Werkphase 3 (1967-1984) – Situative Architektur

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Werkphase 3 (1967-1984) – Situative Architektur Werkphase 3 (1967-1984) Werkphase 3 (1967-1984) – Situative Architektur Vorbedingungen und zeitlicher Kontext Nach den vor allem an technischen Aspekten der Produktion orientierten Jahren begann mit den Schulen in Oppelsbohm 1966-1969 und Lorch 1970-1973 sowie vor allem mit den Anlagen für die Olympischen Spielen in München 1967-1972 ein neuer Abschnitt in Werk von Behnisch & Partner, der eine radikale Abkehr von den bis- herigen Grundzügen bedeutete. Die Auseinandersetzung mit politisch-gesellschaftlichen Werten und Entwick- lungen, neue Aufgaben als Architekturlehrer sowie die Auseinandersetzung mit seinen architektonischen Wurzeln führten Behnisch zu neuen, entscheidenden Erkenntnissen für das Bauen. Der Anfang dieser Phase war gekenn- zeichnet durch die Gleichzeitigkeit von mehreren Aufgaben und Ereignissen in den Jahren 1967 und 1968, die große Auswirkungen auf die weitere Entwicklung hatten. Die gesellschaftliche Aufbruchstimmung der späten 60er Jahre mündete in die Studentenbewegung des Jahres 1968 und beeinflusste nachhaltig das Denken und Handeln in der Gesellschaft. Auch architektonische Denk- und Ausdrucksweisen wurden dadurch geprägt. Die neben dem technisch-wirtschaftlichen Umbruch stattgefundene geistige Modernisierung der Gesellschaft ermöglichte ein Hinterfragen und eine Kritik am Ist-Zustand. Zudem zeigten gerade der Wettbewerb 1967 und die Planung 1967-1972 für die Anlagen der Olympischen Spiele in München diese neue gesellschaftliche Stimmung und die sich daraus entwickelnde neue Freiheit der Architektur- sprache. Die Arbeit für München hatte große Auswirkungen auf die Positionsbestimmung von Günter Behnisch als Architekt und bestimmte neue Grundzüge seiner späteren Arbeit mit. Als weiterer Bestandteil des Wende- punktes im Werk von Behnisch waren die neuen Aufgaben als Hochschullehrer im Jahre 1967 in der Nachfolge von Ernst Neufert an der TH Darmstadt auch Impulsgeber für die eigene Arbeit. Außerdem zeigte das weiterhin große Engagement bei Schul- und auch Sozialbauten seine Interesse am Bauen für bestimmte öffentliche Gesell- schaftsbereiche. Daneben waren die Entstehung der Partnerschaft und die Impulse durch die zahlreichen Mitarbeiter wesentliche Faktoren für die Entwicklung seiner Arbeit. Die seit Mitte der 50er Jahre als Studenten bei Günter Behnisch arbeitenden Fritz Auer, Carlo Weber und Erhard Tränkner und der etwas später hinzukommende Winfried Büxel wurden 1966 zu Partnern. Die nur mündlich erklärte Partnerschaft sollte die Voraussetzung dafür schaffen, auch an größeren Wettbewerben teilnehmen zu können. Das Büro nannte sich nun Behnisch & Partner: Der an „BP“ erinnernde, griffige und personifizierte Name sollte sowohl die herausgehobene Position von Günter Behnisch als Gründer kennzeichnen, aber auch die Namensnennung der Partner im Briefkopf bzw. bei Wettbewerben berück- sichtigen. Der zu dieser Zeit ungewöhnliche, vermutlich in Deutschland erstmalig gewählte Zusatz „& Partner“ war aus dem amerikanischen „associates“ abgeleitet. Es gab auch Überlegungen, die Struktur des Büros an den Amerikanern SOM zu orientieren, die in verschiedenen Städten Büros unter diesem Namen unterhielten, was aber an den unterschiedlichen Bestimmungen bzgl. des Hauptwohnsitzes der Architekten und des Geschäfts- sitzes des Büros scheiterte. Horst Bidlingmaier gründete eine Bürogemeinschaft mit Ursula Egenhofer. Lothar Seidel war zunächst ab 1957 Mitarbeiter von Günter Behnisch und mit der Ausführung des Berufsschulzentrums in Radolfzell (1957-1960) betraut. Nach seiner Niederlassung als selbstständiger Architekt in Radolfzell 1959 in der Uhlandstr. 2, die sich im Zusammenhang mit dem Bau der Schule ergab, bearbeitete er ab 1960 zusammen mit Günter Behnisch in der vereinbarten Arbeitsgemeinschaft „Behnisch und Seidel, Radolfzell“ bzw. ab 1966 auch mit Behnisch & Partner u.a. die Schulen in Furtwangen, Schopfheim und Villingen. Die Zusammenarbeit dauerte bis etwa Mitte der 80er Jahre. 1967 trat Manfred Sabatke als Architekt hinzu, der 1970 ebenfalls Partner in der Bürogemeinschaft wurde, nach- dem alle ursprünglichen Partner im Büro in München tätig waren. 1969 kam Christian Kandzia (geb. 1939) hinzu. Das Büro von Behnisch & Partner in München bestand noch bis 1974. Gesellschaft und Politik Die Wirtschaftskrise 1966/67 mit einem drastischen Sinken der wirtschaftlichen Wachstumsrate war die erste Krise des deutschen Wirtschaftswunders. Sie hatte neben der Angst um mangelnde Konkurrenzfähigkeit aber auch eine Beschleunigung der Reform des Bildungswesens zur Folge. Man glaubte, dass der Mensch mit seiner Bildung und Qualifikation der wahre Träger für ökonomischen Fortschritt und Wirtschaftswachstum und damit das Bildungswesen ein wichtiger Faktor der Ökonomie sei. Die innenpolitische Lage mit der Regierung der großen Koalition, Proteste gegen den Beschluss der Notstandsgesetze 1968, gegen die Pressemonopole, für Hochschul- reformen und für eine überfällige politische und soziale Weiterentwicklung der Gesellschaft führten zu einer außerparlamentarischen Massenbewegung und zu den Studentenunruhen des Jahres 1968. Große soziale Um- brüche und Gesellschaftsveränderungen in allen Bereichen, das Infragestellen alter, verkrusteter Hierarchien und Wertvorstellungen, eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Protest gegen den Vietnamkrieg waren die tieferen Hintergründe. Die Lehrer des Frankfurter „Institutes für Sozialforschung“, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Jürgen Habermas und insbesondere der in den USA lebende Herbert Marcuse, galten mit ihrer „kritischen Theorie“ als die geistigen Väter revolutionärer Gedanken und Forderungen nach der Zurückweisung des Bestehenden durch eine konsequente Kapitalismuskritik. 100 Werkphase 3 (1967-1984) Der Soziologe und FDP-Politiker Ralf Dahrendorf beschreibt die politische Erstarrung nach außen und innen 1968: „Unsere politischen Verhältnisse sind starr geworden nach innen: Kaum erinnert man sich noch an große politische Initiativen im Bereich der Wirtschafts- oder Wissenschaftspolitik, Gesellschafts- oder Verfassungspolitik. (...) An keinem Punkt ist die Unbeweglichkeit unserer politischen Verhältnisse so deutlich sichtbar wie an der Herrschaft der Formeln über das politische Denken, die längst schon den Weg zu den Sachen versperrt: ‚Freiheit- licher und sozialer Rechtsstaat’, ‚Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit’, ‚Alleinvertretungsanspruch’, ‚Nicht- anerkennung der Oder-Neiße-Linie’, ‚unsere Verbündeten’ – wann ist wohl zuletzt und von der Wurzel her über solche Worte nachgedacht worden? (...) Die politische Konzeption, die das Bündnis der Unbeweglichkeit spren- gen könnte, das uns regiert, ist eine Konzeption der entschiedenen Veränderung der Richtung unserer sozialen Entwicklung, sie ist insofern die Konzeption einer neuen Gesellschaft. Wir brauchen eine Gesellschaftspolitik der Liberalität. Deren erstes Wort heißt ganz gewiss nicht ‚Sicherheit’; es heißt vielmehr: ‚Offenheit’.“1 Durch die 68er Studentengeneration und die schon Ende 1969 gescheiterte APO wurde ein Wandel ausgelöst, der nachhaltig die Wertvorstellungen und die politische Kultur in der Bundesrepublik beeinflusste und eine neue Jugendkultur der Selbstbestimmung, die Frauenbewegung und die ökologische Bewegung in den 80er Jahren begründete. In der bisher hauptsächlich auf wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand bedachten Gesellschaft kam eine menschlich-soziale Komponente hinzu, die den Anspruch hatte, mit der Verschiedenartigkeit der Ge- sellschaft leben zu können: Widersprüche sollten nicht mehr harmonisiert, sondern zugelassen, Dissens aner- kannt werden. In der sozial-liberalen Ära ab 1969 unter Willy Brandt – mit dem Kernsatz seiner Regierungserklärung „Wir wollen mehr Demokratie wagen“, daneben auch „Kontinuität und Erneuerung“ sowie „Fähigkeit zum Wandel“ – und seinem Verständnis von Demokratie als „ein Prinzip, das alles gesellschaftliche Sein der Menschen beeinflussen und durchdringen muss“ wurde ein erst später wirkender Neubeginn vorgezeichnet. Der versuchte Aufbruch in eine moderne Gesellschaft blieb jedoch zunächst in der Eskalation der Gewalt in den 70er Jahren stecken, die im „Deutschen Herbst“ 1977 ihren Höhepunkt hatte. Mehr Sicherheitsaufwand und weniger Offenheit bestimmten das politische und gesellschaftliche Leben im Innern. Die erhofften Veränderungen der gesellschaftlichen Macht- verhältnisse wurde nicht erreicht. Außenpolitisch wurde eine Politik der Annäherung und der Koexistenz von „zwei Staaten in Deutschland“ ange- strebt, welche die Grundlagen für einen Abbau des Kalten Krieges und eine entschiedene Entspannungs- und Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition – vor allem unter Willy Brandt und Helmut Schmidt – mit den Ostverträgen und dem Grundlagenvertrag 1972 erreichte. Trotzdem belasteten zum Ende der 70er Jahre Entspannungskrisen, Wettrüsten und NATO-Doppelbeschluss 1979 wieder und weiterhin das Ost-West-Klima erheblich. Die Berichte des Club of Rome 1972 zeigten in „Die Grenzen des Wachstums“2 eine Entwicklung auf, die nicht nur die These vom Wohlstand durch permanentes Wirtschaftswachstum demontierte, sondern die Utopie von einer Freizeitgesellschaft – Abnahme der Arbeitszeit, Zunahme der Freizeit – und die bis daher ungebrochene Technikgläubigkeit infrage stellte, welche eine immer stärker wachsende Bevölkerung mit Hilfe der Maschine von der Arbeit hätte befreien sollen. Die wirtschaftliche Krise ab 1973, ausgelöst durch die Ölkrise und den Zusammenbruch des Weltwährungs- systems, hatte zunehmende Inflation und Arbeitslosigkeit zur Folge. Sie förderte eine Einsicht
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