Das graue Gold vom Zürichsee

Beat Moser, Wil

Sandstein ist ein einheimischer Rohstoff, der heute noch an verschiedenen Orten in der Schweiz abgebaut wird. Aus diesem Naturstein werden Werksteine für Bauten, Kunstwerke – so beispielsweise in Schänis und Mels – und vieles mehr gefertigt.

3/2019 49 und Kompaktion verfestigten sich die vorwiegend aus Quarz-, Feldspat- und Glimmerkörnern zusammengesetzten Ablagerungen zu Sandstein.

Buchberger und Guntliweider Sandstein Buchberger und Guntliweider Sand- stein, ebenfalls granitische Sandsteine, sind feinkörnig, von grau-grünlicher ie Blütezeit des Sandstein- Färbung. Diese werden bei Nuolen (SZ) Der berühmte Sandstein Abbaus am Zürichsee war im am oberen Zürichsee im Steinbruch D19. Jahrhundert, aufgrund des Guntliweid im Tagbau abgebaut. Früher vom Zürichsee war über Jahr- hunderte und ist heute noch starken Wachstums der Stadt und wurde der Sandstein grösstenteils von der Seegemeinden. Am Zürichsee gab hier aus direkt per Schiff nach Zürich ein idealer, einheimischer es in den besten Zeiten viele Sandstein- transportiert. Teilweise heute noch wird « Natur-Baustein » für un- Abbaustellen. Für den Abbau und Trans- der Sandstein per Ledischiff angeliefert. zählige Kirchen, Rat häuser, port waren in dieser Zeit einige hundert Zunfthäuser, Wohnhäuser, Personen tätig. 1915 zählte man noch sechs Steinbruchbetreiber am oberen Abbau und Verwertung Kunstwerke, Brunnen, Grab- Zürichsee. von Sandstein früher platten und vieles mehr. Um den Sandstein zu spalten, trieben die Bereits die Römer in unserem Steinhauer mit dem Hammer Eisenkeile Land nutzten den lokal vor- oder wassergetränkte Holzkeile (welche Bollinger Sandstein wird heute noch in anschwollen) in die vorher gebohrten handenen Sandstein. (SG) am oberen Zürichsee und Löcher und spalteten somit den Stein. im benachbarten Eschenbach (SG) in Eine andere Möglichkeit bestand darin, den S andsteinbrüchen Lehholz-Bollingen mit dem Zweispitz einen Schlitz ins Ge- (Untertagbau) und Brand/Eschenbach stein zu schlagen (schrämen), um den (Tagbau), abgebaut. Dieser Sandstein Block zu trennen. * Sandstein besteht aus gleichen Bestandteilen wie ist ein kompakter, dichter, granitischer* Granit: Neben Quarz und Glimmer enthält d ieser Sandstein. Sandstein rote Feldspatkörner. Bollinger Sandstein ist ein Molasse- Menhire, Säulen, Grabsteine sandstein der Unteren S üsswassermolasse. Bereits in vorrömischer Zeit errichte- Dieser Sandstein entstand vor circa ten unsere Vorfahren im Gasterholz bei 20 Millionen Jahren aus Sandablage- Maseltrangen (SG) einen Menhir aus rungen, die durch Flüsse von den Al- Sandstein. Die Römer nutzten den ein- pen ins Vorland (Molassebecken) trans- heimischen Sandstein, zum Beispiel für portiert wurden. Durch Kalkzement den Hypokaust (römische Bodenhei-

Bild vorherige Seite: Ledischiff mit Steinladung. Bild Zentralbibliothek Zürich Sandstein-Menhir im Gasterholz bei Maseltrangen (SG). Bild B. Moser

50 3/2019 zung) des Sarganser Gutshofes. Dieser heute noch aktive Steinbruch hat richtet. Von dort aus transportierten die 1747 wurde auf dem in Zü- eine lange Geschichte: Rudolf II. von Rap- Schiffsleute die Sandsteine zur Kemprat- rich ein römischer Kinder-Grabstein aus perswil schenkte dem Kloster Wurmsbach ner Bucht, wo sie vor der Weiterfahrt in Sandstein gefunden, welcher unter an- diverse Güter in Bollingen und Oberbol- den Steinhauerhütten teilweise ins rich- derem den römischen Namen lingen, inklusive Steinbrüche. Für den Bau tige Mass gehauen wurden. Bereits im be- (Zürich) bestätigte. Sehr wahrscheinlich des Zisterzienserinnenkloster stand genü- rühmten « M urerplan von 1576 » der Stadt wurde dieser Stein aus Zürichsee-Sand- gend Sandstein aus den nahegelegenen, Zürich ist ein Kran am Ufer der stein gefertigt. eigenen Steinbr üchen zur Verfügung. für den Entlad der Stein-Schiffe erkennbar. Der Besucher der Römersiedlung Mehrere Jahrhunderte lang wurde im bei entdeckt klösterlichen Regiebetrieb der Sandstein neben der markanten Sandstein-Säule von hoher Qualität in mühsamer Hand- Stadt Zürich weitere Bausteine aus lokalem Sandstein. arbeit mit dem Zweispitz gewonnen. Ab dem 10. Jahrhundert war der Sand- Um 1500 waren in zahlreiche Die Blöcke wurden mit dem Ochsenge- stein vom oberen Zürichsee für Zürich Steinmetze ansässig, die in den umlie- spann zum nahegelegenen Lagerplatz am von grosser Bedeutung. Dieser Sandstein genden Sandsteinbrüchen arbeiteten. Zürichsee transportiert. Anschliessend wurde am häufigsten verwendet für das 1494 brach Meister Jakob von Uznach wurden die Sandsteine mit Ledischiffen mittelalterliche Quadermauerwerk sowie am Buchberg 100 Quadersteine für den nach Zürich verfrachtet. auch für das Sichtmauerwerk des 16. und Chorbogen der Pfarrkirche Rapperswil. Die grosse Sandstein-Grabplatte 17. Jahrhunderts. Die meisten Steinfassa- Die Steinmetzzeichen dieser Meister sind (175× 55 cm) des Stifterpaars, ist im den grösserer Bauwerke in Z ürich, gebaut heute noch zum Beispiel an der Heilig- heutigen Kloster Mariazell Wurmsbach. zwischen 1860 und 1910 wurden aus Sand- kreuzkirche Uznach erkennbar. Auf der Platte finden sich übereinan- stein vom Zürichsee gebaut. Insbesondere der die Wappenreliefs der Grafen von der Transport des Sandsteins ab Region Rapperswil (drei gestilte Rosen) und der per Schiff war sehr vorteilhaft. Krypta der Stiftskirche Herren von Neiffen (drei Hörner). St. Sebastian, Schänis Ab Ende 18. Jahrhundert nutzte man Sehr schöne Sandstein-Plastiken aus dem auch die Steinbrüche in Oberbollingen. Grossmünster 12. Jahrhundert und Kapitelle aus dem Das Kloster Wurmsbach schloss beispiels- Die Steine für das Grossmünster in 11. Jahrhundert sind in der Krypta der weise 1781 mit dem Zürcher Magistrat Zürich stammten grösstenteils vom Stiftskirche St.Sebastian in Schänis zu be- und den Zürcher Baumeistern verschie- Buchberg, beispielsweise vom Stein- wundern. Der Rohstoff Sandstein für die- dene Verträge ab. bruch Guntliweid am oberen Zürichsee. se Meisterwerke stand in nächster Umge- Ein Sandstein-Wandpfeiler der ehema- Der dunklere Buchberger Sandstein ist bung zur Verfügung. In der Krypta von ligen Burg Uznaberg kann im Rathaus über grössere Partien, besonders deutlich Schänis sind total 12 Sandsteinplastiken. Uznach besichtigt werden. am südlichen Seitenschiff, zu erkennen. Steinhauer Johannes Boos aus Schmeri- kon lieferte vom Buchberger Steinbruch Besitzer der Steinbrüche Sandstein Transport 162 Ledischiffe mit 176 Sandsteinqua- Das Zisterzienserinnenkloster Wurms- Der Zürichsee war geeignet für den Stei- dern. Für dieses Bauwerk wurden grosse bach bei Bollingen, gegründet 1259 von netransport mit den Ledischiffen. Ruder- Sandsteinblöcke geliefert, welche die Rudolf II von Rapperswil und seiner und Segelschiffe waren im Einsatz. Später Steinmetze erst auf der Münsterbaustel- Frau Mechthild von Neiffen, besass e inige transportierten Motorschiffe die Steine. le bearbeiteten. Später wurde vermehrt Sandsteinbrüche am oberen Zürichsee, In der «Stafflen» bei Bollingen wur- hellerer Sandstein aus der Gegend von unter anderem den Steinbruch Lehholz. de ein Verladeplatz für Ledischiffe einge- St.Meinrad bei Bollingen verbaut.

Romanisches Dreifigurenrelief. Sandstein-Relief «Zwei kämpfende Ritter» aus dem 12.Jh. Bilder B.Moser

3/2019 51 Römischer Grabstein aus Sandstein um 200 n.Chr.Bild B.Moser

52 3/2019 Rathaus Sandstein-Abbau heute (ungefähr 20 Meter unter Waldboden) Müller Natursteinwerk AG, in einer riesigen Kaverne im Lehholz ab- Das Zürcher Rathaus aus Sandstein ist Neuhaus: Steinbruch Brand gebaut. In einer ersten Phase erfolgt der von 1694-1698 an Stelle der beiden Eschenbach (SG) Gesteinsabbau in einem rund 220 Meter hölzernen Vorgängerbauten gebaut wor- langen Stollen mit einem Querschnitt den. Das Äussere des heutigen Rathauses Der Sandstein-Abbau erfolgt in einem von 7,5×5,8 Meter.Bei dieser nachhal- ist noch annähernd gleich wie vor über offenen Schacht, bis zu einer Tiefe von tigen «Natursteingewinnung im Berg» 300 Jahren. Mehrmals wurde das Rathaus circa 50 Metern. Eine Diamantschwert- resultieren die folgenden Vorteile, im restauriert: Abgebröckelte Steine wurden säge schneidet vertikale Schnitte in die Vergleich zum Tageabbau: ersetzt und das Mauerwerk gesäubert. Sandsteinschicht. Anschliessend wird in – D auer des Bewilligungsverfahrens ist Den Baustein lieferten die Sandstein- die vertikalen Schnitte unten ein Dia- bedeutend kürzer brüche von Bäch (SZ) am Zürichsee. mantseil eingeführt und der Sandstein- –Vorhandene Infrastruktur kann weiter- Im 20. Jahrhundert ersetzte der Bau- Block von der Gesteinsschicht mit einer hin genutzt werden meister bei Restaurierungen den beste- Diamantseilsäge horizontal abgeschnit- – E rschliessung des Sandsteinvorkom- hende Sandstein durch Bollinger- und ten. So gewinnt der Steinbruch Blöcke mens erfolgt über Zufahrt des beste- Rorschacher-Sandstein. von ca. 60 – 100 Tonnen Gewicht. Diese henden Steinbruchs grossen Blöcke werden anschliessend – K eine Waldrodung, keine Erdver- vertikal angebohrt und mit speziellen schiebung: Oberfläche wird nicht Keilen gespalten, um kleinere Blöcke zu verändert Das Zunfthaus zur Meisen ist das fertigen. Somit stehen Sandstein-Blöcke – W etterunabhängig, ganzjähriger Be- schönste Haus in Zürich, ein franzö- mit Abmessungen von circa 1,6 × 1,4 × 2 trieb ist möglich sisch inspiriertes elegantes Stadtpalais bis 3,5 Meter zur Verfügung, mit einem –Kein Abbau von unbrauchbarem im Rokokostil. Zwei Steinmetz-Witwen Gewicht von 10 bis 20 Tonnen. Mit dem Gestein, dadurch werden die ersten sorgten 1752 für Aufregung, als sie für Kran werden die Blöcke aus dem Schacht Rohblöcke innert zwei Wochen nach den Zunfthaus-Neubau eine günstigere gehoben und zur Weiterverarbeitung be- Arbeitsgewinn gewonnen Offerte als ihre Kollegen einreichten und reitgestellt. Mit modernsten Maschinen wird in somit den Auftrag erhielten. Im Herbst der Kaverne Lehholz abgebaut. Zu- 1757 wurde das Zunfthaus zur Meisen erst wird das Gestein vermessen und eröffnet. Für den Bau des Zunfthauses J. & A. Kuster Steinbrüche AG, vertikal mit der Diamantschwertsä- wurde Sandstein vom Buchberg-Stein- Bäch: Steinbruch Lehholz (SG) ge bearbeitet, dann wird der Quader bruch bei Nuolen verwendet. 2018 wurde Diese Firma betreibt die beiden Sand- mit der Diamantseilsäge horizontal die Zunfthaus-Aussenhülle saniert. Die steinbrüche Lehholz bei Bollingen und vom Untergrund getrennt. Ein Pneu- Steinmetze ersetzten einzelne Sandsteine Guntliweid bei Nuolen. Seit 2011 wird lader transportiert die Rohblöcke zum und restaurierten die Ornamente. Bollinger Sandstein im Untertagebau Lagerplatz.

Arbeit an einem zwölf Meter langen Brunnen, hergestellt aus einem Sandsteinblock: Sandsteinbruch Brand, Eschenbach (links) und R. Zwicky, der Entdecker des Nashornschädels (rechts). Bilder B. Moser

3/2019 53 Sandstein und Umwelt rierungskonzeptes werden die eidge- Kunden» und andererseits aufgrund Renaturierung nössischen und kantonalen Vorgaben effizienter Abbautechnik. bezüglich Landschaftsschutz und Um- Beispielsweise entstehen beim Trans- Beim Sandsteinabbau im offenen welt erfüllt. port von einer Tonne Sandstein auf eine

Schacht des Steinbruchs Brand/ Baustelle in der Schweiz f olgende CO2- Eschenbach werden gemäss Abbau- Emissionen : Aus China e twa 1600 kg, konzept entlang der abbauwürdigen Ökobilanz aus Europa um die 42 kg und aus der Sandsteinschicht neue Schächte aus- Im Vergleich zum Abbau von anderen Schweiz circa 5 kg. gehoben.Nach Abbauende im Schacht, Natursteinen wie z.B.Granit weist der wird dieser mit unbrauchbarem Mate- Sandstein eine bessere Ökobilanz auf. rial (zum Beispiel Mergel) und Abraum Der Abbau von Schweizer Sandstein Naturpark gefüllt. Die H umusschicht des neuen belastet die Umwelt weniger mit dem Heute nicht mehr genutzte Steinbrüche Schachts wird zur Renaturierung des klimarelevantenTreibhausgas CO2 im sind wichtige Naturparks für Menschen, alten, vollen Schachtes sinnvoll genutzt. Vergleich zu importiertem Sandstein, Tiere und Pflanzen. Diese Orte leisten Anschliessend wird das Terrain aufge- einerseits aufgrund kurzer Transport- einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung forstet. Mit Umsetzung dieses Renatu- wege « i nnerbetrieblich und zu den der Biodiversität.

Jahrhundertfund : Prähistorischer Nashornschädel Fossilien werden im Sandstein sel- ten gefunden.Umso grösser war die Überraschung, als ein Steinmetz des Müller Natursteinwerks den Schädel eines urzeitlichen Nashorns in einem Sandsteinblock fand. Der Jahrhun- dertfund ist circa 22 Millionen Jahre alt und kann heute im Naturmuseum St.Gallen bewundert werden.

Eingang zum Steinbruch Lehholz. Bild B.Moser

Die Diamantschwertsäge schrämt (sägt) im Steinbruch Lehholz vertikale Schnitte in die Gesteins- Präparierter Nashornschädel. Bild B. Moser schicht. Bild B.Moser

54 3/2019 Renaturiertes Terrain des Steinbruchs Brand. Bild B. Moser

Literatur und Quellen Anderes, Bernhard: Die Kunstdenkmäler des Halter, Eugen: Geschichte der Gemeinde , 1970 Kantons St.Gallen, Der Seebezirk, Band 4, 1966 Informationen der Firmen J. & A. Kuster Stein- Anderes Bernhard: Die Kunstdenkmäler des brüche AG und Müller Natursteinwerk AG Kantons St.Gallen, Der Bezik Gaster, Band 5, 1970 Materialarchiv: www.materialarchiv.ch Archäologie Schweiz, Band 27, Heft 1, Kt. Zürich: Moser, Beat: Geheimnisvolle Steine im Linthgebiet, Die letzten 300 Jahre, 2004 Die Südostschweiz am Sonntag vom 16. März 2008 Bürgin, Toni; Becker Damien, Oberli Urs: Ein NZZ vom 18.10.2004: Baumaterial für Zürichs Fossiles Nashorn von Eschenbach, Berichte der Prunkfassaden St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesell- Rohstoff-Informations-System-Schweiz: https:// schaft, 91, Band 91, 2008 map.georessourcen.ethz.ch Flury-Rova, Moritz: Die Stifts- und Pfarrkirche Stadler, Robert: Sandstein aus dem Untergrund, St.Sebastian in Schänis, Schweiz. Kunstführer, Kunst +Stein 6/2014 Bern 2006 Stadler, Alois / Keller, Hanspeter: Geschichte der Ge- Gutscher, Daniel: Das Grossmünster in Zürich, meinde , Verkehrsverein Schmerikon, 1983 2000 Natursteinarbeiten Renovationen CH-8807 Tel. 044 787 70 70 www.kuster.biz Fax 044 787 70 71 Restaurierungen

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