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HOCHGESCHWINDIGKEITSZÜGE

Ein Vergleich

FRANKREICH DEUTSCHLAND Andreas Tsiakkaris: Alexander Urich: infrastrukturelle und technische Aspekte infrastrukturelle und technische Aspekte

Felix Thoma: Gunnar Heide: betriebliche und ökonomische Aspekte betriebliche und ökonomische Aspekte

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3 1.1 Definitionen 3 1.2 Ziel dieser Arbeit 4 2 Frankreich 5 2.1 Infrastrukturelle und technische Aspekte 5 (Andreas Tsiakkaris) 2.1.1 Historische Aspekte 5 2.1.2 Raumstruktur 6 2.1.3 Netzstruktur 7 2.1.4 Infrastruktur 8 2.1.5 TGV-Fahrzeuge 8 2.2 Betriebliche und ökonomische Aspekte 13 (Felix Thoma) 2.2.1 Organisation 13 2.2.2 Betrieb 13 2.2.3 Konkurrenz 17 2.2.4 Ökonomische und ökologische Bilanz 18 3 Deutschland 21 3.1 Infrastrukturelle und technische Aspekte 21 (Alexander Urich) 3.1.1 Netzstruktur 21 3.1.2 Netzausrüstung 23 3.1.3 Neu- und Ausbauprojekte der DB 24 3.1.4 ICE-Fahrzeuge 26 3.2 Betriebliche und ökonomische Aspekte 29 (Gunnar Heide) 3.2.1 Organisation 29 3.2.2 Betrieb 32 3.2.3 Konkurrenz 35 3.2.4 Ökonomische und ökologische Bilanz 37 4 Fazit 39 Quellenverzeichnis 42

Titelbild: TGV und ICE (und einer der Autoren) an der Pariser Gare de l’Est, 2010

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1 Einleitung

Die Technik, Bewegungsmittel mithilfe von Spurrillen zu führen, ist seit prähistorischer Zeit bekannt. Dies stellt auch heute noch das grundlegende Prinzip des Schienenverkehrs dar. Aber auf dem Weg zu den uns heute bekannten Zügen (z.B. ICE, TGV, …) hat sich viel getan.

Der Schienenverkehr entwickelte sich im Bergbau, diente ab dem 19. Jahrhundert auch im großen Maße dem Güterverkehr und erstmals auch dem Personenverkehr. Im 20. Jahrhundert erreichten die Züge immer höhere Geschwindigkeiten. Größtenteils waren diese durch Weiterentwicklungen der Antriebstechnik möglich, von Dampflokomotiven über Dieselzüge bis hin zum elektrischen Antrieb.

Der heutige Stand der Technik spiegelt sich im Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr wider. Der deutsche ICE und der französische TGV transportieren hunderte Personen mit über 200 km/h quer durch Europa.1 Als weitere europäische Hochgeschwindigkeitszüge sind vor allem der durch den Kanaltunnel fahrende , der zwischen Frankreich und den Benelux-Staaten, der spanische AVE, der italienische Frecciarossa und der schwedische X2000 zu nennen.

1.1 Definitionen

Eine offizielle Definition von Hochgeschwindigkeitszügen lautet: „[...]Technisch moderne Hochgeschwindigkeitszüge müssen so ausgelegt sein, dass sie bei folgenden Geschwindigkeiten einen sicheren Fahrbetrieb ohne Unterbrechung erlauben: - bei mindestens 250 km/h auf eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebauten oder zu bauenden Strecken, wobei es möglich sein muß [sic], in geeigneten Fällen Geschwindigkeiten von mehr als 300 km/h zu erzielen; - bei rund 200 km/h auf eigens ausgebauten oder auszubauenden bestehenden Strecken; - bei der jeweils höchstmöglichen Geschwindigkeit auf den übrigen Strecken.[...]“

Man nennt die dadurch charakterisierten Strecken Hochgeschwindigkeits- oder Schnellfahrstrecken (in Frankreich LGV – Lignes à Grande Vitesse). Grundsätzlich also zählt jeder Zug, der auf einer speziell dafür ausgerüsteten Strecke mehr als 250 km/h schnell fährt, als Hochgeschwindigkeitszug. Allgemein spricht man vom Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr oder kurz HGV.

1 vgl. Hecht et al. 2008, S.29f

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1.2 Ziel dieser Arbeit

Gerade Hochgeschwindigkeitsprojekte sind in Deutschland starken Diskussionen unterworfen, wie man am Bahnprojekt Stuttgart 21 sehen kann. In Frankreich dagegen scheint der Bau neuer TGV-Strecken gesellschaftlicher Konsens zu sein. Es stellt sich die Frage, welche Unterschiede noch zwischen den beiden Ländern im Hinblick auf ihre Hochgeschwindigkeitsschienenverkehrssysteme bestehen. Bei den häufigen technischen Problemen und den schlechten Pünktlichkeitswerten beim deutschen ICE dient der französische TGV natürlich eher als Vorbild für ein technisch gelungenes und konsequent umgesetztes Hochgeschwindigkeitssystem. Wegen der schwächelnden französischen Wirtschaft und der ansteigenden Staatsverschuldung müssen aber die hohen staatlichen Ausgaben für das TGV- System auf den Prüfstand gestellt werden, weshalb neben den technischen auch ökonomische Aspekte dort eine immer wichtigere Rolle spielen werden.

In dieser Arbeit werden die Hochgeschwindigkeitssysteme von Frankreich und Deutschland zunächst analysiert und dann verglichen. Im Hauptteil werden dabei zuerst die geographischen, infrastrukturellen und technischen Gegebenheiten untersucht. Es werden also Aspekte wie Raumstruktur, Netzstruktur, technische Ausrüstung und Fahrzeugtypen betrachtet. Danach folgt eine spezifische Betrachtung der staatlichen Eisenbahngesellschaften, also der SNCF und der DB, der Betriebsdurchführung, der Konkurrenz und zu jedem Land auch eine ökonomische sowie ökologische Bilanz. Im Fazit sollen in einem direkten Vergleich die Unterschiede beider Systeme dargelegt werden. Auch die Möglichkeit eines Transrapids wird für beide Länder kurz untersucht.

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2 Frankreich

2.1 Infrastrukturelle und technische Aspekte Andreas Tsiakkaris

2.1.1 Historische Aspekte

Im Jahr 1950 eröffnete SNCF (Societé Nationale des Chemins de Fer Français – Nationale Eisenbahngesellschaft) die neue Strecke zwischen und Lyon mit dem Zug Mistral. Der Zug schaffte Geschwindigkeiten von 140 km/h (durchschnittlich 120 km/h) und reduzierte die benötigte Zeit von fünf auf etwa vier Stunden.2

Die Franzosen konnten schon seit 1955 Geschwindigkeiten von mehr als 300 km/h erreichen: Am 29. März 1955 kam der BB 9004 auf einer 85 km langen Wegstrecke südlich von Bordeaux im Département Landes auf eine Geschwindigkeit von 331 km/h. Dies war ein wichtiger Meilenstein, denn es wurde gezeigt, dass Hochgeschwindigkeiten doch realisierbar waren.3

Diese Geschwindigkeitsrekorde waren nur ein Erfolg aus dem Standpunkt der Ingenieure. Damals hatte Komfort Priorität über die Geschwindigkeit.

Die Änderung der Richtung kam vom anderen Ende der Welt. Am 1. Oktober 1964, gerade rechtzeitig für die XVIII. Olympischen Sommerspiele, wurde in Japan die Strecke Tokio – Osaka eröffnet. Die Züge, die sogenannten , fuhren mit 210 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung. Trotz der zusätzlichen Stunde Fahrzeit wegen unvollendeten Baus war diese neue Strecke ein durchschlagender Erfolg. Das hat die Franzosen schwer in ihrem Stolz getroffen.4 Der TGV wurde auch als Prestigeprojekt entworfen, damit die Franzosen die technische Überlegenheit über den japanischen Shinkansen nachweisen konnten. Die Japaner hatten die Franzosen in deren eigener Stärke geschlagen: Geschwindigkeit.5

Im Jahr 1967 stellte SNCF eine neue mit 200km/h befahrbare Strecke Paris – Toulouse vor. Das war jedoch nur ein cleverer Marketingtrick. Eigentlich war 200 km/h nur auf kurzen und geraden Teilstrecken erreichbar, nämlich durch die Ebene von La Beauce. Dann wurde es kurvig und hügelig und da rollte dann der Schnellzug wieder ganz vorsichtig und vorwiegend gemächlich. Dann sank die Geschwindigkeit oft auf 140 km/h oder sogar auf nur 110 km/h. Der Zug war ein

2 vgl. Meunier 2002, S.3 3 vgl. Meunier 2002, S.84 4 vgl. Meunier 2002, S.88 5 vgl. Meunier 2002, S.232

5 konventioneller Zug, aber rot bemalt und Capitole genannt.6 Trotzdem war dies ein Beweis, dass SNCF an einen Fernverkehr mit dichtem Takt und mit wenigen Haltestellen zu denken begann, ähnlich einer Fluglinie.

Mitte der 70er Jahre sah der TGV wie eine beschlossene Sache aus. 1977 wurden 87 bei Alsthom-Francorail-MTE bestellt und es wurde mit dem Bau der ersten Teilstrecken begonnen.7

Sonntag, 27. September 1981, Paris, 6h30: Eine ungewöhnliche Menschenmenge stürmt die und strebt zu dem Bahnsteig, an dem der erste TGV seinen Regeldienst aufnehmen wird. Der Zug Nr. 807 setzt sich um Punkt 7h15 feierlich in Richtung Lyon Perrache in Bewegung und 300 Fahrgäste reisen zum ersten Mal mit 260 km/h.

Der TGV hält den Weltrekord für den schnellsten konventionellen Zug. Am 18. Mai 1990 erreichte die TGV-Garnitur 325 in der Nähe des Bahnhofs von Vendôme 515,3 km/h. Neun Jahre nach Einführung des TGVs auf der Strecke Paris – Lyon stellte SNCF die Beherrschung der Hochgeschwindigkeit eindrucksvoll unter Beweis. Am 3. April 2007 erreichte ein speziell konstruierter TGV eine Höchstgeschwindigkeit von 574,8 km/h.

2.1.2 Raumstruktur

Das TGV-Netz ist offensichtlich auf Paris konzentriert. Paris war, historisch, immer gut bedient (komfortable Züge, dichtes Angebot).8 Von einer Provinzstadt in eine andere musste man mit dem Zug oft über Paris fahren und folglich eine höhere Reisezeit in Kauf nehmen. Dies war das Erbe aus Jahrhunderten zentraler Administration in Frankreich und vor allem das Ergebnis der Entscheidungen im Eisenbahnbau während des 19. Jahrhunderts.9 1966 und 1967 gab der Pariser Verkehrsbetrieb RATP (Régie Autonome des Transports Parisiens) so viel für die Pariser S-Bahnen und U-Bahnen aus wie ganz Frankreich für den Bau von Autobahnen.10 Diese Tendenz wird durch die Tatsache verschärft, dass die Planer oft die Interessen von Paris vor die des Landes stellten.11

Frankreich ist relativ dünn besiedelt und so gibt es große Entfernungen zwischen den großen Städten, deswegen sind Hochgeschwindigkeitszüge sinnvoll, im

6 vgl. Lamming 1993, S.181 7 vgl. Meunier 2002, S.6 8 vgl. Meunier 2002, S.77 9 vgl. Meunier 2002, S.80 10 vgl. Meunier 2002, S.81 11 ebd.

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Vergleich zu Deutschland, wo mehr mittelgroße Städte existieren. Im Ruhrgebiet gibt es 5 Städte, die zwischen 400.000 bis 600.000 Einwohner haben: Düsseldorf, Dortmund, Essen, Duisburg und Bochum. Deutschland hat keinen Metropolraum, der so bevölkerungsreich wie Paris ist; 12 Millionen Leute wohnen in dem Metropolraum von Paris, dagegen hat Berlin 4 Millionen in der Metropolregion. Es ist folglich in Deutschland schwerer, alle wichtigen Verkehrsknoten durch Hochgeschwindigkeitszüge zu verbinden. Außerdem müssen Hochgeschwindigkeitszüge schnelle Reisezeiten bieten, um in Wettbewerb mit anderen Arten des Reisens zu sein. Das gilt besonders in Deutschland, wo ein gutes Netz von Flughäfen und außergewöhnlich gut gebauten Autobahnen besteht, auf denen es keine oder wenige Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt.

2.1.3 Netzstruktur

Für das TGV-Netz kennzeichnend ist die Tatsache, dass Frankreich ein „getrenntes“ Modell verwendet, bei dem Züge bei hohen Geschwindigkeiten meist auf speziellen Hochgeschwindigkeitsstrecken (LGV) fahren und in kleineren Städten nur wenige Halte machen. Im Folgenden werden einzelnen LGVs genauer betrachtet, die Nummern hinter den Namen entsprechen dabei denen auf Abb. 2.1.3.1 und 2.1.3.2.

Die erste eingeweihte LGV war die Linie zwischen Paris und Lyon, die LGV Sud-Est . Sie wurde im September 1981 eingeführt. Mit dieser Linie wurden auch die TGVs feierlich vorgestellt.12 Die Züge auf der LGV Sud-Est in Richtung Lyon und teilweise weiter Richtung Marseille (LGV Rhône-Alps und LGV Méditerranée) beginnen ihre Fahrt in Paris an der Gare de Lyon.

Die LGV Atlantique  verbindet Paris einerseits mit den Pays de la Loire im Westen, andererseits mit der Region Centre im Südwesten des Landes. Die Strecke besitzt die Form eines liegenden Y, dessen Äste in Le Mans in den Pays de la Loire und Tours im Centre enden. Die Strecke soll bis Bordeaux in südwestliche Richtung und bis nach Rennes verlängert werden. Die Züge auf der LGV Atlantique Richtung West- und Südwestfrankreich beginnen in Paris am Bahnhof Montparnasse. Die betriebliche Höchstgeschwindigkeit auf der für 320 km/h ausgelegten Strecke ist 300 km/h. Der TGV Atlantique wurde auf der Strecke nach Le Mans im September 1989 und nach Tours im September 1990 eingeführt.

12 vgl. Meunier 2002, S.207

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Französisches Eisenbahnnetz (mit verschiedenen Stromsystemen)13

Die nächste errichtete Strecke war die LGV Nord . Im Jahre 1993 wurde diese Schienenstrecke zur öffentlichen Nutzung freigegeben. Diese LGV führt von Paris nach und von dort zu verschiedenen europäischen Zielen. Die TGV-Züge auf der LGV Nord Richtung Lille, die Thalys-Züge weiter nach Belgien und in die Niederlande sowie die Eurostar-Züge durch den Kanaltunnel nach England beginnen an der Pariser Gare du Nord. Die Strecke wird also neben den TGVs auch vom

13 Zeichnung von Boris Chomenko, Stand 2011, leicht bearbeitet Quelle: http://www.bueker.net/trainspotting/map.php?file=maps/france/.gif

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Eurostar und dem Thalys genutzt. In Belgien ist die Strecke mittlerweile weiter nach Brüssel und von dort weiter nach Lüttich (Liège) gebaut. Die LGV Nord ist 329km lang.

Obwohl die LGV Rhône-Alpes  eigentlich eine Verlängerung der LGV Sud-Est ist, wird sie als eine getrennte Linie betrachtet. Sie wurde in zwei Etappen eröffnet. Die 38km lange Umgehungsstrecke von Lyon zwischen Monanay und Saint Quentin- Fallavier ging am 13. Dezember 1992 in Betrieb. Der zweite Teil, zwischen Saint Quentin-Fallavier und Saint-Marcel-lès-Valence, wurde am 3. Juli 1994 eingeweiht. Insgesamt ist die Strecke mit 115km Länge relativ kurz.14

Wo die LGV Rhône-Alpes aufhört, führt die LGV Méditerranée  weiter. Offensichtlich wählte man diesen Name, weil sie bis ans Mittelmeer läuft. Sie beginnt in Valence und teilt sich kurz vor Avignon in zwei Strecken nach Marseille und Nîmes. Die Strecke wurde in Anwesenheit von Staatspräsident Chirac im Juni 2001 feierlich eingeweiht. Mit der LGV Sud-Est und mit der LGV Rhône-Alpes bildet die LGV Méditerranée eine zusammenhängende Schnellfahrstrecke von Paris ans Mittelmeer.15

Die zweite Linie, die Frankreich mit dem Rest Europas verbindet, ist die LGV Est . Wie die LGV Nord ist auch die LGV Est sehr wichtig für internationalen Verkehr. Sie dient dem Inlandverkehr vom Pariser Ostbahnhof (Gare de l’Est) ausgehend nach Reims, Metz, Nancy und zukünftig nach , aber auch dem internationalen Verkehr nach Frankfurt am Main über Saarbrücken sowie nach München über Stuttgart.16 Bisher ist nur der erste Abschnitt fertig (2007), er führt derzeit von Paris nach Baudrecourt. Der zweite Abschnitt von Baudrecourt nach Strasbourg soll erst ca. 2016 eröffnet werden.

Im Dezember 2010 ging die wohl kürzeste LGV in Betrieb. Sie ist nur 44 km lang, ist aber mit der Höchstgeschwindigkeit 350 km/h befahrbar. Die LGV Perpignan- Figueres  verbindet die französische Stadt Perpignan mit der spanischen Stadt Figueres, seit Dezember 2013 fahren die Züge auf spanischer Seite weiter bis .

Die LGV Rhin-Rhône  teilt sich in drei Abschnitte. Als erstes wurde der Ostabschnitt zwischen und fertiggestellt. Die anderen beiden Abschnitte, und zwar Auxonne – Bourg-en-Bresse im Süden und Dijon – Aisy als

14 vgl. Papazian 2007, S.60 15 vgl. Papazian 2007, S.63 16 vgl. Papazian 2007, S.73

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Anschluss an die LGV Sud-Est im Westen, befinden sich derzeit noch in der Planung. Ende 2016 sollen dann die beiden Abschnitte zur Verfügung stehen.

Diese LGV ist auch für Deutschland sehr wichtig, mit ihr gibt es eine weitere TGV- Verbindung nach Frankfurt. Die Züge beginnen in Frankfurt und fahren über Mannheim und Karlsruhe und nach Überqueren der französischen Grenze über Strasbourg, Mulhouse und Dijon bis Marseille.

2.1.4 Infrastruktur

Das französische Hochgeschwindigkeitssystem verwendet das traditionelle Rad- Schiene-System. Die Schienen aus Hybrid-Stahl sind zusammenschweißt und liegen auf Betonschwellen. Was sie von den anderen Schienen unterscheidet, ist das Schotterbett, das dicker als normal ist. Die LGV weisen höhere Kurvenradien auf, sodass die Zentrifugalkraft minimiert wird. Die Gleise sind auch weiter auseinander gelegen als normal, um den Luftstoß von zwei entgegengesetzt fahrenden Zügen zu reduzieren.

Beim französischen Netz gibt es hauptsächlich zwei Arten von Stromsystemen. Das nordfranzösische Eisenbahnnetz sowie alle Schnellfahrstrecken sind mit 25 kV 50 Hz Wechselstrom elektrifiziert, auf einigen Strecken in Südfrankreich wird allerdings mit 1,5 kV Gleichstrom gefahren. Alle TGV-Züge können in beiden Stromsystemen laufen.

2.1.5 TGV-Fahrzeuge

TGVs waren von Anfang an als Hochgeschwindigkeitszüge konstruiert. Sie sind leichte Züge mit einer Achslast von 17 Tonnen. Jakobsdrehgestelle bieten mehr Platz, bessere Federung und Reduzierung der Innenraumgeräusche. Außerdem bieten sie zusätzliche Aerodynamik, geringere Höhe und kleinere Lücken zwischen den Wagen. Ihre Konstruktion ermöglicht es, dass Wagen aneinander gekoppelt werden können und so ein glatter und ruhiger Durchgang von einem Wagen zum anderen besteht. Die Bremsen sind auch speziell für Hochgeschwindigkeit gebaut. Die Wagen sind mit vier Scheiben pro Achse ausgestattet.

Aufgrund der Hochgeschwindigkeit können die Fahrer die herkömmlichen Signale nicht sehen. Eine Innovation beim Bau der TGVs war die sogenannte Transmission Voie-Machine (TVM): Die Signale werden über die Gleise auf den Zug und dann in die Fahrerkabine übertragen.

Es gibt sechs Baureihen des TGV. Sie sind teilweise für bestimmte TGV-Strecken

10 vorgesehen und nach diesen benannt:

Von der ersten Generation des TGV Paris Sud-Est (PSE) wurden 109 anfangs orange lackierte Züge gebaut. Sie sind 200,2 m lang und die meisten verfügen über jeweils 386 Sitzplätze. Normalerweise fahren sie auf der LGV Sud-Est, der LGV Rhône-Alpes und der LGV Méditerranée. Man kann die ursprünglichen Züge an ihrer Nummerierung erkennen: 01 bis 98, 100 bis 118; Nr. 99 wurde nicht vergeben. Jede Einheit hat 8 Mittelwagen und 2 getrennte Triebköpfe, einer vor und der andere hinter den Mittelwagen.17

SNCF wollte die zweite TGV-Generation farblich nicht der ersten Generation angleichen, deshalb wurde der neue TGV Atlantique silberfarben und blau lackiert. Allmählich wurde dieser Anstrich bei der ganzen SNCF-Flotte vorherrschend. Ab 1989 wurden 105 Züge gebaut mit einer Nummerierung von 301 bis 405. Die Züge dieser Generation sind fähig, Geschwindigkeiten von 300km/h zu erreichen. Ein TGV Atlantique besteht aus 10 Mittelwagen statt wie die anderen TGVs aus 8. Im Zug können 485 Reisende befördert werden. Der TGV Atlantique ist mit 237,6 m der längste der TGV-Familie mit Ausnahme des Eurostar.18

Da der TGV Atlantique nicht für den landesweiten Einsatz geeignet war, kam es zur Entwicklung der dritten Generation unter dem Namen TGV Réseau (Netz). Ab 1991 wurden 80 Züge mit 8 Mittelwagen gebaut. Es gibt sie in zwei Varianten: die Züge 501 bis 550 mit Zweistromsystem und die Züge 4501 bis 4530 mit Dreistromsystem, so dass diese Züge auch nach Belgien, Italien und Luxemburg fahren können. Sie haben die gleiche Länge wie der TGV Paris Sud-Est (200,2m) und erreichen 320 km/h. Es gibt bis zu 377 Sitzplätze.19

Die LGV Sud-Est (Paris-Lyon) ist die am meisten belastete Linie in Frankreich, folglich brauchte SNCF eine Lösung dafür. Die Verbreiterung des Lichtraumprofils wäre umständlich und mehr Züge zusammenzukuppeln setzt eine Verlängerung der Bahnsteige voraus. Aus diesen Gründen konnten die Züge nur höher werden; aus einem veränderten TGV Réseau wurde eine neue Generation des TGV entwickelt, der sogenannte TGV Duplex. Diese Züge verfügen über zwei Ebenen und sie können 545 Fahrgäste transportieren. Gleichzeitig können sie in allen Bahnhöfen leicht halten, da sie genauso lang wie die anderen TGVs (außer dem TGV Atlantique) sind (220,2 m).20

17 vgl. Papazian 2007, S.87 18 vgl. Papazian 2007, S.90 19 vgl. Papazian 2007, S.92 20 vgl. Papazian 2007, S.100

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Der TGV Eurostar ist eine besondere Version des TGV. Er wurde speziell gebaut, um den Kanaltunnel zu durchfahren. Sein weiß-gelber Anstrich differenziert ihn von den anderen Zügen und die Eurostar-Züge gehören nicht ausschließlich zur SNCF. Eine Kooperation zwischen SNCF (55%), SNCB (Belgien) (5%) und LCR (London & Continental Railways) (40%) wurde gegründet, um diese Züge zu betreiben.

Die Züge sind relativ lang (394 m) und verfügen über 18 Mittelwagen je Einheit. Sie sind seit 1994 in Betrieb und 750 Reisende können im Zug Platz finden. Obwohl der TGV Eurostar maximal 300km/h fahren kann, wird die Geschwindigkeit während der Durchfahrt des Kanaltunnels auf 160km/h begrenzt.21

„Infolge des Baus der LGV Nord mit Anschluss zum Kanaltunnel und zum belgischen Schienennetz bis Brüssel wurden auch international einsetzbare Triebzüge benötigt.“22 Für den Betrieb dieser Strecke wurde wie beim Eurostar eine neue Bahngesellschaft „Thalys“ gegründet, eine Kooperation zwischen SNCF, SNCB, NS (Niederlande) und später auch der DB AG. Die TGV Thalys sind für drei Stromsysteme ausgerüstete TGV Réseau. Es gibt zwei Varianten der Thalys-Züge: PBA und PBKA. PBA steht für Paris-Brüssel- und PBKA für Paris-Brüssel- Köln-Amsterdam. Im Gegensatz zur Bezeichnung PBKA fahren diesen Züge aber nur nach Deutschland, und zwar bis Köln und zeitweise bis Düsseldorf.23

Neben den personenbefördernden TGV steht ein spezieller Güterzug, der TGV La Poste, der Post transportiert. Er wurde aus der Serie TGV Paris Sud-Est abgewandelt und es stehen 3,5 Züge zur Verfügung, d.h. 3 Züge plus einen Reservetriebkopf. In seinen 8 Mittelwagen können 61 Tonnen Post befördert werden. Alle TGV La Poste sind weithin zu erkennen, da sie einen gelben Anstrich haben.24

21 vgl. Papazian 2007, S.94 22 Papazian 2007, S.96 23 vgl. Papazian 2007, S.9 24 vgl. Papazian 2007, S.93

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2.2 Betriebliche und ökonomische Aspekte Felix Thoma

2.2.1. Organisation

In Frankreich wurde 1997 die von der Europäischen Kommission angestrebte Trennung von Netz und Betrieb verwirklicht, in dem der vorher bestehende integrierte Konzern in zwei Teile aufgespalten wurde. Für den Betrieb der Fern- und Regionalzüge blieb die zu 100% staatliche SNCF (Societé nationale de chemins de fer – Nationale Eisenbahngesellschaft) zuständig, während sich das Schienennetz im Eigentum des ebenfalls staatlichen Netzbetreibers RFF (Réseau ferré de France - Französisches Eisenbahnnetz) befindet. Nach und nach sind jedoch einige Kompetenzen, wie die Instandhaltung und Betriebsleitung des Schienennetzes und das Bahnhofsmanagement, wieder zurück unter die Kontrolle der SNCF gekommen, wodurch die Trennung von Netz und Betrieb nur noch oberflächlich vorhanden ist und die Organisationsstrukturen beider Unternehmen in Wirklichkeit eng miteinander verwoben sind.25 26

Das Ziel der Trennung von Netz und Betrieb, privaten Konkurrenten der SNCF einen einfacheren Zugang zu gewährleisten, wurde bislang ohnehin nicht erreicht, beim Liberalisierungsindex Bahn schneidet Frankreich schlecht ab.27 Im Personenverkehr werden bis auf den Nachtzug Thello nach Italien alle Züge von der SNCF betrieben, also insbesondere im Fernverkehr der TGV. Grenzüberschreitende Fernverkehrslinien werden z.T. in Kooperation mit den angrenzenden Staatsbahnen betrieben, im Einzelnen der Eurostar nach England, der Thalys nach Belgien und in die Niederlande, der TGV Lyria in die Schweiz sowie die abwechselnd mit ICE und TGV bediente Linie Richtung Deutschland über Saarbrücken.

2.2.2. Betrieb

Das TGV-Netz ist klar auf die französische Hauptstadt ausgerichtet: Fast alle Linien beginnen in Paris oder passieren den Großraum der Stadt. Die TGV-Linien enden in Paris an verschiedenen Kopfbahnhöfen, was das Umsteigen zwischen unterschiedlichen TGV-Linien dort zu einer umständlichen Angelegenheit macht, weil dazu in den meisten Fällen die Pariser U-Bahn (Métro) oder S-Bahn (RER) benutzt werden muss.

25 vgl. SNCF 2012, S. 15 26 vgl. Mitusch/Liedtke 2013 27 vgl. IBM/Kirchner 2011, S. 30

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Es werden daher auch durchgehende TGV-Linien z.B. von Lille im Norden nach Lyon/Marseille oder Bordeaux im Süden angeboten, die die sog. LGV Interconnexion Est benutzen und daher nicht in Paris selbst, sondern am Flughafen Charles de Gaulle und in der Vorstadt Marne-la-Vallée halten.

Von Paris aus erreichen die TGV-Züge (teilweise nach kurzer Benutzung traditioneller Bahnstrecken) recht schnell die Schnellfahrstrecken (siehe Kapitel 2.1.3). Im Anschluss an die jeweilige Hochgeschwindigkeitsstrecke fahren die TGVs meist auf traditionellen Eisenbahnstrecken weiter. Dabei verzweigt sich das Streckennetz, da neben den Hauptzielen wie Marseille, Strasbourg oder Bordeaux mit einzelnen Zügen am Tag auch abseits der Hauptstrecken liegende Orte erreicht werden, z.B. Urlaubsorte an der Atlantik- oder Mittelmeerküste oder in den französischen Alpen.

Auf kürzeren Strecken mit Fahrzeiten bis zu 2,5 Stunden (z.B. Paris-Lyon oder Paris- Rennes) fahren die TGVs den Tag über meist im Stundentakt. In den Hauptverkehrszeiten wird der Takt aber auf einen Halbstundentakt verdichtet (siehe Tab. 2.2.2.2), morgens (6-8 Uhr) vor allem in Richtung Paris und nachmittags (17-19 Uhr) vor allem aus Paris hinaus (im kleineren Umfang gilt dies auch für die Gegenrichtung). Mit Ausnahme der morgendlichen Züge setzt sich das auch am Wochenende fort.

Abfahrt Sparpreis Normalpreis Abfahrt Sparpreis Normalpreis - - - 06:46 20€ 28€ 07:16 34€ 47€ 07:46 26€ 38€ 08:16 26€ 38€ 08:46 34€ 47€ - - - 09:46 20€ 28€ - - - 10:46 25€ 35€ - - - 11:46 25€ 35€ - - - 12:46 26€ 38€ 13:16 26€ 38€ ------14:46 34€ 38€ - - - 15:46 25€ 35€ 16:16 26€ 38€ 16:46 34€ 38€ 17:16 26€ 38€ 17:46 - 61€ 18:16 - 61€ 18:46 34€ 47€ 19:16 26€ 38€ 19:46 25€ 35€ - - - 20:52 25€ 35€ 22:21 15€ 44€ - - -

Abfahrten/Preise aus der Pariser City Richtung Lille (Do. 20.02.2014)28

28 Datenquelle: http://de.voyages-sncf.com/ (abgerufen am 23.01.2014), nur Züge von Paris Gare du Nord, sowohl Züge nach Lille Flandres als auch über Lille Europe

14

Ein Taktfahrplan längeren Strecken wie Paris-Marseille oder Paris-Bordeaux allerdings kann das Angebot etwas unregelmäßiger sein, denn es gibt sowohl Nonstop-TGVs, die direkt in der Konkurrenz zum Luftverkehr stehen, als auch TGV- Fahrten, die an diversen Unterwegsstationen halten (siehe Tab. 2.2.2.3).

Abfahrt Sparpreis Normalpreis Bemerkung 05:36 40€ 73€ 06:06 40€ 73€ 07:36 40€ 73€ 08:36 37€ 60€ Nonstop-TGV 09:36 35€ - iDTGV, an normalen TGV gekoppelt 09:36 57€ 73€ 10:36 37€ 60€ Nonstop-TGV 11:31 - 73€ 13:36 39,90€ - iDTGV, an normalen TGV gekoppelt 13:36 40€ 73€ 14:36 45€ 60€ Nonstop-TGV 15:36 57€ 73€ 17:36 - 91€ 18:06 - 73€ 18:36 37€ 60€ Nonstop-TGV 19:36 35€ iDTGV, an normalen TGV gekoppelt 19:36 37€ 60€ 20:06 37€ 60€

Abfahrten/Preise von Marseille in die Pariser City (Do. 20.02.2014)29

In Deutschland selten, aber in Frankreich sehr üblich sind dabei Stationen außerhalb der Städte „auf der grünen Wiese“, die über Shuttlezüge oder -busse mit den umgebenden Städten verbunden sind, die aber oft über große Parkplätze verfügen. Ein Beispiel hierfür ist Reims, wo nur manche TGV-Züge den Hauptbahnhof erreichen, andere dagegen nur am 5 km entfernten TGV-Bahnhof Champagne- Ardenne halten, ähnlich ist das z.B. in Besançon und in Avignon (vgl. Abb. 2.2.2.1). Bei manchen TGV-Bahnhöfen liegen überhaupt keine Städte in der Nähe, z.B. bei TGV Haute-Picardie. Auf eine Verknüpfung des Hochgeschwindigkeitsnetzes mit dem öffentlichen Regional- und Stadtverkehr wird (meist zugunsten höherer Fahrgeschwindigkeiten) in Frankreich also weniger Wert gelegt als in Deutschland.

Die Strategie der SNCF bestand bei der Eröffnung der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Lyon darin, den Tarif der alten Strecke beizubehalten, um breitere Bevölkerungsschichten für den neuen TGV zu gewinnen. Wegen der hohen Auslastung der Strecke und der dadurch geringen Kosten pro

29Datenquelle: http://de.voyages-sncf.com/ (abgerufen am 23.01.2014), nur Züge Richtung Paris Gare de Lyon. Es gibt weitere TGV/-Züge Richtung Paris, die aber nur in den Pariser Vororten halten.

15 einzelnen Passagier ging die Rechnung auf. Seit der Eröffnung der LGV Nord im Jahre 1993 ist das Tarifsystem der französischen Eisenbahn an der Auslastung der einzelnen Züge ausgerichtet, da mit dem im Luftverkehr weit verbreiteten Ertragsmanagement versucht wird, über einen variablen Preis die tatsächliche Nachfrage an das Angebot anzupassen, also eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen. Diese liegt bei etwa 80%.30 Andererseits ist wegen einer Reservierungspflicht, wie es sie in Deutschland nicht gibt, theoretisch garantiert, dass jeder Reisende einen Sitzplatz bekommt.

Frühzeitig gebuchte Tickets sind also deutlich günstiger als kurzfristig gebuchte, man hat einige Wochen oder Monate im Voraus noch Chancen, ein günstiges Sparpreisticket vom „TARIF PREM’S“ zu erwerben. Ansonsten gibt es vergleichbar wie in Deutschland auch teurere Normalpreistickets („TARIF LOISIR“), die dafür aber auch rückerstattet werden können.

Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 38€ 51€ 20€ 15€ 3 4 5 6 7 8 9 57€ 64€ 64€ 57€ 61€ 38€ 38€ 15€ 15€ 15€ 15€ 15€ 15€ 15€ 10 11 12 13 14 15 16 57€ 57€ 57€ 57€ 64€ 64€ 64€ 15€ 15€ 10€ 15€ 25€ 45€ 45€ 17 18 19 20 21 22 23 38€ 38€ 38€ 38€ 64€ 64€ 38€ 15€ 10€ 15€ 10€ 20€ 30€ 25€ 24 25 26 27 28 38€ 38€ 38€ 38€ 42€ 20€ 10€ 10€ 10€ 15€

Günstigste Fahrpreise Paris – Lyon mit TGV/Ouigo im Monat Februar31

Um noch preissensiblere Kunden zu gewinnen, bietet die SNCF zwei unterschiedliche TGV-Ableger an: den iDTGV und den Ouigo. Der iDTGV wurde 2004 von der SNCF eingerichtet und wurde genutzt, um neue Entwicklungen in einem kleinen Umfeld auszuprobieren, wie z.B. ein wirtschaftlicheres Preissystem (Ertragsmanagement). Die Fahrscheine können beim iDTGV grundsätzlich nur online erworben werden (ein Kauf im Zug ist jedoch auch manchmal möglich) und es werden Stornierungsgebühren erhoben. Der iDTGV fährt auf einigen Verbindungen innerhalb Frankreichs etwa 2 Mal am Tag.

30 vgl. Schabas 2012, S.90 31 Datenquelle: http://de.voyages-sncf.com/ (abgerufen am 23.01.2014)

16

2013 wurde mit dem Ouigo ein weiterer Hochgeschwindigkeitszug eingerichtet, der zwar auch von der SNCF betrieben wird, aber sich allein schon im Markennamen klarer vom TGV abgrenzt. Der Ouigo ist als Reaktion auf die Liberalisierung des europäischen Bahnverkehrs zu verstehen, die die traditionellen Staatsbahnen insbesondere auch im Hochgeschwindigkeitspersonenverkehr verstärkter Konkurrenz durch private oder ausländische Bahngesellschaften aussetzen könnte. Um sich auf diesen Wettbewerb vorzubereiten, wurde ein im Vergleich zum TGV günstigeres System konzipiert, das auch mit möglichen neuen Billiganbietern konkurrieren kann.

Das Geschäftsmodell wurde dabei an das der Billigflieger wie oder easyJet angelehnt, die im Luftverkehr schon seit mehr als 15 Jahren erfolgreich sind. Beim Ouigo sind die Fahrkarten deutlich günstiger als beim TGV (siehe Tab. 2.2.2.4) und können nur online gekauft werden, was zuvor schon beim iDTGV umgesetzt wurde. Dadurch fallen die Kosten der herkömmlichen Vertriebswege (Schalter, Automaten, …) weg. Durch Optimierung der Kapazität (20% mehr Sitzplätze im Vergleich zum klassischen TGV), weniger Personal und längere Einsatzzeiten der Fahrzeuge pro Tag können weitere Kosten eingespart werden. Für Sonderleistungen werden Zuschläge fällig, z.B. für die Mitnahme von zusätzlichen Gepäckstücken.

Der Ouigo verkehrt von der Île-de-France, also dem Großraum Paris, bislang nur auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke, und zwar der LGV Sud-Est Richtung Lyon und Marseille sowie in weitere Städte im Südosten Frankreichs. Neu ist allerdings, dass die Züge nicht mehr an den stark ausgelasteten Kopfbahnhöfen in Paris selbst, sondern im weniger genutzten Bahnhof Marne-la-Vallée in einer Pariser Vorstadt beginnen. Dadurch können die an den Netzbetreiber RFF zu zahlenden Stationsgebühren reduziert werden.

2.2.3 Konkurrenz

Neben dem TGV gibt es auch in Frankreich Intercité- und Regionalzüge, die aber im Vergleich zu Deutschland wegen der höheren Entfernungen zwischen den großen Städten nicht als direkte Konkurrenz zum TGV angesehen werden können, wie auch der hohe Anteil des TGV von über 60% an der Schienenpersonenverkehrsleistung zeigt. Die Rolle der Intercité-Linien liegt eher in der Erschließung verschiedener Regionen, die noch nicht an das TGV-Netz angebunden sind, insbesondere dem Zentralmassiv um Clermont-Ferrand oder der Normandie um Rouen. Tangentiale Verbindungen zwischen einzelnen Regionen werden oft aber auch nur mit Regionalzügen (TER) bedient.

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Ähnlich wie in Deutschland sind Fernbusse auch in Frankreich eher eine neue Erfindung. Seit dem 12. November 2010 ist die Mitnahme von Fahrgästen auf innerfranzösischen Teilstrecken internationaler Busverbindungen gestattet, was von Bussen des Eurolines-Verbundes genutzt werden konnte.32 Die SNCF bietet seit 2012 mit dem neu gegründeten iDBUS auch Fernbusse an, was als ein Zeichen gewertet werden kann, dass der Fernbusmarkt im Aufwind ist und sich die SNCF – mit einer ähnlichen Strategie wie beim Ouigo – durch einen frühzeitigen Markteintritt einen Vorsprung vor potentiellen privaten Konkurrenten sichern will. Die Preise für eine Fernbusfahrt von Paris nach Lyon mit iDBUS betragen in der Regel etwa 35€.

Gerade auf den längeren Strecken wie Paris – Marseille spielt traditionell auch die Konkurrenz zum Luftverkehr eine wichtige Rolle. Durch die Eröffnung der LGV Méditerranée im Jahr 2001 benötigt die Bahn nur 3 Stunden Fahrzeit auf dieser Strecke, was immer noch fast 2 Stunden länger ist als die reine Flugzeit, wobei die Anfahrt zu einem weit außerhalb von Paris liegenden Flughafen aber nicht berücksichtigt wird.33 Deshalb konnte der Marktanteil der Bahn auf über 60% im Jahr 2006 angehoben werden, er lag damals sogar bei über 80% bei Punkt-zu- Punkt-Verbindungen.34 Auch wenn der damals prognostizierte Markteintritt von Billigfliegern noch nicht erfolgt ist, macht der eigentlich einem höheren Preissegment zuzuordnende Flagcarrier Air France auf dieser Strecke zunehmend mit günstigen Preisen (ab etwa 50€) auch bei kurzfristiger Buchung der Bahn Konkurrenz.

2.2.4 Ökonomische und ökologische Bilanz

Die wirtschaftliche Bilanz des TGV ist sehr differenziert zu betrachten. Schon bei der betriebswirtschaftlichen Bilanz (aus der Sichtweise von SNCF und RFF) gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Schnellfahrstrecken. Die Strecke Paris-Lyon wurde gerade deshalb als erste Strecke gebaut, da man die Wirtschaftlichkeit der Strecke sehr hoch einschätzte: Die Strecke war einerseits kostengünstig zu bauen und war andererseits mehr als Ergänzung denn als Ersatz der bestehenden Strecke gedacht, auf der durch die Eröffnung der Neubaustrecke Kapazitäten frei wurden. Auch die prognostizierte hohe Nachfrage trat ein, die Zahl der Fahrgäste stieg um

32 vgl. SNCF 2012, S.13 33 vgl. Steer Davis Gleave 2006, S. 9 34 vgl. Steer Davis Gleave 2006, S. 11

18

50%, vor allem auf Kosten des Luftverkehrs. Dadurch amortisierte sich die Strecke bereits nach 10 Jahren.35 36

Die zuerst gebauten Hochgeschwindigkeitsstrecken wie die LGV Sud-Est, LGV Atlantique sind mit teils über 20 Millionen Fahrgästen gut ausgelastet, nach anderen Quellen auch die LGV Nord, bei der die überzogenen Erwartungen aus der Zeit vor der Eröffnung jedoch nicht erfüllt wurden.37 Bei den zuletzt gebauten Hochgeschwindigkeitsstrecken, der LGV Est und der tangentialen LGV Rhin-Rhône, sehen die Prognosen aber schlechter aus: Hier wurden schon im Voraus nur Fahrgastzahlen von knapp über 10 Millionen pro Jahr38 erwartet und daher dürfte auch der Kostendeckungsgrad dieser Strecken geringer sein.

Der Preis für den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecken für die SNCF war die Aufnahme von Krediten, die später auf die neu gegründete Netzgesellschaft RFF übertragen wurden. Die Kosten für den Bau einer Schnellfahrstrecke lassen sich mit etwa 20 Mio. €/km beziffern. Die Netzgesellschaft hat heute Schulden von 29 Mrd. €, dazu kommen noch 9 Mrd. € Schulden bei der SNCF. Da bislang nur 48% der Kosten für das Netz durch die von der SNCF an RFF zu zahlenden Trassengebühren gedeckt werden, wurden diese zunehmend erhöht, was wiederum die Wirtschaftlichkeit der SNCF beeinträchtigt. Angesichts dessen ist unter der sozialistischen Regierung sogar wieder die Fusion von SNCF und RFF vorgesehen.39

Man kann sich aber fragen, ob die wirtschaftliche Situation für die französische Bahn ohne den TGV besser gewesen wäre. Vor allem auf den längeren Verbindungen wäre der Marktanteil wohl deutlich geringer. Mit den Schnellfahrstrecken dagegen ist die Bahn mindestens ebenbürtiger Konkurrent zum Flugzeug und wegen günstiger Tarifangebote braucht die SNCF in Zukunft auch Billigkonkurrenz, z.B. durch Fernbusse, nicht allzu groß zu befürchten. Ein gutes Bahnangebot zu einem geringen Preis ist aber eben nur mit erheblichen Kosten für den Staat zu haben.

Es wäre jedoch falsch, den TGV nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu betrachten, da er viele externe Effekte für die französische Volkswirtschaft zur Folge hat, auch wenn diese oft nur schwer zu beziffern sind. Dazu gehören neben den bereits genannten Aspekten u.a. auch die wirtschaftlichen Verluste für die anderen Verkehrsträger genauso wie zusätzliche Arbeitsplätze im Bahnsektor.40 Als Beispiel ist die Verkürzung der Reisezeit von bislang peripheren Städte in das politische,

35 vgl. Zeilinger 2003, S.128f 36 vgl. Schabas 2012, S.91 37 vgl. RGCF 2011, S.66 38 ebd. 39 vgl. Mitusch/Liedtke 2013 40 vgl. RGCF 2011, S.65

19 wirtschaftliche und gesellschaftliche Zentrum des Landes, Paris, zu nennen, die die Wettbewerbsfähigkeit dieser Städte erhöht hat, andererseits wurde die zentrale Stellung von Paris zementiert. Durch den TGV sind Städte wie Tours oder Lille in etwa einer Stunde zu erreichen, was das Pendeln, üblicherweise zwischen dem Wohnsitz in einer solchen Stadt und dem Arbeitsplatz in Paris, ermöglicht. Mit der LGV Rhin-Rhône wurde dagegen die erste Strecke eröffnet, die der seit den 1980er Jahren bestehenden französischen Dezentralisierungspolitik folgt. Diese fand ihren Anfang in der Einrichtung der Regionen, einer zwischen den Départements und dem Zentralstaat angesiedelten Verwaltungsstruktur.

Zuletzt sind aber auch die Investitionen in den TGV auch ein wichtiges Standbein der französischen Eisenbahnindustrie. Zwar lag die Entwicklung des TGV gerade in der Anfangsphase stark in der Hand des Staates.41 Andererseits muss auch die französische Firma genannt werden, die bislang alle TGV-Züge gefertigt hat. Vom TGV abgeleitete Züge konnten sich besonders in den 1990er Jahren auch in anderen Ländern gut verkaufen und sind heute auch beim Eurostar, beim Thalys, beim spanischen Hochgeschwindigkeitszug AVE als Baureihe 100 und beim Korean Train Express in Südkorea unterwegs.42

Ökologisch gesehen ist der TGV insofern als Erfolg zu werten, als der Marktanteil der umweltfreundlicheren Bahn gegenüber dem Flugzeug und dem Auto gestiegen ist.

Beispielhaft soll hier noch der Effekt des TGV auf die CO2-Emissionen kurz erläutert werden: Der Großteil des französischen Stroms wird in Kernkraftwerken erzeugt, wodurch radioaktive Abfälle entstehen, andererseits fallen so für den laufenden

Betrieb des TGVs vergleichsweise geringe CO2-Emissionen an. Am Beispiel der LGV Rhin-Rhône wurde in einer von der SNCF in Auftrag gegebenen „Bilan Carbone“ berechnet, dass beim Bau der Strecke fast doppelt so viele Emissionen anfallen wie nach 30 Jahren Betrieb der Strecke. Die durch weniger Fahrgastkilometer im Straßen- und Luftverkehr eingesparten Emissionen sollen jedoch dann fast doppelt so hoch sein wie die bei Bau und Betrieb zusammen neu verursachten Emissionen, so dass die CO2-Bilanz letztendlich positiv ist. Allerdings sind diese Angaben stark von der technischen Entwicklung der einzelnen Verkehrsträger abhängig und wie jede von dem betroffenen Unternehmen selbst in Auftrag gegebene ökologische Bilanz kritisch zu hinterfragen.

41 vgl. Zeilinger 2003, S.129 42 ebd.

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3 Deutschland

3.1 Infrastrukturelle und technische Aspekte Alexander Urich

3.1.1 Netzstruktur

Historisch bedingt gibt es in Deutschland mehrere Bahnknoten des Personenverkehrs. In der Regel sind die größten Städte gleichzeitig die wichtigsten Bahnknoten. Um eine leistungsfähige und schnelle Verbindung zwischen diesen Punkten zu gewährleisten, sind Hochgeschwindigkeitsstrecken notwendig. Idealerweise ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nur für Hochgeschwindigkeitszüge vorgesehen, was heutzutage in Deutschland nicht der Fall ist. Zum großen Teil fahren ICE-Züge auf gleichen Gleisen mit Nahverkehr- und Güterzügen und erreichen deswegen nur geringere Durchschnittsgeschwindigkeiten. Allerdings gibt es auch Neubaustrecken mit zulässiger Geschwindigkeit von 300 km/h. Die Begriffe „Neubaustrecke“ und „Ausbaustrecke“ sind wie folgt definiert:

"Ausbaustrecken sind Eisenbahnstrecken, die durch größere Aus- und Umbaumaßnahmen auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden bzw. worden sind oder entsprechend eines konkreten Bedürfnisses ausgebaut werden bzw. worden sind, zum Beispiel von einer Nebenbahn zu einer Hauptbahn zwecks Geschwindigkeitserhöhung. Im engeren Sinn versteht man darunter Strecken, deren Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h angehoben und deren Leistungsfähigkeit gesteigert wird bzw. wurde."43

"Neubaustrecken im weiteren Sinn sind alle neu gebauten Eisenbahnstrecken, auch Nahverkehrsbahnen oder Flughafenbahnen. Im engeren Sinn sind es Strecken, die für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaut wurden und durch diesen exklusiv oder gemeinsam mit anderen Verkehrsarten genutzt werden. Ihre Streckenhöchstgeschwindigkeit beträgt mehr als 200 km/h."44

Die ersten Neubaustrecken in der Bundesrepublik waren: Hannover-Würzburg und Stuttgart-Mannheim. Der Abschnitt Fulda-Würzburg wurde im Mai 1988 in Betrieb genommen. Da es zur damaligen Zeit noch keinen serienmäßigen deutschen Hochgeschwindigkeitszug gab, wurde dieser Abschnitt zunächst mit IC- und Güterzügen in Betrieb genommen. Nach drei Jahren waren beide Strecken in voller

43 Hecht et al. 2008, S.343 44 Hecht et al. 2008, S.344

21

Länge fertig. Seit September 1998 ist die Schnellfahrstrecke Berlin-Hannover in Betrieb.45 Zwischen Wolfsburg und Berlin wurde die Strecke aber auf eigenen Gleisen parallel zu bestehenden Strecken trassiert und zwischen Wolfsburg und Hannover handelt es sich um eine Ausbaustrecke. Die 2002 eröffnete Neubaustrecke Köln – Rhein/Main ist für ICE-3-Züge konzipiert, was die Trassierung sowie die Umsetzung von einigen technischen Lösungen für Hochgeschwindigkeitsstrecken erleichtert hat. So zum Beispiel hat die Strecke Steigungen bis zu 40 Promille, die nur für den ICE 3 beherrschbar sind, sowie eine feste Fahrbahn, was eine Geschwindigkeit bis 300 km/h erlaubt. Wie in Frankreich üblich, befinden sich einige Zwischenhalte an dieser Strecke außerhalb der Stadtzentren, so halten die Züge statt in Bonn Hbf und Limburg an den Bahnhöfen Siegburg/Bonn bzw. Limburg Süd Richtung Mannheim weiterführende Züge halten außerdem nur am Frankfurter Flughafen statt am Hauptbahnhof.

In Köln beginnt außerdem die bis 2003 zur Schnellfahrstrecke ausgebaute Bahnstrecke Köln-Aachen an, auf der die Züge Richtung Brüssel verkehren.

Die 2006 eröffnete Neubaustrecke Nürnberg-Ingolstadt ist ein Teil der Verbindung Nürnberg-München. Eine Geschwindigkeit bis zu 300 km/h ist auch hier möglich, obwohl der Ausbauabschnitt zwischen Ingolstadt und München nur für 200 km/h vorgesehen ist.

Eine der wichtigsten Verbindungen in Deutschland ist -Berlin. In der 90er Jahren wurde eine Transrapidstrecke zwischen beiden Großstädten geplant, aber das Projekt wurde im Jahr 200046 abgebrochen. Stattdessen wurde die alte Strecke bis zum Jahr 2004 ausgebaut und zwar für eine Geschwindigkeit bis 230 km/h statt 200 km/h für andere Ausbaustrecken. Da die Trasse an einigen Stellen starke Kurven besitzt, werden hier nur ICE T-Züge mit Neigetechnik eingesetzt, die eine schnelle und komfortable Fahrt, auch in Kurven, ermöglichen.47

Da nicht alle Neubau- und Ausbaustrecken in Deutschland miteinander verbunden sind, gibt es kein separates Hochgeschwindigkeitsnetz, stattdessen ist der deutsche Hochgeschwindigkeitsverkehr ein Teil des gesamten Eisenbahnnetzes.

45 vgl. Hecht et al. 2008, S.45 46 vgl. Hecht et al. 2008, S.44 47 vgl. Heinisch et al. 2005, S.7

22

3.1.2 Netzausrüstung

In Deutschland verkehren Hochgeschwindigkeitszüge hauptsächlich auf Neubau- und Ausbaustrecken. Damit können mehrere technische Aspekte sowie Sicherheitsvorschriften für Hochgeschwindigkeitsverkehr eingehalten werden.

Einzige artreine Strecke in Deutschland ist die Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main. Bei der Planung wurden hier nur Fahreigenschaften des ICE 3 berücksichtigt. Große Längsneigungen und Gleisüberhöhungen ermöglichen kleinere Gleisbogenradien. Die Besonderheiten dieser Trasse verlangen nur wenige Talbrücken und Tunnel.

Ein Netz kann nicht aus nur einer Strecke bestehen. So fahren ICE-Züge auf anderen Strecken mit Regional- und Güterzügen zusammen. Um auch auf diesen Eisenbahnverbindungen möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten zu erreichen, werden folgende Anforderungen berücksichtigt:

Ausbaustrecken:

 Gleisabstand 4,00m;  ;  Überholungsgleise;  keine Bahnübergänge.

Neubaustrecken:

 Gleisabstand 4,50m;  keine Bahnsteigkanten an durchgehenden Hauptgleisen;  Weichen mit beweglichen Herzstückspitzen;  Überholungsbahnhöfe (alle 20km) und Überleitstellen (alle 7km).48

Außerdem ist die feste Fahrbahn eine bessere Lösung für Hochgeschwindigkeitsstrecken, weil sie den Schotterflug verhindert und auch stabiler als Schotteroberbau ist.

Während der Fahrten mit höherer Geschwindigkeit kann die Information vom ortsfesten Signalsystem nicht vom Fahrer wahrgenommen werden. So braucht ein modernes Hochgeschwindigkeitsnetz ein System, das rechtzeitig Informationen an das Fahrzeug übermitteln kann. Linienförmige Zugbeeinflussung macht

48 vgl. Hecht et al. 2008, S.343f

23 kontinuierliche Informationsübertragung von Fahrweg zum Fahrzeug möglich. Obwohl die Linienförmige Zugbeeinflussung (LZB) mit Kabellinienleitern verwendet, wird künftig die Funkzugbeeinflussung diese Rolle in Europa übernehmen.49

3.1.3 Neu- und Ausbauprojekte der DB

Der Ausbau von vorhandenen Strecken sowie Neubaustrecken sind notwendig, um ein zukunftsgerechtes und leistungsstarkes Netz zu haben. Neue Projekte der Deutschen Bahn sollten das bestehende Netz modernisieren und erweitern. Da Deutschland ein Transitland ist, spielen viele Streckenabschnitte eine große Rolle für das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz.

Die Neubaustrecke Rhein/Main – Rhein/Neckar soll künftig eine schnelle Verbindung zwischen den Ballungsräumen Rhein/Neckar und Rhein/Main aufbauen und den Lückenschluss im Transeuropäischen Netz (TEN) bilden. Die Höchstgeschwindigkeit für Fernverkehrszüge soll 300 km/h betragen. Mit dem Projekt sollen folgende Ziele erreicht werden:

 "bedarfsorientierte und zukunftsgerechte Weiterentwicklung des Bahnnetzes unter Berücksichtigung der Gesamtstruktur sowie ökologischer und ökonomischer Aspekte;  kürzeste Fahrzeit zwischen den Schnellfahrstrecken Köln-Rhein/Main und Mannheim - Stuttgart;  größtmögliche Fahr- und Reisezeitgewinne im Korridor;  Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV);  Kapazitätserweiterung mit Potential für die Zukunft im Schienengüterverkehr (SGV)."50

Die Strecke soll entlang der Autobahnen A5 und A67 als Hochgeschwindigkeitsstrecke verlaufen. Ein eingleisiger Ast soll die Strecke mit Darmstadt Hbf verbinden. Diese Lösung soll die Belastung der Anwohner sowie die Eingriffe in die Natur minimieren. Die Inbetriebnahme der 85 km langen Strecke war für 2017 geplant, das Projekt wurde aber in den letzten Jahren auf unbestimmte Zeit verschoben.

49 vgl. Hecht et al. 2008, S.531ff 50 Mencke 2007, S.1

24

Ein weiteres internationales Projekt ist die Ausbaustrecke Paris – Ostfrankreich – Südwestdeutschland (POS). Deutscher Teil ist der Abschnitt Saarbrücken – Ludwigshafen mit einer Gesamtlänge von 127,8 km und einer Entwurfsgeschwindigkeit von 200 km/h. Hauptziel des Projekts ist die Fahrzeitreduzierung (von 88 min auf 71 min).

Das Bahnprojekt Stuttgart – Ulm ist ein umfangreiches Projekt mit großer Bedeutung auf regionaler sowie internationaler Ebene. Die alte Strecke Stuttgart – Ulm wurde 1850 in Betrieb genommen. Die Trasse ist sehr kurvig und eng und somit nicht für den Hochgeschwindigkeitsverkehr geeignet. Da die Eisenbahnverbindung Stuttgart – Ulm Bestandteil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes ist, soll hier eine moderne, leistungsfähige Strecke entstehen.

Das Projekt besteht aus drei großen Teilen:

 Stuttgart 21;  Neu-Ulm 21;  Neubaustrecke Wendlingen – Ulm.

Das Teilprojekt Stuttgart 21 umfasst den Bau von je einem neuen Fernbahnhöfen am Stuttgarter Hauptbahnhof und am Flughafen (beide im Tunnel), einen Abstellbahnhof sowie eine 57km lange Bahnstrecke (davon 30 km Schnellfahrstrecke). Voraussichtliche Inbetriebnahme ist 2021. In Wendlingen schließt Stuttgart 21 an die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm an. Diese ist 60km lang, davon 30km im Tunnel. Die Gesamtlänge ist fast 10km kürzer als die der alten Strecke, die auf einigen Stellen eine zulässige Geschwindigkeit von nur 70km/h hat. Nach der Fertigstellung werden TGV- und ICE-Züge mit 250km/h verkehren, wodurch sich die Fahrzeit verkürzen wird. In Neu-Ulm wurden die Bauarbeiten pünktlich im Jahr 2007 abgeschlossen. Dadurch ist ein neuer Bahnhof entstanden. Das Gesamtprojekt Stuttgart – Ulm wird ein Teil der europäischen Hochgeschwindigkeitsachse "Magistrale für Europa", das von Paris über Strasbourg, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, München, Wien nach Budapest bzw. Bratislava führen und so West- und Osteuropa verbinden soll.

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr.8 (VDE 8) soll die Fahrzeit von Berlin nach München von sechs auf vier Stunden verkürzen. Außerdem ist dieses Projekt für das Transeuropäische Verkehrsnetz von großer Bedeutung, da die geplanten Neu- und Ausbaustrecken mit rund 500 km Länge ein Teil der Verbindung zwischen Italien und Skandinavien sind. Das VDE 8 besteht aus drei Teilen. Teil VDE 8.1 hat

25 zwei Abschnitte: Nürnberg – Ebensfeld als Ausbaustrecke mit 83 km und Ebensfeld – Erfurt als Neubaustrecke mit einer Gesamtlänge von 107 km und einer zulässigen Geschwindigkeit von 300 km/h. Dazu gibt es neue Gleise für S-Bahn und Güterverkehr. Teil VDE 8.2 ist eine 123 km lange Neubaustrecke Erfurt – Leipzig/Halle. Hier werden Verkehrsströme aus Frankfurt am Main und München in Richtung Leipzig/Halle und Berlin verbunden. Der Ausbauabschnitt Leipzig – Berlin (VDE 8.3) ist seit 2006 im Betrieb.

Streckenverlauf VDE 8 Nürnberg – Erfurt – Leipzig/Halle - Berlin51

Große Verkehrsprojekte verlangen viel Zeit, deswegen ist es wichtig, so früh wie möglich die Tendenzen im Eisenbahnverkehr zu erkennen und somit eine rechtzeitige und passende Lösung anzubieten.

3.1.4 ICE-Fahrzeuge

Die Geschichte des deutschen Hochgeschwindigkeitsverkehrs begann mit der Einführung des ICE 1 im Juni 1991. Drei Jahre zuvor war mit dem InterCityExperimental (Versuchsfahrzeug) auf der Strecke Fulda – Würzburg eine Geschwindigkeit von 406 km/h erreicht worden.52 Die Serienzüge der 1. Generation verkehren jedoch mit geringerer Geschwindigkeit (280 km/h). Der ICE 1 besteht aus

51 Quelle: http://www.vde8.de/likecms.php#&desc=VDE+8.3+AUSBAU%3A+%C3%9Cberblick&t&nav=44 52 vgl. Hecht et al. 2008, S.44f

26 zwei Triebköpfen und bis zu 14 Mittelwagen (später 12 Mittelwagen). Insgesamt sind 59 Züge im Betrieb, die bis 2008 modernisiert wurden.

Der ICE 2 ist seit 1996 im Betrieb. Im Gegensatz zum ICE 1 gibt es die Möglichkeit, zwei ICE-2-Züge miteinander zu verbinden und somit schnell und unkompliziert das Angebot der Verkehrsnachfrage anzupassen oder Züge zu trennen („flügeln“), damit auf unterschiedlichen Strecken weiterfahren können. Ein Halbzug besteht aus einem Triebkopf, einem Steuerwagen (teilweise mit Sitzplätzen ausgestattet) und sechs Mittelwagen. Im Einsatz befinden sich 44 Halbzüge.

Der ICE 3 (Baureihe 403) ist als Triebwagenzug gebaut. Bei dieser Bauweise werden die Hilfstechnik und die Motoren über den Zug verteilt, so dass es keinen Triebkopf im klassischen Sinne gibt. Dadurch entsteht mehr Raum für Passagiere. Mehrere angetriebene Achsen sorgen für bessere Fahreigenschaften, so z.B. können nur ICE- 3-Züge Steigungen bis 40 Promille ohne Geschwindigkeitsverlust beherrschen. Außerdem besitzt die 3. Generation eine verschleißfreie Wirbelstrombremse, die eine perfekte Lösung für Züge mit Betriebsgeschwindigkeit von bis zu 330 km/h sind. Damit die Züge auch im Ausland fahren können, wurden 13 mehrsystemfähige Zugeinheiten der Baureihe 406 gebaut. Diese Variante kann alle vier europäischen Stromsysteme nutzen. Seit 2000 wurden 63 Halbzüge gebaut und in Betrieb genommen. Noch im Jahr 2008 wurden von der Deutschen Bahn 15 Züge der nächsten Generation (Baureihe 407) bestellt.53 Dieser "neue" ICE 3 stellt eine Weiterentwicklung der Velaro-Plattform von Siemens dar, zu der auch der ICE 3 sowie dessen russische, spanische und chinesische Varianten gehören.

Bis zu 8° kann sich der ICE T in die Kurve legen und so ist er auf kurvenreichen Strecken fast 20% schneller als herkömmliche Züge. Triebzüge dieser Baureihe sind seit 1999 im Betrieb. Das Konstruktionskonzept ist dem ICE 3 ähnlich, er ist aber mit Neigetechnik von Alstom-Fiat ausgerüstet, wie sie auch im italienischen eingesetzt wird. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit des ICE T beträgt 230 km/h. Für nicht elektrifizierte Strecken wurden einige Exemplare mit dieselelektrischem Antrieb gebaut (ICE TD). Alle ICE T-Züge sind genauso wie der ICE 2 und der ICE 3 kuppelbar. Der Einsatz von Zügen dieser Generation erfolgt auf kurvenreichen Strecken, vor allem zwischen Hamburg und München via Berlin.

Als Ersatz für zunächst IC- und EC-Züge und später für den ICE 1 und den ICE 2 wurde der ICx entwickelt. Die ersten Züge sollen ab 2017 zum Einsatz kommen.

53 vgl. Siemens 2012, S.14

27

Das Powercar-Konzept ist das wichtigste Merkmal des Zuges. Es bietet große Flexibilität durch modulare Zugbildung aus unabhängigen Powercars, die jeweils einen Transformator, einen Stromrichter, eine Kühlanlage und vier Fahrmotoren beinhalten. So kann ein ICx theoretisch 5 bis 14 Wagen besitzen, wobei nicht jeder ein Powercar ist (siehe Abbildung 3.1.4.1). Die maximale Geschwindigkeit für einen 12-Teiler beträgt 250 km/h.

Alle ICE-Zugeinheiten weisen eine jährliche Laufleistung von mehr als 500.000 km auf, somit sind die Züge nicht nur schnell und komfortabel, sondern auch sehr zuverlässig.

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3.2 Betriebliche und ökonomische Aspekte Gunnar Heide

3.2.1 Organisation Die Deutsche Bahn AG, wie sie heute existiert, hat sich auf einem langen Weg entwickelt. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gespalten, später wiedervereinigt und dabei in eine private Rechtsform überführt. Um das System zu verstehen, muss man diese Entwicklung nachvollziehen.

Den Beginn der Deutschen Bahn als nationale Organisation findet man kurz nach dem ersten Weltkrieg. 1920 wurden die verschiedenen bestehenden deutschen Staatsbahnen in den deutschen Reichsbahnen gebündelt. Vier Jahre danach wurde die Deutsche Reichsbahn gegründet und im selben Jahr wurde die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) zum offiziellen Bahnkonzern. Interessant war bereits hier der juristische Aufbau des Unternehmens. Die DRG stellte zwar eine Aktiengesellschaft dar, aber war kein Unternehmen im klassischen Sinne. Zwar wurde sie unternehmerisch geführt, aber alle Fahrzeuge und Betriebsmittel waren Eigentum des Staates. Dies wird heutzutage als „juristische Person öffentlichen Rechts“ bezeichnet. 1937 wurde die DRG hingegen wieder aufgelöst und fiel nunmehr als Deutsche Reichsbahn (DR) unter die direkte Kontrolle des Reichsverkehrsministeriums.54

Den nächsten Schritt löste die Teilung Deutschlands ab 1945 aus. Die Bahn wurde getrennt. Während in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Reichsbahn beibehalten wurde, wählte man im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (Zusammenschluss der US-amerikanischen und britischen Besatzungszone) den Namen Deutsche Bundesbahn (DB). Wenig später kamen auch noch die Südwestdeutschen Eisenbahnen der französischen Besatzungszone und die Bahnen des Saarlandes hinzu.55

In den 80er Jahren war die DB aber alles andere als profitabel. Die Regierung war zur Handlung gezwungen und eine unabhängige Regierungskommission Bundesbahn begann im September 1989, eine Lösung ausarbeiten. Wegen der zwischenzeitlich erfolgten politischen Wende in der DDR schlug die Kommission vor, die DR und DB in eine Aktiengesellschaft (Planungsname „Deutsche Eisenbahn- Aktiengesellschaft“ (DEAG)) zu fusionieren. Die DEAG sollte in die Sparten Fahrweg,

54 vgl. Hecht et al. 2008, S.35 55 vgl. Hecht et al. 2008, S.37ff

29

Güterverkehr und Personenverkehr gegliedert sein. Der wichtigste Reformpunkt war aber der Monopolbruch. Die Sparten Güterverkehr und Personenverkehr sollten mit Dritten konkurrieren, die dasselbe Streckennetz nutzen, indem sie Nutzungspreise an die Fahrwegsparte bezahlen. Als Aktiengesellschaft sollte die neue Gesellschaft wirtschaftlich handeln. Trotzdem sollten nicht nur wirtschaftlich ertragreiche Strecken betrieben werden, sondern der Staat wünschte eine breite Anbindung von Städten durch die Bahn. In diesem Falle sollte der Staat eine Nachteilausgleichung zahlen. Die europäische Richtlinie 91/440/EWG enthält größtenteils genau diese Richtlinien. 56

Am 1. Januar 1994 wird eben dies umgesetzt, wenn auch unter anderem Namen, und die Deutsche Bahn AG (DB) wird gegründet. Gleichzeitig übernahm das Eisenbahn-

Bundesamt als Bundesbehörde die hoheitlichen Aufgaben im Bahnwesen, also.die Prüfung der verschiedenen Bahnanbieter und die Erteilung benötigter Betriebszertifikate.57

In einer zweiten und letzten größeren Bahnreform wurden 1999 die jeweiligen Sparten nun in eigene Aktiengesellschaften umgewandelt:

 DB Reise & Touristik AG (heute: DB Fernverkehr)  DB Regio AG (zuständig für den Nahverkehr)  DB Cargo AG (heute: DB Schenker, weiter unterteilt in DB Schenker Rail und DB Schenker Logistics)  DB Netz AG (heute als DB Netze weiter unterteilt, zuständig für die Infrastruktur)  DB Dienstleistungen

Es existieren aber auch noch weitere Subunternehmen. Insgesamt ist die Struktur komplex und verflochten.58

Folgendes Schaubild verdeutlicht dies noch einmal:

56 vgl. Hecht et al. 2008, S.47f. 57 ebd. 58 vgl. Hecht et al. 2008, S.48f.

30

Aufbau der Deutschen Bahn AG59

Trotz der offiziellen Trennung arbeiten die verschiedenen DB-Gesellschaften sehr eng zusammen. Viele Ressourcen werden zusammen genutzt und es existiert ein konzernweiter Arbeitsmarkt.

Die Privatisierung bzw. Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG, die als nächster Schritt vorgesehen war, wurde jedoch im Zuge der Finanzkrise 2008 vorläufig ausgesetzt, seitdem gab es keine weiteren Anläufe. Allerdings fordert die EU immer wieder eine vollständige gesetzliche Trennung von Netzanbietern und Bahnbetreibern. Aufgrund von massiver Lobbyarbeit und dem großen Einfluss Deutschlands und Frankreichs in der EU ist es aber unwahrscheinlich, dass es wirkliche Änderungen am hiesigen System geben wird.

59 Quelle: DB 2013, S.82

31

3.2.2 Betrieb

ICE-Netz der Deutschen Bahn AG60

60 http://www.bahn.de/p/view/mdb/bahnintern/services/mobilitaet_service/ pdf_div.content/zug/streckenkarten_fernverkehr/mdb_136928_300_ice_netz_2014.pdf

32

Wie auch das Schienennetz scheint auch das ICE-Liniennetz auf den ersten Blick unübersichtlich. Zwar sind einige große Städte durch eine Achse aus mehreren Strecken verbunden, aber diese konzentrieren sich im ehemaligen Westen, wo wegen Linienüberlagung auf manchen Strecken sehr dichte Takte bestehen, z.B. entlang des Rheins und Richtung Bayern. Das Liniennetz ist offensichtlich nicht zentral auf die Hauptstadt ausgerichtet, wie das z.B. in Frankreich der Fall ist. Mit mehreren parallelen Strecken sind hier München, Stuttgart, Frankfurt, Köln und viele weitere Städte verbunden. Verbindungen in Richtung Nordosten, ausgenommen Berlin, fallen dagegen eher selten aus61. Insgesamt besteht das ICE- Netz aus 24 Linien.62

Auf den Hauptstrecken wird ein symmetrischer Taktfahrplan verwendet, es gibt aber zahlreiche Ausnahmen davon. An einigen Hauptbahnhöfen in Südwestdeutschland bestehen gute Anschlüsse zwischen verschiedenen Fern- und Regionalzuglinien, z.B. in Mannheim (vgl. Abb. 3.2.2.2) und Karlsruhe. Wie dem aktuellen Koalitionsvertrag zu entnehmen ist, soll unter der Bezeichnung „Deutschland-Takt“ ein Integraler Taktfahrplan (ITF) angestrebt werden. Die grundlegende Idee ist, die Fahrpläne unterschiedlicher Verkehrsmittel zu synchronisieren. Das setzt im Idealfall eine bestimmte Fahrzeit (sog. Kantenzeiten) zwischen bestimmten Knotenbahnhöfen voraus, was aber bei einigen Hochgeschwindigkeitsstrecken nur durch Drosselung der Geschwindigkeit möglich wäre. 63 64 Ankunft Abfahrt 12:28 ICE aus München Hbf 12:30 ICE nach München Hbf 12:27 ICE aus Berlin Ostbhf 12:32 ICE nach Berlin Ostbhf 12:22 RE aus Heilbronn Hbf 12:35 RE nach Heilbronn Hbf 12:23 ICE aus Interlaken Ost über SBB 12:36 ICE nach Basel SBB 12:23 ICE aus Amsterdam über Köln Hbf 12:36 ICE nach Dortmund Hbf über Köln Hbf 12:19 RE aus Frankfurt/Main Hbf 12:39 RE nach Frankfurt/Main Hbf

An- und Abfahrtszeiten in Mannheim Hbf (06.01.2014 um 12:30)65

Getrennt hiervon wird das ICE-Sprinter-Angebot betrieben. Dieses verbindet auf vier Linien direkt Deutschlands Metropolen, ohne dabei weitere Zwischenhalte durchzuführen. Die drei Linien sind wie folgt:

 ICE 1: Hamburg – Essen – Düsseldorf – Köln

61 vgl. Hecht et al., S.47ff 62 ebd. 63 vgl. Thoma 2013, S.7f 64 vgl. Thoma 2013, S.26f 65 Quelle: Thoma 2013, S.26, aktualisiert nach http://reiseauskunft.bahn.de

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 ICE 3: Berlin – Hannover – Frankfurt (Main)  ICE 4: Hamburg – Hannover –Frankfurt (Main)

Durch das Einsparen der weiteren Halte können diese Verbindungen jeweils in ca. 3,5 Stunden durchgeführt werden. So kann gegenüber anderen Zugverbindungen im Durchschnitt eine halbe Stunde eingespart werden. Die ICE-Sprinter fahren ungefähr um 06:00 und 18:00 ab, kosten einen Aufpreis und es herrscht Reservierungspflicht. Das Angebot ist also größtenteils auf Geschäftsreisende ausgelegt. Es bestehen Ähnlichkeiten zu den vielen Express-TGV-Zügen in Frankreich, allerdings ist der ICE Sprinter in Deutschland eher eine Randerscheinung.

Ein weiterer wichtiger Teil des Angebots ist natürlich der Fahrpreis. Das Tarifsystem der Deutschen Bahn ist nicht proportional zur Fahrtstrecke. Vielmehr hängt der Fahrpreis von Nachfrage und Verbindung ab. Der Preis pro Kilometer nimmt bei kürzeren Strecken zu. Da diese Arbeit sich mit dem Thema Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr beschäftigt, wird weiterführend nur der Fernverkehr betrachtet. Es existieren zwei grundlegende Preisangebote:

Der Normalpreis kann zu jeder Zeit gebucht werden und beträgt maximal 142€ für die 2. Klasse und 230€ für die 1. Klasse. So kostet die Verbindung Flensburg – Mittenwald mit ca. 1000km Strecke diesen Maximalpreis von 142€. Es werden also etwa 0,14 €/km bezahlt. Unter dem Maximalpreis fällt der Preis nicht linear ab. Neben dem bereits erwähnten steigenden Preis pro Kilometer wird auch die Nachfrage mit eingerechnet. Die beiden Verbindungen Berlin - Hamburg und Berlin - Hannover sind ca. 290km lang. Trotzdem kostet die erste 78€ und die zweite nur 68€. Der Preis pro Kilometer beträgt hier etwa 0,27 €/km bzw. 0,24 €/km. Im Vergleich ist das erheblich mehr als bei der Strecke Flensburg – Mittenwald. 66

Der Sparpreis wird nach erwarteter Auslastung vergeben und ist nur in begrenzter Anzahl verfügbar. Je mehr Sparpreise für einen Zug bereits verkauft wurden, desto teurer wird der Preis. Dieser ist von 29€ bis 119€ gestaffelt. Praktisch ist der Sparpreis nur bei sehr früher Buchung verfügbar. Die obige Verbindung Berlin- Hamburg kostet so 2 Monate im Voraus gebucht nur 29€ und somit weniger als die Hälfte des Normalpreises.

Zusätzlich existieren noch weitere Rabatte und Aufpreise. So werden bei Kauf des Tickets an Bord 7,50€ erhoben und es existieren die Sparangebot für Bahncard-

66 Alle Preise wurden am 23.01.2013 vom Webangebot der DB entnommen.

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Kunden. Die Bahncards existieren den Rabattstufen 25%, 50% und 100% (Netzkarte).

Außer beim ICE Sprinter besteht keine Reservierungspflicht. Das hat zur Folge, dass manche ICE-Fahrten eine sehr hohe Auslastung besitzen, insbesondere gibt es keine Sitzplatzgarantie. Das wird jedoch dadurch aufgewogen, dass es wegen des im Prinzip über den ganzen Tag angewendeten Taktfahrplans auch Züge mit einer sehr geringen Auslastung gibt.

Das tatsächliche Angebot der Bahn ist aber leider häufig von Verspätungen gekennzeichnet. So können Verbindungen schnell mehrere Stunden länger benötigen.

Pünktlichkeitsstatistik der Deutschen Bahn AG67

Wie der Statistik zu entnehmen ist, erreicht jeder vierte Fernzug sein Ziel verspätet. Es bleibt also zu hoffen, dass die im Moment entstehende Konkurrenz die DB zu einer Serviceverbesserung bringt.

3.2.3 Konkurrenz

Heutzutage hat die Deutsche Bahn AG viele Konkurrenten. Zuallererst sind hier andere Schienenverkehrsbetreiber außer der DB zu erwähnen. Diese sind aber nicht sehr etabliert und erreichen unter 2% der Personenkilometer im Fernverkehr. Neue

67Quelle: http://www.bahn.de/p/view/buchung/auskunft/puenktlichkeit_personenverkehr.shtml

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Anbieter stehen hierbei vor vielen Problemen, die aus der starken Stellung und mangelnder Kooperationsbereitschaft der DB resultieren.

Aufgrund dieser feindlichen Marktlage existieren wenige erwähnenswerte Konkurrenten. Einmal wäre da der InterConnex mit der Verbindung Leipzig - Berlin - Warnemünde. Eigentlich war dieser als größeres privates Verkehrsnetz geplant, aber weitere Strecken wurden aus mangelnder Rentabilität geschlossen. Desweiteren existiert noch der Hamburg-Köln-Express, der nach seinem holprigen Start 2007 schließlich 2012 den Betrieb aufgenommen hat. Grundsätzlich sind die spezifischen Angebote meist billiger, um in Konkurrenz mit der Bahn zu stehen.68

Ein brandneuer Konkurrent für die Bahn insgesamt ist mit dem Fernbusverkehr entstanden. Im Januar 2013 wurde das Personenbeförderungsgesetz geändert. Vorher waren nur Fernbusverbindungen aus oder nach Berlin und einige touristische Verbindungen erlaubt. Durch die Lockerung des Gesetzes kann nun ein Konkurrenzangebot parallel zur Bahn entstehen, wobei immer noch keine Strecken unter 50km oder einer Stunde Fahrzeit bedient werden dürfen, falls eine bestehende Regionalzugverbindung vorliegt. Inzwischen sind unzählige Fernbusanbieter aus dem Boden gewachsen. Zwar werden größtenteils Ballungsgebiete verbunden, aber es existieren auch Verbindungen in Gebiete mit schlechter Bahnanbindung. Der größte Anbieter ist hier aber immer noch die DB mit dem IC-Bus und dem von ihr kontrollierten BerlinLinienBus-Verbund, es handelt sich also zum großen Teil um konzerninterne Konkurrenz. Sonst sind die Anbieter mittelständische Unternehmen in Kooperation mit einem großen Anbieter wie MeinFernbus oder Flixbus. Die Busverbindungen benötigen meist bis zu doppelt so lang wie die vergleichbaren Bahnverbindungen, kosten aber oft nur 20% des DB- Normalpreises. Die Verbindung Berlin – Stuttgart zum Beispiel hat eine Fahrzeit von 8 Stunden per Bus und nur 5,5 Stunden per Bahn. Der Preis hingegen beträgt beim Bus nur 25€ - 35€, während bei der Bahn der Maximalpreis von 139€ anfällt. Schlussendlich bieten Fernbusse aber weniger eine Alternative zur Bahn, sondern sprechen meist eine andere Klientel an. Die Fernbusse bedienen preisbewusste Fahrgäste, die eine längere Fahrtzeit in Kauf nehmen, während die Bahn mit schnellerer Fahrzeit, höheren Kosten und bestreitbar höherem Komfort eine andere Personengruppe versorgt.69

Eine weitere Alternative wird durch die immer günstiger werdenden Kurzstreckenflüge gegeben. Die Verbindungen sind teilweise billiger als

68 vgl. Recker 2013, S.66ff 69 vgl. Recker 2013, S. 75f

36 vergleichbare Bahnverbindungen. Insgesamt ist das Angebot aber nicht so groß und auch sind diese auf größere Flughäfen beschränkt. Mit Gepäckaufgabe, Check-In und Boarding schwindet aber schnell der Zeitvorteil gegenüber der Bahn. Beim Passagierkomfort und der Umweltverträglichkeit verliert der Flieger schlichtweg.

Als letztes existiert noch die gute alte Mitfahrgelegenheit. Diese hat in den letzten Jahren mithilfe des Internets und Sozialen Netzwerken eine neue Blütezeit erlebt. Zwar eindeutig die billigste, aber auch die sporadischste der Möglichkeiten bleibt sie etwas für abenteuerlustige Menschen.

Im Fazit hat die Bahn zwar durchaus Konkurrenz und besitzt kein unanfechtbares Transportmonopol mehr, steht aber immer noch sehr gut da. Dies ist aus Verbraucherperspektive eine durchaus positive Entwicklung, da die Konkurrenz das Angebot für den Endkunden verbessert.

3.2.4 Ökonomische und ökologische Bilanz

Rein ökonomisch gesehen agiert die gesamte Deutsche Bahn AG durchaus erfolgreich. Im Jahr 2012 wurde ein Gewinn von 1,48 Milliarden Euro verzeichnet. Die Ratings sind unter den bestmöglichen: So vergab sowohl Standard & Poor's als auch Fitch 2012 das Rating AA. Die Umsätze der DB Fernverkehr machen aber nur rund 10% des Gesamtumsatzes der DB aus. Der reine Anteil des Umsatzes der Hochgeschwindigkeitsstrecken ist noch einmal kleiner.

Der ICE stellt aber die bekannteste Marke der Deutsche Bahn AG dar. Er wird von den meisten Deutschen als erstes mit der DB in Verbindung gebracht und besitzt einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Gewissermaßen ist der ICE die Gallionsfigur der DB und leistet hierbei gute Arbeit.

Volkswirtschaftlich gesehen ist die DB auch positiv zu betrachten. Durch die gute Anbindung von fast ganz Deutschland entsteht schlussendlich für die Einwohner Deutschlands ein großer Gewinn, da einfache und schnelle Verbindungen in ganz Deutschland verfügbar sind.

Erneut liegt ein weiterer großer Vorteil des ICE aber ein wenig verborgen. Durch die Konkurrenz zum TGV existieren nun zwei ernst zu nehmende Angebote für Hochgeschwindigkeitszüge auf dem Weltmarkt, wie zum Beispiel der Export des , einer Weiterentwicklung des ICE, nach Spanien zeigt. Insgesamt

37 führt diese Konkurrenz zu einer Verbesserung der Technologie und zu einem Profit für die Allgemeinheit.

Auch unter ökologischer Betrachtung schneidet die Bahn relativ gut ab. Die heutzutage im Fernverkehr fast ausschließlich elektrisch betriebenen Züge sind an sich sehr umweltfreundlich. Natürlich zählt in diesem Fall die Art der Stromerzeugung. Im Moment stammen ca. 13% des Bahnstromes aus erneuerbaren

Energien. Seit 1990 hat die DB ihre CO2-Emissionen um 25% gesenkt. Bis 2020 sind weitere 20% geplant. Die Lärmbelästigung durch Personenzüge hält sich im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern wie zum Beispiel dem Luftverkehr in Grenzen. Mithilfe von Lärmschutzwänden und weiteren Techniken wird aber auch dieser Faktor immer weiter reduziert.70

70 vgl. Hecht et al., S. 551ff

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4 Fazit

Die Vergleichbarkeit der französischen und deutschen Hochgeschwindigkeitssysteme ist alleine schon wegen der Unterschiede in der Raumstruktur, und zwar dem Zentralismus in Frankreich und dem Föderalismus in Deutschland, schwierig. In Frankreich fährt der TGV in der Nähe von Paris fast nur auf Neubaustrecken. In Deutschland verteilen sich die Hochgeschwindigkeitsstrecken auf das ganze Land und es gibt zwischen ihnen viele Abschnitte mit Mischbetrieb. Um auch auf bestehenden Strecken hohe Geschwindigkeiten zu ermöglichen, ist in Deutschland das Konzept der Ausbaustrecke weiter verbreitet, wodurch gegenüber Neubaustrecken Baukosten gespart werden können, die in Frankreich immer größere finanzielle Probleme für den Staat und die Bahngesellschaften darstellen. Zeilinger ordnet Deutschland in Hinblick auf den Anteil von Neubaustrecken zwischen Frankreich und Schweden, wo der mit Neigetechnik ausgerüstete Hochgeschwindigkeitszug X2000 weitgehend auf Ausbaustrecken verkehrt. 71

Die Kompatibilität der Hochgeschwindigkeitszüge mit dem Restnetz wird aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich sehr oft genutzt, dort jedoch vor allem in der Peripherie. Im Gegensatz zu Rad-Schiene-Systemen könnte für eine Magnetschwebebahn die bestehende Infrastruktur nicht genutzt werden, ein Anschlussbetrieb auf konventionellen Strecken ist nicht möglich. Neben den hohen Kosten dürfte das der Hauptgrund gewesen sein, wieso sich diese Technik in Deutschland und auch in Frankreich nicht durchgesetzt hat und der einzige Zug mit deutscher -Technik auf einer kurzen Strecke zwischen Innenstadt und Flughafen in Shanghai verkehrt. Es passt ins Bild, dass gerade Japan, wo der Hochgeschwindigkeitsverkehr ohnehin weitgehend auf eigenen Trassen verkehrt, bald mit dem Chūō-Shinkansen die erste Fernverkehrs-Maglevstrecke der Welt zwischen Tokio und Osaka bauen wird.

Deutschland und Frankreich wählten zwar beide Rad-Schiene-Systeme, sind aber beim Fahrzeugpark und bei der Zugsicherungstechnik dennoch eigene Wege gegangen, wobei meist einheimische Unternehmen den Zuschlag bekamen. Zeilinger erklärte diese Entscheidungen durch die „nationale Konkurrenz“ bzw. „Eisenbahnnationalismus“, aber auch durch rationalere Gründe: Dem ehemaligen Bahnchef Gohlke (1981-91) war es wichtig, „mindestens zwei Anbieter zu haben,

71 vgl. Zeilinger 2003, S.204

39 von denen wir die Produkte kaufen konnten“. Schon um die Jahrtausendwende lieferten sich Alstom und Siemens einen harten Exportwettbewerb. 72

Aus heutiger Sicht werden die Vorteile davon erst recht deutlich: Die vom deutschen ICE 3 abgeleitete Velaro-Serie des Siemens-Konzerns hat sich mittlerweile auch im Ausland etabliert und fährt heute in Europa beim spanischen AVE und in Zukunft auch beim Eurostar, wo bei vorherigen Bestellungen noch vom TGV abgeleitete französische Alstom-Züge den Zuschlag erhalten hatten, sowie in Russland und China. Dies hat die deutsche Industrie gestärkt und gleichzeitig für mehr Konkurrenz auf dem Markt für Hochgeschwindigkeitszüge gesorgt, wodurch eine Monopolstellung des französischen Konzerns Alstom verhindert wurde.

Die Organisation des Schienenverkehrs ist bis auf die formelle Trennung von Netz und Betrieb in Frankreich in beiden Ländern sehr ähnlich: Deutschland wie auch Frankreich besitzen eine Staatsbahn, die im Hochgeschwindigkeitsverkehr heute noch das De-Facto-Monopol besitzt. Das Tarifsystem aus Normal- und Sparpreis und ein mehr oder weniger umgesetzter Taktfahrplan in beiden Ländern entsprechen dem europäischen Standard im Fernverkehr. In Frankreich wird allerdings durch eine Reservierungspflicht und durch stärker nachfrageorientierte Tarifangebote eine gleichmäßigere Auslastung erzielt, als das in Deutschland der Fall ist.

Die Verknüpfung des Fernverkehrs mit dem Regionalverkehr und die Einbindung in die Städte spielt in Frankreich eine geringere Rolle als in Deutschland, das trotz vieler diesbezüglicher Kritik an verschiedenen Bahnprojekten bei der Integration des ICE-Netzes in die Städte und in das restliche Bahnnetz sehr gut dasteht, die zentral gelegenen Hauptbahnhöfe der meisten deutschen Städte stellen schließlich den eindeutigen Hauptknoten für Fern-, Regional- und Stadtverkehr dar. Das ist sicherlich auch mit dem deutschen Föderalismus zu erklären, der die Bundesländer und Städte stärker an der Planung beteiligt und dem Regionalverkehr, verglichen mit Frankreich, einen größeren Stellenwert einräumt. Sollte der Deutschland-Takt wirklich umgesetzt werden, würden sich die Umsteigeverbindungen zwischen Regional- und Fernverkehr weiter verbessern. Mit Blick auf die Integration der Bahn in den restlichen öffentlichen Verkehr kann man Deutschland aber schon jetzt zwischen den kurze Fahrzeiten auf Direktverbindungen bzw. Hochgeschwindigkeit setzenden flächengroßen Ländern wie Frankreich und Spanien7374 und den auf multimodale Integration Wert legenden kleinen Ländern wie den Niederlanden oder der Schweiz einordnen

72 Zeilinger 2003, S.211f 73 vgl. Zeilinger 2003, S.203 74 vgl. Siegmann 2012

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HGV-Anteil an der Schienenpersonenverkehrsleistung75

Was die Konkurrenz angeht, sind bis auf das in Deutschland fehlende Tempolimit auf Autobahnen die Rahmenbedingungen in Deutschland und Frankreich recht ähnlich. So konkurriert in beiden Ländern der Luftverkehr nur auf längeren Distanzen und es wurde hier und dort der Fernbusverkehr liberalisiert. Allerdings konnte dieser nur in Deutschland einen deutlichen Marktanteil gewinnen. Diese Tendenz könnte sich aber auf längere Sicht verstärken, denn die französische Bahn scheint mit speziellen Billigangeboten insgesamt besser vorbereitet auf einen Wettbewerb im Niedrigpreissegment, während die Deutsche Bahn (auch wenn das hierzulande oft anders gesehen wird) eher auf die Kernkompetenzen der Bahn wie das im Vergleich zu Frankreich gut integrierte Netz oder die Umweltfreundlichkeit anstelle von Preissenkungen setzt.

Ein abschließender Vergleich der Hochgeschwindigkeitssysteme Deutschlands und Frankreichs hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Bilanz ist wegen der vielen Aspekte sehr komplex. Wie schon erwähnt, kann Deutschland bei der Schieneniufrastruktur besonders auf der Kostenseite punkten, da man sich nicht immer, aber oft auch für abgestufte Kompromisslösungen wie Ausbaustrecken anstatt für teure Optimallösungen entschieden hat. Dafür steht der TGV gerade auf Langstrecken im Unterschied zum ICE unangefochten da, denn in Frankreich werden dank eines konsequenteren Baus von Schnellfahrstrecken auf vielen längeren Direktverbindungen konkurrenzfähige Fahrzeiten erreicht. Auf diesen Strecken kann der Nutzen des TGV für die nationale Bahngesellschaft durchaus höher sein als der des ICE.

75 Quelle: Siegmann 2012

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Danksagungen: Vielen Dank an Robert Schwandl für die Korrektur von Rechtschreibung und Grammatik und eine kurze Überprüfung der inhaltlichen Plausibilität.

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