VON DER PREUSSISCHEN OBRIGKEIT ZUR BÜRGERLICHEN SELBSTVERWALTUNG 200 JAHRE RHEINISCHE UND WESTFÄLISCHE KREISE Die Karte wurde vom Katasteramt des Rhein-Kreises Neuss erstellt. Sie dokumentiert – bezogen auf das Territorium des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – die Einteilung der rheinischen und westfälischen Kreise in den Jahren 1816/17. Nicht berücksichtigt wurden die heute überwiegend in Belgien liegenden Kreise Eupen, Malmedy und St. Vith sowie alle anderen Kreise der Provinzen Großherzogtum Niederrhein und Jülich-Kleve-Berg, deren Territorium heute außerhalb Nordrhein-Westfalens liegt. Die im lippischen Landesteil von Nordrhein-Westfalen gelegenen Städte Bad Salzuflen, Lemgo und Detmold sind lediglich zu Orientierungszwecken in die Karte aufgenommen worden. Sie gehörten nach dem Wiener Kongress nicht zu Preußen, sondern zum Fürstentum Lippe. Als Quelle für die Kreisgrenzen fungierte: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Reihe A, Bd. 7 und 8, Entwurf: W. Hubatsch, Kartographie: E. Fell, Druck: Institut für Angewandte Geodäsie ( a. M.), Marburg 1977 und 1980. INHALTSVERZEICHNIS

6-7 Hannelore Kraft Grußwort

8-9 Thomas Hendele Geleitwort

10-11 Tillmann Lonnes Einleitung

12-23 Wilhelm Grabe „Mit der sorgfältigsten Schonung der VON DER PREUSSISCHEN bestehenden Verhältnisse“ – Die Einrichtung der Kreise in Rheinland-Westfalen 1816

OBRIGKEIT 24-33 Gabriele Mohr ZUR BÜRGERLICHEN Wesen, Struktur und Aufgaben der Kreise Mitte des 19. Jahrhunderts

SELBSTVERWALTUNG 34-43 Stephen Schröder Die Kreisordnungen von 1886/87 und die Entwicklung der Kreise bis 1933

44-53 Claudia Maria Arndt Die Kreise während der Zeit des Nationalsozialismus

54-63 Hansjörg Riechert Die Kreisverwaltungen im neuen Bundesland Nordrhein-Westfalen

64-73 Beatrix Pusch Gebietsreformen

74-83 Martin Klein / Kai Friedrich Zentara Kreise und Landräte behaupten die kommunale Handlungsfreiheit – Jüngste Geschichte der nordrhein-westfälischen Kreise 1990-2016

84-88 Endnoten

96 Impressum GRUSSWORT

Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

200 Jahre rheinische und westfälische Kreise – zu diesem Nordrhein-Westfalens vor der Aufgabe, Hunderttausen- Die rheinischen und westfälischen Kreise haben sich stolzen Jubiläum gratuliere ich herzlich! Was für uns heute den Flüchtlingen in kürzester Zeit eine Zuflucht und im glänzend bewährt. Das Land Nordrhein-Westfalen wird selbstverständlich ist, ist ein Ergebnis des Wiener Kongres- besten Fall ein neues Zuhause zu bieten. Und auch bei der nach Kräften dafür sorgen, dass dies so bleiben kann. ses, in dem nichts weniger als die Neuordnung Europas Bewältigung dieser Aufgabe, die noch lange nicht abge- nach den Jahren der napoleonischen Herrschaft geregelt schlossen sein wird, zeigen die Kreise ihre Stärken und die wurde. Kurz danach wurden die Kreise im heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kreisverwaltungen Nordrhein-Westfalen gegründet. Und natürlich veränder- nicht allein ihre Fähigkeit, sondern eine Einsatzbereitschaft, ten sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg ein Organisationstalent und eine Empathie, die weit über ihre Gestalt und Größe, ihre Aufgaben und Zuständigkei- das Erwartbare hinausgeht. Dafür sage ich ihnen auch an ten. Geblieben ist den Kreisen über den Lauf der Zeit die dieser Stelle meinen herzlichen Dank und Respekt. Aufgabe, als eine leistungsstarke Verwaltungseinheit für Danken möchte ich ihnen ausdrücklich auch für das, was möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt sie oft ganz unbemerkt tun und was für die meisten Bürge- Hannelore Kraft und Land zu sorgen. rinnen und Bürger selbstverständlich geworden ist. Ob es um die Organisation und die Finanzierung des öffentlichen In den fast 70 Jahren seit der Gründung unseres Lan- Personennahverkehrs geht, um die Abfallbeseitigung oder des Nordrhein-Westfalen im August 1946 haben wir an den Betrieb von Kindertagesstätten: Wir alle profitieren vielen Stellen erfahren und erlebt, dass das eine überaus von der Leistungskraft der Kreise. Für die Landesregierung anspruchsvolle Aufgabe ist, schließlich mussten das Land und besonders für die kreisangehörigen Städte und und damit auch die Kreise tiefgreifende wirtschaftliche und Gemeinden sind sie starke Partner, die gemeinsam mit gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen ihnen das kommunale Leistungsspektrum ergänzen und bewältigen. Heute stehen wir erstmals in der Geschichte ausbauen.

6 7 GELEITWORT Der in dieser Festschrift betrachtete Zeitraum ist von ext- allem ein ausführendes Organ des preußischen Königs remen Umbrüchen und Verwerfungen geprägt: Die Folgen in , versteht er sich heute als Verteidiger und Präsident des Landkreistages Nordrhein-Westfalen der napoleonischen Besetzung waren nach der Übernahme Vorkämpfer der kommunalen Selbstverwaltungsfreiheit. Landrat des Kreises Mettmann der Gebiete der Rheinlande und Westfalens durch Preußen Das vorliegende Werk zeichnet diesen Weg von der infolge des Wiener Kongresses noch gut zu spüren. Erst preußischen Obrigkeit zur bürgerlichen Selbstverwaltung „Wenn es die Landkreise nicht gäbe, müsste man sie im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die dem König- nach. Die Geschichte diverser Verwaltungsreformen auch erfinden! Nur wenige Schöpfungen der Verwaltungskunst reich Preußen angehörenden Gebiete mentalitätsmäßig anderer Bundesländer belegt, dass die Kreisebene im haben sich so glänzend bewährt.“ und staatsrechtlich auch Teil eines Deutschen Reichs. Der Staatsaufbau schlicht unverzichtbar ist. Erste und Zweite Weltkrieg sowie die Zeit des National- Diese Worte sprach Bundespräsident Johannes Rau – der sozialismus brachten gewaltiges Leid, Elend und massive Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieser Festschrift langjährige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen – Veränderungen für die Menschen und das Staatswesen mit eine spannende Zeitreise durch 200 Jahre höchst lebendi- bei der Landkreisversammlung des Deutschen Landkreis- sich. Erst seit 1946 sind die Landesteile Rheinland – ohne ge Kreisgeschichte. tages am 9. November 2001 in Berlin. Bundespräsident seinen südlichen Teil, der Rheinland-Pfalz und dem Saar- Joachim Gauck machte sie sich in seiner Ansprache zur land zugeordnet wurde – und Westfalen in einem Bundes- 13. Landkreisversammlung des Deutschen Landkreistages land vereint. Die Kreise haben in all diesen Jahren existiert am 11. Januar 2013 zu eigen. und ihre Funktion als überörtliche Aufgabenträger effektiv wahrgenommen. War der Aufgabenkreis in den Jahren Ein Blick zurück in die Geschichte der Kreise, deren Grün- unmittelbar nach 1816 noch so überschaubar, dass Frei- dung sich im Rheinland und in Westfalen im Jahr 2016 herr vom Stein es hinreichend erschien, wenn dem Landrat zum 200. Mal jährt, bestätigt, dass die Bundespräsidenten lediglich wenige weitere Kräfte zur Seite standen, ist der mit ihrer Einschätzung absolut richtig liegen. Die auf den Kanon der zu erledigenden Tätigkeiten, die Größe der zu Thomas Hendele Freiherrn vom Stein zurückgehende Absteckung einer Ver- verwaltenden Gebiete und die Zahl der zu versorgenden waltungsebene zwischen den ländlichen Gemeinden und Bürger so stark angewachsen, dass Landräte in unseren dem Regierungsbezirk, die er selbst als Kreise bezeichnete, Tagen zum Teil tausend und mehr Mitarbeiterinnen und hat sich in den letzten 200 Jahren stets als erforderlich, Mitarbeiter zu führen haben. War der Landrat in den sinnvoll, effektiv und effizient erwiesen. Gründungsjahren und bis ins 20. Jahrhundert hinein vor

8 9 EINLEITUNG

Tillmann Lonnes, Rhein-Kreis Neuss

„Ich wurde am 26. Oktober 1757 von sehr achtungswerten setzte er sich unter dem Eindruck der französischen Besat- (AKKA) beim Landkreistag Nordrhein-Westfalen bereit, dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Des Weiteren analysiert Eltern geboren, unter dem Einfluss ihres religiösen, echt zung und einer verkrusteten und ineffizienten preußischen der Ausstellung und Publikation „200 Jahre rheinische und Beatrix Pusch, Archivarin des Kreises Soest, die kommuna- deutsch-ritterlichen Beispiels auf dem Lande erzogen: Verwaltung sowie einem drohenden Staatsbankrott für den westfälische Kreise“ Gestalt zu geben. len Gebiets- und Verwaltungsreformen vor allem der Jahre Die Ideen von Frömmigkeit, Vaterlandsliebe, Standes- und Zusammenschluss von Städten und Dörfern zu Kreisen 1929 und 1967 bis 1975. Abschließend befassen sich Familienehre, Pflicht, das Leben zu gemeinnützigen Zwe- ein, in denen die Bürgerschaft, organisiert in den Stän- Wilhelm Grabe, Archivar des Kreises Paderborn, erinnert in Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer, und Dr. Kai Zentara, cken zu verwenden und die hierzu erforderliche Tüchtigkeit den, selbst die Verantwortung für die Aufgabenerledigung seinem Aufsatz an die Gründungsphase der Kreise und die Hauptreferent des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, durch Fleiß und Anstrengung zu erwerben, wurde durch ihr übernimmt. Die Kreise sollten über eine schlanke, an den preußischen Reformen unter Berücksichtigung des mit dem heutigen Selbstverständnis der Kreise und Land- Beispiel und ihre Lehre tief in meinem jungen Gemüte ein- Bedürfnissen der Bürger orientierte Verwaltung verfügen, Freiherrn vom Stein. Gabriele Mohr, Archivarin des Rhein- räte als Garanten kommunaler Handlungsfreiheit. geprägt“. So beginnt Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr die von einem von den Ständen gewählten Landrat geleitet Erft-Kreises, befasst sich im Anschluss mit dem Wesen und vom und zum Stein seine selbst verfassten Lebens- wird. Die Verwaltung sollte einerseits Selbstverwaltungs- der Struktur der Kreise im frühen 19. Jahrhundert, einer Dem aufmerksamen Leser dieser Publikation wird nicht erinnerungen. Er ist der Mann, der im Jahr 2016 „200 aufgaben insbesondere in den Bereichen Schule, Soziales, Zeit, in der der Landrat stellvertretend für den preußischen entgehen, wie sehr die übergeordneten historischen Er- Jahre rheinische und westfälische Kreise“ symbolisiert und Polizei und Gesundheitswesen wahrnehmen, andererseits König hoheitlich tätig wurde. Dr. Stephen Schröder, Archi- eignisse die Entwicklung der Kreise im Rheinland und in damit an die Geschichte von 31 kommunalen Gebietskör- als untere staatliche Verwaltungsbehörde Staatsaufgaben var des Rhein-Kreises Neuss, stellt in seiner Abhandlung Westfalen geprägt haben, wie sehr aber auch umgekehrt perschaften erinnert, in denen heute mehr als zehn Millio- umsetzen. die Zunahme der Selbstverwaltungsaufgaben und den Weg die kommunale Selbstverwaltung den Verlauf der deut- nen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen leben. der Demokratisierung des Kreiswesens beginnend mit den schen Geschichte in den letzten 200 Jahren beeinflusst Diese von ihm empfohlene Grundordnung einer kom- Kreisordnungen von 1886/87 bis zum Beginn des „Dritten hat. Aus den vor 200 Jahren geschaffenen preußischen Auch wenn der erste Satz seiner Lebenserinnerungen nicht munalen Kreisverwaltung hat sich in der wechselhaften Reiches“ dar. Dr. Claudia Maria Arndt, Archivarin des Rhein- Verwaltungseinheiten entwickelten sich die heutigen Kreise auf eine tiefe demokratische Gesinnung hindeuten mag, Geschichte des Rheinlands und Westfalens über die Jahr- Sieg-Kreises, beschreibt sodann die schwierige Entwick- zu leistungsstarken, bürgernahen Gebietskörperschaften, wird dennoch die Erinnerung an die Entstehung der Kreise zehnte erst entwickeln müssen. Um diesen langwierigen lung der Kreise unter der nationalsozialistischen Diktatur, die selbstbewusst und eigenverantwortlich die ihnen zu- zu Recht auf das Wirken des Freiherrn vom und zum Stein und windungsreichen Prozess darzustellen, erklärte sich ehe Dr. Hansjörg Riechert, Archivar des Kreises Lippe, über gewiesenen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge, zurückgeführt. In seiner Nassauer Denkschrift von 1807 der Arbeitskreis der nordrhein-westfälischen Kreisarchive den mühevollen Neubeginn der Kreisentwicklung nach aber auch die staatlichen Verwaltungsaufgaben erfüllen.

10 11 „MIT DER SORGFÄLTIGSTEN SCHONUNG DER BE- STEHENDEN VERHÄLTNISSE“ – DIE EINRICHTUNG DER KREISE IN RHEINLAND-WESTFALEN 1816

Wilhelm Grabe, Kreis Paderborn

Die Kreise in Nordrhein-Westfalen werden 2016 zweihun- Der einköpfige schwarze Adler als Symbol dert Jahre alt. Zweifellos ein Grund zum Feiern. Aber: Ein preußischer Herrschaft. (Abb.: Preußenmuseum Blick in die Literatur lässt stutzig werden. So hat der Kreis Minden) Unna – als Rechtsnachfolger des Kreises Hamm – schon 2003 seinen zweihundertfünfzigsten Geburtstag began- gen. Im gleichen Jahr blickte man in Warendorf auf eine zweihundertjährige Kreisgeschichte zurück. 1966 feierten viele nordrhein-westfälische Kreise den hundertfünfzigsten Jahrestag ihrer Gründung, nicht allerdings der Kreis Soest, der dafür 1992 sein einhundertfünfundsiebzigstes Wiegen- Im 18. Jahrhundert verschob der absolutistische Militär- fest bejubelte. Wie passt das zusammen? Wie erklären sich staat die Gewichtungen zu seinen Gunsten. Auch wenn die die unterschiedlichen Geburtsjahre 1753, 1803, 1816 und Institution des Landrats – dieser Titel wurde per Reskript 1817? Und warum kann man 2016 mit guten Gründen auf 1702 für ganz Preußen eingeführt – adligen Interessen zwei Jahrhunderte Kreisgeschichte in NRW schauen? Rechnung tragen sollte, wurde aus ihm nach und nach ein landesherrlicher Beamter, der den 1723 neu geschaffenen Eine preußische Erfindung – Die Vorgeschichte Provinzialbehörden, den Kriegs- und Domänenkammern, unterstellt wurde. In altpreußischer Zeit unterlagen Städte Kreise und Landräte sind eine „besondere preußische und „plattes Land“ getrennten Verwaltungen; die Städte Schöpfung“,1 die sich allerdings weder planmäßig noch bildeten „Kreise“ mit Kriegs- oder Steuerräten an der Spit- gradlinig vollzog. Die Ursprünge in der Mark Brandenburg ze, das flache Land dagegen war in hiervon unabhängige reichen mindestens bis ins 14. Jahrhundert, wahrscheinlich Kreise eingeteilt. Den hier zuständigen Landräten oblag die

Preußen erhielt 1815 das Rheinland und Westfalen zugesprochen. (Abb.: Kreisarchiv Paderborn) sogar in slawisch-wendische Zeiten zurück. Die auf alte Handhabung der Polizei und die Aufsicht über die Gemein- Teillandschaften zurückgehenden Kreise bildeten die unte- den und Gutsbezirke. Obwohl die Landräte zunehmend ren ständischen Wahl- und Verwaltungsbezirke, an deren Aufgaben staatlicher Natur zugewiesen bekamen, blieb Spitze ein Kreisdirektor, Land- oder Kreiskommissar, später ein Rest ständischer Selbstbestimmung erhalten, denn ge- ein Landrat stand, und zwar sowohl als gewählter Sprecher wählt wurden sie nach wie vor von den Kreisständen. Aller- der Kreisstände wie als ernannter Vollzugsbeamter des dings kam lediglich der Adel aktiv und passiv in Betracht, Landesherrn. Wenn man so will, reicht also die Doppelei- denn die Mitgliedschaft bei den Kreisständen war auf genschaft des späteren preußischen Landrats zwischen Rittergutsbesitzer beschränkt und die bürgerlichen Ritter- kommunaler Selbstverwaltung und staatlicher Herrschafts- gutsbesitzer waren bereits 1769 von den Landratswahlen ausübung weit in die Vergangenheit zurück. ausgeschlossen worden.

12 13 Auch in den 1802 hinzugewonnenen westfälischen Ge- zusammen, dem auch die beiden neugeschaffenen Modell- bieten begann man umgehend mit der Etablierung preußi- staaten Großherzogtum Berg und Königreich Westphalen scher Verwaltungsstrukturen. Die Eingliederung der Fürst- angehörten. Hier wurde relativ rasch ein dreistufiges Ver- bistümer Münster und Paderborn leitete Karl vom und zum waltungssystem nach französischem Vorbild aus Depar- Stein, der sogleich eine umfassende Bestandsaufnahme tements, Arrondissements (Distrikte) und Munizipalitäten veranlasste und bei der „Bildung der Landes Collegien“ mit Präfekten, Unterpräfekten und Maires installiert, im eigene Akzente setzte. Die Landräte blieben zwar staatli- Königreich Westphalen durch Verordnung vom 11. Januar che Vollzugsbeamte, sie sollten aber „durch Besitzer adli- 1808, im Großherzogtum Berg per Dekret am 14. Novem- cher Güther aus dem angesessenen Adel oder in Erman- ber 1808. In den von Frankreich annektierten linksrheini- gelung aus fähigen, im Lande angesessenen Subjecten schen Gebieten hatte man das zentralistisch-bürokratische gewählt“4 werden. Die Organisation der vier neu gebildeten Präfektursystem bereits 1798 installiert. Mit der Expansion Kreise im Münsterland trat mit Wirkung vom1. Januar 1804 des napoleonischen Kaiserreichs erhielt schließlich ganz in Kraft. Hinsichtlich der Stellenbesetzungen wurden die Nordwestdeutschland nördlich einer Linie von Wesel nach „einländischen Beamten“, so Stein, „wenn sie irgend taug- Lübeck Ende 1810 einen Behördenaufbau nach französi- lich, beibehalten“.5 Allerdings hatte man ihnen als Kreis- schem Muster.

Karl vom und zum Stein (1757-1831) und Karl August von Hardenberg (1750-1822). schreiber erfahrene Beamte aus der Grafschaft Mark zur Die preußischen Reformer wollten auf Provinzial-, Kreis- und Gemeindeebene staatliche Seite gestellt. In Paderborn vollzog sich die Neuordnung Die Katastrophe von 1806 hatte die strukturellen Un- Bürokratie und kommunale Selbstverwaltung kombinieren. (Abb.: Kreisarchiv Paderborn) ähnlich. Am 10. April 1803 wurde die Einteilung in die drei zulänglichkeiten von Staat und Verwaltung in Preußen Kreise Paderborn, Brakel und Warburg bekannt gegeben. offengelegt. Im Augenblick der Niederlage öffnete sich Die Landräte wurden jedoch nicht ernannt, sondern am gewissermaßen ein Zeitfenster und für einen kurzen Mo- Die ursprünglich auf die Mark Brandenburg beschränkte entsprechend“2 offiziell abgesondert, gehörte faktisch aber 19. April 1803 durch die alten Landstände gewählt. Die ment gewannen die Reformer in Bürokratie und Militär die Einrichtung der Kreise und Landräte wurde nach und zum Kreis Hamm. In einer „Instruction“ vom 6. Februar 1753 drei Kandidaten hatten außerdem Probearbeiten vorzu- Oberhand über die konservativ-restaurativen Kräfte. Der nach auf die übrigen preußisch-brandenburgischen wurden die Aufgaben und Kompetenzen für die „Clev- legen, der Paderborner Landrat Maximilian von Elverfeldt Zwang zu Veränderungen ergab sich nicht zuletzt auch von Provinzen ausgedehnt. Auch in den preußischen Westterri- Märkischen Land Räthe“ festgelegt. Der Landrat wurde beispielsweise musste sich mit der – heute überaus aktuell daher, dass in den Rheinbundstaaten zahlreiche Neuerun- torien ging die Einführung des Landratsamtes schrittweise außerdem mit Unterbeamten ausgestattet, dem „Kreis- klingenden – Frage „Wie ist die Bevölkerung im Erbfürsten- gen nach französischem Vorbild umgesetzt wurden. Die vonstatten. In Minden gab es bereits vor der Inbesitznahme calculator“ bzw. Kreisschreiber sowie dem „Kreisausreuter“ tum Paderborn zu befördern und die Entvölkerung zu ver- Reformen in Preußen sind unauslöschlich mit den Namen durch Brandenburg Landräte, die aber mit der preußischen als polizeilichem Exekutivorgan. Das neugeschaffene hindern?“6 auseinandersetzen. Die Tätigkeit der Landräte Hardenberg und Stein verbunden. Karl vom und zum Stein Institution lediglich den Namen gemein hatten, da es sich Institut der Landräte entwickelte sich jedoch im „wilden im Paderborner Land begann mit dem 1. Dezember 1803. leitete vom Oktober 1807 bis zum November 1808 nur um ein landständisches Organ handelte. Hier – wie auch Westen“ Preußens keineswegs zu einem Erfolgsmodell. Die dienstlichen Obliegenheiten waren in Münster wie etwas mehr als ein Jahr die preußische Politik. In dieser in den Grafschaften Ravensberg, Tecklenburg und Lingen Zwar stellten die angesessenen Rittergutsbesitzer in der Paderborn durch separate Instruktionen geregelt. kurzen Zeit wurden einige bedeutende Reformvorhaben – wurden zwar 1734 bei der Neuorganisation und Straf- Hauptsache die Funktionsträger, gleichwohl entfaltete das auf den Weg gebracht, darunter die gleichsam als „Magna fung der unteren Verwaltungsstrukturen die alten Ämter Amt für den einheimischen Adel kaum Anziehungskraft. Der Zeit zu weit voraus – Die preußischen Reformen Charta“ deutscher Kommunalpolitik geltende Städteord- ernannten Landräten unterstellt, landrätliche Kreise im Zu sehr wurde die Einrichtung als Eingriff in alte ständi- nung. Karl August von Hardenberg wirkte zwar ab 1810 eigentlichen Sinne sind daraus jedoch nicht entstanden. sche Gewohnheiten und Herrschaftsrechte angesehen. Große Wirksamkeit konnte die neugeschaffene Behör- länger als ein Jahrzehnt als Staatskanzler, konnte aber das Nach ersten Anläufen unter Friedrich Wilhelm I. kam es Zumeist überließen die Landräte die täglichen Verwal- denstruktur jedoch nicht entfalten, da sich Preußen nach Reformwerk nur teilweise fortführen. Spätestens mit sei- in Kleve-Mark – allerdings ohne Moers und Geldern – erst tungsgeschäfte ihren Kreisschreibern, die sich einem zeit- der katastrophalen Niederlage gegen Frankreich in der nem Tod 1822 war die Reformära beendet. Ihren „Nimbus 1753 zur Installation von Kreisen und Landräten. genössischen Bericht zufolge wie „kleine Landesregenten Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober der Einzigartigkeit“7 haben die mit Stein und Hardenberg Der preußische Besitz am Niederrhein wurde in die Kreise über den müheseligen Bauern“3 aufführten. Mit einer 1806 und dem demütigenden Frieden von Tilsit am 9. Juli verbundenen Umgestaltungen inzwischen allerdings in dem Kleve, Emmerich und Wesel, die alte Grafschaft Mark in erneuerten Instruktion suchte die Regierung 1764 die 1807 vollständig aus dem Westen Deutschlands zurück- Maße eingebüßt, in welchem die Bedeutung der rheinbün- die Kreise Hamm, Hörde, Altena und Wetter gegliedert. Landräte zu energischerer Tätigkeit anzuhalten. ziehen musste. Unter dem Druck Napoleons schlossen dischen Reformen erkannt worden ist. Das Gebiet der Stadt Soest blieb „altem Herkommen sich die süd- und westdeutschen Fürsten zum Rheinbund

14 15 Gemessen an den Zielen waren die Erfolge der Refor- Dass eine umfassende Reorganisation von Kreisverfas- Hardenbergs spätere Vorstöße verfielen der Ablehnung.11 mer eher bescheiden, und zwar sowohl in Preußen wie im sung und -verwaltung ein zentraler Bestandteil des gesam- Die große Chance der Reformzeit, durch Einführung der Rheinbund. Aber auch wenn hier wie dort vieles in Ansät- ten Reformwerks war, darin waren sich Stein und seine Selbstverwaltung in Provinzen, Kreisen und Kommunen die zen stecken und manches angesichts großer Widerstände Mitstreiter einig. Die umfangreichen Vorarbeiten mündeten Bürger einzubeziehen, verstrich ungenutzt. und Gegenkräfte ganz auf der Strecke blieb, war doch das in einen auf Staatsminister Leopold von Schroetter zurück- Tor zur Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Gesell- gehenden, nicht weniger als 158 „Nummern“ umfassen- Stadt, Land, Fluss – Die Einteilung der Kreise 1816 schaft aufgestoßen und der Weg in eine bürgerlich-moder- den Entwurf einer Kreisordnung vom 13. Oktober 1808. ne Gesellschaftsordnung bereitet. Die bleibende Bedeu- Demnach stand an der Spitze eines Kreises ein königlicher Nach der Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei tung der preußischen Reformer manifestiert sich vor allem Verwaltungsbeamter. Dieser Landrat sollte die Kreisverwal- im Oktober 1813 brach das napoleonische Herr- in zwei Bereichen: Zum einen in der Reform der obersten tung führen, teils selbständig, teils im Zusammenwirken mit schaftssystem wie ein Kartenhaus zusammen. Die nachrü- Staatsverwaltungsorgane, indem an die Stelle der unüber- Kreisdeputierten. Die Kreise selbst sollten in Distrikte mit ckenden Preußen richteten zunächst Übergangsbehörden sichtlichen, teils sach-, teils provinzbezogenen Behörden je 8000 Einwohnern unterteilt werden, an deren Spitze die ein, da über das weitere Schicksal der besetzten Länder ein nach dem Ressortprinzip gegliedertes Staatsministe- Kreisdeputierten – eingesessene Grundbesitzer – standen, noch nicht entschieden war. Allerdings wurden per Feder- rium trat, zum anderen sollte vor allem die Idee der land- die vom Kreistag den obersten Landesbehörden zur Bestä- strich die französischen Amtsbezeichnungen ins Deutsche schaftlichen und kommunalen Selbstverwaltung langfristige tigung präsentiert werden sollten. Der Kreistag setzte sich übertragen und somit die Maires zu Bürgermeistern, die Wirksamkeit entfalten. aus gewählten Mitgliedern zusammen. Den Vorsitz über die Unterpräfekten zu Landräten oder Kreisdirektoren umde- Kreisversammlung und die Ausführung seiner Beschlüsse klariert. Europa wurde nach dem Sturz Napoleons auf dem Die Veränderung von Verwaltungs- und Staatsstruktur hat- übernahm ein Kreisdirektor, der aus den Reihen des Kreis- Wiener Kongress neu geordnet. Durch die Schlussakte te für die Reformkräfte besondere Bedeutung. Stein, der tags zu wählen war. Der Landrat sollte dem Kreistag nicht vom 8. Juni 1815 erhielt Preußen nun definitiv das Rhein- sein Programm im Juni 1807 in der berühmten „Nassauer angehören, ihm als königlicher Kommissar allerdings land und Westfalen zugesprochen. Dabei war die West- Denkschrift“ artikulierte, wollte auf Provinzial-, Kreis- und beiwohnen und die Kreistagsbeschlüsse genehmigen. erweiterung keineswegs Ergebnis zielorientierter Politik, Gemeindeebene staatliche Bürokratie und Selbstverwal- vielmehr betrachtete Berlin die westlichen Territorien zeit- tung kombinieren. Er bezog sich dabei – seine langjährigen Steins Rücktritt beendete die Diskussion um eine Kreisre- weilig als Kompensationsmasse für anderweitige Gebiets- rheinisch-westfälischen Erfahrungen übertragend – in form keineswegs. Am 30. Juli 1812 brachte Hardenberg arrondierungen. Allerdings konnte man sich im Konzert der erster Linie auf Vorbilder der älteren Ständeverfassung. In das „Edikt wegen Einrichtung der Kreisdirektorien und der Großmächte nicht durchsetzen, die in einem starken der ständischen Mitwirkung erblickte er ein stabilisierendes Gendarmerie“ auf den Weg, ausgearbeitet von seinem Ver- Hohenzollernstaat ein stabilisierendes Element inner- und belebendes Element des Staatswesens. Sein zentrales trauten Christian Friedrich Scharnweber. Das sogenannte halb einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur Anliegen mündete in das politisch-pädagogische Credo von Gendarmerie-Edikt sah – neben der Errichtung einer Land- erblickten. Die Grundlage für den späteren Aufstieg zur der „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns“ gendarmerie nach französischem Vorbild – eine Aufteilung Das sogenannte „Gendarmerie-Edikt“ vom 30. Juli 1812 sah eine Aufteilung Preußens in Kreise Großmacht entstand also eher zufällig, denn dass sich vor, die teils Kommunalverbände, teils staatliche Verwaltungsbezirke waren. Der Landadel lief durch die „Teilnahme der Eigentümer an der Provinzial-Ver- des gesamten Königreichs in „geographisch abgerundete Sturm gegen die neue Kreisordnung, deren Vollzug dann tatsächlich ausgesetzt wurde. Rheinland-Westfalen schon bald zur ökonomisch bedeu- waltung“.8 Alle drei Stände – Adel, Bürger und Bauern – möglichst gleiche“ Kreise vor, die sich auf Stadt und Land tendsten Region Preußens entwickeln würde, konnte zu sollten in den Selbstverwaltungskörperschaften von den erstreckten und lediglich die größeren Städte als eigene diesem Zeitpunkt schließlich niemand ahnen. Gemeinden über die Kreise bis hin zur Provinz vertreten Kreise ausnahmen. Die Kreise waren teils Kommunalver- sein. Hardenberg wollte zwar ebenfalls Nation und Selbst- bände, teils staatliche Verwaltungsbezirke. Als Kommu- Praktisch gleichzeitig mit der Inbesitznahme wurden mit verwaltung zusammenbringen, er verfolgte aber in seiner nalverbände sollten sie überall da eintreten, „wo die Be- Rechte der Gutsherren wurden eingeschränkt. Der Land- der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der „Rigaer Denkschrift“ vom September 1807 einen anderen, friedigung der Bedürfnisse der öffentlichen Sozietät über adel lief Sturm gegen die neue Kreisordnung, die ja in Provinzialbehörden“ die Grundlagen für eine einheitliche einen moderneren Ansatz, indem er für eine „Revolution die Kräfte der Gemeinden hinausgeht, oder ein höheres der Tat einen tiefgreifenden Angriff auf seine Privilegien Neuorganisation der Verwaltung gelegt. Der preußische im guten Sinne“ plädierte und die Umsetzung „demokra- mehr in das Staatsverhältnis eingreifendes Interesse zu bedeutete. Selbst Stein mochte sich mit den neuen Be- Staat wurde in zehn Provinzen eingeteilt, diese wiederum tische[r] Grundsätze in einer monarchischen Regierung“ gewahren ist“.10 An der Kreisspitze stand nicht mehr der stimmungen nicht anfreunden. Obwohl Hardenberg scharf in Regierungsbezirke. Die von Friedrich Wilhelm III. am einforderte. Nach seiner Vorstellung „würden die Kommu- adlige Landrat, sondern ein ernannter Kreisdirektor mit gegen die Wortführer der Opposition vorging, wuchs der 30. April 1815 in Wien unterzeichnete, allerdings erst am nitätsverwaltungen und Obrigkeiten bloß aus Gewählten weitreichenden Vollmachten. Als Vertreter der Bevölkerung Widerstand. Zugleich schwand der Einfluss der Reform- 8. Juli publizierte Verordnung gilt als „Geburtsurkunde“ bestehen; den Kreisvorstehern, den Verwaltungskammern, kamen sechs gewählte Kreisdeputierte hinzu, je zwei aus kräfte in Preußen nach dem Sieg über Napoleon zuse- der zunächst drei preußischen Westprovinzen. Die Provinz dem Ministerium neben dem König selbst würden Reprä- den Städten, den Landgemeinden und den Rittergutsbe- hends. Und tatsächlich ordnete Friedrich Wilhelm III. per Großherzogtum Niederrhein umfasste die Regierungsbe- sentanten beigegeben.“ Die Vorsteher der Kreise sollten sitzern, die die Kommunalangelegenheiten unter Aufsicht Kabinettsorder am 19. Mai 1814 eine nochmalige Prüfung zirke Koblenz, Trier und Aachen, die Provinz Jülich-Kleve- künftig nicht mehr aus dem Adel gewählt, sondern vom und unmittelbarer Leitung der Staatsbehörden erledigten. des Edikts an. Damit war die Kreisreform praktisch ge- Berg die Regierungsbezirke Köln, Düsseldorf und Kleve; König ernannt werden, und zwar „ohne Rücksicht auf den Überdies wurden die Patrimonialgerichte des Adels durch scheitert, lediglich die auf die Errichtung der Gendarmerie beide Provinzen wurden durch Kabinettsorder vom 27. Juni Stand“.9 die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzt, auch die polizeilichen bezüglichen Teile des Edikts wurden umgesetzt. Auch 1822 zur Rheinprovinz vereinigt.

16 17 Stein wie Hardenberg vorgesehene neuartige Form der ab und legte den Entwurf anschließend den Ministerien Kreise, die sich gleichmäßig über Stadt- und Landgemein- des Innern und der Finanzen vor. Mit der Veröffentlichung den erstreckten, wurde auf den Gesamtstaat übertragen. im Amtsblatt am 10. August 1816 erlangte dann die neue An der Spitze eines jeden Kreises sollte ein Landrat als Einteilung in zehn landrätliche Kreise ihre Wirksamkeit. Der Organ zur Vollziehung der Regierungsverfügungen stehen. Bekanntmachung schloss sich eine weitere an, in der „die Der Gesetzgeber behielt sich aber die Organisation der zur Wahrnehmung der Landraths-Stellen angeordneten Landratsämter und eine Instruktion für die Landräte aus- landräthlichen Commissarien, ingleichen die Kreis-Secre- drücklich vor. taire und Kreis-Copisten“ der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden. Die Regierung Minden gab zum 18. Ok- Am 3. Juli 1815 erließ Staatskanzler Hardenberg eine Aus- tober 1816 die Einteilung ihres Sprengels in zwölf Kreise führungsverordnung mit konkreten Vorgaben zur Kreis- bekannt, die Namen der kommissarischen Landräte waren Die im Juli 1815 publizierte „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung einteilung, die „mit der sorgfältigsten Schonung bestehen- bereits eine Woche zuvor publiziert worden. Beide, Kreise der Provinzialbehörden“ regelte nicht nur die Neuordnung der Provinzen und Regierungsbezirke, sondern auch die der unteren Verwaltungsbezirke. der Verhältnisse“ vorrangig unter Berücksichtigung alter wie Landräte, nahmen zum 1. November ihre Tätigkeit auf. Die Einteilung der Kreise sollte nach einer Vorgabe von Staatskanzler Hardenberg vorrangig unter Berücksichtigung alter Territorialgrenzen Territorialgrenzen und unter Beachtung wirtschaftlicher und Am 6. Oktober 1816 legte auch die Regierung in Arns- und unter Beachtung wirtschaftlicher und kulturräumlicher Zusammen- kulturräumlicher Zusammenhänge gebildet werden sollten: berg einen Plan zur Einteilung in zwölf Kreise vor, der von hänge erfolgen. „Es ist sehr zu wünschen, daß die Kreise, was Flächen- Friedrich Wilhelm III. genehmigt wurde und zum 1. Januar raum und geographische Lage betriff, so gebildet werden, 1817 in Wirksamkeit trat. Mit der Zuordnung der beiden daß Niemand leicht weiter als zwei bis drei Meilen“, also Kreise Siegen und Wittgenstein am 1. Juni gleichen Jahres 15 bis 20 Kilometer, „zum Sitz der Kreisbehörde hat, und war die Kreiseinteilung auch im Regierungsbezirk Arnsberg also, ohne auswärts zu übernachten, seine Geschäfte bei abgeschlossen. derselben abmachen kann. Eben so ist sehr zu wünschen, daß in Rücksicht der Bevölkerung die Kreise, auch in sehr In den drei preußischen Westprovinzen sind 1816 insge- bevölkerten Gegenden, nicht leicht über 36000 Einwohner samt 101 landrätliche Kreise entstanden, umgerechnet auf enthalten, in unbevölkerten, aber doch auch nicht leicht das heutige Nordrhein-Westfalen 74. Vor allem im Rhein- unter 20000 Menschen umfassen.“14 Mit der praktischen land sind diese Verwaltungsräume in der Folge mehrfach Umsetzung der territorialen Aufteilung wie auch der Aus- verändert worden. Hier hatten die mangelnden Ortskennt- wahl des Personals wurden Organisationskommissare der nisse der Organisationskommissare, vor allem aber die Eile, neuen Bezirksregierungen beauftragt. mit der diese ihre Vorschläge ausarbeiten und einreichen mussten, „Unvollkommenheiten zur unvermeidlichen Fol- Die Provinz Westfalen erhielt drei Regierungsbezirke, der einzelnen Landesteile erst nach und nach erfolgen In beiden Rheinprovinzen kam die Kreiseinteilung ver- ge“.16 Und so wurden in den Provinzen Großherzogtum Nie- und zwar Münster, Minden und Hamm bzw. Arnsberg; ih- konnte, war es überhaupt nicht möglich, die preußische Be- gleichsweise rasch zum Abschluss. Durch königliche derrhein und Jülich-Kleve-Berg schon in den allernächsten ren endgültigen Zuschnitt erhielt die Provinz, nachdem hördenverfassung sofort und gleichmäßig einzuführen. So Verfügung vom 20. April 1816 entstanden – einschließlich Jahren nicht weniger als 22 Kreise zusammengelegt. In das Herzogtum Westfalen und die beiden Grafschaften endete die Übergangsverwaltung erst mehr als zwei Jahre der Stadtkreise – im Regierungsbezirk Köln zwölf, im Re- Westfalen waren dagegen weniger Nachbesserungen not- Wittgenstein am 15. Juli 1816 vom Großherzogtum Hes- nach dem Abzug der Franzosen. Im Rheinland nahmen die gierungsbezirk Düsseldorf elf, im Regierungsbezirk Kleve wendig. Lediglich im Regierungsbezirk Arnsberg kam es sen-Darmstadt an Preußen abgetreten worden waren. Oberpräsidenten und Regierungen am 22. April 1816 ihre sechs, im Regierungsbezirk Aachen zwölf, im Regierungs- 1819 zu größeren Umgestaltungen, da man, insbesondere Beide Provinzen, das Rheinland ebenso wie Westfalen, Tätigkeit auf, die Westfalen folgten am 1. August. bezirk Koblenz 15 und im Regierungsbezirk Trier elf Kreise. im Sauerland, die topographischen Gegebenheiten und waren „Kunstgebilde“ und vereinigten zahlreiche ehemals Bereits zwei Tage später nahmen die Kreisverwaltungen – die damaligen Verkehrsverbindungen nur unzureichend eigenständige Territorien mit höchst unterschiedlichen poli- Die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Pro- zeitgleich mit den beiden Oberpräsidenten und den sechs berücksichtigt hatte. Den Zusammenlegungen und Grenz- tischen, wirtschaftlichen und konfessionellen Verhältnissen. vinzialbehörden“ vom 30. April 1815 regelte aber nicht nur Bezirksregierungen – ihre Tätigkeit auf. In der Provinz korrekturen sind dann erst in der zweiten Jahrhunderthälfte Die Integration der Westprovinzen stellte eine schwierige die Neuordnung der Provinzen und Regierungsbezirke, Westfalen wurden zunächst 34 Kreise eingerichtet. Hier aufgrund von Urbanisierung und Industrialisierung zahlrei- Aufgabe dar, war doch der Staat Preußen „grundverschie- sondern auch die der unteren Verwaltungsbehörden: „Je- ließ man sich mehr Zeit. Die Regierung Münster beispiels- che Teilungen gefolgt. den von den Ländern am Rhein.“12 Da die Inbesitznahme der Regierungsbezirk wird in Kreise eingetheilt.“13 Die von weise schloss erst Anfang August 1816 ihre Vorarbeiten

18 19 Über Aktivitäten und Leistungen der ersten rheinisch-westfälischen Landräte ist wenig bekannt. Georg von dem Bussche-Münch (1791-1874) war 26 Jahre alt, als er 1817 sein Georg Bärsch (1778-1866) hatte in den „Befreiungskriegen“ im Freikorps Schill gekämpft. Nach Joseph von Hartmann (1780-1859) war erster Landrat des Kreises Büren. Er entstammte einer Zu den herausragenden Persönlichkeiten zählt zweifellos der erste Landrat des Kreises Coesfeld, Amt im Kreis Rahden (Lübbecke) antrat. Die Dienstgeschäfte erledigte er von 1816 war er als Landrat in den Kreisen Lechenich, Solingen und Prüm tätig. 1856 veröffentlichte alten, 1803 in den Adelsstand erhobenen Paderborner Beamtenfamilie. (Abb.: Kreisarchiv Pader- Clemens von Bönninghausen (1785-1864), der allerdings weniger als Verwaltungsbeamter denn seinem Gut Benkhausen aus. (Abb.: Kommunalarchiv Minden) er „Erinnerungen aus meinem vielbewegten Leben“. (Abb.: M. Rolef) born) als Botaniker und Arzt Bekanntheit erlangte. (Abb.: Kreisarchiv Coesfeld)

Diener des Königs – Der preußische Landrat Da über Bildung und Befugnisse der Kreisstände aber noch nicht entschieden war, kam deren Mitwirkung an den Wahl und Anstellung der Landräte waren in der „Verord- Stellenbesetzungen im Westen der Monarchie zunächst Die definitiven Ernennungen erfolgten in der Regel nach der Landräte hatten durch eine Laufbahn beim Militär oder nung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehör- nicht zum Tragen. Bei der Erstanstellung 1816 galten kürzerer Bewährungszeit, mit wenigen Ausnahmen: Die bei der Gendarmerie an höherer Stelle auf sich aufmerk- den“ ausdrücklich offengeblieben. Durch Kabinettsorder somit noch andere Bedingungen, da, wie es in besagter Landräte im Westmünsterland erhielten teils erst 1827 ihre sam gemacht. Zu diesen zum Landrat umfunktionierten vom 11. Juni 1816 bestimmte Friedrich Wilhelm III. Kabinettsorder hieß, „bei der jetzigen ersten Organisation endgültige Bestallung – nach der endgültigen Feststellung Offizieren gehörte beispielsweise auch der erste Landrat anknüpfend an die altpreußische Praxis, dass der Landrat der Kreisbehörden in den alten und neuen Provinzen nicht der Sonderrechte der in den Kreisen ansässigen mediati- des Kreises Jülich, Carl von Bülow, ein stockpreußischer als staatlicher Beamter künftig durch die Kreisstände überall ein zum Landrat völlig qualifizierter, mit der Ver- sierten Standesherren. Protestant, dem „das Rheinland lebenslang fremd bleiben aus der Mitte der Rittergutsbesitzer zu wählen sei. fassung genau bekannter Gutsbesitzer anzutreffen sein sollte.“21 Der Anteil der Landräte bürgerlicher Abkunft Zu diesem Zweck sollten die Kreisstände der Regierung dürfte“.18 Deshalb gestattete der König, dass für den Über- Die 1816 ernannten Landräte waren im Durchschnitt – oftmals Abkommen alter Beamten- und Juristenfami- drei geeignete Bewerber vorschlagen; auf den Bericht gang auch versorgungsberechtigte Militärpersonen oder knapp über vierzig Jahre alt, der älteste war Clemens lien – betrug ziemlich genau ein Drittel, wobei regionale der Ministerien des Innern und der Finanzen ernannte der bewährte Verwaltungsbeamte ohne förmliches Verfahren August von Syberg, der als 62-jähriger sein Amt im Kreis Unterschiede ins Auge fallen: Im Regierungsbezirk Arns- König schließlich einen der Vorgeschlagenen zum Landrat. zu Landräten bestellt werden konnten. In der ersten Deka- Gemünd antrat, mit 26 Jahren war Georg von dem Bus- berg war das Verhältnis zwischen Adligen und Bürgerlichen Die preußische Landaristokratie hatte sich also mit ihren de wurden von der Staatsregierung überwiegend Beamte sche-Münch im Kreis Rahden der jüngste.20 Schaut man sogar fast ausgeglichen. Nur etwa die Hälfte der ersten rückwärtsgewandten Vorstellungen durchsetzen können, berufen, die in den Kreisen beheimatet waren und sich mit sich die Biografien der zwischen 1816 und 1826 im Rhein- Landräte-Generation war katholisch, was dem Anteil der war es ihr mit dieser Regelung doch tatsächlich gelungen, den lokalen Verhältnissen gut auskannten. Alle Anstellun- land und in Westfalen wirkenden Landräte – insgesamt 98 katholischen Bevölkerung im Rheinland und in Westfalen „zwischen den staatlichen Behörden und den sozialen gen geschahen zunächst provisorisch. Ein „Anspruch auf Personen – näher an, so wird deutlich, dass etwa zwei Drit- nicht annähernd entsprach. Die evangelischen Landräte Alltag der städtischen und ländlichen Gesellschaft … einen die künftige Beibehaltung als Landrat“19 könne daraus tel auf langjährige Erfahrungen in Justiz und Verwaltung wurden in katholischen Regionen nicht mit offenen Armen quasiständischen Schirm einzuziehen“.17 nicht abgeleitet werden, wie dem kommissarischen Landrat zurückblicken konnten. Mehr als die Hälfte der Landräte aufgenommen. des Kreises Halle, Maximilian von Korff-Schmising-Kerßen- hatte sogar studiert, in den allermeisten Fällen Rechts-, brock, unmissverständlich mitgeteilt wurde. Kameral- oder Staatswissenschaften. Gut 15 Prozent

20 21 David Wiethaus (1768-1854) war – wie mancher seiner Amtskollegen – Diener mehrerer Herren: Er wurde 1804 zum Kriegs- und Domänenrat in Hamm ernannt, avancierte 1809 zum Unterpräfekt des Arrondissements Hamm und fungierte anschließend von 1816 bis 1836 als preußischer Landrat in Hamm. (Abb.: Kreisarchiv Unna)

Bärsch sein gut einjähriges Zwischenspiel im Kreis Zucht wirken und sich um das Schulwesen kümmern. Sie beklagte vor allem die dürftige Personalausstattung der Lechenich mit den Worten: „Die Stelle des Landraths ist sollten sich ferner um Gewerbe und Landwirtschaft sorgen, Landratsämter, auch wollte er aus allen Steuerangelegen- gewiß die angenehmste in der Verwaltung.“23 Von den übri- die Infrastruktur verbessern und Wirtschaftsförderung be- heiten möglichst herausgehalten werden, da es ihm sonst gen Bediensteten in den Landratsämtern sind bestenfalls treiben. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte das Geschäft unmöglich sei, „das Vertrauen der Kreis-Einwohner zu ge- die Namen bekannt. Gelegentlich sind aber auch bei den der Rekrutenaushebung ebenso wie die Mitwirkung bei winnen und dadurch wohltätig auf das Ganze zu wirken.“29 Kreissekretären Karrieren zu beobachten: Alexander der Feststellung der Steuern und Erledigung von Steuerre- Obwohl die Instruktion vom Dezember 1816 niemals die Brandis, über viele Jahre zweiter Mann im Paderborner klamationen. Der vorläufige Charakter der Dienstvorschrift königliche Bestätigung erhalten hat, sollte sie sich in Er- Landratsamt, erhielt 1820 seine Ernennung zum Stadt- kam in Paragraf 14 zum Ausdruck, in welchem die Bildung mangelung einer endgültigen Bestimmung zum „Leitbild für direktor der Kreisstadt. von Kreisständen und die Bestellung von Kreisdeputierten die Handhabung der Verwaltungskunst“30 entwickeln, und besonderer Bestimmung vorbehalten blieb. Der Landrat zwar mindestens bis zum Erlass der provinziellen Kreisord- Zu dem Zeitpunkt, als die Kreise eingerichtet wurden konnte seine Dienstgeschäfte von seinem Gut aus erledi- nungen nach 1872. An einer bürokratischen Ausgestaltung und die landrätlichen Kommissare ihr Amt antraten, war gen, musste dann aber in der Kreisstadt ein Büro unterhal- des Landratsamtes war ohnedies niemandem gelegen. überhaupt nicht klar, nach welchen Ordnungen die Kreis- ten und dort regelmäßig Sprechstunden abhalten. Die vor- „Die beste Instruktion für die Landräte“, so der langjährige verwaltung vonstattengehen sollte. Den Landräten wur- gesehene Ausstattung des landrätlichen Geschäftslokals Landrat und nachmalige preußische Finanzminister Fried- Über Aktivitäten und Leistungen der rheinisch- de lediglich mitgeteilt, dass man „zu seiner Zeit“24 eine war ausgesprochen bescheiden.27 Die Instruktion bestimm- rich von Motz 1823 in einer Denkschrift, „bleibt immer die, westfälischen Landräte der „Pionierzeit“ weiß man Dienstanweisung erteilen werde. Darüber hinaus empfahl te als weitere Kreisbeamte die Bestellung eines Kreisse- recht viele gute Dinge mit so wenigen Akten als möglich zu insgesamt recht wenig. Es gibt einige wenige herausra- man „fleißiges Studium der Gesetzgebung, welches bei den kretärs, eines Kreisboten, eines Kreiskassenrendanten, bei tun, die Sache ins Leben zu führen und nicht im Papier zu gende Persönlichkeiten wie etwa Clemens von Bönning- ausführlichsten Instructionen immer ein wesentliches und größeren Kreisen auch die eines Kassenkontrolleurs; als begraben.“31 hausen, der allerdings weniger als Verwaltungsbeamter hauptsächliches Erfordernis bleibt“.25 Gesundheitsbeamte sollten ein Kreisphysikus und ein im Kreis Coesfeld denn als Arzt und Botaniker von sich Kreischirurgus für jeden Kreis bestellt werden. Der allum- Auch wenn sich ein konkretes „Gründungsdatum“ nicht reden machte, oder Ernst von Bodelschwingh, der nach Am 31. Dezember 1816 wurde den Bezirksregierungen fassenden Zuständigkeit der Landräte entsprach die dürfti- festmachen lässt, ist zumindest die Kreiseinteilung in seiner Station als Landrat in Tecklenburg von 1822 bis dann auf dem Dienstweg der Entwurf einer „Instruktion für ge personelle und technische Ausstattung in keiner Weise. Rheinland-Westfalen Ende 1816 abgeschlossen. 1831 zum Finanz- und Innenminister aufstieg.22 Karrieren die Landräte und die ihnen untergeordneten Kreisoffizi- Die damals geschaffenen gebietlichen Strukturen entwi- dieser Art blieben aber die Ausnahme. Bemerkenswert anten“ zugeleitet. Dieser insgesamt 56 Paragrafen umfas- Die Dienstinstruktion vom 31. Dezember 1816 wurde an ckelten vor allen Dingen in den eher ländlich geprägten sind die nicht selten langen Dienstzeiten, teilweise über alle sende Entwurf regelte die Ausbildungsanforderungen, den die Bezirksregierungen versandt mit der Maßgabe, sie den Regionen eine bemerkenswerte Beständigkeit und reich- politischen Zäsuren hinweg. Heinrich Wilhelm von Holtz- Rang, die Aufsichtsbefugnisse und die Amtsausstattung Landräten als vorläufige Anweisung vorzugeben. Nach ten als Identitätsraum nicht selten über die kommunale brinck beispielsweise übernahm 1790 die Verwaltung des des Landrats, er enthielt eine allgemeine Dienstordnung Ablauf eines halben Jahres sollten Landräte und Regie- Neugliederung der 1970er-Jahre hinaus. Die Kreise waren märkischen Landratsamts Altena, avancierte 1809 zum und Vorschriften über die besonderen Dienstverpflich- rungen zum Entwurf Stellung nehmen. Es gab von Beginn aber zunächst rein staatliche Verwaltungsbezirke, der Land- Unterpräfekten des Arrondissements Hagen und erhielt tungen. Demnach war der Landrat Organ der staatlichen an starke Bedenken. Die Oberpräsidenten sprachen sich rat war Staatsbeamter. Es gab keine Kreisverfassung und im Januar 1817 seine neuerliche Ernennung zum Altenaer Verwaltung. „Die Landräte“, so heißt es weiter, „haben auf einer Zusammenkunft in Berlin am 18. April 1817 ent- auch keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung Landrat. Maximilian von Elverfeldt war zunächst Domherr in gegen die Kreiseingesessenen Glimpf, Bescheidenheit und schieden gegen die Instruktion aus, sie vermissten Klarheit bei der Verwaltung des Kreises. Von einem kommunalen Paderborn, dann von 1803 bis 1806 preußischer Landrat, Geduld, aber auch – wo die Pflicht es erheischt – Ernst und Bestimmtheit, man erhalte im Westen, wo Landräte Leben im Kreis, ganz zu schweigen von einer kommunalen von 1807 bis 1813 westphälischer Unterpräfekt und von zu beweisen, sich überall rechtschaffen zu benehmen, unbekannt seien, keinen Begriff von deren Wirkungskrei- Selbstverwaltung, konnte bei seiner Einrichtung nicht 1816 bis 1830 erneut Landrat in Paderborn. Dass Landrä- tätig und überlegt zu handeln, auf alles, was in ihrem Kreis sen.28 Auch die Regierung in Minden äußerte Vorbehalte gesprochen werden. Die reformorientierten Kräfte hatten te mehr als zwanzig oder dreißig Jahre an einem Ort tätig vorgeht, acht zu haben, sich von allem und jedem Notiz zu gegen den Entwurf, den sie den Landräten gar nicht erst sich mit ihren zukunftweisenden Vorstellungen nicht durch- waren, war keineswegs die Ausnahme; die 41 Dienstjahre verschaffen, dazu die ohnehin nach der Natur der Geschäf- zur Begutachtung weitergereicht hatte. Auf Anweisung setzen können. Ganz umsonst waren die Bemühungen von Emil August von Bernuth aus dem Kreis Lennep ragen te vorkommenden Reisen im Kreise fleißig zu nutzen und des Innenministers musste die Dienstanweisung aber An- freilich nicht: Viele ihrer Denkanstöße wurden Jahrzehnte allerdings deutlich heraus. Mit Peter Eberhard Müllensiefen sich dadurch des in sie gesetzten vorzüglichen Vertrauens fang 1818 dann doch einigen ausgewählten, besonders später aufgegriffen und fanden Eingang in die Kreisord- und Georg Bärsch haben immerhin zwei Landräte autobio- wert zu erhalten.“26 Die Landräte sollten bei den unteren erfahrenen Landräten zur Stellungnahme zugesandt wer- nung von 1872. grafische Aufzeichnungen hinterlassen. So resümierte Bevölkerungsklassen für sittliche Besserung und kirchliche den. Der Paderborner Landrat Maximilian von Elverfeldt

22 23 Der Kreistag: werden, damit der Großgrundbesitz einschließlich der Rit- 12 Organisation, Zusammensetzung und Tätigkeit tergutbesitzer fünf Vertreter erhielt.“ Der Kreistag Soest hatte beispielsweise 1829 insgesamt Das neue Organ „Kreistag“ hatte den Zweck, die „Kreis- 19 Abgeordnete. Davon stammten aus dem ersten Stand verwaltung des Landrates in Kommunal-Angelegenheiten zehn Abgeordnete,13 aus dem zweiten Stand drei Abgeord- 4 zu begleiten und zu unterstützen“. Damit konnten die nete und aus dem dritten Stand sechs Abgeordnete. Die Landratsämter erstmals offiziell die den Kreis betreffenden ständische Besetzung war nicht unumstritten, da die Be- 5 Kommunalangelegenheiten wahrnehmen. Gleichzeitig fähigung für das Amt an Grundeigentum gebunden war.14 sollte der Kreistag bei der Umsetzung der Staatsaufgaben Im Kreis Höxter wurde deshalb in den 1840er-Jahren von 6 behilflich sein. Der Kreisversammlung wurde ebenfalls das den Kandidaten das Ehrenwort verlangt, dass ihr Besitz Recht auf Mitwirkung bei der Besetzung der Landratsstelle im Kreis kein „Scheinbesitz“ sei, um sich den Abgeordne- zugestanden. Sie konnte drei Kandidaten benennen. tenstatus zu erschleichen.15 Die Rheinländer lehnten den 16 Die Kreistage waren ständisch besetzt. „Jeder Kreistag durch Adel und Grundbesitz begünstigten Stand ab, da setzte sich aus drei Ständen, welche die Besitzmassen dies dem Rheinischen Recht widersprach, das als wichtig- Großgrundbesitz, Kleingrundbesitz und Kapitalbesitz re- stes Prinzip die staatsbürgerliche Gleichheit vor dem präsentierten“7 zusammen. Der erste Stand bestand in Gesetz zu Grunde legte. Obwohl auch Preußen durch Westfalen und im Rheinland aus den Besitzern „der im neue Steuer-, Agrar- und Gewerbegesetzgebungen Kreis gelegenen ehemals reichsunmittelbaren Landesteile, Rahmenbedingungen für eine moderne Gesellschaft auf welche auf die nach der Verordnung vom 30. Mai 1820 den Weg gebracht hatte, wurde – trotz der Angreifbarkeit ihnen zustehenden Regierungsrechte verzichtet hatten, dieses Systems – auf die alten Strukturen der Stände und auf dem Provinziallandtage im Stande der Fürsten und gebaut. Herren mit einer Virilstimme Beliehenen, sowie aus den Die Wahl der Kandidaten zum Kreistag erfolgte auf sechs 8 9 Rittergutbesitzern“. In den Rheinprovinzen und in West- Jahre. Nach drei Jahren wurden per Losverfahren die Kan- falen konnten Deputierte dieses Standes durch Familien- didaten der Gemeinden ausgetauscht.17 Die Kandidaten mitglieder oder durch eine Person, die zur Ritterschaft des des Kreistages sollten zudem einer christlichen Kirche preußischen Staates gehörte, vertreten werden. Den zwei- angehören, das 24. Lebensjahr vollendet haben und einen ten Stand bildeten die städtischen Abgeordneten. Je Stadt unbescholtenen Ruf besitzen.18 WESEN, STRUKTUR UND AUFGABEN DER KREISE Im Zusammenhang mit der Verfassungsberatung im Jahr wurde ein Mitglied für den Kreistag von dem Gemeindevor- MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS 1820 wurde dem preußischen Staatsrat ein Kreisord- stand und Gemeinderat gewählt. Die Gewählten mussten Die Stände verhandelten auf dem Kreistag gemeinschaft- nungsentwurf für ganz Preußen vorgelegt. Die Umsetzung zudem Mitglied des jeweiligen Gemeindevorstandes oder lich. Beschlüsse wurden nach einfacher Mehrheit gefasst. Gabriele Mohr, Rhein-Erft-Kreis dieses Entwurfes scheiterte aber an den politischen Ver- der Gemeindevertretung sein.10 Es war möglich, dass grö- Der Landrat hatte kein Stimmrecht, sondern nur, wenn er hältnissen der damaligen Zeit. So wurden erst ab 1824 ßere Städte auf Antrag mehrere Abgeordnete zum Kreistag zugleich Kreisstand war. Bei Stimmengleichheit zählte die Die Kreisordnung vom 13. Juli 1827 3 Kreisordnungen für die preußischen Provinzen erlassen. entsenden konnten. Der dritte Stand waren Vertreter der Stimme des Vorsitzenden und, wenn dieser nicht stimmfä- Für das Rheinland und Westfalen brachte die Kodifizie- Landgemeinden, die sich aus den Bürgermeistern und Ver- hig war, die Stimme des ältesten Kreisdeputierten.19 Eben- Bis 1827 wurden die Besetzungen der rheinischen und der rung des Kreisverfassungsrechts die Kreisordnung für die tretern der Samtgemeinden zusammensetzten. Für jeden falls konnte ein Stand, wenn er sich in einem Beschluss westfälischen Landratsämter ausschließlich nach der „Vor- Rheinprovinzen und Westfalen vom 13. Juli 1827. Vertreter der Städte und Landgemeinden war ein Stellver- nicht entsprechend vertreten sah, dagegen Einspruch läufigen Instruktion für die Landräte und Kreisoffizianten“ Die Kreisordnung von 1827 diente in erster Linie der Ein- treter zu wählen. 1836 wurde ergänzend bestimmt, dass einlegen. vom 31. Dezember 1816 vorgenommen.1 Die Kreise zähl- „in der Rheinprovinz für die Stadtgemeinden nur solche richtung von Kreistagen. Dies war gegenüber der vorläu- Der Kreistag tagte mindestens einmal im Jahr auf Einla- ten damals im Durchschnitt 20.000 bis 36.000 Einwohner figen Dienstinstruktion von 1816 ein erster Fortschritt, da Personen zu den Kreistagen abgeordnet werden sollen, die 11 dung des Landrats. Bei Bedarf waren mehrere Tagungen und hatten an ihrer Spitze einen vom preußischen König nun ein neues Kreisorgan neben dem Landrat eingeführt in der Stadt ein Haus besitzen“. Durch die Novelle vom ernannten Landrat.2 Dieser kam meist aus der ansässigen 26. März 1839 wurden zudem für die Rheinprovinz die Re- möglich. Die Sitzungen der Kreisverwaltungen fanden bei- wurde. Die bisherigen landrätlichen Kreise blieben beste- spielsweise in Gaststätten wie im Kreis Bergheim zwischen Gutsbesitzerschicht. Er sollte besonders angesehen sein hen und bildeten gleichzeitig die Bezirke der Kreisstände, gularien für den ersten Stand dahingehend geändert, dass, und das öffentliche Vertrauen besitzen. Ihren Dienst leiste- sollten auf dem Kreistag nicht wenigstens fünf stimmfähi- 1839 und 1842 in den Räumlichkeiten „der Witwe Nelles die in den Kreistagen vertreten waren. 20 ten die Landräte vom eigenen Grundbesitz aus. Sie hatten ge Rittergutbesitzer vorhanden sein, „nach dem Reglement in Bergheim“ statt. für die Unterbringung des Kreisbüros zu sorgen und die vom 17. März 1828 zum Landratsamte qualifizierte Vertre- Geschäftszeiten zu regeln. ter des meistbegüterten ländlichen Grundbesitzes gewählt

24 25 Der Landrat und sein Personal

Ab 1827 wurde der Landrat aus drei Vorschlägen der Kreisversammlung vom preußischen König ernannt. Er leitete die staatliche Verwaltung und war nun auch Vorsit- Adolf Karl Hubert Freiherr Raitz von Frentz (1797–1867). Er war Landrat von 1837/38 bis zender der Kreisversammlung. Diese berief er mindestens 1864. Auf sein Betreiben wurde 1855 die Spar- und Darlehenskasse des Kreises Bergheim gegrün- einmal im Jahr ein und leitete deren Sitzung. Er hatte die det. (Abb.: Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis) Tagesordnung für den Kreistag zu erstellen, diese den Mitgliedern des Kreistages zukommen zu lassen und die Schloss Schlenderhan in Bergheim-Quadrath-Ichendorf. Lithografie von Ferdinand Müller, um 1840. Schlenderhan war von 1837 bis 1864 Landratssitz. (Abb.: Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis) Sitzung des Kreistages der Königlich Preußischen Re- gierung in Köln, Aachen, Düsseldorf, Minden, Arnsberg Gehilfen.33 Sie wurden vom Kreistag gewählt und von der oder Münster anzuzeigen. Die Beschlüsse des Kreistages Regierung bestätigt. Sie waren keine Beamten und sie er- Die Kreistage „haben Staatsprästationen,21 welche kreis- weitere Ausbildung des Kreises als Kommunalverband27 waren dann ebenfalls der zuständigen Regierung zur Ge- hielten für ihre Tätigkeiten auch keine Entschädigung.34 weise aufzubringen sind, und deren Aufbringung durch das erfolgte durch die Ermächtigung der Kreisstände, Ausga- nehmigung vorzulegen. Wurden diese genehmigt, war der Gesetz nicht auf eine bestimmte Art vorgeschrieben ist, zu ben für gemeinnützige Einrichtungen und Anlagen oder die Landrat für deren Umsetzung verantwortlich. In Westfalen Die Landräte konnten zudem auf eine kleine Verwaltung repartiren.“22 Diese Leistung brachten die Kreistage bei- Beseitigung eines den Kreis bedrohenden Notstandes zu und in der Rheinprovinz waren die Landräte zudem Auf- für die Erledigung ihrer Aufgaben zurückgreifen. Meist spielsweise bei der staatlichen Steuerverwaltung ein, in dem erheben. Dafür wurden bestimmte Abgaben von den Kreis- sichtsbehörde über die örtliche Polizeiverwaltung. Eng da- arbeiteten Kopisten, Sekretäre, Gehilfen und Kreisboten für die Stände die Kommissionen wählten, die für die Verwal- bewohnern erhoben, die man als Kreiskommunalsteuer mit verbunden war auch die Aufsicht über die Kommunal- sie. Mit der Einrichtung der Kreiskassen kamen noch Kreis- tung der Klassensteuer23 gebildet wurden.24 Im Rheinland bezeichnen kann. In Westfalen wurden die Kreisstände mit verwaltung der Gemeinden. Diese übte der Landrat nach kassenkontrolleure und Rendanten dazu. Beispielsweise wurde seit 182825 die Klassensteuer regierungsbezirkswei- der Verordnung vom 25. März 1841 dazu ermächtigt, in der der Maßgabe der einzelnen Gemeindeordnungen aus.30 So arbeiteten im Büro des Landrates des Kreises Bergheim se aufgebracht. Eine Kommission, gebildet aus allen Land- Rheinprovinz am 9. April 1846.28 Sollte nun eine derartige „zählte die Revision der Bürgermeistereiregistraturen“31 vor 1861 neun Personen. Das landrätliche Büro sowie die räten im Regierungsbezirk, einem Mitglied der Regierung Kreiskommunalsteuer nötig werden, bedurfte der von den Ort zu seinen Aufgaben. Damit war der Landrat Mitte des Arbeitsplätze seiner Verwaltung befanden sich auf Schloss und je einem Mitglied der Kreistage, verteilte die Klassen- Kreisständen gefasste Beschluss der Bestätigung durch 19. Jahrhunderts der „König des Kreises“32 und handelte Schlenderhan (Quadrath-Ichendorf). Zur Einrichtung 35 steuer kreisweise. Die Verteilung innerhalb der Kreise er- das Plenum der jeweiligen Regierung. Den Kreisständen hauptsächlich im Interesse der preußischen Krone vor Ort. zählten Schreibpulte, Tische, Stühle und Aktenständer. folgte durch eine Kommission, die aus dem Landrat als Vor- untersagt waren mit dieser Steuer Zuschuss-Bewilligungen Sämtliche kreisbetreffenden Angelegenheiten liefen über Die Bürger konnten hier zu den angegeben Zeiten vor- sitzenden, drei Kreistagsmitgliedern und den Bürgermeis- für das Königliche Kreisbeamten-Personal oder die Büro- seinen Schreibtisch und wurden vom Landrat geregelt. Ihm sprechen. tern der klassensteuerpflichtigen Ortschaften bestand.26 Die kosten des Landrats.29 zugeordnet waren seit 1826 zwei Kreisdeputierte als

26 27 Postgebäude in Bergheim, 1847. (Abb.: Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis)

Der Kreissekretär des Landrats war ein von der Regierung und Sanitärwesen war nicht direkt dem Landrat unterge- geprüfter und bestellter Beamter, der den Landrat auch ordnet, sondern deren Anstellung erfolgte durch die Ge- Kreisverwaltung Bergheim (1859/61) bis zu 14 Tage vertreten konnte. Kreissekretäre gehörten schäftsanweisung der Regierung. Den Landräten standen zum festen Personalstab der jeweiligen Landratsämter und für ihre staatliche Aufgabe der Überwachung der Elemen- Funktion Amtsinhaber Wohnsitz wurden entlohnt. Sie führten die Bürogeschäfte und waren tarschulen Schulpfleger zur Seite,40 da in der Rheinprovinz in alle Amtsgeschäfte einbezogen.36 Der Kanzlist war da- wie auch in Westfalen Schulpflicht bestand. Die Schul- Landrat Adolf Karl Hubert Freiherr Raitz von Frentz Gut Schlenderhan gegen Privatsekretär des Landrats, zur Verschwiegenheit pfleger waren meist Geistliche, die für einen bestimmten Kreisdeputierter Jansen, Gutsbesitzer Rath verpflichtet und kein Beamter. Die Kreisboten waren ver- Schulpflegebezirk zuständig waren. Kreissekretär Rudolf Breiderhoff Quadrath mutlich für die Versorgung der Bürgermeistereien mit den Schulpfleger für den Ab 1838 waren die Landräte gehalten, statistische Daten entsprechenden Amtsschreiben beschäftigt. Sie wurden, Schulpflegebezirk Bergheim Johann Heinrich Clefisch Paffendorf wie auch die Gehilfen, vom Landrat aus dem Kreis der zu den Kreisen zu erstellen. Die Kreisstatistiken beinhal- „zivilversorgungsberechtigen Militärpersonen“37 ernannt und teten allgemeine Beschreibungen des Kreises bis hin zur Schulpfleger für den aus der Kreiskasse entlohnt. Der Kreisrendant wurde eben- Aufzählung von Gebäuden und Berufsgruppen im Kreis. Schulpflegebezirk Kerpen Johann Wilhelm Contzen Blatzheim Sie konnten für mehrere Jahre erstellt werden und waren falls vom Landrat ernannt und hatte die Aufsicht über die Kreisphysikus Dr. Heinrich August Leopold Wilhelm Harting Bergheim im Kreis Bergheim wie folgt gegliedert: 1. Gesundheits- Kreisnebenkasse. Diese hatte im Kreis Bergheim beispiels- Kreiswundarzt Johann Salentin Sartorius Bergheim weise unter anderen die Gebühren für die Ausstellung von Polizei, 2. Sittlicher Zustand, 3. Sicherheitspolizei, Kreistierarzt Peter Schoengen Kerpen Jagdscheinen zu vereinnahmen.38 4. Ordnungspolizei, 5. Feuer-Polizei, 6. Gewerbepolizei, 7. Steuerverwaltung, 8. Gemeinwesen, darunter Schulden, Kreiskommunalbaumeister Heinrich Müller Deutz Weiterhin arbeiteten in den Kreisen der Kreisphysikus, der Rechnungswesen, Schulwesen, Leistungen der Gemeinden Kreiskassenrendant Baltes, Steuer- und Kommunalempfänger Bergheim Kreischirurg, die Schulpfleger, der Kreistierarzt und der für Kirchen und Schulbedürfnisse, Gemeinde-Bauwesen, Kreisbote N.N. Kreiskommunalbaumeister.39 Das Personal im Medizinal- Armenwesen und Wegebau.41

Aufbau einer Kreisverwaltung, um 1860. (Graumann 2015, S. 48) 28 29 Hermann Heinrich Joseph Simons (1799-1867). Er war Landrat von 1836 bis 1867 im Kreis Köln. (Abb.: Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis)

Die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom 11. März 1850

In der allgemein angespannten politischen Lage der 1830er- und 1840er-Jahre führte die Pariser Februarre- volution 1848 europaweit zu aufständischen Bewegungen. Liberale Politiker strebten in Preußen und für alle deut- schen Länder nach einer konstitutionellen Verfassung. Diese angestrebte Reichsverfassung kam aber nicht zu Stande.47 Vielmehr erstarkte nach dem Niederringen der liberalen Kräfte in Deutschland und dem Ende der ersten Nationalversammlung in Frankfurt eine konservativ-restau- rative Politik, die die 1850er-Jahre kennzeichnete. In Preußen hatte der König bereits im November 1848 die Verwaltungsbezirke und Kommunalverwaltungen bestehen Nationalversammlung aufgelöst. Er erließ ohne parlamen- bleiben, die Kreisstände aber beseitigt werden. Der Landrat tarische Mitwirkung eine Verfassung für Preußen, die als wurde weiterhin vom König ernannt, aber ohne Vorschlags- oktroyierte Verfassung in die Geschichtsbücher einging. recht. Er war das Organ der Staatsregierung und leitete die Der Landrat hatte diese Informationen der Kreisversamm- Besoldung des Kreisbeamtenpersonals und die laufenden 1849/50 wurde diese Verfassung durch die beiden Kam- staatliche Verwaltung des Kreises.50 Seine Aufgabe war es, lung mündlich vorzutragen. Landräte nutzten für die Be- Bürokosten waren die Diensträume für das Personal und mern des preußischen Landtages revidiert. Der preußische im Kreisausschuss den Vorsitz zu führen. Die wichtigsten 44 kanntmachung der Kreisstatistiken, wie auch für die Be- den Kreistag zu stellen. Erst 1861 wurde verfügt, dass König, Friedrich Wilhelm IV., leistete seinen Eid auf sie am Befugnisse der Kommunalaufsicht sollten von der reinen kanntmachungen an die ihm unterstellten Bürgermeister, die Landräte grundsätzlich ihren Sitz in der Kreisstadt 6. Februar 1850. Mit diesem Akt wandelte er Preußen in Staatsbürokratie auf den neu eingeführten Kreisausschuss 45 das Medium der Presse. So waren 1845 die haben sollten. Ausnahmen waren aber einen konstitutionell-monarchischen Staat. übertragen werden. Dieser sollte den Kreis nach außen Statistiken des Landrats des Kreises Berg- weiterhin möglich. Es dauerte noch einige vertreten, die Beschlüsse des Kreistages ausführen, in heim gleichzeitig die ersten drei Ausgaben der Jahrzehnte, bis die ersten Kreishäuser für Die Verfassung enthielt neben dem Drei-Klassen-Wahl- dringenden Fällen die Funktion des Kreistages überneh- neuen Kreiszeitung „Kreisblatt für den Kreis die Unterbringung der Verwaltung und kreis- recht auch die Bestätigung der Religionsfreiheit, der men und ebenso die Aufsicht über die Gemeinden unter 42 Bergheim“. eigenen Sparkassen gebaut wurden. Pressefreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrt- 10.000 Einwohnern. Der Kreistag sollte aus 15 bis 40

heit. Kaum vier Wochen später, am 11. März 1850, verkün- Abgeordneten bestehen, die von den Gemeindevertretern Durch die sich häufende Aufgabenerledigung dete der König die neue Kreis-, Bezirks- und Provinzial- Mit der Kreisordnung 1827 wurden die nach absoluter Stimmenmehrheit gewählt wurden, wovon von 1815 bis über die Mitte des 19. Jahrhun- ordnung: „Den Kreisen, Bezirken und Provinzen steht die 51 Kreise zur „Aufgabenfindung“ befähigt. immer noch die Hälfte Grundbesitzer sein sollten. Die derts hinaus kam es zu einer ersten „Selbst- Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten unter Mitwirkung Kreisversammlung hatte einen selbstgewählten Vorsitzen- findung“ der Kreise. Damit begründet ist die Der Landrat hatte als Vorsitzender der der Staatsregierung zu“.48 Diese Kreis-, Bezirks- und Pro- Stände und als Vollzieher ihrer Entscheidungen aber eine den, für den Landrat galt Teilnahmepflicht und der Kreistag Eigenschaft der Kreise als Verwaltungs- und Steuerbe- vinzialordnung war die einzige einheitliche Kreis-, Bezirks- entschied über alle Kreisangelegenheiten, „insbesondere zirke,43 welche zum Teil bis heute als Element der unteren unentbehrliche Rolle und nur allmählich verbanden sich die und Provinzialverfassung für ganz Preußen.49 Sie kann Bereiche staatlicher Tätigkeit und „Kreisselbstverwaltung“.46 das Recht, Ausgaben zu beschließen und diese auf die staatlichen Verwaltungsbehörde wirkt. Die Aufgaben des letztlich als Ausfluss der Forderungen liberaler Kräfte nach Gemeinden des Kreises zu verteilen“.52 Er verfasst zudem Kreises als Kommunalverband waren zu dieser Zeit noch einer konstitutionellen Verfassung gesehen werden. Nach einen ordentlichen Kreishaushaltsplan. überschaubau. Neben der Verantwortung für die dieser Ordnung sollten die Kreise als untere staatliche

30 31 Auszug des Deck- und Schlussblattes vom Gutachten zur Florens Heinrich Gottfried von Bockum-Dolffs (1802-1899). Abänderung der Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung 1850. Er war Landrat im Kreis Soest von 1839 bis 1852. (Abb.: Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland) Bockum-Dolffs entstammte der protestantischen Oberschicht der Stadt Soest und war in den 1840er-Jahren Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. (Abb. Kreisarchiv Soest)

Die Kreisordnung vom 11. März 1850 wurde in Westfalen wohl nur im Kreis Soest unter Landrat von Bockum-Dolffs eingeführt.53 Als Verwaltungsexperte und Kenner des öffentlichen Rechts gehörte er zum Reformbeamtentum und hatte an der neuen Ordnung mitgearbeitet.54 Im Kreis Köln wurden ab März 1850 auch Wahlvorbereitungen nach Artikel 6 der neuen Kreisordnung von Landrat Simons getroffen.55 Hermann Heinrich Joseph Simons (1799- 1867) war von 1836 bis 1867 Landrat im Kreis Köln und zudem Landwirt auf der Domäne Vogelsang (Köln), wo sich auch die Kreisverwaltung befand. Wählbar war nun jeder Gemeindewähler des Kreises, der das 30. Lebensjahr voll- endet hatte, seit mindestens drei Jahren dem Kreis durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehörte und eine jährliche Klassensteuer von acht Thalern zahlte.

Die Kreisordnung scheiterte. Man kann auch sagen, sie wurde eigentlich nie wirklich flächendeckend umgesetzt. Nachdem der König neben den verfassungsmäßigen Volks- vertretern mit Erlass vom 28. Mai 1851 die Provinzialstän- de wieder aktivierte, wurde sozusagen die politische Rolle Es hätten sich schließlich „arge Mißstände“ gezeigt, da die rückwärts sichtbar. Regierung junge unerfahrene Verwaltungsbeamte in die So hatte die Düsseldorfer Provinzialversammlung am Kreise entsende, die keine Bindung an den Kreis hätten 19. Oktober 1851 an den König ein Gutachten des und nur an der „Bereicherung ihrer praktischen Kenntnisse 58 II. Ausschusses gesandt, das der Änderung der Kreis-, auf Kosten der ihrer Verwaltung anvertrauten Kreise“ Bezirks- und Provinzialordnung vom 11. März 1850, unter arbeiteten. besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse der Rhein- Gerade die fortschrittlichen Bestandteile der Kreisordnung provinz, diente. Das Gutachten wurde nach den Prinzipien stießen auf den Widerstand der konservativen politischen der „Autonomie, der Interessenvertretung und der Bevorzu- Kräfte. „Man holte vor der Umsetzung die Meinung der gung des größeren Grundbesitzes durch eine, seiner Steu- alten Kreis- und Provinzialstände ein. Diese konnten ihrer 56 erkraft mehr entsprechende Vertretung“ erstellt. Nach eigenen Beseitigung selbstverständlich nicht zustimmen, den Gutachtern — zu diesen zählten u. a. Graf zu Stolberg, denn das war in ihren Augen erstens gar nicht nötig, zwei- Freiherr von Salis-Soglio und von Buggenhagen — sollten tens sehr gefährlich“.59 Am 24. Mai 1853 wurde die Kreis-, die Kreistage „aus den durch die gewählten Gemeindever- Bezirks- und Provinzialordnung vom März 1850 wieder treter gewählten Mitglieder und aus den Besitzern jener im aufgehoben. Die alten Kreisordnungen wurden wieder Kreise belegenen Güter, welche mindestens einen Kata- eingesetzt oder für fortbestehend erklärt. Es dauerte noch 57 stral-Reinertrag von 1.000 Thlr. einbrächten“, bestehen. einmal mehr als 20 Jahre, bis Kreisordnungen in Preußen Außerdem sollte der Landrat wieder von der Kreisver- erlassen wurden, die sich inhaltlich an der Kreis- und sammlung vorgeschlagen werden. Provinzialordnung aus dem Jahre 1850 orientierten.

32 33 Dass die Berliner Verantwortlichen davon absahen, die neue Kreisordnung zeitnah auch in Westfalen und in der Rheinprovinz einzuführen, lag am Kulturkampf, der in den beiden mehrheitlich katholischen Provinzen besonders heftig entbrannt war und in Berlin die Sorge vor ultramontanen Einflüssen etwa bei Postenbesetzungen aufkommen ließ.8 Erst als sich die Beilegung dieses Großkonflikts zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche abzeichnete, wurde die Kreisordnung mit etwa Kreistag des Kreises Grevenbroich, um 1895. (Abb.: Archiv im Rhein-Kreis Neuss) 15-jähriger Verzögerung, inhaltlich aber „im wesentlichen textgleich“9 auch in Westfalen und in der Rheinprovinz ins DIE KREISORDNUNGEN VON 1886/87 UND DIE nahm ihren Ausgang nicht im Westen Preußens. Die Werk gesetzt. ENTWICKLUNG DER KREISE BIS 1933 Kreisordnungen für Westfalen und die Rheinprovinz orientierten sich vielmehr am Muster der Kreisordnung für Gneists Ideen wie auch der Stephen Schröder, Rhein-Kreis Neuss die östlichen Provinzen, die bereits am 13. Dezember 1872 gewandelte Charakter der ergangen war5 und durchaus als die „Verfassungsurkunde Kreise offenbarten sich bereits lediglich das Recht, „geeignete Personen, welche seit 10 Ohne Zweifel: In der Geschichte der Kreise im Gebiet des der Landkreise“6 angesehen werden kann. Sie in der „Grundsatznorm“ der mindestens einem Jahre dem Kreise durch Grundbesitz heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beschreibt stellte wiederum ein Element einer umfassenderen Ordnungen von 1886/87, oder Wohnsitz angehören, in Vorschlag zu bringen“ (§ 30), die Verkündung der Kreisordnung für die Provinz Westfalen Verwaltungsreform dar, zu der beispielsweise die heißt es doch gleichlautend ohne dass der König daran gebunden war. Voraussetzung 1 vom 31. Juli 1886 und für die Rheinprovinz vom 30. Mai Provinzialordnung (1875) oder das Gesetz über die in Paragraph 2: „Jeder für die Eignung war eine mindestens vierjährige Tätigkeit 2 1887 eine tiefe Zäsur. Diese Feststellung kann nicht nur allgemeine Landesverwaltung (1883) zu zählen sind.7 Kreis bildet nach näherer entweder als Referendar im Vorbereitungsdienst bei deshalb Gültigkeit beanspruchen, weil die Ordnungen – Inhaltlich-konzeptionell wurde die Kreisordnung von 1872 Rudolf von Gneist. Vorschrift dieses Gesetzes den Gerichten und Verwaltungsbehörden oder in den (Abb.: Wikimedia Commons) trotz wesentlicher Änderungen, die sie nach dem Umsturz durch den Berliner Juristen und Politiker Rudolf von einen Kommunalverband Selbstverwaltungsämtern des Kreises, des Bezirks oder 1918/19 und besonders durch die Ausrichtung auf das Gneist beeinflusst, einen der profiliertesten Verfechter zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten mit den der Provinz bzw. im Rheinland auch als Ehrenbürgermeister. „Führerprinzip“ im „Dritten Reich“ erfahren haben – bis zum sowohl des Selbstverwaltungsgedankens als auch Rechten einer Korporation“. Waren die Kreise bis dato vor Darüber hinaus wurden auch jene Personen als geeignet Ende des Zweiten Weltkriegs die normative Grundlage des der Verwaltungsgerichtsbarkeit seiner Zeit. Inspiriert allem als staatliche Verwaltungsbezirke in Erscheinung angesehen, welche die Befähigung zum höheren Kreisrechts in den beiden preußischen Provinzen bildeten. insbesondere durch die englischen Verhältnisse, wie getreten, denen nur wenige eigene Aufgaben Verwaltungs- oder Justizdienst erlangt hatten. Für diesen Sie haben darüber hinaus den Kreisen ein grundlegend sie sich ihm darstellten, ging es Gneist maßgeblich zugewachsen waren, so verschoben sich die Akzente Personenkreis war keine zwingende Verbindung zum anderes Gepräge gegeben, das in Teilen noch heute darum, Staat und Gesellschaft miteinander zu verbinden. nunmehr zugunsten verstärkter Selbstverwaltung. Kreisgebiet in Form von Grundbesitz oder Wohnsitz erkennbar ist. Neben der staatlichen Verwaltung haben Die unmittelbare Beteiligung der Bürger an den Die bis heute charakteristische „Doppelstellung der vorgeschrieben. Lag eine solche nicht vor, konnte die 11 sie insbesondere das bis dato nur schwach ausgebildete Staatsaufgaben spielte für ihn eine herausgehobene Kreise“ als staatliche Verwaltungsbezirke einerseits und betreffende Person vom Kreistag nicht vorgeschlagen, wohl 3 12 Selbstverwaltungsrecht der Kreise massiv gestärkt. Nicht Rolle. Auch war es ihm darum zu tun, staatliche und Selbstverwaltungskörperschaften andererseits trat fortan aber vom König ernannt werden. In der Sache bedeutete zuletzt deshalb sprechen Historiker bisweilen von der kommunale Aufgaben zu einem Ausgleich zu bringen wesentlich deutlicher zutage als in der Vergangenheit. die Regelung eine erkennbare Abkehr vom bisher 4 „Geburtsstunde der modernen Kreisverfassung“ . und nicht etwa scharf zu trennen oder gegeneinander zu Dies zeigte sich auch bei der Stellung des Landrats, praktizierten Berufungsverfahren. Demnach hatten die stellen. Gneists Vorstellungen wurden vom preußischen der neben dem Kreistag und dem Kreisausschuss das Kreisvertretungen über das Recht verfügt, bei Vakanz einer Genese und Inhalt der Kreisordnungen 1886/87 Innenminister Friedrich Albert Graf zu Eulenburg im Kern zentrale Kreisorgan bildete. Der Landrat stand gemäß der Landratsstelle drei geeignete Kandidaten auszuwählen und aufgegriffen und flossen in das Gesetz ein, das nach Kreisordnungen „an der Spitze der Verwaltung“ und wurde der Regierung vorzuschlagen, von denen der König sodann Die Genese der Kreisordnungen reicht weit zurück bis harten parlamentarischen Auseinandersetzungen 1872 bis 1918 „vom Könige ernannt“ (§ 30), danach vom einen für das Amt ernannte. Nunmehr war der „staatliche in die Jahre vor der Reichsgründung 1871, und sie verabschiedet wurde. preußischen Staatsministerium. Dem Kreistag verblieb Charakter des Landrates … wesentlich bestimmter

34 35 Das Wirkungsfeld des Kreistags erstreckte sich darauf, streitverfahren und als Beschlussausschuss;18 im letztge- „den Kreiskommunalverband zu vertreten [und] über die nannten Zusammenhang war ihm – ähnlich wie noch heute Kreisangelegenheiten nach näherer Vorschrift dieses Ge- – die Aufgabe übertragen, „die Beschlüsse des Kreistages setzes, sowie über diejenigen Gegenstände zu berathen vorzubereiten und auszuführen“ sowie „die Kreisangelegen- und zu beschließen, welche ihm zu diesem Behufe durch heiten nach Maßgabe der Gesetze und der Beschlüsse des Gesetze oder Königliche Verordnungen überwiesen sind, Kreistages, sowie in Gemäßheit des von diesem festzustel- oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden“ (§ 60). lenden Kreishaushalts-Etats zu verwalten“ (§ 79). Zudem

Kreisausschuss des Kreises Grevenbroich, um 1895. (Abb.: Archiv im Rhein-Kreis Neuss) Über ein generelles Zugriffsrecht oder ein allgemein- oblag dem Kreisausschuss die Ernennung, Anleitung und kreispolitisches Behandlungsmandat verfügte der Kreistag Beaufsichtigung der Beamten des Kreises. Da die Kreis- geworden“13; der Landrat wurde in stärkerem Maße zu Kreiseinwohner, lag aber sowohl in Westfalen als auch in nicht.17 Zu seinen konkreten Befugnissen gehörten jedoch tage vielfach nur selten tagten, war der Kreisausschuss in einem politischen (Staats-)Beamten, der zudem – dies der Rheinprovinz bei mindestens 20. Alle Kreistagsabge- u. a. der Erlass von Satzungen und Innenrechtsordnungen, der Regel das entscheidende Organ der Selbstverwaltung. bereits seit 1852 – aus rein dienstlichen Gründen ordneten wurden nunmehr gewählt; vormals existierende die Beschlussfassung über den Verteilungs- und Aufbrin- Dessen bedeutsame Stellung kam in gewisser Weise auch ohne Disziplinarverfahren in den Ruhestand versetzt altständische Relikte bzw. „geborene“ Mitgliedschaften gungsmaßstab der Kreisabgaben, die Feststellung des darin zum Ausdruck, dass für die landrätlichen Belange werden konnte. Allerdings war der Landrat gemäß der wurden beseitigt. Die eigentliche Wahl entsprach bis zum Kreisetats und der Grundsätze, nach welchen die Verwal- und diejenigen des Kreisausschusses nunmehr eine neuen Kreisordnungen keineswegs nur ein „Organ der Ende des Kaiserreichs nicht demokratischen Maßstäben, tung des dem Kreis gehörigen Grund- und Kapitalvermö- „Scheidung der beiderseitigen Geschäfts- und Registra- Staatsregierung“, als welches er „die Geschäfte der sondern erfolgte in einem komplexen Verfahren in drei gens sowie der Kreiseinrichtungen und Anstalten zu erfol- turführung“19 stattfand, was sich wiederum in unterschied- allgemeinen Landesverwaltung im Kreise“ führte; „als separaten Wahlverbänden, wobei je ein Verband auf die gen hatte, sowie diverse Wahlrechte. lichen Titeln für das Personal des Landratsamtes nieder- Vorsitzender des Kreistages und Kreisausschusses [leitete größeren Grundbesitzer, auf die Amtsverbände (Westfalen) schlug: Während etwa der „Kreissekretär“ für die land- er zugleich] die Kommunalverwaltung des Kreises“ bzw. Landbürgermeistereien (Rheinprovinz) sowie auf die Der Kreisausschuss wiederum beschrieb ein neues Organ, rätlichen Geschäfte zuständig war, kümmerte sich der (§ 32). Die vielzitierte Janusköpfigkeit des preußischen Städte entfiel. Die Abgeordneten, die weder Diäten noch das – sieht man von der kurzlebigen Kreisordnung von „Kreisausschusssekretär“ um diejenigen des Kreisaus- Landrats, der nach Bismarck zwei unterschiedliche Reisekosten erhielten, wurden auf sechs Jahre gewählt; 1850 ab – durch die Kreisordnungen von 1886/87 erst schusses. Den Vorsitz in selbigem (wie auch im Kreistag) Gesichter trug und gewissermaßen als „Scharnier“14 oder alle drei Jahre schied die Hälfte aus dem Kreistag aus und eingeführt wurde. Er bestand aus dem Landrat und sechs führte der Landrat, der im Kreisausschuss auch stimm- „Mittler“15 zwischen Staats- und Kommunalverwaltung wurde durch neue gewählte Abgeordnete ersetzt. Nach vom Kreistag „aus der Zahl der Kreisangehörigen“ (§ 76) berechtigt war und als einziger Berufsbeamter eine starke fungierte, sie offenbarte sich hier besonders deutlich. dem Umsturz 1918/19 gingen die Kreistage dann – ana- gewählten Mitgliedern, von denen zwei Mitglieder alle zwei Stellung innehatte. Er führte u. a. die laufenden Geschäfte log zum Reichs- und preußischen Landtag – aus allgemei- Jahre ersetzt bzw. wiedergewählt wurden. Wie der Landrat des Ausschusses, leitete und beaufsichtigte den Einen gewandelten Charakter erhielt auch der Kreistag nen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen nach hatte auch der Kreisausschuss sowohl staatliche als auch Geschäftsgang und vertrat das Gremium nach außen infolge der Regelungen von 1886/87. Die Anzahl seiner den Grundsätzen der Verhältniswahl hervor.16 nichtstaatliche Verwaltungsaufgaben. Im erstgenannten (§§ 80 und 81). Mitglieder bestimmte sich demnach gemäß der Zahl der Kontext fungierte er als unterste Instanz in Verwaltungs-

36 37 Das Chemische Untersuchungsamt des Land- und Stadtkreises Neuß legte regelmäßig Rechenschaft über seine Tätigkeiten ab. (Abb.: Archiv im Rhein-Kreis Neuss)

Aufgaben, Personal und Finanzen der Kreise (1886/87 – 1933)

Mit dem Inkrafttreten der Kreisordnungen für die Provinz artig anstieg. Aber auch entlang der Rheinschiene zwi- Westfalen am 1. April 1887 und für die Rheinprovinz am schen Bonn und Düsseldorf entwickelten sich Chemie 1. April 1888 war das verfassungsrechtliche Fundament und Maschinenbau, später die Automobilproduktion zu gelegt, auf welchem die Kreise bis 1933 eine im Ganzen Boomindustrien. Mancher umliegende Kreis wurde wie bemerkenswerte Entwicklung hin zu einer funktionsge- z. B. Recklinghausen oder Mettmann tief hineingezogen rechten Verwaltung vollziehen konnten. Geprägt war die in den „Strudel der Industrialisierung“21 und entwickelte Epoche durch eine signifikante Aufgabenvermehrung, sich selbst zu einem „Industriekreis“22 mit gewerblich- welche insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg mit einem industrieller Prägung. Andere Kreise nicht zuletzt an den deutlichen Zuwachs an Personal und Finanzmitteln ein- Grenzgebieten des Rheinlands und Westfalens vermochten trizitätswerke erfolgte, sowie (nach Verabschiedung des herging, sowie nach dem Ende der Monarchie durch eine ihre agrarische Struktur in stärkerem Maße zu bewahren entsprechenden Gesetzes vom 28. Juli 1892) der Bau von Demokratisierung der Kreistage infolge der veränderten oder wurden durch die Industrialisierung sogar erst zu „rein Kleinbahnen. Die für den regionalen Rahmen bestimmten Wahlgesetze. landwirtschaftliche[n] Kreis[en]“23. Das war das Schicksal wende zur Bildung erster Kreisfeuerwehrverbände im Bahnen ergänzten den Ausbau des Straßennetzes und des Landkreises Neuß, der mit dem Ausscheiden der Stadt Rheinland und in Westfalen führte. Einige Kreise wie z. B. waren für die Verbesserung Im Einzelnen vollzogen sich die Wandlungsprozesse Neuß aus dem Kreisverband im Jahre 1913 sein industriel- Mettmann, Moers, Neuß oder Solingen richteten vor 1914 der Verkehrsverhältnisse allerdings sehr unterschiedlich. Dies lag zum einen daran, les Herzstück verlor. Letztlich wurden aber auch vergleichs- bereits Untersuchungsämter zur Nahrungsmittelkontrolle unverzichtbar. Einige der da- dass die Kreisordnungen von 1886/87 die Selbstverwal- weise ländliche Gebiete durch den massiven Ausbau der ein. Im Bereich der Selbstverwaltung wiederum standen maligen Gründungen wie die tung der Kreise zwar massiv gestärkt, letztlich aber Verkehrswege mehr und mehr mit den industrialisierten auch nach Inkrafttreten der neuen Kreisordnungen zu- Ruhr-Lippe Kleinbahnen haben weithin unbestimmt gelassen hatten, was genau als Aufga- Regionen verwoben. nächst die bekannten Aufgaben im Vordergrund. Dies galt sich in gewandelter Form bis be der Kreise (und nicht etwa der Gemeinden) anzusehen zuvorderst für den Straßenbau, der sowohl im Rheinland als in die Gegenwart gehalten. war.20 Zum anderen nahmen sich die wirtschaftlichen und In zeitlicher Perspektive lässt sich die Entwicklung der auch in Westfalen einen kräftigen Aufschwung nahm, sei Darüber hinaus scheinen es in sozialen Verhältnisse in den einzelnen Kreisen im Unter- Kreise bis zum Beginn der NS-Herrschaft in drei Phasen es in Form von Kreisstraßen, sei es durch die Übernahme besonderem Maße gewerblich- suchungszeitraum überaus heterogen aus. Zwar waren einteilen, deren erste bis zum Kriegsausbruch 1914 dauer- oder Unterstützung von Gemeindestraßen durch die Krei- industriell ausgerichtete Krei- die rheinischen und westfälischen Kreise niemals gänzlich te.24 Bereits dieser Zeitabschnitt war durch eine deutliche se. So veranschlagte ein eher ländlicher Kreis wie Soest se gewesen zu sein, die sich homogene Gebilde gewesen. Die im letzten Drittel des Vermehrung sowohl der staatlichen Aufgaben als auch der immerhin gut zwei Drittel der im Haushalt 1888/89 aus- schon vor 1914 den später 25 Paul Felix Walter zur Nieden, Landrat 19. Jahrhunderts voll zur Entfaltung kommende Industria- Kreisselbstverwaltung gekennzeichnet. Auf dem Gebiet der gewiesenen Ausgaben für den Wegebau. Zum Spektrum immer größeres Gewicht er- des Kreises Mettmann 1904 bis 1929. lisierung samt der damit verbundenen gesellschaftlichen Staatsverwaltung übernahmen die Kreise neue Aufgaben der traditionellen Selbstverwaltungsaufgaben zählten ferner langenden Aufgaben des Ge- (Abb.: Kreisarchiv Mettmann) und sozialen Rückwirkungen verstärkte ihre Verschieden- z. B. als Veranlagungsbehörde für die Einkommenssteuer Landeskulturarbeiten (Meliorationen) oder die Sparkassen, sundheitswesens, der Sozialhygiene und der Jugendpflege artigkeit jedoch noch erheblich. Namentlich an der Ruhr, oder im Versicherungs- und Veterinärwesen. Manche die nach der Jahrhundertwende diverse Neugründungen zu widmeten. Hervorzuheben ist in diesem Kontext der Kreis einer früher eher ländlichen Gegend, vollzog sich infolge Kreise – beispielhaft seien Arnsberg, Recklinghausen, verzeichnen hatten. Jenseits des Bekannten sind vor allem Mettmann, der unter Leitung von Landrat Paul Felix Walter der Ausdehnung des Bergbaus und der Erzgewinnung ein Herford und Mettmann genannt – unterstützten zudem zwei wichtige Aufgaben zu nennen, derer sich die rheini- zur Nieden 1910 einen hauptamtlichen Kreiskommunalarzt massiver Verstädterungs- und Verdichtungsprozess: die Ortspolizeibehörden in Bausachen und stellten hierfür schen und westfälischen Kreise vor 1914 annahmen: die und 1913 einen Kreiszahnarzt einstellte – jeweils als erster Das rheinisch-westfälische Industriegebiet entstand und eigenes Personal ein. Eine ähnliche Förderung erfuhr der Elektrifizierung des ländlichen Raums, welche teils durch Landkreis im Deutschen Reich.26 mit ihm Industriedörfer, deren Einwohnerzahl explosions- gemeindliche Feuerschutz, was nach der Jahrhundert- Beteiligung an RWE, teils durch Gründung eigener Elek-

38 39 Der größere Dienstanfall und die steigende Bevölkerungs- damals eher die Ausnahme. Indes zeigte sich nicht nur bei zahl sorgten vor 1914 überall für eine deutliche Auswei- größeren Verwaltungen eine Tendenz zur Ausdifferenzie- tung des Haushaltsvolumens und für eine Vermehrung des rung des Personals wie auch zur Planung und Errichtung Personalstamms. Für den Kreis Lippstadt ist etwa überlie- funktionaler, aber auch repräsentativer Kreishäuser. Der fert, dass sich die im Haushalt ausgewiesenen Gesamt- Siegkreis beauftragte mit dem Kölner Regierungsbaumeis- ausgaben zwischen 1900 und 1913 annährend verdop- ter Carl Moritz sogar einen der zeitgenössisch führenden pelten.27 Dass Lippstadt wie alle anderen rheinischen und Architekten auf dem Gebiet des Theater-, Kirchen- und westfälischen Kreise im Jahre 1913 dennoch „mit einem Geschäftshausbaus für die Errichtung seines 1907 31 Das nach Plänen von Carl Moritz (1863-1944) errichtete Kreishaus Siegburg. positiven Finanzierungssaldo [abschloss], darf als Ausweis eröffneten Kreishausneubaus. Insgesamt ging die Zeit (Abb.: Archiv des Rhein-Sieg-Kreises) einer ausreichenden Finanzausstattung und soliden Finanz- der häufig umziehenden und oft provisorisch untergebrach- politik gewertet werden“28. Wesentlichen Anteil hieran hatte ten Kreisverwaltungen im Rheinland und in Westfalen das Kreis- und Provinzialabgabengesetz vom 23. April ihrem Ende zu – ein deutliches Zeichen für eine stärkere Der Erste Weltkrieg repräsentierte sodann die zweite Deutsche Reich von den Weltmärkten zunehmend ab- 190629, welches die Kreise zur Erhebung sowohl von Ge- Professionalisierung. Entwicklungsphase, die durch einen neuerlichen, und zwar schnitt und auf die eigenen Ressourcen zurückwarf, zentral bühren und Beiträgen als auch von indirekten und direkten erheblichen und bedeutsamen Aufgabenzuwachs bei durch die Verwaltungen geregelt werden. Im Ergebnis kam Steuern berechtigte, wobei die direkten Kreissteuern über gleichzeitiger Verschlechterung der Finanzsituation der es „zum ersten Mal in der deutschen Geschichte zur Ein- die Gemeinden und Gutsbezirke umgelegt wurden. Das Kreise gekennzeichnet war. Der Krieg zog in weitaus führung eines vom Staat zentral gelenkten Versorgungs- Gesetz hat die Einnahmestruktur der Kreise wesentlich stärkerem Maße als frühere militärische Konflikte die systems“32. Alle preußischen Kreise waren dabei als Kom- verbessert und erheblich zur „bislang konsequenteste[n] „Heimatfront“ in das Kriegsgeschehen mit ein. Die Kreise munalverbände für die Aufbringung, Bewirtschaftung und Umsetzung einer sach- und aufgabengerechten Finanzaus- wurden dabei mit Aufgaben der sozialen Fürsorge und Unterverteilung der Lebensmittelkontingente zuständig, stattung“30 der Kreise beigetragen. Personell freilich Wohlfahrt betraut, z. B. im Rahmen der Familienunterstüt- was mit gewaltigen Anstrengungen verbunden war und blieben die meisten Kreisverwaltungen trotz eines vor zung; vereinzelt – etwa in Moers oder im Siegkreis – kam teils zu erheblichen Personalvermehrungen sowie zur 1914 vielerorts zu beobachtenden Mitarbeiterzuwachses es auch schon zur Gründung von Kreiswohlfahrtsämtern. Gründung kreiseigener Gesellschaften (z. B. Kriegs- insgesamt recht überschaubare Gebilde. Ein einwohner- Vor allem aber waren die Kreise auf dem zentralen Feld der schlächtereien) führte. Auf die vormals zufriedenstellende starker Kreis wie Recklinghausen, wo sich die Anzahl der Versorgung mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern des Finanzsituation wirkte sich die kriegsbedingte Entwicklung auf dem Landratsamt bzw. beim Kreisausschuss täglichen Lebens gefordert. Was im Frieden durch ebenfalls einschneidend aus: Die Schulden der preußi- beschäftigten Beamten und Angestellten zwischen 1905 den freien Markt geregelt wurde, musste unter den Bedin- schen Kreise wuchsen. und 1910 von 63 auf 122 nahezu verdoppelte, beschrieb Belegschaft des Landratsamtes Soest 1914. (Abb.: Kreisarchiv Soest) gungen eines weithin globalen Krieges, welcher das

40 41 Die Elektrifizierung des ländlichen Raumes spielte vor wie nach dem Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle für die Kreisverwaltungen. Die Abbildungen zeigen den Aufsichtsrat des Elektrizitätsverbandes Büren-Brilon GmbH (EVBB) Mit dem Ende des Kaiserreichs und der „November- dieser Entwicklung hin zu einer stärker leistenden auf der Baustelle Stausee Wiemeringhausen (1928) sowie ein revolution“ 1918 begann die dritte Entwicklungsphase Verwaltung lag es, dass nach dem Ersten Weltkrieg Gebäude dieser Anlage. Der EVBB wurde am 6. Juni 1914 gegründet. Gesellschafter waren die Kreise Büren und Brilon. der rheinischen und westfälischen Kreise. Sie war überall Kreiswohlfahrtsämter entstanden, die ihrerseits 1929 kam der Kreis Wittgenstein hinzu. einerseits gekennzeichnet durch die erwähnte wiederum einen wesentlichen Anteil der Kreisausgaben (Abb.: Kreisarchiv Paderborn) Demokratisierung der Kreistage infolge des neuen absorbierten. Weitere wichtige Aufgabenfelder, denen Wahlrechts, wobei es eine Aufgabe zukünftiger sich die rheinischen und westfälischen Kreise während Forschungen bleiben wird, im Detail darzulegen, der Weimarer Zeit annahmen, betrafen die Förderung inwiefern die dadurch hervorgerufene Politisierung des im Krieg stark vernachlässigten Wohnungsbaus auch zu parteipolitischen Gegensätzen geführt hat. Für sowie die Gesundheitsfürsorge und die Jugendpflege, Soest zumindest, wo fast alle Beschlüsse einstimmig die ebenfalls zur Bildung eigener Kreisjugendämter gefasst wurden, konnte dies nicht festgestellt werden.33 führte. Aber auch der kostspielige Straßenbau und die Andererseits setzte sich die massive Inanspruchnahme Mitte der 1920er-Jahre in beiden Provinzen wohl weithin der Kreise durch den Staat während der Weimarer abgeschlossene Elektrifizierung waren nach wie vor Jahre weiter fort. Zwar fielen einige kriegsbedingte von Bedeutung. Gravierend wirkte sich für die Kreise Tätigkeitsfelder wie die Lebensmittelversorgung nach die unzureichende Finanzausstattung aus, mittels derer und nach weg. Durch Reichsgesetzgebung wurden die gesteigerte Aufgabenfülle bewerkstelligt werden den Kreisen jedoch neue Aufgaben übertragen, vor musste. Durch die zentralistische Finanzverfassung der allem im Sozial- und Jugendwesen, das zunehmend Weimarer Republik, die in Kontrast zur föderalistischen ins Zentrum des Tätigkeitsspektrums rückte. Mittelbar Finanzstruktur des Kaiserreichs bis 1914 stand, gerieten oder unmittelbar hatten viele der neuen Kreisaufgaben die Länder in totale Abhängigkeit vom Reich und die mit der Bewältigung der Kriegsfolgen oder der sich Kreise wiederum in Abhängigkeit vom Finanzausgleich anschließenden schweren Notzeit zu tun, welche durch der Länder. „Da das Land Preußen selbst mit erheblichen anhaltende Versorgungsprobleme und Inflation sowie Haushaltsschwierigkeiten zu kämpfen hatte, kamen die im Rheinland durch ausländische Besatzung teils in kommunalen Finanzierungsinteressen … regelmäßig Verbindung mit der Ausweisung führender Beamter zu kurz“36. Im Ergebnis nahm die Schuldenlast der gekennzeichnet war. Dies traf auf die Kriegsbeschädigten- Kreise weiter zu. Während der Weltwirtschaftskrise und Kriegshinterbliebenenfürsorge zu, galt aber ebenso und der dadurch verursachten Massenarbeitslosigkeit für die Fürsorge der in Not geratenen Sozial- und Klein- gerieten dieselben aufgrund der gravierend steigenden rentner oder für die Erwerbslosenfürsorge respektive Wohlfahrtslasten dann vollends in eine prekäre Lage. die Arbeitsvermittlung, die sich u. a. an entlassene Daran vermochte auch die sogenannte „Kompetenz- Soldaten richtete. Im Zuge der Neuregelung der Kompetenz“ nichts zu ändern, welche ihnen durch Gesetz öffentlich-rechtlichen Fürsorgeaufgaben 1924 wurden vom 29. Juli 192937 zuerkannt worden war und sie unter die Kreise dann offiziell zu „Bezirksfürsorgeverbänden“34 bestimmten Voraussetzungen ermächtigte, durch eigenen erhoben; ihr Tätigkeitsfeld dehnte sich auf weitere Beschluss eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Personengruppen aus, wobei mancher rheinische und Gemeinden an sich zu ziehen. Bereits am Vorabend der westfälische Kreis auch von seinem Recht Gebrauch sogenannten „Machtergreifung“ standen nicht wenige machte, Fürsorgeaufgaben an die kreisangehörigen Kreise im Rheinland und in Westfalen am Rande des Gemeinden zu delegieren.35 In der Konsequenz (finanziellen) Abgrunds.

42 43 diese landesweiten Ergebnisse gestaltet sich ein Blick auf Die Entmachtung der Kreistage ließ allerdings nicht lange die „nach Provinzen und einzelnen Kreisen aufgeschlüssel- auf sich warten: Ein- bis zweimal traten sie noch zusam- ten Resultate. Nach Abzug der alsbald gestrichenen kom- men, bis deren sämtliche Kompetenzen am 17. Juli 1933 munistischen Mandate verfügte die NSDAP in insgesamt per Gesetz auf den Kreisausschuss übergingen – dies 204 von 352 preußischen Landkreisen über eine absolute war die grundlegendste Änderung der Kreisordnung seit Mehrheit im Kreistag, in weiteren 22 stellte sie genau die 1872. Dieses so genannte „Übertragungsgesetz“ beseitigte Hälfte der Mandatsträger. Regionale Schwerpunkte dieser zudem das Recht und die Pflicht der Landräte, die Kreista- NSDAP-Dominanz in den Kreistagen waren die Provinzen ge einzuberufen. Sie blieben zwar formalrechtlich bis zum Eröffnungssitzung des Kreistags des Kreises Unna am 12. April 1933 in der dortigen Tonhalle. (Abb.: Kreisarchiv Unna) Ostpreußen, Brandenburg, Pommern, Niederschlesien, Ende der Wahlperiode am 12. März 1937 bestehen, traten Sachsen, Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau, mit aber in der Folgezeit nicht mehr zusammen und waren Abstrichen auch Hannover.“4 Anders sah es im katholisch somit zu reinen „Scheingebilden“ degradiert worden.6 Daher DIE KREISE WÄHREND DER ZEIT 12. März 1933 beschlossen und bis dahin die Neubeset- geprägten westlichen Westfalen und in der Rheinprovinz besaßen nun die Kreisausschüsse „für eine Übergangszeit DES NATIONALSOZIALISMUS zung kommunaler Ämter untersagt.2 Eigentlich wäre die aus, wo die Zentrumspartei in den Kreistagen die Mandats- besondere kommunalverfassungsrechtliche Bedeutung“, laufende Wahlperiode erst gegen Jahresende abgelaufen. mehrheit erringen konnte: In Westfalen erreichte die die jedoch mit dem „Führerprinzip“ nicht vereinbar war, Claudia Maria Arndt, Rhein-Sieg-Kreis Mit Wirkung zum 8. Februar 1933 wurden durch Verord- NSDAP 33 Prozent der Abgeordnetensitze in den Kreis- weshalb auch deren Befugnisse künftig immer stärkere nung des Preußischen Staatsministeriums die Vertretungs- tagen, in der Rheinprovinz 34 Prozent; somit lagen die Einschränkungen erfuhren. Durchsetzung des „Führerprinzips“ auf Kreisebene körperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände Ergebnisse der NSDAP hier deutlich unter dem Durch- aufgelöst. Daher traten die Kreistage, die aus den vom schnitt in Preußen in Höhe von Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident von Hin- 17. November 1929 stattgefundenen Kreistagswahlen 48 Prozent der Kreistagssitze. denburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Als nächstes woll- hervorgegangen waren und bei denen die NSDAP ledig- ten die Nationalsozialisten auch die staatliche Macht auf lich vier Prozent der vergebenen Mandate hatte gewinnen Offenbar wollte das preußische Innenmi-- lokaler und regionaler Ebene in ihre Hand bekommen, da können, in der Regel nicht mehr zusammen.3 Deren Befug- nisterium die Zusammenarbeit mit den sie dadurch direkten Einfluss auf die untersten Ebenen der nisse gingen vorübergehend auf die Kreisausschüsse über, neu gewählten Kommunalvertretungen Gesellschaft ausüben, der eigenen Führung im Reich bzw. wobei ihnen jedoch ausdrücklich die Entscheidungskompe- schnellstmöglich aufnehmen und forder-- Preußen den Rücken freihalten und mithilfe der kommu- tenz bei wichtigen Personalien bis zum Zeitpunkt der an- te mit Runderlass vom 16. März 1933 nalen Verwaltungen Ämterpatronage für NSDAP-Getreue gesetzten Wahlen untersagt wurde. Die Zeit bis zum Wahl- die Regierungspräsidenten auf, für betreiben konnten. Speziell in ländlichen Gebieten mit ka- tag nutzten die Nationalsozialisten, um die Wähler durch einen entsprechenden Termin für die tholischer Bevölkerung wie im Rheinland und in Westfalen großen Propagandaaufwand und massive Behinderungen Konstituierung der Gremien zu sorgen. hatte sich die NSDAP bisher nicht recht durchsetzen kön- der konkurrierenden Parteien für sich zu gewinnen. Der Die meisten Kreistage traten daher in nen – dies waren Hochburgen der Zentrumspartei – und ganz große Erfolg der NSDAP bei der Kommunalwahl am den ersten beiden Aprilwochen zu kon- damit war den Nationalsozialisten dort meist auch nicht die 12. März blieb indes aus, sie erhielt beileibe nicht in allen stituierenden Sitzungen zusammen, bei Besetzung der „entscheidenden politischen, administrativen Kreistagen die absolute Mehrheit, wobei sie generell in den denen „außer feierlichen Begrüßungs- und gesellschaftlichen Positionen“ gelungen.1 Landkreisen bessere Ergebnisse erzielte als in den Stadt- reden der präsidierenden Landräte und kreisen. Landesweit kamen die Nationalsozialisten auf 48 häufig auch der Kreisleiter der NSDAP“ Bereits am 4. Februar 1933 wurden daher in Preußen die Prozent der vergebenen Kreistagsmandate, die Kampffront u. a. die Neuwahlen der Kreisausschüsse vorzeitige Abhaltung von Kommunalwahlen in Preußen und Schwarz-Weiß-Rot auf 11 Prozent, Sozialdemokraten und und der Kreisdeputierten auf der Tages- Grafik aus der Deutschen Reichszeitung vom 15. März 1933. Wahlen zu den Preußischen Provinziallandtagen für den Zentrum auf je 15 Prozent. Wesentlich aussagekräftiger als ordnung standen.5

44 45 Ludwig Buttlar, von März 1933 bis Oktober 1934 Landrat des Siegkreises. Seit Juli 1932 war er Leiter der Ortsgruppe Königswinter der NSDAP. (Abb.: Heimatverein Siebengebirge)

Nach dem bis Juli erfolgten bloßen „Zerschlagen alter die Regierungspräsidenten nach Abschluss eines Rech- Entscheidungsstrukturen“ galt es, „adäquate Neurege- nungsjahres die Entlastung des Landrates vor, nicht mehr lungen an deren Stelle zu setzen“. So arbeitete man im der Kreisausschuss. preußischen Innenministerium an einer „systematischen staatsautoritären Umgestaltung der preußischen Ver- Mit Erlass der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Ja- Heinrich Loevenich war von Juni 1933 bis 1945 Landrat des Friedrich Homann war von Oktober 1934 bis zu seinem Tod Ferdinand Eickel war von 1934 bis 1945 Landrat des Kreises waltung auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen“. nuar 1935 gewann die Position des Landrates weiter an Landkreises Köln und ab dem 1. April 1944 zugleich vertre- im September 1937 Landrat des Kreises Paderborn. Nach dem Büren und ein überzeugter NSDAP-Anhänger. (Abb.: Kreisar- Grundsätzlich bekannte sich das Innenministerium aus- Bedeutung. In der Durchführungsverordnung vom 22. März tungsweise Landrat des Kreises Bergheim. Bereits im Jahr 1926 Eintritt in NSDAP wurde Homann 1929 Stadtverordneter chiv Paderborn) war er der NSDAP beigetreten und von 1927 bis 1937 deren in Bielefeld und im Gau Westfalen Nord im Oktober 1932 drücklich zum nationalsozialistischen Führerprinzip, was heißt es: „Bis auf weiteres ist Aufsichtsbehörde in Preußen Kreisleiter im Bereich des Landkreises Köln. (Abb.: Kreisarchiv mit dem Amt des Gauobmanns betraut. (Abb.: Kreisarchiv für die Kreisebene bedeutete, dass künftig in allen staat- für die kreisangehörigen Gemeinden der Landrat … In Rhein-Erft-Kreis) Paderborn) lichen und kommunalen Angelegenheiten der Landrat die Preußen … nehmen die bisher zuständigen obersten Lan- alleinige Entscheidungsgewalt besitzen sollte. Neben ihm desbehörden bis auf weiteres die Aufgaben der obersten Die Position des Landrates Qualifikation nachweisen konnten, auf den frei geworde- 15 sollte nur ein einziges weiteres Organ gebildet werden, ein Aufsichtsbehörde wahr. Sie sind an die Weisungen des nen Landratsposten unterzubringen. Allerdings waren so genannter Kreisrat, dem jedoch keinerlei Beschluss-, Reichsministers des Innern gebunden.“10 Die preußische „Verordnung zur Vereinfachung und Ver- diese Aktionen nicht immer von Erfolg gekrönt, denn die Anhörungs- oder Versammlungsrechte zustehen sollten, billigung der Verwaltung“ vom September 1932 verschob Landräte konnten sich „auf ihren Status als Staatsbeamte sondern der den Landräten „zur Sicherung ihrer Volksver- Durch die „Dritte Verordnung über den Neuaufbau des insbesondere für die staatlichen Aufgaben das Gewicht in und ihre staatliche Autorität“ zurückziehen und auch ihre bundenheit“ eine „Beratung durch geeignete Volksgenos- Reiches“ vom 28. November 1938 wurden dem Landrat Richtung des Landrats. Hiermit wurde den Vorstehern der gesetzlichen Qualifikationserfordernisse – Volljurist bzw. sen“ in allen kommunalen und staatlichen Angelegenheiten verschiedene Sonderbehörden im Kreis einverleibt. Durch staatlichen Sonderbehörden die Pflicht auferlegt, ständi- Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst – boten einen ermöglichen sollte. Zur Durchführung kamen diese Über- „Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung“ gen Kontakt mit dem Landrat zu halten, eine Regelung, die gewissen Schutz vor allzu rascher Verdrängung vom Pos- legungen letztendlich nicht.7 Durch das am 15. Dezember vom 26. September 1939 entfielen die „Beschlußzustän- 1939 noch erweitert werden sollte. Er hatte „die Vereinbar- ten, da reine Opportunitätsernennungen dadurch erschwert 1933 verabschiedete „Anpassungsgesetz“8 wurde das digkeiten der Vertretungskörperschaften und Kollegialbe- keit der Interessen der allgemeinen Landesverwaltung mit wurden. So konnten nachrückende „parteimäßig gebun- „Führerprinzip“ sowohl in der Staatsverwaltung als auch in hörden im Kreis … und gehen insgesamt auf den Landrat der Geschäftsführung der staatlichen Sonderbehörden zu dene oder politisch loyale Beamte“ trotzdem meist eine der gemeindlichen Selbstverwaltung weitgehend veran- über“.11 Er war damit faktisch das einzig handelnde Organ überwachen. Außerdem war es laut § 13 der Verordnung entsprechende fachliche Qualifikation nachweisen. Einen kert, durch das Gemeindefinanzgesetz vom 15. Dezember im Kreis, die Tätigkeit der Kreisausschüsse wurde durch nun möglich, „staatliche Sonderbehörden im Landkreis mit gewissen Rückhalt bot zudem das preußische und später 12 1933 außerdem die Zuständigkeit der Kreisausschüsse diese Verordnung beendet, wie die „Anordnung über die dem Landrat zu einem Kreisamt zusammenzuschließen“. Reichsinnenministerium, das z. B. im Mai 1933 „die auf in Kreiskommunalsachen in dem Kernbereich des Wirt- Verwaltungsführung in den Landkreisen“ vom 28. De- Bereits drei Tage nach den preußischen Kommunalwahlen Beurlaubung zielenden Zwangsmaßnahmen ministeriell“ schafts- und Finanzwesens aufgehoben. Den Landräten zember 1939 verdeutlicht: „Die Verantwortung für die am 12. März 1933 ließ Göring in einer ersten größeren verbat oder durch den „Ausbildungserlass“ 1936 nur noch oblagen nun allein „die Aufstellung, Feststellung und Aus- ordnungsgemäße Erfüllung aller Aufgaben der staatlichen „Säuberungswelle“ 29 preußische Landräte in den einst- solche Personen für die Position des Landrates zuließ, „die 13 führung der Haushaltssatzung. Sie hatten ihre Landkreise Verwaltung trägt im Rahmen seiner gesetzlichen Zustän- weiligen Ruhestand versetzen. Das durchaus einflussrei- in der Verwaltung selbst ihre volle Ausbildung erfahren“ 16 im bürgerlichen Rechtsverkehr zu vertreten, führten die digkeiten ausschließlich der Landrat; das gilt nach Maßga- che Amt des Landrates weckte zudem Begehrlichkeiten hatten. Dennoch wurden von Ende März bis 30. Juni Verwaltung der Eigenbetriebe und vertraten ihre Kreise in be des Kreisverfassungsrechts auch für die Aufgaben der seitens der NSDAP, die versuchte, mittels Pressionen, 1933 insgesamt 14 Landräte abgesetzt, Ende 1934 waren Gesellschafterversammlungen anderer Unternehmen.“9 Die Selbstverwaltung des Landkreises. Der Landrat ist in allen Terror, Diffamierung und anderer Druckmittel Landräte nur noch 38 Prozent der 31 Weimarer Landräte Westfalens 14 Kreisausschüsse verloren also auf einem wichtigen Sektor Fragen die zusammenfassende maßgebende Stelle.“ Somit zum Rücktritt zu bewegen. Die Gauleiter ließen dem in im Amt und in der Rheinprovinz wurden bis Ende 1933 sämtliche Entscheidungsrechte und fungierten nun ledig- war Ende 1939 das „Führerprinzip“ im Bereich der Land- ihrer Partei weit verbreiteten „Juristenhass“ freien Lauf und rund 60 Prozent der Ende Januar 1933 amtierenden 42 17 lich als Beratungsorgan für die Landräte. Künftig nahmen kreise verwirklicht. versuchten, alte Gefolgsleute, die keine entsprechende Landräte von ihrem Posten entfernt.

46 47 Spannungen oder Konflikte zwischen Landrat und NSDAP-Kreisleiter waren daher vorgezeichnet. Besonders in den ländlichen Regionen verstanden sich Ortsgruppen- und Kreisleiter als alleinige politische Führer und ver-- Rationalisierungsbestrebungen in den Verwaltungen täglichen Arbeit noch die umständlich zu handhabenden fa- suchten auf die Kreisverwaltungen Einfluss zu nehmen.18 dengehefteten Akten) oder die bindende Einführung eines 1937 wurde per Erlass des Stellvertreters des Führers Die Debatte um die Rationalisierung interner Strukturen Einheitsaktenplans für die landrätliche Verwaltung in Preu- die „ursprünglich als Idealfall erscheinende Personal- und Arbeitsabläufe der stetig expandierenden Landratsäm- ßen, der im Januar 1938 allen staatlichen Büros übersandt union zwischen Partei- und kommunalem Amt“ unter-- ter verstärkte sich in der Endphase der Weimarer Republik wurde. Ungefähr zeitgleich mit der Reform der staatlichen sagt.19 Die „Anordnung über die Verwaltungsführung in aufgrund der extremen öf- Büros wurde auch die Modernisierung der Registraturen den Landkreisen“ vom 28. Dezember 1939 verordnete fentlichen Finanznot zu einem der kommunalen Dienststellen von den Kreiskommunalver- schließlich eine Trennung beider Funktionen und ein regelrechten Reformdruck, der bänden begonnen. „gleichgewichtiges Nebeneinander im Kreis“. Es wurde allerdings „weitgehend unge- nun explizit zwischen dem Landrat als rein fachliche löst blieb und somit auf das Plan einer „Deutschen Kreisordnung“ 22 Verwaltungsbehörde und der Partei, deren Interessen NS-Regime überging“. Innen- auf Kreisebene durch den Kreisleiter wahrgenom- minister Frick nahm schließlich Nach der Machtergreifung 1933 wurde das Problem, das men wurden, als Verantwortlicher für die „Menschen-- „die seit der Machtergreifung die Landräte innerhalb ihrer Behörde durch den Dualismus führung“ und „die Stimmung und Haltung der Bevöl- stark zunehmende Zersplitte- von staatlicher und kommunaler Aufgabenwahrnehmung kerung im Landkreise“ unterschieden. rung der Verwaltung zum An- hatten und sich v. a. im personellen Bereich zeigte, immer lass, gegen den Widerstand der deutlicher und dringlicher, der Druck der „schleichenden Auch der neu geschaffene Kreisnährstand mit betroffenen Fachressorts die Kommunalisierung der staatlichen Aufgaben [nahm] ob- Wilhelm Frick, vom 30. Januar 1933 bis Integration zahlreicher bedeu- jektiv noch bedeutend zu, da die staatlichen Büros der seinen Reichsbauernführern barg vielschichtiges 20. August 1943 Reichsinnenminister. Konfliktpotential gegenüber den Landräten.20 (Abb.: Bundesarchiv, Bild 121-0008 / tender Kreissonderbehörden in Landratsämter mit einer Fülle neuer Aufgaben konfrontiert CC-BY-SA) Zwar waren Landrat und NSDAP zur Zusammenarbeit ver-ver- die staatliche Dienststelle des wurden, denen keine angemessene Personalvermehrung 23 pflichtet, jedoch durften sich beide nicht in die Aufgaben- Landratsamtes zu betreiben.“ entsprach.“ Zwar untersagte das preußische Gemeinde- bereiche des jeweils anderen einmischen, eine Konstruk- Es sollten künftig „Groß-Landratsämter“ entstehen, die „zu finanzgesetz vom 15. Dezember 1933 ausdrücklich, dass Anstelle der in Preußen üblichen Angelpunkten der gesamten öffentlichen Verwaltung in der kommunales Personal für die Erfüllung staatlicher Aufgaben tion, die nicht zu einer echten Klärung des Verhältnisses fadengehefteten Akten mit liegender Aufbewahrung traten im Laufe der Kreisinstanz werden“ sollten, was letztendlich aber nicht zur eingesetzt würde, doch die Praxis sah anders aus. Es sei von Verwaltung und Partei bzw. Landrat und Kreisleiter bei- 1930er-Jahre Schnellhefter und trug. Trotz allem ist den Berichten der Regierungspräsiden- Stehordner ein. (Abb.: Archiv des Durchführung kam. Reichssparkommissar Friedrich Sae- hier nur das Beispiel der Einrichtung der Ernährungs- und Rhein-Sieg-Kreises) ten und der Polizei immer wieder eine recht reibungslose misch legte 1933/34 einen entsprechenden Entwurf vor, in Wirtschaftsämter genannt, die nach dem Willen des Reichs- Zusammenarbeit zwischen Landräten und NSDAP-Kreis- dem er drei wesentliche Forderungen für eine Rationalisie- innenministeriums „als integrale Bestandteile der staatlichen leitungen zu entnehmen. rung der Landratsämter formulierte: Beschleunigung des Dienststellen aufgebaut“ werden sollten. In der Realität Geschäftsganges durch Einführung einer modernen Ak- wurden fast alle diese Ämter v. a. aufgrund der dort nicht Insgesamt waren die Landräte „vor allem im Interesse einer tenführung, eine den Landrat entlastende Ausweitung der ausreichend vorhandenen Personalausstattung ins kommu- ordnungsgemäßen Erledigung der anstehenden, durch die Vertretungs- und Zeichnungsbefugnisse für die Mitarbeiter nale Büro integriert. Letztendlich setzte sich die Macht des Aufrüstung sich vermehrenden Aufgaben [bemüht] ihre bzw. erhöhte Selbstständigkeit der einzelnen Fachabtei- Faktischen durch. Im Februar 1942 legalisierte das Reichs- Behörden und ihr Rechtssystem in Takt zu halten. Dies lungsleiter sowie eine engere Verbindung der staatlichen innenministerium den nicht vorschriftsmäßigen Einsatz des gelang ihnen … zwischen 1936 und 1939 mit einiger und kommunalen Dienststelle des „dualen Landratsamtes“. kommunalen Personals für staatliche Aufgaben durch einen Rückendeckung des Reichsinnenministers [Wilhelm Frick], Runderlass. 1943 tat das Reichsinnenministerium einen der, auch im Sinne der Wahrung seiner eigenen politischen In den Folgejahren wurden tatsächlich einige grundlegende weiteren Schritt „zur Vereinheitlichung der Landratsämter Position und Macht, die Funktionsfähigkeit der Staatsorga- Reformen durchgeführt, so die zunehmende Mechanisie- auf kommunaler Basis“ und beschloss die Übernahme der ne aufrechterhalten wollte.“21 rung des Bürobetriebes, die Umgestaltung der Aktenhal- „sächlichen Kosten sowie der nichtverbeamteten Arbeits- tung (bisher dominierten in vielen Kreisverwaltungen in der kräfte der Dienststellen auf die Kreiskommunalverbände“.

48 49 Das Hitler-Jugendheim in Troisdorf (Siegkreis). (Abb.: Archiv des Rhein-Sieg-Kreises)

Die Entwicklung der Kreisaufgaben und des Personals samte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist Dadurch wurden über 40 Pro- über die am 17. Januar die Reichskanzlei wiederum das in der Hitlerjugend zusammengefaßt.“ Zudem bestimmten zent des staatlichen Personals Reichsinnenministerium unterrichtete. Am 28. Juni 1939 Nach dem Ersten Weltkrieg rückte als Aufgabe der Kreis- erbbiologische und rassehygienische Ausleseverfahren die kommunalisiert. Für die Dauer trafen sich der Chef der Reichskanzlei, der Reichsfinanz- verwaltungen v. a. das Sozialwesen in den Blick, da die Arbeit der Jugendämter. Am 30. Januar 1939 wurde ferner des Krieges wurde zudem be- minister, der preußische Ministerpräsident, der preußische Kreise seinerzeit durch reichseinheitliche Gesetzgebung das „Reichsgesetz zur Förderung der HJ-Heimbeschaf- stimmt, dass entweder der staat- Finanzminister und das Oberkommando der Wehrmacht zu zur Wahrnehmung zahlreicher neuer Aufgaben verpflichtet fung“ erlassen, das u. a. die Errichtung und Unterhaltung liche oder der kommunale Bü- einer gemeinsamen Besprechung, in der der Entwurf einer wurden wie z. B. der Erwerbslosenfürsorge oder Arbeits- der HJ-Heime durch die Gemeinden vorschrieb. „Letztlich roleiter zum alleinigen Büroleiter „Deutschen Kreisordnung“ rasch ad acta gelegt wurde, da vermittlung. Außerdem wurden Kreiswohlfahrtsverbände hatten die Kreise aufgehört, Jugendpflege in dem Sinne zu des gesamten Landratsamtes sich das Reichsinnenministerium gegenüber der Partei – eingerichtet.26 Für dieses gesamte Aufgabengebiet wurde betreiben, wie sie dies vorher … organisiert hatten“.27 würde. Insgesamt ist also eine trotz ihres bereits signalisierten Einverständnisses stellte nach 1933 die Konkurrenz durch Einrichtungen der forcierte interne „Vereinheitli- sie nunmehr neue Forderungen auf – nicht durchsetzen NSDAP – z. B. durch die Nationalsozialistische Volks- Hans Heinrich Lammers, in der Zeit des Nationalsozialismus Chef der Reichs- chung der dualen Landratsäm- konnte. Ein wesentlicher Streitpunkt war, dass die Partei wohlfahrt (NSV) oder das Winterhilfswerk des Deutschen kanzlei. (Abb.: Bundesarchiv, Bild ter“ festzustellen. für die Kreisleiter eine Information durch den Landrat Volkes (WHW) – immer stärker. Im Zuge der Wiederaufrüs- 183-C16768A / CC-BY-SA 3.0) „über alle Vorgänge oder Pläne von politischer Bedeutung, tung wurde im März 1936 das „Gesetz über die Unterstüt- Eine angestrebte „Reichskreisordnung“ hätte sich auch daneben ein politisches Weisungsrecht gegenüber den zung der Angehörigen der einberufenen Wehrpflichtigen des dargestellten Personalproblems annehmen sollen. Landräten“ einforderte. Reichsinnenminister Frick zog ob und Arbeitsdienstpflichtigen“ erlassen, infolge dessen die 1937 wurde zur Vorbereitung einer „Deutschen Kreisre- dieser – unklaren und mancher Auslegung fähigen – For- Kreise (als Auftragsangelegenheit) Familienunterhalt ge- form“ umfangreiches Material vorgelegt, das die historische derungen, die möglicherweise die Autorität der landrätli- währen mussten, den das Reich zu vier Fünfteln erstattete. Entwicklung der Landkreisverwaltung sowie den aktuellen chen Verwaltung aufs Nachhaltigste erschüttern würden, Stand aufzeigte und entsprechende Reformvorschläge seinen Gesetzentwurf ganz zurück, eine „Deutsche Reichs- Bei den 1922 neu gebildeten Kreisjugendämtern kann ableitete.24 Am 1. Juli 1938 richtete Reichsinnenmi- kreisordnung“ sollte es somit nicht geben. man nach 1933 einen radikalen „Übergang zur Staatsju- nister Frick ein Schreiben über die Grundsätze für eine gend“ feststellen. Es erfolgte eine Umgestaltung der Reichskreisordnung an den Chef der Reichskanzlei Hans Insgesamt ist festzustellen, dass die „nominelle Kreisver- Jugendpflege eingeordnet in die Erziehungsziele des Heinrich Lammers. Dieser unterrichtete Mitte Juli Adolf fassung … in der Zeit des „Dritten Reiches“ nur verhält- völkischen Staates, indem den Kreisjugendämtern wesent- Hitler über diese Vorschläge, der sich mit diesen prinzipiell nismäßig geringe Änderungen erfahren [hat]. Nachhaltiger liche Aufgaben entzogen und der Nationalsozialistischen einverstanden erklärte. Allerdings stand noch die Stellung- wirkten die informellen Aushöhlungen und Verschiebungen. Volkswohlfahrt (NSV) oder der Hitlerjugend (HJ) zuge- Plakat, 1935. (Abb.: Archiv des nahme der Dienststelle des Stellvertreters des Führers aus, Vehikel dafür war die alles erfassende und überlagernde wiesen wurden. Im „Gesetz über die Hitlerjugend“ vom Rhein-Sieg-Kreises) deren einvernehmliche Antwort am 7. Januar 1939 eintraf, Organisation der nationalsozialistischen Einheitspartei.“25 1. Dezember 1936 heißt es dementsprechend: „Die ge-

50 51 der NS-Zeit kaum einen Kilometer eigenen Straßenbaus „Verzeichnis der Erbkranken“. (Abb.: Archiv des Rhein-Sieg-Kreises) zu verzeichnen hatte.29 Was das Verkehrswesen anging, schwand die Bedeutung des Neu- bzw. Ausbaus von Klein- bahnstrecken und die der Omnibusse nahm stetig zu.

Im Juni 1935 wurde das Reichsnaturschutzgesetz erlas- sen, die Kreise wurden untere Naturschutzbehörden. Jeder dieser Behörden musste eine „Stelle für Naturschutz“ ein- richten. Bisher hatte es in diesem Bereich nur freiwillige Initiativen gegeben und dies v. a. in industriell geprägten übernommen hatte und Martin Bormann sich als Leiter Gebieten. So hatte bereits 1926 der Kreis Recklinghausen der Parteikanzlei eine äußerst einflussreiche Position im eine „Kreisstelle für Naturdenkmalpflege“ eingerichtet, die NS-Regime geschaffen hatte und diese entsprechend z. B. Naturschutzgebiete einrichtete oder die Bevölkerung nutzte, „zerbrachen die bis dahin noch bestehenden Funda- Die Kreisbildstelle Paderborn wurde 1935 zunächst im Wohnhaus des Bildstellenleiters unterge- über selbst verursachte Naturschädigungen aufklärte. mente der staatlichen Behörden endgültig“.30 bracht. (Abb.: Kreisarchiv Paderborn)

Die seit 1931 durch die Kreise übernommene Funktion als Mit Kriegsbeginn wurden Ernährungs- und Wirtschaftsäm- U. a. auf eine Empfehlung des Reichsministeriums für Kreispolizeibehörde blieb auch nach 1933 erhalten, doch Stadt- und Landkreisen in Anlehnung an die untere Verwal- ter als Bestandteile der unteren Verwaltungsbehörden Volksaufklärung und Propaganda ist die Einrichtung von wurden die „bis dahin wichtigen Einwirkungsmöglichkeiten tungsbehörde Gesundheitsämter einzurichten“, deren Lei- eingerichtet.31 Die Wirtschaftsämter regelten die Versor- Kreisbildstellen 1935 zurückzuführen. Ein „Erlass des auf den Vollzugsdienst weitgehend eliminiert“. Mit Reichs- ter ein staatlicher Amtsarzt war. Die Kreise hatten die „Kos- gung der Bevölkerung mit den lebenswichtigen Gütern der Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volks- gesetz vom 30. November 1933 wurde die sogenannte ten der Unterhaltung und Einrichtung nach Bedürfnis und gewerblichen Wirtschaft. Die Ernährungsämter bestanden bildung über Unterrichtsfilm und amtliche Bildstellen“ er- Politische Polizei als Gestapo von der inneren Verwaltung Leistungsfähigkeit“ zu tragen. Bereits am 1. Januar 1934 aus zwei Abteilungen, Abteilung A für die Bedarfsdeckung, läuterte die Gründe: „Der nationalsozialistische Staat stellt abgetrennt, 1936 ging der gesamte Vollzugsdienst aufs war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, Abteilung B für die Verbrauchsregelung. Da der Aufgaben- die deutsche Schule vor neue große Aufgaben. Sollen sie Reich über. Zur Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges fiel das im NS-Staat der sogenannten Rassenhygiene durch bereich der Abteilung A sich mit dem des Reichsnährstan- erfüllt werden, so müssen alle pädagogischen und tech- den Kreispolizeibehörden das Musterungs- und Aushe- „Unfruchtbarmachung“ vermeintlich „Erbkranker“ und Alko- des deckte, wurden dessen Kreisbauernschaften in diese nischen Hilfsmittel für diese Arbeit eingesetzt werden. Zu bungswesen zu. Außerdem mussten sie Verwaltungshilfe holiker diente, erlassen worden. V. a. der Umsetzung dieses Abteilung überführt, deren Leitung übernahm zumeist der den bedeutungsvollsten der Hilfsmittel gehört der Unter- bei Aufgaben des Luftschutzes leisten. Gesetzes widmeten sich die Kreisgesundheitsämter und jeweilige Kreisbauernführer. Die Leiter der Verbrauchsrege- richtsfilm ... Erst der neue Staat hat die psychologischen richteten ihre Tätigkeit nach erb- und rassepflegerischen lungsabteilung berief hingegen der Landrat. Hemmungen gegenüber der technischen Errungenschaft Durch „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheits- Gesichtspunkten aus, stellten Sterilisationsanträge, nah- des Films völlig überwunden, und er ist gewillt, auch den wesens“ vom 3. Juli 1934 waren zur „einheitlichen Durch- men Ehegesundheitsuntersuchungen vor und erfassten Die vor 1939 begonnene Modernisierung des Büro- und Film in den Dienst seiner Weltanschauung zu stellen ... führung des öffentlichen Gesundheitsdienstes … in den einen Großteil der Kreisbevölkerung in einer so genannten Aktenwesens wurde durch den Krieg gebremst bzw. ganz Der Film soll als gleichberechtigtes Lernmittel überall dort Erbkartei. Zudem waren alle im Gesundheitswesen und in eingestellt. Beispielhaft sei nur erwähnt, dass ab 1943 die an die Stelle des Buches treten, wo das bewegte Bild ein- der Sozialfürsorge Tätigen verpflichtet, „Erbkrankheitsver- Behörden keine neuen Schreibmaschinen mehr zugewie- dringlicher als alles andere zum Kinde spricht“.28 Das neue dächtige“ an die Gesundheitsämter zu melden. sen bekamen, da diese – wegen der Kriegsproduktion nur Propagandamedium Unterrichtsfilm sollte über die in den noch in geringer Menge hergestellt – nötiger für die Wehr- Schulbezirken neu zu errichtenden Bildstellen an die Schu- Die Zeit des Zweiten Weltkrieges macht gebraucht wurden.32 len gelangen. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde auf Weisung Während des Zweiten Weltkrieges war die Arbeit der Ver- Das Straßenwesen der Kreise erfuhr durch die Neurege- Hitlers zum 1. September 1939 per Verordnung das Amt waltung infolge des Mangels an Personal und Ressourcen lung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom des Reichsverteidigungskommissars geschaffen, mit dem auf die notwendigsten Dienstleistungen v. a. im Bereich 26. März 1934 entscheidende Veränderungen. Die Kreise ausschließlich Gauleiter betraut wurden. Infolgedessen der Versorgung der Bevölkerung beschränkt. Weder in der wurden dadurch Träger der Landstraßen Zweiter Ordnung, gewannen die den Gauleitern untergeordneten Kreisleiter Rheinprovinz noch der Provinz Westfalen wurde im Übrigen nachdem schon zuvor ihr Bestand an Kreisstraßen stetigen sukzessive gegenüber den lokalen und regionalen Verwal- einer der Kreise vom Krieg verschont. Die meisten waren Zuwachs erfahren hatte. Ein Belebung des Ausbaus der tungen die Oberhand. „Die NSDAP höhlte die Positionen „zum Schluß unmittelbares Kampfgebiet, viele Kreishäuser Landstraßen war aber eher nicht zu verzeichnen, lag doch der Landräte aus und verwandelte die Ämter gegen Ende zerstört, alle Kreise aber vom Bombenkrieg schwer getrof- der Fokus „aus großräumigen, vor allem aus militärischen des Krieges weitgehend in Hilfsorgane des Parteiwillens.“ fen. Bis zum Schluß haben die Kreisverwaltungen gearbei- „Gesetz zur Verhütung Gründen“ primär auf dem Ausbau der Reichsautobahnen erbkranken Nachwuchses“. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges bzw. seit Hein- tet, um die Leiden der Bevölkerung zu mindern.“33 und Reichsstraßen. So gab es Kreise, die in den Jahren rich Himmler im August 1943 das Reichsinnenministerium

52 53 DIE KREISVERWALTUNGEN IM NEUEN Wohl niemals zuvor und danach waren Kreis- und Stadtver- der von den Briten akzeptierten Landräte und Bürgermeis- von Getreide und Kartoffeln verloren. BUNDESLAND NORDRHEIN-WESTFALEN waltungen durch das Ausmaß der kriegsbedingten Zerstö- ter, die ihre Verwaltung unter diesen Umständen besonders rungen und ihrer weitreichenden Folgen so gefordert wie fordern mussten. Den Verwaltungen kam der Pragmatismus Hansjörg Riechert, Kreis Lippe in der ersten Zeit, in der das Prinzip herrschte, „helfe sich der Briten zugute. Sie akzeptierten die Beibehaltung der wer kann“3. Die Notwendigkeit der zusätzlichen Versor- durch Zwangswirtschaft geprägten Strukturen der Ernäh- Wiederherstellung der Grundversorgung gung von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den rungsverwaltung des Reichsnährstandes. Diese hatten sich mittel- und osteuropäischen Reichsgebieten verschärfte im Krieg weitgehend bewährt allerdings zu Lasten deutsch Am 8. Mai 1945 um 23.01 Uhr mitteleuropäischer Zeit die Lage zusätzlich. Unmittelbar nach dem Zusammen- besetzter Gebiete in Europa, insbesondere in Polen und der schwiegen die Waffen auf dem europäischen Kriegsschau- bruch der staatlichen Verwaltungsstrukturen bildeten die Sowjetunion. Zur Zwangsbewirtschaftung gehörte auch die platz des Zweiten Weltkrieges. Das Deutsche Reich hatte Kommunalverwaltungen die einzige Verwaltungsebene, Übernahme des u. a. nach Lebensalter und Beruf gestaf- gegenüber seinen militärischen Gegnern bedingungslos die trotz der Flucht oder Entfernung politisch belasteten felten Rationierungssystems, um durch Bezugschein oder kapituliert. Damit akzeptierte es die umfassendste militä- Führungspersonals durch die britische Militäradministration Lebensmittelkarte die knappen Lebensmittelbestände auf rische Niederlage seit seiner Gründung 1871. Erstmals als neue Machthaber weitgehend funktionsfähig blieb. Aus der Grundlage des Kalorienbedarfs gerecht zu verteilen, der geriet sein gesamtes Territorium unter die Kontrolle einer Eigeninteresse hielten die Briten den Verwaltungsbetrieb von den Alliierten als lebensnotwendig kalkuliert worden breiten Koalition militärischer Gegner. Die Besonderheit aufrecht oder stellten ihn rasch wieder her. Die Kreis- und war.5 Mit dem Festhalten am Bewirtschaftungs- und Ver- dieses einschneidenden Ereignisses ergab sich auch aus Stadtverwaltungen standen als örtlich-regionale Verwaltun- teilungssystem wurde die westdeutsche Zuteilungsgesell- dem vollständigen politischen und moralischen Bankrott gen im Brennpunkt des Geschehens, an die sich die Men- schaft über die Kriegszeit hinaus bis zur Währungsreform der deutschen Gesellschaft angesichts der von ihr ver- schen in ihrer Not ebenso wandten wie die Briten. Letztere 1948 verlängert, in der das individuelle Wohlergehen von übten und hingenommenen Gewaltverbrechen gegen die taten dies, um jeglichen Kontroll- und Machtverlust über behördlichen Vorgaben abhing.6 Auch wenn die Kreis- und Menschlichkeit, die das Ausbeutungs- und Vernichtungs- ihren Besatzungsbereich zu vermeiden. Diese frühe Form Stadtverwaltungen entsprechend dem von den Briten prak- system des NS-Staates kennzeichnete. der Zusammenarbeit zwischen Siegern und Besiegten be- tizierten Prinzip der indirekten Herrschaft nach außen hin gann zeitlich versetzt, da der Vormarsch der Alliierten auf bald wieder selbstständig auftraten, so waren sie zunächst Der vom Deutschen Reich ausgegangene Krieg um die deutschem Territorium den zeitlichen Einstieg in die Zu- reine Auftragsverwaltungen, gebunden an die Hierarchie Vorherrschaft in Europa und letztendlich in der Welt hatte sammenarbeit bestimmte. So arbeiteten die kommunalen der britischen Militäradministration, ihr verantwortlich und zu in den meisten deutschen Groß- und Mittelstädten eine Verwaltungen an Rhein und Ruhr bereits Wochen vor der unbedingtem Gehorsam verpflichtet.7 Trümmerlandschaft hinterlassen. Bei den Kampfhandlun- Kapitulation zunächst unter Aufsicht der US-Amerikaner gen am Boden zu Kriegsende und vor allem im Verlauf und dann der Briten, die sie ablösten.4 Nach Kriegsende lautete die Kernaufgabe für die Ernäh- des Luftkrieges waren weit mehr Wohnquartiere als In- rungs- und Wirtschaftsämter bei den Kreisverwaltungen, dustrieareale zerstört worden. Über ein Drittel der 3,35 Als außerordentlich vorteilhaft für die in jenen Monaten he- den Menschen zunächst das Überleben zu sichern. Die Ver- Millionen Wohnungen nach dem Stand von 1939 waren rausgehobene Funktion dieser Verwaltungsebene und ihre sorgung mit Lebensmitteln und anderen überlebenswichti- auf dem Gebiet des späteren Nordrhein-Westfalen zerstört Wahrnehmung durch die Briten erwies sich das Organisa- gen Gütern wie Bekleidung und Schuhwerk stand hierbei worden. Richtung Westfalen-Lippe sank die Zahl zerstörter tions- und Planungs-Know-how des Verwaltungsapparates ebenso im Vordergrund, wie die Versorgung mit Wohnraum, Wohnungen.1 Der Schuttberg umfasste 120 Millionen zur Bewältigung der enormen Anforderungen. Es hatte sich einfachsten Wohneinrichtungen, Öfen und Brennmaterial. Nissenhütten – entwickelt von dem Kanadier Peter Norman Nissen – stellten eine nach dem Zweiten 2 Weltkrieg weit verbreitete Form schnell zu errichtender (Not-)Unterkünfte dar, hier ein Beispiel aus Kubikmeter. Er versperrte zum Teil dringend benötigte Ver- nicht zuletzt aus zwei aufeinanderfolgenden Weltkriegen Die Ernährungslage in den Landkreisen mag im Vergleich Castrop-Rauxel, seit 1975 Kreis Recklinghausen. Die Aufnahme wurde um das Jahr 1962 angefertigt. kehrs- und Versorgungswege. Neben den Auswirkungen entwickelt. Allerdings war und ist die Arbeit von Verwaltun- zu den größeren Städten und Ballungszonen durch die (Abb.: Helmut Orwat, LWL-Medienzentrum für Westfalen) unmittelbarer Zerstörung wirkten die indirekten Folgen sol- gen gerade in solchen Ausnahmesituationen immer an Per- verbreitete Selbstversorgung tendenziell besser gewesen cher Blockierungen bis in weniger direkt vom Krieg belas- sonen gebunden, vor allem bei den kleinen Belegschaften sein, aber durch die Abtrennung der agrarisch wichtigen tete Räume. Darunter litt die Versorgung der Bevölkerung. jener Zeit. Von besonderer Bedeutung war dabei die Rolle Ostgebiete gingen auch hier Produzenten und Lieferanten

54 55 von Getreide und Kartoffeln verloren. Zudem hatten sich erscheinenden Versorgungslage zu Hungermärschen und bei der großräumigen Verteilung von Lebensmitteln und onen führen konnten: Von Boykottversuchen der Flücht- bereits in der letzten Kriegsphase die agrarischen Produk- Arbeitsniederlegungen, die vereinzelt auch in politische anderen Gütern sowie bei der Instandsetzung und Bereit- lingszuweisungen bis zur Behandlung der Neubewohner tionsbedingungen erheblich verschlechtert. Es fehlte mate- Forderungen nach Bodenreform oder Sozialisierung der stellung von Transportmitteln einer komplexen überört- als Menschen zweiter Klasse. Aber ihre rasch einsetzende riell und personell sprichwörtlich an allen Ecken und Enden. Grundstoffindustrie mündeten. Die britische Regierung lichen Organisation, die Strukturen oberhalb der Städte, wirtschaftliche Integration reduzierte das Konfliktpotential. So mangelte es an Saatgut, Kunstdünger, Zugpferden, war mit der Verantwortung zur Versorgung ihrer indus- Gemeinden und Kreise notwendig machte.15 Zudem wurden Verwaltungen über die bei ihnen angesie- Futtermittel, Landmaschinen, Ersatzteilen und Arbeitskräf- triell bedeutenden Besatzungszone überfordert, trotzdem delten Ortsflüchtlingsausschüsse mit der Perspektive der ten für die Hofbewirtschaftung.8 Dazu kam die problema- sie ungeachtet der eigenen schwierigen Wirtschaftslage Die größte Zwangsmigration Europas, deren Ursache auf Flüchtlinge allmählich vertraut, da sie in den Ausschüssen tische Beschaffenheit landwirtschaftlicher Flächen, die an den früheren Gegner Nahrungsmittel lieferte.11 Auch den deutschen Kriegsbeginn 1939 zurückgeht, trieb über vertreten waren.22 durch die Kriegsbelastung (verborgene Munition, Bomben- wenn Lord Beveridge, britischer Ökonom und Mitglied der zwölf Millionen Deutsche vor der Roten Armee und den trichter) zunächst nur eingeschränkt nutzbar waren. Als liberalen Partei, in seinem Lagebericht anlässlich einer osteuropäischen Völkern nach Westdeutschland und viele Die doppelte Verwaltungsspitze: Generalproblem für die Versorgung erwies sich aber die Inspektionsreise durch die britische Zone im Jahr 1946 davon nach Nordrhein-Westfalen.16 Die deutsche Gesell- Landrat — Oberkreisdirektor erheblich reduzierte Leistungsfähigkeit des Transport- und die Ernährungslage auf dem Land als günstiger bezeich- schaft war bereits mit dem Beginn der Luftkriegsevakuie- Verkehrssystems. Sie ergab sich sowohl aus kriegsbe- nete,12 wäre auch hier die Situation eskaliert, wenn die rungen in der zweiten Kriegshälfte zu einer Nomadenge- In ihrem Verantwortungsbereich sah die britische Be- dingten Zerstörungen als auch aus der Unterbrechung zum Teil dezentral angelegten Verpflegungslager der sellschaft geworden.17 Diese Entwicklung verstärkte sich satzungspolitik eine Reform der Kommunalordnung vor. des Systems im Zuge der Aufteilung Deutschlands in vier Wehrmacht und noch vorhandenen Nahrungsmittelvorräte noch mit der eklatanten Steigerung der Flüchtlingszahlen Leitbegriffe, die das Reformkonzept verdeutlichten, waren Besatzungszonen und aus den zu Kontrollzwecken von den in den Kasernen für die Kreisernährungsämter nicht zur nach 1945. „Die britische Zone gleiche … einem überhitz- Demokratisierung und Dezentralisierung.23 Die reformierte Alliierten durchgeführten Verkehrssperren.9 So wurde auch Verfügung gestanden hätten. Nicht nur Großstadtkinder ten Dampfkessel, der jeden Tag explodieren könne …“, so Kommunalordnung sollte den demokratischen Ansprüchen in den Landkreisen gehungert. Die Zuweisung der über- sondern Stadtkinder überhaupt und etwa die Hälfte der die Einschätzung und Befürchtung im Lippischen Landtag dauerhaft und unumkehrbar genügen. Mit der am 1. April wiegenden Mehrzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen Kinder auf dem Land waren unterernährt.13 Somit wurden in Detmold während der Debatten im Juli und September 1946 als Verordnung Nr. 21 in Kraft gesetzten revidierten in die scheinbar besser gestellten ländlichen Räume sollte Schulspeisungen auch von den Kreisernährungsämtern 1946 über die Flüchtlingsproblematik.18 Um den Druck von Deutschen Gemeindeordnung, mit der die Deutsche Ge- an die Ernährungsämter noch zusätzliche Anforderungen durchgeführt. Dies war aber erst möglich, nachdem ange- den überforderten und nicht aufnahmefähigen Großstädten meindeordnung von 1935 den britischen Vorstellungen stellen. sichts der sich zuspitzenden Lebensmittellage vor allem die und Ballungszonen, wie dem Rhein-Ruhrgebiet, zu nehmen, angepasst wurde, verlief der Verfassungsprozess bei den USA schnell und umfassend neben Lebensmitteln auch wurden diese zu „restricted areas“19 oder „Schwarzkrei- Kreisen vergleichbar mit der Entwicklung bei den Städten. In den Städten des Ruhrgebietes sank der Kalorienwert Saatgut und Düngemittel importierten.14 sen“20 erklärt und zwei Drittel der Flüchtlinge und Vertrie- Die Gemeindeordnung löste die bis dahin gültigen Kreis- auf zum Teil nur noch 580 Kalorien und entsprach damit benen auf das ländlichere und damit weniger zerstörte ordnungen von Westfalen (1886) und der Rheinprovinz den früheren Tagesrationen in den nationalsozialistischen Die Kreiswirtschaftsämter waren lediglich in der Lage, Westfalen-Lippe verteilt.21 Die Flüchtlingsämter der Kreise (1887) ab.24 Konzentrationslagern. Neben der unzureichenden Produk- begrenzte Verteilungsaufgaben bei überlebenswichtigen und Kommunen waren zwar mit dem Verwaltungsprocede- tion und unwilligen Ablieferung von Lebensmitteln – ein Gebrauchsgütern bis hin zum Brennmaterial wahrzuneh- re der Verteilung, Unterbringung und Versorgung größerer In der Kreisverfassung wurde nach britischem Vorbild nun- Merkmal von Zwangsbewirtschaftungssystemen – hatten men. Zu Maßnahmen einer planenden Wirtschaftsförderung Menschengruppen vertraut, aber nicht auf Anhieb mit der mehr ein neues Verwaltungselement eingeführt, die dop- die Winter der ersten beiden Nachkriegsjahre dem schwer reichte es aus vielerlei Gründen nicht. So behinderte der bei Kriegsende anfallenden Summe an Problemen und pelte Verwaltungsspitze, kurz Doppelspitze: Der Landrat als angeschlagenen Transportsystem den Rest gegeben.10 In Bürokratismus der Zwangsbewirtschaftung die Produkti- schon gar nicht mit der Größenordnung der Zwangsmigra- Vorsitzender der gewählten Kreisvertretung, der auf durch- der ersten Jahreshälfte 1947 kam es insbesondere in den on, aus der Waren entweder zurückgehalten oder auf dem tion. So musste es zu Überforderungen der Verwaltungen aus einflussreicher ehrenamtlicher Grundlage politische Städten an Rhein und Ruhr angesichts der hoffnungslos Schwarzmarkt gehandelt wurden. Insgesamt bedurfte es vor Ort kommen, die zu konfliktbeladenen Abwehrreakti- und repräsentative Funktionen erfüllte, und der Oberkreis-

56 57 Vorspruch der revidierten Deutschen Gemeindeordnung von 1948.

Mitarbeiter des Katasteramtes des Kreises Lemgo bei der Vermessung, 1964. (Abb.: Kreisarchiv Lippe)

Kommunalisierungswellen Neben der Vermehrung von Aufgaben durch ihre Über- direktor, der als überparteilicher Wahlbeamter Chef der Wege der Organleihe erfüllte. Durch die Wahrnehmung der nahme aus der Trägerschaft des Landes sorgte auch die Verwaltung war.25 Bis zu diesem Zeitpunkt waren legisla- staatlichen Aufgaben, die recht eng gefasst waren, entzog Unter Kommunalisierung wird die Überführung von Auf- Ausweitung der Staatstätigkeit durch die gesellschaftspo- tive und exekutive Gewalt beim Landrat vereint. Dem von er sich ein Stück weit der Kontrolle durch den Kreistag. All- gaben vor allem aus der Trägerschaft des Landes in die litische und wirtschaftliche Entwicklung für eine Aufgaben- den Nationalsozialisten angewandten „Führerprinzip“ sollte gemein repräsentierten die Oberkreisdirektoren den Staat Trägerschaft der Kommunen verstanden. Die betreffenden zunahme bei den Kreisen. Beide Weltkriege beförderten durch dieses Konstrukt der Aufteilung von Macht zukünftig als untere staatliche Verwaltungsbehörde. Demzufolge hob Aufgaben sollen nicht aufgegeben, sondern weiterhin die Zunahme von Aufgaben, die bei den Kreisen zu einer kein Einfallstor in die kommunale Verwaltung ermöglicht das Landesorganisationsgesetz die Oberkreisdirektoren, wahrgenommen werden. Demnach handelt es sich nicht Erweiterung der Selbstverwaltungsaufgaben führte, be- werden. Das „Führerprinzip“ sollte durch das Prinzip ge- vergleichbar den Regierungspräsidenten bei den Mittelbe- um Bestandteile einer Gebiets-, sondern einer Funktional- ginnend mit der Versorgung der Bevölkerung und sich meinschaftlicher Verantwortung ersetzt werden.26 hörden, gegenüber den anderen unteren Landesbehörden reform. Mit dem Hinweis „in die Trägerschaft der Kommu- ausweitend zu Maßnahmen der sozialen Fürsorge und heraus.28 nen“ wird verdeutlicht, dass eine Zuordnung der Staatsauf- Eingliederung von Flüchtlingen in das wirtschaftliche und Dem Oberkreisdirektor, der die Bezeichnung seit 1948 gaben weg von der unmittelbaren und hin zur mittelbaren soziale Leben.33 Dazu kam am 30. April 1948 mit der trug, gab die Landkreisordnung vom 21. Juli 1953 eine Die Doppelspitze stellte einen gravierenden Bruch mit der Staatsverwaltung erfolgt, da die Kommunen rechtsfähige Eingliederung von sechs bis dahin unteren staatlichen starke Position. Vom Kreistag anfangs auf zwölf Jahre deutschen Kommunaltradition dar und blieb in der Diskus- Verwaltungseinheiten sind.31 Dabei können Kommunalisie- Sonderbehörden in die Stadt- und Landkreise, die die- gewählt, später auf die Dauer von acht Jahren, führte er sion.29 Amtierende Landräte gaben nicht selten dem Amt rungen in „echte“ und „unechte“ unterschieden werden. Im se Aufgaben anschließend nach Weisungen des Landes die Geschäfte der laufenden Verwaltung in eigener Zu- des Hauptverwaltungsbeamten den Vorzug und kandidier- ersteren Fall sollen die übertragenen Aufgaben fortan den wahrnehmen sollten, eine erste umfangreiche Kommunali- ständigkeit und nicht im Wege einer fingierten Delegati- ten als Oberkreisdirektoren. Die kritische Wahrnehmung Charakter von Selbstverwaltungsaufgaben annehmen, also sierung von Aufgaben. Bei den Sonderbehörden handelte on mit Rückholrecht der Vertretungskörperschaft. Seine in der deutschen Kommunalverwaltung führte auf Seiten nicht mehr von Fremdaufgaben, während im zweiten Fall es sich um die Kataster-, Gesundheits-, Veterinär-, Besat- Befugnisse konnten ihm nicht dadurch entzogen werden, der Briten zu einem flexiblen Entgegenkommen. Nachdem die übertragenen Aufgaben nicht zu Selbstverwaltungs- zungs- und Ernährungsämter Abteilung A sowie um die indem sich der Kreistag eine Entscheidung vorbehielt.27 Er sie sich aus der Landesverwaltung zurückgezogen hatten, aufgaben werden und durch die sogenannte Organleihe Regierungskassen.34 Mit dieser Eingliederungsmaßnahme war der gesetzliche Vertreter des Kreises in Rechts- und überließen sie es den Bundesländern, Korrekturen vorzu- (durch das gesetzlich vorgesehene Organ eines Kreises) wurde der Forderung der Briten nach einer Stärkung der Verwaltungsfragen. Zudem oblagen ihm die Aufgaben der nehmen.30 oder als Auftragsangelegenheit (Verpflichtung des Kreises Selbstverwaltung als Grundlage von Demokratie lediglich unteren staatlichen Verwaltungsbehörden, vor allem die als solcher) zu vollziehen sind. 32 eingeschränkt entsprochen, denn die Kreise waren an das Kommunalaufsicht und die Kreispolizeibehörde, die er im Weisungsgebot gebunden.

58 59 Architektenmodell der Kreisberufsschule in Lemgo, 1968. Bau des Kreiskrankenhauses Lemgo, um 1964. (Abb.: Kreisarchiv Lippe) (Abb.: Kreisarchiv Lippe)

Einen weiteren Aufgabenschub gab es durch die Funktio- netzungen einflussgebend.39 Je mehr Aufgaben kommuna- Auch freiwillige Aufgaben dienen dem Ziel, die Gleichwer- die Zuwanderung nach Kriegsende zu nutzen. Vor allem nalreformen von 1978/79, die den kommunalen Gebietsre- lisiert wurden und zukünftig werden, desto leistungsfähiger tigkeit der Lebensverhältnisse in einem Verwaltungsraum enthielt er ein Programm zur Ansiedlung von Industrieun- formen der Jahre 1967 bis 1975 folgten.35 Obgleich hier- müssen die aufnehmenden Kreise sein.40 Leistungsfähig- wie den Kreisen soweit als möglich herzustellen und zu ternehmen durch die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite bei ordnungsbehördliche und damit staatliche Aufgaben keit ergibt sich nicht nur aus Personalstärke, sondern vor erhalten.45 Diese Absicht mündete seit der zweiten Hälf- mit langen Laufzeiten für Unternehmen, die Arbeitsplätze in die kommunale Landschaft verlegt wurden, sind dennoch allem aus der gebotenen fachlichen Qualität. Kommuna- te der 1950er-Jahre in eine Vielzahl von Investitionen in in den Förderzonen schufen. So profitierte auch der Norden die kommunalen Aufgaben der Kreise umfangreicher lisierungen haben insgesamt zu einer Ausdifferenzierung Strukturmaßnahmen, die von den Kreisen auf unterschied- und Osten Lippes von dieser Förderung.48 Auch die dama- geworden, wobei sich der Bereich der sogenannten von Verwaltungen beigetragen, die mit einer feingliedrigen lichen Feldern getätigt wurden, um dem Ausgleichsprinzip ligen vier Kreise im Gebiet des Hochstifts Paderborn, die Leistungsverwaltung rapide ausgedehnt hat.36 Weitere Arbeitsteilung, komplexeren Formen der Zusammenarbeit, gerecht zu werden. Aber nicht nur ausgeglichene Arbeits- Kreise Büren, Höxter, Paderborn und Warburg, galten als Kommunalisierungen folgten nach der Jahrtausendwende, einem erhöhten Informations- und Koordinationsbedarf und Lebensverhältnisse innerhalb eines Kreises standen eine besonders entwicklungsbedürftige Region, für die der etwa die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung sowie auch einem höheren Zeitaufwand einhergeht.41 Nicht im Blickpunkt, sondern in besonderer Weise auch das als Regierungspräsident 1967 in seinem Regionalbericht ein oder im Bereich der Umweltverwaltung.37 immer sind die übertragenen Aufgaben, wie 1948 gesche- Schieflage wahrgenommene Verhältnis zwischen Land und größeres Maßnahmenpaket vorschlug.49 hen, anspruchsvolle, die den Kreisen einen realen Bedeu- Stadt. Die Sorge vor einer Bevölkerungs-„Entleerung“ des Neben funktionaler Optimierung ist an die Kommunalisie- tungszuwachs gebracht haben. Oft wurden zum Verdruss ländlichen Raumes46 im Zuge des Bedeutungsverlustes der Zu den freiwilligen oder „individuellen“ Aufgaben der Krei- rung von staatlichen Aufgaben die Erwartung geknüpft, von Kommunalpolitikern und Verwaltungsfachleuten auch ursprünglich dominierenden Landwirtschaft und des von ihr se, die zur Strukturförderung beitragen sollen, gehört auch dass die multifunktional und gebietsbezogen handelnden „Kleinviehzuständigkeiten“ verlagert.42 Die Kommunalisie- abhängigen Handwerks und Handels zugunsten der öko- die Teilhabe an Beteiligungsgesellschaften, etwa für die Kreise besser in der Lage sind, einen Ausgleich zwischen rung von Verwaltungsaufgaben im Kontext von Struktur- nomisch und kulturell prosperierenden Großstädte und Energieversorgung eines Kreisgebietes oder die Beteili- verschiedenen sektoralen Fachpolitiken im Verwaltungs- reformen wird also weiterhin ein Feld der Auseinanderset- Metropolregionen trieb die Landes- und Kommunalpolitik gung an Verkehrsträgern des öffentlichen Personennah- raum herbeizuführen als eine monofunktional ausgerichtete zung um substanzielle Zuständigkeiten bleiben. um. Die Politik sollte im Idealfall die ländliche Selbstver- verkehrs bis hin zur Unterstützung der Gründung regionaler Staatsbehörde. Zudem erhoffen sich die staatlichen Akteu- waltung in die Lage versetzen, für die Bürger eine „Vitalsi- Eisenbahngesellschaften.50 Selbst die regionale Anbindung re, durch Aufgabenabschichtung kostenträchtige Aufgaben Standortpolitik zur Stärkung der Kreise tuation“ zu realisieren, die gesellschaftspolitisch allgemein an den Luftverkehr über die Beteiligung am Aufbau von und Finanzierungsverantwortung abgeben zu können und akzeptierten Wertvorstellungen entspreche gemäß den Flughäfen wurde praktiziert, wie die Existenz der nord- dass die dezentralisierten Aufgaben von den Kreisen mit Neben den verschiedenen Kategorien von übertragenen gegebenen technischen und ökonomischen Standards.47 rhein-westfälischen Flughäfen Dortmund, Münster-Osna- weniger Ressourcen und somit kostensparender erbracht Aufgaben im Rahmen der Kommunalisierung, die von brück, Paderborn-Lippstadt und Siegerland zeigt.51 werden.38 Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung bis zu Auf- Eines der Beispiele für Strukturförderung jener Jahre ist tragsangelegenheiten (nur kraft Bundesrechts) reichen, der „Ostwestfalenplan“, den das nordrhein-westfälische Ka- Unbestritten ist über die Jahrzehnte in die Kreise Nord- Der Erfolg einer kommunalen Aufgabenübernahme ist erfüllen Kreise auch Aufgaben auf freiwilliger Grundlage. binett am 12. Juli 1955 nach der Vorlage der Denkschrift rhein-Westfalens auch mit umfangreicher finanzieller Förde- nicht garantiert, er hängt von verschiedenen Vorausset- Sie gehen über die per Gesetz auferlegten Pflichtaufga- des interministeriellen Ausschusses beschlossen hatte. rung der Landesregierung breit investiert worden: Nach dem zungen ab, vor allem aber von den handelnden Personen, ben hinaus. Kreise sind hierzu als Selbstverwaltungskör- Er war vorwiegend von den Kreisverwaltungen umzuset- Krieg zunächst in Reparatur und Aufbau des Verkehrs- und ihrer Motivation und ihrem Geschick. Darüber hinaus sind perschaft ebenso berechtigt, wie zur Anreicherung der zen und enthielt Maßnahmen zur Verbesserung der Infra- Versorgungsnetzes sowie in öffentliche Einrichtungen, wie die unterschiedliche Ressourcenausstattung der Kreise, die Interpretation gestellter Aufgaben.43 So hat sich eine Band- struktur in solchen Räumen, die verkehrstechnisch kaum Krankenhäuser, Feuerwehr-, Zivil- und Katastrophenschut- nicht immer fachbezogene Einflussnahme politischer Ent- breite an freiwilligen Aufgaben entwickelt, die zum Teil im erschlossen, einen besonders niedrigen Industriebesatz zeinrichtungen, Schulen und Museen. Zusätzlich wurden scheider und Schnittstellenproblematiken bei lokalen Ver- Nachhinein eine rechtliche Grundlage erhalten haben.44 aufwiesen und nicht in der Lage waren, den Impuls durch Hilfen zur Vergrößerung des Wohnungsbestandes

60 61 Brunnentempel im Kurpark in Horn-Bad Meinberg, August 1990. (Abb.: Kreisarchiv Lippe)

Eine NRW-Besonderheit Kreis Lippe – Landesverband Lippe: Körperschaften des öffentlichen Rechts in einem Kreisgebiet

Tunnelbau am Erbscheidberg bei Sondern im Zuge der Errichtung der Biggetalsperre, Juli 1960. (Abb.: LWL-Medienzentrum für Westfalen/ Hans Hild) Die Existenz des Landesverbandes Lippe ist eine Folge der Eingliederung des Kleinstaates Lippe in das junge Bundes- gegeben, um die meist stark gewachsene Bevölkerung land Nordrhein-Westfalen. Spätestens nach dem Zweiten angemessen zu versorgen. Zeitlich versetzt wurde von den Weltkrieg war lippischen Politikern klar, allen voran Hein- Kreisen seit den 1960er-Jahren als Teil der Strukturför- rich Drake, politisches Urgestein Lippes und zu diesem derung eine immer komplexer werdende Wirtschaftsför- Zeitpunkt von den Briten als vorläufiger Landespräsident derung entwickelt, hierzu gründeten die Kreise eigene akzeptiert,54 dass der Kleinstaat am Ende seiner 800-jäh- die Vereinigung des Landes Lippe mit dem Land Nord- lippischen Altkreise Lemgo und Detmold und den Nach- Wirtschaftsförderungsgesellschaften. Sie bieten heute rigen Geschichte nicht mehr existenzfähig war und seine rhein-Westfalen.56 Im Vereinigungsgesetz wurde das folgekreis Lippe seit den 1950er-Jahren bei Investitionen ein breites Spektrum an Angeboten und Maßnahmen, um staatsrechtliche Stellung schnellstmöglich geregelt werden Vermögen aufgelistet, das dem Landesverband Lippe finanziell zu unterstützen.59 Nicht zuletzt durch seine um- zukünftig bestehende Arbeitsplätze zu sichern, neue zu musste. Letztendlich verlor Lippe nach längeren, von Drake übertragen werden sollte und die Regelung zum Vermö- fangreichen allgemeinkulturellen und baukulturellen Aktivi- schaffen, eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur und ein taktisch geführten Verhandlungen mit Niedersachsen und gensübergang getroffen. Ebenfalls am 5. November 1948 täten besitzt das lippische Kreisgebiet eine Dichte an Kul- gutes Wirtschaftsklima zu entwickeln und die Finanzkraft Nordrhein-Westfalen zwar seine Eigenständigkeit, aber beschloss der Gesetzgeber in Düsseldorf das Gesetz über turveranstaltungen sowie Einrichtungen wie in kaum einem der Kommunen zu sichern und zu stärken sowie die Stand- erhielt im Gegenzug zwei den Landesverband Lippe, welches aber erst am 12. Ok- anderen Kreis in Nordrhein-Westfalen. orte im regionalen Wettbewerb voranzubringen.52 Hierbei beachtliche Gegenleis- tober 1949 in Kraft trat. In ihm wurde festgelegt, dass der setzen sie vor allem auf ihre Beratungskompetenz und ihr tungen: Landesverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts Den Landesverband mit seinen Staatsbädern Bad Salz- Wissen um die Problemlagen in der Region und vor Ort. Der neue Landesteil be- für das frühere Territorium des Landes Lippe errichtet uflen und Bad Meinberg brachten vor allem die erhebli- Wie komplex und aufwändig das Serviceangebot der Wirt- hielt sein Landesvermö- werden sollte. Seine Aufgabe sollte es sein, die kulturellen chen Sparmaßnahmen des Bundes im Gesundheitswesen schaftsförderer mittlerweile ist, zeigt sich unter anderem gen, das aus der Enteig- Belange und die Wohlfahrt der lippischen Bewohner im (Heilbäderkrise seit Anfang der 1990er-Jahre) bei fortlau- daran, dass einige von ihnen sich an Gründer- oder Starter- nung des Fürstenhauses Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zu fördern und dabei fenden ambitionierten Projekten in erhebliche finanzielle zentren beteiligen oder sogar alleinige Gesellschafter einer nach dem Ersten Welt- die Deckung seiner Verwaltungskosten und die Bildung Turbulenzen, auf die seine Verwaltungsspitze zunächst solchen Einrichtung sind und sich damit an der Grenze vom krieg stammte, ebenso notwendiger Rücklagen zu beachten. Seitdem erfolgt die zögerlich reagierte. Ein schwieriger und langwieriger Dienstleister zum wirtschaftlich Handelnden bewegen. Zur behielt er kulturelle und Verwaltung des Landesverbandes durch die Verbandsver- Restrukturierungsprozess war die Folge. In dieser anhalten- Landespräsident und Verbandsvorsteher des Komplexität der Wirtschaftsförderung trägt auch bei, dass soziale Einrichtungen, Landesverbandes Lippe Heinrich Drake, 1952. sammlung und die/den Verwaltungsvorsteher/in. Diese den Schwächephase, die von unfreiwilligen Personal- neben den sogenannten harten Standortfaktoren die wei- und er wurde Sitz einer (Abb.: Kreisarchiv Lippe) Führungskraft oder sein/e Stellvertreter/in bilden mit zehn wechseln an der Verbandsspitze zusätzlich verschärft chen Faktoren an Bedeutung gewonnen haben und daher Bezirksregierung. Hierzu musste die Bezirksregierung VertreterInnen des Kreises Lippe die Verbandsversamm- wurde,60 stellte sich allgemein die Frage, ob ein drohender die Verzahnung von Wirtschafts-, Bildungs-, Forschungs-, Minden ihren Standort zugunsten von Detmold aufgeben. lung.57 Mit Zustimmung des Innenministers des Landes Bedeutungsverlust des Landesverbandes im Gegenzug Kultur-, Tourismus- und Naturschutzförderung zugenom- An den Verbleib des Landesvermögens war das Recht auf Nordrhein-Westfalen als Aufsichtsbehörde ernennt die einen Bedeutungszuwachs des Kreises durch die Über- men hat. Bildung eines Landesverbandes geknüpft, der den Lippern Verbandsversammlung die/den Verbandsvorsteher/in. nahme von Verantwortlichkeiten zur Folge haben würde. die Integration in das neue Land erleichtern sollte, ähnlich Aber im Verlauf des Konsolidierungsprozesses des Lan- Trotz ähnlicher Wirtschaftsförderungsstrukturen setzt jeder wie den Westfalen der 1953 bestätigte Provinzial- bzw. Um seine Aufgaben, wie vorgegeben, weitgehend aus desverbandes, der seine beiden Staatsbäder an die örtlich Kreis seinen Schwerpunkt. Die Wirtschaftsförderung leistet Landschaftsverband.55 eigener Kraft zu finanzieren, bewirtschaftet der Landesver- zuständigen Kommunen übertragen hat,61 findet trotz aller ihren Beitrag zum Wettbewerb der Kreise untereinander band bis heute über 15.000 Hektar forstwirtschaftlicher Differenzen zwischen beiden Körperschaften, auch über sowie auf internationaler Ebene, und sie hat mit dazu ge- Nachdem das Land Lippe per Verordnung Nr. 77 der und etwa 3.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Dazu den angeblichen oder tatsächlichen Führungsanspruch des führt, dass sich der ländliche Raum zur industriellen Herz- britischen Militärregierung mit Wirkung vom 21. Januar generiert er Einnahmen aus seiner Immobilienabteilung.58 Kreises, bis heute eine sachgebundene Zusammenarbeit kammer Nordrhein-Westfalens entwickelt und dabei die 1947 seine Selbstständigkeit verloren hatte, beschloss der So war er bis Mitte der 1970er-Jahre trotz der fehlenden auf unterschiedlichen Arbeitsgebieten zum Vorteil Lippes meisten Großstädte hinter sich gelassen hat.53 Landtag von Nordrhein-Westfalen am 5. November 1948 Berechtigung, Steuern zu erheben, in der Lage, die statt.62

62 63 Die Neuordnung des Rheinisch-Westfälischen Industriegebietes 1929

Allmählich gelangten Staat und Kommunen zu der Auffas- sung, Raumplanung großflächig zu betreiben, weg von pla- nerischen Einzellösungen. 1929 kam es zur kommunalen Neugliederung des gesamten Industriegebietes. Das „Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“,4 das am 29. Juli 1929 beschlossen wurde, berührte eine Region mit 6,5 Mio. Einwohnern und umfasste nunmehr mehr als eine Stadt und ihr Umland. Aufgelöst wurden linksrheinisch die Landkreise Krefeld, Kempen, Gladbach, Grevenbroich und Neuß, neugebildet die Landkreise Kempen-Krefeld und Grevenbroich-Neuß; rechtsrheinisch wurden die Landkreise Düsseldorf, Mettmann, Solingen, Lennep und Essen aufgelöst und die Kreise Düsseldorf-Mettmann und Solingen-Lennep neu gegründet. Im Regierungsbezirk

Das Kreishaus in Essen. (Abb.: Der Landkreis Essen, Berlin 1926) Arnsberg wurden die Landkreise Hörde, Hattingen, Hagen, Schwelm und Bochum aufgelöst, der Ennepe-Ruhr-Kreis GEBIETSREFORMEN neu gebildet. „Das wesentliche Moment dieser Reform war Kreises. 1888 vergrößerte sich Köln durch umfangreiche jedoch nicht quantitativer Art. Von herausragender Be- Beatrix Pusch, Kreis Soest Eingemeindungen derart, dass man dadurch flächengrößte deutung war, dass mit ihr eine auf lange Sicht angelegte Stadt im Deutschen Reich wurde. Der Kreis Köln verlor grundsätzliche Klärung des Verhältnisses von Stadt und „Solange es öffentliche Verwaltung gibt, hat es auch Bemü- 80.000 Einwohner, durch weitere Eingemeindungen im Land, von Stadtkreisen zu Landkreisen und von Land- hungen um mehr oder weniger tiefgreifende Gebiets- und Jahr 1910 noch einmal 33.000 Einwohner. Auch nach dem kreisen zu kreisabhängigen Gemeinden versucht wurde.“5 Verwaltungsreformen gegeben.“1 Ersten Weltkrieg verliefen die Eingemeindungsverfahren Unter verwaltungsorganisatorischen Aspekten drängte sich von Seiten der Städte und Gemeinden weitgehend frei- die Diskussion um die Unterschiede zwischen Stadt und Raumplanerische Einzellösungen willig, diese mussten allerdings im öffentlichen Interesse Land auf und trat in scharfen Gegensätzen zu Tage. So liegen. Dazu waren die Aspekte Leistungsfähigkeit, Zer- plädierten die Landräte des Regierungsbezirks Düsseldorf Bereits vor dem Ersten Weltkrieg fanden insbesondere im splitterung des Gemeindegebietes und örtliche Verbun- in einem Positionspapier für die Aufrechterhaltung der Innenminister8 für eine angemessene Eingemeindungs- rheinisch-westfälischen Industriegebiet zahlreiche Um- und denheit einer Gemeinde mit einer Stadt und ein daraus Kreise, zumal „der nach einheitlichen Gesichtspunkten ver- politik der Städte, ohne in den Kreisen und kreisangehö- Eingemeindungen statt. Die Gründe hierfür lagen zumeist erwachsener erheblicher Widerstreit der kommunalen waltete Landkreis … anerkanntermaßen die bestgestaltete rigen Gemeinden „Gemeinwesen minderen Rechts“ zu im Raumbedarf der sich entwickelnden Großstädte. Allein Interessen zu berücksichtigen. Später kam die Rücksicht Wirtschaftsstelle des Staates (sei)“. Die Großstadtent- sehen. Diese Haltung solle zu einem „gerechten Ausgleich die Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Es- auf Wohnungsbedürfnisse hinzu. Nachteil der Einzellösun- wicklung in Deutschland habe bereits das im Volks- und zwischen Stadt und Land“ führen, indem „in jedem ein- sen, Gelsenkirchen, Hamborn, Herne, Mülheim und Ober- gen war, dass die Interessen der aufnehmenden Stadt im Staatsinteresse gebotene Maß überschritten.6 Die Städte zelnen Fall individuell“ geprüft werde, „welche Regelung hausen schlossen zwischen 1840 und 1918 insgesamt 69 Vordergrund standen, hingegen in den von Eingemein- vertraten die Auffassung:7 Stadt und Kreis, vor allem Groß- und welche Gliederung dem allgemeinen Interesse und Eingemeindungsverträge mit ihren umliegenden Nachbar- dungen betroffenen Rest-Gemeinden oder im Rest-Land- stadt und Kreis, seien von ihrer wirtschaftlichen, sozialen den berechtigten Ansprüchen am besten dient.“ Bereits im gemeinden ab. Insbesondere in ländlichen Gebieten war kreis Probleme entstanden. Der Preußische Landkreistag und kulturellen Struktur her grundverschieden und hätten Dezember 1927 hatte das Innenministerium als Ziel der die Verwaltung vor Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts vertrat daher die Auffassung, die Landkreise müssten von daher unterschiedliche Entwicklungsbedingungen. Um Neugliederung unter anderem die Herstellung finanzieller nicht gerüstet, für ihre Bürger effektive Leistungen zu er- den Stadtkreisen gleichgestellt werden und seien an den ihre Aufgaben als leistungsstarke Gebilde zum Wohle der Leistungsfähigkeit und die Verbesserung administrativer bringen und Daseinsvorsorge zu betreiben.2 Der Gebietszu- Eingemeindungsverhandlungen zu beteiligen und gegen Menschen wahrnehmen zu können, bedürften die Städte Effizienz angegeben. Zudem wolle man einen sicheren Pla- wachs der Großstädte ging zu Lasten der Kreise. So verlor Leistungsunfähigkeit und Zerstückelung zu schützen.3 In der räumlichen Ausdehnung. Wirtschaftsgrenzen und Ge- nungsrahmen für Wirtschaft und Verwaltung schaffen und der Kreis Essen 1915 von seinen 276.000 Einwohnern ca. dieser Zeit erfolgten verschiedene Gebietsreformen, so im meindegrenzen dürften nicht auseinanderfallen. In dieser die dauernde Beunruhigung der Kommunalverwaltung und 106.000 an die Stadt Essen, die bis 1873 noch kreisange- Februar 1926 die territoriale Neuordnung des Großraumes Debatte um Großkreis und Großstadt wollte das preußische der Bevölkerung beenden. „Die neuen Gemeinwesen müs- hörig gewesen war. Auch die Stadt Köln erwarb bereits ab Gelsenkirchen-Bochum und 1928 die Auflösung des Krei- Innenministerium die Parität von Stadt- und Landkreisen sen eine für ihre Entwicklung vollkommen ausreichende 1883 Land, ein Gebietszuwachs ebenfalls zu Lasten des ses Dortmund. prinzipiell bewahren. So verwandte sich der preußische Größe“ haben. 9

64 65 Die Landkreise im Umland der sich Die 57 Kreise vor der Gebietsre- entwickelnden Großstädte kämpften um form. Das Landesentwicklungs- ihre Existenz. (Abb.: Der Landkreis programm 1964 teilte Düsseldorf und die Neugliederung der das Land in Zonen ein. Verwaltungsbezirke des Regierungsbe- (Abb.: Ministerialblatt für das zirks Düsseldorf, Düsseldorf 1928) Land Nordrhein-Westfalen, Ausg. A, 1964)

Die kommunale Gebietsreform 1967 – 1975 te, dass für ihre Wahrnehmung zentralörtlicher Funktionen, an denen die Umlandgemeinden partizipierten, keine Kos- Das Allgemeininteresse müsse Vorrang vor dem Son- Neugliederung 1932 In den ersten beiden Jahrzehnten nach Ende des Zweiten tenteilung und keine Mitverantwortung erfolge.14 derinteresse haben. Der Westfälische Provinzialausschuss Weltkrieges ergab sich eine zunehmende Spannung zwi- war bereit, die raumplanerischen und kommunalpolitischen Mit der Verordnung über die Neugliederung von Landkrei- schen der traditionellen Verwaltungsstruktur und den ge- Dem standen viele, überwiegend leistungsschwache Kreise Prinzipien des Innenministeriums zu teilen. Der Rheinische sen vom 1. August 193210 in Ausführung der Sparverord- wandelten Lebensbedingungen der Bevölkerung.11 Durch und Gemeinden gegenüber. Die Gemeindegrenzen beruh- Provinzialausschuss hingegen wollte nur Reformen unter- nung von 1931 trat eine weitere Neugliederung in Kraft, die wachsende Technisierung der ländlichen Gebiete än- ten im Wesentlichen auf der Verwaltungsgliederung des stützen, bei denen der Wille der Bevölkerung ausschlag- die in den Regierungsbezirken Köln und Aachen Kreise derten sich auch die „Lebensformen des flachen Landes“.12 17. bis 19. Jahrhunderts. Von den 2.324 kreisangehörigen gebend zu berücksichtigen sei. Mit dem Gesetz über die zusammenlegte. So entstanden der Bergische Kreis mit Hinzu kam die wachsende Mobilität mit dem „Wunsch nach Gemeinden in Nordrhein-Westfalen hatten 2.102 weni- kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Sitz in Köln-Mülheim aus den Kreisen Mülheim am Rhein stärkerer Angleichung an die Lebensverhältnisse der Städ- ger als 10.000 Einwohner, davon 1.892 sogar weniger Industriegebietes verringerte sich in diesem Gebiet die Zahl und Wipperfürth, der Oberbergische Kreis aus den Kreisen te.“13 In den Ballungszonen und Ballungsrandzonen vollzog als 5.000 Einwohner, ein Schwellenwert, der als unterste der Stadtkreise von 29 auf 22, von 23 Landkreisen blieben Gummersbach und Waldbröl und der Kreis Geilenkirchen sich durch wirtschaftliches Wachstum eine Verlagerung der vertretbare Größe einer kommunalen Verwaltungseinheit nur elf übrig. aus den Kreisen Geilenkirchen und Heinsberg. Der Kreis Wohnstätten in das Umland. Als zentrales Problem stellte gilt. Viele dieser Gemeinden (man spricht von 80 Prozent) Rheinbach wurde aufgelöst. In dieser Neugliederung erlit- sich hier die Stadt-Umland-Frage, die Abhängigkeit der konnten ihren Auftrag, das Wohl ihrer Einwohner zu för- ten die Kreise keine Gebietsverluste mehr zugunsten der Städte von ihrem Umland, ohne aber dessen Entwicklung dern, nur unzulänglich oder gar nicht mehr erfüllen. Städte. mit beeinflussen zu können. Zudem bemängelten die Städ-

66 67 Die Oberkreisdirektoren hatten in Vorbereitung der gemeindlichen Neugliederung Vorschläge zu erarbeiten. Der Soester Oberkreisdirektor Rudolf Harling erläutert seinen Neugliederungsvor- schlag. (Abb.: Kreisarchiv Soest)

Sondersitzung des Kreisausschusses des Kreises Lippstadt zur kommunalen Neugliederung, 10. März 1968. (Abb.: Walter Nies, Kreisarchiv Soest)

Auch zahlreiche der insgesamt 57 Kreise, die vor der Ge- kerne, Ballungsrandzonen, ländliche Zonen) ein, für die Es kam zu dem Ergebnis, dass in den Ballungszonen aus- neue Kreise vor. Die Landesregierung beschloss 1967 bietsreform bestanden, waren zu klein, um die gehobene sich jeweils unterschiedliche Planungsaufgaben ergaben. schließlich Gemeinden vom Typ B (mindestens 30.000 und 1968, das Land nach den Prinzipien der Gutachten und höhere Versorgung der Bevölkerung zu gewährleis- Erstmals in der Bundesrepublik wurde hiermit der Versuch Einwohner) entstehen sollten. Kreisfreie Städte sollten A und B territorial neu zu gliedern. Der Landkreistag ten. Die Einwohnerzahl differierte zwischen 29.840 und unternommen, ein übergeordnetes raumordnungspoliti- mindestens 150.000, in Verdichtungsgebieten 200.000 Nordrhein-Westfalen als Vertreter der Kreise hatte sich 353.286. 44 Kreise hatten weniger als 200.000 Einwoh- sches und landesplanerisches Leitbild zu entwickeln.18 Einwohner erreichen und mit den Randgemeinden des en- bereits seit Beginn der 1960er-Jahre mit Problemen der ner, eine Größenordnung, die als anzustrebender Mindest- Das Leistungsgefälle zwischen Gebieten mit städtischer geren großstädtischen Verflechtungsgebietes zusammen- Verwaltungsreform befasst. Grundsätzlich stand er der wert galt. Die Kreisfläche schwankte zwischen 221 qkm und ländlicher Siedlungsstruktur sollte beseitigt, ländliche geschlossen werden, ansonsten in den Kreis einbezogen Reform positiv gegenüber, verband diese Zustimmung und 841 qkm, die Einwohnerdichte zwischen 75 und 815 Zonen gestärkt werden. Die Kreise sollten sich an die neu werden. Zur Reform der Kreise untersuchte das Gutachten aber mit der Forderung nach einer Funktionalreform und Einwohnern je qkm. Die Zahl der Gemeinden im Kreis gebildete Ortsstufe anpassen. Kreisfreie Städte, die schon die Auswirkungen der Gemeindereform auf die Kreisebene, erweiterten Kompetenzen für die Kreise. Das Ziel einer betrug zwischen sechs und 113,15 die Aufgabenlage der in enger funktionaler Verflechtung standen, sollten einge- die Möglichkeiten von Aufgabenverlagerungen zwischen Reduktion der Kreise bejahte er im Grundsatz.20 1967 Kreise war kaum noch miteinander zu vergleichen, oft über- meindet werden. Den Kreisen fiel die Aufgabe einer groß- der Bezirks-, Kreis- und Ortsebene und die künftigen Auf- veröffentlichte der Raumplaner Gerhard Isbary, der unter nahmen die Kreise wegen der unzulänglichen Gemeindes- räumigen kommunalen Planungs- und Entwicklungspolitik gaben der Kreise. Zudem wurden allgemeine Maßstäbe für anderem als wissenschaftlicher Berater auch für den truktur echte Gemeindeaufgaben.16 Auch die Situation der zu. Andererseits sollten sie Aufgaben an die Gemeinden eine Gebietsneugliederung der Kreise entwickelt. Hier soll- Deutschen Landkreistag tätig war, ein im Auftrag des 37 kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen war gekenn- abgeben. Der Kreis behielt die Trägerschaft für leistungsfä- ten die geographischen Bedingungen, die wirtschaftlichen Landkreistages Nordhein-Westfalen erstelltes Gutach- zeichnet durch große Unterschiede: Die kleinste Stadt hat- hige überörtliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge.19 Zur Bedingungen, die Einbettung in das Landesentwicklungs- ten21 zur Reform der Kreisebene. Sein Vorschlag zielte te 43.000, die größte 856.000 Einwohner. 1964 befasste Konkretisierung dieser Programme dienten der Landesre- programm, die Entwicklungsziele im eigenen Raum und darauf, Kreise zu bilden, die trotz aller Vergrößerungen sich der 45. Deutsche Juristentag in Karlsruhe mit diesen gierung verschiedene Gutachten eingesetzter Sachverstän- im Großraum, die Größe und der Zuschnitt des Gebietes, des Raumes und Erweiterungen der Aufgaben noch über- Disparitäten. Das hierzu erstattete Gutachten von Werner digenkommissionen. Im November 1966 sah Gutachten die Entfernung zum Sitz der Kreisverwaltung, die Erschlie- schaubar und ortsnah bleiben sollten. Nach Erscheinen Weber erwies sich als entscheidender Durchbruch zur A zur „Neugliederung der Gemeinden in den ländlichen ßung des Kreisgebietes und die zentralörtliche Gliederung des Gutachtens B, das eine deutlichere Reduzierung der Einsicht in die Notwendigkeit einer territorialen Reform im Zonen“ ein wesentliches Ziel der Raumordnung darin, Ver- Berücksichtigung finden. Ausgehend von den künftigen Kreise vorsah, beauftragte der Landkreistag Klaus Stern, kommunalen Bereich. In den Jahren 1965 bis 1975 (1978) waltungsgliederung und Grundfunktionen der modernen Anforderungen an die Aufgabenerfüllung wurde für die den Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Ver- fanden in allen Bundesländern der alten Bundesrepublik Gesellschaft aufeinander abzustimmen. Auf örtlicher Ebene Kreise eine Mindestgröße von 150.000, in Verdichtungsge- waltungslehre der Universität Köln, ein Gutachten über die Territorialreformen statt. sollten größere Verwaltungseinheiten geschaffen werden, bieten 200.000 Einwohnern auf einer Fläche von 800 bis Aufgabenstellung eines modernen Kreises zu erarbeiten um die Leistungskraft der Gemeinden zu stärken. Im 1.000 qkm genannt. Die Obergrenze sollte bei 450.000 bis und auf dieser Basis einen eigenen alternativen Neuein- In Nordrhein-Westfalen griff schon das 1964 erschienene April 1968 wurde das Gutachten B „Die Neugliederung der 500.000 Einwohnern liegen. Innerhalb der Kreise wurde teilungsvorschlag zu unterbreiten. Das Gutachten wurde Landesentwicklungsprogramm17 diese Themenstellung Städte und Gemeinden in den Ballungszonen und die auf eine möglichst ausgewogene Vielfalt von Gemeinden 1969 publiziert22 und sah eine Verringerung auf 42 bis 45 auf. Es teilte das Landesgebiet in drei Zonen (Ballungs- Reform der Kreise“ veröffentlicht. Wert gelegt. Das Gutachten schlug die Aufteilung in 31 Kreise vor.

68 69 Aachen, Bielefeld, Münster/Hamm, Ruhrgebiet, Nieder- war, ob man sich als Profiteur fühlen konnte, aber auch rhein, Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, Sauer- abhängig von der zeitlichen Distanz.31 Von 1968 bis 1978 land/Paderborn und Köln. Hierdurch wurde mit Ausnahme riefen 100 Gemeinden und wenige Kreise, darunter der des Raumes Bonn das ganze Land Nordrhein-Westfalen aufgelöste Kreis Lüdinghausen, den Verfassungsgerichts- abgedeckt. Das zweite Neugliederungsprogramm wurde hof in Münster an. Nur fünf Gemeinden hatten Erfolg. entsprechend dieser Räume in acht Gesetzen realisiert, Definiert man als Ziel der Gebietsreform „das Streben nach beginnend mit dem Gesetz für den Raum Aachen, das übersichtlich gegliederten, im Maßstab erheblich vergrößer- am 1. Januar 1972 in Kraft trat. Der Durchbruch der Ge- ten Einheiten“,32 so wurde dieses Ziel durch eine zahlen- bietsreform in Nordrhein-Westfalen gelang mit der Ver- mäßige Verringerung der Gemeinden und Kreise erreicht. abschiedung des Ruhrgebiet-Gesetzes am 8. Mai 1974, Die Zahl der kreisangehörigen Gemeinden sank von 2.297 das wohl am umstrittensten war. In den neu gegliederten auf 373. Der Einwohnerschnitt stieg von etwa 3.800 auf Kreisen wurde teilweise heftig diskutiert, wo die Kreis- etwa 25.000. Die Zahl der Kreise verringerte sich von 57 verwaltung ihren Sitz haben sollte, im Erftkreis sogar als auf 31. Der Einwohnerdurchschnitt in den Kreisen verdop- „Kreishaus-Krieg“24 betitelt. Nach allgemeiner Auffas- pelte sich und betrug 1975 etwa 290.000. Der kleinste

In den neu zu gliedernden Kreisen sollten Bereisungen ein umfassendes Bild der kommunalen Struktur des Raumes vermitteln. Kreisbereisung des Kreises Lippstadt, sung sollte der Sitz möglichst nach objektiven Kriterien Kreis Olpe hatte nun 123.000, der größte Kreis Reckling- 7. Februar 1972. Rechts der Leiter der „Fliegenden Kommission“, Heinz Köstering. (Abb.: Walter Nies, Kreisarchiv Soest) bestimmt werden, um so transparent und nachprüfbar den hausen 553.000 Einwohner. Ein Kreis umfasste im Durch- günstigsten Standort ermitteln zu können. Das Innenmi- schnitt zwölf Gemeinden. Die Zahl der kreisfreien Städte Freiwilligen Zusammenschlüssen gebühre der Vorrang vor 1. Juli 1966 in Kraft. In das erste Neugliederungspro- nisterium berücksichtigte Grundsätze der Raumordnung wurde von 37 auf 23 reduziert, der Einwohnerschnitt stieg gesetzlich angeordneten Veränderungen. Nicht unerwähnt gramm 1967 bis 1969 wurden Kreise aufgenommen, und Landesplanung ebenso wie die Erreichbarkeit und von 217.000 auf 360.000. Die Gebietsreform stärkte die bleiben soll auch die im Auftrag des Innenministers erar- deren Gemeindestruktur besonders kleinräumig und zer- wirtschaftliche Gesichtspunkte, aber auch die strukturpo- Leistungs- und Verwaltungskraft der Gemeinden. Auch beitete und 1968 erschienene Denkschrift „Überlegungen splittert war. Hier wurde zunächst die Gemeindereform in litischen Auswirkungen, die allerdings nicht überbewertet die Kreise sind deutlich gestärkt aus der Gebietsreform zum Vorschlag, Regionalkreise einzuführen“. Sie ging davon Angriff genommen, bevorzugt nach dem Freiwilligkeitsprin- werden sollten.25 hervorgegangen. „Sie haben ausnahmslos einen für ihre aus, Regionen zu schaffen, in denen Kreise und Regie- zip. In diesem Neugliederungsprogramm wurde als erstes übergemeindliche, ergänzende und ausgleichende Funk- rungsbezirke aufgehen sollten. Auch die Landschaftsver- die Neugliederung des Kreises Unna, die zum 1. Januar Die Position der Bürger26 zur Neugliederung schwankte tion ausreichenden Mindeststandard an leistungsfähi- bände sollten entfallen. Die Regionalkreise, in der Anzahl 1968 in Kraft trat, danach die Neugliederung des Krei- „zwischen Ablehnung, verhaltener Zustimmung und Akzep- ger Verwaltungsorganisation, der sie befähigt, fachlich mit zwei Varianten (entweder zwölf oder 25), sollten alle ses Lemgo durchgeführt. Insgesamt verabschiedete der tanz des Unvermeidlichen.“27 „Bürger bzw. bürgerliche In- anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen. Der Neuzuschnitt Aufgaben dieser aufgelösten Körperschaften übernehmen. Landtag 47 Neugliederungsgesetze, so dass die Zahl der teressenvertretungen lernten im Laufe der Gebietsreform, der Kreise hat die Voraussetzungen für eine wirksame Gegen den Regionalkreisvorschlag sprachen vor allem Gemeinden bis 1970 um etwa die Hälfte verringert werden sich zunehmend Gehör zu verschaffen und ‚Bürgerwillen‘ übergemeindliche Strukturpolitik deutlich verbessert.“33 verfassungsrechtliche Bedenken. Auch wandten Kritiker konnte. Wichtigstes Gesetz dieser Neugliederungspha- effektiver zu artikulieren, wobei allerdings stark zwischen Äußeres Erscheinungsbild einer modernen, gewachsenen ein, dass die Verwaltungsleistung nicht verbessert und der se war die Neugliederung des Raumes Bonn, in der zum ländlich und städtisch geprägten Regionen zu differenzie- Kreisverwaltung waren die neuen Kreishäuser, die in vielen zentrale Verwaltungsapparat erheblich ausgeweitet werde. ersten Mal die Gemeinde- mit der Kreisreform verbunden ren ist“,28 zu verschieden waren auch die Ausgangslagen Kreisen nach der Neugliederung entstanden, um so die Daher entschied sich die Landesregierung, die Kreisreform wurde. Danach konnte auch eine Reform der Kreisebene vor und die Ergebnisse nach der kommunalen Neugliede- Verwaltung an einem Ort zu konzentrieren.34 Allerdings ist auf der Basis herkömmlicher Kreise durchzuführen, wobei nicht ausbleiben, da die Gemeindereform Auswirkungen rung. Die Kreisneugliederung spielte für die Bürger „nur „durch die Vergrößerung der Gemeinden und Kreise der die neuen Kreise, „um spätere Entwicklungen im Zusam- auf Inhalt und Umfang der Aufgabenerfüllung der Kreise eine untergeordnete Rolle“,29 „die politische Auseinander- Abstand zwischen dem Bürger, der Verwaltung und den menhang mit dem Wandlungsprozess zwischen Bund und hatte und in einigen Kreisen nach der Gemeindereform zu setzung spielte sich fast ausschließlich innerhalb der poli- kommunalen Vertretungskörperschaften gestiegen.“35 Die Ländern und der sich verstärkenden europäischen Integra- wenige Gemeinden im Kreis übrig blieben, als dass eine tischen Gremien ab.“30 Die einzige landesweite Bürgeriniti- Zahl der Rats- und Kreistagsmitglieder halbierte sich fast. tion offenzuhalten“, möglichst innerhalb regionaler Räume Kreisverwaltung effizient arbeiten konnte. Deshalb be- ative, die „Aktion Bürgerwille“, startete im Januar/Februar Nach Abschluss der Gebietsreform mehrten sich deshalb gebildet werden sollten.23 Die Neugliederung des Landes schloss die Landesregierung 1970, die Neugliederung auf 1974 ein Volksbegehren. Dieses erste Volksbegehren in die Stimmen, die die „geschwächte Integrationswirkung der Nordrhein-Westfalen wurde in zwei Abschnitten durchge- die Kreisebene auszudehnen. Es wurden acht Neugliede- NRW verfehlte allerdings das notwendige Quorum deutlich. ländlichen Selbstverwaltung, insbesondere den Verlust an führt. Vorab fand allerdings schon die erste Neugliederung rungsräume gebildet: Auch hier waren starke Unterschiede bei der Beteiligung Bürgernähe, das allzu starke Hervortreten rationaler, quan- des Kreises Siegen statt, dieses Gesetz trat am festzustellen, je nachdem, wie umstritten die Neugliederung titativer und planerischer Gesichtspunkte“36 beklagten.

70 71 Die Funktionalreform in Fortsetzung der 1984 wurde ein drittes Gesetz zur Funktionalreform Gebietsreform verabschiedet, das im Wesentlichen die Neuordnung der Schulaufsicht regelte. Die Funktionalreform zählte neben Da die Gebietsreform die Verwaltungs- und Leistungskraft der Gebietsreform zu einem Hauptbestandteil der Gesamt- der Kommunen beträchtlich gestärkt hatte, wurden Über- verwaltungsreform. Allerdings war auch die Gebietsreform legungen zur Übertragung weiterer Aufgaben auf größere selbst zu einem großen Teil Funktionalreform, denn Ziel war kreisangehörige Städte wieder aufgegriffen. Funktionalre- es, die Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte wieder form im engeren Sinne versteht sich als „Gesamtkonzept für jene Aufgaben voll funktionsfähig zu machen, die sie für die Verlagerung bestehender und die Zuweisung neuer schon hatten. Nahezu alle wesentlichen Aufgaben verblie- Aufgaben.“37 Bereits während der Gebietsreform wurde ben daher bei den bisherigen Aufgabenträgern. die Notwendigkeit einer anschließenden Funktionalreform betont. Diese sollte der Überprüfung und Neuverteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf die verschiedenen

Verwaltungsebenen, insbesondere auf die durch die Ge- Die Kreise nach der kommunalen Neugliederung 1975. Über die Zugehörigkeit bzw. Selbstständigkeit einzelner Kommunen wurde erst nach Verfassungsbeschwerden entschieden. bietsreform vergrößerten Gemeinden und Kreise dienen. ( Abb.: Neue Städte, Gemeinden und Kreise, Düsseldorf 1975)

Eingeschlossen werden sollte aber auch eine eingehende Aufgaben- und Bürokratiekritik, insbesondere die Beseiti- Ein großer Bereich der verlagerten Aufgaben konnte Kreisaufgaben wesentlich geschmälert worden wäre. Stellt gung nicht oder nicht mehr erforderlicher Zuständigkeiten. auch vorher schon auf Antrag von Großen oder Mittleren sich nun – 40 Jahre nach der letzten großen kommunalen Die Landesregierung beschloss verschiedene Zuständig- kreisangehörigen Städten wahrgenommen werden wie Neugliederung – wiederum die Frage nach den kommu- keitsveränderungen. So wurden 1978 ein Erstes und 1979 die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde und die nalen Strukturen? Erzwingen der Bevölkerungsrückgang, ein Zweites Funktionalreformgesetz verabschiedet. Für den Einrichtung von Jugendämtern. Auch die Kompetenz- die durch Unterfinanzierung bedingte Einschränkung der kommunalen Bereich brachten die Gesetze Zuständigkeits- Umstrittene Kreissitze: Das Ende der neuverteilung vom Land auf die Kommunen hatte nur Selbstverwaltung und die somit wiederum auseinander Kreisstadt Beckum. Im März 1974 veränderungen für Große kreisangehörige Städte (mit mehr wurde auf dem Marktplatz ein Schild ein bescheidenes Ausmaß.38 Insgesamt verlagerte die klaffenden Verhältnisse neben anderen Reformen auch angebracht und mit Trauerkranz als 60.000 Einwohnern) und für Mittlere kreisangehörige dekoriert. (Abb.: Die Glocke, Funktionalreform einen Teil früherer Kreisaufgaben auf eine neue Gebietsreform? Städte (zwischen 25.000 und 60.000 Einwohnern). 27. März 1974) kreisangehörige Städte, ohne dass damit der Bestand an

72 73 Wichtigste haupt- und nebenamtlichen Funktionen eines Landrats

Gemäß § 42 KrO: ■ Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung ■ Erledigung der ihm vom Kreisausschuss übertragenen Angelegenheiten ■ Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse des Kreistags und des Kreisausschusses ■ Ausführung von Weisungen ■ gesetzliche Vertretung des Kreises in Rechts- und Verwaltungsgeschäften unbeschadet des § 26 Abs. 4 und 5, § 43 und § 49 Abs. 4 ■ Erledigung aller Aufgaben, die ihm aufgrund gesetzlicher Vorschriften übertragen sind, ■ Leitung und Verteilung der Geschäfte

Gemäß §§ 58ff. KrO – im Wege der Organleihe – als untere staatliche Verwaltungsbehörde, z. B.: ■ Staatliche Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden ■ Planungsaufsicht Einführung der ersten hauptamtlichen Landrätin des Kreises Gütersloh, Ursula Bolte, 18. Januar 1997. (Abb.: Kreisarchiv Gütersloh) ■ Obere Bauaufsicht ■ Denkmalaufsicht

Als untere Landesbehörde (ebenfalls im Wege der Organleihe): ■ Leitung der Kreispolizeibehörden (in 29 Kreisen, außer Städteregion Aachen, Kreis Recklinghausen) KREISE UND LANDRÄTE BEHAUPTEN DIE dass insbesondere Bürgermeister, die auf gemeindlicher ■ Schulamt KOMMUNALE HANDLUNGSFREIHEIT – Ebene „analog zu den Landräten” durch die Stadt- oder JÜNGSTE GESCHICHTE DER NORDRHEIN- Gemeinderäte gewählt wurden, mehr Einfluss beanspruch- Mitgliedschaft in Gesellschaften und Gremien mit Kreisbeteiligung, Repräsentationsaufgaben: ■ WESTFÄLISCHEN KREISE 1990-2016 ten als ihnen die norddeutsche Kommunalverfassung Vertretung des Kreises in Wirtschaft, Kultur, Bildung, Sport, Brauchtum etc. zudachte und in vielen Verwaltungsangelegenheiten auch Martin Klein und Kai Friedrich Zentara, in Detailfragen mitentscheiden wollten. Mehr und mehr Landkreistag Nordrhein-Westfalen wurden Bürgermeisterämter hauptamtlich wahrgenommen. Mit dem Machtanspruch einher ging der Eindruck in der Abschaffung der kommunalen Doppelspitze und di- Bevölkerung, dass die (Ober-)Bürgermeister und Landrä- rekte Volkswahl – Geburt eines Landrats neuen Typs? te tatsächlich die zentralen Entscheidungsfiguren in der Kommunalverwaltung waren. Ende der 1980er-Jahre gip- Das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung Dem Modell der Doppelspitze inhärent waren unterschied- Vorgeschichte felte die wachsende Unzufriedenheit mit der sogenannten und seine Folgen liche Anforderungsprofile für die Ämter des Landrats und kommunalen Doppelspitze in immer lauter werdenden Re- des Oberkreisdirektors. So sah die nordrhein-westfälische Die sogenannte norddeutsche Kommunalverfassung, die formrufen; schließlich kam es, nachdem sich die Opposition In seinem Gesetzesbeschluss vom 6. Mai 1994 verband Landkreisordnung von 1953 vor, dass der Oberkreisdirek- durch die britische Besatzungsmacht nach heimischem im Landtag des Themas angenommen hatte, auch zu einer der Landtag die Abschaffung der Doppelspitze (neben wei- tor über die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Vorbild 1945/46 eingeführt und auch in die „Landkreis- Änderungsbereitschaft bei der regierenden SPD, innerhalb teren Reformen, wie der Schaffung plebiszitärer Instrumen- Verwaltungsdienst verfügen musste (§ 38 Abs. 1 Satz 2). ordnung für das Land Nordrhein-Westfalen” vom 21. Juli derer sich bis dato vor allem die Fraktionsvorsitzenden in te) mit der Einführung einer unmittelbaren Volkswahl der Die Übertragung dieser Anforderung auf das Amt des 1953 übernommen wurde,2 basierte auf einem Prinzip der den Räten gegen eine Reform gewehrt hatten.4 Im Bereich zukünftigen monistischen Spitze, die gleichzeitig mit der Landrates kam aus naheliegenden Gründen nicht in Machtteilung mit zwei Ämtern an der Spitze der Kommu- der Kreise waren solcherlei Bestrebungen nach dem Ein- Wahl der Kreistage bzw. Räte erfolgen und spätestens im Frage. Vielmehr ist eine Synthese aus jenen Qualifikationen nen: Der Hauptverwaltungsbeamte, der im Bereich der druck von Zeitgenossen weniger ausgeprägt, was auch Rahmen der Kommunalwahl 1999 erstmalig durchgeführt gefordert, die zuvor alleine an das jeweilige Amt gestellt Kreise als Oberkreisdirektor bezeichnet wurde, hatte die erklären mag, dass der Landkreistag Nordrhein-Westfalen werden sollte. Die Aufgaben des Oberkreisdirektors wur- wurden. Beschrieben wird dies mit dem Stichwort „Mana- operative Führung der Verwaltung inne.3 Neben ihm stand die Abschaffung der kommunalen Doppelspitze nicht zu den also nicht nur mit jenen des Landrats zusammenge- ger- und Macher-Qualitäten“6 oder mit Blick auf das Amt der Landrat, welcher durch den unmittelbar volksgewählten einem vorrangigen verbandspolitischen Ziel erhob, zumal führt; dieser musste sich künftig auch einer Wahl durch die des Bürgermeisters als „eine Mischung aus korrektem Kreistag gewählt wurde und der überwiegend repräsentati- es auch durchaus beachtliche Argumente für die Beibehal- Bürger stellen, konnte aber so auch unmittelbare demokra- Verwaltungsfachmann, dynamischem Wirtschaftsmanager, ve Aufgaben wahrnahm. Bereits in den ersten Jahren nach tung des bestehenden Systems gab.5 tische Legitimation beanspruchen. einfühlsamen Sozialtherapeuten, weitblickendem Stadtpla- der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen zeigte sich, ner und volksnahem Vereinsmenschen“.7

74 75 Die Sorge war – auch in den Reihen des Landkreistages Eine spannende Frage, die vielleicht auch heute noch nicht Auch im Krisenfall trägt der Landrat die Gesamtverantwortung, hier das Beispiel einer Übung des Krisenstabes des Kreises Viersen. (Abb.: Kreis Viersen) – nicht gering, dass es schwer werden würde, geeignete abschließend beantwortet werden kann, ist, ob sich der Bewerber zu finden, die den neuen Anforderungen (vgl. Typus des durchschnittlichen Landrats durch die Reform Übersicht S. 75) umfassend entsprechen könnten und verändert hat. Umfassende soziologisch-psychologische wird. Erst recht weisen sie Vorstöße von Fachaufsichtsbe- bleibt oder er dafür sorgt, dass bei einer karitativen Einrich- auch bereit sein würden, die Folgen für die eigenen Le- Untersuchungen, die vielleicht eine wirklich verlässliche hörden des Landes zurück, Vorgaben zum Personaleinsatz tung, die im Rahmen einer Lebensmittelkontrolle Anlass bensumstände (beträchtliche Belastungen zur Finanzierung Antwort liefern könnten, sind bislang nicht erschienen. Es zu machen. Auch vor der Reform haben sich selbstbe- zu Beanstandungen gab, „mal eine Auge zugedrückt” wird. des Wahlkampfs, hoher Freizeiteinsatz, Einschränkungen dürfte aber nicht allzu kühn sein, die These aufzustellen, wusste Oberkreisdirektoren erfolgreich gegen Eingriffe von Zu erklären, dass die Gewährleistungsverantwortung für des Privatlebens der eigenen Familie etc.) zu tragen. In der dass die Vereinigung der bislang getrennten Funktionen Landesbehörden in die Personal- und Organisationshoheit die medizinische Versorgung bei den Kassenärztlichen Tat scheint es – jedenfalls auf gemeindlicher Ebene und auf eine Person, aber insbesondere die Urwahl durch das der Kreise zu wehren gewusst. Wegen des Erfordernisses Vereinigungen liegt oder beim Vollzug von Ordnungsrecht insbesondere für die etablierten Parteien – von Wahltermin Volk, es den Landräten ermöglicht, mit einem ganz anderen der „Bestätigung” der Wahl des Oberkreisdirektors durch bestimmte Vorgaben zwingend zu beachten sind, die dem zu Wahltermin immer schwieriger zu werden, Kandidaten Selbstbewusstsein und einer neuen Durchsetzungskraft die Landesregierung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 3 LKrO Landrat „die Hände binden”, ist mitunter eine gewichtige für die Bürgermeisterwahlen zu finden, insbesondere wenn aufzutreten und dies auch in den vergangenen Jahren 1953 konnten sie jedoch, sofern Ambitionen auf eine Herausforderung. Dieser Effekt der Reform ist bis heute die Wahlaussichten gering sind. genutzt wurde.9 Dies gilt zum einen für das Wirken des zweite Amtszeit bestanden, nicht so unabhängig agieren Anlass für Kritik, die unterstellt, dass sich Landräte wegen Landrates in die Kommunalpolitik des Kreises, auch ge- wie der heutige Landrat, dessen Ab- und Wiederwahl allein bevorstehender Wahltermine doch nicht vollständig der Das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung sah genüber den Bürgermeistern der kreisangehörigen Städte von seiner Akzeptanz beim Wahlvolk abhängt. Einflussnahme auf den Verwaltungsvollzug im Einzelfall die Möglichkeit vor, die Abschaffung der Doppelspitze und und Gemeinden, denen gegenüber er mit demselben Ge- enthalten. Praktische Belege für die Richtigkeit solcher Be- die unmittelbare Wahl des hauptamtlichen Landrates durch wicht auftreten kann, wie diese selbst. Zum anderen kön- Mit dem (Wieder-)Aufstieg des Landrats zur zentralen hauptungen legen diese Kritiker nicht vor. Es ist jedoch zu den Kreistag „vorzuziehen”, sofern – etwa aus Altersgrün- nen sich die Landräte aber auch gegenüber der Landespo- Machtfigur innerhalb des Kreises geht jedoch nicht nur vermuten, dass es die Oberkreisdirektoren einfacher hatten, den – in der Zeit zwischen 1994 und 1999 eine Neube- litik und insbesondere innerhalb der exekutiven Entschei- formal eine hohe Verantwortung einher. Auch im Alltag be- entsprechende Einflussnahmeversuche abzuwehren. stimmung erforderlich wurde. Diese Option nutzten meh- dungslinie gestärkt sehen.10 Sie allein bestimmen innerhalb fassen Bürger und Politik diesen in vielfältiger Hinsicht mit rere Kreise, so dass bereits vor der Kommunalwahl 1999 der gesetzlichen Grenzen, wie sie „ihre” Kreisverwaltung ihren persönlichen Anliegen und Sorgen, nicht selten sogar Bedenklich erscheint eine in jüngerer Zeit verstärkt zu be- erste Erfahrungen vorlagen und die Parteien sich bei der organisieren und lassen sich dabei vom Land eher selten in Fragen, auf die er keinen oder praktisch keinen Einfluss obachtende Entwicklung: Immer mehr Bürger machen den Kandidatensuche und beim „Aufbau“ der Bewerber darauf „hineinregieren”. So verbitten sie sich etwa regelmäßig im hat, sei es, weil er für diese nicht zuständig ist oder Ent- Landrat für alle möglichen Fragen, auch Schicksalsschläge, einstellen konnten. In jeweils acht Fällen kam es bei der Bereich der „Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung” scheidungen nach Recht und Gesetz in einer bestimmten die sie treffen, persönlich verantwortlich. Sie äußern ihren ersten Urwahl der Landräte durch die Bevölkerung 1999 (§ 3 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz, § 5 Abs. 3 Satz 2 Weise zu treffen sind und keine Ermessensspielräume be- Unmut öffentlich, insbesondere im Internet bzw. in sozialen dazu, dass entweder der amtierende Landrat oder der am- Landesorganisationsgesetz) bereits die Frage der Fachauf- stehen. So erwarten beispielsweise Teile der Bevölkerung Netzwerken, in zum Teil grob beleidigender und völlig re- tierende Oberkreisdirektor die Herausforderung annahmen sicht, in welchem Umfange und mit welcher Qualifikation oder einzelne Bürger, dass der Landrat sicherstellt, dass spektloser Weise mit Angriffen gegen den Amtsträger oder und auch gewählt wurden.8 kreiseigenes Personal für welche Aufgaben eingesetzt eine ortsnahe kassenärztliche Versorgung im Kreis erhalten dessen Familie. Bedauerlicherweise scheinen sich auch

76 77 Milliarden EUR ku m u liert e D arst ellu ng / net t o Milliarden EUR Milliarden EUR V erb u ndsat z q u o t e

16 15,0 20 14 29% 14,5 13,5 kreisfreie 13,0 12 28 % 12,1 Städte 12 11,4 27 % 10,8 15 10 26 % 8 8 25% 6 10 kreisangehörige 24% 4 Gemeinden 4 23 % 2 5 22% 0 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 21% 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Kreise K inder- u . J u gendhilfe ( 2013 S c hä t z u ng) H ilfe z u r P flege 20% 0 H öhe der G esam t au fw endu ngen Um lage v o n G em einden Eingliederu ngshilfe fü r Mensc hen m it H ilfe z u m L eb ensu nt erhalt 198 0 1990 2000 2100 2010 2014 B ehinderu ngen H ilfe z u r G esu ndheit 1990 1995 2000 2005 2010 2014 K o st en der Unt erku nft u . H eiz u ng H ilfe z u r Ü b erw indu ng b es. so z . S c hw ierig- ( N et t o au sgab en nac h B u ndesb et eiligu ng) keit en u . H ilfe in anderen L eb enslagen ab 2009: no m inell 23 % , A b z u g 1, 17 % - P u nkt e ü b er Einheit slast enab rec hnu ngsgeset z

Kommunale Sozialaufwendungen Kassenkredite der Kreise und Gemeinden in Gesamtaufwendungen und Umlageaufkommen Entwicklung des kommunalen Anteils am in Nordrhein Westfahlen Nordrhein-Westfalen der Kreise in Nordrhein-Westfalen Steueraufkommen (sog. Verbundsatz) in Nordrhein-Westfalen

(Alle Grafiken: Landkreistag Nordrhein-Westfalen)

Fälle zu mehren, in denen körperliche Gewalt gegen den lassen sich Argumente für und wider eine „Anschluss- Weiterer Aufgabenzuwachs, kommunale Finanznot – Obwohl nur 21,8 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Landrat11 und seine Mitarbeiter angewendet wird.12 Ob die reform” der Kommunalverfassung finden. Im Jahr 2006 Verankerung des Konnexitätsprinzips und Kampf um in Nordrhein-Westfalen leben, entfallen mehr als 50 % der Projektion von Unzufriedenheit auf Repräsentanten der verlängerte die CDU/FDP-Mehrheit im Landtag die eine hinreichende finanzielle Ausstattung Kassenkredite in Deutschland auf NRW-Kommunen. Von Verwaltung auch eine Folge der Einführung einer monisti- Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten auf sechs Jahre den 359 Mitgliedskommunen des Städte- und Gemeinde- schen Spitze in der Kommunalverwaltung oder ein Phä- und entkoppelte sie damit von der Dauer der Legislatur- Die Entwicklung der Kreisfinanzen seit 1980 bundes NRW verfügten im Jahr 2013 nur 37 über einen nomen unserer Zeit – zumal des Internets und der elek- perioden der Räte und Kreistage. Diese Änderung wurde strukturell ausgeglichenen Haushalt; mithin erreichten nur tronischen Medien – ist, lässt sich nicht sicher sagen; die durch die rot-grüne Landesregierung im Jahr 2013 wieder „Die Lage der Kommunalfinanzen ist schlecht.” Dieser etwa 10 % von ihnen den von der Gemeindeordnung als Attraktivität des Amtes leidet darunter in jedem Fall. rückgängig gemacht, so dass spätestens ab 2020 Land- Satz darf mittlerweile der politischen Allgemeinbildung Normalfall geforderten Zustand. räte und Kreistage im Regelfall wieder zeitgleich gewählt zugerechnet werden. Die Generation der heute 20- bis Vorsicht geboten ist bei der Beurteilung eines anderen werden. 40-Jährigen kennt gar keinen anderen Zustand, jedenfalls Landesweit drohen die Kommunen in eine Schuldenfalle zu Phänomens: Die Wahlbeteiligung bei der Wahl von Land- dann, wenn sie – von einigen Ausnahmen abgesehen – in geraten, aus der sie sich nicht mehr aus eigener Kraft be- räten und (Ober-)Bürgermeistern geht in den letzten Die neue Rolle des Landrates und die Fülle seiner Aufga- einer nordrhein-westfälischen Großstadt aufgewachsen ist. freien können. „Nothaushalt”, „Haushaltsicherungskonzept”, Jahren rapide zurück, insbesondere bei gegebenenfalls ben machten auch Umorganisationen innerhalb der Kreis- Mittlerweile hat er – wiederum von einigen, immer weniger „vorläufige Haushaltsführung” und „Haushaltssanierungs- erforderlich werdenden Stichwahlen. So bekamen die verwaltungen erforderlich. Viele Landräte benötigen zur werdenden Ausnahmen abgesehen – gewissermaßen All- plan“ sind juristische Termini, aber zugleich Schlagworte, die beiden Kandidaten einer Landratsstichwahl im Jahr 2014 Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben nicht gemeingültigkeit, jedenfalls im Land Nordrhein-Westfalen. die dramatische Lage beschreiben. Die vom Grundgesetz zusammen weniger Stimmen, als der Erstplatzierte im nur ein Sekretariat und einen persönlichen Referenten; in Die Statistiken sind eindeutig: Im Jahr 1980 gab es prak- und der Landesverfassung eigentlich gewährleistete kom- ersten Wahlgang alleine. Auch bei den Wahlen am größeren Kreisen ist die Bildung einer gesonderten Orga- tisch keine Kassenkredite; heute liegt die Kassenkredit- munale Handlungsfreiheit wird in ihrer Substanz ausge- 13. September 2015 war die Wahlbeteiligung erschre- nisationseinheit, etwa in Form eines Führungsstabes, erfor- summe bei über 25 Milliarden Euro. höhlt, weil die zur Ausübung dieser Freiheit erforderlichen ckend niedrig; bei den Stichwahlen am 27. September lag derlich geworden. Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. sie zum Teil deutlich unter 30 %. Aus dieser Beobachtung

78 79 Gründe tert. Der Anteil der Steuereinnahmen, den das Land den gestiegen. Das ist ein Anstieg um 71,5 %. Im gleichen Gegenmaßnahmen Kommunen zur Verfügung stellt (sog. „Verbundsatz”), wurde Zeitraum stiegen die Zuweisungen im kreisangehörigen Die Lage der Kommunalfinanzen waren zentrale Themen Wer nach den Ursachen der Entwicklung fragt, kommt von 28,5 % Anfang der 1980er-Jahre auf heute 23 % Bereich (Städte, Gemeinden und Kreise zusammengenom- reduziert. Insgesamt wurden den Kommunen so im Zeit- men) lediglich um 14,2 %, nämlich von 271,55 Euro auf der Landtagswahlen 2010 und 2012. Die Koalitions- nicht umhin, sich mit der Verteilung öffentlicher Aufgaben verträge der jeweils neu gebildeten Landesregierungen und den Grundzügen der Systematik der Finanzbeziehun- raum 1982 bis 2014 über 50 Mrd. Euro vorenthalten. 310,14 Euro. Namentlich das System der sog. „Einwohner- Diese Entwicklung muss als zentrale Ursache der kommu- veredelung“ einwohnerstarker Städte erkennt erfolgte formulierten dass Ziel, die Misere der Kommunalhaushalte gen zwischen Bund, Land und Kommunen zu beschäftigen. dauerhaft zu beheben. Zur Priorisierung dieser Problema- In Nordrhein-Westfalen war schon immer ein großer Teil nalen Unterfinanzierung in Nordrhein-Westfalen angese- Ausgaben als Bedarf an. Gleichzeitig werden aber bei der hen werden. Daneben spielt eine Rolle, dass die Kommu- Berechnung der Steuerkraft erhebliche Einnahmevorteile tik dürfte auch der Umstand beigetragen haben, dass die öffentlicher Aufgaben von den Kommunen zu bewältigen. Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen in der Die Verwaltungsstrukturreformen in den Jahren 1997/98 nen an der Finanzierung der deutschen Einheit beteiligt der größeren Städte ignoriert, indem die Wirkung einheit- wurden. Für die Kreise bedeutet insbesondere die Steige- licher fiktiver Realsteuerhebesätze „weggerechnet“ wird. Geschäftsstelle des Landkreistages NRW stattgefunden (Verwaltungsmodernisierungsgesetze I und II) und haben und hier ein deutliches Signal zur Berücksichtigung 2006/2007 (Kommunalisierung der Umwelt- und Versor- rung der Soziallasten, die sich durch den jüngsten Zustrom Über den kommunalen Finanzausgleich erfolgt eine sich von Flüchtlingen deutlich erhöht, dass sie immer wieder verstärkende Umverteilung von Mitteln in den kreisfreien der kommunalen Anliegen gesetzt werden konnte. Dies gungsverwaltung mit Wirkung zum 1. Januar 2008) brach- wurde jedenfalls von den Leiterinnen der beiden Verhand- ten den Kommunen weitere Aufgaben. Im Zuge der sog. die Umlage, die ihre Mitgliedskommunen zu zahlen haben, Bereich, die dort verausgabt und nach der Logik des erhöhen müssen. Dies führt zu massiver Unzufriedenheit Verteilungssystems wiederum als Indikatoren für einen lungsdelegationen, Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann, „Hartz-Reformen“ in den Jahren 2003/2004 ist eine Reihe gegenüber der Öffentlichkeit bekundet. Der zu diesem von Kreisen „Optionskommune“ geworden und hat die Auf- bei den kreisangehörigen Kommunen und zu vielen höheren Bedarf gewertet werden. Als Argument für die Konflikten zwischen Bürgermeistern und Landräten. „Einwohnerveredelung” wird eine überproportionale Zweck aufgelegte „Aktionsplan Kommunalfinanzen” und gaben der Arbeitsmarktverwaltung von der Bundesagentur der „Stärkungspakt Stadtfinanzen” verfolgen das Ziel, die für Arbeit übernommen. Mittlerweile nimmt NRW mit einem Kostensteigerung bei der Aufgabenerledigung angeführt. NRW-Gemeindefinanzierungsgesetz: Systematische Danach sollen einwohnerreichere Städte und Gemein- Neuverschuldung der Kommunen abzubauen und mit- Kommunalisierungsgrad von fast 54 % den bundesweiten tel- bis langfristig den Kommunen einen Verzicht auf eine Spitzenwert ein. Benachteiligung des kreisangehörigen Raumes den in der Regel höhere objektive Pro-Kopf-Ausgaben haben als solche mit einer kleineren Einwohnerzahl. Dies Schuldenfinanzierung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck Von ebenfalls hoher Bedeutung sind die stets wachsen- Das in Nordrhein-Westfalen mittels des (jährlich neu be- lässt sich aber statistisch nicht nachweisen. Die Annahme müssen die teilnehmenden Kommunen eigene Konsolidie- den Ausgaben für soziale Leistungen. Allein von 2009 schlossenen) „Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen blendet zudem die wirtschaftlichen Vorteile des höheren rungs- und Sparbemühungen unternehmen. Gewisserma- bis 2014 ist der jährliche Gesamtaufwand der Kreise und des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Agglomerationsgrades aus (etwa Unternehmensansied- ßen im Gegenzug erhalten sie zusätzliche Mittel vom Land Landschaftsverbände, die vor allem die „Eingliederungshilfe Gemeindeverbände“ (GFG) etablierte – hoch komplexe – lungs- und Arbeitskräftepotential) und steht im diametra- und im Rahmen des sog. „Kommunal-Soli“ von anderen, für Menschen mit Behinderungen“ zu erbringen haben und System eines kommunalen Finanzausgleichs besteht aus len Widerspruch zur betriebswirtschaftlichen Erfahrung vermeintlich „reichen“, sog. abundanten Kommunen. sich auch über eine Umlage finanzieren, um 2,67 Mrd. Euro vielen verschiedenen Stellschrauben, mit deren Hilfe die positiver Skaleneffekte: Die Menge der bei steigender gestiegen. Besonders stark gewachsen sind die Sozial- eingenommenen Steuern auf die einzelnen kommunalen Einwohnerzahl erbrachten Leistungen muss aufgrund der Dass die beschriebenen Maßnahmen zum Erfolg führen leistungsbereiche „Kosten der Unterkunft“, „Hilfe zur Pfle- Gebietskörperschaften verteilt werden. Einige dieser Stell- natürlichen Fixkostendegression dazu führen, dass die Pro- werden, erscheint zweifelhaft. Denn diese gehen davon ge“, „Pflegewohngeld“ sowie „Kinder- und Jugendhilfe“. schrauben sind allerdings so bemessen, dass der kreisfreie Kopf-Kosten der Leistung bei wachsender Gemeindegröße aus, dass es nicht zu signifikanten unvorhergesehenen Hinzu treten Ausgaben für neu eingeführte Sozialleistun- Raum bei einer Pro-Kopf-Betrachtung deutlich besser ge- sinken und eben nicht steigen. Ausgabensteigerungen (wie etwa der Aufwand für die gen wie das Elterngeld oder die Umsetzung der Inklusion. stellt ist als der kreisangehörige Raum. Im Zeitraum von Unterbringung und Integration von Flüchtlingen) kommen Obwohl sich die Aufgaben und Ausgaben der Kommunen 2000 bis 2014 sind die durchschnittlichen Schlüssel- wird, die Steuereinnahmen stabil bleiben bzw. weiter wach- in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich steigerten, hat zuweisungen pro Einwohner bei den kreisfreien Städten sen und das derzeit historisch niedrige Zinsniveau nicht sich gleichzeitig die Einnahmesituation massiv verschlech- von 317,72 Euro im Jahr 2000 auf 544,74 Euro in 2014 steigt.

80 81 Seit dem Jahr 2009 befindet sich die Geschäftsstelle des Landkreistages NRW in der Kavalleriestraße 8 im Düsseldorfer Regierungsviertel. (Abb.: Landkreistag NRW)

sind die Grundsätze der Kostenfolgeabschätzung festzule- formgerechter Kostenfolgeabschätzungen. Schutzlücken gen und Bestimmungen über eine Beteiligung der kommu- bestehen zudem beim Unterlassen von eigentlich notwen- nalen Spitzenverbände zu treffen.” digen gesetzgeberischen Aktivitäten sowie einer versteck- ten Aufgabenübertragung durch Erlasse oder Verwaltungs- Es spricht allerdings Vieles dafür, dass die stets zuneh- Kreisebene muss jedenfalls auch eine direkte Beteiligung Mit dieser Verfassungsänderung bekamen die Kommunen vorschriften. Aufgabenzuwächse, die auf die Gesetzgebung mende Unterfinanzierung nicht mehr durch Einsparungen der Kreisebene an der Umsatzsteuer ermöglicht werden, erstmals ein „scharfes Schwert” in die Hand, mit dem zu- des Bundes oder der Europäischen Gemeinschaft zu- aufgefangen werden kann. Mittlerweile ist vielfach das um hier Aufgaben- und Finanzverantwortung auf einer mindest der Ausgleich neuer finanzieller Belastungen der rückgehen, erfasst die Regelung in der Landesverfassung Eigenkapital, das zur Finanzierung eingesetzt wurde, auf- Ebene zusammenzuführen. Kommunen in Folge von Rechtsetzungsaktivitäten des Lan- nicht.13 Dies steht im Widerspruch zur Intention der Födera- gebraucht. Investitionen in die kommunale Infrastruktur des notfalls erzwungen werden konnte. Die Einhaltung der lismusreform I, wonach ein Durchgriff des Bundes oder gar unterbleiben. Nach der jüngsten Studie der Kreditanstalt Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Landes- Vorgaben der Landesverfassung können nämlich mit Hilfe verfassung übergeordneter Ebenen wie der Europäischen Union auf für Wiederaufbau (KfW) beläuft sich der kommunale Sanie- der Kommunalverfassungsbeschwerde einer Überprüfung die Kommunen gerade unterbunden werden sollte. Dieser rungsstau in NRW mittlerweile auf rd. 30 Mrd. Euro. Dies Schon Mitte der 1990er-Jahre begannen in ganz Deutsch- durch den Verfassungsgerichtshof NRW zugeführt werden. Umstand ist in der Verfassungskommission des Landtages wird sich mittelfristig äußerst negativ auswirken. land Bemühungen, in den Landesverfassungen Vorschrif- Zeitgleich wurde das „Gesetz zur Regelung eines Kosten- von den kommunalen Spitzenverbänden nachhaltig kritisiert folgeabschätzungs- und eines Beteiligungsverfahrens Auch der Bund scheint angesichts der Zuspitzung der ten zu verankern, wonach Kosten, die den Kommunen in worden. Es bleibt zu wünschen, dass der Landtag die auch Folge neuer Gesetzgebung und damit Aufgabenübertra- gemäß Artikel 78 Abs. 3 der Verfassung für das Land vom Verfassungsgerichtshof NRW ausdrücklich festge- Lage auch in anderen Bundesländern in zunehmendem Nordrhein-Westfalen (Konnexitätsausführungsgesetz – Maße bereit, den Kommunen finanziell unter die Arme gung an die Kommunen entstehen, zu ersetzen sind. Der stellte Schutzlücke zu Lasten der Kommunen – etwa in überkommene Zustand des Auseinanderfallens von KonnexAG)” erlassen. In der Rechtspraxis der folgenden Form des Unterlassens einer landesrechtlichen Regelung zu greifen. So kam es seit 2012 in drei Stufen zu einer Jahre neigte indes das Land dazu, die selbst gesetzten Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und Gesetzgebungs- und Finanzierungsverantwortung sollte bei Änderung eines Bundesgesetzes – im Zuge seiner beendet und das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ verwirklicht Regeln allenfalls stiefmütterlich zu beachten. Die Kommu- laufenden Beratungen möglichst im Jubiläumsjahr der bei Erwerbsminderung, die im Jahr 2003 zu Lasten der nen mussten ihre Rechte tatsächlich mit Hilfe des Verfas- Kommunen eingeführt worden war und eine rentengleiche werden. In Nordrhein-Westfalen war es am 22. Juni 2004 Kreise 2016 schließt. soweit, als der Landtag mit den Stimmen aller Landtags- sungsgerichtshofs NRW in einer mittlerweile stattlichen Dauerleistung darstellt. Zudem werden die Kommunen in Anzahl von Verfahren durchsetzen. Einen vorläufigen Deutschland in den Jahren 2015 bis 2017 in Höhe von fraktionen beschloss, Art. 78 der Landesverfassung, der zusammen mit Art. 79 die Rechtsstellung der Kommunen Höhepunkt bildete das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Das von Landrat a. D. Prof. jeweils einer Milliarde Euro pro Jahr entlastet. Dies soll vom 12. Oktober 2010, mit dem festgestellt wurde, dass Dieter Patt (Rhein-Kreis Neuss) dadurch erfolgen, indem der Bund einen höheren Anteil an regelt, in Absatz 3 wie folgt zu fassen: „Das Land kann die geschaffene Kopfporträt des Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder die vorgenommene Übertragung der Aufgaben der Freiherrn vom Stein befindet den „Kosten für Unterkunft und Heizung“ nach dem SGB sich im Foyer der Geschäftsstelle Rechtsverordnung zur Übernahme und Durchführung be- öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe des Kinderförde- des Landkreistages NRW. II übernimmt und den Kommunen einen höheren Anteil an rungsgesetzes (Verpflichtung zur Einrichtung von Betreu- (Abb.: Landkreistag NRW) der Umsatzsteuer überlässt. Der Koalitionsvertrag auf Bun- stimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten ungsplätzen für Kinder unter drei Jahren) mit Art. 78 desebene sieht überdies vor, ein Bundesleistungsgesetz für Abs. 3 der Landesverfassung NRW insoweit unvereinbar Menschen mit Behinderungen (sog. Bundesteilhabegesetz) getroffen werden. Führt die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender und übertragbarer Aufgaben zu ist, als dabei nicht gleichzeitig Bestimmungen über die zu erarbeiten und die Kommunen zukünftig jährlich um fünf Deckung der Kosten getroffen worden waren. Diese Ent- Milliarden Euro zu entlasten. Auch das jüngst aufgelegte einer wesentlichen Belastung der davon betroffenen Ge- meinden oder Gemeindeverbände, ist dafür durch Gesetz scheidung hatte weitreichende finanzielle Folgen, da das „Kommunalinvestionsfördergesetz” lenkt überdurchschnitt- Land nun die entsprechenden zusätzlichen Kosten den lich viel Geld nach Nordrhein-Westfalen. Indes sind einzel- oder Rechtsverordnung aufgrund einer Kostenfolgeab- schätzung ein entsprechender finanzieller Ausgleich für Kommunen erstatten musste, aber auch eine politische ne „Finanzspritzen“ des Bundes auch nicht geeignet, die Signalwirkung. strukturellen Finanzierungsdefizite auszugleichen. Nur eine dieentstehenden notwendigen, durchschnittlichen Aufwen- vollständige und dynamisierte Übernahme der Soziallasten, dungen zu schaffen. Der Aufwendungsersatz soll pauscha- Es ist festzuhalten, dass das Konnextitätsprinzip weiterhin die durch die Bundesgesetzgebung veranlasst sind, kann liert geleistet werden. Wird nachträglich eine wesentliche einer vollständigen Umsetzung harrt. Immer noch ignorie- wirklich dauerhaft Abhilfe schaffen. Alternativ kommen si- Abweichung von der Kostenfolgeabschätzung festgestellt, ren viele Fachministerien bei der Vorbereitung von Gesetz- gnifikante und dynamisierte erhöhte Steueranteile für die wird der finanzielle Ausgleich für die Zukunft angepasst. gebungsvorhaben die Verfahrensvorschriften des Konnexi- Kommunen in Betracht. Wegen der Hauptbetroffenheit der Das Nähere zu den Sätzen 2 bis 4 regelt ein Gesetz; darin tätsausführungsgesetzes und verzichten auf die Erstellung

82 83 ENDNOTEN 22 Vgl. Christian Schulze Pellengahr, Clemens von Bönninghausen: Jurist, 23 Die Klassensteuer kann als Vorläufer der Einkommenssteuer Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende Botaniker und Homöopath, in: Jahrbuch Westfalen 2015, S. 238-244; Siegfried gesehen werden. der Monarchie, 1984, S. 678-714, hier S. 679. „MIT DER SORGFÄLTIGSTEN SCHONUNG DER Bahne, Ernst von Bodelschwingh – ein preußischer Staatsmann und Politiker 24 Kabinettsordere v. 17. 1. 1830. 8 Vgl. grundlegend Hans Gerhard Benzig, Bismarcks Kampf um die BESTEHENDEN VERHÄLTNISSE“ – DIE EINRICHTUNG aus Westfalen in der Zeit der Restauration, Revolution und Reaktion, in: 25 Kabinettsordere v. 1. 12. 1828. Kreisordnung von 1872, Hamburg 1996, S. 423-438, sowie Georg-Christoph DER KREISE IN RHEINLAND-WESTFALEN 1816 Wilhelm Grabe Westfälische Zeitschrift 146 (1996), S. 174-189. 26 Bornhak (wie Anm. 7), S. 70. von Unruh, Der Kreis. Ursprung und Ordnung einer kommunalen Körperschaft, 23 Georg Bärsch, Erinnerungen aus meinem vielbewegten Leben, Aachen 27 Ebd., S. 65. Köln/ Berlin 1964, S. 145. 1 Martin Knaut, Geschichte der Verwaltungsorganisation unter besonderer Be- 1856, S. 116. Ferner: Peter Eberhard Müllensiefen, Ein deutsches Bürgerleben 28 Ebd. 9 Adalbert Leidinger, Die Finanzwirtschaft der Kreise von 1886 bis 1987, in: rücksichtigung Preußens und der rheinisch-westfälisch-lippischen Lande, Stutt- vor 100 Jahren. Selbstbiographie, hrsg. v. Friedrich von Oppeln-Bronikowski, 29 Ellwein (wie Anm. 15), S. 193. Landkreistag Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 3), S. 203-249, hier S. 210. Vgl. gart 1961, S. 77. Vgl. Otto Hintze, Der Ursprung des preußischen Landratsamts Berlin 1931. 30 Bornhak (wie Anm. 7), S. 69. auch von Unruh (wie Anm. 8), S. 145. in der Mark Brandenburg, in: ders., Regierung und Verwaltung. Gesammelte 24 Übertragung der Geschäfte eines Landrats an den Bürgermeister Corman zu 31 Graumann (wie Anm. 20), S. 47. 10 Edzard Schmidt-Jortzig, Die Entwicklung des Verfassungsrechts der Kreise, Abhandlungen zur Staats-, Rechts- und Sozialgeschichte Preußens, hrsg. u. Borghorst durch die Regierung in Münster, 9. 8. 1816. Zit. n. Kohl, S. 187. 32 Ebd., S. 26. in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 3), S. 87-119, hier S. 89. eingel. v. Gerhard Oestreich, Göttingen 1967, S. 164-203; Georg-Christoph von 25 Kgl. Regierung Münster an landrätlichen Kommissar Corman v. 26. 8. 1816. 33 Bornhak (wie Anm. 7), S. 59. 11 Rüfner (wie Anm. 7), S. 693f. Unruh, Der Kreis. Ursprung und Ordnung einer kommunalen Körperschaft, Zit. n. Kohl (wie Anm. 14), S. 81. 34 Ebd., S. 60. 12 Vgl. ebd., S. 694, und Friedrich Schöne, Werden und Sein der preußischen Köln u. Berlin 1965, S. 17ff. 26 Zit. n. von Unruh (wie Anm. 1), S. 97. 35 Graumann (wie Anm. 20), S. 38-39. Landkreise als Grundlage ihrer Zukunft, in: Kurt Jeserich, Die deutschen 2 Adolf Schill, Die Einführung des Landratsamtes in Cleve-Mark, in: 27 Vgl. Hans Nordsiek, Vom „landrätlichen Büro“ zur Kreisverwaltung. 36 Ebd., S. 48. Landkreise. Material zur Landkreisreform, Stuttgart/ Berlin 1937, S. 1-69, Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 22 (1909), Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte des Kreises Minden-Lübbecke, in: 37 Bornhak (wie Anm. 7), S. 60. hier S. 43. S. 334. Vgl. Josef Börste, „und mich zum Landrath … in Vorschlag zu bringen“. Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 63 (1991), S. 46. 38 Graumann (wie Anm. 20), S. 54. 13 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 10), S. 112. Zum Gesamtkomplex vgl. ferner 250 Jahre Kreis Unna – von der Reckes stellten die ersten Landräte, in: 28 Bär (wie Anm. 12), S. 222, Anm. 3. 39 Kreis Soest (wie Anm. 5), S. 12; Graumann (wie Anm. 20), S. 47-54. Rüfner (wie Anm. 7), S. 694f., von Unruh (wie Anm. 8), S. 174-178, und Jahrbuch des Kreises Unna 2003, S. 92-100. 29 Zit. n. Friedrich Gerhard Hohmann, Geschichte der Verwaltung des Kreises 40 Graumann (wie Anm. 20), S. 150. ders., Der Landrat. Mittler zwischen Staatsverwaltung und kommunaler 3 Bericht v. 22. 3. 1764. Zit. n. Schill (wie Anm. 2), S. 351. Paderborn, in: Landkreis Paderborn. Zur Einweihung des Kreishauses 1968, 41 Volker Schüler, Aus der Geschichte der Buch- und Zeitungsverlage im Kreis Selbstverwaltung, Köln/ Berlin 1966, S. 54. 4 Pro-Memoria Steins v. 19. 3. 1803, in: Erich Botzenhart (Bearb.), hrsg. v. Landkreis Paderborn, Paderborn 1968, S. 22f. Bergheim im 19. und 20. Jahrhundert, zwischen Bleisatz und Druckerschwärze, 14 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 10), S. 113. Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften, Bd. 1, Stuttgart 1957, S. 663. 30 Von Unruh (wie Anm. 1), S. 98. Frechen 2015, S. 132-141. 15 So der Untertitel der Studie von von Unruh (wie Anm. 13). 5 Der Freiherr vom Stein. Seine Lebensbeschreibung von ihm selbst entworfen, 31 Hermann von Petersdorff, Friedrich von Motz. Eine Biographie, Bd. 1, 42 Kreisblatt für den Kreis Bergheim, Bergheim 1845-1846. 16 Vgl. z. B. Gesetz, betreffend die Wahlen zu den Provinziallandtagen und zu hrsg. v. Dürerbund, München o.J., S. 9f. Berlin 1913, S. 30. 43 Der Kreis (wie Anm. 3), S. 137. den Kreistagen vom 3. 12. 1920, in: Preußische Gesetzsammlung 1921, S. 1-7, 6 Wilhelm Grabe/ Markus Moors (Hrsg.), Neue Herren – neue Zeiten? 44 Bornhak (wie Anm. 7), S. 66. und Wahlgesetz für die Provinziallandtage und Kreistage vom 7. 10. 1925, in: Quellen zur Übergangszeit 1802 bis 1816 im Paderborner und Corveyer Land, WESEN, STRUKTUR UND AUFGABEN DER KREISE MITTE DES 45 Graumann (wie Anm. 20), S. 34. Preußische Gesetzsammlung 1925, S. 123-132. Paderborn 2006, S. 145-150. 19. JAHRHUNDERTS Gabriele Mohr 46 Ellwein (wie Anm. 15), S.193-194. 17 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 10), S. 98. 7 Horst Carl, Das 18. Jahrhundert (1701-1814) – Rheinland und Westfalen im 47 Graumann (wie Anm. 20), S. 116. 18 Vgl. Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. 7. 1883, in: preußischen Staat von der Königskrönung bis zur „Franzosenzeit“, in: 1 www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input_felder/ 48 Kreis,- Bezirks- und Provinzialordnung für den preußischen Staat vom Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1883, S. 195- Georg Mölich/ Veit Veltzke/ Bernd Walter (Hrsg.), Rheinland, Westfalen und langDatensatz_ebene4.php?urlID=587&url_tabelle=tab_websegmente 11. März 1850, Berlin 1850, Artikel 1. 236, und – auch zum Folgenden – Eberhard Laux, Die Entwicklung der Preußen. Eine Beziehungsgeschichte, Münster 2011, S., S. 106. (Zugriff 20. 9. 2015). 49 www.verfassungen.de/de/preussen/gesetze/provinzialordnung50.htm Kreisaufgaben und des Personals (1816 – 1886 – 1986), in: Landkreistag 8 Botzenhart (wie Anm. 4), Bd. 2, Teil 1, Stuttgart 1959, S. 380-398, hier 2 Bezirksregierung Köln (Hrsg.), 150 Jahre Regierung Köln, Berlin 1966, S. 18. (Zugriff 22. 9. 2015). Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 3), S. 121-201, hier S. 131f. S. 394. 3 Georg Christoph von Unruh, Der Kreis – Ursprung, Wesen und Wandlungen, 50 Kurt Jeserich, Die deutsche Gemeinde. Festschrift des 19 Max Bär, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, 9 „Über die Reorganisation des Preußischen Staats, verfaßt auf höchsten Befehl in: Der Kreis. Ein Handbuch in drei Bänden, hrsg. v. Verein für die Geschichte Kommunalwissenschaftlichen Instituts an der Universität Berlin zum zehnjährigen S. 229. Vgl. auch Emsbach (wie Anm. 4), S. 39. Sr. Majestät des Königs“, Riga, 12. 9. 1807. http://www.staatskanzler-harden- der Deutschen Landkreise e.V., Bd. 1, Köln u. Berlin 1972, S. 24-25. Bestehen 1928-1938, Stuttgart, Berlin 1938, S. 141. 20 Vgl. Schmidt-Jortzig (wie Anm. 10), S. 90. berg.de/quellentexte_riga.html (Zugriff 26. 7. 2015). 4 Kreisordnung für die Rheinprovinzen und Westphalen vom 13ten Juli 1827, 51 Ebd. 21 Peter Hüttenberger, Die Entwicklung der rheinisch-westfälischen Landkreise 10 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1812, Berlin 1827; auch www.verfassungen.de/de/nrw/rheinprovinz/kreisordnung27. 52 Ebd. im 19. und 20. Jahrhundert, in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 3), S. 141-160, Zitate S. 141f. Dazu: Ernst von Meier, Die Reform der Verwaltungs- htm (Zugriff 1. 8. 2015), § 1. 53 Weller (wie Anm. 6), S. 45. S. 10-21, hier S. 10. organisation unter Stein und Hardenberg, nach dem Tode des Verfassers 5 Kreis Soest/ Der Oberkreisdirektor (Hrsg.), Vom preußischen Landratsamt 54 Kreis Soest (wie Anm. 5), S. 31. 22 Das Zitat findet sich für Recklinghausen bei Laux (wie Anm. 18), S. 141, hrsg., 2. Auflage von Friedrich Thimme, München/ Leipzig 1912, S. 396ff. zur heutigen Kreisverwaltung. Ein Rückblick auf 175 Jahre Kreisgeschichte in 55 Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis, Bestand Kreis Köln, Akte 659. sowie – bereits im Titel – bei Otto Ehrensberger, Landkreisfragen des Westens 11 Dazu: Karl von Stengel, Die Organisation der Preussischen Verwaltung nach Lippstadt und Soest, Werl 1992, S. 12. 56 Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Provinz-Archiv, Nr. 356. am Beispiel des Industriekreises Recklinghausen, in: Jeserich, Die deutschen den neuen Reformgesetzen, historisch und dogmatisch dargestellt, 6 Hans Weller, Die Selbstverwaltung im Kreis Soest: 1817-1974. Ein Beitrag 57 Ebd. Landkreise (wie Anm. 12), S. 70-107, und für Mettmann bei Kreis Mettmann/ Leipzig 1884, S. 94f. zur Geschichte der übergemeindlichen Selbstverwaltung, Paderborn 1987, S. 42. 58 Ebd. Der Landrat (Hrsg.), Die Geschichte des Kreises Mettmann, o. O. 2001, S. 111. 12 Max Bär, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, 7 Conrad Bornhak, Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 3, 59 Hugo Preuß, Gesammelte Schriften, Bd. 5, Tübingen 2012, S. 511. 23 Schreiben einer vierköpfigen Kreistagskommission des Landkreises Neuß an S. 15. Das westfälische Pendant zur rheinischen Verwaltungsgeschichte: Berlin u. Heidelberg 1886, S. 61. den Minister des Innern, 25. 6. 1918, Archiv im Rhein-Kreis Neuss, Landratsamt Wolfgang Leesch, Die Verwaltung der Provinz Westfalen 1815-1945. 8 Ebd. DIE KREISORDNUNGEN VON 1886/87 UND DIE ENTWICKLUNG DER Neuß (Mikrofilm) Nr. 596, Bl. 9. Struktur und Organisation, Münster 1993. 9 Ab 1822 Rheinprovinz, da die Provinz Jülich-Kleve-Berg mit dem KREISE BIS 1933 Stephen Schröder 24 Vgl. hierzu wie für das Folgende grundlegend Laux (wie Anm. 18), bes. S. 13 Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden vom Großherzogtum Niederrhein vereint wurde. 131-160, und Leidinger (wie Anm. 9), S. 210-232. 30. 4. 1815. Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1815, 10 Bornhak (wie Anm. 7), S. 63. 1 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1886, S. 217-253 25 Vgl. Kreis Soest/ Der Oberkreisdirektor (Hrsg.), Vom preußischen Nr. 9 v. 8. 7. 1815, S. 85-92, hier: S. 91 (§§ 33-36). 11 Kreisordnung für die Rheinprovinzen und Westphalen vom 13ten Juli 1827, (dort die Zitate im Text). Landratsamt zur heutigen Kreisverwaltung. Ein Rückblick auf 175 Jahre 14 Instruction die Ausführung der Verordnung vom 30sten April 1815 wegen Berlin 1827, www.verfassungen.de/de/nrw/rheinprovinz/kreisordnung27.htm 2 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1887, S. 209-248 Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest, Soest 1992, S. 15. verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden betreffend, 3. 7. 1815. Zit. n. (Zugriff 1. 8. 2015), Ergänzung 1836. (dort die Zitate im Text). 26 Vgl. Laux (wie Anm. 18), S. 138f. (hier mit abweichender Datierung 1909), Wilhelm Kohl, 150 Jahre Landkreis Steinfurt 1816-1966. Geschichte der 12 Bornak (wie Anm. 7), S. 63. 3 Für ein pointiertes Beispiel vgl. Hein Hoebink, Entwicklung im Widerstreit: sowie Kreis Mettmann/ Der Landrat (wie Anm. 22), S. 57. Kreisverwaltung, Steinfurt 1966, S. 169-172. 13 Weller (wie Anm. 6), S. 41. Seine Gliederung in vier Stände wird hier nicht Die rheinischen und westfälischen Landkreise zwischen Stadt und Staat 27 Kreis Soest/ Der Oberkreisdirektor (wie Anm. 25), S. 16. 15 Amts-Blatt der Königl. Regierung zu Münster v. 10. 8. 1816. berücksichtigt. Grundlage dieses Aufsatzes ist die Ständeeinteilung nach Bornak 1886-1986, in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Hundert Jahre 28 Leidinger (wie Anm. 9), S. 218. 16 Bär (wie Anm. 12), S. 235. (wie Anm. 7), S.62-63. Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, München 1988, S. 23-86, hier S. 26: 29 Vgl. Kreis- und Provinzial-Abgabengesetz vom 23. 4. 1906, in: Gesetz- 17 Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines 14 Ludwig von Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie, Leipzig „Die Entwicklung sich selbst verwaltender Landkreise setzte in Westfalen und im Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1906, S. 159-169. Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, München 1864, S. 362. Rheinland de jure in den Jahren 1886 und 1887 mit der Verkündung moderner 30 Leidinger (wie Anm. 9), S. 248. 1989, S. 448. 15 Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngste Kreisordnungen ein.“ 31 Vgl. Claudia Maria Arndt, Das alte Siegburger Kreishaus (1907-1979), 18 Zit. n. Meier (wie Anm. 10), S. 491, Anm. 219. Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 1: 4 So (bezogen auf die Kreisordnung für die Rheinprovinz) Karl Emsbach, in: Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises 72 (2004), S. 202-216, 19 Zit. n. 150 Jahre Landkreis Halle (Westf.). Eine Darstellung seiner Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie 1815-1918, Opladen 1993, S. 194. Von den Kreisständen zum demokratischen Kreistag, in: Die Kreispostille hier v. a. S. 203. Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hrsg. v. Landkreis Halle, o.O. o.J. 16 Bezirksregierung Köln (wie Anm. 2), S. 22. Sonderausgabe „50 Jahre Kreistag“ 1997, S. 34-45, hier S. 38. 32 Anne Roerkohl, Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale (Halle 1966), S. 16f. 17 Kreisordnung 1827, § 16. 5 Vgl. Kreisordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges, 20 Diese und die folgenden Angaben nach: Horst Romeyk, Die leitenden 18 Kreisordnung 1827, § 6. Schlesien und Sachsen vom 13. 12. 1872, in: Gesetz-Sammlung für die Stuttgart 1991, S. 17. staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, 19 Kreisordnung 1827 § 21. Königlichen Preußischen Staaten 1872, S. 661-716. 33 Vgl. Hans Weller, Die Selbstverwaltung im Kreis Soest 1817-1974. Düsseldorf 1994; Dietrich Wegmann, Die leitenden staatlichen 20 Sabine Graumann, Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um 1840, 6 Schöne, Die Verfassungs- und Verwaltungsorganisation der deutschen Ein Beitrag zur Geschichte der übergemeindlichen Selbstverwaltung, Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815-1918, Münster 1969. Köln 2015, S. 59. Landkreise, in: Otto Constantin/ Erwin Stein (Hrsg.), Die deutschen Landkreise, Paderborn 1987, S. 68f. 21 Horst Wallraff, Vom preußischen Verwaltungsbeamten zum Manager des 21 Prästation = Abgabe, Leistung. Band 1, Berlin 1926, S. 19-111, hier S. 29. 34 Vgl. Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. 2. 1924, in: Kreises. Landräte und Landratsämter in den Kreisen Düren und Jülich von 1816 22 www.verfassungen.de/de/nrw/rheinprovinz/kreisordnung27.htm 7 Vgl. Wolfgang Rüfner, Die Entwicklung der Verwaltung in den Bundesstaaten. Reichsgesetzblatt 1924, Teil I, S. 100-107, hier S. 100 (dort das Zitat), bis zur Gegenwart, Düren 2004, S. 27. (Zugriff 11. 9. 2015), § 3. § 1 Preußen, in: Kurt G. A. Jeserich/ Hans Pohl/ Georg-Christoph von Unruh, einschließlich der Ausführungsverordnung vom 17. 4. 1924, in: Preußische

84 85 Gesetzsammlung 1924, S. 210-218, sowie Reichsgrundsätze über Der Kreis im Wandel der Zeiten. Grundlegende Texte der Kreisliteratur. 15 Ellwein (wie Anm. 3), S. 401. 51 Zum Siegerland-Flughafen: Hennig Schneider, Der Siegerland-Flughafen. Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. 12. 1924, in: Köln u.a. 1976, S. 97-98. 16 Michael Hallerberg/ Fabian Kindt/ Arbeitskreis ostwestfälisch-lippische Wichtiger und flexibler Partner der regionalen Wirtschaft im Dreiländer-Eck, in: Reichsgesetzblatt 1924, Teil I, S. 765-770. 20 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 6), S. 104. Archive, Heimat für Fremde? Migration und Integration in Deutschland vom Eildienst Landkreistag NRW 3/2015, S. 86-88 35 Vgl. hierzu Kracht, Die soziale Fürsorge in den Landkreisen, in: 21 Hüttenberger (wie Anm. 1), S. 17-18. Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart mit Beispielen aus Ostwestfalen-Lippe, 52 Zieldefinition in der sogenannten Duisburger Erklärung der nordrhein-west- Constantin/ Stein (wie Anm. 6), S. 725-790, hier S. 757f. 22 Hier und im Folgenden: Wolfgang Stelbrink, Die „steckengebliebene“ Ratio- S. 30, S. 34. fälischen Wirtschaftsförderungseinrichtungen, in: Eildienst Landkreistag NRW 36 Leidinger (wie Anm. 9), S. 230. nalisierung der preußischen Landratsämter im „Dritten Reich“, in: Eberhard Laux/ 17 Brunn/ Reulecke (wie Anm. 1), S. 16. 10/2010, S. 348. 37 Vgl. §§ 43-50 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über die kommunale Karl Teppe (Hrsg.), Der Neuzeitliche Staat und seine Verwaltung. Beiträge zur 18 Zitiert nach Wehrmann (wie Anm. 12), S. 110. 53 So mit Stolz dargelegt von Markus Faber/ Kirsten Rüenbrink, Vom ländli- Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets vom 29. 7. 1929, Entwicklungsgeschichte seit 1700, Stuttgart 1998, S. 204ff. 19 Brunn/ Reulecke (wie Anm. 1), S. 19. chen Raum zur industriellen Herzkammer Nordrhein-Westfalens. Der leise in: Preußische Gesetzsammlung 1929, S. 137-149, hier S. 147-149. 23 Ebd., S. 218 ff. Die kommunalen Dienststellen waren personell besser aus- 20 Gröger (wie Anm. 9), S. 13. Aufstieg der Kreise zur Industrieregion, in: Eildienst Landkreistag NRW gestattet sowie besser besoldet und auch ihre fachliche Qualität überstieg meist 21 Brunn/ Reulecke (wie Anm. 1), S. 20. 10/2012, S. 346-349. DIE KREISE WÄHREND DER ZEIT die der staatlichen Beamten und Angestellten. 22 Marcel Oeben, Die Streitigkeiten und Spannungen schlichten und 54 Drake hatte als vorläufiger Landespräsident des Landes Lippe eine kaum DES NATIONALSOZIALISMUS Claudia Maria Arndt 24 Hierzu und im Folgenden: Jeserich (wie Anm. 19), S. 92ff. ausgleichen. Der Orts-Flüchtlingsausschuss in Lemgo, in: Hallerberg/ Kindt/ definierte, aber umfassende Führungsposition seit dem 17. 4. 1945 inne: 25 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 6), S. 100. Arbeitskreis ostwestfälisch-lippischer Archive (wie Anm. 16), S. 71. Ellwein (wie Anm. 3), S. 409. 1 Peter Hüttenberger, Die Entwicklung der rheinisch-westfälischen Landkreise 26 Hierzu ausführlich: Eberhard Laux, Die Entwicklung der Kreisaufgaben und 23 Karl Teppe, Zwischen Besatzungsregiment und politischer Neuordnung 55 Teppe (wie Anm. 23), S. 331. im 19. und 20. Jahrhundert, in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), des Personals (1816 – 1886 – 1986), in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1945-1949, in: Wilhelm Kohl (Hrsg.), Westfälische Geschichte in drei 56 Im Folgenden Heinz Jurgeneit, Landesverband Lippe 1949-1999, Hundert Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, München 1988, S. 15. (wie Anm. 1), S. 145ff.; Peter Hammerschmidt/ Florian Tennstedt, Der Weg zur Textbänden und einem Bild- und Dokumentarband, Bd. 2, Das 19. und das Lemgo 1999, S. 9f. 2 Hierzu und im Folgenden: Wolfgang Stelbrink, Der preußische Landrat im Sozialarbeit: Von der Armenpflege bis zur Konstituierung des Wohlfahrtsstaates 20. Jahrhundert. Politik und Kultur, Düsseldorf 1983, S. 313. 57 Bis zur Bildung des Kreises Lippe stellten die beiden Vorgängerkreise für Nationalsozialismus, Münster u.a. 1998, S. 329f. der Weimarer Republik, in: Werner Thole (Hrsg.), Grundriss Soziale Arbeit. Ein 24 Horst Romeyk, Kleine Verwaltungsgeschichte Nordrhein-Westfalens, die Verbandsversammlung jeweils fünf Vertreter: ebd., S. 10. 3 Horst Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, Berlin einführendes Handbuch, 4. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 73-85. Siehe außerdem Siegburg 1988, S. 298. 58 Kreis Lippe (Hrsg.), Sonderheft Lippe Magazin. 40 Jahre ein Kreis Lippe, 1970, S. 62ff. den Beitrag von Stephen Schröder in diesem Band. 25 Ebd. Detmold 2013, S. 60. 4 Stelbrink (wie Anm. 2), S. 329. 27 Laux (wie Anm. 26), S. 151; ausführlich: Benno Hafeneger, Jugendarbeit 26 Andreas Kost/ Hans-Georg Wehling (Hrsg.), Kommunalpolitik in den 59 Siehe hierzu die Aufstellung der gegebenen finanziellen Zuweisungen bei 5 Hier und im Folgenden: ebd., S. 330. als Beruf. Geschichte einer Profession in Deutschland, Opladen 1992, S. 75ff. deutschen Ländern. Eine Einführung, 2. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 235. Jurgeneit (wie Anm. 56), S. 44. 6 Hier und im Folgenden: Edzard Schmidt-Jortzig, Die Entwicklung des (Kapitel: Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945). Jugendpflege und Hitlerju- 27 Landkreistag Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Die Kreise in Nordrhein-Westfa- 60 Exemplarisch für die Berichterstattung über die Personalwechsel: Die Verfassungsrechts der Kreise, in: Landkreistag Nordrhein-Westfalen gend (HJ)). len. Aufgaben, Strukturdaten, Einrichtungen, Düsseldorf 1980, S. 13. Schlagzeilen der Vorsteher. Bünemann, Kasper und die Chronologie der ver- (wie Anm. 1), S. 101. Bereits im Juni 1933 hatten die Kreistage ihre bisherigen 28 Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 28 Romeyk (wie Anm. 24), S. 299. gangenen dreieinhalb Jahre: Lippische Landeszeitung v. 12. 2. 2010; Falscher Wahlfunktionen für einige Steuer- und Wahlausschüsse an die Kreisausschüsse über Unterrichtsfilm und amtliche Bildstellen vom 26. 6. 1934, in: Zentralblatt für 29 Teppe (wie Anm. 23), S. 314. Doktor, harte Strafen – der Fall Kasper: stern v. 25. 2. 2011. verloren. Siehe ausführlich: Stelbrink, (wie Anm. 2), S. 332ff. die Unterrichtsverwaltung 76 (1934), S. 195-200. 30 Ebd. 61 Zuletzt wurde der Kurbetrieb des Staatsbades Meinberg an die Kommune 7 Ebd., S. 333ff. und ausführlich S. 351-365. Die Größe des Kreisrates sollte 29 Laux (wie Anm. 26), S. 153. 31 Martin Burgi, Kommunalisierung staatlicher Aufgaben. Möglichkeiten, Gren- Horn-Bad Meinberg veräußert: Neue Staatsbad Meinberg GmbH: www.horn- zwischen der der bisherigen Kreistage und Kreisausschüsse liegen. 30 Hüttenberger (wie Anm. 1), S. 18. zen und Folgefragen aus rechtlicher Sicht, in: Sabine Kuhlmann (Hrsg.), Kom- badmeinberg.de (Zugriff 14. 7. 2015), während die Kommune Bad Salzuflen 8 Das „Anpassungsgesetz“ hob die Mitwirkungsrechte von Kollegialbehörden 31 § 9 der Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung v. 27. 8. 1939. munale Aufgabenwahrnehmung im Wandel. Kommunalisierung, Regionalisie- den Kurbetrieb und das Eigentum am Staatsbad erworben hat: Information auf allen Ebenen der Staatsverwaltung auf. Somit verloren auch die Kreisaus- Stelbrink (wie Anm. 22), S. 209. Laux (wie Anm. 26), S. 212ff. rung und Territorialreform in Deutschland und Europa, Wiesbaden 2010, S. 24. Klaus Stein, Landesverband Lippe, v. 14. 7. 2015. schüsse ihre seit Jahrzehnten angestammten Mitwirkungsfunktionen in der staat- 32 Stelbrink (wie Anm. 22), S. 209. 32 Zur ausführlicheren Beschreibung von echter und unechter Kommunalisie- 62 Der Landesverband Lippe wurde bei seiner Aufgabenerfüllung samt Kon- lichen Kreisverwaltung. „Das Landratsamt war somit auf dem Sektor 33 Laux (wie Anm. 26), S. 155. rung mit Würdigung rechtlicher Bezüge: ebd., S. 29f. solidierungsprozess, der heute noch läuft, vom Land nicht alleine gelassen. der staatlichen Verwaltung zu einer nun auch formal rein monokratischen 33 Kreis Soest (Hrsg.), Vom preußischen Landratsamt zur heutigen Kreisver- Nordrhein-Westfalen hat größere Projekte, etwa Um- und Ausbauten von Kul- Behörde geworden. Außerdem verloren sie ihre bisher ausgeübten verwaltungs- DIE KREISVERWALTUNGEN IM NEUEN waltung. Ein Rückblick auf 175 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest, tureinrichtungen des Landesverbandes, aber auch die laufende Unterhaltung gerichtlichen Kompetenzen, die nunmehr von neu gebildeten Kreisverwaltungs- BUNDESLAND NORDRHEIN-WESTFALEN Hansjörg Riechert Soest 1992, S. 16, S. 19. solcher Einrichtungen meist großzügig unterstützt, und seit 1991 erhält der gerichten mit dem Landrat als Vorsitzendem wahrgenommen wurden.“ 34 Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1 (1948), S. 566ff. Landesverband aus dem Kulturansatz des Gemeindefinanzierungsgesetzes 9 Ebd., S. 337. 1 Peter Klefisch, „Ehrendienst und Trümmermühle“ – Enttrümmerung und 35 Norbert Andernach, Für die künftige staatspolitische Entwicklung von ganz indirekt über den Landschaftsverband Westfalen-Lippe jährliche Hilfen: Jurge- 10 Deutsche Gemeindeordnung, § 107: „Oberste Aufsichtsbehörde ist der Wiederaufbau, in: Staatliche Archive des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), entscheidender Bedeutung. Die Kommunalverfassung, in: Staatliche Archive neit (wie Anm. 56), S. 47. Reichsminister des Innern. Er bestimmt durch Verordnung, welche Behörden Nordrhein-Westfalen. Ein Land in seiner Geschichte. Aspekte und Konturen des Landes Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 1), S. 86. 63 Bei den Landkreisen handelt es sich um die Kreise Aurich, Leer und Witt- obere Aufsichtsbehörden und Aufsichtsbehörden sind.“ Und hierzu den § 33 1946-1996, Bd. 36, Münster 1996, S. 115. Der Umfang der zerstörten und 36 Ellwein (wie Anm. 3), S. 414, S. 444. mund: www.ostfriesischelandschaft.de (Zugriff 13. 7. 2015). der 1. Durchführungsverordnung vom 22. März 1935 (Reichsgesetzblatt 1935, beschädigten Wohnungen betrug 61 Prozent des Vorkriegsbestandes auf 37 Burgi (wie Anm. 31), S. 26. Teil I, S. 393). dem Gebiet des zukünftigen Bundeslandes: Volker Ackermann, Brutstätten 38 Sabine Kuhlmann/ Jörg Bogumil, Kommunalisierung, Regionalisierung, GEBIETSREFORMEN Beatrix Pusch 11 Schmidt-Jortzig (wie Anm. 6), S. 102. des Nihilismus? – Flüchtlingslager, in: ebd., S. 138. In den Landkreisen soll Kooperation – die „neue Welle“ subnationaler Verwaltungsreform, in: Kuhl- 12 Fritz-Achim Baumann, Die allgemeine untere staatliche Verwaltungsbehörde der Wohnungsverlust hingegen 19 Prozent betragen haben: Gerhard Brunn/ mann, Kommunale Aufgabenwahrnehmung (wie Anm. 31), S. 12. 1 Herbert-Fritz Mattenklodt, Gebiets- und Verwaltungsreform in der im Landkreis, Berlin 1967, S. 17f. Z. B. wurden in einigen Kreise Schulämter Jürgen Reulecke, Kleine Geschichte von Nordrhein-Westfalen 1946-1996, 39 Ebd., S. 15. Bundesrepublik Deutschland, Münster 1972, S. 1. geschaffen, die aus dem Schulrat und dem Landrat bestanden. Köln 1996, S. 18. 40 Burgi (wie Anm. 31), S. 35. 2 Karl Bubner, Die Landkreise in den 20er Jahren, in: 13 Susanne Kitschun, Der Preußische und der Deutsche Landkreistag: 2 Klefisch, Ehrendienst (wie Anm. 1), S. 115. 41 Hierzu Ellwein (wie Anm. 3), S. 435, S. 448. Der Landkreis 61 (1991) S. 204-208, hier S. 204. Die Interessenvertretung der Landkreise zwischen Erstem Weltkrieg und 3 Zitiert nach Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. 42 So die Einschätzung zu den Funktionalreformen Ende der 1970er-Jahre 3 Zit. n. Hein Hoebink, Mehr Raum – mehr Macht. Preußische Kommunalpolitik „Drittem Reich“, in: Der Landkreis. Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwest- mit Bezug auf den Verwaltungswissenschaftler Frido Wagener in: Alexander und Raumplanung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, 76 (2006), S. 679. Solche Absetzungen „ließen sich einfach und legal mit Hilfe falen-Lippe. Die öffentliche Verwaltung im gesellschaftlichen und politischen Schink, Verwaltungsstrukturreform in Nordrhein-Westfalen: Ziele – Ergebnisse Essen 1990, S. 69. der ursprünglich zur Demokratisierung der Verwaltung erlassenen Wandel 1919-1990, Bd. 2, Opladen 1997, S. 403. – Zukunft, in: Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1/2002, S. 11. 4 Siehe: Preußische Gesetzessammlung 1929, S. 91-149. Verordnung vom Februar 1919 bewerkstelligen, deren Intention so ins Gegenteil 4 Brunn/ Reulecke (wie Anm. 1), S. 15. 43 Zur rechtlichen Grundlage freiwilliger Aufgabensetzung siehe Landkreistag 5 Hein Hoebink, Entwicklung im Widerstreit. Die rheinischen und westfälischen verkehrt wurde.“ 5 Peter Klefisch, „Manchmal ist aber auch rein nichts mehr an Nahrungsmitteln Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 27), S. 14. Landkreise zwischen Stadt und Staat 1886-1986, in: Hundert Jahre Kreisord- 14 Hier und im Folgenden: Schmidt-Jortzig (wie Anm. 6), S. 103ff. im Hause“ – Die Ernährungslage, in: Staatliche Archive des Landes 44 Ellwein (wie Anm. 3), S. 416, S. 443. nung in Nordrhein-Westfalen, hrsg. vom Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 15 Stelbrink (wie Anm. 2), S. 30ff. und S. 407ff., liefert hier genaue Zahlen: Nordrhein-Westfalen (wie Anm. 1), S. 128. 45 Zum Postulat wirtschafts- und sozialpolitischer Interventionen der München 1988, S. 23-86. Zitat: S. 49. 1933 wurden 80 preußische Landräte neu ernannt, davon 40 Fachlandräte und 6 Werner Plumpe, Der Geist der fünfziger Jahre. Die Jahre 1948 bis 1958, in: öffentlichen Hand zur Erreichung eines Ausgleichs exemplarisch: 6 Erklärung der Landräte. Zit. n. ebd., S. 49. 40 „Außenseiter“ (d. h. Personen ohne entsprechende fachliche Qualifikation. ebd., S. 156. Herbert Kötter. Heutige Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft an 6 Erklärung der Landräte. Zit. n. ebd., S. 49. Ihre ehemaligen Berufe waren: Kreisleiter der NSDAP, NSDAP-Partei- bzw. 7 Brunn/ Reulecke (wie Anm. 1), S. 27. die Leistungen ländlicher Selbstverwaltung, in: Archiv für Kommunalwissen- 7 Denkschrift des Preußischen Städtetages „Grundfragen der kommunalen SS/SA-Funktionäre, nichtakademische Beamte sowie wenige Offiziere). 8 Hans Weller, Die Selbstverwaltung im Kreis Soest 1817-1974. Ein Beitrag schaften 3 (1964), S. 201. Neugliederung“. Zit. n. ebd., S. 63-64. 1934 gab es 110 Neubesetzungen (60 Fachlandräte und 50 „Außenseiter“) und zur Geschichte der übergemeindlichen Selbstverwaltung, 46 So formuliert bei Gerhard Isbary, Die Raumordnung unter dem Aspekt 8 Verschiedene Reden des Preußischen Innenministers Albert Grzesinski. 1935 33 (11 Fachlandräte und 22 „Außenseiter“). Außerdem wurden in diesen Paderborn 1987, S. 124ff. der ländlichen Verwaltung und deren finanzieller Ausstattung, in: Archiv für Zit. n. ebd., S. 65. Jahren insgesamt 39 Versetzungen der Stelleninhaber auf andere Landratspos- 9 Matthias Gröger, Menschen aus der Ferne, die in die Heimat kamen, Kommunalwissenschaften 3 (1964), S. 272. 9 Erlass des Innenministers vom 6. Dezember 1927. Zit. n. Hoebink, Mehr Raum ten vorgenommen. Olpe o.J., S. 34; Klefisch, Manchmal (wie Anm. 5), S. 128. 47 Kötter (wie Anm. 46), S. 206. (wie Anm. 3), S. 184. 16 Ebd., S. 66ff. 10 Ebd., S. 130. 48 Lutz Budraß, Lenze, Hameln und die Welt. Die Geschichte eines 10 Siehe: Preußische Gesetzessammlung 1932, S. 255-273. 17 Susanne Kitschun, Mit dreigeteilter Kraft: Die Interessenvertretung der Land- 11 Ebd., S. 128, S. 130. Familienunternehmens, Hameln 2004, S.72f., hierzu auch Ellwein 11 Georg Christoph von Unruh (u.a.), Die Grundlagen der kommunalen kreise im Rheinland, in Westfalen und in Lippe während der Weimarer Republik, 12 Volker Wehrmann, Zusammenbruch und Wiederaufbau. Lippe (wie Anm. 3), S. 519. Gebietsreform, Baden-Baden 1981, S. 80. in: Eildienst Landkreistag NRW 9/2007, S. 308; Stelbrink (wie Anm. 2), S. 23ff. zwischen 1945 und 1949. Eine Dokumentation, Detmold 1987, S. 94. 49 Ebd. 12 Ebd., S. 81. 18 Hüttenberger (wie Anm. 1), S. 16. 13 Klefisch, Manchmal (wie Anm. 5), S. 132. 50 Walter Hostert, 25 Jahre Märkischer Kreis – 2. Teil, in: Der Märker 49 13 Ebd., S. 87. 19 Kurt Jeserich, Die Landkreise zwischen 1933 und 1945, in: 14 Ebd., S. 130. (2000), S. 128f. 14 Heinz Köstering, Kommunale Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen

86 87 1967-1975, in: Die Gemeinden und Kreise nach der kommunalen Gebietsre- 37 Ernst Pappermann (u.a.), Maßstäbe für die Funktionalreform im Kreis. form in Nordrhein-Westfalen. Ein Handbuch zur kommunalen Neugliederung, Exemplarische Erläuterung am Beispiel Nordrhein-Westfalens, Köln 1976, S. 2. Köln (u.a.) 1975, S. 1-25, hier S. 2. Köstering gestaltete die Neugliederung als 38 Leidinger, Gebiets- und Verwaltungsreform (wie Anm. 15), S. 39. Ministerialdirigent im Innenministerium entscheidend mit. 15 Angaben nach: Adalbert Leidinger, Gebiets- und Verwaltungsreform in Nord- KREISE UND LANDRÄTE BEHAUPTEN DIE rhein-Westfalen, in: Der Landkreis 51 (1981) S. 35-40, hier S. 35. Teilweise KOMMUNALE HANDLUNGSFREIHEIT – JÜNGSTE GESCHICHTE DER leicht abweichende Zahlen bei Köstering (wie Anm. 14), S. 31. NORDRHEIN-WESTFÄLISCHEN KREISE 1990-2016 16 Köstering (wie Anm. 14), S. 3. 17 Landesentwicklungsprogramm, in: Ministerialblatt für das Land Martin Klein und Kai Friedrich Zentara Nordrhein-Westfalen, Ausg. A, 17 (1964), S. 1205-1210. 18 Rolf Tiggemann, Die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen. 1 Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf zwei wesentliche Entwicklungen Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung landesplanerischer Entwicklungs- der Kreisgeschichte der letzten 25 Jahre. Eine ausführliche Darstellung der konzeptionen und Instrumentarien auf das Zielsystem der Gebietsreform, Verbandsgeschichte des Landkreistages NRW für den Zeitraum bis 1997 enthält Meisenheim am Glan 1977, S. 173. die Jubiläumsfestschrift zum 50-jährigen Bestehen des Landkreistages NRW: 19 Günter Seele, Das Ergebnis der Verwaltungs- und Gebietsreform im Über- Franz Möller/ Joachim Bauer (Hrsg.), Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen blick, in: Der Landkreis 51 (1981) S. 63-74. Hier S. 69. 1947-1997, Köln 1997. Die jüngste Verbandsgeschichte ist Schwerpunkt einer 20 Zusammenfassend dazu: Jan Nikolas Dicke, Reform und Protest. Konflikte Abhandlung von Martin Klein, 60 Jahre Landkreistag NRW 1947-2007, in: um die Neugliederung des Kreises Borken in den 1960er und 1970er Jahren, Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen 2007, S. 262-285; vgl. ferner Paderborn 2013, S. 325-327. Thomas Kubendorff, Ansprache aus Anlass der Feier des 65jährigen Bestehens 21 Gerhard Isbary, Begründung für einen Vorschlag zur Reform der des Landkreistages NRW am 14. 9. 2012 in der Stadthalle Soest, dokumentiert Kreisebene in Nordrhein-Westfalen, o.O. 1967. in: Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen 10/2012, S. 332-337. 22 Klaus Stern (u.a.), Neugliederung der Landkreise Nordrhein-Westfalens, 2 Hans-Uwe Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Auf- Berlin 1969. lage, Siegburg 1997, S. 37ff.; Ewald Franzmann, Der Kreis in Nordrhein-West- 23 Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen: Zur Regionalkreisfrage falen – von der „Doppelspitze“ zum „richtigen“ Landrat, in: Hochsauerlandkreis (Kurzfassung), 1.12.1970 (Kreisarchiv Soest, Altkrs. SO, 3474). – Der Landrat, Werden / Wachsen / Wirken. Vom Wandel der Zeit – Kreisver- 24 Herbert W. Heermann, Die Entstehung des Erftkreises, Kerpen 1998, waltungen im Hochsauerland von 1817 bis 2007 (Hrsg.) , 109-118. S. 182. 3 Vgl. zu den Aufgaben, dem Bestellungsverfahren etc. §§ 37ff. Landkreisord- 25 So der Innenminister im Vorschlag zur Neugliederung der Gemeinden und nung Nordrhein-Westfalen 1953. Kreise des Neugliederungsraumes Münster/Hamm, Düsseldorf 1973, 4 Vgl. Herbert Schnoor, Anmerkungen zur neuen Kommunalverfassung, in: S. 519-522. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1996, S. 281-285. 26 Nachdem in den ersten Jahren nach der Neugliederung diese zumeist aus 5 Vgl. Alexander Schink, Hauptamtliche Landräte in den nordrhein-westfäli- verwaltungsgeschichtlicher Perspektive analysiert wurde, hat in den vergange- schen Kreisen - eine Zwischenbilanz, in: Eildienst Landkreistag Nordrhein- nen Jahren die Erforschung auch politik-, sozial- und insbesondere mentalitäts- Westfalen 2002, S. 144-151, S. 145f.; Anne-Kathrin Lingk, Die Reform der geschichtlicher Fragestellungen eingesetzt, unter anderem durch das von der nordrhein-westfälischen Kommunalverfassung 1999; Klaus Schulenburg, Freiherr vom Stein-Gesellschaft initiierte Projekt „Kommunale Gebiets- Direktwahl und kommunalpolitische Führung. Der Übergang zur neuen und Funktionalreform“. Siehe dazu insbesondere „Zwischen Effizienz und Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen, Basel u. a.1999; Janbernd Legitimität. Kommunale Gebiets- und Funktionalreformen in der Bundesrepublik Oebbecke, Die neue Kommunalverfassung in Nordrhein-Westfalen, in: Deutschland in historischer und aktueller Perspektive, Paderborn 2009“ Die öffentliche Verwaltung 1995, S. 701-709; Franzmann (wie Anm. 2), und die Habilitationsschrift von Sabine Mecking, Bürgerwille und Gebietsreform. S. 111ff. Demokratieentwicklung und Neuordnung von Staat und Gesellschaft in Nord- 6 Horst Wallraff, Vom preußischen Verwaltungsbeamten zum Manager des rhein-Westfalen 1965-2000, München 2012. Kreises. Landräte und Landratsämter in den Kreisen Düren und Jülich von 27 Dicke (wie Anm. 20), S. 247. 1816 bis zur Gegenwart, Düren 2004, S. 357. 28 Sabine Mecking, Neues Bürgerbewusstsein im Bürgerstaat? 7 Roland Schäfer, Der Bürgermeister zwischen Kommunalpolitik und Kommu- Staatliche Planung und bürgerschaftlicher Eigensinn am Beispiel von nalverwaltung, in: Jörn Ipsen/ Janbernd Oebbecke (Hrsg.), Kommunalverfas- Nordrhein-Westfalen, in: Zwischen Effizienz und Legitimität. Kommunale sung im Zeichen der Eingleisigkeit, Osnabrück 2002, S. 80-81. Gebiets- und Funktionalreformen in der Bundesrepublik Deutschland in 8 Insgesamt hatten 21 der 1999 gewählten Landräte Verwaltungserfahrung; historischer und aktueller Perspektive, hrsg. von Sabine Mecking, Schink (wie Anm. 5), S. 149. Paderborn 2009, S. 88. 9 Vgl. etwa die Festrede der Präsidentin des Landtages Nordrhein-Westfalen 29 So für den Kreis Borken: Dicke (wie Anm. 20), S. 372, S. 375. Carina Gödecke aus Anlass der Feier des 65-jährigen Bestehens des Land- Dort weitere Belege für Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. kreistages NRW am 14. 9. 2012 in der Stadthalle Soest, dokumentiert in: 30 Heermann (wie Anm. 24), S. 107. Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen 10/2012, S. 338-342, S. 340. 31 So stellt Beatrix Pusch, Die kommunale Neugliederung im Kreis Soest, 10 Schink (wie Anm. 5), S. 147f. Paderborn 2003, S. 168 fest, dass die Gemeinden des 1. Neugliederungs- 11 Im Landkreis Hameln-Pyrmont, der in Niedersachsen an der Landesgrenze programmes nach 5 Jahren die Neugliederung bereits akzeptiert haben. Die zu Nordrhein-Westfalen liegt, wurde der Landrat Rüdiger Butte am Beteiligung lag hier bei 0,2 Prozent. Anders z. B. im Kreis Lüdinghausen, in dem 26. 4. 2012 von einem aufgebrachten Bürger erschossen. insgesamt 16,1 Prozent für das Volksbegehren stimmten, darunter z. B. 49,3 Vgl. http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/War-die-Bluttat- Prozent in Bockum-Hövel. (Mitteilung Kreisarchiv Coesfeld, 24.02.2015) von-Hameln-kaltbluetig-geplant (Zugriff 13. 10. 2015). 32 Adalbert Leidinger, Die kommunale Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen. 12 Im Rhein-Kreis Neuss wurde am 26. 9. 2012 eine Mitarbeiterin des Job- Zusammenfassender Überblick, in: Der Landkreis 45 (1975) S. 467-470. centers von einem „Kunden“ erstochen. Vgl. http://www.rp-online.de/thema/ Zitat S. 467. Leidinger war von 1968 bis 1992 Geschäftsführendes Vorstands- jobcenter-mord/ (Zugriff 13. 10. 2015). mitglied des Landkreistages NRW. 13 Janbernd Oebbecke, Das Konnexitätsprinzip - Nutzen und Probleme, in: 33 Seele (wie Anm. 19), S. 70. Der Gemeindehaushalt 2014, S. 193-197; Cornelia Jäger, Der Tatbestand 34 So entstanden z.B. die Kreishäuser in Borken, Coesfeld, Schwelm, der Konnexitätsregelung der Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung Nordrhein- Heinsberg, Meschede, Detmold, Lüdenscheid, Recklinghausen und Warendorf. Westfalen, Stuttgart 2014. 35 Kommunalpolitik im Wandel der Gesellschaft. Eine Einführung in die Probleme der politischen Willensbildung in den Gemeinden, hrsg. von Oscar W. Gabriel, Königstein 1979, S. 150. 36 Unruh (wie Anm. 11), S. 60.

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Herausgeber:

Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Landkreistag Nordrhein-Westfalen Kavalleriestraße 8 40213 Düsseldorf Telefon: 0211/30 04 91-0 Telefax: 0211/30 04 91-660 E-Mail: [email protected] www.lkt-nrw.de

Redaktion:

Arbeitskreis der nordrhein-westfälischen Kreisarchive (AKKA) Dr. Claudia Maria Arndt, Archiv des Rhein-Sieg-Kreises Wilhelm Grabe, Stadt- und Kreisarchiv Paderborn Dr. Stephen Schröder, Archiv im Rhein-Kreis Neuss

Koordination:

Dr. Kai Friedrich Zentara, Hauptreferent Landkreistag Nordrhein-Westfalen

Autoren:

Dr. Claudia Maria Arndt, Archiv des Rhein-Sieg-Kreises Wilhelm Grabe, Stadt- und Kreisarchiv Paderborn Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer Landkreistag Nordrhein-Westfalen Tillmann Lonnes, Kulturdezernent Rhein-Kreis Neuss / Vorsitzender des AKKA Gabriele Mohr, Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis Beatrix Pusch, Kreisarchiv Soest Dr. Hansjörg Riechert, Kreisarchiv Lippe Dr. Stephen Schröder, Archiv im Rhein-Kreis Neuss Dr. Kai Friedrich Zentara, Hauptreferent Landkreistag Nordrhein-Westfalen Für die Inhalte der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Konzeption und Gestaltung:

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96 97 Die Karte wurde vom Katasteramt des Rhein-Kreises Neuss erstellt. Sie dokumentiert die Kreisgrenzen im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit Stand vom 1. Oktober 2013. Als Quelle für die Verwaltungsgrenzen fungierte das digitale Datenmaterial der Bezirksregierung Köln, Geobasis NRW.