auf Ob er gefehlt hat, wird sich erst Andreasen sei ausgeliehen und nicht mehr vermeiden lässt und derzeit über maximal elf poten- die Beine. Erst neulich musste ihm zeigen, wenn er spielt: Der talentier- hole sich Spielpraxis. Bei Zidan der ebenfalls dort spielen will. 2 Dieser Spieler fehlt: ziel le Stammspieler. Der Druck von eine Zyste entfernt werden, die te Mittelfeldakteur Jakub Błas- habe es in Bremen nie gepasst. Gerhard Tremmel witterte seine Bank und Tribüne hält sich in Saison dürfte für ihn beendet sein. zczykow s ki von Wisła Krakau ist „So sieht jeder, dass wir damals Chance, doch der Ersatztorwart Grenzen. Immerhin schlugen die der teuers te Auslandstransfer in keine Blinden geholt haben.“ 2 Dieser Spieler fehlt: darf auch nach Fehlern von Tomis- Wintertrans fers ein. der Geschich te der polnischen Mohammed Zidan. Allerdings den Die Wahrheit auf dem Platz: lav Piplica nicht ran. Das ärgert 3 Liga. Auf jeden Fall garantiert der Bremern. Zwar ist es richtig, dass Ist für Javier Pinolás Gegenspieler Die Wahrheit auf dem Platz: Tremmel, was wiederum Trainer Pole dem BVB häufi ge Über tra- 3 der Ägypter an der Weser nicht Die Wahrheit auf dem Platz: häufi g mit Schmerzen verbunden. Werder verspielt wahrscheinlich Petrik Sander ärgert. Piplica ärgert 3 gungs zeiten bei Polsat Sport und zwangsläufi g so gut aufspielen In nahezu allen Rückrundenspielen An dem heißblütigen Argentinier die Meisterschaft, aber sicher das sich nicht, denn er darf weiter seine ständige Titelseiten. Eine ideen- würde wie in Mainz. Dennoch fehlt war der VfL mindestens eben- kommt keiner vorbei – und wenn Image, den attraktivsten Fußball Springprozessionen abhalten. reiche BVB-Marketingabtei lung am Werder-Mantra ein entschei- bürtig. Siege blieben in der Regel doch, gibt’s auf die Socken. Umso der Liga zu bieten. Inzwischen wird könnte den Spielertransfer schnell dender Nachtrag: „Mainz ist nicht aus. „Wir müssen in jedem Spiel bemerkenswerter, dass er in einer wieder Fußball malocht. Und wie egalisieren. Bremen“, Hunt und Almeida aber Die Wahrheit auf dem Platz: 100 Prozent konzentriert sein. Das Nürnberger Brennpunktschule über Torsten Frings fi ndet, noch nicht 3 eben auch nicht Zidan. Kaum zu glauben, dass Coach ist nur selten der Fall“, bringt Kapi- Gewaltprävention referiert hat. mal das: „Bei uns sind zu wenige, Petrik Sander diesen Satz einmal tän Thomas Zdebel die gewohnten 3 Die Wahrheit auf dem Platz: die sich den Arsch aufreißen.“ sagen muss: „Nur Schönspielen Punktverluste auf den Punkt. Der BVB kann in Ruhe die kommen- 3 Die Wahrheit auf dem Platz: Der Feind des Monats: reicht nicht.“ 4 de Saison planen, weil die laufen- Mainz „prestiert“ wie nix Gutes. Der Uefa-Cup. Seit öffentlich über Der Feind des Monats: de endgültig im Eimer ist. Der Blick 4 Das Prädikat stammt von Hans Der Feind des Monats: attraktive Erstrundenreiseziele wie Anwohner aus dem Stadtteil, die 4 geht nach unten. Meyer, der die Mainzer damit unter Der Feind des Monats: Die Verträge. Der VfL muss Boleslav, Ružomberok oder Achnas den Ausbau des Weserstadions 4 Garantie loben wollte. Gehen Sie Energie Cottbus hat Schwierigkei- weiter zweigleisig planen. „Im März diskutiert wird, wirkt die Mann- ins Stocken bringen. Unter mal davon aus. ten mit dem Kopfballspiel. Da ist wollen wir die Vertragssituation schaft nicht mehr so locker. Ob da 4 Der Feind des Monats: anderem, weil sie sich auf Grund- es verwunderlich, dass man trotz- mit unseren Spielern klären“, sagt ein Zusammenhang besteht? Die teuren Fehleinkäufe Matthew buchvermerke von 1890 bis 1893 dem dauernd hochspekulative Vereinsboss Werner Altegoer Amoah und Nelson Valdez. berufen. Diese uralten Rechte 4 Der Feind des Monats: Flanken aus dem Halbfeld in den trotzig. Immerhin scheint die Zusammen bilden sie den unge fähr- waren Kaufl euten am Osterdeich Hält Winterschlaf. War sonst noch was? Strafraum schlägt. Per sonalie des umworbenen Tor- 5 lichsten BVB-Sturm seit den Zeiten zugestanden worden, um eine Bezug nehmend auf die „Lage der jägers Theofanis Gekas geklärt: von Victor Ikpeba. Bebauung des Deichvorlands zu Liga“ in Heft Nr. 20 stellen wir War sonst noch was? „Beim Klassenerhalt bleibt er.“ verhindern. Zumindest die ein- 5 War sonst noch was? klar: „Unwahr bei dieser Darstel- Die Diskussion um die Finanzierung 5 heitliche Ummantelung des Stadi- Dieter Friese, der Landrat, kennt lung ist, dass sich Raphael Schäfer War sonst noch was? des Stadions geht in die nächste 5 ons ist dadurch gefährdet. sich aus im Cottbuser Einzugs- 5 War sonst noch was? dahingehend gerechtfertigt hat, Der BVB hat seit Saisonbeginn Runde. Erlaubt sei eine ketzerische gebiet. Es ist, erstens, „dünn be- Reichen 36 Punkte für den Klas- der Club hätte sich wieder verschul- unter allen Bundesligisten am meis- Frage: Warum soll der Steuerzahler siedelt“, und zweitens: „Uns fehlt senerhalt? Die Fans rechnen den müssen, um ihn langfristig zu ten an Beliebtheit verloren. Das hat 5 War sonst noch was? eigentlich einen privatwirtschaftlich der halbe Kreis Richtung Polen.“ sich die Köpfe heiß und packen die binden. Auch hat Raphael Schäfer zumindest ein Beratungsunterneh- Werder will Meister werden. Nichts organisierten Verein mit Unsummen Das heißt, es fehlen Energie-Fans. Glaskugeln aus. Vor allem hoffen zu keiner Zeit eine Erklärung men in einer Umfrage, dem „Fuß- Neues? Ist es doch. Der Klub alimentieren? In Mainz deutet Deswegen sollen sich künftig Polen sie, dass es zu keinem Herzschlag- ab gegeben, wonach ihm rund eine ball-Kompass 2006/07“, ermittelt. nimmt ab Sommer mit einer Frauen- man auf Frankfurt und Kaiserslau- für den Klub begeistern. Manager fi nale am letzten Spieltag kommt. Million Euro Gehalt pro Jahr Dazu passt, dass die überregio- mannschaft den Spielbetrieb auf. tern, wo die Konkurrenz zwei- und Heidrich hat schon Dienstreisen ins Dann müssen die Bochumer beim zu wenig seien. Die se Aussagen nalen Zeitungen die Spielberichte Aber nicht nur Coach Frank dreistellige Millionenbeträge an 008.03.2007 22:48:09 Uhr 8

. Nachbarland unternommen. Dut- Konkurrenten Mönchengladbach stammen vom Autor und sind des BVB schon längst in den Schwalenberg muss sich gedul- öffentlichen Geldern in Stahl und 0 3

. zend weise sind polnische Fußball- antreten. Die vergangenen vier spekulativ.“ (Anm. d. Red.: Speku- Randspalten verschwinden lassen: den. Das Team startet in der Beton gegossen hat. Fair sei das 2 0

0 fans zum Spiel gegen Dortmund Spiele dort endeten jeweils 2:2, lative Recherchen unseres Autors Dort wo sonst Arminia Bielefeld vierten Liga. Selbst wenn es jedes nicht, wenn man jetzt leer ausgeht, 7

angereist – wegen Ebi Smolarek. der Ausgleich fi el immer in der werden wir künftig bunt unter- oder Energie Cottbus rumlungern. Jahr aufsteigt, wäre der Titel sagt man in Mainz. Auch wieder

2

2 Nachspielzeit. streichen!) erst 2011 drin. wahr.

: MARKUS VÖLKER HOLGER PAULER WOLFGANG LAASS OLAF SUNDERMEYER SVEN BREMER CHRISTOPH RUF 4 8 : 0 9

RUND U 33 h r „WIR WURDEN ÜBERROLLT“ DIE SAISON VERLÄUFT ENTTÄUSCHEND. DER FC BAYERN MÜNCHEN HAT DIE ORIENTIERUNG VERLOREN, TAUMELT IRGENDWO ZWISCHEN OHNMACHT UND PANIK. DOCH WAS SIND DIE PROBLEME DES REKORDMEISTERS? HOENESS

STEHT VOR SEINER GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNG VON MARKUS LOTTER, FOTOS URBAN ZINTEL

LOGENPLÄTZE: VON DER KLUBGASTSTÄTTE AN DER SÄBENER STRASSE AUS LASSEN SICH BAYERN-STARS BEI DER ARBEIT BEWUNDERN

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3434 008.03.20078.03.2007 20:23:1920:23:19 UhrUhr AM BALL An der Säbener Straße

TRAINER BEIM ERKLÄRUNGSVERSUCH: HEIMKEHRER OTTMAR HITZFELD

Es sind nur vier Schrauben, die es einmal, höchstens zweimal pro Mehrzahl kommt aus dem Süden der Stadt, aus dem Nobelviertel Grün- Woche zuerst zu lösen und dann wieder festzudrehen gilt. Die älteren wald. „Oben“, wie die kleine Stellfl äche unmittelbar vor dem Eingang Herren vom Sicherheitsdienst des FC Bayern München brauchen des- zum Kabinentrakt genannt wird, dürfen nach einem ungeschriebenen halb nicht einmal eine Minute, um die beiden leicht zerbeulten Schilder Gesetz nur die Trainer und die etablierten Spieler mit ihren edlen an der Schranke vor der Einfahrt zum Trainingsgelände an der Säben- Sponsorenautos drauf. „Unten“ um die Ecke parken die Nachwuchs- er Straße festzumachen: „Heute kein öffentliches Training“, steht da- kräfte und die anderen, deren Meriten um den Verein noch nicht für rauf, in schon arg mitgenommenen Lettern. Die Profi s möchten einen ganz „oben“ genügen. Tag vor dem Pfl ichtspiel in Ruhe arbeiten. Sie alle lieben diese zerbeulten Schilder. Denn wenn sie nicht da Doch auch an solchen „nicht öffentlichen“ Tagen geht es in der Welt sind, gesteht einer der Spieler, „dann ist das manchmal schon ganz der Bayern lebhaft zu. Die Ticketkasse und der Fanshop haben geöff- schön nervig“. In Ferienzeiten ist es besonders schlimm. Hunderte von net, das „Insider“, Bayern Münchens Klubrestaurant, sowieso. Eine Teenagern, Schaulustige, ganze Familien hängen dann an dem manns- breite durchgehende Fensterfront hin zur Anlage macht das „Insider“ hohen Zaun, der die beiden Rasenplätze der Profi s umgibt. Wie im so attraktiv. Es ist ein schon etwas mitgenommenes American Diner Streichelzoo, nur ohne Anfassen. Später, kurz vor dem Ende des Trai- mit volkstümlichen bayerischen Spuren. In Männerzirkeln kreisen die nings, quetschen sie sich gegenseitig gegen die Absperrgitter, die zu Biere, manchmal Schafkopfkarten – und immer die Meinungen zur einer Art Menschenpferch angeordnet worden sind. Es geht nun mal aktuellen Situation des FCB. Kinder zeigen durch die Scheiben auf ih- nicht anders. So viel Öffentlichkeit muss gezähmt werden. re Lieblinge, der Blick ihrer Eltern wandert hinterher. Otto, das Urgestein unter den Bayern-Reportern, und ein Ordnungs- Boulevardjournalisten haben hier ihre Beobachtungsposten einge- dienstler sind sich uneins. Otto behauptet, Zaun und Absperrgitter ge- nommen, um ja nichts zu verpassen. Draußen biegen der Reihe nach be es seit , also seit 1992. „Ich glaube, dass das sogar der die Bayern-Stars auf die beiden für sie reservierten Parkplätze ein. Die Klinsmann angeregt und veranlasst hat“, lautet die Gegenmeinung.

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rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3535 008.03.20078.03.2007 20:23:2420:23:24 UhrUhr AM BALL An der Säbener Straße

TRISTESSE IN DER ALLIANZ-ARENA: NUR 1:1 GEGEN MÖNCHENGLADBACH

Was spannender wäre und dann ungefähr das Jahr 1995 betreffen wür- Runde: „Wenn ihr das nicht zu schätzen wisst, schlagen wir eben die de. Bayerns Mediendirektor Markus Hörwick klärt auf: „Unter Trai- Fenster wieder zu.“ Ein Hinweis, keine Konsequenzen. ner wurden die Zäune angebracht. In erster Linie zum Hier bei den Bayern gibt es keine Sicherheitsschleusen, keine Vor- Schutz der Kinder, damit nicht einmal ein Fünfjähriger einen Ball ab- hänge wie in Real Madrids Ausbildungsstadt Ciudad Deportiva, die bekommt.“ Also doch schon Ende der 80er. schnell mal auf Wunsch der Starspieler vor den Augen der Journalis-

PLÄNE FÜR EIN TRAININGSZENTRUM VOR DEN STADTTOREN WURDEN VERWORFEN

Die Menge jedenfalls buht schon mal, wenn sich der geduschte Pro- ten auf der Pressetribüne zugezogen werden. Die Münchner sind nicht fi ohne Blickkontakt an der Wand entlang zu seinem Wagen schleicht. wie die „Königlichen“, der AC und Inter Mailand, Chelsea und Arse- Die Menge bedankt sich mit Kreischen, wenn sich einer zur Auto- nal London in die Peripherie gefl üchtet. Es bedarf beim deutschen Re- grammviertelstunde plus Fotoshooting bereit erklärt. Klar sind ihre kordmeister keiner Voranmeldung oder Akkreditierung wie bei Man- Favoriten der Schweini, der Poldi, der Roque und immer noch der Meh- chester United oder dem FC Barcelona, um einen Blick hinter die met. Tag der offenen Tür, und das fast täglich. Manager Uli Hoeneß Kulissen des Klubs zu werfen. Die Pläne für ein Trainingszentrum vor und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sind ebenfalls greifbar, den Toren der Stadt haben die Bayern längst verworfen. wenn sie ihre Dienstwagen vor der Geschäftsstelle abgestellt haben. Bayern München ist der öffentlichste Spitzenverein Europas. Es gibt Auch die Medienvertreter genießen diese Nähe. Anfang Februar, als Stimmen im Verein, die fordern, den Laden einfach zuzumachen. Den- sie auf der sportlichen Großbaustelle des FCB Alarm schlugen, sagte noch werde versucht, den Status quo zu erhalten, sagt Hörwick. Bay- Hörwick: „Wir öffnen euch hier die Fenster und Türen wie kein ande- ern München will eben ein Münchner Klub bleiben, während sich an- rer Verein.“ Das ist durchaus richtig. Dann polterte Hörwick in die dere europäische Großvereine längst dazu entschlossen haben, ihre

RUND 36

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3636 008.03.20078.03.2007 20:23:2720:23:27 UhrUhr AM BALL An der Säbener Straße

„WIR WOLL’N EUCH KÄMPFEN SEH’N“: BAYERN-FANS SIND ERFOLGSVERWÖHNT

Wurzeln zu negieren. Globalisierung der Marke um jeden Preis ist de- Man redet zumindest nicht gern darüber, welche Folgen der Neubau ren oberste strategische Devise. Der regionale Fan soll nur noch die an der Säbener Straße hat. Der Pachtvertrag zwischen der Stadt Mün- Stadien füllen als Staffage für das gelungene Fernsehbild. Der Fan mu- chen und dem benachbarten FC Sportfreunde München ist im vergan- tiert zum Konsumenten und Geldgeber. genen Sommer endlich abgelaufen. Der FC Bayern kann jetzt sozusa- Ottmar Hitzfeld, seit dem 1. Februar wieder Trainer des FCB, geht gen zur Seite expandieren. diesen konservativen Weg der Bayern mit. „Das ist vorbildlich“, sagt er, „das ist ein großes Anliegen von Uli Hoeneß. Er hat ein großes Herz und jede Menge Sozialkompetenz.“ Ob er denn nicht öfter mit seinem Team ohne lärmende Kulisse üben möchte? „Diese Frage stellt sich nicht“, antwortet der 58-jährige Meistertrainer. Hitzfeld akzeptiert, dass „man sich als Trainer eben dieser Philoso- phie anpassen“ muss. Fleißig und mit einem Lächeln im Gesicht wie sein Vorgänger Felix Magath erfüllt er jedenfalls tagtäglich die ein- fachen Wünsche der Bayern-Touristen. Die Münchner wollen die Nä- he zum Volk nicht brechen. Immer wieder betont Hoeneß: „Wir ma- chen das alles für unsere zwölf Millionen Fans in Deutschland.“ Imagepfl ege durch Nahkampf. Arroganz soll ihnen wenigstens aus den eigenen Fankreisen keiner mehr nachsagen. Und es scheint, dass es ihnen fast peinlich ist, dass der Kontakt zwischen Anhängerschar und kickender Belegschaft demnächst ein wenig eingeschränkt wird. UNGEWISS: WELCHER TRAINER WIRD HIER PLATZ NEHMEN?

RUND 37

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3737 008.03.20078.03.2007 20:23:3020:23:30 UhrUhr AM BALL An der Säbener Straße

TROTZ HIGHTECH-ARENA: BAYERN HAT SEINEN VORSPRUNG EINGEBÜSST

Ein modernes Verwaltungsgebäude wird derzeit auf dem einst so „Wir haben das nicht kommen sehen.“ Vorstandschef Karl-Heinz Rum- holprigen Platz der Sportfreunde aus dem Boden gestampft, eine Tief- menigge hatte das schon vorher bemerkt und drastischer formuliert: garage ebenfalls. Von dort werden die Profi s vielleicht sogar noch in „Wir wurden überrollt.“ Die für ihr schnelles und perspektivisches Han- diesem Jahr via Tunnel direkt in die Kabinen gelangen können, unbe- deln gefeierten Klubs wie Werder Bremen und Olympique Lyon, aber helligt und ohne Gewissensbisse. Wirklich Grund zur Sorge gibt es in dieser Hinsicht für die vielen Fans des FC Bayern jedoch nicht. Der Klub wird gläsern bleiben. Angst muss die Anhängerschar allerdings haben, weil ihr geliebter Verein momentan zögert und zaudert, und das an einem Punkt, an dem es sich zu entscheiden gilt: Bleiben wir uns konsequent treu, oder öffnen wir uns den Entwicklungen der Fußballmoderne? Die Bayern wirken derzeit ein bisschen wie in Ohnmacht erstarrt. Die jüngste Klubkrise, die sich im Zittern um die direkte Qualifi kation für die Champions League widerspiegelt, hat den Verein auf den Scheideweg geführt: weiterhin Fußball made by Bayern in der Hoffnung, dass die Blase eines Tages platzt, oder Umdenken, mit dem Mut zur Innovati- on und zum Risiko. Letzteres scheint unumgänglich, ist man doch vom Tagesgeschäft und dem kurzfristigen Erfolg abhängig. Jüngst gestand sogar die selbst ernannte „Abteilung Wahrheit“, Uli Hoeneß, dass es dem Verein an einer Abteilung Warnung mangelt: IMAGEPFLEGE DURCH NAHKAMPF: DANIEL VAN BUYTEN

RUND 38

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3838 008.03.20078.03.2007 20:23:3320:23:33 UhrUhr FALSCHE SPORTART: ROY MAKAAY UND SPORTKAMERADEN BEIM HANDBALL

auch die schwindelerregend reichen Klubs Europas üben unglaublich vator à la Klinsmann“. In der Tat kommt der FCB momentan noch wie viel Druck auf die Münchner aus. Die müssen sich für ihre Transfer- eine Trutzburg gegen all das Neue in der Welt des Fußballs daher. Wirkt politik verantworten, sich den Vorwurf gefallen lassen, viele Jahre lang behäbig, in alten Verhaltensmustern verfangen, während vor allem die an überholten Trainingsmethoden festgehalten zu haben, und werden internationale Konkurrenz dynamisch agiert. mittlerweile angeklagt, weil sie Eigenkapital horten. Gern führen sie Das Wesen des FC Bayern München lässt sich letztlich fast immer dann – wo auch immer sie in der Öffentlichkeit auftauchen – zu ih- noch auf das Wesen der handelnden Personen zurückführen. Das führt rer Verteidigung die sieben Meistertitel in den vergangenen Jahren unweigerlich zu Uli Hoeneß, dem 55 Jahre alten Kopf des FCB. Es bie- oder den Gewinn der Champions League im Jahre 2001 an. Einen Plan tet sich an, dass er sich selbst charakterisiert, mit einer Anekdote aus für die Gestaltung der Zukunft haben sie bisher nicht vorgelegt. seiner Kindheit: „Beim Sport Sohn in Ulm war ein Flutlichtball aus- gestellt, schwarz-weiß, die anderen Bälle waren ja braun. Der kostete DER FC BAYERN MÜNCHEN LÄUFT GEFAHR, 34 Mark. Ich bin, da war ich 13 Jahre alt, mit meinem Fahrrad etwa vier Wochen lang jeden Tag hingefahren, um zu sehen, ob er noch da DEN ANSCHLUSS ZU VERLIEREN ist. Dann habe ich in den Ferien als Beifahrer bei der Firma Gaissmai- er, einem Lebensmittelbetrieb, gearbeitet. Und als ich dann das Geld Für die Kritiker der Bayern, zu denen mittlerweile sogar Leute aus zusammenhatte, habe ich mir diesen Flutlichtball gekauft. Damit war den eigenen Reihen wie Unternehmensberater und Verwaltungsbei- ich der König. Denn nun konnte ich sagen: ,Du darfst mitspielen, du rat Roland Berger oder Aufsichtsrat Herbert Henzler zählen, steht fest: darfst mitspielen – und du nicht.‘“ Der öffentlichste Spitzenverein Europas läuft Gefahr, den Anschluss Bekannte Gesichter begegnen einem zwangsläufi g im Laufe eines zu verlieren, weil er sich einfach nicht öffnen will. Henzler dringt auf Bayern-Tages. Überall. Wolfgang Dremmler, einst eisenharter Vertei- die Verpfl ichtung eines Weltstars, Berger wünscht sich einen „Inno- diger in Rot und Weiß, ist Chefscout des Klubs. Weltmeister Hansi

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 3939 008.03.20078.03.2007 20:23:3920:23:39 UhrUhr AM BALL An der Säbener Straße

EINSTEIGER SCHWEINSTEIGER: WELCHES AUTO GEHÖRT DEM JUNGSTAR?

Pfl ügler leitet den Fanshop, Raimund Aumann, einst Torwart, ist nun Er, der immer wieder als Querdenker gefeiert wird, muss beweisen, Fanbeauftragter. Gerd Müller, Sepp Maier, Kurt Niedermayer – die dass er neben Rummenigge und Klubpräsident Franz Beckenbauer Liste der Ehemaligen im Dienste des Vereins scheint kein Ende zu neh- auch andere querdenken lässt. Zumindest hat er schon einmal erklärt, men. Loyalität ist an der Säbener Straße eben mindestens genauso dass man „jeden Morgen aufstehen muss, um etwas zu lernen“. Und wichtig wie Qualität. Das ist menschlich und gut – bis zu einer gewis- auch sein neulich geäußerter Hinweis, dass Jürgen Klinsmann „wich-

ULI HOENESS STEHT VOR SEINER GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNG ALS MANAGER

sen Grenze, die jetzt erreicht zu sein scheint. Das Prinzip der „Guten tige Anstöße geliefert“ habe und man sich deshalb fragen müsse, „ob Freunde“ muss möglicherweise überdacht und gelockert werden. wir Dinge übernehmen können“, zeugt zumindest von einer gewissen Meist kurz vor zehn Uhr vormittags taucht Uli Hoeneß am Klubge- Bereitschaft, die eigene Philosophie zu überdenken. lände auf. Noch vor ein paar Wochen sah er, wenn er die Treppen zu Die Bayern werden versuchen, ihre Identität zu wahren, was nicht seinem Büro im dritten Stock des Bayern-Verwaltungsgebäudes in An- die schlechteste Reaktion auf die Globalisierung des Fußballs und die griff nahm, aus wie einer, der glaubt, alles richtig zu machen. Angriffs- fi nanziell stärkere Konkurrenz aus dem Ausland ist. Aber letztlich wird lustig kam er daher und mit der Lizenz zum schelmischen Grinsen, sich mit der Trainerfrage und nicht durch die Verpfl ichtung neuer Spie- die er sich in all den Erfolgsjahren erarbeitet hatte. Doch der erfolg- ler entscheiden, ob sie sich tatsächlich öffnen wollen. Die Anhänger lose Januar und auch der Februar haben ihm zugesetzt. „Das ist eine jedenfalls hätten kaum etwas dagegen, wenn auf Geheiß des neuen schwere Zeit für mich“, sagte er vor Kurzem unumwunden. Er steht – Übungsleiters die Schilder am Eingang zum Vereinsgelände in Zukunft zwei Jahre vor seinem Wechsel auf den Präsidentenstuhl – vor seiner öfter als ein- oder zweimal pro Woche angebracht werden sollten. Im größten Herausforderung als Manager. Endeffekt wollen sie auch nur eines: Erfolge.

RUND 40

rrund0407_034_040_VereinsBay_Nund0407_034_040_VereinsBay_N 4040 008.03.20078.03.2007 20:23:5620:23:56 UhrUhr AM BALL Kommentar

Nazis ohne Nazis IM HISTORIKERSTREIT UM DIE HALTUNG DES DEUTSCHEN FUSSBALLS IM DRITTEN REICH WIRD VOR ALLEM EINES DEUTLICH: IDEOLOGISCHE DEBATTEN ALTER SCHULE WERDEN HEUTE IMMER NOCH GEFÜHRT VON RENÉ MARTENS, ILLUSTRATION DAZZLER

Streitfall NS-Fußball: Wurde die rechte Hand von höherer Macht hochgerissen?

Vor eineinhalb Jahren sorgte der Historiker Nils Havemann mit seinem Buch „Fußball un- term Hakenkreuz“ für reichlich Aufmerksam- keit: Der Autor, bezahlt vom DFB, durfte drei Jahre lang über ein Thema forschen, an dem der Verband bis dato kaum Interesse gezeigt hatte. Mit der Studie dürfe die Auseinander- setzung mit der Vergangenheit nicht vorbei sein, sagte DFB-Boss Theo Zwanziger damals, doch öffentlich wird die Rolle seiner Organi- sation in der NS-Zeit seitdem kaum noch dis- kutiert – obwohl hinter den Kulissen ein Streit tobt. Havemanns Buch hat die Fußballhisto- riker gespalten: Die linke Fraktion um Diet- rich Schulze-Marmeliung und Arthur Hein- rich wirft Havemann eine verkürzte Darstellung vor, hingegen preisen die Konservativen sein Buch als Meilenstein der Forschung. Beide Sei- ten werfen einander vor, Quellen zu missach- ten oder unvollständig zu zitieren. Der Streit dreht sich um die Frage, ob die Die Linken wettern nun, ihre Gegner sprächen – Havemanns Mentor, dem „Hitlerzentris- DFB-Funktionäre in der Weimarer Republik mus“-Verfechter Klaus Hildebrand, folgend – die konservativ-bürgerlichen Fußballfunktionäre mehrheitlich nationalkonservativ eingestellt der Weimarer Zeit von ihrer Schuld am Nationalsozialismus frei. So versuchten die Rechten, waren und das Nazi-Regime aus ideologischen ihr altes Trauma zu bewältigen, dass ihre geistigen Vorväter Steigbügelhalter für die Nazis ge- Motiven begrüßten. Oder ob die Führungskräf- wesen seien. Markwart Herzog weiß ebenfalls, wie man eine Blutgrätsche ansetzt: Er verweist te politisch unterschiedlich zu verorten waren auf „sozialistische Inhalte der NS-Ideologie“; in seinem FCK-Buch erwähnt er braune Klubka- und sich den Nazis aus ökonomischen Grün- meraden, die rötlich angehaucht argumentierten. den andienten. Der Autor Markwart Herzog, Dass Havemann und er keine Berührungspunkte zwischen NS-Ideologen und DFB-Leuten der bei seinen Recherchen über den 1. FC Kai- fi nden, liegt auch an ihren defi nitorischen Voraussetzungen. Maßgeblich für die konservativen serslautern Havemanns Thesen auf Klubebe- Forscher ist, ob ein Fußballfunktionär die Vernichtungspolitik und die Lebensraumdoktrin ver- ne bestätigt fand, liest sogar aus einer Unter- trat. „Antisemitismus beginnt aber nicht erst in der Gaskammer“, kontern die Linken, von de- suchung über die Dresdner Bank in der NS-Zeit nen im übrigen niemand bestreitet, dass der DFB auch profi torientiert gehandelt habe. heraus, das Geldinstitut habe rein gewinnori- Politik oder Ökonomie? Die Frage spiegelt sich ironischerweise auch in den Motiven der entiert und nicht ideologisch gehandelt – wie Kombattanten wider. Ihr Streit hat sowohl politische als auch ökonomische Gründe. Histori- eben auch der DFB. Die Konsequenz dieser ker müssen radikale These formulieren, um auf dem hart umkämpften Markt Gehör zu fi n- Haltung wäre, dass es in Deutschland in der den. Dem Publikum indes kann das Recht sein: In Zeiten, in denen so oft das Ende der Ideo- Nazizeit keine Nazis gab, abgesehen von einem logien herbeigeredet wird, liefert wenigstens die Geschichte des Fußballs Anlass für erregte Österreicher, der an der Spitze stand. ideologische Debatten alter Schule.

RUND 41

rrund0407_041_Kommentar_Nund0407_041_Kommentar_N Abs1:41Abs1:41 009.03.20079.03.2007 14:14:5114:14:51 UhrUhr RUND Gleiche Höhe

GLEICHE HÖHE HINTERGRÜNDIG FACHLICH KEIN ABSEITS „Meine Freunde in England sagen, dass sie jetzt ein ganz anderes

Bild von Deutschland haben“ JENS LEHMANN

44 DER PROFI SPRICHT „Ich fühle mich nicht als Revoluzzer“ – Jens Lehmann über Nationalelf und Bundesliga

50 AUSLANDSREPORTAGE Europas Brasilianer – Ständig kommen große Fußballer aus Tschechien. Wir waren vor Ort

60 THÜRINGER SPEZIALITÄT „Was wollen Sie denn von mir?“ – Interviews mit Bernd Schneider sind nicht ganz einfach

64 QUEREINSTEIGER

Auf dem Weg ins Schalker Herz – Mirko Slomka hat Schalke nach oben gebracht. Ein Porträt

RUND 43

rrund0407_043_VorschaGleund0407_043_VorschaGle 4343 006.03.20076.03.2007 10:29:2710:29:27 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

„SCHÖNER, WENN MAN EINE QUALIFIKATIONSRUNDE UNTER GROSSEN NATIONEN STARTET“: JENS LEHMANN WILL NICHT MEHR NACH SAN MARINO

RUND 44

rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4444 008.03.20078.03.2007 14:22:5414:22:54 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

„ICH FÜHLE MICH NICHT ALS REVOLUZZER“

LONDON, TRAININGSGELÄNDE DES In Deutschland wurden Sie lange Zeit nicht so positiv gesehen wie in England. Das hat sich offenbar nachhaltig geändert. Beim Champions- FC ARSENAL: JENS LEHMANN NIMMT SICH League-Spiel von Arsenal beim HSV sind Sie vom Hamburger Publikum bejubelt worden. ZWEI STUNDEN ZEIT FÜR RUND. Ja, Wahnsinn. Ich habe dort in zehn, zwölf oder noch mehr Spiel- DER 37-JÄHRIGE TORHÜTER ÜBER JÜRGEN zeiten gespielt und bin jedes Mal ausgepfi ffen worden. Und jetzt wur- de ich zum ersten Mal mit Applaus begrüßt. Herrlich. KLINSMANN, ANGELA MERKEL UND Bei Arsenal war mal der Weltrekordtorschütze der Keeper, Rogério Ceni, im Gespräch. Er hat 68-mal getroffen, Sie zweimal. Wäre es ein EIN KARRIEREENDE IN DER BUNDESLIGA Traum, auch noch mal für Arsenal ein Tor zu schießen? INTERVIEW MATTHIAS GREULICH, RAPHAEL HONIGSTEIN, FOTOS HEIKO PRIGGE Das hört sich gut an, aber man muss immer die jeweilige Situation sehen. Wenn ich nach vorne gehe, um ein Tor zu schießen, bedeutet das, dass wir hinten liegen. Und das ist kein Traum, sondern ein Alb- traum. Das muss ich leider so sagen. Wobei die Situation bei Schalke in Dortmund damals perfekt war und eines der tollsten Erlebnisse, die ich je im Fußball hatte. Was würde denn Arsène Wenger sagen, wenn er Sie wie damals übers Feld spurten sehen würde? Er mag das nicht so gerne. Wenger hat sich jetzt dahingehend geäußert, dass er die Qualifi ka- tionsspiele für Turniere der Nationalmannschaften für überfl üssig hält. Da hat er Recht. Es gibt ja Spiele wie gegen San Marino oder Zypern, ohne denen jetzt zu nahe treten zu wollen. Man muss da hin und die Reisestrapazen auf sich nehmen. Aber es ist doch schöner, wenn man unter den großen Nationen eine Qualifi kationsrunde startet, wo man alleine schon wegen des Fußballs gerne zuguckt. Das ist doch viel at- traktiver für die Zuschauer und effektiver bei der Planung für die Ver- eine, weil man weniger Spiele hat. Diplomatie ist ein gutes Stichwort. Glauben Sie, dass Sie eine Revo lution in der Nationalelf angezettelt haben? Angefangen bei den Handschuhen bis hin zu der Regelung der freien Schuhwahl? Weiter- Freie Fahrt: Trotz Stoppschild dürfen die gehend überhaupt gegen die alten Mächte im deutschen Fußball? Arsenal-Profi s nicht halten, um Autogramme zu geben Meinen Sie Adidas? Ja, zum einen. Aber auch den Machtblock des FC Bayern und der „Bild“-Zeitung. Das Establishment, wenn man so will. Sie sind Herr Lehmann, unter Torleuten scheint es zwei Philosophien beim derjenige, der aus der Kälte kam, und das Blatt scheint sich zu wenden. Waschen der Handschuhe zu geben. Ihr Nationalmannschaftskollege Ich fühle mich nicht als Revoluzzer. Erstens habe ich das nicht allei- lässt sie vom Zeugwart in der Maschine reinigen. ne gemacht. Es gab noch mindestens einen weiteren Spieler, der ein Wie machen Sie es? großes Interesse daran hatte, wegen seiner gesundheitlichen Probleme. JENS LEHMANN Immer selbst. Mit der Hand und nur mit Wasser. Und zum zweiten gibt es Leute beim DFB wie den Präsidenten Dr. Warum, gehen die Handschuhe dann weniger schnell kaputt? Zwanziger, der ein intelligenter und aufgeschlossener Mann ist. Er Ich habe dann eine bessere Haftung. kennt die Interessen der Spieler und des DFB und weiß, was man vom Der Pressesprecher von Arsenal sagte uns, dass Sie die Handschuhe Produkt Nationalmannschaft will. Ich glaube nicht, dass ich da allei- erst dann wechseln, wenn Sie verlieren. Als Arsenal in der Immaculate ne den Ausschlag gegeben habe. Zusammen mit anderen hatte ich ein Season 2003/04 ungeschlagen blieb, mussten Sie 49 Spiele lang mit gesundheitliches Interesse. Wenn man dann über die Finanzen spricht, einem einzigen Paar auskommen? hatte ich ein Interesse daran, dass wir nicht benachteiligt werden, wie Ja, genau. Die Handschuhe von damals habe ich aufgehoben. wir das gegenüber Adidas-Spielern ja immer waren. Und wir haben

RUND 45

rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4545 008.03.20078.03.2007 14:23:0314:23:03 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

irgendwann Leute vorgefunden, die auch ein Ohr für die Probleme hatten, die sich dort aufgetan haben. Wenn die Firma Adidas meint, als einzige ein Monopol haben zu müssen, was sie sonst bei keiner an- deren Mannschaft dieser Welt hat, ist das deren Sache. Und was die modernen Fußball verpasst, werden aber für provokative Meinungen „Bild“-Zeitung damit zu tun haben soll, wüsste ich jetzt nicht. bezahlt. Als Spieler sollte man sich davon nicht beeinfl ussen lassen. Sie sind öfter gegen Wände gelaufen und haben gesagt, dass das Pro- Die Mannschaft hatte immer sehr, sehr großen Respekt und fast schon blem sei, dass vieles miteinander zusammenhänge. Die Bayern-Lobby Bewunderung für Klinsmann, weil man wusste: Er stellt sich total da- beim DFB und in gewissen Medien zum Beispiel. Nun scheint es, als gegen. Das war eine Art Vorbildfunktion, die er dort ausgeübt hat. Man ob sich im Zuge der WM und des Ausrüsterstreits einiges ändert. Man konnte sicher sein, wenn es einen mal selbst betreffen sollte, dass könnte sagen, Sie sind als Sieger aus der Sache hervorgegangen. einem die Presse aus irgendwelchen Gründen nicht wohl gesinnt war, Ich habe noch nie in meinem Leben solch eine Aussage getätigt, dass dass Klinsmann mit Sicherheit zu einem stehen würde. Das war nicht es ein Problem sei, dass es Zusammenhänge gibt. Mein Körper profi - bei allen Trainern so. Einige haben sich halt den Medien gegenüber tiert von der freien Wahl der Ausstattung. Das gilt aber auch für ande- „loyaler“ verhalten. Klinsmann nicht. Ich kannte ihn noch als Spieler re Spieler, die nachkommen, die sonst Probleme bekommen hätten, und hatte da schon Hochachtung vor ihm. wenn sie ihre Schuhe immer wieder hätten wechseln müssen. Ich fühle Hat diese Wagenburgmentalität der Nationalmannschaft geholfen? mich nicht als Sieger. Das ist ein Ausdruck, den Sie vielleicht gebrau- Es gibt ja auch Vereinstrainer, die so etwas künstlich aufbauen, um die chen, aber ich tue das nicht. Spieler zusammenzuschweißen. In „Deutschland. Ein Sommermärchen“ haben Sie dennoch offene Ich glaube, man kann viele Sachen nehmen, die uns da als Mann- Worte gebraucht und die Meinungsmache beim Namen genannt. War schaft nach vorne gebracht haben. Wir hatten einen großen Teamgeist. das eine bewusste Entscheidung? Das hat man gesehen. Der war nicht nur zur Schau getragen, der Team- Aber natürlich. Das war so, das muss man ja sehen. Ich bin 1998 zur geist war wirklich da. Natürlich gab es immer ein, zwei Unzufriedene, Nationalmannschaft gekommen. Dann gab es diese Situation, ich glau- die nicht spielten und nicht so auf dieser Welle mitschwammen. Im be ein Jahr später, als Andy Köpke aufgehört hatte. Ich habe in der Verlauf des Turniers haben aber selbst diese Spieler gesehen, dass der Qualifi kation zur EM ganz gut gespielt. Dann kam Oliver Kahn nach Zug Fahrt aufgenommen hat und sind dann lieber aufgesprungen, an- einer Verletzung zurück, und wir hatten ein Spiel in der Türkei, wo er statt zu versuchen, den Zug noch anzuhalten. Am Ende war dann dieses spielte und Fehler machte. Ich hatte trotzdem keine Chance mehr. Si- Bild der völligen Harmonie, was natürlich auch nicht so ganz stimm- cherlich auch, weil Bayern München sich extrem für ihn eingesetzt te. Alles in allem glaube ich aber, dass Klinsmann mit seiner Art und hat und damals beim Bundestrainer Erich Ribbeck auf offene Ohren Weise schon unheimlich viel dazu beigetragen hat, dass dieser Team- gestoßen ist. Wenn man in meiner Position ist, sieht man, was für ein geist entstanden ist. medialer Druck aufgebaut worden ist: Diese indirekte Einfl ussnahme Der Teamgeist scheint auch in Ihrem Klub zu herrschen. Alle sprechen war nicht immer gut für den Fußball. Damit musste ich zurechtkom- in England davon, dass dieser Arsenal-Elf die Zukunft gehört, sie viel- men. Aber das kümmert mich jetzt nicht mehr. leicht in zwei, drei Jahren die Liga dominieren wird. Ist es schade, dass Sie nicht mehr Teil dieser Zukunft sein werden? „ES GIBT WENIGE GUTE KOLUMNISTEN“ Aus meiner Erfahrung als Fußballspieler weiß ich, dass es nie so ge- kommen ist, wenn man sagte: „Die Mannschaft ist so jung, hat so Haben Sie in der Nationalmannschaft die Attacken einiger Medien gegen Klinsmann diskutiert? Das ist mir jetzt zu allgemein. Was für Attacken? Die Kampagne der „Bild“-Zeitung nach der 1:4-Niederlage im Freundschaftsspiel gegen Italien. Als die Arbeit des Bundestrainers massiv infrage gestellt wurde. Das habe ich nicht so verfolgt. Da war ich ganz froh, dass ich in Lon- don wohne und nicht täglich die deutschen Stimmungen mitkriege. Natürlich wusste ich, dass die Stimmung nicht so gut war, aber dass es tatsächlich darum ging, ob Klinsmann weitermacht oder nicht, ging ein wenig an mir vorbei. Die Diskussion darüber hätte ich auch nicht verstanden, wie wahrscheinlich die meisten Spieler nicht. Was denkt die aktuelle Generation der Nationalspieler über Kolumnisten, die forderten, man müsse wieder mit Libero spielen? Sagen wir mal so: Die meisten Kolumnisten schreiben ihre Kolum- nen über Fußball deswegen, weil das häufi g die einzige Möglichkeit für sie ist, noch im Fußballgeschäft zu arbeiten. Franz Beckenbauer oder Günter Netzer jetzt mal ausgenommen. Bei den anderen gibt es Staatsempfang: Die Queen empfi ng die Arsenal-Stars wenige Gute. Sie haben dann auch meistens die Entwicklungen im – Lehmann, Denilson, Gilberto und Diaby (von links)

RUND 46

rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4646 008.03.20078.03.2007 14:23:0614:23:06 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

„ICH FÜHLE MICH NICHT ALS SIEGER“: LEHMANN DARF AUCH BEI DER NATIONAELF AUF SEINEN PRIVATEN SPONSOR ZURÜCKGREIFEN

RUND 47

rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4747 008.03.20078.03.2007 14:23:0714:23:07 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

„Wir überlegen“: Bleibt der beste deutsche Torhüter in England, Wertsteigerung: Lehmanns Unterschrift macht seine oder kommt er zurück in sein Heimatland? Handschuhe noch begehrter

dern relativ bescheiden und aus dem Leben daherkommt. Bei einer Person in einer solch mächtigen Position ist das, glaube ich, recht sel- viel Potenzial, in drei, vier Jahren wird sie die Mannschaft schlecht- ten. Manche haben ja auch die Vorgänger kennen gelernt. Helmut hin sein.“ In Schalke damals haben wir es gesagt, als wir in die Bun- Kohl war sehr nett, aber mit dieser machtvollen Aura: „Hier bin ich!“ desliga aufgestiegen sind, danach wären wir beinahe abgestiegen. Auf Das war Helmut Kohl, der da vor einem stand. Imposant. Gerhard einmal waren zehn Spieler weg. In Dortmund war es ähnlich. Da muss Schröder war auch sympathisch, hatte aber auch schon so eine Aus- man mal abwarten. Es ist nicht planbar. Wir haben tolle Spieler, zwei- strahlung von Macht. felsfrei. Aber manchmal kommen kleine Mosaiksteinchen zusammen, Hat sich Ihre Sicht auf Deutschland während der WM verändert? die eben den Erfolg ausmachen oder verhindern können. Das kann Ja, sehr sogar. Als wir wieder wegmussten, waren wir richtig traurig, man jetzt nicht sagen. Ich freue mich, solange ich bei Arsenal spiele, denn Deutschland haben wir noch nie so schön erlebt. Einerseits vom weil ich den Fußball, den wir spielen, auch sehr attraktiv fi nde. Aber Wetter her, andererseits von der Stimmung, der Begeisterung der Leu- irgendwann ist die Zeit hier vorbei, früher oder später. te. Wahnsinn. In England war diese Stimmung nicht. Es war zwar auch Wissen Sie, wie es persönlich mit Ihnen weitergeht? schön, aber diese Euphorie, diese neue Atmosphäre in Deutschland Dass meine Kinder hier zur Schule gehen, ist eine Tatsache, die klar mussten wir wieder verlassen. Das war schade. dafür spricht, bei Arsenal zu bleiben. Andererseits wäre es vielleicht auch interessant, meine Laufbahn in Deutschland zu beenden, wo sie „MEINE FREUNDE HABEN NUN EIN ANDERES BILD“ begonnen hat. Wir sind dabei zu überlegen. Ich sage wir, denn ich kann nicht in die Stadt X gehen, wenn ich schon im Voraus weiß, dass War das Gefühl stärker für Sie, als „Ausländer“? das nichts mit meinen Kindern und meiner Frau wird. Kann ich jetzt nicht sagen. Darüber habe ich mit den anderen nicht Welche Städte sind das? gesprochen. Aber für mich war es schon extrem gut. Ohne jetzt Namen zu nennen: Ich hatte mal eine Anfrage, bei der Was haben Ihre englischen Freunde gesagt? wusste ich schon vorher, dass das nichts wird. Aber es wird da schon Die Freunde von mir sagen, dass sie ein ganz anderes Bild von Deutsch- eine Lösung geben. land haben. Sie hätten nicht gedacht, dass Deutschland so ist. Und ei- Konnte Angela Merkel Sie von den Vorteilen des Standorts Deutsch- ner meinte dann nach einer kurzen Pause etwas scherzhaft: „Die pla- land im WM-Mannschaftsquartier überzeugen? nen wieder irgendetwas.“ Sie hat mich mit ihrer Art, wie sie war, überzeugt, dass sie es schon Hat Sie das ein bisschen stolz gemacht? richten könnte. Dass es besser wird. Wir haben nicht nur fünf Minu- Es hat mich gefreut. Letzte Woche habe ich noch mit Thierry Henry ten geredet, wie es im Film zu sehen war, sondern noch zweimal. Aber gesprochen. Er sagte, egal, wo sie hingekommen sind, haben die Leu- ich glaube, wenn ich mir über einen Vereinswechsel Gedanken ma- te die französischen Fahnen rausgeholt und applaudiert. Er meinte, che, dann kann das ernsthaft keine Rolle spielen. das wäre extrem toll für die Spieler gewesen. Auch die Spieler der El- Sie hatte nach der Niederlage im Halbfi nale gegen Italien in der fenbeinküste hatten denselben Eindruck. Die waren alle begeistert. Kabine auch nicht das eingefrorene Lachen wie andere Politiker. So, wie ich sie kennen gelernt habe, war sie deswegen unheimlich IM NETZ sympathisch, weil sie nicht den Eindruck von Macht vermittelt, son- Mehr von Jens Lehmann lesen Sie unter www.rund-magazin.de

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rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4848 009.03.20079.03.2007 14:19:1014:19:10 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Profi spricht

DER DOPPELTE LEHMANN: HINTEN IM KREISE SEINER KOLLEGEN, VORNE BEIM MITTLERWEILE ROUTINIERTEN UMGANG MIT DEN MEDIEN

JENS LEHMANN war einer der ganz großen Gewinner des vergangenen Sommers. Seit der WM ist der Keeper, der lange Zeit im Schatten von Oliver Kahn stand, die unumstrittene Nummer eins im deutschen Tor. Seit 2003 steht er bei Arsenal London unter Vertrag und konnte in dieser Zeit bereits zwei große Erfolge verbuchen: 2004 wurde er Meister und im Jahr darauf holte er im Elfmeterschießen gegen Manchester United den renommierten FA-Cup. Dabei parierte er den entscheidenden Elfmeter gegen Paul Scholes. Der 43-fache Nationalspieler war vorher bei Schalke 04, Borussia Dortmund und ein halbes Jahr beim AC Mailand unter Vertrag. Der 37-Jährige ist mit der Grundschullehrerin Conny verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

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rrund0407_044_049_IntLehmann_Nund0407_044_049_IntLehmann_N 4949 008.03.20078.03.2007 14:23:2214:23:22 UhrUhr GLEICHE HÖHE Auslandsreportage

Europas Brasilianer Immer wieder bringt der tschechische Fußball Talente hervor, die technisch auf höchstem Niveau spielen. Auch die Nationalmannschaft ist seit Jahren in der Weltspitze dabei. RUND hat sich in TSCHECHIEN auf die Suche nach dem kommenden Tomáš Rosický gemacht – und hat ihn gefunden

VON OLAF SUNDERMEYER, FOTOS JAN ZAPPNER

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rrund0407_050_055_AuslandTsc_Nund0407_050_055_AuslandTsc_N 5050 008.03.20078.03.2007 20:37:4920:37:49 UhrUhr GLEICHE HÖHE Auslandsreportage

Mit links in den rechten und mit rechts in den linken Reifen: Hinterm Haus seines Opas übt Jaroslav Sulovský seine Beidfüßigkeit

Vielleicht ist er ja der nächste Tomáš Rosický: So verloren und schüchtern lächelnd wie Ja- roslav Sulovský im fl atternden Anorak und mit

Strickmütze nach dem Training im kalten Pra- Offensiv-Allrounder und Nationalspieler: ger Wind steht, hat er schon etwas von seinem Auf Daniel Koláˇr ruhen große Hoffnungen schmächtigen Vorbild. Als das heutige Idol im Winter des Jahres 2001 den Fans von Borus- sia Dortmund als größtes Talent im europäi- schen Fußball präsentiert wurde, sah er auch noch aus wie ein Junge, obwohl er damals überblicken kann. „Die Besten bildet der Verein nicht für sich aus, die gehen sofort ins Aus- schon 20 Jahre alt war. Ein Junge, der aus der land, sehr früh – mit 16 Jahren.“ Zuletzt wechselte einer zu West Ham United, die Premier Jugend von Sparta Prag kam und für sehr viel League ist der Traum. Das Londoner Stadtderby Chelsea gegen Arsenal, bei dem sich die zwei Geld den Weg in die Fremde fand. „Aber ei- Stützen der tschechischen Nationalmannschaft, Torhüter Petr Cechˇ und Tomáš Rosický, ge- nen Tomáš Rosický gibt es nur alle zehn Jah- genüberstehen, ist das sportliche Highlight des Jahres. „Es geht nur um das schnelle Geld der re“, sagt David Varuška, der sportliche Leiter Manager, für die Spieler wäre es besser, wenn sie sich erst mal in unserer heimischen Gambri- des Jugendtrainingszentrums von Sparta. Es nus-Liga ans Profi geschäft gewöhnten.“ Er hebt die Hände zum Zeichen der eigenen Machtlo- ist laut auf dem Flur: Geräusche wie in der Ju- sigkeit. Immerhin kämen fast 60 aktuelle Profi s aus den ersten beiden tschechischen Ligen gendherberge, nachdem abends die Lichter aus von hier. Darauf ist Varuška stolz, auch wenn es dort keine Stars gibt. Aber warum sind die sein sollen. Ein Kichern und Glucksen, irgend- Tschechen technisch so stark und im Ausland so beliebt? „Das liegt uns wohl im Blut, wie den wo wimmert Beyoncé Knowles aus dem CD- Brasilianern“, sagt er. Player. 14 Jugendmannschaften hat die Aka- demie, einen gut eingerichteten Fitnessraum Immer wieder holen Jan Šimák die Geschichten von Alkohol und und ein Behandlungszimmer der Physiothe- Partyexzessen ein. Bei Sparta kämpft er um den Stammplatz rapeuten. Spartas Jugend ist Spartas Kapital; bei den besten Spielern allerdings nur fi nan- Stimmt die Rechnung des Jugendtrainers, dass Tschechien alle zehn Jahre ein Riesentalent ziell, weniger sportlich. hervorbringt, müsste der nächste Rosický ungefähr aus dem Jahrgang von Jaroslav Sulovský Jugendtrainer David Varuška schließt die Tür kommen. Der gehört schon jetzt zu denen, die ein Spiel entscheiden können. Wenn der Wech- und setzt sich hinter seinen Schreibtisch, von sel des tschechischen Mittelfeldstars ins Ruhrgebiet zehn Jahre zurückliegt, wird Jaroslav 16 dem aus er einige der zwölf nagelneuen Trai- Jahre alt sein: im besten tschechischen Fußballalter. Noch ist er zwölf und muss sich viermal ningsplätze im Inneren des alten herunter- in der Woche von seinem Vater zum Training fahren lassen: 100 Kilometer hin, 100 zurück. gekommenen Spartakiade-Stadions auf dem Jetzt wird er wohl schon auf halber Strecke nach Hause sein, etwa im ländlichen Krušovice, westlichen Hügel über Altstadt und Moldau wo die gleichnamige Brauerei ihr Bier auch für Berliner Biergärten braut. Am nächsten Tag lacht die Sonne über der kalten Stadt. Der Himmel ist blau, und die Kon- turen der Prager Burg, des Hradschin, zeichnen sich klar hinter der Toyota Arena von Sparta Prag ab. Gespielt wird an diesem Mittag auf einem Nebenplatz. Rund 400 Leute sind da; da- runter ein paar englische Touristen, bei denen ziemlich oft der Name Rosický fällt: Sparta

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spielt im Freundschaftsspiel gegen den Liga- konkurrenten aus Kladno. Interessant wird die Begegnung erst in der zweiten Halbzeit: Beim Stand von 0:0 wird ein Spieler eingewechselt, bei dessen Namen jeder, mit dem man hier über Fußball redet, gleich aufhorcht, um dann wieder abzuwinken. Jan Šimák polarisiert. Nach seiner Rückkehr aus der Bundesliga muss Šimák bei Sparta um seinen Stammplatz kämpfen. Immer wieder holen ihn die Ge- schichten vom Alkohol ein, von Partyexzessen und Glücksspiel. 28 Jahre ist er alt und heute gut drauf. Erst pfl ückt Simmi den Ball, der als hoher Seitenwechsel die linke Außenbahn fi n- det, elegant mit links aus der Luft und spielt ihn zielgenau mit rechts weiter. Ein anderes Mal tanzt er zwei Gegner an der Seitenlinie aus und bringt den Ball elegant in den Straf- raum zu seinem Mitspieler, der zum 1:0 trifft. Das nächste Tor schießt er selbst: Freistoß halb- linke Position, Torentfernung 23 Meter, klack, oben links ins Eck. Besser geht’s nicht. Auch beim dritten und letzten Tor hat er wieder ei- Blau gegen Gelb: Das tschechische Sichtungssystem gilt als hervorragend. nen seiner zwei tauglichen Füße im Spiel – Auch die Trainingsbedingungen – hier bei Sparta – sind modern und immer wieder rufen alle „Simmi, Simmi“, die sich ein Zuspiel von ihm wünschen. Ist das wirklich nur Glück? Damals, als er mit 21 Jahren von Chmel Blša- dert, sein beidfüßiges tschechisches Talent. Woher das denn überhaupt kommt? „Wir haben ny zu Hannover 96 kam, war er glücklich, sagt es einfach im Blut, so wie die Brasilianer auch.“ Als hätte sich die tschechische Fußballwelt er uns nach dem Spiel: „Dort habe ich große vor unserem Besuch abgesprochen. Šimák braust ungeduscht mit seinem Landcruiser davon, Spiele gemacht. Diese Zeit fehlt mir sehr.“ In vermutlich nach Hause. Inzwischen ist er verheiratet und hat ein Kind. den sieben Jahren seither ist viel passiert. Viele Draußen vor dem Spielertrakt steht ein alter, weißhaariger Herr, der sich das Spiel ange- sagen, er habe sein Talent einfach verschleu- schaut hat. 80 Jahre waren für Radek Meiser genug, um ein bisschen Ahnung vom Fußball zu sammeln: „Wissen Sie, natürlich können unsere Jungs schön Fußball spielen, aber am Ende zählt das Resultat, nicht bloß die Laune.“ Meiser grinst jetzt unter seiner Prinz-Heinrich-Müt- ze wie der Schwejk. Meiser, der in den 50ern bei Slavia Prag zwischen den Pfosten stand. „Bei mir liegt der Fußball beispielsweise in der Familie, mein Enkel spielt ja auch hier!“ – „Ach ja, wie heißt denn der?“ – „Koláˇr, Daniel.“ – „Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meiser, hätten Sie vielleicht die Telefonnummer von Ihrem Enkel?“ Schließlich ruhen die Hoffnungen des Landes auf dem Offensiv-Allrounder und U19-Nationalspieler. Opa Karol ist der Sohn einer Kriegsgefangenen. Vom Geld aus dem Zwangsarbeiterfonds unterstützt er den Nachwuchsfußball Dann ist Sonntag, der Tag, an dem Jaroslav Sulovský mit seiner U12 spielt. Der Stadtrivale Bohemians Prag wird mit 4:0 geputzt. Jaroslav schießt ein Freistoßtor, das fast so aussieht wie das von Jan Šimák am Vortag. Beide Mannschaften überzeugen kämpferisch und spielen tak- tisch erstaunlich diszipliniert. Am Ende entscheiden die besseren Einzelspieler in bordeaux- rot, der Sparta-Farbe. Auf Jaroslav warten in einem kleinen Renault Clio sein Vater und der Großvater. Vater Jaroslav Sulovský, auch er heißt so, hatte nach dem Wechsel seines Sohnes zu Sparta eigens den größeren Wagen verkauft. Wegen der Kilometer, der Verein zahlt nur um- gerechnet 6,50 Euro am Tag. Das reicht selbst bei den niedrigen tschechischen Benzinpreisen Traum in Hüfthöhe: Sie wollen in Spartas erste nicht aus. Der Rest kommt von Opa Karol, der als Kind einer tschechischen Zwangsarbeiterin Mannschaft. Und dann in die in Braunschweig den Krieg verbracht hat; ein paar Brocken Deutsch sind geblieben. Er hat

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Idol überm Bett: Jaroslav Sulovský hat Talent und das richtige Vorbild

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Eine Karriere sei plan- aber nicht vorhersehbar, sagt Papa Sulovský, der weiß, wovon er re- det. Er war selbst ein verheißungsvolles Eishockeytalent, bis er sich bei einem Foul ein paar Rückenwirbel brach. Seither ist er Sportinvalide und kümmert sich um den Nachwuchs. Vor ein paar Monaten erst haben sie ein Angebot von Zdenˇek Nehoda abgelehnt, dem Berater des großen Pavel Nedvˇed. Nehoda wollte Jaroslav unter Vertrag nehmen: Für ein paar Fußball- schuhe, hin und wieder einen schicken Trainingsanzug und neue Bälle sollte er der erste An- sprechpartner bei möglichen Interessenten ausländischer Klubs sein. Doch er biss auf Granit: „Erst mal sehen, wie er sich in den kommenden Jahren entwickelt. Wenn er sich in den hö- heren Mannschaften bei Sparta nicht durchsetzt, sollte er lieber in einer Kleinstadt spielen, mit Spaß am Fußball, und eine vernünftige Ausbildung machen“, sagt der Vater. Einen Teil seiner fußballerischen Ausbildung hat Jaroslav hier, hinterm Haus, erfahren: Dort sprießt eine Wiese, etwas kleiner als ein Handballfeld, fast eben ist sie. „Ich habe damals ei- gens einen Bulldozer gemietet, um alles plattzumachen“, sagt Opa Karol stolz. Das Gras ist kurz gefressen von den zotteligen Ziegen, die sich hinter einem Gatter balgen. In der Mitte steht ein selbst gezimmertes Tor, das Netz hängt schlapp. In den Winkeln jeweils an einem Draht ein Autoreifen. Dann macht Karol es vor, angedeutet mit Krücke: „Mit dem linken Fuß in den rechten Reifen, mit dem rechten Fuß in den linken.“ So erträglich also lernt man die Beidfüßigkeit des fußballerischen Seins in Tschechien. Ob Rosický, Nedvˇed und Šimák auch so ein Spielgerät hatten? Für den Heimweg in die Goldene Stadt schenkt Karol noch ein Glas selbst eingemachter Gurken, dann hebt er den Zeigefi nger, fast drohend, und sagt in gebro- chenem Deutsch: „Aufpassen auf diese Junge, in fünf Jahren ihr kommt zurick!“ Ein plötz- licher Wolkenbruch unterstreicht seine Worte. Vor dem Treffen mit Daniel Koláˇr im berühmten Jugendstilcafé des „Obecní Dom“ in der Ödland Blšany: Von hier, wo einst ein Erstligist spielte, wechselte Jan Šimák zu Hannover 96 Prager Altstadt wird es dann noch ein bisschen formell: Petr Fousek ist Geschäftsführer des tschechischen Fußballverbands. Die Flure ziert eine illuminierte Ausstellung der nationalen Fußballgeschichte. Prominent platziert: der größte Freund des tschechischen Sportvolks, Uli Hoeneß, in dem Augenblick, in dem er den Elfmeter verschießt, der die Tschechoslowakei 1976 zum Europameister machte; der größte Erfolg in der Geschichte des nunmehr geteilten aus dem Zwangsarbeiterfonds eine Entschä- Fußballlandes. Herr Fousek ist ein kleiner, höfl icher, weltgewandter Mann, der nicht gene- digung bekommen, mit der er nun den tsche- tisch argumentiert, wenn es um das tschechische Talent geht, mit beiden Füßen zu spielen. chischen Nachwuchsfußball fördert. Jaroslav Er lacht und sagt: „Wissen Sie, hier in Tschechien heißt es unter den Trainern: Mit nur einem will schnell nach Hause. Ein Schlag auf den Fuß bist du nur ein halber Spieler.“ Ein Satz für die Gravur auf einem Bierglas. Knöchel in der zweiten Halbzeit. Er hebt die Trainingshose, rollt die verdreckte rechte So- „Wir Tschechen haben keinen richtigen Nationalstolz, einzig cke nach unten: Ein paar blutige Kratzer sind Eishockey und der Fußball lassen so etwas aufblitzen“ zu sehen. Nichts Großes, sagt sein Vater. Der Nachhauseweg schlängelt sich einein- Vor dem Date mit Koláˇr bleibt dann immer noch Zeit für einen kulturellen Exkurs im Café halb Stunden durch das Land. Plötzlich tau- des schicken Atrium Theaters mit Jaroslav Rudiš, einem jungen Schriftsteller, für den Fußball chen fünf Häuser am grünen Horizont auf, ein Teil der tschechischen Kultur ist: „Wir Tschechen haben keinen richtigen Nationalstolz, eines davon gehört Opa Karol, dem ehemali- einzig Eishockey und der Fußball lassen so etwas aufblitzen, dann kann man sogar Fahnen se- gen Fischereimeister des nahen Stausees. Der hen. Aber nur bei den internationalen Spielen – die Fußballliga ist ja korrupt, weshalb sich die Ofen knistert so heimelig, dass wir uns hier Leute nach Internationalität sehnen.“ In der Tat hat es ein riesiger tschechischer Fußballskan- im Haus ein Fremdenzimmer wünschen. Brot dal im vergangenen Jahr bis auf die Theaterbühnen gebracht: Das Stück „Ivánku, kamaráde“ und Speck schmecken, die selbst eingelegten – „Ivan, mein Freund“ setzt szenisch die Abhörprotokolle der Polizei um, die mit den Handy- Gurken sowieso. Der alte Haudegen lebt für gesprächen zwischen Milan Brabec, dem Vorsitzenden der Schiedsrichterkommission, und den Sport in einem sportbegeisterten Land, Ivan Hornik, dem Klubchef von Viktoria Žižkov, die kriminelle Praxis zahlreicher Spielverkäu- wo die Zeitungen dank Eishockey und Tennis fe aufdecken konnte. Und am Ende haben die Tschechen über die primitive Sprache der Funk- oftmals auch ohne Fußball auskommen. Und tionärsgangster gelacht, herzlich. Was auch sonst. den Tschechen ist ihre Jugend lieb. Das tsche- Daniel Koláˇr, ein blonder Beau, lacht auch viel und gerne. Er wirkt sympathisch, zurückhal- chische Sichtungssystem gilt als hervorragend, tend noch dazu. Vor ein paar Wochen stand er neben Tomáš Rosický, dem Fußballer des Jah- die Jugendtrainer sind gut ausgebildet. Es gibt res, bei der Ehrung zum Talent des Jahres; den schicken dunklen Anzug hat er heute gegen ein enges Netz an Fußballschulen, in denen Jeans und Kapuzenpullover getauscht. Wer genau hinschaut, kann Opa Meiser erkennen. Das vor allem an der technischen Entwicklung der Talent schlürft Espresso und überrascht gleich mit der ersten Antwort: „Nein, ich bin nicht jungen Spieler gearbeitet wird. beidfüssig. Ich schieße fast immer nur mit rechts.“

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Spiel mit Puppen: Ganz groß rauszukommen ist das Ziel aller Sparta-Jugendspieler. Ihre Freundinnen (unten) hätten nichts dagegen.

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AN DIE KETTE GELEGT Die VIERERKETTE ist Gesetz. Weltweit. Und seit ein paar Jahren sogar bundesweit. Aber wie kam es eigentlich dazu, dass sie sich gegenüber der Dreierabwehr durchsetzte? Der Libero ist schuld – wie an fast allem

Drei Finger ragten in die nasse Londoner Herbstnacht. Unter ihnen stand ein Fragezeichen im Gesicht von Gianluca Zambrotta. Wie bit- te, fragten Finger und Augen des italienischen Weltmeisters, mit drei Innenverteidigern sollen wir jetzt spielen? Am Spielfeldrand nickte VON RONALD RENG, FOTOS IMAGO, FIRO, HOCH ZWEI, WITTERS Frank Rijkaard, Zambrottas Trainer beim FC Barcelona. Aber Zam- brottas Erstaunen blieb, blieb bis heute, ein halbes Jahr, nachdem Rij- kaard im Champions-League-Vorrundenspiel beim FC Chelsea seine Elf ab der 56. Minute mit nur noch drei statt den gewohnten vier Ver- teidigern gegen den Rückstand anrennen ließ. „Ich war so überrascht,

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rrund0407_056_059_Taktikr_Nund0407_056_059_Taktikr_N 5656 009.03.20079.03.2007 14:21:2914:21:29 UhrUhr GLEICHE HÖHE Taktikreport

Der Siegeszug der Viererkette ist das auffälligste taktische Merk mal des globalisierten Fußballs

Nationales Abwehrquartett: Fritz, Metzelder, Mertesacker, Lahm (von links)

weil wir das 3 4 3-System nie geübt hatten“, sagt Zambrotta, „und weil Der weltweite Siegeszug der Viererkette ist das auffälligste taktische heute mit drei Verteidigern doch kaum noch gespielt wird.“ Tatsäch- Merkmal des globalisierten Fußballs. Der Libero starb dabei aus, zu lich blieben die 34 Minuten der 0:1-Niederlage bei Chelsea die ein- erschlagend waren die Vorteile der Raum- gegenüber der Mannde- zigen in den vier Jahren unter Rijkaards Leitung, in denen sein auch ckung. Warum aber ist auch der kleine Bruder der Viererkette, die taktisch Maßstäbe setzendes Barça mit drei Verteidigern agierte. Dreierkette, bestenfalls noch in Ausnahmesituationen gefragt? Es ist nur ein paar Jahre her, da hätte sich kein Finger gereckt, wenn eine Elf mit drei Verteidigern spielte. Es wogte der dogmatische Kampf Viererketten bilden einen breiten Schutzwall der Systeme im Fußball, die im Grunde aber eine friedliche Koexis- tenz führten: die Raumdeckung in einer Abwehrkette auf einer Linie „Von einer Abwehrlinie mit vier Spielern ausgehend, lässt sich der und die Manndeckung mit Libero. Beide Systeme wurden mal mit vier, gesamte Raum des Spielfelds am besten abdecken“, sagt Marcel Kol- mal mit drei Verteidigern interpretiert, wenngleich die Tendenz beim ler, Trainer des VfL Bochum, der als einer der fähigsten Taktiker der Liberosystem ab 1980 eindeutig zur Dreierabwehr ging. Doch so wie Bundesliga gilt. Der Fußballplatz ist rund 70 Meter breit. Vier Abwehr- plötzlich der Kommunismus unterging und der Kapitalismus siegte, spieler, die im Abstand von gut zehn Meter zueinander auf einer Li- verschwand seit Ende der 90er-Jahre das Spiel mit drei Innenverteidi- nie positioniert sind, bilden somit immer einen 50 Meter breiten Schutz- gern. Griechenland bei seinem EM-Triumph 2004 war die eine Aus- wall. Und da sich die Viererkette fl exibel seitlich verschiebt, fallen die nahme, die die Regel bestätigt, ansonsten fi ndet sich heute weder in ungedeckten 20 Meter nicht ins Gewicht. Ein Beispiel: Der Gegner der Bundesliga noch in den Premiumligen Englands und Spaniens ei- greift über den rechten Flügel an, die Viererkette lässt die äußersten ne dreiköpfi ge Abwehr. Man muss schon tief wühlen, um im Spitzen- 20 Meter der linken Seite ungedeckt. In der Zeit, die der Gegner be- fußball noch eine zu fi nden: bei Reggina und dem AC Turin. Abstiegs- nötigt, den Ball eventuell nach links außen zu spielen, könnte sich die kandidaten in Italiens Serie A. Viererkette auch dorthin verschieben. Eine Dreierkette dagegen kann

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Die Dreierkette verlangt überdurchschnittlich schnelle und auch gedankenschnelle Spieler

Barças Dreierkette: Puyol, Márquez, Zambrotta (v.l.) spielten nur ein einziges Mal in dieser Formation

immer nur 40 Meter abdecken, fast das halbe Spielfeld wäre also frei. wehr und Mittelfeld pendeln, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ih- Das ist die Einladung für den Gegner. Das heißt, die Dreierkette braucht nen öfters einmal der Wechsel nicht rechtzeitig gelingt. Das macht die in der Defensive immer die Unterstützung der zwei Außenspieler aus Dreierkette schwieriger. Riskanter. dem Mittelfeld, die diese Löcher stopfen. So ist sie zur Erste-Hilfe-Maßnahme in Extremsituationen verkom- „Die Spieler, die von einer Umstellung auf eine Dreierkette am meis- men. Sie wird zum einen – wie erfolglos von Barça in Chelsea – für ten betroffen sind, sind deshalb nicht die Verteidiger, sondern die Au- ein ultraoffensives Spiel bei Rückstand in der Schlussphase eines Spiels ßen des Mittelfelds“, sagt Koller, „sie müssen extreme Wege gehen.“ benutzt, mit dem schlichten Ziel, einen zusätzlichen Spieler für die Während im Spiel mit Viererkette die Positionen recht starr eingehal- Offensive freizusetzen. Oder sie wird – wie in Reggina und Turin – als ten werden und für die Spieler ihre Aufgabe deshalb recht überschau- falsche Dreierkette für ein betont defensives Spiel eingesetzt. Denn bar bleibt, ist das System mit Dreierkette auf Flexibilität angewiesen: eigentlich ist sie in solchen Fällen eine Fünferkette: Die beiden Au- In Defensivsituationen müssen fünf Spieler in der Abwehr sein, beim ßenspieler, die zwischen Mittelfeld und Abwehr pendeln sollten, blei- eigenen Angriff müssen aber sofort wieder fünf Mann im Mittelfeld ben faktisch fast die ganze Zeit als Außenverteidiger auf einer Höhe stehen. „Das funktioniert nur mit sehr schnellen und sehr gedanken- mit der Innenverteidigung. Hans Meyer war zu Beginn seiner Amts- schnellen Spielern“, sagt Koller und denkt nicht nur an die zwei rotie- zeit beim 1. FC Nürnberg vergangene Saison der letzte Trainer in der renden Außenspieler: Ganz besonders die drei Innenverteidiger müs- Bundesliga, der das versuchte. Auch Marcel Koller hoffte, mit ihr in sen überdurchschnittlich schnell sein, für den Fall, dass einer der seiner Zeit beim 1. FC Köln den Abstieg zu verhindern. „Das macht Außen zu langsam ist oder gar beide nicht schnell genug zurückkom- man, wenn – wie bei mir damals in Köln – die Qualität der Verteidi- men. „Das verlangt eine höhere Aufmerksamkeit“, denn solche unvor- ger nicht gut genug ist“, sagt Marcel Koller. Weil das Schwergewicht hergesehen Situationen treten bei einer Dreierkette viel häufi ger ein des Teams mit fünf Mann dann weit in der eigenen Hälfte liegt, ver- als bei einer Viererkette: Wenn zwei Spieler permanent zwischen Ab- donnert es die Mannschaft zum Konterspiel.

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rrund0407_056_059_Taktikr_Nund0407_056_059_Taktikr_N 5858 009.03.20079.03.2007 14:21:3514:21:35 UhrUhr GLEICHE HÖHE Taktikreport

Dass die Dreierkette in Deutschland länger eine stärkere Rolle als Heynckes antwortete, man wisse doch, dass Yeboah Artikulationsschwie- anderswo spielte, liegt an ihrer – fälschlich angenommenen – Ver- rigkeiten habe. Anthony Yeboah wurde verkauft, Heynckes trat zurück, wandtschaft mit dem hierzulande so geliebten Liberosystem. Beide die Eintracht spielte wieder mit Libero und stieg ein Jahr später erst- Systeme unterscheiden sich durch Raum- beziehungsweise Mannde- mals in ihrer Geschichte ab. Es war die Zeit, als selbst denkende Fuß- ckung ganz grundsätzlich, aber weil sie beide auf eine Abwehr mit drei baller wie von Bayern München ernsthaft erklärten, Mann fußen, war die Dreierkette in Deutschland eine gern gewählte dass es doch egal sei, ob ihr Trainer – in diesem Fall Giovanni Trapat- Zwischenlösung in den Übergangsjahren weg vom Libero. So hielt Jupp toni – die Viererkette probe: „Libero oder Viererkette, im Spiel ver- Heynckes, der als einer der ersten in Deutschland 1994 bei Eintracht schiebt sich das und ist so oder so dasselbe.“ Frankfurt die Dreierkette einführte, eigentlich die Viererkette für ge- Das ist nur ein paar Jahre her. Und doch eine Ewigkeit. Heute fi n- eigneter. Doch die schien damals in Deutschland nicht durchsetzbar. den die taktischen Glaubenskriege nur noch in der Offensive statt: mit Spieler und Publikum hingen religiös am Libero. drei Stürmern oder zwei zentralen defensiven Mittelfeldspielern, das sind die Fragen. Die Basis aber ist für die ganze Fußballwelt die Vie- Die Dreierkette wird kaum noch eingesetzt rerkette. Nur manchmal, in Ausnahmesituationen, glaubt sogar ein ausgewiesener Taktiker wie Marcel Koller doch an die Kraft der Drei- Also dachte Heynckes, wenn er in Frankfurt nur den Libero Man- erkette. Bochum lag im Herbst 2006 gegen Werder Bremen nach ei- fred Binz ein wenig nach vorne verschiebe, auf eine Linie mit den zwei ner Stunde 0:2 zurück, im Training hatten sie es nie geübt, „aber ich Vorstoppern und von Mann- auf Raumdeckung umschalte, sei das schon dachte, komm, versuch es doch einmal mit der Dreierabwehr“. Er nahm ein enormer Fortschritt. Dann verlor die Eintracht zu Hause 0:3 ge- Rechtsverteidiger David Pallas heraus, um mit Ivo Iliˇcevi´c einen zu- gen Uerdingen. Kapitän Anthony Yeboah erklärte, die Mannschaft ver- sätzlichen Offensivspieler zu bringen. „Danach ging es: tak, tak, tak“, stehe nicht, was der Trainer da Komisches in der Abwehr mache. Jupp sagt Koller. Bochum verlor mit 0:6.

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„Was wollen Sie denn von mir?“ INTERVIEW MALTE OBERSCHELP UND RAINER SCHÄFER, FOTOS MAREIKE FOECKING LEVERKUSENS NATIONALSPIELER BERND SCHNEIDER GIBT SO GUT WIE NIE LÄNGERE INTERVIEWS. FÜR RUND HAT ER EINE AUSNAHME GEMACHT. OBWOHL WIR DEN WEISSEN BRASILIANER SCHNEIDER OHNE VORBEHALT VEREHREN, ZEIGTE SICH DER 33-JÄHRIGE SCHNIX WÄHREND DES GESPRÄCHS MISSTRAUISCH UND ZUGEKNÖPFT

Herr Schneider, wir leiden mit Ihnen. Sie spielen trotz der kurzen Pause nach der WM eine gu- Man kann aber auch guten Fußball ohne te Saison. Aber man sieht Sie öfter mit schmerzverzerrtem Gesicht über den Platz laufen. Marathonqualitäten spielen. BERND SCHNEIDER Ich weiß nicht, was Sie da sehen. Ich fühle mich sehr gut und habe oft Das habe ich ja eben gesagt: Das Laufen ge- noch am Ende der Spiele gute Akzente gesetzt. Vielleicht falsch gesehen, falsch interpretiert, hört einfach dazu. Das sind die Stärken von das kann man so oder so auslegen. Ich spiele jedenfalls schmerzfrei. deutschen Mannschaften. Von der technischen Wir wollten Ihnen nicht zu nahe treten. Aber in manchem Spiel sah man, dass jede Faser Ihres Begabung her sind wir mit nicht so viel Talent Körpers schmerzt, im Uefa-Cup gegen Bukarest beispielsweise. ausgestat tet wie etwa die Brasilianer. Darum Wie gesagt, der eine sieht’s so, der andere so. Der eine Spieler hat ein Anfangstief, der ande- müssen wir etwas in die Waagschale werfen, re ein Zwischentief, das wird es immer geben. Trotz alledem freut man sich immer wieder, auf in dem wir besser sind. Auf jeden Fall müssen den Platz zu gehen und zu spielen. wir mehr laufen als beispielsweise ein Ronal- Wir freuen uns, dass Sie die WM-Form in die Bundesliga mitgenommen haben. dinho. Das meinte ich eben. Bei mir lief es kontinuierlich ganz gut weiter. Einen Durchhänger hat- Sie als weißer Brasilianer können sich doch te ich bislang noch nicht. nicht über fehlende Technik beklagen. Sie wussten lange Zeit gar nicht, was Zerrungen sind. Müssen Sie sich mit 33 besser pfl egen? Nein, Technik gehört sicher zu meinen Stär- Im jungen Alter legt man nicht so viel Wert darauf wie später. Ich habe die Erfahrung ge- ken. Aber wir haben auch andere deutsche Spie- macht, dass Pfl ege sehr wichtig ist, gerade bei englischen Wochen, wo man nicht mehr so viel ler, die technisch sehr beschlagen sind wie zum trainiert und alle drei, vier Tage Topleistungen bringen muss. Beispiel und Philipp Machen Sie auch Übungen zu Hause? Lahm. Die Grundvoraussetzungen zwischen Ich mache auch etwas selbst. Aber nicht so viel. Brasilianern und Deutschen sind allerdings un- Vorher mussten Sie sich nicht mal warmmachen. terschiedlich. Ach was, ich kann immer noch auf den Platz gehen und spielen, ohne mich besonders warmzu- Warum haben gerade Sie so eine ausgezeich- machen. Das ist auch vom Typ abhängig. nete Technik? Sie laufen immer noch sehr viel. Freuen Sie sich schon auf den Moment, wo Sie es ruhiger an- Es gibt viele Punkte. Ich habe viel trainiert, gehen lassen können? ich komme ja aus den neuen Bundesländern, Aber Laufen ist die Basis für den Fußball. Gerade für uns Deutsche, die im Ausland so gese- dort wurde von Kindesbeinen an viel Wert auf hen werden, dass sie nie aufgeben. Diese Laufbereitschaft muss man immer an den Tag legen. Technikschulung gelegt, gerade was die Beid- Aber das sind eben auch die Einheiten, in denen der Ball fehlt. füßigkeit angeht. Da hat man den schwachen

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rrund0407_060_063_ProfiSchne_Nund0407_060_063_ProfiSchne_N 6060 008.03.20078.03.2007 20:57:3220:57:32 UhrUhr „Ich tu nicht rumprotzen“: Bernd Schneider bescheiden

rrund0407_060_063_ProfiSchne_Nund0407_060_063_ProfiSchne_N 6161 008.03.20078.03.2007 20:57:3420:57:34 UhrUhr GLEICHE HÖHE Thüringer Spezialität

Fuß auch mitgenommen und intensiv trainiert. Aber man kann auch genetisch Glück haben, zu lernen, die Mentalität kennen zu lernen. dass man ein feinerer Spieler wird als andere. Aber es ließ sich nicht realisieren. Rafael van der Vaart hat seine gute Schusstechnik trainiert, indem er die leeren Bierfl aschen Welches Land hätte Sie interessiert? abgeschossen hat, die sein Vater auf dem Campingplatz aufgestellt hat. Von der Art her, wie ich Fußball spiele, wä- Wir hatten auch Übungen, aber so etwas nicht. Wir haben zum Beispiel mit dem Tennisball re es am ehesten Spanien gewesen. gespielt, wenn mal kein anderer Ball da war. Die technisch stärkste der großen Sie hatten die unterschiedlichsten Trainer, die Freude an der Arbeit haben Sie nie eingebüßt. europäischen Ligen. Ich habe eine gewisse Verspieltheit in mir, die nie nachgelassen hat. Auch in den englischen Ja, das glaube ich auch. Das wäre mit Sicher- Wochen liegt bei mir zu Hause ein Ball rum. Wenn man mit dem Fußball aufgewachsen ist, ist heit interessant gewesen, wie man da zurecht- es schwer, davon wegzukommen. Ich spiele jetzt schon beinahe 30 Jahre, da gehört das dazu. gekommen wäre. Aber letztlich ist das spe - Es fällt Ihnen schwer, ohne Ball klarzukommen? kulativ. War nicht, ist nicht. Hätte, Wenn und Das Schlimmste ist, wenn man verletzt ist und gewisse Übungen im Kraftraum machen muss. Aber gibt es nicht im Fußball. Ohne Ball. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich mich so selten verletze. Glauben Sie, dass Sie unterschätzt werden? Ein Tag ohne Ball ist kein richtiger Tag? Manchmal ja. Das hängt mit meinem Natu- Würde ich jetzt nicht sagen. Aber der Tag ist besser, wenn ein Ball dabei ist. rell zusammen. Fußballer fassen sich vor Freistößen und Elfmetern immer an die Nase. Sie auch. Sie müssten doch einen viel höheren Stellen- Ja? Mache ich das? Ich habe schon öfter auf Bildern gesehen, dass meine Finger gekreuzt wert in der Öffentlichkeit haben. sind, wenn ich in der Aktion drin bin, beim Schießen, beim Sprinten, beim Zweikampf, ganz Was wollen Sie denn von mir? Darauf habe komisch, immer sind drei Finger gekreuzt. ich doch schon geantwortet. Ich bin absolut Im WM-Halbfi nale gegen Italien hatten Sie eine der besten Chancen. Denken Sie noch daran? zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Natürlich, das war ärgerlich. Wenn ich den reingemacht hätte, wer weiß, wie das Spiel aus- Das glauben wir nicht. Sie verkaufen sich gegangen wäre. Ich habe den Ball auch gut getroffen, hatte aber etwas Rücklage. Ich weiß nicht, unter Wert. ob der Torhüter noch ganz knapp dran war, ich habe es selbst noch nicht gesehen. Ich bin vielleicht von außen und vom Cha- rakter her ruhig. Aber wenn es was zu sagen „ICH GLAUBE NICHT, DASS ICH gibt, spreche ich die Dinge auch an. Allerdings intern, wo so etwas hingehört. Wenn Sie die ALS LANGWEILER GELTE. Bundesliga verfolgen, haben Sie das auch schon MEINE FREUNDE WISSEN, WIE ICH BIN“ mitbekommen. Sie sind für einen Spieler mit enormen Fähig- Xavier Naidoo hat in seinem Song „Danke“ jedem Nationalspieler eine Strophe gewidmet. Ihre keiten absolut uneitel. geht so: „Wir haben uns so gewünscht, dass Bernd Schneider / Dieses eine Tor macht. Doch es Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Ich wurde nichts, leider. / Aber Kopf hoch, Bernd, wir haben dich mehr als gern, / Als du spieltest, tu mit Sicherheit nicht rumprotzen. fl ogen Funken. Du bist ein Pfundskerl.“ Ist Ihnen diese Hymne unangenehm? Sie verstehen sich lediglich als ein Rädchen Es stört mich jetzt nicht. Ganz im Gegenteil. im Betrieb, das erfolgreich sein will? Ist es normal, wenn man als Fußballer von einem Popstar besungen wird? Ja. Auch wenn es keiner mehr hören kann: Ich muss ihn mal fragen, wie er das gemeint hat, dass bei meinem Spiel die Funken fl ogen. Fußball ist Mannschaftssport. Man hat bei Ihnen das Gefühl, dass Sie nicht so gerne im Mittelpunkt stehen. Dass Sie lieber Wundert es Sie, dass Sie als Langweiler Fußball spielen und Ihre Ruhe haben wollen. gelten? Das kann sein, dass das manchmal so rüberkommt. Ich renne nicht weg vor der Kamera. Aber Ich glaube nicht, dass ich als Langweiler gel- ich bin auch nicht der Typ, der nach jedem Spiel seinen Kopf ins Bild halten muss. te. Das wäre mir neu. Was mögen Sie nicht an der Öffentlichkeit? Wollen Sie nicht manchmal sagen: Leute, ihr Alles ist übertrieben, es fehlen die Zwischentöne. kennt mich doch gar nicht? Wären Sie heute bei Real Madrid, wenn Sie eine große Klappe hätten? Meine Freunde wissen, wie ich bin. Das muss Das glaube ich nicht. 2002, nach dem guten Jahr, hatte ich auch Angebote, die aus verschie- ich nicht nach draußen zeigen. denen Gründen nicht geklappt haben. Das hat nichts damit zu tun, ob man leise oder laut ist. Das heißt aber, es gibt einen anderen Bernd Sondern, dass man gut Fußball spielt. Schneider ... Da waren Angebote von den besten Klubs Europas dabei? ... nein, es gibt keinen anderen Bernd Schnei- Ja. der. Es gibt ein Erscheinungsbild in der Öf- Bereuen Sie das nicht? Viele sagen, Sie müssten längst woanders spielen. fentlichkeit, und es ist ja ganz klar, dass ich Das gehört im Fußball dazu. Das ist Tagesgeschäft, Jahresgeschäft. Einer wechselt dreimal, mich da anders verhalte als privat. der andere keinmal, der nächste sechsmal. Sie beklagen sich, dass es so viel schwarz- Herr Schneider, das ist keine Antwort. Fehlt Ihnen etwas in Leverkusen? weiß gibt. Wenn man bei Ihnen aber ein paar Ich fühle mich sehr wohl hier. Es macht Spaß, auch wenn es in Anführungszeichen ein Zwischentöne Ihrer Persönlichkeit ausleuchten kleinerer Verein ist als noch 2002. Also was soll mir fehlen? möchte, stellen Sie auf stur. Ein internationaler Spitzenklub, der regelmäßig in der Champions League spielt. Mit 33 brauche ich mein Image nicht mehr Gut, ich wäre gerne mal ins Ausland gegangen. Um Erfahrungen zu sammeln, die Sprache zu verändern.

RUND 62

rrund0407_060_063_ProfiSchne_Nund0407_060_063_ProfiSchne_N 6262 008.03.20078.03.2007 20:57:4020:57:40 UhrUhr sehr gut, Thüringer Klöße oder Rouladen. Aber ich bin ja Sportler, und wenn mich ein Repor- ter fragt, was ich gerne esse, sage ich natür- lich Nudeln. Wie alle Fußballer. Können Sie sich vorstellen, Ihre Karriere in Jena ausklingen zu lassen? Wenn keine großen Verletzungen kommen, dann kann ich mir das auf alle Fälle vorstellen. Aber ich habe letztens ein Interview geführt und zwei Tage darauf habe ich mich verletzt. Deswegen bin ich da vorsichtig. Können Sie sich auch vorstellen, als Trainer oder Manager zu arbeiten? Nein, da hat man noch weniger Freizeit als die Spieler. Aber ich will mich nicht festlegen, sonst heißt es irgendwann wieder: Vor vier Jahren hat er noch was ganz anderes erzählt. Aber was wollen Sie dann machen? Im Fußball will ich schon bleiben, zum Bei- spiel als Koordinator oder Scout. Vor Ihrer Karriere haben Sie als Zerspa- nungsmechaniker gearbeitet. Was haben Sie denn heute noch handwerklich drauf? Na ja, die Fernbedienung kann ich gut hal- ten, Rasen mähen geht auch noch. Was ärgert Sie denn am meisten an Ihrem Beruf? Die Transfers ins Trainingscamp, ins Stadi- on und zum Flughafen. Da denke ich jedes

„Fragen Sie meine Freundin“: Schnix redet nicht gerne Mal, dass das verschenkte Zeit ist. Da würde ich mir viel lieber die Städte anschauen. Zum Beispiel? Das sind einige, ob es Paris ist oder Barcelo- na. Das will ich alles nachholen und mal eine „Ich hole alles nach Tour machen. Ich werde auch mal eine Kreuz- fahrt machen, weil man da in relativ kurzer Zeit viel von den Städten sieht. Und da, wo es und mache mir gefallen hat, später noch mal hin und län- ger bleiben. Wenn man immer nur an einem eine Kreuzfahrt“ Fleck ist, in einem Hotel und an einem Strand, zwölf, 14 Tage, wird mir das langweilig. Was machen Sie denn im Urlaub? Ist es zu spät dafür? Da wird es schon etwas geben, was ich ma- Es ist nie zu spät, aber sagen wir mal so: Ich bin damit glücklich. chen kann. Ich komme im Urlaub auch mal Wenn Sie jünger wären, würden Sie es dann verändern? ohne Ball aus. Ich bin aber nicht der Strand- Ich würde alles noch mal genauso machen. typ, der zwei Wochen in der Sonne liegt. Sie sind sehr bodenständig und haben immer noch eine gute Verbindung nach Jena. Herr Schneider, letzter Versuch: Gibt es et- Ja. Ich war 24 Jahre in Jena, ich war Fan von Carl Zeiss als ich noch ein kleiner Junge war und was, was Sie gar nicht an sich mögen? Was Sie habe noch meine ganzen Freunde in Thüringen. Das verbindet halt. gerne ändern würden? Da fahren Sie auch regelmäßig hin? Da fragen Sie am besten meine Freundin. Ja, an Weihnachten und im Sommer. Und essen Sie auf der Fahrt immer noch an einer bestimmten Raststätte Thüringer Bratwurst? Das habe ich oft gemacht, jetzt nicht mehr. Aus Ernährungsgründen? IM NETZ Nein, wir kaufen die Würste und braten sie am nächsten Tag selbst. Die Thüringer gehört auf Mehr von Bernd Schneider lesen Sie unter alle Fälle dazu. Meine Freundin kommt aus Jena, die kann die einheimischen Spezialitäten www.rund-magazin.de

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rrund0407_060_063_ProfiSchne_Nund0407_060_063_ProfiSchne_N 6363 008.03.20078.03.2007 20:57:4120:57:41 UhrUhr GLEICHE HÖHE Quereinsteiger

Unbestrittener Sachverstand: Slomka hat die Balance zwischen Geschwíndigkeit und Gelassenheit entdeckt

RUND 64

rrund0407_064_066_PortraitSl_Nund0407_064_066_PortraitSl_N 6464 008.03.20078.03.2007 12:44:3712:44:37 UhrUhr GLEICHE HÖHE Quereinsteiger

Auf dem Weg ins Schalker Herz

Seit MIRKO SLOMKA Trainer beim FC Schalke 04 ist, geht es mit den Königsblauen steil nach oben. Doch welchen Anteil hat der 39-Jährige am aktuellen Höhenfl ug? Ein Porträt

VON DANIEL THEWELEIT, FOTOS JENS SUNDHEIM

Dort, wo Marc Wilmots oder eine ewige Bleibe gefunden haben, dort ist Mirko Slomka bisher nicht angekommen: mitten im Schalker Herzen. Diesen sorgsam behüteten Raum wird er erst an je- che ist klar, nur die Substanz der Aussagen bleibt manchmal etwas nem Tag betreten dürfen, an dem er die Meisterschale durch die Are- dünn. „Die Gelassenheit ist Mirko Slomkas größte Stärke“, sagt Klub- na trägt. Und wahrscheinlich bleibt selbst dann ein letztes Gefühl des manager Andreas Müller anerkennend. Die Contenance hat Slomka Zweifels. Zu fremd ist dieser Mann, ein Lehrer. Mathe und Sport hat auch in schwersten Situationen noch nie öffentlich verloren, in der der gebürtige Hildesheimer studiert, aktiv war er beim SC Harsum zur Hysterie neigenden blau-weißen Fußballwelt wirkt diese Kontrol- oder TSV Fortuna-Sachsenross Hannover. Slomka ist der einzige Quer- liertheit wie ein Wunderelixier. einsteiger in der Bundesliga. So einer hat es schwer an diesem Ort der Im Kern arbeite er seit über einem Jahr akribisch daran, „dass wir Traditionen, wo raue Burschen wie Huub Stevens verehrt werden, wo mal wegkommen von drei Kontakten pro Spieler auf unter zwei im die Vergangenheit leuchtet und die Gegenwart jenseits des Fußballs Schnitt“, sagt der Fußballlehrer, was nichts anderes als eine Beschleu- trist und grau aussieht. nigung des Fußballs bedeutet. „Eine hohe Geschwindigkeit im Spiel Slomka stammt aus einer Welt, die fremd wirkt im Antiidyll Gelsen- zu erreichen, ohne hektisch zu sein“, laute das oberste Gebot, erklärt kirchen. Ski und Tennis hat er während des Studiums unterrichtet. Er Slomka. Er ist der erste Trainer seit dem Umzug der Schalker in die ist ein Diplomat, kein Typ der geradeheraus sagt, was er denkt. Auf Arena 2001, dem es gelingt, Tempo und Gelassenheit – den magischen Schalke unterscheiden viele immer noch zwischen „denen da oben“, Zweiklang des modernen Fußballs – auch im Umfeld zu verankern. den Leuten mit exklusiven Autos und edlen Maßanzügen, und „uns Die Fans sind rasend angesichts der greifbaren Erfüllung, derweil der hier unten“. Slomka steht mit seinen Jeans und dem samtenen Jackett Trainer dafür sorgt, dass der Laden nicht in Hektik verfällt. irgendwo dazwischen. Freundlich, aber irgendwie ungreifbar. Ohne Selbst der seit Jahren Interna an die „Bild“-Zeitung ausplaudernde fes ten Platz im Weltbild. Zudem ist er ein hoch analytischer Mensch. Maulwurf schweigt unter Slomka, der eine besondere Nähe zu den Solche Leute haben es besonders schwer in Umgebungen, wo die Emo- Spielern pfl egt – ein Überbleibsel aus seiner Zeit als Kotrainer. Selbst- tionen dominieren. „Ich komme aus einfachen Verhältnissen“, sagt der verständlich stellte er sich an die Seite der Mannschaft, als sie wochen- Sohn eines Arbeiters beim Haushaltsgerätehersteller Miele zwar, aber lang nicht mit Journalisten sprach, und nahm ihr so den Druck. „Ich auf Schalke wirkt er fast so exotisch wie Ralf Rangnick, der sich hier konnte das voll mittragen“, sagt er. Zu Beginn des Schweigens im No- nie aus seiner Professorenschublade befreien konnte. vember wurde über Slomkas Entlassung diskutiert, wenige Wochen Dabei ist längst klar, dass das Geheimnis der beeindruckenden Sai- später war Schalke der heißeste Meisterschaftsanwärter. son im von Slomka geprägten Gegenmodell zu Rudi Assauers affekt- Doch neben dieser breiten Spur des Erfolgs verläuft diese andere Li- gesteuertem Schalke liegt. Wo Assauer deftige Formulierungen her- nie durch die Karriere des Niedersachsen. Immer wenn es irgendwo vorstieß, formuliert der 39-Jährige sauber und exakt, wo der frühere schwierig ist, wenn es Konfl ikte gibt, dann geht Mirko Slomka als Manager mit rauchiger Stimme provozierte, mahnt Slomka zur Be- lächelnder Profi teur aus der Situation hervor. Nicht selten bleibt da- sonnenheit. Seine Stimme klingt dann sanft, aber bestimmt, seine Spra- bei jedoch ein Opfer auf der Strecke.

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rrund0407_064_066_PortraitSl_Nund0407_064_066_PortraitSl_N 6565 008.03.20078.03.2007 12:44:4312:44:43 UhrUhr GLEICHE HÖHE Quereinsteiger

Wenn Slomka sich durchsetzt, bleibt oft ein Opfer auf der Strecke

Freund der Spieler: Slomka pfl egt eine besondere Nähe zur Mannschaft

Schon sein erstes Engagement als Cheftrainer hatte dieses Muster. Bordon der unangefochtene Chef unter den Spielern, sein Wirken sei Als A-Jugendtrainer von Tennis Borussia Berlin legte er der Klubfüh- ein „riesiger Bestandteil des Erfolges“, meint Slomka. Denn der Kader, rung im Sommer 2000 ein Konzept für die Zukunft vor. TeBe war ge- der lange als zerstrittener Haufen galt, präsentiert sich nach der Ver- rade die Lizenz für den Profi fußball entzogen worden, „es herrschte schiebung der Machtpole als homogene Einheit. Slomka agiert äußerst Chaos“, wie Slomka sich erinnert. Robert Jaspert, der die Amateure geschickt, wenn es um die Steuerung von Einfl uss geht, solche Sachen trainierte, bewarb sich auch um den Job, doch Slomka bekam die Zu- sind entscheidend bei der Führung einer großen Mannschaft. sage. Der unterlegene Kollege soll damals ziemlich enttäuscht gewe- Doch die meisten Spieler wurden noch von Rudi Assauer verpfl ich- sen sein, vor allem menschlich. tet, es ist Rangnicks Philosophie, die das Spiel prägt. Wo genau liegt Im Januar 2006 war Ralf Rangnick, Slomkas Vorgänger auf der Schal- da Slomkas Anteil jenseits seiner beruhigenden Wirkung? „Jeder im ker Bank, derart desillusioniert, dass er den Kontakt völlig abbrach. Verein hat seinen Anteil am Erfolg“, antwortet Slomka. Klar erkenn- Dabei war Slomka fünf Jahre lang Rangnicks Assistent, beide waren bar ist noch nicht einmal, ob er die Stilllegung des Schalker Selbstzer- sehr gute Freunde geworden. „Darüber möchte ich eigentlich nicht störungstriebes bewusst betrieben hat oder ob er nach Jahren der in- mehr sprechen“, sagt Slomka heute, und auch Rangnick hat kein In- ternen Kämpfe ein Schlachtfeld der Verwundeten und Gefallenen teresse daran, diese alte Geschichte neu aufzurollen. Die Ursache des betreten hat, auf dem die Widerstände lange gebrochen waren. Bruchs war Slomkas Verhalten in den Tagen der Amtsübernahme. Er Sicher ist nur: Slomka hat ziemlich gut mit der Mannschaft gear- verzichtete auf ein klärendes Gespräch mit dem Freund und Vorgän- beitet. Lincoln ist endlich zu einem modernen Fußballer geworden, ger und schickte stattdessen nach seiner Einigung mit Schalke einfach und die Entdeckung von Manuel Neuer, dem größten Spielbeschleu- eine SMS an Rangnick. Das wars. niger zwischen den Pfosten des deutschen Fußballs, war ein Genie- Auch die Episode mit gehört in diese Reihe. Der Torhü- streich. Auch das starrsinnige Vertrauen in den stolpernden Kevin ter wurde im vergangenen Herbst auf die Bank versetzt, „aus rein sport- Kuranyi und dessen wundersame Wandlung von der unscheinbaren lichen Gründen“, wie Slomka bis heute versichert, was Rost wieder- Raupe zum Schmetterling sind große Trainerleistungen. „Fachliche um heute noch nicht glauben kann. Schon drei Monate zuvor hatte Qualitäten hat er, sonst hätte ich nicht so lange mit ihm zusammen der Trainer bestimmt, dass der erfahrene Spieler die Kapitänsbinde gearbeitet“, sagt Rangnick. Mirko Slomka hat sich Respekt verschafft, abgeben müsse. „Weil ich in diesem Amt jemanden wollte, der im Zen- und das war für einen Fußballtrainer mit großen Zielen schon immer trum des Platzes Einfl uss nehmen kann“, erklärt er. wichtiger als die Liebe der Fans und all der Einfl ussnehmer rund um Geplant oder nicht, Rosts schleichende Entmachtung gehört zum einen fi ebernden Fußballklub. Fundament des Schalker Erfolgs, denn sie war der letzte Schritt weg vom alten Assauer-Schalke. Parallelen in den Fällen Jaspert, Rangnick RUND IM NETZ und Rost sieht Slomka freilich nicht. In jedem Fall ist nun Marcelo Mehr über Mirko Slomka lesen Sie unter www.rund-magazin.de

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rrund0407_064_066_PortraitSl_Nund0407_064_066_PortraitSl_N 6666 008.03.20078.03.2007 12:44:4412:44:44 UhrUhr rrund0407_067_068_Postkarten 67 u n d 0 4 0 7 _ 0

6 POSTKARTEN ABTRENNEN, VERSENDEN UND FREUDE BEREITEN! 7 _ 0 6 8 _ P o s t k a r t e n

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U h r rrund0407_067_068_Postkarten 68 u n d ESTEBAN, JORGE UND ANGEL CHIU KAI 0

4 ARGENTINIEN CHINA 0 7 _ 0 6 7 _ 0 6 8 _ P o s t k a r t e n

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RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM www.rund-magazin.de FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM www.rund-magazin.de

WILLARD MPAKATI JUAN CARLOS GUTIERREZ SAMBIA MEXIKO

009.03.2007 14:35:42 Uhr RUND RUND

9 > DAS FUSSBALLMAGAZIN > DAS FUSSBALLMAGAZIN . 0 FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM www.rund-magazin.de FOTO MAURICIOBUSTAMANTE.COM www.rund-magazin.de 3 . 2 0 0 7

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U h r GLEICHE HÖHE Auf der Linie

Mönchengladbachs Keeper KASEY KELLER schreibt alle zwei Monate in RUND über sein Leben auf und neben der Torlinie. Dieses Mal erzählt der US-Nationaltorhüter von

seiner Vorliebe für sehr harte Musik FOTO URBAN ZINTEL

Die meisten Fußballprofi s hören Pop im wei- Als ich aufwuchs, hörte ich die softeren Sa- der Bassist von Tool, kommt aus England und testen Sinne. Bei Gladbach habe ich immer- chen, AC/DC oder Foreigner. Dann stand ich ist natürlich Fußballfan. Oder Max Calavera, hin ein paar Seelenverwandte: Bernd Thijs hört eine Weile auf Punk. Später kam Gangsta Rap früher bei Sepultura und heute bei Soulfl y. Er ein bisschen Heavy Metal. Ich habe ihn mal groß raus, Public Enemy und NWA, damals kommt aus Brasilien, also ist er Fußballfan. zu einem Disturbed-Konzert mitgenommen, war das für mich der neue Punk. Anfang der Die Jungs von Def Leppard und Iron Maiden und er hat viel Spaß gehabt. Ein paar der Jungs 90er explodierte der Seattle-Sound, danach – alles Fußballfans. hören Metallica. Aber sobald ich mit dem rich- wurde es bei mir richtig heavy. Selbst wollte Klar kenne ich auch die Scorpions, auf der tig harten Zeug ankomme, Slipknot, Hatebreed ich nie Rockstar werden. Aber im Sport gibt Highschool waren die schwer angesagt. Für oder Terror, ist Schluss mit lustig. Wenn ich es große Wertschätzung für die Musik, und mich ist das eher Pop Metal. Nichts gegen die mal den DJ in der Umkleidekabine mache, geht umgekehrt ist es genauso. Inzwischen habe Scorpions, aber deutschen Metal defi niert für das nicht lange gut. ich mich mit einigen Bands angefreundet, fast mich Rammstein. Wenn du eine Band hast, Im US-Sport ist Heavy Metal viel populärer. immer durch die Fußball-Connection. Justin, der die Amerikaner zuhören, obwohl sie kein Ich kenne in England ganz viele Leute aus Wort Deutsch verstehen, machst du et- dem Musikbusiness, und sie erzählen, was richtig. Rammstein haben eine groß- dass viele Football- oder Baseballspieler artige Vision, wie sie ihre Musik zeigen. auf solche Konzerte gehen. Als ich ein- Wenn du so coole Video siehst, verstehst mal bei Tottenham Hotspurs spielte, war du sie auch ohne die Texte. Alles was mit ich Backstage bei einem Metal-Konzert. Flammen zu tun hat, mag ich sowieso. Ein paar der Leute vom Label waren Ich erinnere mich, wie Beavis and Butt- Spurs-Fans und fragten mich völlig ent- head mal bei David Letterman waren. Bea- geistert: „Was machst du denn hier? Du vis hatte den besten Spruch: „Letterman, solltest auf ’nem gottverdammten Rob- wenn ich eine TV-Show hätte, würde sie bie-Williams-Konzert sein!“ Das ist das ‚Big Boobs and Fire’ heißen.“ Das bringt Bild, das sie von Fußballern haben. Aber es auf den Punkt. Wenn du eine Show mit für mich muss Musik Eier haben. Ich mag großen Glocken und ordentlich Feuer hin- keine „Alle sind glücklich, es ist ein schö- legst, wird sie immer gut sein. ner Tag“-Musik. Ich mag die dunkle Sei- Okay, ich glaube das war’s. Dann besor- te. Auch wenn das nicht bedeutet, dass ge ich mir mal schnell was zu essen und ich als Person so bin. Ich bin nicht 666, fahre dann runter nach Frankfurt: Da ist sondern 333 – I’m only half evil. heute Abend ein Konzert von Tool.

„Only half evil“: Kasey Keller steht auf Gitarren und Flammen

RUND 69

rrund0407_069_KolumneKeller_Nund0407_069_KolumneKeller_N Abs1:69Abs1:69 008.03.20078.03.2007 14:11:3114:11:31 UhrUhr GLEICHE HÖHE Erbsenzähler Früher in den Feierabend Die Anzahl der Platzverweise pro Saison hat sich mächtig entwickelt. Flogen in der ersten Bundesligaspielzeit 1963/64 gerade einmal acht Spieler vom Platz, durften 1994/95 gleich 98 Straftäter vor Ablauf der 90 Minuten Feierabend machen. Auch wenn es verschiedene Deutungen dafür geben mag, so folgte ein Anstie g von roten Karten doch oft auf eine Regeländerung. Die Grafi k zeigt saisonweise die Anzahl der Platzverweise pro Spiel QUELLE: WWW.BUNDESLIGA.DE, FOTO: FIRO

0,3

Rekorde Foul von : 5 ROTE KARTEN, 3 GELB-ROTE KARTEN hinten wird MAURIZIO GAUDINO: 5 ROTE KARTEN mit der TORSTEN WOHLERT: 5 ROTE KARTEN roten Karte MARTIN WAGNER: 6 GELB-ROTE KARTEN bestraft

0,25

0,2 Einführung der gelb-roten Karte

Notbremse wird auf jeden Fall 0,15 mit der roten Karte bestraft

0,1

Einführung der roten Karte für die Notbremse

Einführung gelbe 0,05 und rote Karten

63/64 65/66 67/68 69/70 71/72 73/74 75/76 77/78 79/80 81/82 83/84 85/86 87/88 89/90 91/92 93/94 95/96 97/98 99/00 01/02 03/04 05/06 64/65 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05

Neue Preisfrage: Welcher Spieler erhielt im Laufe der Bundesligageschichte die meisten gelben Karten? Antworten bis zum 16. April 2007 an: Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg, [email protected], Stichwort: Gelbsünder. Wir verlosen !!! drei tiefschwarze Fußbälle der „Wilden Kerle“ und dazu je ein passendes T-Shirt. Die Antwort auf die Preisfrage im Märzheft lautet: Hier gibt’s Fünf Vereine sind noch nie aus der Bundesliga abgestiegen: HSV, Bayern München, Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und Mainz 05. Die Gewinner der DVD „Kickern Deluxe“ (www.kneipensportler.de) werden im nächsten Heft bekannt gegeben. Gewinne Über je eine DVD von „Fifa Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006. Der offi zielle Fifa-Film“ können sich freuen: K. Freyer, Glinde; Th. Leonoff, Waldkirch; W. Lippel, Nienburg; R. Bruns, Duisburg; L. Schengel, Greimersburg. Die Gewinner werden von uns benachrichtigt. !!!

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rrund0407_070_071_Erbsenz_Nund0407_070_071_Erbsenz_N 7070 008.03.20078.03.2007 14:17:0914:17:09 UhrUhr GLEICHE HÖHE Erbsenzähler Woher kommen unsere Nationalspieler? Die Anzahl der Nationalspieler pro Bundesland – ausschlaggebend war der Verein, bei dem der Kicker spielte – ist sehr ungleich verteilt: In Nordrhein-Westfalen und Sachsen herrscht eine hohe Dichte, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen sind deutlich unterrepräsentiert QUELLEN: WWW.DFB.DE, WWW.RSSSF.COM, JÜRGEN BITTER: DEUTSCHLANDS FUSSBALL-NATIONALSPIELER, ANDREAS BAINGO/MICHAEL HOHLFELD: FUSSBALL-AUSWAHLSPIELER DER DDR

LEGENDE SCHLESWIG-HOLSTEIN MECKLENBURG-VORPOMMERN A = DFB 1908-1942 14 Spieler (42 Einsätze) 24 Spieler (199) B = DFB 1950-heute A 13 (41) A 3 (16) C = DFV (DDR) 1952-1990 B 1 (1) C 21 (183) D = SFB (Saarland) 1950-1956

SCHLESWIG-HOLSTEIN

MECKLENBURG-VORPOMMERN HAMBURG 67 Spieler (554) A 32 (153) HAMBURG B 35 (401) BRANDENBURG NIEDERSACHSEN 13 Spieler (29) 35 Spieler (149) BREMEN A 1 (3) A 14 (27) C 12 (26) B 21 (122) BRANDENBURG BERLIN BREMEN NIEDERSACHSEN 134 Spieler (1107) 38 Spieler (467) A 57 (173) A 2 (3) BERLIN B 17 (171) B 36 (464) C 60 (763) NORDRHEIN-WESTFALEN SACHSEN- 266 Spieler (3346) ANHALT A 67 (473) 47 Spieler (565) B 199 (2872) SACHSEN-ANHALT A 3 (3) C 1 (1) C 44 (562)

NORDRHEIN-WESTFALEN

SACHSEN

THÜRINGEN SACHSEN 146 Spieler (1656) HESSEN A 38 (142) HESSEN C 108 (1514) 46 Spieler (387) A 16 (110) THÜRINGEN 49 Spieler (670) B 31 (277) A 2 (3) RHEINLAND- C 47 (667) PFALZ 32 Spieler (387) RHEINLAND-PFALZ BAYERN A 9 (65) 169 Spieler (2248) B 24 (322) A 80 (622) B 91 (1626) SAARLAND 46 Spieler (257) SAARLAND A 4 (22) EHEMALS B 2 (13) DEUTSCHE GEBIETE D 42 (224) 37 (129) ELSASS: 1 (1) Zwischen 1950 und 1956 trug die BAYERN ÖSTERREICH: 28 (116) Auswahlmannschaft des Saarländischen OSTPREUSSEN: 1 (1) Fußballverbands, der in dieser Zeit POMMERN: 1 (2) eigenständiges Fifa-Mitglied war, SCHLESIEN: 6 (9) 19 Länderspiele aus. Damals war das BADEN-WÜRTTEMBERG Saarland autonom. Erst am 1. Januar AUSLAND 1957 wurde es zum zehnten 52 (827) Bundesland der BRD (ohne Berlin). BRASILIEN: 1 (2) ENGLAND: 7 (154) FRANKREICH: 9 (81) ITALIEN: 24 (498) BADEN-WÜRTTEMBERG KROATIEN: 1 (1) 110 Spieler (804) SCHOTTLAND: 1 (1) A 64 (224) SPANIEN: 6 (70) B 46 (579) TÜRKEI: 2 (14) C 1 (1) USA: 1 (6)

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rrund0407_070_071_Erbsenz_Nund0407_070_071_Erbsenz_N 7171 009.03.20079.03.2007 14:38:5214:38:52 UhrUhr AM BALL Stargast

Saison. Seinetwe gen funktioniert die Mann- schaft. Er spielt lang oder kurz, dribbelt, greift an. Er zeichnet sich durch zwei Dinge aus, die man selten vereint fi ndet: Hirn und Klasse.“ HIRN Es hat sich also nichts groß geändert. Für Gary Neville hat Scholes schon immer die „bes- „Spielt die besten Pässe“: ten Abschlüsse“ des Vereins gemacht. Für Ry- Englische Stars loben den Rotschopf UND an Giggs die „besten Pässe“. Für John Duncan, damals Lehrer an der Cardinal Langley School Werbeverträge – „Ich habe Angebote, aber das und erster Trainer des Rotschopfes, war er im- interessiert mich nicht“ –, denn Geld hatte mer schon „der kleine Junge, der auf dem Platz für ihn nie Priorität. 1995 wird jedem Spieler KLASSE ständig von den Gegnern verfolgt wurde. Sie von Manchester United für ein Werbevideo standen Schlange, um den Winzling in die Zan- eine Prämie von umgerechnet 1100 Euro aus- Manchester United führt die Tabelle ge zu nehmen. In der Regel gelang es Paul, den gezahlt. Die Stars in der Mannschaft schlagen an, dank eines Mannes, den vor der Stößen auszuweichen, und bei den seltenen daraufhin vor, alles in einen Topf zu werfen, Gelegenheiten, bei denen ihn die anderen Kin- um dann einen einzigen Gewinner auszulosen. Saison niemand auf dem Zettel der doch erwischten, stand er auf, ohne etwas Die jungen Spieler, weniger wohlhabend als hatte: PAUL SCHOLES, 32, der ein zu sagen, und rannte wieder los. Ich verstehe diese, lehnen ab und behalten ihr Geld. Doch unglaubliches Comeback hinlegt nicht viel von Fußball, aber ich habe gesehen, Scholes ist zu schüchtern und traut sich nicht, dass ihm der Ball immer am Fuß klebte, wäh- sein Geld zu nehmen. Es wird also gelost: Can- VON JÉRÔME BAC, ILLUSTRATION GERALD MOLL rend er vor den Mitschülern fl oh. Die einzige tona ist der Gewinner, und Scholes sieht ein Anweisung, die ich den anderen Jungs gab, war, Drittel seines Monatsgehalts schwinden. Doch Einzelne Spieler, so scheint es, sind wichtiger ihm einfach den Ball zuzuspielen.“ der Franzose, ganz Gentleman, belohnt freu- als Mannschaften; Auszeichnungen von Ein- zelpersonen sind bald mehr wert als Titel oder „SCHEISS SCHWULER STAND AUF DEN TITELSEITEN“ Meisterschaften. In England ist man nahe an Da haben wir es, das Bild: ein unentbehr- dig die Zurückhaltung des Rotschopfes, indem einer Überdosis: Wer wird den Titel des bes- licher Spieler, von seinesgleichen als einer der er ihm seinen Anteil zurückgibt. ten Spielers der Liga einheimsen: Didier Drog- talentiertesten anerkannt. Nur dass der Be- „Ich kenne Paul seit etwa 15 Jahren“, erzählt ba oder ? Das Funkeln des treffende diese Art schmeichelnder Einhellig- Gary Neville. „Er war immer schon extrem dis- Mannes aus Manchester oder die Effi zienz des keit so gar nicht mag. Über seine Saison sagt kret und zurückhaltend.“ Der bestätigt: „Eine Londoners? Bei solch eilfertiger Hast vergisst er: „Ich bin von großartigen Spielern umge- öffentliche Person zu sein, ist für mich ein Pro- man vielleicht den dritten Mann, die Alterna- ben, Ryan Giggs, Louis Saha, Wayne Rooney, blem. Ich hasse es, über mich selbst zu reden, tive. Kürzlich hat Cesc Fàbregas, Mittelfeld- Cristiano Ronaldo und all den anderen. Es ist das ist mein größter Albtraum.“ Im letzten Ok- spieler bei Arsenal, die Sache so zusammen- leicht, mit Jungs von diesem Niveau zu spie- tober hat es Scholes trotzdem auf die Titelsei- gefasst: „Für mich ist Paul Scholes der Beste. len. Für mich läuft alles gut, aber ich glaube ten geschafft. „Scheiß Schwuler“ hat er – allem Der kann einfach alles: Pässe spielen, Tore ma- nicht, dass ich meine Bestform wieder erreicht Anschein nach – dem Schiedsrichter im Cham- chen, arbeiten. Er ist seit Jahren an der Spit- habe. Ich treffe noch nicht häufi g genug, ich pions-League-Spiel gegen Benfi ca entgegen- ze. Ich hoffe, eines Tages sein Niveau zu errei- bin noch nicht ausschlaggebend genug.“ Was geschleudert. Einige Verbände, die sich dem chen, aber das wird nicht leicht.“ seine Karriere angeht, erklärt Scholes beschei- Kampf gegen die Homophobie verschrieben Scholes der beste Spieler des Königreichs? den: „Ich habe stets versucht, meinen Job so haben, meldeten sich daraufhin lautstark zu Nach einer sechsmonatigen Pause aufgrund gut wie möglich zu machen. Der Fußball ist Wort, doch aus Mangel an Beweisen wurde von Augenproblemen gleicht seine Rückkehr meine Leidenschaft, seit ich ganz klein war. die Sache schnell zu den Akten gelegt. jedenfalls einer Wiederauferstehung. Seit Be- Ich mag nur das. Manchester United ist mein Scholes ist kein Mann für die Klatschpres- ginnn der Saison hält der Rotschopf an der Klub, und meine gesamte Karriere hier ver- se. Schon 1996 mussten sich die englischen Seite von Michael Carrick alle Fäden in der bracht zu haben, ist unglaublich. Als ich 1994 Medien von den Schlagzeilen verabschieden. Hand und sorgt für die Entscheidungen. Er erstmals in der Premier League spielte, haben „Das Starlet von Manchester leidet an einer gab ManU das verlorene Gleichgewicht und mir die Älteren geholfen, haben mich gelei- schrecklichen Form von Asthma, er wird ver- die Tabellenführung wieder zurück. Sein Trai- tet. Jetzt ist es an mir, das gleiche für die Jun- mutlich nur noch wenige Spiele überleben“, ner Alex Ferguson sagt: „Es ist fabelhaft, Paul gen im Verein zu tun.“ meldeten sie und fühlten sich ihrer Verkaufs- in der Mannschaft zu haben. Er ist frisch, be- Scholes verkauft nichts, vor allem nicht sich zahlen sicher. Elf Jahre danach ist Paul Scho- freit, er scheint seinen Beruf mehr als zuvor selbst. Der Mann aus Manchester hat weder les immer noch da. Allein sein Spiel verdient zu lieben. Er ist unser bester Neuzugang der einen Agenten – „Was soll ich damit?“ – noch es, dass man Lärm darum macht.

RUND 72

rrund0407_072_073_Stargast_Nund0407_072_073_Stargast_N 7272 008.03.20078.03.2007 21:02:1321:02:13 UhrUhr AM BALL Stargast

Stehaufmännchen ohne große Worte: Wenn der kleine Scholes von anderen Kindern umgetreten wurde, stand er sofort wieder auf und rannte weiter

RUND 73

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IM ABSEITS ABSEITIG ORIGINELL KOMISCH

„Bitte keine Fragen zum Klimawandel mehr!“ CRISTIAN FIÉL

76 LÜGENDETEKTOR „Da würde ich lieber sterben“ – Cristian Fiél von der Alemannia fängt an zu schwitzen

80 OHNE FLÜGEL Der Kuhhandel ist geplatzt – Warum Red Bull Sachsen Leipzig doch nicht übernimmt

86 GEKAUFTE KARRIERE Profi für 28 Minuten – Al-Saadi Gaddafi kauft sich mit viel Geld als Spieler in die Serie A ein

92 KRANKER ESEL Ein Star am Boden – Nachfolger Maradonas sollte Ariel Ortega sein. Heute ist er alkoholkrank

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„Ihr macht mich völlig fertig“: Auch Cristian Fiél, sonst ein lockerer Typ, kam am Polygrafen ins Grübeln

RUND 76

rrund0407_076_078_LuegeFielund0407_076_078_LuegeFiel 7676 008.03.20078.03.2007 21:07:4521:07:45 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

„DA WÜRDE ICH LIEBER STERBEN“

Kann ein Bundesligaprofi wie CRISTIAN FIÉL den Klimawandel beeinfl ussen? Aachens Techniker verrät am RUND-Lügendetektor, ob er zum Kannibalen taugt, wo er im Sitzen pinkelt und warum seine Badeschlappen absolut tabu sind INTERVIEW OLIVER LÜCK UND RAINER SCHÄFER, FOTOS DAVID KLAMMER

LÜGENLEGENDE Pippi Langstrumpf ++++ Pinocchio ++++ Baron Münchhausen ++++ Robert Hoyzer ++++

Herr Fiél, haben Sie ein Macho-Gen in sich? weise extrem, und in diesem Winter hat es nur pfeifen den aus. Woher haben die das Recht CRISTIAN FIÉL Nein, würde ich nicht sagen, ein- oder zweimal geschneit. So, jetzt haben dazu? Dann sagen manche: „Die haben ja auch nicht jeder Spanier ist ein Macho. (++++) Sie es geschafft: Ich habe Angst. Eintritt bezahlt.“ So geht das aber nicht. Ent- Doch, alle. Trainieren Sie jetzt immer in kurzen Hosen? weder gehe ich nach Hause und sage: „Das Ich bin kein Macho. (++++) Ich trainiere sowieso immer in kurzen Ho- war heute nichts.“ Oder ich gehe das nächste Setzen Sie sich beim Pinkeln hin? sen, ob es schneit oder nicht. Mal gar nicht erst hin, weil es ja wieder sein Zu Hause ja, auswärts nein. Zu Hause klap- Glauben wir Ihnen nicht. könnte, dass jemand nicht so spielt, wie ich es pe ich immer runter, ist ja mein eigenes Klo. Stimmt aber! Bitte keine Fragen zum Klima- mir vorstelle. (++++) Tempolimit einführen, ja oder nein? wandel mehr. Stellen Sie sich folgendes Angebot vor: Sie Natürlich nicht. Wir kommen später darauf zurück. Gibt es bekommen zwei Millionen netto im Jahr, Sie fahren gerne schnell. schwule Spieler in der Bundesliga? wissen aber, dass Sie nur auf der Bank sitzen Ja, ich fahre aber auch vorsichtig. Manchmal Ich bin ganz ehrlich: Das ist eine Frage, die werden. Würden Sie annehmen? ist mir aber unverständlich, was die Leute da mich auch sehr interessiert. Ich würde das Zwei Millionen? Netto? für Sachen machen – die Polizei meine ich wirklich gerne wissen. Es gibt bestimmt wel- Geld oder Fußball spielen? jetzt. Das mit den Tempolimits ist oft Geldma- che. Ich kenne aber keinen. Fußball ist mein Leben. Aber zwei Millio- cherei. An manchen Stellen ist ein Limit an- Wir kennen welche. nen! Was soll ich jetzt lange rumeiern? Wenn gebracht, aber sicher nicht überall. Wie, echt jetzt? ich jetzt sage, ich will Fußball spielen, dann Mal mit der Polizei aneinandergeraten? Wir hatten kürzlich in RUND eine große geht der Detektor kaputt. Also sage ich lieber Ja, zu schnell gefahren, und eine rote Ampel Geschichte zum Thema. die Wahrheit: Ich nehme das Geld. Wer das war auch mal dabei. Ich erinnere mich. Nachdem die Geschich- nicht macht, ist geisteskrank. Wir reden hier Wie viele Punkte in Flensburg? te erschienen war, wurde darüber auch bei uns von zwei Millionen Euro! Sicher, aber ich weiß nicht wie viele. im Mannschaftskreis gesprochen. Wer könnte Haben Sie Angst vor dem Klimawandel? es sein und so. Wie Fußballer halt sind: „Ach, Ich habe mir, um ehrlich zu sein, noch kei- du bist es bestimmt“, aber eine ernste Diskus- ne großen Gedanken darüber gemacht. Sollte sion war nicht dabei. ich aber bald mal tun. (++++) Welche Gesichtshälfte rasieren Sie zuerst? Sie sind gerade Vater geworden. Weiß ich jetzt gar nicht – von unten nach Ja, aber was soll ich machen? Ich werde es oben, ob ich dann aber zuerst nach rechts oder eh nicht ändern können. Aber Sie haben voll- links gehe? Von mir aus gesehen, links hinten, kommen echt. Man darf seine Augen vor sol- ja, von links hinten. chen Sachen nicht verschließen. Wird der Fußball manchmal zu wichtig Wie macht sich der Klimawandel denn in genommen? Aachen bemerkbar? Auf jeden Fall. Wenn ich es recht überlege, hat sich schon Bitte erklären Sie. einiges geändert. Es ist wesentlich windiger Ein Beispiel: Ein Exmitspieler von mir, ein geworden. Die Temperaturen schwanken teil- guter Junge, der immer alles gibt. Doch 22.000 Tadellose Arbeit: der Lügendetektor in Aachen

RUND 77

rrund0407_076_078_LuegeFielund0407_076_078_LuegeFiel 7777 008.03.20078.03.2007 21:07:4821:07:48 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

Genau, und von einer Vertragslaufzeit, sagen In welcher Zeit würden Sie gerne leben? wir: von vier Jahren. Da habe ich mir tatsächlich schon mal Ge- Alles klar, wo soll ich unterschreiben? danken drüber gemacht. Ich wäre gerne noch Was war der heftigste Schmerz, den Sie je mal 18. Das war ein total geiles Alter. Ich müss- empfunden haben? te aber wissen, dass ich wieder meine jetzige Nach meiner Blinddarmoperation, als ich das Freundin kennenlerne, dann würde ich es so- allererste Mal hochkommen wollte. Ich dach- fort machen. Sonst nicht. te, jetzt sterbe ich. Auch als meine Mandeln Wieso gerade 18? rausmussten, war es ähnlich schmerzhaft. Das war bei mir der Hammer. Führerschein, Die Polypen sind auch schon raus? das erste Auto, ein Honda Civic, Mädchen ken- Ja, auch das waren unglaubliche Schmerzen, nenlernen. Dann wurde ich auch noch Profi . an die ich mich immer erinnern werde. Ich habe mich wie der Allergeilste gefühlt. Das Vor was ekeln Sie sich? war ein Jahr, das ich nie vergessen werde. Fällt mir gerade nichts ein. (++++) Was glauben Sie, wie alt Sie werden? „Der Klimawandel … Herr Fiél, bitte! Mein Vater ist jetzt 66 und fi t wie ein Turn- Ach ja, es muss nicht sein, dass einer meine schuh. Ich glaube, ich werde richtig alt. Ich Badeschlappen anzieht. Das geht gar nicht. hoffe, dass alle die Menschen, die mir am nächs- Sie haben Angst vor Fußpilz. ten stehen, länger leben als ich. Andersrum Ja, aber ich verstecke meine Badelatschen stel le ich mir das sehr schwer vor. deshalb nicht. Das hat es aber schon mal ge- Können Sie sich vorstellen, dass es bald geben, dass ich in die Kabine kam und jemand Mittel gibt, die das Altern verlangsamen? Dass meine Schlappen anhatte. die Menschen irgendwann durchschnittlich Und dann? 130 oder 140 Jahre alt werden können? Dann musste ich sie desinfi zieren. Bei dem, was es alles schon gibt: Wahrschein- Wer hatte sie angezogen? lich wird das irgendwann so kommen. Kann ich nicht sagen. (++++) Sie könnten Fußballprofi sein, bis Sie 75 sind. Oh doch, das können Sie! Oh nein, das muss nicht sein. Ich möchte Nein, das geht nicht! Dann sagen Sie mir ei- auch mal was anderes machen. nen schwulen Spieler in der Bundesliga. Winnetou oder Superman? Das können wir nicht. Bruce Lee. Er war für mich immer ein Held. … ist ein echtes … Sehen Sie! Ich habe alle seine Filme gesehen. Wenn der Sind Sie ein Sicherheitstyp? gekämpft hat, wollte ich auch schon immer Ja, absolut. Ich habe aber keine Alarmanla- ein Kämpfer sein. ge. Bevor ich schlafen gehe, gucke ich aber im- Nun noch eine Extremfrage. mer, ob die Tür unten abgeschlossen ist. Aber bitte nicht zum Klimawandel. Ob die Fenster zu sind. Muss sein: Als Folge des Klimawandels leben Ja, und alle Lichter und der Herd aus sind nur noch drei Menschen, Sie sind einer davon. und so. Ich bin so erzogen worden. Wenn mei- Könnten Sie zum Kannibalen werden? ne Freundin da ist, ist auch die Schlafzimmer- Nein, da sterbe ich lieber. (++++) tür immer abgeschlossen. Wirklich? Welche Strafe haben Menschen verdient, die So eine Situation ist schwer vorstellbar. Be- Kinder vernachlässigen oder sogar quälen? vor ich aber in einen Arm beiße, würde ich lie- Wenn ich bloß daran denke, kriege ich Gän- ber sterben. Der Klimawandel ist ein echtes sehaut und Krämpfe vor Wut. Wenn ich so was Scheißthema. lese oder sehe, könnte ich wirklich heulen. Ein ehrliches Schlusswort. Solche Menschen müssten die härteste Stra- Machen Sie jetzt das Gerät aus? Dieses Pie- … Scheißthema“: Cristian Fiél fe bekommen, die moralisch vertretbar ist. pen macht mich total verrückt.

FAZIT DES TESTS: Alle Achtung, Cristian Fiél! Der Schwabe mit spanischen Wurzeln bemühte sich sichtlich, bei der Wahrheit zu bleiben – auch wenn diese mal unbequem sein konnte. Welcher Profi gibt schon gerne zu, dass er lieber als Millionär auf der Bank sitzt, als regelmäßig zu spielen? Ob man mit Fiélo die Erde retten kann, wird sich noch zeigen. Absolut sympathisch seine Macke, dass niemand seine Badeschlappen anrühren darf. Nach dem Test hätte er am liebsten auch sofort geduscht: „Ich habe ganz schön geschwitzt, muss aber eh gleich zum Training.“

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rrund0407_076_078_LuegeFielund0407_076_078_LuegeFiel 7878 008.03.20078.03.2007 21:07:4921:07:49 UhrUhr IM ABSEITS Spiel mit Puppen

KÖNIG DER KATALANEN Dieses Mal in der extrem abgezockten RUND-Puppen-Story: TORE SCHIESSEN KANN SO EINFACH SEIN –

Miroslav Klose wechselt zum FC Barcelona FOTOS STEPHAN PFLUG Monat für Monat erleben unsere runden Superhelden die irrwitzigsten, aufregendsten Abenteuer des Alltags Miro Klose wurde Dann erklären ihm von Bremen an Barça Amigos, wir tun seine neue Kollegen Das Allerwichtigste: Versteh dich immer gut verkauft. Doch man einfach so, als ob wir doch noch, worauf es mit den weiblichen Anhängerinnen! Haha! ihn nicht sehen. ignoriert ihn: ? ? bei Barça ankommt: Ulla, darf ? ich mit- spielen?

Und sie zeigen ihm ihre aller- besten Tricks. AUTSCH !!!! Es gibt nur ein Problem – keiner trifft das Tor:

Doch Miro weiß Das hat es bei Barça ja, wie man das Der schießt noch nie gegeben. Ich bin der ihn rein! Ganz Größte! in Deutschland ohne Trick! Miro darf bleiben: immer macht: So geht das!

! Er hat ihn einfach ! reingeschossen! Tooooooor!!!! ! Oh, mein Gott!!

•••

Im nächstenZitate-Raten Heft:••• Wir danken der Firma Revell für die Bereitstellung der Kick-O-Mania-Puppen. mit Oliver Kahn

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rrund0407_079_Puppenund0407_079_Puppen 7979 009.03.20079.03.2007 14:57:1814:57:18 UhrUhr IM ABSEITS Ohne Flügel

Hoffnungstrainer: Eduard Geyer

Nicht ausverkauft: Sachsen Leipzigs Heimstatt ist überdimensioniert

DER KUHHANDEL IST GEPLATZT

Mit über 50 Millionen Euro wollte RED BULL den maroden Oberligisten Sachsen Leipzig in die deutsche Top Five hieven. Im letzten Moment bekam der Konzern aber kalte Füße. Nun hat er einen

anderen deutschen Traditionsverein im Visier VON CHRISTOPH RUF, MITARBEIT ALEXANDER FABIAN, FOTOS ANDREAS MÜHE

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rrund0407_080_083_RedBull_Nund0407_080_083_RedBull_N 8080 008.03.20078.03.2007 21:36:2721:36:27 UhrUhr IM ABSEITS Ohne Flügel

Ohne Großsponsor: schwerer Alltag in der Oberliga

Zidane in Leipzig: ein Fußabdruck vom WM-Spiel gegen Südkorea

Die „Ständige Vertretung“, eine mit Politi- geteilten Stadt verlief ein neuer, fast ebenso tiefer Riss. „Als Zugezogener“, sagt Heller im wei- kerporträts behängte Kneipe, ist wohl einst als chen Idiom seiner hessischen Heimat, „wollte ich erst recht nicht derjenige sein, der den Ver- Rückzugsraum heimatverliebter Exilrheinlän- ein verscherbelt. Bei Red Bull ging es um eine Größenordnung, bei der ich ins Zweifeln gera- der konzipiert worden. Heute ist sie einfach ten bin.“ Im Grunde sei er ein „Gegner der ganz großen Kommerzialisierung“. Modernisiert eine gemütliche Gaststätte in der Südvorstadt. werden solle der Verein aber auf jeden Fall, immer mehr zum Klub für ganz Leipzig werden, Der Funktionswandel äußert sich auch gas- der in naher Zukunft sogar in der Bundesliga spielen soll. Den Sachsen-Fans, die er in ihrer tronomisch: Kölsch verschmähen die meisten, Mehrzahl für „intelligente junge Leute“ hält, wird er einiges zumuten. Heller sagt: „zumuten das Reudnitzer Pils läuft deutlich besser. Rolf müssen“. Zum Beispiel eine weitgehende Entmachtung der Mitglieder. Heller, der Präsident des FC Sachsen Leipzig, Ein „strategischer Partner“ jedenfalls werde nicht hinnehmen, dass seine Leute im Vorstand der schon als Vorsitzender von Eintracht Frank- von einer Mitgliederversammlung abgewählt werden können. Vor ein paar Monaten, sagt Hel- furt und Rot-Weiß Erfurt erfolgreich gewirkt ler, habe hier in der „Ständigen Vertretung“ der gesamte Vorstand zusammengesessen. Man hat, bestellt einen Kaffee. Auf dem Tresen liegt habe sich gefragt, welchen Weg man einschlagen wolle: „Will man ein sympathischer Oberli- die „Bild“-Zeitung vom Dienstag, dem 20. Feb- gist bleiben, dessen Heimat draußen in Leutzsch ist, der aber dauerhaft zwischen vierter und ruar: Red Bull wird nun doch nicht bei Sach- fünfter Liga pendelt?“ Der Vorstand hat beschlossen, dass er das nicht will. Er will nach oben. sen Leipzig einsteigen. Auch für Heller ist das Jetzt eben ohne Red Bull: „Durch die Diskussionen sind andere Interessenten auf uns aufmerk- eine ziemlich neue Neuigkeit. Der Mann, der sam geworden.“ Heller lächelt freundlich. Er scheint guter Dinge zu sein, dass der „strategische sich zuvor vehement für den Großinvestor stark Partner“ bald gefunden sein wird. gemacht hatte, scheint aufrichtig erleichtert. Bei den eingefl eischten Sachsen-Leipzig-Fans, den „Chemikern“, wie sie in Anlehnung an „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich den alten Vereinsnamen BSG Chemie in der Stadt heißen, sorgte die Nachricht aus Salzburg das erfahren habe.“ für Begeisterungsstürme. Denn als Gegenleistung für den Geldregen hatte Red Bull alles ge- fordert, was aus ihrer Sicht einen Verein aus- AUCH OHNE RED BULL WIRD SACHSEN LEIPZIG GENERALÜBERHOLT macht – sein Wappen, seine Vereinsfarben, seinen Namen. Selbst Spieler wie der aus dem Heller war es in den Monaten zuvor nicht eigenen Nachwuchs stammende Kevin Kittler sahen sich im Zwiespalt: „Finanziell wäre das anders gegangen als jedem fußballinteressier- gut für den Verein, für unsere Wurzeln aber schlecht.“ Die Ultragruppe Diablos hatte sich des- ten Leipziger, der sich unweigerlich zwischen wegen bereits mit den Fans von Austria Salzburg in Verbindung gesetzt. Die hatten den Ver- Effi zienzdenken und Tradition entscheiden ein nach dem Red-Bull-Einstieg unter Protest verlassen und spielen unter ihrem angestamm- musste. An der Haltung zu Red Bull entzün- ten Namen in der Zweiten A-Klasse Nord, der untersten österreichischen Spielklasse, vor bis deten sich die Gemüter. In der fußballerisch zu 2000 Fans. Eine österreichische Delegation wäre zur Mitgliederversammlung des FC

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rrund0407_080_083_RedBull_Nund0407_080_083_RedBull_N 8181 008.03.20078.03.2007 21:36:3321:36:33 UhrUhr IM ABSEITS Ohne Flügel

Moderne Architektur: WM-Stadion Leipzig

Zu selten: Torjubel in Leipzig

Löwe statt Bulle: Grün-Weiß muss sein

Sachsen gekommen, um über die „feindliche Neuanfang gehofft: „Mir wäre es völlig egal gewesen, welches Unternehmen hier Millionen Übernahme“, so Austria-Geschäftsführer Wolf- reinpumpt. Hauptsache, der neue Klub hat nichts mehr mit den beiden alten zu tun.“ gang Monger, ihres Vereins zu berichten. Um In der Tat hätte viel dafür gesprochen, in Leipzig zu investieren. Die Stadt prosperiert, jun- zu verhindern, dass renitente Mitglieder gegen ge, gut ausgebildete Leute ziehen in die Stadt. Großkonzerne wie BMW oder DaimlerChrys- den Deal ins Feld ziehen, loteten unterdessen ler siedeln sich an. Doch der beste Leipziger Fußballverein spielt vor höchstens 3000 Zuschau- Emissäre des FC-Sachsen-Präsidiums aus, wel- ern gegen Meuselwitz und Dresden-Nord in der Oberliga. Die Stadionbetreibergesellschaft che Chancen ein zynischer Kuhhandel hätte: ZSL des Filmrechteverwerters Michael Kölmel hatte deshalb nur allzu bereitwillig signalisiert, Nach einer Vereinsfusion könnten die Fans die dass eine Umbenennung des Zentralstadions in Red-Bull-Arena jederzeit möglich sei. Bis zum zweite Mannschaft in der Landesliga im tra- Sinneswandel war Red Bull offenbar bereit gewesen, weit mehr zu investieren als die in der ditionellen Alfred-Kunze-Sportpark unterstüt- Presse kolportierten 50 Millionen Euro auf zehn Jahre. Leipzig sollte hinter Bayern München, zen. Im Gegenzug sollten sie sich mit Protes- Bremen und Schalke zum viertgrößten deutschen Klub aufgebaut werden. ten zurückhalten. Bei solchem Anfangselan ist es umso unverständlicher, dass sich die Red-Bull-Manager am Die Erinnerung an die WM-Spiele, als Hun- Schluss wie Kinder verhielten, die das Interesse an einem Spielzeug verloren haben und es derttausende Fans Fußball zelebrierten, ist in achtlos wegwerfen, um sich dem nächsten zuzuwenden. Wie die in der Kritik stehenden Hedge- Leipzig omnipräsent. Viele Fußballanhänger fonds gerierte sich Red Bull als Heuschrecke, die von Verein zu Verein hüpft und enttäuschte reagierten deshalb ganz anders als der harte Verhandlungspartner zurücklässt. Als die „Bild“ am Montag vom Konzern oder aus der ZSL- Kern der Fanszene. Der 24-jährige Student Mi- Spitze erfuhr, dass Red Bull das Interesse verloren hatte, hatte der Vereinsvorstand allenfalls chael Vollmann zum Beispiel lässt sich kaum eine Vorahnung. Vizepräsident Stefan Opitz berichtete seinen Präsidiumskollegen und Trai- ein Champions-League-Spiel in der örtlichen ner Ede Geyer von einem knappen Anruf aus Salzburg. Es sei ein Brief an den Vorstand unter- Fußballkneipe „Cantona“ entgehen. Zum Ober- wegs, habe man ihm mitgeteilt. ligisten Sachsen oder gar dem sechstklassigen Als der Brief ankam, wusste bereits die halbe Stadt Bescheid. Ein etwas unwürdiges Ende 1. FC Lok Leipzig würde er aber nie im Leben einer Affäre, in die das offi zielle Leipzig viel Herzblut gesteckt hatte. Stadionbetreiber und Stadt hatten sich an Befl issenheit gegenseitig über- VIELE IN LEIPZIG HABEN DIE ERBITTERTE LOKALRIVALITÄT SATT boten, das Präsidium von Sachsen Leipzig wäre sogar zurückgetreten, um den neuen Herren Platz gehen. Zu unterklassig, zu piefi g, zu verbissen zu machen. Alles vergebens. Pikanterweise gab sich auch die rechte Hand Kölmels, Otto Schlörb, die Lokalrivalität, die in der Tat die erbitterts- noch wenige Stunden vor Bekanntwerden des Scheiterns auf überzeugende Weise ahnungs- te und unironischste in ganz Deutschland sein los. Der Mann, der die operativen Geschäfte der ZSL leitet und bei den Verhandlungen als dürfte. Vollmann hatte auf einen kompletten Chefunterhändler fungierte, bezifferte die Chancen auf einen Einstieg Red Bulls auf „50:50“.

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rrund0407_080_083_RedBull_Nund0407_080_083_RedBull_N 8282 008.03.20078.03.2007 21:36:3721:36:37 UhrUhr IM ABSEITS Ohne Flügel

Im Zwiespalt: Kevin Kittler

Wurst statt Energy-Drink: Sachsen Leipzig wirbt in der Rückrunde für eine Metzgerei

Der Konzern habe „ein tolles und faires Ange- Immerhin lässt dann auch Sponer durchblicken, dass der Streit um die Namensrechte „nicht bot vorgelegt“. Zeitgleich war in Salzburg die der alleinige Grund“ für den Rückzug Red Bulls gewesen sei. Offenbar haben auch die Randa- Absage bereits formuliert. Dass Red Bull ab- le nach dem Pokalspiel Lok Leipzig gegen Erzgebirge Aue II die Investitionsbereitschaft der springen würde, wusste Schlörb offenbar nicht. Salzburger getrübt, wie Otto Schlörb bestätigt: „Geschäftsführer Danny Bahar hat sich bei mir Wohl aber, wer daran schuld wäre, wenn es so nach den Vorfällen erkundigt. Gefallen hat ihm das nicht, eine cleane Marke will natürlich ein weit käme. Zuerst der DFB, der sich nicht an cleanes Konzept.“ Konzernsprecherin Sponer hält es jedenfalls für „unklar, ob wir uns jemals die Spitze des Fortschritts stelle, indem er ei- im deutschen Fußball engagieren werden“. Wirklich? An Salzburger Flipcharts wird derzeit nen Vereinsnamen Red Bull Leipzig sabotiere: ausgetüftelt, welcher andere deutsche Klub statt Leipzig demnächst in der Champions League „Der DFB führt hinhaltende Gefechte. Ohne spielen soll. Großes Potenzial scheint man neuerdings bei Fortuna Düsseldorf zu sehen. verstärkte Markenkommunikation kann der deutsche Fußball nicht mehr konkurrieren.“ IM NETZ Schuld seien auch die Fans: „Die wenigen An- Mehr über Sachsen Leipzig lesen Sie unter www.rund-magazin.de hänger, die auf die Leutzscher Tradition beste- hen, sollen die A-Jugend anschauen. Die spie- len wenigstens Bundesliga.“ Über die Gründe des Sinneswandels wird WO DIE ROTEN BULLEN BRÜLLEN noch immer spekuliert. Unter anderem habe, Was die Leute von Red Bull machen, machen sie gut. Von jedem Platz aus eine gute Sicht, die Ordner freund- lich, die Anbindung ans Busnetz vorbildlich und kostenlos. Die Mannschaft, die nun Red Bull Salzburg heißt, ist sagte Red-Bull-Sprecherin Tina Sponer, die zwar mit exorbitant viel Geld, aber deswegen nicht hirnlos zusammengestellt. Auch deshalb lässt sich der Fuß- Weigerung des DFB, einer Vereins-Umbenen- ball, den Red Bull gegen den Grazer AK zeigt, durchaus sehen. Was hier im alpinen Nieselregen fehlt, fehlt auch in jedem zweiten Bundesligastadion. Die Red-Bull-Arena in Salzburg ist keine völlig andere Welt. Sie bietet nur nung zuzustimmen, den Ausschlag gegeben. eine Stadionatmosphäre, wie sie noch vor zehn Jahren undenkbar schien. Die Kamera, die alle paar Minuten in Das wäre allerdings ziemlich peinlich, schließ- die Kurve schwenkt, zeigt ausnahmslos blutjunge Gesichter. Im VIP-Bereich gibt es Kalbsrücken, Entenbrust und lich hätte sich der Konzern im Vorfeld über schwarze Tagliatelle. Dazu laufen Filmchen über Snowboarding in Italien und Motocross auf dem Roten Platz. Beide Events sind nicht von Pepsi gesponsert. Eine halbe Stunde vor Anpfi ff bringt eine Hostess die ausge- die rechtlichen Bedingungen informieren kön- druckte Mannschaftsaufstellung. Allenfalls jeder Dritte interessiert sich dafür. nen. Doch DFB-Sprecher Harald Stenger er- Derweil wird im Stadion eine peinlich berührte Blondine, die wahrscheinlich einfach nur Fußball schauen wollte, fuhr erst im Dezember durch Presseanfragen von einem lebensgroßen Plüschochsen zur „Prima Bullerina“ gekürt. Während des Spiels wird sie alle zehn Minu- ten über die Leinwand eingeblendet. Es gibt Discolichter und Bullengebrüll vom Band. Aber auch Bratwurst und von den Begehrlichkeiten bei Red Bull. Von Bier im großen Becher. Mit 4,80 Euro ist es auch nicht teurer als in Herne oder Dresden, heißt hier aber „Arena- seiner Haltung werde der DFB aber auch beim Menü“. Zum Nachtisch kann man sich in Salzburg per SMS eine Dose Red Bull an seinen Sitzplatz bestellen. Mittlerweile steht es 2:1. Die schicke Mittzwanzigerin Höhe Mittellinie demonstriert nun ihrer Freundin, dass sie Bundestag im Oktober nicht abrü cken, so Sten- den Song aus der Kurve auch draufhat: „Ihr seid scheiße, wie der FC Sturm“, singt sie halblaut und zwinkert ihrer ger: „An der Front tut sich nichts.“ Freundin verschwörerisch zu. Der Lokalrivale des heutigen Gegners heißt SK Sturm. CHRISTOPH RUF

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Ein VON FRANK KETTERER, FOTOS YVONNE SEIDEL

Viele Menschen haben schon fast vergessen, dass auch der Vogel für deutsche Fußball ein MASKOTTCHEN hat. Noch viel weniger wissen, wie es entstanden ist. Dabei ist die Entwicklung alle prototypisch für jedes Maskottchen: Walt Disney stand Pate

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rrund0407_084_085_Maskottcheund0407_084_085_Maskottche 8484 008.03.20078.03.2007 14:51:0814:51:08 UhrUhr IM ABSEITS Bundesadler

123 1) Gesammelt: sehr viele Entwürfe 2) Gezeichnet: Junker und Kollege bei der Arbeit 3) Gelungen: Bewegungsstudie fürs Plüschtier en nach unten. „Über die Augen kann man 4) Gedruckt: viele Paules an der Wand 456 5) Gecheckt: Der Adler ist telegen vieles ablesen“, sagt Junker. Auch dieses Wis- 6) Gekauft: So gefällt’s dem Nachwuchs sen stammt natürlich aus dem ABC der Mas- kottchenerfinder. Fehlen noch Arme, die bei einem Adler lo- gischerweise Flügel sind. Allerdings, sagt Ro- Die Geschichte von Paule, dem Adler, begin- scheinlich, um aus der Tiefe des Raumes da- land Junker, soll Paule auch greifen können, nt mit einem weißen Blatt Papier. „Am An- herfliegen zu können, so wie einst Günter. zum Beispiel nach einem Ball. Also malt er fang“, erzählt Roland Junker, „ war da nichts.“ Ganz am Anfang sollte Paules Trikot sogar drei ihm einen „flügelähnlichen Arm“ mit vier Fe- Außer dem Wunsch des Deutschen Fußball- Streifen verpasst bekommen. Der Prototyp, dern als Hand. Was nicht bedeutet, dass Pau- Bunds (DFB): Wir und der deutsche Fußball der bei Roland Junker im Büro sitzt, trägt die- le mal einen Finger verloren oder Junker ei- wollen ein Maskottchen. Der dazugehörige se noch. Später wurde das mit den drei Strei- nen davon vergessen hat. Ein weiteres dieser Auftrag an Junker und seine in Baden-Baden fen rückgängig gemacht. Aber das ist eine an- Disney’schen Grundgesetze ist: Alle Comic- ansässige Agentur für Gestaltung lautete: Er- dere Geschichte. Immerhin steht fest, dass Figuren müssen mit vier Fingern auskommen. finden Sie bitte eines! Paule neben einem Trikot auch Beinkleid tra- „Fünf Finger“, verrät Junker, „wären bei so ei- gen wird. „Es wäre uns nie in den Sinn gekom- ner kleinen Figur viel zu kompliziert.“ Das Blatt ist immer noch weiß men, ihn ohne Hose rumlaufen zu lassen“, Paule ist jetzt schon ziemlich fertig, zumin- spielt Junker auf die WM und Goleo an. dest im Rohbau. Ein halbes Jahr und unzähli- Roland Junker, ein hoch aufgeschossener Paules Evolutionsgeschichte hat jetzt, zu- ge Zeichnungen hat das gedauert. Sechs Zeich- Mittfünfziger, schmunzelt, wenn er diese Ge- sammengefasst, diesen Stand: Er ist ein jun- ner, an einer Fachhochschule ausgebildete schichte erzählt. Junker ist so etwas wie Paules ger, schwarz-rot-gelber Adler mit der Rü- Animateure, haben meist unabhängig vonein- Vater, wobei der in Bern geborene Grafikde- ckennummer zehn. Genau an diesem Punkt ander an ihm gearbeitet. Animateur kommt signer zu diesem Zeitpunkt natürlich noch beginnen Roland Junker und seine sechs Mit- von Anima, also von Seele, und deshalb sagt nicht einmal weiß, dass Paule einmal Paule zeichner das weiße Blatt Papier vom Anfang Roland Junker jetzt: „Jeder Zeichner versetzt heißen wird. Den Namen wird der DFB erst mit Unmengen von Zeichnungen zu übersä- sich in die Seele der Figur, die er zeichnet.“ später suchen, durch eine Art Volksbefragung en. Dass Paule einen ziemlich großen Kopf Er, Paules Vater, muss das große Spektrum an unter den Fans. Zu diesem frühen Zeitpunkt verpasst bekommen würde, steht von Anfang Seelen und Zeichnungen nun zusammenfas- der Geschichte jedoch ist Paule noch ein Na- an fest. Fast alle Maskottchen haben große sen und aufeinander abstimmen. „Die Figur menloser. Man weiß noch nicht einmal, dass Köpfe. „Über den Kopf kann man die Emoti- muss in sich stimmig sein“, erklärt Junker. „Das er mal ein Adler wird. onen wecken“, erklärt Roland Junker. Und weil geht so lange, bis man sagt: Das ist er!“ Das Blatt ist also immer noch weiß und Ro- ein großer Kopf ein Gegengewicht braucht, land Junker sagt: „Wir haben uns zunächst zwei wird Paule auch noch große Füße bekommen. Paule auf Tassen und Luftballons Dinge überlegt: Was passt zu den Anforde- „Die stabilisieren die Figur.“ Dafür wird der rungen eines DFB-Maskottchens? Und was ist restliche Körper gestaucht. Das also ist Paule, noch immer ohne Na- schon vorhanden?“ Ein kleiner Bub hätte Pau- Das ist keineswegs Paule-typisch, sondern men. Und, weit schlimmer, ganz ohne Leben. le zum Beispiel werden können oder eben ein eine Art Grundgesetz der Maskottchenerfin- Das muss ihm von seinem Vater erst noch ein- Tier. Tiere sind im Nebenjob ja oft Maskott- der, das sich, das will Junker nicht leugnen, gehaucht werden. Paule soll schließlich viel- chen. Und der DFB hat schließlich den Adler bis heute an Walt Disney orientiert. Schon Do- seitig einsetzbar sein: Als Comicfigur, in klei- im Wappen. Schon Fritz Walter trug ihn da- nald Duck hatte einen großen Kopf, große Fü- nen Filmchen, als Konterfei auf Luftballons, mals auf der Brust, als er in Junkers Heimat- ße und einen eher kleinen Körper. Und wie als Figur auf Tassen und anderen Fanutensi- stadt das Wunder vollbrachte. Jetzt steht Ro- Disneys Erpel hat auch Junkers Adler einen lien. Entsprechend muss er sich auch bewe- land Junker da und sagt in seinem weichen überdimensionierten, eher rundlichen Schna- gen und sprechen können. Vor allem muss Schwyzerdütsch: „Wir haben uns dann sehr bel und große Augen. „Den Schnabel haben man auf den ersten Blick erkennen, wie Pau- schnell auf den Vogel verständigt.“ Genauer: wir abgerundet, um Paule Brutalität und Här- le sich gerade fühlt. auf einen jungen Adler, weil man „eine hö- te zu nehmen“, erklärt Junker. Die großen Au- Es sind weitere Unmengen an Zeichnungen here Sympathie erreicht, wenn man den Cha- gen sollen Paule ausdrucksstärker machen. notwendig, allein für den Kopf werden 50 ver- rakter einer Figur verjüngt“. Nicht nur bei den Menschen sind die Au- schiedene Grundeinstellungen angefertigt. Von Paule ist immer noch relativ wenig da, gen der Spiegel der Seele, sondern auch bei „Der Charakter eines Maskottchens ist wie ein außer seinen Farben und der Rückennummer. den Maskottchen. Wenn Paule sicht freuen Diamant, den man immer feiner schleift“, sagt Paule, das hat der DFB so vorgegeben, soll soll, verpasst ihm Roland Junker weit geöff- Roland Junker. Er sagt auch: „Das ist noch mal schwarz-rot-gold werden, also: schwarzes Fe- nete Augen; ist er müde oder traurig, werden eine sehr intensive Arbeit.“ Aber dafür ist Pau- derkleid, rote Zunge, gelber Schnabel. Und er sie bis zu einem Drittel verdeckt; soll er zor- le auch ein richtig netter Kerl geworden mit soll die Rückennummer zehn tragen, wahr- nig wirken, ziehen sie sich samt Augenbrau- einem richtig feinen Charakter.

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rrund0407_084_085_Maskottcheund0407_084_085_Maskottche 8585 008.03.20078.03.2007 14:51:1214:51:12 UhrUhr IM ABSEITS Gekaufte Karriere

PROFI FÜR 28 MINUTEN AL-SAADI GADDAFI IST VERNARRT IN DEN ITALIENISCHEN FUSSBALL – UND IN DIE IDEE, UNBEDINGT PROFI SEIN ZU WOLLEN. DER SOHN DES LIBYSCHEN REVOLUTIONSFÜHRERS MUAMMAR AL-GADDAFI HAT WENIG TALENT, ABER VIEL GELD – GELD, DAS DEN KLUBS IN

ITALIEN FEHLT. NUN SPIELT ER IN GENUA VON VINCENZO DELLE DONNE, FOTOS EDWARD BEIERLE, PIXATHLON

Bogliasco, gegen 14 Uhr. Die Sonne scheint. Vor der Trainingsanlage von Sampdoria Genua herrscht Stille. Von der in den Berg gehauenen Anlage kann man am Horizont das Ligurische Meer erblicken. Eine leichte, salzige Brise weht vom schimmernden Meer herüber. Nach und nach trudeln die Spieler in ihren Luxuskarossen ein. Ein verspreng- ter Haufen Tifosi wartet auf eine Gelegenheit, Fotos zu schießen. Plötz- lich braust ein gelber Lamborghini Gallardo Coupé vor, dicht gefolgt von einem schwarzen, gepanzerten Escalade-Geländewagen, auf dem das diplomatische Kennzeichen Libyens prangt. Ein Mann, athletisch gebaut, 183 Zentimeter groß und mit kurzem Bart, steigt aus dem Sport- wagen. Er trägt eine schwarze Hose, eine schwarze Jacke und ein weißes Hemd. Es ist der Auftritt von Al-Saadi Gaddafi . Er ist jung, reich und liebt den Fußball. Sechs bewaffnete Bodyguards steigen mit ihm aus, schauen sich misstrauisch um und nicken schließlich. Von seiner Se- Nur Freundschaftsspiele: Al-Saadi Gaddafi im Trikot von Sampdoria Genua curity umringt, geht Gaddafi auf Sampdoria-Präsident Riccardo Gar- rone zu und begrüßt ihn lächelnd mit Handschlag. Garrone scherzt, Gaddafi lacht. Sportdirektor Giuseppe Marotta steht dabei und wirkt nervös. „Ich darf nichts über Gaddafi sagen“, bekennt er später. Aus Liebe zum Fußball tingelt Al-Saadi Gaddafi seit 2002 über den Apennin, auf der Suche nach einem Profi engagement. Kein einfaches Unternehmen. Viele Klubs der Serie A begehren zwar seine Petrodol- lar, aber weil er Libyer ist und zudem der Sohn des Revolutionsfüh- rers Muammar al-Gaddafi , meiden sie ihn wie einen Aussätzigen. So war es anfangs auch bei Sampdoria, aber dann lenkte man ein. „Ich habe die große Freude, Al-Saadi Gaddafi vorzustellen“, sagte Präsident Garrone, als präsentiere er eine spektakuläre Spielerverpfl ichtung. Das war im November 2006. Er ist wortkarg, hat aber stets ein Lächeln auf den Lippen. Gaddafi s Fußballtalent ist mit dem eines Amateurspielers vergleichbar. „Er liebt den italienischen Fußball über alle Maßen“, sagt Garrone anerken-

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rrund0407_086_088_PortrGhaddund0407_086_088_PortrGhadd 8686 008.03.20078.03.2007 14:57:0814:57:08 UhrUhr „Er gehört nicht zur Mannschaft“: Sampdoria-Training in Bogliasco

Nobelort: In Portofi no wohnt Al-Saadi Gaddafi mit seiner Entourage

nend. Sampdoria ist bereits seine dritte italienische Station als Spie- ler – wenn auch nur für wenige Wochen. Er wollte mit Genua ein Freundschaftsspiel gegen die libysche Nationalmannschaft bestreiten. Ein magerer Trost für seine hoch gesteckten Fußballerambitionen, aber wenigstens ein bisschen Ablenkung von der ätzenden Langewei- le des Alltags. „Er gehört nicht zur Mannschaft von Sampdoria Genua“, präzisiert Pressesprecher Matteo Gamba. Er dürfe aber mittrainieren, solange er will. Ab und zu läuft er auch bei Trainingsspielen auf. Bei zwei weiteren Klubs hatte Gaddafi mehr Glück. Zwei Jahre war er beim AC Perugia. Der damalige Klubpräsident Luciano Gaucci, der später an die 100 Millionen Euro aus der Klubkasse veruntreute und sich in die Karibik absetzte, sagte über die schillernde Neuverpfl ich- tung: „Er ist ein vorzüglicher Mittelfeldspieler, der hinter den Spitzen agiert.“ Dennoch musste er lange auf den erhofften ersten Einsatz war- zent auf. Der Agnelli-Klub als Eintrittskarte zu den feinen Adressen ten: Am 2. Mai 2004 wurde er 15 Minuten vor Schluss im Spiel gegen des italienischen Calcio und Al-Saadi Gaddafi als arabischer Vorpos- Juventus Turin, das Perugia mit 1:0 gewann, eingewechselt. „Obwohl ten im italienischen Fußball. „Unsere Beteiligung am beliebtesten Klub er nur ein Mal eingesetzt wurde, trainierte er immer mit, und seine eures Landes wird helfen, das Misstrauen zu beseitigen, das uns eini- Anwesenheit war wichtig“, sagt der frühere Perugia-Kapitän Giovan- ge Menschen in Italien entgegenbringen“, betonte er. ni Tedesco über seinen illustren Mannschaftskollegen. Im Stile eines ausgebufften Finanzjongleurs suchte er nach Akzep- tanz. Gaddafi juniors Idee ist eigentlich genial und macht sich eine im IM STILE EINES AUSGEBUFFTEN FINANZJONGLEURS Apennin bewährte Erfahrung zu eigen. Danach hat der Fußball seine formidable Wirkung unter Beweis gestellt, politischen Konsens oder Ein Jahr später wechselte Perugias Trainer Serse Cosmi zu Udinese Akzeptanz zu schaffen. Wenn das für die Politik gilt, warum könne das und verhalf Gaddafi dort zum zweiten Engagement. Die Journaille nicht für die arabische Sache funktionieren, muss sich der heute 33- stellte sich die Frage, warum der Lieblingssohn des libyschen Revolu- Jährige gefragt haben. tionsführers so versessen auf eine Profi karriere in Italien sei. Niemand Doch plötzlich war es um ihn ruhig geworden. Die Freiräume nutzte konnte sich einen Reim darauf machen. Nebenher investierte er etli- er, um Geschäfte in anderen Ländern zu machen. In Australien woll- che Millionen der Petrodollar seines Vaters in italienische Klubs. te die Klatschpresse erfahren haben, dass er der Schauspielerin Nico- Es ist verblüffend, wie abgebrüht der gelernte Ingenieur die Werbe- le Kidman bei einem Rendezvous ein Smaragdcollier geschenkt habe, trommel für den libyschen Fußball rührt und in die Mikrofone par- was diese jedoch umgehend dementieren ließ. Es sei vielmehr ein ein- liert. Eine Art Charmeoffensive für die arabische Sache mithilfe des faches Arbeitsessen gewesen, bei dem es um eventuelle Investitionen Fußballs. Er zieht dabei alle Register eines PR-Profi s. Zuerst fädelte er in die australische Filmwirtschaft ging, ließ der Hollywoodstar rich- den Erwerb von 5,3 Prozent der Aktien des italienischen Rekordmeis- tigstellen. Für Al-Saadi Gaddafi wurde das Treffen gleichwohl als neu- ters Juventus Turin ein. Dann stockte er diesen Anteil auf über 20 Pro- erlicher PR-Erfolg verbucht.

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rrund0407_086_088_PortrGhaddund0407_086_088_PortrGhadd 8787 008.03.20078.03.2007 14:57:2414:57:24 UhrUhr Unterschenkelzerrung: Geknickt steigt Al-Saadi Gaddafi junior in seinen Lamborghini

zung Libyens unter dem Mussolini-Faschismus zu erinnern. Mit schö- ner Regelmäßigkeit droht er, sämtliche italienische Firmen des Landes zu verweisen oder deren Besitz zu konfi szieren, wenn Italien für den „Völkermord“ nicht endlich Entschädigungszahlungen leiste. Doch das hinderte ihn nicht daran, in italienische Firmen zu investieren. In Fi- at beispielsweise, und das 1976, als er der große arabische Bösewicht auf dem Schachbrett der Weltpolitik war. Zehn Jahre später zahlte ihn der Agnelli-Patriarch Gianni jedoch wieder aus. Zu heikel war seine Beteiligung am größten Konzern des Landes. Unterschriftensammlung: Häufi g fehlt der Gaddafi stellt sich geschickter an als sein Vater. Durch den Fußball Sohn des libyschen Revolutionsführers ist der Libyer in Italien salonfähig geworden. Seine italienische Ölfi r- ma Tamoil sponserte Juventus Turin. Der Werbevertrag sah vor, dem Rekordmeister für zehn Jahre 240 Millionen Euro zu zahlen. Nach dem Zwangsabstieg in die Serie B wurde dieser Vertrag allerdings auf- Fußball bleibt aber weiterhin seine Passion. In Udine brachte er es gelöst. „Wir werden eine Beteiligung an Juventus behalten“, so Gadda- allerdings ebenfalls nur auf einen Kurzeinsatz über 13 Minuten. Offi - fi . Über den gekündigten Sponsorvertrag will er kein Wort verlieren. ziell bekam er ein Jahressalär von 300.000 Euro, das er natürlich ei- Liquiditätsprobleme hat auch Sampdoria Genua. Nach den Glanz- ner gemeinnützigen Einrichtung spendete. Er mietete sich in der obers- zeiten des römischen Erdölhändlers Mantovani, unter dessen Ägide ten Etage eines Viersternehotels ein, aber zeigte ansonsten keinen Sampdoria den ersten italienischen Titel gewann, schlidderte der Klub besonderen Trainingsfl eiß. Für die freundliche Konzession verlangte unaufhaltsam auf den Konkurs zu. Nach langem Zögern rettete Gar- Udinese-Eigner Giampaolo Pozzo selbstverständlich einen kleinen Obo- rone den Klub. Mancher behauptet, der Präsident sei nur der Stroh- lus in Form von Investitionen. Beim Abschied zeigte sich Gaddafi groß- mann für eine nicht näher genannte arabische Käufergruppe. zügig: Jedem Udinese-Mitarbeiter schenkte er einen Smart. Gaddafi gehört auch in Genua nicht zu den Trainingsfl eißigsten. Trai- ner Walter Novellino nimmt ohnehin kaum Notiz von ihm. Ob er nicht KEIN TRAININGSFLEISS, ABER VIERSTERNEHOTEL ein Störfaktor für die Mannschaft sei? „Ich darf nichts über ihn sagen“, erwidert der Trainer, „Order von oben!“ Er brauche aber richtige Spie- Im November 2006 tauchte Al-Saadi Gaddafi schließlich bei Samp- ler für seine Mannschaft, fügt er süffi sant hinzu. Doch dafür fehlt das doria Genua wieder auf, wo er ein neues Fußballasyl fand. „Alles fi ng Geld. Das könnte nun Al-Saadi Gaddafi liefern. „Es ist nicht ausge- bei meinem Aufenthalt in Libyen an“, sagt dazu Präsident Garrone. schlossen, dass er sich in nächster Zeit am Klub beteiligt“, sagt Präsi- Saadi selbst lächelt, lobt die freundschaftlichen und geschäftlichen Be- dent Garrone. Seinem jungen Wirtschaftspartner überließ er zunächst ziehungen zwischen den Familien Gaddafi und Garrone und sagt: „Die- zeitweise seine Prachtvilla im nahen Nobelort Portofi no. Hier wohnen se Freundschaft wird eine neue Entspannung in den politisch-wirt- Gaddafi und seine Leibgarde nun, wenn er sich in Genua aufhält. schaftlichen Beziehungen zwischen Italien und Libyen bringen.“ Der An diesem Tag absolviert Al-Saadi Gaddafi nur leichtes Lauftraining. Präsident macht gute Geschäfte mit dem Wüstenstaat. Er importiert Eine Unterschenkelzerrung macht ihm zu schaffen. Geknickt verlässt libysches Erdöl, das er raffi niert und durch die eigenen ERG-Tankstel- er in der Abenddämmerung die Anlage und steigt in seinen Lambor- len verkauft. Daneben beliefert er auch die Tamoil-Tankstellen, die in ghini. Ein Sicherheitsmann chauffi ert ihn. Niemand weiß, wohin der libyschem und damit im Besitz der Familie Gaddafi sind. Tross steuert. Beim Freundschaftsspiel zwischen Libyen und Sampdo- Italien ist Gaddafi s Lieblingsland. Die übliche Italiensehnsucht der ria musste Gaddafi zusehen. Die Verletzung war ernster als erwartet. Nordafrikaner? Sie ist eigentlich für einen Gaddafi untypisch. Vater Ein erneuter Rückschlag. Mit den Verletzungsproblemen sucht er nun Muammar empfi ndet regelrechten Hass auf das Land und lässt kaum den Münchner Sportmediziner Müller-Wohlfahrt auf. Vielleicht der eine Gelegenheit aus, ständig an die Tragödie der italienischen Besat- Start in eine Karriere, die noch nie eine war.

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rrund0407_086_088_PortrGhaddund0407_086_088_PortrGhadd 8888 008.03.20078.03.2007 14:57:3814:57:38 UhrUhr IM ABSEITS Pioniergeist

„Israelis stehen uns Deutschen viel offener gegenüber, als wir denken“: Julian Reinard

Nach seiner Zeit beim SC Freiburg wechselte JULIAN REINARD zu „DU SPINNST DOCH!“ Hakoah Ramat Gan in die erste israelische Liga. Der 24-jährige VON CHRISTOPH RUF, FOTOS MARTIN SIGMUND Torhüter über Israels Fußball und Maschinengewehre im Kaufhaus

Als zweiter Deutscher überhaupt wechselten Welchen Stellenwert hat Fußball in Israel? Der Verein hat die Geduld verloren. Sie im vergangenen Sommer in die israelische Ganz klar die Sportart Nummer eins, vor Bas- Er wollte einfach nicht warten, bis die Ver- Liga, Ihr ehemaliger Freiburger Teamkamerad ketball. Die Zuschauer sind sehr fanatisch, aber letzung wirklich auskuriert war. Nachvollzieh- Michael Aniˇci´c war der Erste. Haben Sie sich überhaupt nicht aggressiv, jeder Spielzug wird barerweise vielleicht, die standen im Abstiegs- bei ihm Infos geholt? hundertmal im Fernsehen wiederholt und von kampf und wollten einfach einen Torwart, der JULIAN REINARD Ja, er sagte, das sei für ihn Experten analysiert. Das Drumherum interes- ihnen sofort weiterhilft. Sie haben mich dann die schönste Zeit der Karriere gewesen. Wo- siert die Leute allerdings weniger, zum Trai- vor die Wahl gestellt: Entweder ich werde ganz bei ich wohl auch hingefl ogen wäre, wenn er ning kommt zum Beispiel keiner. schnell wieder gesund oder ich kann mir so- mir wie alle anderen Kollegen abgeraten hät- Prägt der Nahostkonfl ikt den Alltag? fort einen neuen Verein suchen. Den Vertrag te. Die meinten alle bloß: „Du spinnst doch!“ Vor jedem Kaufhaus ist eine Schranke, über- haben wir aufgelöst. Schade. Komisch. Zumal man als Deutscher keines- all steht Security. Cafés kann man nur nach Dennoch fällt Ihr Fazit positiv aus? falls voreingenommen behandelt wird. einer Leibesvisitation betreten, vor dem Park- Auf jeden Fall. Ich muss vielleicht nicht nach Dabei wäre das nicht einmal verwunderlich. haus musst du den Kofferraum aufmachen. Afghanistan, aber ich habe immer das Ziel, an- Eben, ich bin aber richtig freundlich empfan- Man gewöhnt sich an all das, obwohl es merk- dere Länder und Sprachen kennen zu lernen. gen worden. Die Israelis reisen häufi g, und vie- würdig ist, wenn du Schuhe kaufst und neben Es gibt doch keinen Beruf, wo du es so einfach le stehen Europa und auch Deutschland viel dir ein Soldat mit Maschinenpistole steht. hast, in der Welt herumzukommen und viel- positiver gegenüber, als wir denken. Die Stadt Tel Aviv gilt als weltoffene liberale leicht ein paar Sprachen zu lernen. Ich habe Auf welchem Niveau ist die erste israelische Metropole. Haben Sie das auch so erlebt? jedenfalls in Israel ein paar Leute kennen ge- Spielklasse? Es gibt wirklich keinen Abend, an dem in Tel lernt, die ich hoffentlich bald wiedersehen wer- Technisch ist ein durchschnittlicher Bundes- Aviv nicht der Bär tobt, dazu dieser Riesen- de. Es hat sich gelohnt, auch wenn ich jetzt ligaspieler sicherlich nicht besser als ein isra- strand. Vom Flair her erinnert das an Südita- wieder auf Vereinssuche bin. elischer Spieler in der ersten Liga. Dennoch lien. Kurzum: Da ließ es sich gut leben! So neugierig sind nicht alle Fußballer. könnten die Mannschaften in der Bundesliga Was Sie allerdings nicht mehr tun. Das ist mir offenbar in die Wiege gelegt wor- vermutlich nicht bestehen, da sie in der takti- Ich habe von Anfang an ganz gut gespielt, den. Von vier bis sieben habe ich mit meinen schen Disziplin, in der Robustheit und auch mich dann aber verletzt, Muskelfaserriss. Die Eltern, die dort Lehrer waren, in Kuwait ge- beim Tempo nicht so gut sind. Wobei ich si- medizinische Erstversorgung war allerdings lebt. Ins Ausland gehen zu können, ist einfach cher bin, dass die vier Vereine, die internatio- richtig schlecht, das kann ich nicht anders sa- eine Riesenchance, gerade für jemanden wie nal spielen, in der Bundesliga nicht zwangs- gen, weswegen diese an sich recht banale Ver- mich, der sehr weltoffen ist und nicht zwi- läufi g absteigen würden. letzung sich auch so lange hingezogen hat. schen Bayern und Schalke wählen kann.

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rrund0407_089_IntReinard_Nund0407_089_IntReinard_N 8989 008.03.20078.03.2007 12:16:2512:16:25 UhrUhr IM ABSEITS Weltklasse

NEUES & SKURRILES ausaus der derganzen ganzen runden runden WeltWelt des desFußballs Fussballs EINE PIPELINE FÜRS TOR

Ein rumänischer Bürgermeister möchte den lokalen STARTORHÜTER gegen eine Gasleitung tauschen

Cornel Rasmerita ist sowohl Stadtoberhaupt als auch Boss des rumänischen Zweitligisten Minerul Lupeni und damit Chef des Keepers Cristian Bel gradean, um den sich derzeit gleich mehrere höherklassige Teams reißen. Rasmerita hofft aller- dings auf einen kombinierten Gas-Goalie-Transfer: „Belgradean ist sehr begehrt, ich würde ihn zu Jiul wechseln lassen – wenn die Verantwortlichen des

FUSSBALLSTADION Erstligisten im Gegenzug unserer Stadt die dringend - benötigten Leitung bauen.“ Umgerechnet 164.000 ZU VERKAUFEN, BEZUGSFERTIGe Hoffnung ge hen FK Smederevo ist di Euro soll der Bau der Pipeline nach Lupeni kosten, Beim serbisc P-Plätze im Stadi- wichen, dass auf einem der 200 VI der Jiul-Vorstand äußerte sich jedoch noch nicht abschließend zu dem Deal. Tauschgeschäfte sind im on einer sitzt, dem dieser Bau 25 Millionen Euro wert ist. Daher haben die Verantwortlichen ein paar Dinar rumänischen Fußball nichts Ungewöhnliches, in der in eine Immobilienanzeige investiert: Denaatlichen ehemaligen Stahl- des insolventen st Vergangenheit wurden Kicker bereits für Schweine- Betriebssportklub hälften, Weinfässer und neue Tore verkauft. werks Sartid hatte es in die Konkursmasse getrieben. hau- ELKE WITTICH 14 Jahre ist das Stadion. 17.200 alt und Sitzplätzeerstligatauglich (Zusc für die serbische Superliga ht. Der Klub h als erschnitt 1600), davon ein Drittel überdac beschreibt die Architektur des Sportbaus poetisc Muschel“. Anfragen solventer Interes- „geschlossene OLAF SUNDERMEYER senten bitte an die Redaktion.

UNSICHTBAR GETRENNT TAGESAUSFLUG STATT FUSSWEG: NOCH HAT DER 1. SV MÖRSCH IN DER VERBANDSLIGA RELATIV KURZE REISEWEGE. DAS KÖNNTE SICH NACH EINEM AUFSTIEG ÄNDERN Durch die Kreisstadt Rheinstetten bei Karlsruhe verläuft eine unsicht- kickt. Warum weiß keiner“, meint Kreisarchivar Bernd Breitkopf schul- bare Mauer. Während der Ortsteil Forchheim dem Badischen Fußball- terzuckend. In jedem Fall sind die Anfahrtswege für den 1. SV Mörsch Verband angehört, kickt der Landesliga-Rivale aus dem Ortsteil Mörsc h extrem. Derzeit steht man in der Spitzengruppe der Landesliga, Staf- im Südbadischen Fußball-Verband. Derbys sind praktisch unmöglich. fel 1. Einen Aufstieg in die Verbandsliga Südbaden will sich keiner aus- Pfl ichtspiele gab es seit dem Krieg so gut wie nie. Das Archiv des Karls- malen. Dann hieße es nämlich Kilometerfressen. Tagestrips von rund ruher Landratsamts hat dem Kuriosum eigens eine Ausstellung gewid- 500 Kilometern zu Gegnern an der Schweizer Grenze oder am Boden- met. Selbst ehemalige Besatzungszonen haben bei der seltsamen Auf- see gehörten dann dazu. Pfl ichtspiele gegen den Ortsnachbarn Sport- teilung quer durch die Gemeinde keine Rolle gespielt. „Die haben freunde Forchheim, dessen Sportplatz in Sichtweite liegt, bleiben je- schon nach dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen Verbänden ge- doch weiter tabu. VOLKER KNOPF, FOTO STADT RHEINSTETTEN

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rrund0407_090_091_Weltkla_Nund0407_090_091_Weltkla_N 9090 008.03.20078.03.2007 12:58:4412:58:44 UhrUhr IM ABSEITS Weltklasse

Wieder auf Augenhöhe: Russland und die USA

>Wenn Vladimir Putin den USA in München das Stre- ben nach „monopolarer Weltherrschaft“ unterstellt hat, kann er jedenfalls nicht den amerikanischen Fuß- ball gemeint haben. Die US-Nationalelf, zur WM an- getreten als Ranglistenfünfter, ist in der Tabelle des Weltfußballs abgestürzt wie George Bush in der Wählergunst. Zwischenzeitlich stand Team USA gar auf Platz 31. Die aktuelle Verbesserung wurde durch ? ein geschicktes Manöver des russischen Verbandes – selbstredend ersonnen im Kreml – jedoch umge- wandelt in eine Demonstration russischer Stärke. Klar, dass das Freundschaftsspiel gegen Holland 1:4 in die Binsen gehen musste. Und pünktlich zur Si- cherheitskonferenz stand die Förderation direkt ne- ben, aber einen Platz vor den Amerikanern. Vermut- lich genau das, was Herr Putin so unter Augenhöhe versteht. Na sdarowje!<

Sportliches Platz Staat +/– 25 Ecuador +4 26 Türkei +1 27 Russland –3 Inselhüpfen 28 USA +3 29 Serbien +4 Die NÖRDLICHEN MARIANEN dringen mit Macht in 30 Paraguay +5 die Fifa. Das Außengebiet der USA im Westpazifi k will endlich offi zielle Länderspiele durchführen. Auch Stand: 1. März 2007 die Infrastruktur steht schon fast Das Commonwealth der Nördlichen Marianen, ein im Pazi- fi schen Ozean südlich von Japan gelegenes Archipel, bricht auf zu neuen Ufern. Nicht etwa, dass sich die gut 80.000 Einwohner nun aufmachten, neue Inseln zu bevölkern, sondern ein natio- nales Fußballteam soll her, und der unvermeidbare Beitritt in die Football Federation (EAFF) bestreiten wird. Der Gewinner die- Fifa als dann 208. Mitglied steht auch bereits fest auf der Agen- ser Partien wird im Februar 2008 beim alle zwei Jahre ausgetra- da. Das dürfte schon deswegen nicht mehr in allzu großer Ferne genen EAFF-Kontinental-Turnier mitstreiten und die Großmäch- liegen, da Blatters Ideologie bereits verinnerlicht scheint: „We te Japan, China oder auch Südkorea herausfordern. Für diese will do our best to represent the Commonwealth with fair play Aufträge fehlen bloß noch die Spieler. Abhilfe soll einerseits die and hard work“, so der Präsident der Northern Mariana Islands installierte Men’s Open League schaffen, welche gerade ihren ers- Football Association (NMIFA), Jerry Tan. Der Weg dorthin ist ten Champion verzeichnet hat. Andererseits ist jeder Insulaner geebnet: Zunächst wird das erstmals formierte Auswahl- mit gültigem US-Pass aufgefordert, team Inselhopping betreiben, indem es Guam, die seine Fähigkeiten in den Dienst größte Insel des Marianen-Ar chipels, der Inseln zu stellen. Die Basis herausfordern und damit sein steht: Ein ehrenamtlicher erstes Län derspiel als Trainer aus den USA Neu ankömmling steht im Wort. der East Asian KONRAD STAHLSCHMIDT

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rrund0407_090_091_Weltkla_Nund0407_090_091_Weltkla_N 9191 008.03.20078.03.2007 12:58:5412:58:54 UhrUhr IM ABSEITS Kranker Esel

Warten auf Ariel Arnaldo Ortega, genannt El Burrito, das Eselchen. Eine absolute Vereins- ikone. Fünf Meisterschaften mit River Plate, einmal Copa de Libertadores, 89 Länderspiele für Argentinien, Teilnahme an drei Weltmeisterschaften. Fast eine Stunde dauert es. Dann kommt EIN er – durch den Seiteneingang. Er wirkt unscheinbar wie ein Fabrikarbeiter nach der Tagschicht, der gleich in seinen Manta einsteigt. Extrem schmächtig, ein Strich in der Landschaft, 1,70 Meter klein. Die Kleidung hängt labberig an seinem Körper herunter. Weißes Sweatshirt, hel- STAR le Jeans, Turnschuhe. Nichts an ihm ist gestylt, alles wirkt ernüchternd normal. Und traurig. Kein Glamour, kein Stolz, kaum Autogrammjäger im Schlepptau. Vor allem seine Augen vermitteln Tristesse. Es ist eine Ausnahmesituation. Ortega ist alko- holkrank und absolviert derzeit eine Entziehungskur. Dennoch stellt er sich, zwar halbherzig, AM aber immerhin. Als Konfl ikttrinker ist er auf eine täuschende Fassade angewiesen. Angeblich ist er derzeit trocken. Typische Symptome wie ein rotes Gesicht, zitternde Hände, eine Fahne oder eine schwitzige Stirn: Fehlanzeige. Das Idol will weg, er schüttelt immer wieder den Kopf, als ihn ein Fotograf ablichten will. BODEN Aus dem vereinbarten Interview wird ein Gespräch im Vorbeigehen. „Ich möchte noch mal angreifen, will noch mal die Clausura gewinnen“, sagt er matt. Er verleugnet seine Krankheit, wirkt willenlos, apathisch, verlangsamt. Orte- ga hat seinen Kulturbeutel unter den Arm ge- Kein Maradona: klemmt und spielt an einem schwarzen Leder- Ortega im Trikot der armband am linken Handgelenk. Er spricht Nationalmannschaft leise, fast nuschelig. Aber das ist egal. Was er sonst noch sagt, ist sowieso belanglos, Fuß- ballerfl oskeln. Sein Trainer Daniel Passarella antwortet auf die Frage, welche Rolle Ortega in seiner Mann- schaft spielen soll: „Ariel soll nach seiner Ver- letzung schnell wieder in die Mannschaft zu- rückfi nden. Er ist unberechenbar und kann für uns noch wertvoll werden.“ Journalisten, die das hören, schmunzeln. Ein Redakteur der Tageszeitung „Clarín“ witzelt über Pas- sarellas Wortwahl. Verletzung? Jeder wisse doch, was mit Ortega los sei. Im Oktober dachte man schon, der Superdribbler müsse ganz auf- hören. Niemand verzichtet freiwil- ARIEL ORTEGA galt als lig auf den Superclásico. Doch vor dem emotionsgeladenen Duell mit Boca, das Thronfolger Maradonas. River mit 3:1 gewann, meldete er sich krank- heitsbedingt ab. „Mir geht es verdammt dre- Doch alles kam anders: ckig, so kann ich den Jungs nicht helfen“, er- Heute ist der Argentinier klärte Ariel Ortega damals. Die Öffentlichkeit vermu tete Magenbeschwerden oder einen Vi- schwer alkoholkrank. rusinfekt, Insider kannten die Ursache. Auf Nachfragen ant wortete Ortega nur: „Es ist ei- Mit 33 versucht er sein ne ziemlich heikle Sache.“ El Burrito, das Eselchen. Der Kosename be- letztes Comeback – auf zieht sich auf den Herkunftsort. Ortega stammt dem Rasen und im Leben aus einer ländlichen Provinz namens Jujuy im äußersten Nordwesten. Wer raus will aus die- VON ERIK WEGENER, FOTOS BONGARTS, IMAGO ser gottverlassenen Gegend, muss etwas Be-

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rrund0407_092_093_Ortegaund0407_092_093_Ortega 9292 008.03.20078.03.2007 21:06:4521:06:45 UhrUhr IM ABSEITS Kranker Esel

sonders können. Sein Vater hatte ihn gewarnt. Sollte es mit der Profi karriere nicht klappen, Einmal schlug Ortega seine Ehefrau Danesa, würde der Sohn als Arbeiter in der Zuckerraffi nerie seines Heimatortes versauern. Doch Ari- sie trug gravierende Verletzungen davon und el blieb stur. Schließlich kamen die Talentspäher von River Plate aus dem 1600 Kilometer ent- zeigte ihn daraufhin bei der Polizei an. Inzwi- fernten Buenos Aires und entdeckten ihn. Das Profi debüt mit 17. Passarella wurde sein Zieh- schen lebt das Paar, das drei Kinder hat, von- vater, Ortega entwickelte sich zu einem kompletten Spieler, schnell, quirlig. „Hunderte von einander getrennt. Verteidigern schafften es nicht, sich an seine Fersen zu heften, einige suchen ihn noch heu- Trinken gilt als Weglaufen vor gravierenden te“, schrieb einmal ein Journalist. Problemen. Und Ortega ist in seinem Leben zu oft gefl üchtet. Den vorläufi gen Tiefpunkt Vielleicht fi ng Ortega in Istanbul mit dem Trinken erreichte er im Januar. Nach einem Testspiel gegen den Stadtrivalen Racing zog Ortega mit an. Er ist ein Cervecero, sagen die Leute, er liebt das ein paar Kumpels durch die Bars von Mar del Plata. Die Sauftour endete im Vollrausch, mitt- Bier. Die härteren Drinks kennt er aus der Heimat lerweile sein fünfter Rückfall. Passarella und Klubarzt Luis Seveso beschlossen danach, dass In der Nationalmannschaft wurde Daniel Ortega in den 90er Jahren bereits als der neue Ma- ihr Schützling in einer geschlossenen Spezial- radona gefeiert. Zumal er in der Albiceleste auch das Trikot mit der Nummer zehn trug. Aber klinik behandelt werden muss. Ortega brach in Argentinien kann niemand Maradonas Er- die Saisonvorbereitung ab. An Profi fußball ist be sein. Ortega ist kein Exzentriker wie sein die nächsten Monate nicht zu denken. Für Pas- Am Ende: Ortega kann nicht mehr Vorbild, auch kein Genie, nur manchmal ein sarella, den sie in Anlehnung an Franz Becken- Fußball spielen Hitzkopf. „Ariel hatte in seiner Karriere viele bauer „El Kaiser“ nennen, ein Riesenschock. Höhen und Tiefen, aber für die River-Fans ist Der Trainer hat sogar geweint, was nicht oft er das Idol schlechthin, für sie bleibt er der vor kommt. Jetzt wissen es alle: Inzwischen geht Allergrößte“, sagt Federico Rozenbaum, Re- es nicht mehr nur um eine Karriere, es geht dakteur beim täglich in Buenos Aires erschei- um ein Menschenleben.< nenden Fachblatt „Olé“. Ortega spielte für den FC Valencia und Samp- doria Genua. Mit Parma holte er den Uefa- Pokal. Dann das beispiellose Fiasko bei Fener- bahçe Istanbul. Dorthin war Ortega 2002 gewechselt, doch er kam weder mit Trai- ner noch mit den Mitspie- lern noch mit den Fans am Bosporus zu- recht. Ortega verzweifelte, brach den bis 2006 laufenden Vertrag und verließ die tür- kische Metropole Hals über Kopf. Die Fifa „Während der Sperre schaltete sich ein. Ortega bekam 9,5 Millio- nen Euro Strafgeld aufgebrummt. Schlimmer war ich mental am war für den Instinktfußballer jedoch das 15- monatige Berufsverbot. „Während der Sperre Ende. Wer mir den Ball war ich mental am Ende. Wer mir den Ball klaut, nimmt mir die Luft zum Atmen“, gesteht klaut, nimmt mir Ortega. Vielleicht fi ng er damals an, richtig zu trinken, vielleicht aber schon viel früher. Or- die Luft zum Atmen“ tega ist ein Cervecero, sagen die Leute, er liebt eben einfach das Bier. Und die härteren Drinks kennt er aus seiner Heimat. Nach der Zwangspause zog es Ortega in die Provinz. Bei den Newell’s Old Boys in Rosario wagte er einen Neuanfang und wurde auf An- hieb Meister, bereits sein achter Titel. Doch der Frust des Scheiterns in Europa wirkte nach.

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rrund0407_092_093_Ortegaund0407_092_093_Ortega 9393 008.03.20078.03.2007 21:06:4821:06:48 UhrUhr www.rund-magazin.de

Ich würde einen Ball nehmen und losrennen. Wie damals in Dänemark, beim Campen: eine ein- same, rostige Teppichstange, dahinter die Dünen und immer wieder aus gefühlten 30 Metern ab- gezogen, bis der Ball von Unterkante Latte knapp hinter die gedachte Torlinie sprang. Der ge- dachte Torhüter – muss es gewesen sein – war chancenlos, die Sonne schon fast weg. Bloggen heißt: Stellung nehmen, sich aufregen dürfen über öffentlich-rechtlich oder privat Dilettierende und Delirierende, den www.der-toedliche-pass.de spielen, Dinge würdigen, die den Fernsehtalkern durchrutschen, weil sie sich oft wenig für Fußball interessieren und mehr für die soundsovielte Minute ohne Gegentor oder die x-te Trainerentlassung der Saison. „Gelassen und gut bekömmlich“, so charakterisierte sich der Philosoph Udo Lindenberg einmal selbst, und etwa so will gebloggt sein. Das ist der Anspruch. Dann die Frage, was die anderen Blogger bewegt, die in der Regel einem Verein fest verbunden sind. Hat man keinen Verein, wird man schon schief angesehen, wie damals in Dänemark: Hat er keine Freunde? Doch, die waren aber lieber angeln, außerdem war Nebensaison. Und mit den Schwestern, fünf immerhin, war nichts anzufangen, dabei hätte man drei gegen drei spielen können, mit der Einjährigen im Tor. Ein Kompromiss sicherlich, doch selbst Bayern München

geht beim Torwart Kompromisse ein. ILLUSTRATION SONJA KÖRDEL, FOTOS PRIVAT

Gerald Wenge, 39, schreibt regelmäßig als einer von vielen RUND-Blogautoren auf www.rund-magazin.de

rrund0407_094_095_VorschaltS_Nund0407_094_095_VorschaltS_N 9494 008.03.20078.03.2007 13:28:0813:28:08 UhrUhr RUND Spielkultur

SPIELKULTUR KÜNSTLERISCH VERSPIELT UNTERHALTEND

„Finnische Frauen sind gebaut wie deutsche Männer“ LENINGRAD COWBOYS

96 INTERVIEW „Aua! Aua! Aua!“ – Die Leningrad Cowboys über Schauspieler, Eishockey und Wodka

102 BOBFOOT Bob am Ball – Reggae-Star Bob Marley war ein begeisterter Fußballer und großer Fan

106 LEBENDE LEGENDE „In mir lebt ein Japaner“ – Arsène Wenger vom FC Arsenal gibt das Interview seines Lebens

116 AUSLAUFEN Ich und die Pfeife – RUND-Kolumnist Jörg Thadeusz träumt davon, Schiri zu sein

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rrund0407_094_095_VorschaltS_Nund0407_094_095_VorschaltS_N 9595 008.03.20078.03.2007 13:28:1013:28:10 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„Aua! Aua! Aua!“

Ihre Band ist im Rahmen der „Jägermeister Rockliga“ durch Deutsch- nen. Wir fahren auf dieser Tour wegen des Alkohols mit. In Finnland land getourt. Bands treten dabei gegeneinander an, der Geschmack des kennen wir jede Form von Alkohol. Auch Jägermeister. Und den konn- Publikums entscheidet – fast ein sportlicher Wettbewerb also. Müssen ten wir uns nicht entgehen lassen. Sie sich nach all den Jahren noch etwas beweisen? Saufen als Motiv – ist diese Vorliebe auch der Grund, warum Finn- SAKKE JÄRVENPÄÄ Nein. Wir haben ja bisher nicht einmal gewon- land im Fußball hinterherhinkt? Oder ist es die fi nnische Traurigkeit?

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 9696 008.03.20078.03.2007 21:24:1021:24:10 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

FINNEN SIND DESOLATE FUSSBALLER MIT HANG ZU SAUNA, ALKOHOL, SCHLECHTEN WITZEN, DEPRESSIONEN UND KOMISCHEN FRISUREN. DIE LENINGRAD COWBOYS SIND SEIT ÜBER 15 JAHREN DER BEWEIS DAFÜR. DIE „SCHLECHTESTE ROCKBAND DER WELT“ ÜBER EINE DER SCHLECHTESTEN FUSSBALLNATIONEN EUROPAS INTERVIEW JOCHEN SCHLIEMANN, FOTOS BENNE OCHS

„Eine Kiste Wodka, zwei Kisten Bier und warten, bis es losgeht“: die Leningrad Cowboys

TIMO TOLONEN Na, hören Sie mal! Finnland ist momentan immer- VARRE VARTIAINEN Deutschland … Frankreich … hin Erster in der Qualifi kationsgruppe für die Europameisterschaft RICHARD „TIPE“ JOHNSON Der Kongo! 2008! Nummer eins! Also fangen Sie gar nicht erst so an! Mit derartigem Fachwissen seiner Fans wird sich Finnland nicht für Was für Teams spielen noch in der Gruppe? die EM 2008 qualifi zieren. TT Äh … Polen, glaube ich … TT Ganz im Gegenteil. Wir werden Europameister. Finnland hat ja

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 9797 008.03.20078.03.2007 21:24:1521:24:15 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

auch den Eurovision Song Contest gewonnen. Und das mit Lordi, die- ser verkleideten Heavy-Metal-Band. Also ist alles möglich. Das Pro- blem ist natürlich, dass wir nur etwa elf gute Spieler in Finnland ha- ben. Wenn wir einen von denen auswechseln müssen, wird es ganz Wie soll das funktionieren mit diesen Schuhen? schnell ganz schrecklich. (Stille) Wie ist denn die nationale Liga in Finnland einzuschätzen? Ich meine, es bietet sich doch an: Ihr seid momentan zu zehnt auf TT Es wird langsam besser. Tour. Wer geht ins Tor? SJ Das Problem für den Fußball bei uns ist, dass Eishockey die größ- RJ Stimmt, wir bräuchten noch einen Torwart. Aber fi nde mal einen te fi nnische Sportart ist. Wir haben elf Monate Winter in diesem Land. mit der richtigen Frisur! Wie soll man da regelmäßig Fußball spielen? Eishockeyspieler sind die Was denken Sie über Frauen im Fußball? Stars in Finnland. Eishockeyspieler kriegen das Geld und die Frauen. TT Frauen sind gut. Fußballer hingegen kriegen … VV Fußball auch. VV … Fußbälle. RJ Im Ernst: Das fi nnische Frauenfußballteam ist besser als unsere SJ Etwa 100 Finnen spielen derzeit in den USA oder Kanada Eisho- Männermannschaft. Die Frauen haben bei der letzten EM das Halbfi - ckey. Es sind aber nur etwa zehn Fußballprofi s im Ausland. nale erreicht. Finnische Frauen sind gebaut wie deutsche Männer. Wann muss man sich in Finnland zwischen Fußball und Eishockey Da Männer des Fachs unter uns sind: Gab oder gibt es Frisuren in der entscheiden? Fußballwelt, die Sie nachhaltig geprägt haben? VV Sehr früh. Man beginnt mit fünf Jahren zu spielen. Ein fi nnischer RJ Paul Breitner! Diese Frisur! Wahnsinn! Jugendlicher muss sich also schon vor seiner Einschulung entschei- SJ Maradona! den, was er machen will. Oft wählen die Jungs Eishockey, weil das in TT Valderrama! Finnland viel attraktiver ist. SJ Oder Torsten Frings. Liegt da das größte Manko im fi nnischen Fußball? Im Nachwuchs? RJ Das ist doch der, der bei der Weltmeisterschaft einen geschlagen RJ Nein. Das größte Problem ist ein anderes. Wie viele Menschen le- hat, oder? Der könnte auch gut Eishockey spielen. ben in Deutschland? Spielen Sie Fußball im Verein? Etwa 82 Millionen Menschen. RJ Ja, ich! In zwei Mannschaften. Weil ich so gut bin. RJ In Finnland leben um die fünf Millionen. Das ist das Problem. Und die meisten von ihnen spielen eben Eishockey. Sie können doch nicht alles nur auf eure niedrige Bevölkerungszahl schieben. RJ Nein! Es ist ja auch schon alles viel besser geworden. Vor fünf Jahren sind sämtliche elf Spieler der fi nnischen Na- tionalmannschaft einfach dem Ball hinterhergerannt. Heutzutage machen das nur noch fünf gleichzeitig. SJ Das haben wir unserem tollen Trainer aus England zu verdanken! Roy Hodgson! Der hat uns das erklärt. TT Ich halte Hodgson für einen guten Mann. Dank ihm spielen die Finnen zurzeit fröhlichen, offensiven Fußball. Das ist gut für uns. All dem bisher Gesagten ist zu entnehmen, dass Sie sich für Fußball und nicht für Eishockey interessieren? Auf welcher Position spielen Sie? SJ Wir interessieren uns für beides, für Eishockey, aber eben auch für RJ Ich bin Stürmer. Ein sehr guter Stürmer. Fußball. Jari Litmanen ist mein Nachbar und Freund. Der war mehr- Wie viele Tore schießen Sie pro Saison? mals Weltfußballer des Jahres oder so etwas. Er spielte bei Ajax Ams- RJ In der letzten habe ich 26 Tore geschossen. In 30 Spielen. terdam, beim FC Barcelona, beim FC Liverpool. TT Das ist gut! VV Und mein Sohn hat einen Fußball zu Hause. Immerhin. RJ Hab ich ja gesagt. SJ Wir spielen auch manchmal auf Tour. Wir haben ja mal ein Eisho- VV Hast du nicht immer Verteidiger gespielt? ckeymatch gegen die Toten Hosen in Düsseldorf gespielt. Vielleicht RJ Verteidiger? Was ist das? klappt etwas ähnliches ja mal mit dem Fußball. Wie schaffen Sie es, in zwei Teams zu spielen, wenn Sie ständig auf Tournee sind? RJ Nun, wenn ich auf Tour bin, bin ich eben hier. So lange ich meine Tore schieße, wenn ich zurück in Finnland bin, ist meinen Mann- schaftskollegen egal, ob ich eine Zeit lang weg war. Sie wissen und ver- „JARI LITMANEN IST MEIN stehen, dass ich ab und zu in Braunschweig sitzen und einem Fußball- magazin ein Interview geben muss. FREUND UND NACHBAR“ Vielleicht können Sie als fi nnischer Fußballer uns ja erklären, wieso manche Spieler, zumindest auf Amateurebene, am Morgen nach einer Party manchmal besser spielen als sonst? RJ Das hab ich mich auch schon gefragt, weiß aber keine sichere Ant- wort. Bei Konzerten ist das ja nicht anders. Ich nenne dieses Phäno- men immer das Maradona-Syndrom.

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 9898 008.03.20078.03.2007 21:24:2121:24:21 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„Wir werden Europameister“: Timo Tolonen „Wir haben elf Monate Winter“: Sakke Järvenpää

„Frings könnte Eishockey spielen“: Richard „Tipe“ Johnson „Mein Sohn hat einen Fußball zuhause“: Varre Vartiainen

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 9999 008.03.20078.03.2007 21:24:2121:24:21 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„Wir hassen Interviews“: Die Cowboys gehen

THE LENINGRAD COWBOYS Der Durchbruch einer der größten Musikexporte Finnlands war ein Film. „Leningrad Cowboys Go America“ ist ein Roadmovie mit den Leningrad Cowboys in der Hauptrolle. 1989 ebnete er den Weg für die bis heute andauernde Karriere einer Band, deren Markenzeichen riesige, nach vorn gestylte Haarprachten sowie lange, spitz zulaufende Schuhe sind. Musikalisch pfl egt die auf der Bühne meist zehnköpfi ge Gruppe einen Stil aus Polka, Punk und Rock. Zu den Karrierehöhepunkten der Leningrad Cowboys gehörte ein Auftritt beim dänischen Roskilde-Festival 1997, den die Finnen zusammen mit einem rund 80-köpfi gen Chor der Roten Armee spielten. Momentan arbeitet die selbst ernannte „schlechteste Rockband der Welt“ an einem neuen Album sowie den Vorbereitungen zu einem Filmdreh in Kubas Hauptstadt Havanna.

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 100100 008.03.20078.03.2007 21:24:2721:24:27 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

Musik machen. Wir haben schon oft mit fast einhundertköpfi gen Chö- ren Konzerte gespielt. Das Rad wird dann nicht neu erfunden, aber die Kraft aus so vielen Kehlen ist schon beeindruckend. SJ Schön ist, dass man in jedem Land andere Musik im Stadion hört. „DIE HÄLFTE DER SPIELER In Brasilien zum Beispiel trommeln sie auf riesigen Baterias, in Eng- SIND SCHAUSPIELER!“ land singen sie ganze Popsongs. Zu jedem großen Fußballturnier gehört inzwischen auch ein Song. Nelly Furtado sang bei der EM in Portugal, Herbert Grönemeyer für die WM in Deutschland. Nennen Sie Ihren Lieblingsfußballsong! RJ Da gibt es tatsächlich keinen. Warum spielen Sie Fußball und kein Eishockey? TT Also, ich fand Anastacias „Boom“ immer großartig! Den Song zur RJ Ich spiele beides. Fußball ist fast so interessant wie Eishockey. Die WM in Japan und Südkorea. Der war toll! Stimmung in den Eishockeyhallen ist aber einfach besser. Ernsthaft? Beim Eishockey sieht man als Zuschauer oft nicht einmal den Puck. TT Nein. RJ Ich glaube, Sie müssen mal zum Augenarzt! Eishockey ist schnel- SJ Es gibt kaum gute Fußballsongs. ler, aggressiver, spannender und besser als Fußball jemals sein wird. RJ Bis jetzt! Unserer wird der erste großartige Fußballsong! VV Was mich momentan am Fußball so ankotzt, ist, dass die Hälfte SJ Ja, wir haben gerade einen Fußballsong geschrieben, den wir dem- aller Spieler Schauspieler sind: Aua! Aua! Aua! nächst aufnehmen werden. Er klingt ein bisschen brasilianisch, und TT Das denke ich auch. Vor allem die Italiener! Alles Schauspieler! wir singen die ganze Zeit nur die Namen von alten Fußballstars. VV Die bekommen zu viel Geld, werden auch noch Weltmeister. Sind Eishockey oder Handball härter als Fußball? TT Fußball ist kein harter Sport. Fußball ist Rasenschach. Wie oft Fußballer angeblich so stark verletzt sind, dass sie nicht mehr spielen können, sagt schon alles. Ballack ist permanent verletzt! VV Dennoch ist der Fußball heutzutage schon wesentlich physischer als früher. 1974 war das noch völlig anders. Da- mals sind manche Spieler einfach mal losgelaufen mit dem Ball und haben geschaut was passiert. Heute würden da sofort zwei Leute draufspringen. Wie schauen sich Finnen Fußballspiele an? RJ Meist im Fernsehen. Wir haben fast alle WM-Spiele geschaut. Wenn Die Namen all der Fußballstars, die Sie in Finnland hatten? ein Spiel im Fernsehen übertragen wird, kaufen wir eine Kiste Wod- (Stille) ka, zwei Kisten Bier, treffen uns schon ein paar Tage vor dem Spiel, Was halten Sie von Musikern, die sich selbst zu ernst nehmen? besaufen uns und warten bis es losgeht. (Stille) Für wen haben Sie bei der WM geschrieen? Sie scheinen ja Menschen zu sein, die auch über sich lachen können. RJ Finnland! ALLE Nein! Finnland war nicht dabei. VV Wir hassen Interviews, unseren Job und Fußballmagazine. RJ Wie? Echt? TT Und Musik. Wir wurden vom fi nnischen Arbeitsamt engagiert. VV Das erklärt einiges. Noch mal zurück zu Finnlands Nationalmannschaft … Gehen Sie auch ins Stadion? TT Sie werden sich wundern, wir Finnen essen momentan auf Staats- ALLE Ja. anordnung viel Pudding. Bald sind wir schneller als alle anderen! SJ Wenn ich auf Tour bin, gehe ich, sooft ich kann, in die Stadien der RJ Deutschland spielt doch auch scheiße! Ihr hattet Heimvorteil bei Städte, in denen wir spielen. In Hamburg habe ich auch mal den FC der WM und wurdet trotzdem nur Dritter! St. Pauli spielen sehen. Danach war ich sogar noch in deren Clubheim. SJ Und euer Formel-1-Held ist doch auch schon abgetreten! Wir ha- Das war toll! 1988 war das. Keine Ahnung gegen wen St. Pauli gespie- ben Kimi Räikkönen! Der fährt! Bis zum bitteren Ende. lt hat, aber das war auch nicht wichtig. Wir haben ohnehin die ganze Ganz mutige Zeitgenossen vergleichen Rock’n’Roll und Heavy Metal Zeit gesoffen. Der FC St. Pauli ist ein Rock’n’Roll-Team. Wenn deren mit dem Fußball: treu, irgendwie immer noch bodenständig, immer da. Mannschaft ins Stadion kommt, wird immer „Hells Bells“ von AC/DC Was sagen Sie als Berufsrocker und Amateur- beziehungsweise Pas- gespielt. Mehr geht nicht! sivsportler dazu? Wie fi nden Sie die sonstige Musik, die in Fußballstadien gespielt wird? RJ Dagegen kann ich nichts sagen. Ist das Interview jetzt vorbei? TT Wir haben auf der letzten WM-Eröffnungsparty in München ge- TT Ich stimme dem nicht zu! Fußball ist eine grundsätzlich traditio- spielt. Es klingt schon toll, wenn tausende Menschen wie aus einer nelle Angelegenheit. Diese Klubs, die wir lieben, sind zum Teil über Kehle etwas singen. Das kommt dem sehr nahe, was wir mit unserer 100 Jahre alt. Bands und Künstler hingegen kommen und gehen im Musikgeschäft immer schneller. Mal abgesehen von uns. RJ Stimmt. Das Musikbusiness ist viel schnelllebiger. Egal, was man macht, welche Platten man aufnimmt, wie lange man auf Tour geht, ob man Erfolg hat oder nicht: Der Verein, den man liebt, ist immer da, wenn man zurückkommt.

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rrund0407_096_101_IntLCowboyund0407_096_101_IntLCowboy 101101 008.03.20078.03.2007 21:24:3021:24:30 UhrUhr „Fußballer oder Revolutionär“: Bob Marley konnte nicht ohne Fußball leben. Vor Konzerten ging er immer auf den Rasen BOB AM BALL EIN BALL, EINE GITARRE, GRAS UND LIEBE – TRÄUMTE VON EINER WELT, IN DER SICH ALLE MENSCHEN DIE BÄLLE ZUSPIELEN. DER GRÖSSTE REGGAEMUSIKER ALLER ZEITEN LIEBTE DEN FUSSBALL SO SEHR, DASS ER GERNE PROFI GEWORDEN WÄRE VON CHÉRIF GHEMMOUR, FOTOS CORBIS, CONTACT PRESS IMAGES

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rrund0407_102_105_ReportBobMund0407_102_105_ReportBobM 102102 008.03.20078.03.2007 10:51:4510:51:45 UhrUhr SPIELKULTUR Bobfoot

„JAH KOMMT AUF DICH ZU WIE PELÉ“

Spieler und Raucher: Rastaman Marley

besondere zu Tostão, dem genialen Spielgestalter der Seleção, der wahr- scheinlich besten Fußballelf aller Zeiten, fühlt der Songwriter eine Seelenverwandtschaft. 1971 haben die Wailers ihren ersten Nummer-eins-Hit in Jamaika, und Marley lernt den besten Fußballer des Landes Alan „Skill“ Cole kennen, der mit Pelé beim FC Santos zusammengespielt hatte. Marley Es war ein unglückliches Tackling, bei dem sich Bob Marley am rech- und Cole werden unzertrennliche Freunde. Der Exfußballer übernimmt ten Fuß verletzte. Humpelnd verließ er das Feld. „Ich war dabei, als es das Amt des Managers der Wailers und produziert anschließend sogar passierte“, erinnert sich Tyrone Downie, der geniale Keyboarder der einige ihrer Alben. Er coacht die Band fast wie ein Fußballtrainer und Wailers fast 30 Jahre später. „Aber ob diese Verletzung letztlich seinen schickt sie vor jeder Tour ins Trainingslager. Bis zu Marleys Tod im Krebstod ausgelöst hat, darüber kann ich nichts sagen. Man hat uns Jahre 1981 geht das so: aufstehen im Morgengrauen, einstündige Strand- immer alles verschwiegen, was seine Krankheit betraf.“ Das Spiel der läufe und anschließend intensives Fußballtraining. Zu trinken gibt es Musiker gegen eine Auswahl von Journalisten in Paris lief weiter. Der Irish Moss, ein Cocktail aus Algen, Körnern, Leinsamen und Milch. herbeigerufene französische Arzt versorgte den großen Zeh, an dem der Nagel abgerissen war, und verordnete Ruhe. Aber Marley wollte Marley spielte hart, er wollte seine Gegenspieler hinken sehen seine Europatournee nicht absagen, denn sein Album „Exodus“ klet- terte gerade in den Charts nach oben. Bob Marley ging wieder auf die Wie gut war Marley auf dem Platz? Sein Kumpel Desmond Smith Bühne und auf den Platz – mit einem dicken Verband um den Fuß. erinnert sich: „Bob spielte gut, aber hart. Er wollte seinen Gegenspie- Bob Marley ist seit seiner Kindheit ein begeisterter Fußballer, als er ler nach dem Schlusspfi ff hinken sehen, und er wusste auch, wie man im Alter von zwölf Jahren zu seiner Mutter nach Kingston zieht. Der das anstellt.“ Wie ein „Tiger, der aus dem Käfi g gelassen wird“, habe er kleine Nesta, so sein erster Vorname, spielt manchmal bis zehn Uhr auf dem Feld so lange gespielt, bis alle anderen vor Erschöpfung am nachts. Seine Mutter Cedella bestraft ihn mit Ohrfeigen, aber das ist liebsten geweint hätten. ihrem einzigen Sohn egal. Denn das Einzelkind liebt den Mannschafts- 1972 veröffentlichen die Wailers ihr erstes Album auf dem jungen sport, sein ganzes Leben lang hält er seinen alten Kumpels aus dem Island-Label und beginnen, in England Konzerte zu spielen. Wann im- Ghetto Trenchtown die Treue. mer es geht, schauen sie Fußball im Fernsehen, und Bob Marley lernt Anfang der 60er beginnt die Karriere des erfolgreichsten Reggae- auch die Spielweise deutscher Mannschaften schätzen. „Auch wenn musikers aller Zeiten. Marley gründet gemeinsam mit Peter Tosh und er den südamerikanischen Fußball bevorzugte, mochte er auch den Bunny Livingstone die Wailers, die rasch zu lokalen Stars in Jamaika niederländischen und den deutschen Fußball“, bestätigt Tyrone Dow- werden. Wenn Marley keine Musik macht, spielt er Fußball. Das än- nie. Als Tosh und Livingstone die Wailers im WM-Jahr 1974 verlassen, dert sich auch nicht, als er Ende der 60er den Rastafari-Glauben an- bleibt Marley alleine zurück, und Eric Clapton sahnt mit seiner Co- nimmt. Später erklärt er in einer überraschenden Einfachheit, warum verversion von „I Shot The Sheriff“ den eigentlich dem Jamaikaner ge- er nun den Rastafari-Gott Jah anbetet. „Jah kommt auf dich zu wie Pe- bührenden Welterfolg ab. lé. Er spielt mit dir. Hast du Pelé schon mal dribbeln gesehen?“ Der Doch dann geht es Schlag auf Schlag, Marley geht auf US-Tour und Vergleich mit dem brasilianischen Superstar ist kein Zufall, Pelé ist wird mit dem Song „No Woman No Cry“ zum ersten Megastar aus der das Sportidol des Reggaestars, der die Weltmeistermannschaft von 1970 Dritten Welt. Er trägt Rastalocken und Trainingsanzüge von Adidas, bewundert. „Für mich ist Fußball Brasilien, Tostão und Rivelino!“ Ins- während sich die Rockstars der Epoche möglichst glamourös und

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rrund0407_102_105_ReportBobMund0407_102_105_ReportBobM 103103 008.03.20078.03.2007 10:51:5110:51:51 UhrUhr SPIELKULTUR Bobfoot

MARLEY BRICHT BEIM KICK IM CENTRAL PARK ZUSAMMEN

Positive vibration: Marley geht steil

teuer kleiden. Bob Marley und die Wailers beginnen die Stadien auf der ganzen Welt zu füllen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit spie- len sie Fußball: auf Parkplätzen, in den Konzerthallen vor dem Sound- check und manchmal, bei schlechtem Wetter, tragen sie alle Möbel aus einem Hotelzimmer, um „indoor“ zu spielen. „Wir haben immer trainiert, sogar vor den Konzerten, weil Bob sich gerne aufwärmte und auf der Bühne schon schwitzte“, sagt Smith. siker, der ich heute geworden bin. Wenn ich nicht Musiker geworden wäre, wäre ich ein Fußballstar geworden. Oder ein Revolutionär!“ Marley weiß, dass er sehr krank ist. Angeblich hatte eine Die Wailers sind inzwischen zu acht, gemeinsam mit den Chorsän- Verletzung, die er sich beim Fußball zuzog, Hautkrebs ausgelöst gerinnen I-Threes stehen sie in Mannschaftsstärke auf der Bühne. Das Video zu „Could You Be Loved“ zeigt Marley mit dem Mikro in der Während der WM 1978 verschiebt Marley Pressekonferenzen, um Hand und in Stollenschuhen. Auf der anschließenden Europatournee nur kein Spiel im Fernsehen zu verpassen, beim Weltmeister Argen- trifft er auch Fußballstars: In Hamburg schenkt ihm Kevin Keegan bei tinien bewundert er Ricardo Villa und Osvaldo Ardiles, der ihn an einem solchen Treffen sein HSV-Trikot. Bei diesen Gelegenheiten er- Tostão erinnert. Als die beiden Argentinier zwei Jahre später bei Tot- klärt er häufi g, wie viel ihm das Spiel bedeutet: „Was mir am Fußball tenham spielen, wird Marley Fan der Spurs. Der Erwartungsdruck von gefällt, ist, dass man seiner Phantasie freien Lauf lassen kann. Für mich Fans und Medien an den neuen Superstar nimmt unterdessen immer hat der Fußball seine Berechtigung in dem Gefühl von Freiheit und weiter zu, für seine US-Tour muss das Album „Survival“ rechtzeitig Kreativität, das er hervorruft. Keine Kraft der Welt könnte mich dar- fertig werden. Der Ballsport wird für Bob Marley zum Mittel, um sich an hindern, ein Spiel zu machen!“ von der Musik abzulenken. Zu diesem Zeitpunkt weiß Marley bereits, dass er sehr krank ist, an- Bei den Spielen stehen nun auch Journalisten aus der ganzen Welt geblich hatte die Fußverletzung Hautkrebs ausgelöst. Im September mit auf dem Platz, die den Star umlagern und verblüfft sind, wie gut bricht er beim Kicken im New Yorker Central Park zusammen. Die er mit dem Ball umgehen kann. Marley spielt gegen den ausdrückli- Ärzte fi nden einen Gehirntumor, im Oktober stellen sie fest, dass auch chen Rat der Ärzte weiter, die ihm empfehlen den vernarbten Zeh Lunge und Magen vom Krebs befallen sind. Die Ärzte geben ihm noch nicht zu belasten. Im März 1980 fährt er mit zwei Freunden nach Bra- drei Wochen zu Leben, aber Marley kämpft gegen die Krankheit an. silien, um eine Südamerikatournee vorzubereiten. Bei einem Fünf-ge- Er unterzieht sich einer Therapie beim äußerst umstrittenen Dr. Josef gen-fünf-Turnier führt der Jamaikaner sein Team zum Sieg. Der Mit- Issels in Bayern. Am 7. Februar 1981, seinem 36. Geburtstag, besuchen reisende Junior Marvin urteilt: „Ich glaube, dass Bob am liebsten ein ihn dort Teile der Wailers. Sie sehen mit ihm ein Video von Pelé. Am Fußballer geworden wäre. Mehr als alles andere, auch mehr als Musi- 11. Mai stirbt Bob Marley. Zu dieser Zeit war eigentlich geplant, dass ker.“ Marley hat das indirekt bestätigt: „Es hätte mich unendlich mehr er zum ersten Mal im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro auftreten Zeit gekostet, ein erstklassiger Fußballer zu werden. Mehr als der Mu- sollte. Aber Jah hatte anders entschieden.

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rrund0407_102_105_ReportBobMund0407_102_105_ReportBobM 104104 008.03.20078.03.2007 10:51:5310:51:53 UhrUhr Rasenverbunden: Kicker Bob Marley gönnt sich eine Auszeit

„FUSSBALL IST FREIHEIT“

Paris, Prinzenpark: Marleys Frau Rita

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rrund0407_102_105_ReportBobMund0407_102_105_ReportBobM 105105 008.03.20078.03.2007 10:52:0110:52:01 UhrUhr SPIELKULTUR Lebende Legende

„IN MIR LEBT EIN JAPANER“ ARSÈNE WENGER ist seit zehn Jahren einer der erfolgreichsten Trainer der Welt. Im Interview verrät der 57-jährige Franzose von Arsenal London, dass seine Begeisterung für den taktischen Fußball im Restaurant seiner Eltern im Elsass begann, wie er fast beim FC Bayern gelandet wäre und was er über den Tod und Politiker denkt

Herr Wenger, wie sind Sie eigentlich zu Seinerzeit trafen wir uns gelegentlich an der Côte d’Azur. Ich war Trainer bei Monaco, und er Arsenal gekommen? Wann haben Sie David hatte ein Schiff, die „Take It Easy“. Und wenn ihm der Sinn nach take it easy stand, kam er an Dein, den Vizepräsident von Arsenal und die Côte d’Azur, wo wir uns trafen, zusammen aßen, ohne jemals über Bestimmtes zu reden. denjenigen, der Sie nach England holte, War Arsenal für Sie der passende englische Klub? kennen gelernt? Ich weiß es nicht, aber es war der Verein, den ich brauchte, als ich hierher kam. Kompro- ARSENE WENGER Das war 1988, eher zu- misse in der Freiheit meiner Arbeit kamen nicht mehr in Frage. Hier bin ich Herr meiner Ent- fällig. Ich schaute mir am 1. Januar ein Arse- scheidungen. Gleichzeitig brauchte es eine gewisse Reife, um dem Druck standzuhalten. Ich nal-Spiel in Highbury an. Danach standen wir war 47 und hatte wahrscheinlich genug Widerstandskraft, um das alles auf mich zu nehmen; uns plötzlich gegenüber, und er lud mich ein. zehn Jahre früher wäre dies vielleicht noch nicht der Fall gewesen.

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rrund0407_106_109_IntWenger_Nund0407_106_109_IntWenger_N Abs2:106Abs2:106 008.03.20078.03.2007 10:58:3510:58:35 UhrUhr SPIELKULTUR Lebende Legende

INTERVIEW RICO RIZZITELLI, ILLUSTRATION ESKÅH, FOTOS GETTY IMAGES, IMAGO, PIXATHLON „ICH HABE LANGE

Sie haben gegenwärtig eine unglaublich GELEBT, OHNE ZU junge und talentierte Mannschaft und Sie verfügen über ein neues Stadion. Werden Sie in zehn Jahren noch hier sein? SPÜREN, WIE DIE Ich argumentiere anders. Ich denke, den Klub wird es auch in zehn Jahren noch geben, mich aber nicht. Ich muss mich damit abfi nden, dass ZEIT VERGEHT“ ich in zehn Jahren 67 Jahre alt sein werde. Dies ist ein Job, der eine instinktive, physische Kraft verlangt, die animalische Kraft des Willens siegreich zu sein. Das muss ganz tief in einem War das Restaurant Ihrer Eltern ein grundlegendes Element Ihrer abgrundtiefen Leidenschaft drinstecken. Aber mit dem Versickern des Tes- für den Fußball? tosterons, mit Arthritis und Arthrose, mit dem Davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich glaube, dass alle Leidenschaften in der Kindheit ent- Altern kann sie verschwinden. stehen, manchmal durch Ablehnung, manchmal aus Trotz, manchmal aus Begeisterung. Bei Kann ein Trainer von seinen Spielern zu viel mir war es die Begeisterung, denn im Restaurant meines Dorfes gab es ein Komitee, das die verlangen? Mannschaft für das Sonntagsspiel bestimmte. Donnerstagabends wurde im Restaurant die Auf- Die Befriedigung eines Trainers besteht dar- stellung bekannt gegeben. Da musste ich dann denken: „Mensch, sie haben den genommen in, auf die Spieler zuzugehen und das Maxi- statt jenen, und der wird den linken Läufer spielen.“ Es ist schon merkwürdig, nicht wenige mum aus ihnen herauszuholen, den Spielern Trainer sind in Restaurants aufgewachsen. die Gewissheit zu geben, dass sie mit ihren vor- Wovor haben Sie Angst? Vor dem Rückzug ins Privatleben, vor dem Tod? handenen Möglichkeiten etwas Beachtliches Das ist eine Sache, die mich andauernd beschäftigt. Vielleicht habe ich lange gelebt, ohne zu erreicht haben. Die Schwierigkeit in unserem spüren, wie die Zeit vergeht. Hat man die 50 erreicht, wird einem bewusst, dass man den Gip- Beruf ist es, präzise den eigenen Wert zu er- fel überschritten hat. Man macht plötzlich die schmerzhafte Entdeckung, dass die Zeit, die kennen. Du kannst Meister sein und sagst dir, einem noch bleibt, knapper wird. Dann fragt man sich, wie man die verbleibende Zeit nutzen dass ein anderer Trainer es ebenso gut, wenn soll. Was mich aber in meinem Leben wirklich antreibt, ist der Gedanke, dass ich morgen bes- nicht besser hätte machen können. Meine in ser sein werde als heute. dieser Hinsicht größte Befriedigung war, dass Für Ihre Angehörigen muss es schwer sein, mit Ihrer Besessenheit für Ihre Arbeit zu leben. ich 2003/04 nicht ein Spiel verloren habe. Aber Es ist eine Tätigkeit für Leidenschaftliche, und das bedeutet, egoistisch zu sein. Darunter lei- vielleicht hat der Kerl, der in der gleichen Sai- det mit Sicherheit die Umgebung. Solange man jünger ist, hat man weniger Abstand zu dem, son seine Mannschaft vor dem Abstieg bewahrt was man macht, wie man lebt, und der Aufprall gegen die Mauer erwischt dich voll. Als Trai- hat, größere Verdienste als ich erworben. An- ner bewegt man sich mental niemals im Mittelfeld. Entweder du bist ganz oben oder ganz un- dererseits, keine Niederlage – es ist schon recht ten. Man muss sich das Wissen aneignen, Enttäuschungen verarbeiten zu können, ohne die schwierig, es besser zu machen. Hingabe aufzugeben. Das ist zweifellos die Bedingung, um als Trainer zu überleben. Jede Nie- Was ist die Grundlage Ihrer Beziehung zu derlage ähnelt einer enttäuschten Liebe. Wirst du fähig sein, erneut zu lieben? Seit eineinhalb Ihren Spielern? Monaten spielen wir jeden dritten Tag. Du kommst aus einem Spiel und denkst an das nächs- Der Respekt und der Glaube an den Ande- te. Wenn du es im Leben eines Trainers etwas laufen lässt, dann ziehen sie dir am Samstag den ren. Die Aufgabe eines Trainers besteht dar- Scheitel nach. Jeden dritten Tag absolvierst du als Trainer eine Prüfung, und alle Welt spielt in, seinen Jungs zu sagen: „Mein Schicksal liegt sich zum Richter auf. Was meine familiäre Existenz betrifft, sie ist wirklich nicht einfach. Mei- in euren Händen, ich glaube an euch.“ Es ist ne Familie lebt autark, ich mische mich von Zeit zu Zeit ein, aber meine Tätigkeit frisst mir einfach eine Sache des Vertrauens. Wenn man 90 Prozent meiner Tage. eine Gemeinschaft bildet, braucht man dafür Vor einigen Monaten hatten Sie an der Seitenlinie ein körperliche Auseinandersetzung mit eine Leitlinie, aber was der Trainer daraufhin Alan Pardew, dem damaligen Trainer von West Ham United, weil der sich so übertrieben über sagt, ist nicht so wichtig. Was zählt ist, was auf ein Siegtor in letzter Minute gefreut hat. War das das Ende des Japaners, der angeblich in Ihnen der anderen Seite passiert. Gewinnen die Spie- schlummert? ler den Eindruck, dass sie für ihre eigenen Ja, es stimmt schon, es ist der Japaner in mir, insofern es ein Japaner als unehrenhaft emp- Ideen spielen und kämpfen, dann sind wir auch fi ndet, sollte jemand meinen, er habe nicht sein Bestes gegeben. Außerdem kontrolliere ich in der Lage, Berge zu versetzen. meine Gefühle ein wenig wie ein Japaner. Es gibt noch andere Facetten, die mir gefallen,

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rrund0407_106_109_IntWenger_Nund0407_106_109_IntWenger_N Abs2:107Abs2:107 008.03.20078.03.2007 10:58:4010:58:40 UhrUhr SPIELKULTUR Lebende Legende

zum Beispiel Sumo. Dabei gibt es kein Unent- schieden, nur einen Gewinner und einen Ver- lierer. Ersterer zeigt, aus Achtung gegenüber dem Unterlegenen, niemals seine Freude über den Sieg. Hier dagegen springt dir der Typ ins Gesicht. Japan hat mich unter anderem auch das gelehrt: „Sei bescheiden im Sieg, unter- ball groß geworden, der damals Europa dominierte, mit Bayern München und den drei lass es, den Verlierer noch zu demütigen.“ Aber Europapokalsiegen, mit dem Fußball von Borussia Mönchengladbach. Ich litt, denn jedes Mal der Streit mit Alan Pardew war dennoch nicht wenn die Deutschen auf die Franzosen trafen, verloren wir. Im Elsass wurden wir nach dem das Ende des Japaners, der offensichtlich in Krieg zu einer unversöhnlichen Haltung Deutschen gegenüber erzogen. Ich wollte, dass Frank- mir lebt, das können Sie mir glauben. reich gewinnt. Inzwischen bin ich klüger. In gewisser Weise verkörpern Sie aber auch Verfolgen Sie die politischen Prozesse? den europäischen Bürger. Die französische Politik verfolge ich sehr genau. Einerseits ein wenig als intellektuelles Spiel, Und es hat mich unglaublich schockiert, dass ein wenig aber auch aus Überzeugung, selbst wenn heute das politische Schicksal eines Landes Frankreich gegen die europäische Verfassung nicht mehr so sehr von der Persönlichkeit des einen oder anderen Lagers abhängt. Gleichzei- votiert. Das Elsass hat mir den Geschmack Eu- tig fi nde ich es interessant, weil die wichtigen Politiker die Mentalität von Wettkämpfern ha- ropas vermittelt. Nach dem Krieg wuchs ich ben. Wenn Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy an der Spitze ihrer jeweiligen Partei stehen, in einem Hass auf Deutschland auf, aber als dann, weil sie den Appetit von Hochleistungsathleten haben. In diesem Sinne fi nde ich den ich die Brücke bei Kehl überqueren konnte, Wahlkampf wirklich interessant. stellte ich fest, dass die Menschen auf der an- Und in England, verfolgen Sie dort die Politik? deren Seite des Rheins sich von mir überhaupt In England interessiert sie mich weniger, da ich Franzose bin, aber ich beobachte sie ein biss- nicht unterschieden. chen, denn ich kenne Blair. Ich bewundere seinen politischen Mut. Man kann ihn kritisieren, Später wären Sie als Trainer fast in Deutsch- aber das ist ein Bursche, der jedenfalls nicht kneift. Hat er die richtige Entscheidung für den land gelandet. Irak getroffen? Ich tendiere dazu, nein zu sagen. Aber er verantwortet sie. Ja, ich wäre beinahe dorthin gegangen, ins- Ist er ein Anhänger von Arsenal? besondere zum FC Bayern. Ich kannte Deutsch- Nein, er unterstützt die Magpies von Newcastle. land. Ich war zum Teil mit dem deutschen Fuß- Wie ist Ihr Verhältnis zum Geld? Ich verdiene enorm viel Geld. Ich habe aber kein besonderes Verhältnis dazu, denn ich hab mich niemals wirklich damit beschäftigt. Das einzige, was ich dem Geld zugute halte ist, dass es eine Form von Sicherheit dar- stellt. Der Zufall wollte, dass ich die fi nanzielle Explosion dieses Spiels be- gleitet und davon profi tiert habe. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal so genau, was ich im Moment verdiene, denn das hängt von den Ergebnis- sen ab, von möglichen Trophäen, davon, ob wir das Finale in der Cham- pions League erreichen und ähnlichem. Aber auch wenn dies nicht so ge- kommen wäre, wäre ich heute derselbe Trainer. Steht Ihre Karriere also auch für die Entwicklung des modernen Fußballs? Die Menschen lieben den Fußball und ihren Verein, beides ist miteinan- der verzahnt; heute jedoch befi ndet sich beispielsweise der britische Fuß- ball in einem tief greifenden Wandel. Bisher wuchsen die Menschen an der Nuckelfl asche des Klubs auf, und waren sie später in ihrem berufl ichen und gesellschaftlichen Leben erfolgreich, dann kauften sie ihren Verein. Früher wurden Anhänger die Besitzer, heute gehören Chelsea, Manches- ter, Aston Villa, Portsmouth Investoren. Es handelt sich um einen grund- sätzlichen Bruch mit der Tradition des britischen Fußballs. Aber da es in England möglich ist, Gewinne zu machen, sich zu kapitalisieren, sind sol- che Entwicklungen wohl unvermeidlich. Sie sind sehr widersprüchlich, zugleich menschenfreundlich und sehr libe- ral. Zum Beispiel verteidigen Sie gewisse sehr liberale Ideen der G14. Hier gelten die Regeln des Wettkampfs. In der Elite kämpfen die besten gegen die besten. Das macht die Schönheit des Spektakels aus. Wer 50 Pfund für ein Fußballspiel bezahlt, dem muss man die bestmögliche Vor- stellung bieten, denn er ist nicht gekommen, um sich zu langweilen. In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Worin wohl besteht der Nutzen ei- „Ich verdiene enorm“: Arsène Wenger ner Nationalmannschaft?

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rrund0407_106_109_IntWenger_Nund0407_106_109_IntWenger_N Abs2:108Abs2:108 008.03.20078.03.2007 10:58:4110:58:41 UhrUhr SPIELKULTUR Lebende Legende

Bitte erklären Sie es uns. Nehmen wir als Beispiel einen Verein wie Arsenal: 60 Prozent der Gehaltsmasse sind für die Spieler bestimmt. Doch heutzutage verbrin- gen unsere besten Spieler eine ziemlich lange Zeit bei ihrer jeweiligen Nationalelf, werden aber für das ganze Jahr bezahlt, als ob nichts wäre. Das Interesse für den Wettkampf von Nationalmannschaften ist entwe- der Spitzenfußball zu bieten, den man in den Klubs nicht sieht, oder weil es dem Nationalismus schmeichelt. Für mich existiert der erstgenannte Grund in 90 Prozent aller Fälle einfach nicht. Es tut mir leid, aber wenn Frankreich gegen die Färöer-Inseln spielt, sehe ich nicht, was da fußballe- risch von Interesse ist. Qualifi kationswettbewerbe sind obligatorisch; sie sind Teil der großen Wett- kämpfe und die kleinen Nationen brauchen sie auch, um Fortschritte zu machen. Ja, aber gerade diese Spiele machen 90 Prozent eines Wettkampfes aus. Was genau deuten Sie da an? Was ich damit sagen will, ist, dass ein rein fußballerisches Interesse schlicht und einfach begrenzt ist. Die Endrundenspiele sind zuneh- mend unausgewogen. Wenn die Weltmeisterschaft mit 32 Mann- schaften, die Europameisterschaft mit 24 stattfi ndet, kann man nicht sagen, dass damit die Spiele qualitativ besser und interessanter wer- den. Sie sollen trotzdem nicht meinen, dass ich gegen internationale Wettkämpfe bin, denn diese schaffen trotz allem heutzutage größte Aufmerksamkeit und Publikum. Man sollte diese Wettkämpfe nur ein- mal überdenken. IM NETZ Mehr von Arsène Wenger lesen Sie unter www.rund-magazin.de

„WM UND EM SOLLTE MAN ÜBERDENKEN“

Kein Mittelmaß: Wenger braucht Extreme

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rrund0407_106_109_IntWenger_Nund0407_106_109_IntWenger_N Abs2:109Abs2:109 008.03.20078.03.2007 10:58:4210:58:42 UhrUhr SPIELKULTUR Bücher

IM RUND-BÜCHERREGAL Er war der beste Mittelstürmer seiner Zeit. Man nannte ihn den Papierenen, weil er schmächtig war und so körperlos spielte wie keiner vor ihm. Die Erinnerung machte aus ihm einen Helden, der er nicht war. Zeit, mit einigen Legenden über Matthias Sindelar

respektvoll aufzuräumen FOTOS KLEEFELD

LEGENDE Meister UI-Cup Platz 15

DER URAHN GÜNTER NETZERS

Was ist nicht alles in diesen Mann hineinpro- Sindelar sei Jude gewesen. Das war allenfalls damaligen Wiens. Und verschweigt nicht, was jiziert worden. Für die Österreicher war der seine Freundin Camilla Castagnola, die am 23. die Legenden gerne übersahen: die „Arisie- Wiener Fußballspieler Matthias Sindelar (1903- Januar 1939 tot neben seiner Leiche gefunden rung“ eines Kaffeehauses, Sindelars politische 1939) ein Nationalheiliger, der das Österreich wurde. Todesursache: Kohlenmonoxyd-Vergif- Unbedarftheit, seine großen Probleme mit vor dem Zweiten Weltkrieg perfekt mit dem tung, schadhafter Ofen. einem Leben nach dem Fußball. danach zu verbinden schien. Als er in Deutsch- Da kommt ein „Im Inneren der Haut. Matthi- Manche Manieriertheit befremdet, wie be- land entdeckt wurde, geriet Matthias Sinde- as Sindelar und sein papierenes Fußballerle- reits in Weisgrams ähnlich angelegtem Buch lar zum Urahn Günter Netzers. War sein kör- ben“ von Wolfgang Weisgram gerade recht. Der über den Wunderteam-Trainer Hugo Meisl. Ein perloses, elegantes Spiel nicht der willkommene Autor lässt Sindelar am letzten Tag seines Le- Verzeichnis der benutzen Quellen wäre auch Gegenentwurf zum deutschen Kraftfußball un- bens als Simplicissimus durch Wien schlen- nicht übel gewesen. Trotzdem kommt dieser ter Otto Nerz, Sepp Herberger und überhaupt? dern, unterbrochen von kunstvoll eingescho- mit den Mitteln der Fiktion geschriebene, bio- Und bedeutete Sindelars Rückzug aus der benen Rückblenden, die eben dieses Leben grafi sche Roman der historischen Gestalt Mat- deutsch-österreichischen Vereinigungself 1938 nacherzählen. Das karge Leben im tschechisch thias Sindelar näher als so manche Wunsch- nicht ein unerhör tes politisches Statement? und slovakisch geprägten Viertel Favoriten, biografi e. MALTE OBERSCHELP Sinderlars Tod, in einem wunderschönen der Transfer zur Austria, Mitropa-Cup, die Er- Wolfgang Weisgram Im Inneren der Haut. Nachruf von Friedrich Torberg zum Freitod folge des österreichischen Wunderteams – Matthias Sindelar und sein papierenes umgedichtet, befeuerte beider Länder Legen- Weisgram bettet die sportliche Vita Sindelars Fußballerleben. Ein biographischer Roman denbildung. Irgendwann war sogar zu lesen, in ein lebendiges, detailliertes Panoptikum des Egon Theiner Verlag 393 Seiten 24,20 €

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rrund0407_110_113_Buecher_Im_Nund0407_110_113_Buecher_Im_N 110110 008.03.20078.03.2007 23:24:0123:24:01 UhrUhr SPIELKULTUR Bücher

DER BESTE ORT, UM DIE ELF SÖHNE DIE LIEBEVOLLE ERWÄHNUNG BRATWÜRSTE ZU ESSEN DES KLAPPERZAHN ALLER SPITZNAMEN

Fußballstadien sind Sportstätten, Touristen- Fußballbücher gibt es viel zu viele, nur we- Was macht eigentlich Hardy Grüne den gan- magneten, Erkennungszeichen und die bes- nige davon schaffen es in das Stadium der Un- zen Tag? Buch um Buch veröffentlicht Deutsch- ten Orte, um Bratwürste zu essen. Die Macher sterblichkeit. Eduard Bass’ „Klapperzahns lands Fußballstatistiker Nummer eins. Beim beim Daab-Verlag haben einen Fotoband mit Wunderelf“ ist eines davon. 1922 zuerst in der „Spielerlexikon 1890-1963“ war er vor allem den imposantesten Stadien der Welt erstellt. Tschechoslowakei erschienen, hat diese Erzäh- für die Daten zuständig, während Lorenz Knie- lung für kleine und große Jungen bis heute ih- riem für die kurzen Biografi en verantwortlich ren außergewöhnlichen Reiz und Charme be- zeichnet. Wer aber interessiert sich wirklich wahrt. Die Geschichte des armen Klapperzahn, für 12.000 Kurzlebensläufe von Spielern? Man der aus seinen elf Söhnen die weltbeste Fuß- ballmannschaft formt, die unglaubliche Aben- teuer zu bestehen hat auf den Fußballplätzen und den Wegen dorthin, ist ein Buch für Kin- der und Erwachsene. Es ist eine Liebeserklä- rung an den Fußball, ein Märchen und ein Zeit- roman, der durchaus auch die Entwicklung des Profi fußballs in Europa hinterfragt. Das Um- schlagbild stammt übrigens vom Prager Wal- ter Trier, der einige Jahre später als Illustrator der Kinderbücher von Erich Kästner weltbe- rühmt wurde. Für die Zeichnungen im Buch sorgte der tschechische Kubist Josef Capek.ˇ Zweimal, 1935 und 1958, wurde „Klapperzahns

26 Architekturbüros zeigen 32 Stadien. Wer Seite für Seite durchblättert, stoppt garantiert beim Anblick der ausländischen Arenen. Wie eine riesige Hängematte verbindet das Dach suche sich irgendeine, sagen wir die Meisterelf des in portugiesischen Fels gemeißelten Sta- des VfB Stuttgart von 1950 aus, schlage ein dions in Braga die beiden Zuschauertribünen. paar der Kicker nach und freue sich über die Das Niigata Stadion aus Tokio, das eigentlich anekdotengeschmückten Charakterisierungen. den netten Beinamen „großer Schwan“ trägt, Wer erinnert sich noch an den Torhüter Otto zeigt sich als fette Auster, die vor dem Pazi- „Gummi“ Schmid – die liebevolle Erwähnung fi schen Ozean ruht. Auch zehn deutsche mo- aller Spitznamen ist ein Extravergnügen –, der derne Kampftempel haben es in die Kunstaus- gefeiert wurde mit den Worten „d’r Gummi- wahl geschafft. Doch direkt im Anschluss an Schmid, d’r Gummi-Schmid hält besser noch den Olympic Velodrome in Athen kommt die als Glaserkitt“? Oder an Erich Retter, der 1954 AWD-Arena von Hannover 96 nicht ganz so Weltmeister hätte werden müssen, hätte er chic weg. Uli Hoeneß’ Stolz, die Münchner nicht kurz vor der WM einen Meniskusriss erlit- Allianz Arena, sticht hingegen als futuristische ten? Und natürlich der große Robert Schlienz, Riesenschüssel derart hervor, dass sie sogar der einzige einarmige Nationalspieler. Plötz- den Titel des Fotobandes schmückt. Interes- Wunderelf“ ins Deutsche übersetzt, die Män- lich ergeben die Querverweise ein Bild des sant zudem, wie nah im VIP-Bereich des Dort- gel waren wohl so gravierend, dass sich noch deutschen Fußballs vor der Bundesliga. Sicher munder Westfalenstadions Bierzapfhahn und einmal die Übersetzer an Eduard Bass’ Origi- ist die Quellenlage manchmal genauso frag- errungene Meisterschalen beieinander liegen. nal zu schaffen machten. Dieser zauberhafte würdig wie die Zäsur 1963, vor allem wenn Letztlich ein Buch, das nicht jeden Stadion- Lesestoff hat auf jeden Fall die bestmögliche man es vom Spielbetrieb der DDR aus betrach- Wurstesser begeistern wird, architekturinte- Bearbeitung verdient. So werden Klapperzahn tet. Aber zum Glück ist ein zweiter Band für ressierte Fußballfans aber allemal. und sein Wunderteam ewig weiterleben. die Zeit bis heute bereits in Planung. STEFFEN DOBBERT RAINER SCHÄFER EBERHARD SPOHD Stadium Design Daab Verlag Eduard Bass Klapperzahns Wunderelf Hardy Grüne, Lorenz Knieriem Spielerlexikon 399 Seiten 24,95 € Arco Verlag 170 Seiten 16 € 1890-1963 Agon 437 Seiten 34 €

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rrund0407_110_113_Buecher_Im_Nund0407_110_113_Buecher_Im_N 111111 008.03.20078.03.2007 23:24:0323:24:03 UhrUhr SPIELKULTUR Kino

IM RUND-KINO Fußball ist Mediensport. Doch wie sehen Menschen die großen Ereignisse aus der Welt des Fußballs, wenn sie keinen einfachen Zugang zum Fernsehen haben? „Das größte Spiel der Welt“ gibt die

Antwort auf der Kinoleinwand VON RENÉ MARTENS

Wenn die Rede von der globalen Informationsgesellschaft oder den neuen Märkten ist, die die europäischen Fußball- klubs im Visier haben, gerät gern aus dem Blick, dass Millio- nen von Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika be- grenzten Zugang zu Medien haben. Wie kommt der Mediensport bei denen an, die am Rand des globalen Fußballmarkts leben? Welches Bild haben sie von den Protagonisten des Spiels? Gerardo Olivares hat sich von diesem Thema zu einer leicht- „Denkt an Stalingrad!“: Brasilien-Fans in der Mongolei füßigen Komödie inspirieren lassen: Der spanische Regisseur erzählt in drei parallel verlaufenden Episoden, wie Menschen aus äußerst abgelegenen Weltregionen versuchen, das End- spiel der WM 2002 zwischen Brasilien und Deutschland am TV-TIPPS Bildschirm zu verfolgen. » » » » » » » » » » » » Olivares hat „Das größte Spiel der Welt“ in Gegenden ge- „ALS DER FUSSBALL NACH dreht, in denen sonst keine Spielfilme produziert werden: Die Geschichte beginnt in der ei- RUSSLAND KAM“ sigen Steppe der Mongolei, wo Nomaden Füchse jagen. Die anderen Schauplätze: der Dschun- Toller russischer Spielfi lm über zwei Brü- der, die 1914 einen Fußballplatz kaufen gel des brasilianischen Amazonasgebiets sowie die Wüste des Niger. Um eine gewisse und Profi s werden wollen. Leider machen Authentizität zu gewährleisten, hat Olivares – der, wie man den Landschaftsaufnahmen an- Gangster, der Erste Weltkrieg und eine merkt, sonst Naturdokus dreht – Laiendarsteller aus den jeweiligen Regionen rekrutiert. Frau ihnen einen Strich durch die Rech- nung. Regisseur: Aleksej German junior. Die meisten Protagonisten wissen nicht, ob sie rechtzeitig einen Ort erreichen, an dem sie Dienstag, 3. April, 3sat, 22.45 Uhr TV-Bilder empfangen können. Hinzu kommen technische Probleme: Die brasilianischen In- » » » » » » » » » » » » dianer geraten in Panik, weil ein Mädchen das Kabel der Satellitenschüssel als Kopfschmuck „ABSEITS“ zweckentfremdet hat. Den Wettlauf mit der Zeit verknüpft Olivares mit ironischen Anspie- „Tatort“-Folge mit Kommissar Ehrlicher: lungen auf Themen der großen weiten Fußballwelt, Merchandising oder Spielerhandel. Als Diesmal muss er den Mord an der Perso- nalleiterin des Leipziger Zentralstadions die Amazonasindianer einen Affen jagen, ahmt einer einen Reporter nach, so wie es Kinder aufklären. Natürlich gibt es mehr Verdäch- überall tun, wenn sie Fußball spielen („Cafu dribbelt, Ronaldo schießt“). Doch wie der Schuss tige als ein Fußballteam Spieler hat, des Stars in der imaginären Reportage misslingt auch die Blasrohrattacke. Man kann die Se- und am Ende war es doch jemand anders. Freitag, 6. April, ARD, 21.40 Uhr quenz verstehen als augenzwinkernde Referenz an den Verhaltensforscher Desmond Morris, » » » » » » » » » » » » der den Fußball als Analogie „zur archaischen Jagd- und Stammesgesellschaft“ sieht. „AN EINEM SOMMERTAG“ Amüsant ist das Deutschlandbild der Filmfiguren. „Deutschland hat sich in der Geschich- Feiner französischer Fernsehfi lm, der mit te immer wieder erholt“, sagt ein mongolischer Leutnant, der sich das Finale mit den Noma- einem tragischen Fußballspiel beginnt: Ein den anschaut, nach dem 1:0 der Brasilianer. Ein vermeintlich Verrückter aus der Nomaden- Tor fällt um und tötet Mickaël. Sein Kum- pel Sébastien weiß nicht weiter, der Maire familie, der stets schweigt, entgegnet altklug: „Deutschland verliert, denkt an Stalingrad.“ macht sich Vorwürfe, die Mutter ist Als das Ende des Spiels naht, geht dem Regisseur leider die Puste aus. Der Film plätschert am Ende. Doch Rettung naht von oben. Freitag, 13. April, Arte, 20.40 Uhr dem Abspann entgegen, eine überraschende Volte hätte hier gutgetan. Mancher deutsche Ki- nozuschauer wird zu diesem Zeitpunkt noch ein bisschen irritiert sein, aber das hat nichts mit dem Plot zu tun. In den unscharfen Übertragungsfetzen ist nämlich auszu- machen. Der spielte mit? Die Ära Völler – man hatte sie schon fast vergessen.

„Das größte Spiel der Welt“ (www.zorrofi lm.de) läuft ab 7. Juni in den Kinos

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IMPRESSUM RUND #21 April 2007 VERLAG: Olympia-Verlag GmbH, Badstr. 4-6, D-90402 Nürnberg, Tel. 0911/216-0, Fax 0911/216 27 39 REDAKTION: RUND Redaktionsbüro Hamburg GmbH & Co. KG, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg Tel. 040/80 80 686-0, Fax 040/80 80 686-99 REDAKTIONSLEITUNG: Rainer Schäfer (verantwortlich für den Inhalt), Matthias Greulich (geschäftsführender Redakteur), Oliver Lück (stellv. Redaktionsleitung) ART DIREKTION: Tanja Poralla REDAKTION: Martin Krauß (Chef vom Dienst), Eberhard Spohd (Textchef), Malte Oberschelp, Christoph Ruf (Redaktion Süd), Steffen Dobbert (Volontär) REDAKTIONSASSISTENZ: Sabine Richter GRAFIK: Anne-Katrin Ellerkamp, Sonja Kördel SCHLUSSGRAFIK/INFOGRAFIK: Sabine Keller BILDREDAKTION: Henning Angerer, Jochen Hagelskamp, [email protected] ILLUSTRATION: Dazzler, Eskåh, Sonja Kördel, Gerald Moll, Toni Schröder AUTOREN: Peter Ahrens, Jérôme Bac, Sven Bremer, Martin Curi, Vincenzo Delle Donne, Detlef Dreßlein, Alexander Fabian, Chérif Ghemmour, Oke Göttlich, Ulrich Hartmann, Frank Heike, Mathias Heybrock, Raphael Honigstein, Frank Ketterer, Die Kinder der Einwanderer: Lesen Sie ab dem 22. März auf www.rund-magazin.de Thomas Kilchenstein, Volker Knopf, Wolfgang Laaß, Markus Lotter, zusätzliche Artikel zu unserer Titelgeschichte „Die Türken kommen“ René Martens, Michael Martin, Bernd Müllender, Holger Pauler, Sebastian Peters, Ronald Reng, Rico Rizzitelli, Elke Rutschmann, Jochen Schliemann, Bernd Schneiders, Konrad Stahlschmidt, RUND IM NETZ Jörg Strohschein, Olaf Sundermeyer, Jörg Thadeusz, Daniel Theweleit, Broder-Jürgen Trede, Peter Unfried, Diese Höhepunkte warten im März/April unter www.rund-magazin.de auf Sie: Markus Völker, Erik Wegener, Elke Wittich WEBSITE-EXTRA: Lesen Sie exklusive Beiträge zu unserer Titelgeschichte über die KORREKTORAT: Janina Jentz, Birgit Utz ÜBERSETZUNGEN: Stefanie Knauer, Heike Simon Integration von Ausländern im deutschen Fußball. Außerdem: weitere Artikel zu den FOTOS: Edward Beierle, Mauricio Bustamante, Mareike Foecking, Interviews mit den Nationalspielern Jens Lehmann und Bernd Schneider sowie Arsenal- Nigel Hargreaves, Axl Jansen, David Klammer, Kleefeld, Oliver Lück, Andreas Mühe, Benne Ochs, Stephan Pfl ug, Coach Arsène Wenger. Und: Zusatzinformationen zur Sachsen-Leipzig-Reportage „Wenn Heiko Prigge, Jochen Schliemann, Yvonne Seidel, Martin Sigmund, die Heuschrecke zurückschreckt“ und zu dem Porträt über Schalke-Trainer Mirko Slomka Stadt Rheinstetten, Jens Sundheim, Jan Zappner, Urban Zintel. RUND-BLOG: Was bewegt die RUND-Blogautoren? Lesen Sie es nach – täglich! Wir danken der Stadt Rheinstetten für die freundliche Überlassung ihrer Luftaufnahme (Seite 90). VOTING DES MONATS: Wer soll in der neuen Saison den FC Bayern trainieren? TITELFOTO: Heiko Prigge FOTOS INHALTSVERZEICHNIS: Heiko Prigge, Jens Sundheim, Jan Zappner, Getty Images, dpa, Urban Zintel, Mareike Foecking, Illustration Toni Schröder SPIELE: Bei Gewinnspielen, die die RUND-Redaktion veranstaltet, ist der Rechtsweg grundsätzlich ausgeschlossen ANZEIGENLEITUNG: Werner A. Wiedemann (verantwortlich für Anzeigen), Tel. 0911/216 22 12 Ekkehard Pfi ster, Tel. 0911/216 27 49, Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 3 vom 1.1.2007 REPRO: Fire Dept. GmbH, Hamburg DRUCK: heckel GmbH, Nürnberg VORSCHAU 05 2007 VERTRIEBSLEITUNG: Andreas Bauer, Tel. 0911/216 22 60 ABONNEMENT UND KUNDENDIENST: Deutschland: RUND-Leser-Service, Badstr. 4-6, 90402 Nürnberg, Am 18. April erscheint die nächste RUND- [email protected], Tel. 0911/216 22 22, Preis des Einzelheftes 2,80 Euro, Jahresabonnement 33,60 Euro Ausgabe, unter anderem mit folgenden Österreich: RUND-Abonnenten-Service, Postfach 5, 6960 Wolfurt, [email protected], Tel. 0820/ 00 10 82, Fax 0820/00 10 86, Themen: im Interview: Der Preis des Einzelheftes 3,20 Euro, Jahresabonnement 38,40 Euro Schweiz: RUND-Leser-Service, Postfach, 6002 Luzern, DFB verändert sich, seit Bierhoff Manager [email protected], Tel. 041 3292233, Fax 041 3292204, Preis des Einzelheftes 5,40 sFr, Jahresabonnement 64,80 sFr der Nationalelf ist. Wird Deutschland ein Übriges Ausland: Jahresabonnement 33,60 Euro zzgl. Porto Erscheinungsweise: monatlich modernes Fußballland? Owen Hargreaves: Für unverlangt eingesendete Manuskripte, Fotos, Dias, Bücher ManU bietet 30 Millionen Euro für Bayerns usw. wird nicht gehaftet. Die gesamte Zeitschrift einschließlich aller ihrer Teile ist urheberrechtlich geschützt, soweit sich aus dem Mittelfeldstar. Ein Gespräch über Geld, Urheber rechts gesetz und sonstigen Vorschriften nichts anderes ergibt. Jede Verwertung ohne schriftliche Zustimmung des Verlages München und England. Tomáš Galásek: Kenner halten Nürnbergs ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung Nummer sechs für einen Weltklassespieler. Stimmt! Wir und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright für Inhalt und Gestaltung – falls nicht ausdrücklich stellen den großen Unbekannten vor. Bayer Leverkusen: Wenige anders vermerkt – by Olympia-Verlag 2007. ISSN 1860-9279 Teams schwanken in ihren Leistungen so sehr. Eine Analyse.

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rrund0407_110_113_Buecher_Im_Nund0407_110_113_Buecher_Im_N 113113 008.03.20078.03.2007 23:24:0623:24:06 UhrUhr SPIELKULTUR Leserbriefe

RUND-Ausgabe 3/07

Chemnitzer Stadtfest darf sich die Security zeigen, und trotz verschiedener Hinweise sowohl bei der Lokalzeitung als auch in der Stadtverwaltung wurde nicht reagiert. Als Das Handicap des Zauberers, RUND, 3/07 Chemnitzer hat man schlicht und einfach Nazis im Spiel, RUND 2/07 Diego-Fan das Gefühl, dass es Machenschaften gibt, die Durch die Anzeige auf kicker.de bin ich auf Brisante Themen aufgegriffen aktiv an einer Unterstützung des Security- euer Magazin aufmerksam geworden, und An dieser Stelle möchte ich Ihnen ausdrück- Chefs interessiert sind, und diese sitzen in da ich ein großer Fußballfan bin, hab ich es lich und sehr herzlich dafür danken, dass Sie entscheidenden Positionen! mir gleich am nächsten Tag mal gekauft! Das neben meistens gut recherchierten und in- NN, Chemnitz, per E-Mail, Absender ist der Heft ist toll aufgebaut, die Berichte und In- teressanten Artikeln rund um den Fußball Redaktion namentlich bekannt. terviews sind einfach super interessant und auch brisante Themen aus diesem Bereich witzig. Besonders habe ich mich über die Ti- ansprechen. Beste Beispiele sind hierfür das telstory gefreut, da ich großer Bremen- und Heft mit dem Schwerpunkt Homosexualität Diego-Fan bin. Julia Reinauer, per E-Mail im Fußball und die aktuelle Ausgabe über den zunehmenden Einfl uss neonazistischer Gruppierungen auf lokale Fußballvereine. Insbesondere diese beiden Themen, die viele Fußballfans beschäftigen, werden von ande- ren Sportpublikationen leider nicht oder nur unzureichend behandelt. Es verleiht einem Thema automatisch bereits mehr Gewicht, wenn ein im fußballerischen Bereich aner- Verrückte Insel, RUND 2/07 kanntes und seriöses Magazin wie RUND diese Themen aufgreift. Nur sechs Drittligaklubs Sebastian Roloff, Rettenbach, per E-Mail Sie sprechen von zwölf Profi klubs auf Ma- deira – zwei Erstligisten, sieben Zweit- „Der König ist tot“, RUND 2/07 Helfer in Führungspositionen ligisten, drei Drittligisten. Tatsächlich sind Große Klasse Vielen Dank für den ehrlichen Artikel über es aber nur acht Profi klubs plus ein Reserve- Das Interview mit Hansi Flick fand ich Rechtsradikalismus im Fußball. Da ich selbst team des Erstligisten CS Maritimo – also große Klasse. Wenn man verfolgt, wie Flick Chemnitzer bin, kann ich nur bestätigen, zwei Erstligisten (korrekt), kein Zweitligist, und Löw sich in die Arbeit werfen, können dass die erwähnte Security-Firma aktiv sieben Drittligateams, aber eigentlich nur wir von unserer Nationalmannschaft noch Jugendliche auf der Straße anspricht und zu sechs Drittligaklubs. Es war mir ein Vergnü- Tolles erwarten. Würde mir wünschen, dass ihren Fußballturnieren einlädt. Was mich gen, Ihnen weiterzuhelfen. Berichten Sie auch die Bundesligatrainer endlich neue schon seit Jahren stutzig macht, ist die weiterhin verstärkt über den ausländischen Methoden anwenden. Tatsache, dass diese Firma nicht nur beim Fußball in Ihrem gelungenen Magazin. Heinz Coenen, per E-Mail Fußball Flagge zeigen darf. Auch beim K. Glück, Trier

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe nicht oder nur gekürzt zu veröffentlichen. Zuschriften bitte mit Stichwort Leserbrief an: [email protected]; Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg oder Fax: 040-808 06 86-99

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rrund0407_114_115_Lesebriund0407_114_115_Lesebri 114114 008.03.20078.03.2007 11:26:2311:26:23 UhrUhr SPIELKULTUR Leserbriefe

World-Press-Photo-Award Ausgezeichnet! RUND-Fotograf geehrt Für seine Fotostrecke von Fans bei der Fußballweltmeisterschaft hat RUND-Fotograf David Klammer in der Kategorie Sports Fea- tures den dritten Platz des World-Press-Photo-Wettbewerbs 2007 gewonnen. Klammers Bilder sind in der Augustausgabe 2006 von RUND erschienen, auch das Cover dieses Hefts stammt aus der preisgekrönten Fotostrecke. Der World-Press-Photo-Wettbewerb ist der einzige internationale Wettbewerb, an dem Fotografen aus der ganzen Welt teilnehmen. Die Jury wählt die Preisträger aus Zehntausenden von Pressefotos freier Pressefotografen, Pressea- genturen, Zeitungen und Magazine aus.

Das schreibt die Presse über RUND ddp, 28.2.2007 Runde Presse: CFC trennt sich von Security Oberligist Chemnitzer FC verzichtet auf die weitere Zusammenarbeit mit einem wegen seiner Nähe zur rechtsextremen Szene ins Zwielicht geratenen Sicherheitsdienst. Zur Begründung führte Müller ein Interview des Security-Chefs in der Februar-Ausgabe des Fußball-Magazins Vertrag mit dem CFC habe, wüssten sich im RUND an. Damit habe dieser „dem Verein geschadet“. Fanblock, wo es eine gewisse gewaltbereite Kli- Der Chef der „Haller Security“ hatte sich in dem RUND-Interview unter geändertem Namen entel gebe, „alle zu benehmen“. Ein Sprecher als Gründer der Gruppierung „HooNaRa“ zu erkennen gegeben. Die Abkürzung steht für „Hoo- des Landesamts für Verfassungsschutz sagte ligans – Nazis – Rassisten“. Zur Arbeit der beiden Sicherheitsdienste wird er mit den Worten am Mittwoch auf ddp-Anfrage, dass die Grup- zitiert, dass es „eine Firma, die das Offi zielle für den DFB macht“, und seine Ordner gebe. pierung „HooNaRa“ innerhalb der rechtsextre- Durch seinen Namen und seine Firma, die genauso wie der andere Sicherheitsdienst einen men Szene aktiv sei.

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ICH UND DIE PFEIFE Jeden Monat terrorisiert TV- und Radiomoderator JÖRG THADEUSZ in RUND liebevoll den Fußball. Dieses Mal stellt er sich vor, wie es wäre, wenn er komplett in Schwarz gekleidet Spiele leiten dürfte FOTO MATTHIAS KOSLIK

Es war alles ganz anders damals. Viel schlech- Wenn ich Schiedsrichter sein müsste, dann In meinem Spielbericht heißt es dann: „Dem ter. Wir hatten keinen Sozialpädagogen in der in einer sehr modernen Interpretation dieser mit ‚Rot‘ bestraften Spieler war an der Nasen- Nähe, der uns fragte, was das wohl mit ihr traditionellen Rechthaberrolle. Das Spiel selbst spitze anzusehen, dass er nicht aufgelaufen macht. Wir haben Petra aus dem zweiten Stock wird immer härter und schneller, also braucht ist, um die bestmögliche Leistung abzurufen, nicht mitspielen lassen. Wir wollten Spaß beim es ein durchtrainiertes juristisches Organ auf sondern nur, um die Atmosphäre des Fußball- Fußball haben. Und Mädchen standen damals dem Platz. Keinen Pfeifenheinz mit Fönfrisur, spiels durch Nickligkeiten zu vergiften.“ immer jedem Spaß im Wege. Immerhin wa- sondern einen Rasen-Sheriff. Meine Assisten- Vorbildliche, fl eißige und sympathische Ki- ren wir doch so fortschrittlich, dass Petra ten und ich tragen Schwarz. Und zwar immer. cker wie Mertesacker, Frings, Lahm und Met- Schiedsrichterin sein durfte. Bis zu ihrer ers- Keine gelben Hemdchen, auch keine sonsti- zelder sind von Platzverweisen ausgenommen. ten Handspielentscheidung. Danach haben wir gen Kanarienfarben. Erfahrungen der US-Jus- Denn selbst deren gröbste Fouls sind gewiss Sachen zu ihr gesagt, die sie veranlassten, so- tiz zeigen, dass kreatives Bestrafen durchaus nicht böse gemeint und gut durchdacht. Dort- fort nach Hause zu laufen. Außer Petra muss- wirkungsvoll ist. So steht jeder Spieler, der ei- mund, Bremen und Frank furt könnten sich ten auch folgende Persönlichkeiten unsere nen Gegner zu seinem eigenen Vorteil bei mir auf Kulanz in Sachen Nachspielzeit verlassen. Schiedsrichter sein: der Junge, dem die Mut- anschwärzt, für fünf Minuten mit einer Esels- Und ich würde Petra einladen, damit wir uns ter morgens immer Schokotäfelchen auf das mütze und dem Rücken zum Spielfeld an ei- die Aufzeichnung meiner heikelsten und zu- Brötchen raspelte. Der dürre Blonde, der im- ner Eckfahne. Schwalbenfreunde werden auf gleich schönsten Pfi ffe angucken können. Am mer, und zwar wirklich immer, Polohemden der Sanitätstrage festgeschnallt und in dieser letzten Spieltag gestehe ich in der letzten Spiel- trug, die er unter gar keinen Umständen dre- Lage eine Runde durch das Stadion getragen. minute der Gastelf einen völlig unberechtigten ckig machen durfte. Und der neu Zugezogene Damit jeder Zuschauer den Betrüger in seiner Elfmeter zu. Das Heimteam verliert so die si- mit der massiven Sprachbehinderung. Heute Lieblingslage, nämlich im Liegen, ausführlich cher geglaubte Meisterschaft. Auf meinem weiß ich, dass Hessisch mitnichten ein Ge- sehen kann. Gegen überhebliche Reizfi guren Plasmafernseher, den ich zärtlich „VfB“ ge- burtsschaden, sondern ein durchaus respek- wie Brdari´c, Pizarro und Panteli´c kann ein Feld- tauft habe, sehen Petra und ich die turbulenten tabler deutscher Dialekt ist. verweis „auf Verdacht“ ausgesprochen werden. Bilder aus Gelsenkirchen.

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