Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein
Jahresbericht 2006/07
Landesamt für Natur und Umwelt Herausgeber: Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein Hamburger Chaussee 25 24220 Flintbek Tel.: 0 43 47 / 704-0 www.lanu-sh.de
Ansprechpartner: Martin Schmidt, Tel.: 0 43 47 / 704-243
Titelfoto (Dr. Henning Thiessen): Naturbeobachtung im NSG Sehlendorfer Binnensee: Naturerlebnis und -schutz gehen Hand in Hand – im Vordergrund der Echte Eibisch, eine in Schleswig-Holstein stark gefährdete Art, die im Artenschutzprojekt mit dem Landfrauenverband gefördert werden soll
Fotos im Innenteil: Wenn nicht anders angegeben, Autorenschaft LANU
Herstellung: Pirwitz Druck & Design, Kronshagen
November 2007
ISBN: 978-3-937937-19-9
Schriftenreihe LANU SH - Jahresberichte; 11
Die Jahresberichte des LANU ab 1996 finden Sie auch im Internet unter www.lanu-sh.de
Diese Broschüre wurde auf Recyclingpapier hergestellt.
Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der schleswig- holsteinischen Landesregierung heraus- gegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Personen, die Wahlwerbung oder Wahlhilfe betreiben, im Wahl- kampf zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Auch ohne zeit- lichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Partei- nahme der Landesregierung zu Gunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.
Die Landesregierung im Internet: www.landesregierung.schleswig-holstein.de Inhalt
Vorwort ...... 6 Wolfgang Vogel
10 Jahre LANU – ein Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 2. Juli 2006...... 7 Britta Maaß
Abfallwirtschaft
Siedlungsabfallentsorgung 2006 – Verwertung, Behandlung, Zwischenlagerung...... 13 Uwe Meyer
Vereinheitlichung der Jahresübersichten von Abfallentsorgungsanlagen...... 19 Dr. Heiko Gömpel
Naturschutz und Landschaftspflege
Klimawandel und Naturschutz - zwischen Aktionismus und Anpassung ...... 25 Thomas Wälter
Praktischer Pflanzenartenschutz - mit Kopf, Hand und Herz!...... 35 Dr. Silke Lütt
Ist der Schweinswal in der Ostsee noch zu retten? – Ein Artenhilfsprogramm wird entwickelt ...... 41 Silvia Salomon
2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete ...... 47 Wolfgang Kruse-Michelsen und Andrea Kühl
NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – 10 Jahre Schutzgebiet – eine positive Entwicklung ...... 61 Martina Kairies
Möglichkeiten der Darstellung des Landschaftswandels über Fernerkundung...... 69 Dr. Eberhard Tschach
30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde...... 75 Dr. Thomas Holzhüter
Neue Planungsgrundlagen für den Schutz von Vögeln und Fledermäusen im Hinblick auf die Windenergienutzung ...... 85 Ismene Mertens
Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für Europäische Schutzgebiete – im Mittelpunkt steht das Gebiet!...... 87 Sabine Thiessen
3 Gewässer
„WaFIS-Abwasser“ – Datenmanagement in der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Schleswig-Holstein ...... 89 Peter Janson und Manfred Spiegel
Einführung eines Qualitätsmanagementsystems für Probenahmen und Bestimmungsverfahren (Analytik) im LANU ...... 99 Hella Michelsen
Biologische Bewertungsverfahren im Test: Erste Ergebnisse aus dem Fließgewässer-Praxistest zur Umsetzung der WRRL in Schleswig-Holstein ...... 105 Johanna Lietz
Gewässerstruktur: Kartierung und Bewertung der Fließgewässer in Schleswig-Holstein...... 115 Uwe Ahrens
Schleswig-Holstein auf dem Weg zu einer schonenden Gewässerunterhaltung...... 127 Annegret Holm, Dr. Michael Trepel und Dr. Karin Wolter
Monitoring der Fischfauna in Seen: Methodenevaluation, Zusammenarbeit mit gewerblichen Binnenfischern und erste Ergebnisse zur Fischfauna ...... 133 Dr. Matthias Brunke und Elisabeth Wesseler
Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie: Einrichtung des Messnetzes für die Überwachung des chemischen Zustands der Grundwasserkörper in Schleswig-Holstein ...... 145 Herbert Angermann
MAEWEST - Die marine Umwelt der westlichen Ostsee ...... 151 Andreas Omlin, Dr. Joachim Voß, Dr. Hans-Christian Reimers und Dr. Thomas Hirschhäuser
Geologie und Boden
Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes - Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal...... 159 Wolfgang Scheer, Jens Kröger und Dr. Reinhard Kirsch
Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von Schleswig-Holstein...... 171 Claudia Thomsen und Dr. Thomas Liebsch-Dörschner
Geotope in Schleswig-Holstein – einmalige Zeugen der Landschafts- und Klimaentwicklung ...... 183 Dr. Alf Grube
4 Internes
Gleichstellung von Frau und Mann 2006 ...... 191 Brigitte Baumgarth
Haushalt 2006 ...... 193 Ernst-Peter Prestin
Personal 2006 ...... 195 Christian Lange-Warnholz
Veröffentlichungen 2006...... 197
Anhang
Sonstige Veröffentlichungen 2006...... 203
Veranstaltungen 2006 ...... 205
Gremien ...... 209
Organigramm deutsch/englisch ...... 219
Anreise ...... 221
5 Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser, Immer wieder zeigt sich in der täglichen Ar- der Jahresbericht 2006/07 soll Ihnen in der beit: der Schutz unserer Natur ist nur zusam- Bandbreite der ausgewählten Themen aufzei- men mit vielen anderen im Lande, häufig eh- gen, wie wir in unserer Arbeit die Grundlagen renamtlich Tätigen, und notwendig auch in Ab- für den Erhalt unserer schönen Natur in sprache mit Interessenverbänden, nachhaltig Schleswig-Holstein als einzigartigem Bundes- umzusetzen. Deshalb unterstützen wir Projek- land zwischen den Meeren weiterentwickeln. te vor Ort, die von Kooperationspartnerinnen Natur und Landschaft sind für uns alle im Lan- und –partnern durchgeführt werden. Der Bei- de die wesentliche Grundlage - nicht nur für trag zum praktischen Pflanzenartenschutz – die Lebensqualität, sondern auch für eine sta- mit Kopf, Hand und Herz - verdeutlicht, was bile wirtschaftliche Entwicklung. auf die Art - für die Arten - gemeinsam er- reicht werden kann. Das bedeutet für uns, die Natur in ihrer Viel- falt, Eigenart und Schönheit und damit auch in Es wäre schön, wenn der Jahresbericht ihrer Funktionsfähigkeit zu erhalten. Planeri- 2006/07 Ihnen einige Anregungen bietet. sche und projektbezogene Arbeiten haben da- Denn unsere Arbeit kann nur dann erfolgreich bei ebenso eine Bedeutung wie die Evaluie- sein, wenn sie bei Ihnen, liebe Leserinnen und rung von Prozessen. Veränderungsprozesse Leser, eine nachhaltige Akzeptanz findet. Wir im Naturhaushalt sind über die Regionen hi- würden uns freuen, wenn wir dieses Ziel mit naus zu betrachten. Von daher bekommen der Berichterstattung erreichen. über das Land hinausreichende Netzwerke an Bedeutung, in die wir unsere hier im Amt ge- bündelte Fachkompetenz einbringen und von denen auch wir wiederum profitieren.
Beiträge zum Landschafts- und Klimawandel zeigen sowohl Problemstellungen als auch Lö- Wolfgang Vogel sungsansätze auf. Einen ebenso aktuellen Bei- Direktor des Landesamtes für Natur und trag liefert der Artikel zu den Möglichkeiten Umwelt des Landes Schleswig-Holstein der energetischen Nutzung des tieferen Unter- grundes, eine Frage, die uns zunehmend be- schäftigt. Zentraler Punkt unserer Arbeit bleibt die Umsetzung der europäischen Richtlinien im Gewässerbereich, bei Natura2000 und der Bodenschutzrichtlinie – hier ist in den Beiträ- gen der Fortschritt nachzuvollziehen.
6 10 Jahre LANU – ein Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 2. Juli 2006
➢ Britta Maaß
Zum 01.01.1996 wurden das Geologische Lan- desamt, das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten, das Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege, die Staatliche Vogel- schutzwarte sowie die Untersuchungsstelle für Umwelttoxikologie zusammengeführt. Das war die Geburtsstunde des Landesamtes für Natur und Umwelt Schleswig-Holstein, kurz LANU, in Flintbek.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 7 Aus Anlass des 10jährigen Bestehens sollte des LANU mit ein. Innerhalb der Projektgrup- den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit ge- pe gab es jedoch Zweifel, ob von den rund geben werden, sich über die Arbeit des Am- 200 angeschriebenen Vereinen, Verbänden, tes zu informieren. Für die Vorbereitung des Behörden und Firmen viele zur Teilnahme be- Tages war die Projektgruppe „10 Jahre reit wären. Die Rückmeldungen übertrafen LANU“ zuständig, in der die Abteilungen so- dann allerdings unsere Erwartungen bei wei- wie die Gremien mit jeweils einer / einem Be- tem. Am Schluss waren es 45 Organisationen schäftigten vertreten waren. Um das Pro- aus den unterschiedlichsten Sparten, die sich gramm noch abwechslungsreicher zu gestal- beteiligten! ten, bezogen wir auch die Kooperationspartner
Für die Terminsetzung war schon fast orakel- hafte Weitsicht gefragt. Schließlich gab es im Sommer 2006 eine nicht zu unterschätzende Konkurrenzveranstaltung – die Fußball-WM. Um auf Nummer sicher zu gehen, wählten wir daher den 02.07., da an diesem Tag keine Spiele stattfinden sollten. Und der Beginn wurde natürlich nach dem Motto „Was feiern wir hier?“ auf 10.10 Uhr terminiert. Besonders freute uns, dass die Sonne unserer Einladung gefolgt ist, besser konnte es nicht sein!
Im März 2006 gab es ein erstes Treffen mit al- len beteiligten Organisationen, um sich ken- nenzulernen und die Planung sowie die Vertei- lung der Stände auf dem Gelände vorzustel- len. Danach wurde munter organisiert: Farbe, Pfähle, Tischdecken, Musiker, Gewinne, Zelte und die Verpflegung genauso wie auch die
8 10 Jahre LANU – ein Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 2. Juli 2006 Werbemaßnahmen. Überraschend war für uns Tür machen würde und es kam nur ein trocke- immer wieder, wie völlig unkompliziert man- nes „Jo“ und damit war so gut wie alles gere- che Dinge in der Verwaltung laufen können. gelt. Denn schließlich musste das Fahrzeug, So reichte eine Bemerkung, dass sich ein Am- das beim Amt für ländliche Räume in Husum phibienfahrzeug des Staatlichen Umweltamtes steht, mit einem Tieflader nach Flintbek gefah- Schleswig auch sehr gut beim Tag der offenen ren werden.
Auf ähnliche Weise sind wir dann noch an ei- nen Hubsteiger und eine Signaltafel der Stra- ßenmeisterei gekommen. Ebenso war das Thema „Zelte“ ein viel diskutiertes, da wir mehr brauchten, als wir zur Verfügung hatten. Doch auch hier gab es schnelle Abhilfe, da Kolleginnen und Kollegen ihre Partyzelte und der NABU fünf seiner Zelte zur Verfügung stellten. Egal wie ungewöhnlich die Anfrage auch war, es kam entweder sofort oder nach kurzer Rücksprache die Zusage.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 9 Zentraler Punkt am Tag der offenen Tür war Programm mit der Eröffnung durch Minister ein wunderbares Zirkuszelt unseres Kollegen Dr. Christian von Boetticher und einer Rede Werner Orlowski, das hinter dem LANU-Ge- von Ex-Minister Professor Dr. Berndt Heyde- bäude seinen Platz fand. Hier begann das mann.
Ebenfalls im Zirkuszelt traten die LANU-Band „Rockfis“ und die Blue Water Jazz Band auf. Die Projektgruppe musste nur noch eine Mög- lichkeit finden, die ersten Gäste zeitnah in das Zelt zu lotsen. Hier gab es auch eine musikali- sche Lösung. Die Dudelsackspieler „ Crown Hunter Pipe´s & Drum´s“ aus Schwartbuck bliesen den Gästen den Marsch. Mit dem Pro- gramm wurde den Gästen auch ein Fragebo- gen ausgehändigt, für dessen Beantwortung ein Besuch vieler Stände notwendig war. Der glückliche Hauptgewinner konnte dann am Abend mit einem Fahrrad vom Gelände ra- deln!
10 10 Jahre LANU – ein Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 2. Juli 2006 Die Vorbereitung zum Tag der offenen Tür hat auch gezeigt, wie kreativ der öffentliche Dienst doch sein kann. Kolleginnen und Kolle- gen gestalteten Poster und Flyer, sägten und malten Holzpilze oder entwarfen Ausmalbö- gen für die Kinder. Auch im Entwickeln von Al- ternativen waren wir gefragt, wenn Themen oder Standorte für die Stände immer mal wie- der neu gefunden werden mussten.
Letztlich hatten nicht nur Klinsis Mannen Glück in den Tagen, sondern auch wir mit bes- tem Sommerwetter. Es kamen rd. 1.300 Be- sucherinnen und Besucher, um uns und unse- re Kooperationspartner kennenzulernen. Sie konnten sich u. a. über Geothermie, das Pilz- mycel, Kompostierung und den Gewässer- schutz informieren.
Kinder bastelten Solarmobile und Nistkästen, schossen auf eine Torwand, konnten Fossilien aus Sand aussieben oder waren beim Mit- machzirkus dabei – es gab viel zu erleben. Für das leibliche Wohl sorgte die Mannschaft der LANU-Kantine, die sicherstellte, dass alle aus- reichend zu essen und zu trinken bekamen. Ei- nen regen Zulauf fand an diesem heißen Tag natürlich auch der Eiswagen.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 11 Und es gab weitere Highlights: die Gäste konnten gegen ein geringes Entgelt einen Rundflug unternehmen mit dem Hubschrau- ber, der für uns die Kontrollflüge über der Nordsee im Rahmen des Algenfrüherken- nungsprogramms macht oder kostenlos im Korb des Hubsteigers des Landesbetriebes für Straßenverkehr einen luftigen Blick aus 28 m Höhe auf die Gegend werfen.
Zu jedem Projektbericht gehört auch ein we- nig Statistik. Hier also einige Fakten:
Es wurden rd. 6.000 Flyer gedruckt, gefaltet und in und um Kiel verteilt. Am 2.7. gingen 600 Essen über den Tresen. Die Getränke wa- ren so gut wie ausverkauft, genauso der Eis- vorrat. Unzählige Liter Kaffee und Tee wurden in der Vorbereitungsphase von den Projekt- gruppenmitgliedern getrunken. Eine Sandkiste
sowie 250 kg Kies wurden gekauft. Davon gin- gen 150 kg in die Sandkiste und 100 kg in di- verse Kaninchenlöcher auf dem Rasen.
Es herrschte am 2.7. eine durchgängig gute Stimmung auf dem Gelände, es machte ein- fach Spaß – und „nebenbei“ wurden doch eine Menge Inhalte transportiert! Als Rück- meldung von Gästen, Kooperationspartnern sowie Kolleginnen und Kollegen bleibt festzu- halten – es war rundherum gelungen!
➢ Britta Maaß Dezernat 10 – Daten zur Umwelt, Informati- onstechnik und Öffentlichkeitsarbeit Tel.: 0 43 47 / 704-241 [email protected]
12 10 Jahre LANU – ein Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 2. Juli 2006 Siedlungsabfallentsorgung 2006 – Verwertung, Behandlung, Zwischenlagerung
➢ Uwe Meyer
Seit dem 1. Juni 2005 dürfen Siedlungsabfälle nicht mehr ohne vorherige Behandlung auf Deponien abgelagert werden. Diese Vorschrift aus der Abfallablagerungsverordnung des Bun- des führt zu erheblichen Veränderungen von Abfallströmen. Verschiedene nationale Studien der letzten zwei Jahre heben die positiven Auswirkungen moderner Abfallwirtschaft auf die Schonung natürlicher Ressourcen, den Kli- maschutz und auch den Arbeitsmarkt (Be- schäftigungseffekte) hervor. Aber noch ist nicht alles „in trockenen Tüchern“. Sowohl für die operativen Akteure der Abfallwirtschaft, als auch für die mit der Genehmigung und Überwachung von Siedlungsabfallanlagen be- fassten LANU-Kolleginnen und -Kollegen füh- ren die neuen Anforderungen zu spürbar er- höhten Belastungen.
Schließung von Deponien Die Umsetzung der Abfallablagerungsverord- nung führt bundesweit zur Schließung und Ab- dichtung einer Reihe von Hausmülldeponien. Durch die Abfallbehandlung wird das Aufkom- men an Abfällen zur Deponierung (Behand- lungsrückstände) nämlich um mindestens Zweidrittel reduziert. In Schleswig-Holstein sind fünf von zehn ehemaligen Hausmülldepo- nien nicht mehr zur Abfallannahme zugelassen und werden jetzt abschnittsweise abgedich- tet. Durch diese Maßnahmen wird einerseits der Eintrag von Niederschlagswasser von der Oberfläche in den Deponiekörper verhindert, andererseits kann kaum noch methanhaltiges Deponiegas emittieren. Wegen der 21-fachen Klimawirksamkeit von Methan gegenüber Kohlendioxid ist dies ein ganz erheblicher Baustein zum Klimaschutz.
Die heute zur Ablagerung zugelassenen Abfäl- le neigen kaum noch zur Deponiegasbildung. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesam- tes kommt zu dem Ergebnis, dass ein Fünftel der gesamten bisherigen Minderung von Treib- hausgasemissionen in Deutschland allein auf das Deponierungsverbot zurückgeht. Weitere Potenziale werden durch die Ausweitung und Optimierung der stofflichen und energeti- schen Abfallverwertung bis 2020 erwartet1.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 13 Allerdings gibt es auch Abfälle, die weder ver- fälle bei den gewerblichen Anfallstellen ge- wertbar noch behandelbar sind und die den trennt nach Abfallarten erfasst werden. Dies zulässigen Organikgehalt überschreiten. Ein ist anerkanntermaßen die beste Gewähr für Beispiel hierfür sind Abfälle von Brandschä- hohe Verwertungsquoten. den, die mit Asbest verunreinigt oder nicht trennbar mit Tierkadavern vermischt sind. In Ein kleiner Wermutstropfen bleibt. Die aufbe- derartigen Ausnahmefällen ist die Ablagerung reiteten Sekundärrohstoffe verlassen zu gro- dieser problematischen Abfälle auf Deponien ßen Teilen Schleswig-Holstein in Richtung mit Zustimmung des LANU weiterhin zulässig. Fernost; nur geringe Anteile werden in der heimischen Industrie zur Herstellung neuer Produkte verwendet. Mehr Verwertung Das Behandlungsgebot der Abfallablagerungs- National gewinnt die energetische Verwertung verordnung hat zu einer Anhebung des Kos- von Ersatzbrennstoffen aus Abfällen rasant an tenniveaus für Siedlungsabfälle und gemischte Bedeutung. In Schleswig-Holstein stehen mit Bau- und Abbruchabfälle geführt. Parallel ha- der Thermischen Ersatzbrennstoff-Verwer- ben sich – auch bedingt durch den großen tungsanlage TEV Neumünster, dem Zement- Rohstoffbedarf der aufstrebenden Wirtschafts- werk in Lägerdorf und dem Heizkraftwerk der macht China – die Rohstoffpreise deutlich er- Stadtwerke Flensburg bereits drei Anlagen zur höht. Dies spiegelt sich in den Erlösen für aus Verfügung, die die Energie der Abfälle in Abfällen gewonnene Sekundärrohstoffe wider. Strom und kommunale Fernwärme oder Pro- Kurz gesagt: „Sortieren lohnt sich!“. Inzwi- zesswärme umsetzen. Weitere Industriekraft- schen werden daher nicht nur grobe Stücke werke sind für Glückstadt und Brunsbüttel so- von Eisenmetallen oder Altholz aus den wie Hamburg (Kraftwerk Peute) in Planung. In Mischabfällen ausgelesen. Mit moderner der Regel werden dadurch nicht nur die fossi- Trenntechnik werden auch die Nichteisenme- len Energieressourcen geschont, sondern talle und verschiedene Kunststoffe für eine durch die im Abfall enthaltenen regenerativen stoffliche Verwertung zurückgewonnen. Ent- Anteile wird auch ein nicht unerheblicher Bei- sorger berichten davon, dass wieder mehr Ab- trag zum Klimaschutz geleistet.
Kunststofffolien zur stofflichen Verwertung (Foto: Abfallwirtschaftsgesellschaft Rendsburg-Eckernförde)
14 Siedlungsabfallentsorgung 2006 – Verwertung, Behandlung, Zwischenlagerung Defizit an Behandlungskapazitäten Genehmigungsrechtlich eher zweifelhafte Zu- Obwohl die „Deadline“ des Ablagerungsver- stände hat das LANU im Rahmen einer lan- botes (31. Mai 2005) seit 1993 in der Techni- desweiten Inspektion im Herbst 2005 vorge- schen Anleitung Siedlungsabfall vorgegeben funden: war, stehen bis heute nicht ausreichend Kapa- An vielen Sortier- und Aufbereitungsanla- zitäten für alle behandlungsbedürftigen Abfälle gen hatte sich ein erheblicher Rückstau zur Verfügung. Beispielsweise lief die MBA weiter zu behandelnder Abfälle angesam- Lübeck auch Ende 2006 noch nicht kontinuier- melt, der in einigen Fällen die zulässigen lich im bestimmungsgemäßen Volllastbetrieb. Lagermengen überschritt. Das Defizit besteht aber nach einhelliger Auf- Auf dem Gelände der Deponie Neumüns- fassung vor allem für die thermische Behand- ter hatten sich die vom LANU auf Basis ei- lung von Resten aus der Sortierung von Sperr- ner Anzeige für kurze Zeit akzeptierten Flä- müll, Verpackungen, Gewerbeabfällen und chen zur Bereitstellung heizwertreicher Bau- und Abbruchabfällen sowie heizwertrei- Abfälle für die weitere energetische Ver- chen Fraktionen aus mechanisch-biologischen wertung zu einem größeren dauerhaften Abfallbehandlungsanlagen (MBA). Lager entwickelt.
Bei einigen Behandlungsanlagen kommt es Diese Zustände führten zu wiederholten An- aufgrund von temporären Spitzenlasten zu un- fragen des Landtags sowie der Fach- und der geplanten Ausfallzeiten. Die genannten Reste Tagespresse. Die Hausleitung des MLUR lässt aus Sortier- und Aufbereitungsanlagen können sich seit Anfang 2006 in kurzen Abständen be- dann nicht kontinuierlich abgenommen wer- richten. Der Entsorgungsengpass führt insge- den. Abfälle werden deutlich mehr als vor samt zu erheblichem Aufwand bei den für die dem Behandlungsgebot zwischen Behand- Überwachung des genehmigungskonformen lungsanlagen hin und her transportiert, um alle Anlagenbetriebs zuständigen LANU-Mitarbei- vorhandenen Kapazitäten zu nutzen. Dennoch terinnen und -Mitarbeiter. kommt es immer wieder zum Rückstau von Abfällen an Sortier- und Aufbereitungsanlagen. Für einige Standorte wurden Teilräumungen, Annahmestopps und/oder Nachweise über die Positiv ist zu vermelden, dass die Betreiber Entsorgung angeordnet. Da oftmals wirt- von Behandlungsanlagen inzwischen eng zu- schaftliche Hintergründe mit ursächlich für die sammen arbeiten, weil jeder die Unterstüt- übergroßen Lagerhalden sind, wird den Betrei- zung der anderen benötigt. bern häufig auch die Annahme weiterer Abfäl- le zugestanden (Einnahmen!), wenn gegen- über dem LANU dokumentiert wird, dass Zwischenlagerungen mehr Abfälle zur Entsorgung abgegeben wer- Obwohl das LANU und das Ministerium für den. Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) seit Mitte 2004 auf die Notwendigkeit Inzwischen hat sich die Situation an den meis- von Zwischenlagern aufmerksam machten, ist ten Sortieranlagen bereits entspannt. Hinter- heute festzustellen, dass der Bedarf auf Be- grund dürften die verstärkten Verwertungsbe- treiberseite deutlich unterschätzt wurde. mühungen, aber auch neue thermische Anla- gen im mittleren Deutschland sein. So richtig Genehmigte Zwischenlager standen Ende wird der Entsorgungsengpass aber erst beho- 2006 an folgenden Standorten zur Verfügung: ben sein, wenn auch hier im Norden zusätzli- Damsdorf/Tensfeld: wird im Wesentlichen che Behandlungs- und Zwischenlagerkapazitä- für Hausmüll und ähnliche Abfälle in Aus- ten verfügbar sind. fallzeiten Hamburger MVA genutzt; Befris- tung bis Ende 2008. Lübeck-Niemark: verschiedenartige noch in Ausblick / Planungen der MBA weiter zu behandelnde Abfälle Erste Lichtblicke sind auch in Schleswig-Hol- der Hansestadt Lübeck werden in Ballen stein erkennbar: oder verdichteten Mieten zwischengela- Die ALTERA in Lägerdorf arbeitet seit Som- gert; bis Ende April 2007 zu räumen. mer 2006 heizwertreiche Sortierreste ihrer Neumünster-Wittorferfeld: Ballenlager für beiden Gesellschafter – Buhck aus Wen- Ersatzbrennstoffe neben der MBA Neu- torf und M+S-Transporte Bremen-Stuhr - münster, das Revisionszeiten und unge- zu Ersatzbrennstoffen (EBS) auf. Diese plante Betriebsausfälle der TEV abpuffern werden anschließend im benachbarten Ze- soll. mentwerk Lägerdorf eingesetzt. Das Ze- Eggebek: Ballenlager für aufbereitete Er- mentwerk Lägerdorf hat hierfür seine ge- satzbrennstoffe aus der Altpapieraufberei- nehmigten Kapazitäten für den tung. Abfalleinsatz weiter ausgebaut.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 15 Die mittelständische Entsorgungsinitiative EBS kann direkt der TEV Neumünster zu- Schleswig-Holstein (MEISH) betreibt seit geführt werden. November 2006 ebenfalls eine EBS-Aufbe- Im Herbst 2006 wurden ein größeres Bal- reitung. Am Standort des AWZ Flensburg lenlager für EBS und ein Notfalllager am werden Reste aus den Sortieranlagen der Standort der Deponie Lübeck-Niemark ge- Gesellschafter AWZ, Buhck, Gollan und nehmigt. Nordschrott aufbereitet. Seit Dezember Im Januar 2007 legten die SWN Entsor- 2006 werden erste Abfälle in den Wirbel- gung für den Standort Neumünster-Wittor- schichtkesseln des Flensburger Heizkraft- ferfeld einen zunächst noch unvollständi- werkes eingesetzt. gen Genehmigungsantrag für ein großes Die Firma Brockmann Recycling hat ihre Langzeitlager für EBS und heizwertreiche Sortieranlage um Aufbereitungsschritte zur Abfälle vor. Ersatzbrennstoffherstellung ergänzt. Der
Ersatzbrennstoff-Ballen (Foto: Brockmann Recycling)
16 Siedlungsabfallentsorgung 2006 – Verwertung, Behandlung, Zwischenlagerung Neben diesen so genannten „kalten Abfallent- Summary sorgungsanlagen“, für die das LANU zustän- Since June 2005 in Germany municipal waste dig ist, werden auch Planungen für thermi- has to be treated before the residues may be sche Anlagen vorangebracht: disposed on landfills. The necessary measures Für die Erweiterung der MVA Neustadt um lead to more recycling and to the higher 80.000 Mg/a wurde Ende September der usage of waste as fuel. The amount of waste Genehmigungsantrag beim Staatlichen for dumping will become less, so that landfills Umweltamt Kiel eingereicht. will be closed and sealed. Altogether, the mo- Für die Erweiterung der MVA Tornesch-Ah- difications in municipal waste management renlohe um 2 x 100.000 Mg/a (in Stufen) have great positive effects on the reduction of fand bereits ein Scoping-Termin statt. using natural resources and the emission of Die Erweiterung der MVA Kiel um 100.000 gases that are responsible for climate change. Mg/a ist beabsichtigt (aber noch nicht be- At the beginning of 2007 there were still not antragt). enough treatment capacities available. As a Für ein Ersatzbrennstoffkraftwerk in Bruns- consequence wastes have to be stored until büttel (300.000 Mg/a EBS) zur Versorgung more treatment capacities are established. von Bayer Industries mit Strom und Indus- The LANU staff competent for the permission triedampf fand im November 2006 ein Sco- and inspection of most of the waste treat- ping-Termin statt. ment facilities is forced to act more often and Das HKW Glückstadt verfügt bereits über quickly, especially since press and politicians eine Genehmigung zur Errichtung eines have put this unsolved situation on their agen- EBS-Kessels (155.000 Mg/a). da. But for many sites permissions for additio- Die Genehmigung für ein Kraftwerk bei der nal pre-treatment-capacities, for storage and Norddeutschen Affinerie in Hamburg für for the usage of waste as a fuel have already 750.000 Mg/a EBS ist beantragt; andere been applied, so that the deficit should be Träger werden voraussichtlich ihre Anla- abolished at the latest by the middle of 2009. generweiterungen von der Umsetzung die- ser Großanlage abhängig machen. 1 Öko-Institut/ifeu-Heidelberg: Statusbericht zum Beitrag der Abfallwirt- Angesichts dieser Planungen werden bereits schaft zum Klimaschutz und weitere Potenziale; August 2005. Stimmen laut, die vor Überkapazitäten war- nen. Die Folge wäre ein Preisverfall, der die eingangs geschilderten Verwertungserfolge ➢ Uwe Meyer gefährden könnte. Dezernat 23 - Obere Abfallentsorgungs- behörde – Siedlungsabfälle Zunächst bleibt aber festzustellen, dass zu- Tel.: 0 43 47 / 704 – 620 sätzliche Kapazitäten zum Abbau des Abfall- [email protected] überhangs nicht nur geplant, sondern auch er- richtet werden müssen.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 17 18 Vereinheitlichung der Jahresübersichten von Abfallentsorgungsanlagen
➢ Heiko Gömpel
Das LANU ist als wissenschaftlich-technische Grundlagenbehörde verpflichtet, Daten und In- formationen aus dem Abfallbereich zu erheben, auszuwerten, aufzubereiten und im Rahmen von Informations- und Berichtspflichten bereit- zustellen. Die Nutzung der Daten erfolgt bei- spielsweise im Rahmen der Abfallwirtschafts- planung.
Eine Quelle für die erforderlichen Daten aus dem Abfallbereich sind die Jahresübersichten der Abfallentsorgungsanlagen. Die Jahresüber- sichten stellen eine Zusammenfassung des Be- triebstagebuches dar. Sie beinhalten neben den Daten der angenommenen und abgegebenen Abfallmengen unter anderem auch Angaben zum Betriebsablauf und zu Betriebsstörungen.
Neben der Funktion als Datenquelle nimmt die Bedeutung der Jahresübersichten als Instru- ment der Anlagenüberwachung bedingt durch knappe Personalressourcen bei gleichzeitig stei- gender Zahl an Aufgaben zu, da für Regelüber- wachungen vor Ort immer weniger Zeit bleibt.
Bisher bestand noch nicht für alle Abfallentsor- gungsanlagen die Pflicht zur Vorlage von Jah- resübersichten. Zudem waren die Anforderun- gen an die Jahresübersichten aufgrund unter- schiedlicher Genehmigungszeitpunkte und be- dingt durch die in der Vergangenheit vorhande- ne Zuständigkeit verschiedener Behörden nicht einheitlich geregelt, so dass die Lieferung der Daten sehr uneinheitlich erfolgte. Dies soll künftig für alle Abfallentsorgungsanlagen in glei- cher Art und Weise geregelt werden.
Ein weiterer Aspekt, der im Zuge der Verein- heitlichung der Jahresübersichten eine Rolle spielt, sind die in regelmäßigen Abständen durch die Presse gehenden Schlagworte „Ver- waltungsvereinfachung“ oder „Bürokratieab- bau“. Die Betriebe beklagen sich vermehrt über den hohen Verwaltungsaufwand aufgrund der ihrer Meinung nach zu hohen Zahl an Rechtsvorschriften, die zu beachten sind. Ins- besondere im Bereich der Datenlieferung für statistische Zwecke wird auch seitens der Be- treiber von Abfallentsorgungsanlagen immer wieder Kritik laut, die den hohen Arbeitsauf- wand hierfür bemängeln. Dies ist insofern be- rechtigt, da viele deckungsgleiche Daten auch an die statistischen Behörden zu liefern sind. Diese doppelte Datenlieferung an unterschiedli-
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 19 che Behörden führt zu einem erhöhten Auf- gungsträger (örE) wird eine Zusammenarbeit wand seitens der Betreiber der Abfallentsor- mit dem Statistikamt Nord bereits erfolgreich gungsanlagen, da die Daten entsprechend der praktiziert. Die Datenabfrage bei den Abfallent- jeweiligen Erhebungssystematik unterschied- sorgungsanlagen soll künftig ebenfalls in Koo- lich aufzubereiten sind. peration zwischen dem Statistikamt Nord und dem LANU erfolgen. Voraussetzung hierfür ist Die mehrfache Erhebung gleicher Daten beruh- zunächst die Angleichung der Erhebungssyste- te bisher darauf, dass die statistischen Ämter matik in der Form, dass beide Behörden die bei ihren Primärerhebungen nicht auf die Daten Daten in der für sie erforderlichen Tiefe erhal- anderer Behörden zurückgreifen und ihre erho- ten. benen Daten nur in aggregierter Form, die für die Fachbehörden in der Regel nicht ausreicht, Vor dem Hintergrund der Vereinheitlichung der abgeben durften. Mit der Novelle des Umwelt- Anforderungen an die Jahresübersichten sowie statistikgesetzes (UStatG) vom August 2005 der gemeinsamen Erhebung der Daten mit hat sich dies insofern geändert, als die statisti- dem Statistikamt Nord hat das LANU für circa schen Behörden jetzt auch Daten anderer Be- 400 Anlagenstandorte nachträgliche Anordnun- hörden und Stellen nutzen dürfen. gen erlassen, in denen für alle Anlagen die In- halte der Betriebstagebücher sowie der daraus Im Rahmen der Erhebung der Daten für die Ab- zu erstellenden Jahresübersichten festgelegt fallbilanzen der öffentlich-rechtlichen Entsor- wurden.
Abbildung 1: Startseite des Internetportals für Jahresübersichten
20 Vereinheitlichung der Jahresübersichten von Abfallentsorgungsanlagen Abbildung 2: Anmeldemaske für den internen Be- reich des Internet- portals
Betreiberportal – formationen zu den Jahresübersichten und Anwendung für Anlagenbetreiber weiteren Informationsangeboten zum Thema Zur Unterstützung der Anlagenbetreiber bei Abfall sowie einen internen Bereich, der nur der Erstellung der Jahresübersichten wurde mit entsprechenden Zugangskennungen er- ein Internetportal zur Erfassung und Weiterlei- reicht werden kann. tung der Jahresübersichten an das LANU ent- wickelt (Abbildung 1). Das Portal ist unter Bei dem internen Bereich handelt es sich um www.jahresuebersichten.schleswig- eine Oracle-Datenbankanwendung mit einer holstein.de zu erreichen. Es hat einen öffent- browserbasierten Bedienoberfläche, die nach lich zugänglichen Bereich mit allgemeinen In- einer Anmeldung an der Internetdatenbank zur
Abbildung 3: Vorgegebene Anla- genstruktur und er- forderliche Einga- bemasken je nach Anlagentyp
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 21 Abbildung 4: Beispiel einer Ein- gabemaske für die Jahresübersichten
Laufzeit geladen wird. Installationen auf Client- sind abhängig von dem jeweiligen Anlagentyp seite sind nicht erforderlich. Die Stammdaten (Abbildung 3). In dieser Maske ist ebenfalls er- der Entsorgungsanlagen sowie die Kataloge kennbar, wie weit der Bearbeitungsstand für und Schlüssellisten stammen aus dem Abfall- die jeweilige Anlage fortgeschritten ist, da fer- wirtschaftlichen Informationssystem (AWIS). tig ausgefüllte Eingabemasken entsprechend Diese Daten werden täglich zwischen interner gekennzeichnet werden. AWIS-Datenbank und Internetdatenbank abge- glichen. Um Inkonsistenzen in den Datenbe- Die eigentlichen Eingabemasken sind in der ständen zu vermeiden, erfolgt die Pflege der Regel so gestaltet, dass sie weitgehend Stammdaten ausschließlich in AWIS. selbsterklärend sind. So sind Pflichtfelder farb- lich hervorgehoben darstellt (Abbildung 4). Die Internetanwendung hat eine eigene Nut- Des Weiteren erfolgen Prüfungen während zerverwaltung (siehe unten). Für den internen der Eingabe bzw. beim Abspeichern der Einga- Bereich des Betreiberportals erhält jeder Be- ben. Dabei wird auf unvollständige oder fal- treiber speziell für seinen Standort eine eigene sche Eingaben hingewiesen, ein Abspeichern Zugangskennung, über die nur er die Daten ist trotzdem möglich. Der Abschluss einer Ein- seiner Anlagen sieht. Die Anmeldung an das gabemaske ist allerdings nur nach Korrektur System ist aus Sicherheitsgründen dreistufig bzw. Ergänzung fehlender Eingaben möglich. ausgelegt. Für die Anmeldung ist die Auswahl Sobald alle Eingabemasken aller Anlagen ei- eines Standortes, die Eingabe einer Benutzer- nes Standortes ausgefüllt und abgeschlossen kennung und die Eingabe eines Kennwortes sind, ist die Jahresübersicht bereit für die erforderlich (Abbildung 2). Übermittlung an das LANU. Die Übermittlung wird aktiv durch den Anlagenbetreiber über Nach erfolgreicher Anmeldung sieht der Anla- den entsprechenden Menüpunkt angestoßen. genbetreiber die Anlagenstruktur für den Hierbei erfolgt nochmal eine Prüfung, ob alle Standort bzw. die Anlagen, für die er eine Jah- Masken abgeschlossen wurden. Ist alles kor- resübersicht abgeben muss. Durch Auswahl rekt, wird die Jahresübersicht für eine Bear- einer Anlage werden die erforderlichen Einga- beitung durch den Anlagenbetreiber gesperrt bemasken aufgelistet und können nacheinan- und automatisch eine Mail an das LANU ge- der ausgefüllt werden. Die Zahl der Eingabe- sendet. masken bzw. die abgefragten Informationen
22 Vereinheitlichung der Jahresübersichten von Abfallentsorgungsanlagen Abbildung 5: Administrationsbe- reich des Betrei- berportals
Betreiberportal - Administrationstool Summary Bestandteil des Betreiberportals ist ebenfalls The State Agency for Nature and Environment ein Administrationstool. In das Administrati- of Schleswig-Holstein (LANU) has standardi- onstool integriert ist die Benutzerverwaltung zed the data requests in the framework of the für das Betreiberportal. Darüber hinaus erfolgt annual reports for all waste facilities in Schles- hier neben der inhaltlichen Prüfung der abge- wig-Holstein by official order. The goal was to schlossenen Jahresübersichten auch die Steu- create an optimised data basis for the plan- erung des Datentransfers zwischen AWIS und ning of waste management activities. In addi- der Portaldatenbank. Zur Prüfung der Einga- tion the annual reporting obligations for the ben der Jahresübersichten können die von plant operators were simplified, as the data den Anlagenbetreibern abgeschlossenen Jah- must be delivered only once. The plant opera- resübersichten über das Administrationstool tors only have to submit their reports by an In- aufgerufen und ggfs. geändert oder wieder für ternet application and convey them to the den Anlagenbetreiber freigeschaltet werden. LANU. Due to a cooperation between LANU Geprüfte Jahresübersichten werden entspre- and the Statistical State Service, these data chend gekennzeichnet und in das AWIS über- are used for both, waste management and tragen (Abbildung 5). statistical reporting purposes.
Weiterhin können die einem Anlagentyp zuge- wiesenen Eingabemasken sowie Hilfefunktio- ➢ Dr. Heiko Gömpel nen über das Administrationstool konfiguriert Dezernat 21 - Grundlagen der Stoff- und werden. Integriert wurden ebenfalls Log-Funk- Abfallwirtschaft tionen sowie Prüffunktionen bezüglich der Be- Tel.: 0 43 47 / 704 – 641 arbeitungsstände. [email protected]
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 23 24 Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung
➢ Thomas Wälter
1. Klimawandel – wir sind mitten drin Es ist inzwischen auf der Basis einer sehr breiten Forschung und weltweiten Modellie- rungsaktivitäten in der wissenschaftlichen Ge- meinschaft unstrittig, dass sich unser Klima auf der Erde ändert - ungewöhnlich schnell und zum überwiegenden Teil sind menschli- che Aktivitäten dafür ursächlich. Der vierte IPCC-Bericht1 vom Februar 2007 geht – auf ei- ner breiten Basis von Emissionsszenarien und Modellen - von einer Zunahme der Jahresmit- teltemperatur in den nächsten 100 Jahren in einer Bandbreite von 1,4 bis 5,8 Grad Celsius aus. Um sich besser vorstellen zu können, was diese Spanne bedeutet: die durchschnitt- liche Jahresmitteltemperatur der „Weichsel- eiszeit“ lag in unseren Breiten bei 11oC - also in etwa ebenfalls 4 Grad Unterschied zur heu- tigen Jahresmitteltemperatur von ca. 15 oC - nur fand hierbei die Abkühlung in erheblich längeren Zeiträumen statt!
Zusätzlich könnten Methanfreisetzungen aus den erwärmten Ozeanen oder das Auftauen der heutigen Permafrostböden das hoch kli- mawirksame Methan freisetzen. Solche Effek- te können den Klimawandel noch verstärken.
Schon in den letzten 80-100 Jahren wurde in Deutschland ein Temperaturanstieg von ca. 0,6 bis 1 Grad konstatiert. Dieser Anstieg führt(e) zur Verstärkung der Klimaextreme, ins- besondere regional. Das bedeutet eine Trend- verstärkung sowohl in trockenen als auch in feuchten Regionen. Niederschläge werden zu- künftig bei uns wohl mehr und mehr in den Wintermonaten fallen und im Sommer im Mit- tel abnehmen. Zudem zeigen die Projektionen, dass dieser verringerte Niederschlag im Som- mer zunehmend in Form von Starkregenereig- nissen fallen wird.
Seit 1978 ist die im Sommer mit Eis bedeckte Fläche des Nordpolarmeeres um 7,4 % pro Jahrzehnt zurückgegangen, das sind insge- samt ca. 20 % in weniger als 30 Jahren. Die Gletscher an Grönlands Küsten fließen schnel- ler ins Meer als noch vor wenigen Jahren. Würden wir keinerlei Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, wäre der arktische Ozean gegen Ende unseres Jahrhunderts im Sommer dem- nach praktisch eisfrei.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 25 Die Frage ist also nicht mehr, ob ein Klima- Wir verfügen jedoch in Schleswig-Holstein wandel stattfindet, sondern wie stark dieser derzeit noch über keine hinreichenden ausgeprägt sein wird und wie wir uns darauf Kenntnisse zu möglichen Folgen von Klima- einstellen können. veränderungen im Bereich der Schutzgüter Arten, Biotope und Ökosysteme. Es sind da- Vom Umweltbundesamt beauftragte Regio- her auf der Basis vorliegender aktueller Daten nalmodellierungen (REMO des Max-Planck- die Auswirkungen des für Schleswig-Holstein Instituts für Meteorologie in Hamburg und prognostizierten Klimawandels auf Lebensräu- WETTREG des CEC Potsdam, beide 2006) er- me, Flora und Fauna räumlich differenziert ab- möglichen mittlerweile hinreichend genaue, zuschätzen und geeignete Maßnahmen abzu- regional spezifizierte Projektionen auf Basis ei- leiten. Veränderungen des Wasserhaushaltes nes Rasters von 10 x 10 km. Entsprechend werden sich naturgemäß besonders auf was- der REMO Studie wird für Schleswig-Holstein serabhängige Ökosysteme (Gewässer, Moore, eine Erhöhung der Jahresmitteltemperatur bis Sümpfe und Auen) negativ auswirken, trocke- zum Ende des Jahrhunderts um 2-3 Grad Cel- ne Ökosysteme wie Heiden und Trockenrasen sius erwartet. Die Niederschlagsmenge in der werden im Gegenzug zunehmen. Eine Progno- Vegetationsperiode wird danach voraussicht- se auf der Grundlage der neuen Regionalstudi- lich in Schleswig-Holstein bis zu 25% abneh- en ist dringend anzuraten. Hieraus ergibt sich men, im Winter jedoch um bis zu 40% zuneh- die Frage: men. Insgesamt wird sich die Vegetationspe- riode in Folge des ganzjährigen Temperaturan- stieges ausdehnen. Welche Folgewirkungen hat die Klimaände- rung für den Naturschutz, d.h. insbesonde- Dies bedeutet beispielsweise, dass ein höhe- re für ausgewählte Ökosysteme und Arten? rer Wasserverbrauch bzw. ein höherer Was- Antworten auf diese Fragen müssen folgende serbedarf der Vegetation einer niedrigeren Anforderungen erfüllen: Wasserverfügbarkeit (insbesondere in der für Umfassende Darstellung der wahrscheinli- Pflanzen nutzbaren Vegetationsperiode) ge- chen Wirkungen der für Schleswig-Holstein genüber steht. Neben der Temperatur hat der prognostizierten Klimaänderungen über Wasserhaushalt einer Landschaft – also Nie- den Naturhaushalt auf Arten und Ökosyste- derschlagsmenge und -verteilung, Wasser- me. speicherung im Boden, Abfluss und Verduns- Zusammenstellung der durch den Klima- tung – einen großen Einfluss auf das Pflanzen- wandel in Schleswig-Holstein besonders wachstum. Höhere Sommertemperaturen ge- betroffenen und naturschutzfachlich rele- hen neben dem größeren Wasserbedarf der vanten Ökosysteme und Arten auf Grund- Vegetation mit erhöhten Verdunstungsraten lage der vorliegenden Informationen über der Oberflächen einher. Als Folge ist mit einer Vorkommen und klimatische Empfindlich- kontinuierlichen Veränderung der Standortver- keit. hältnisse, vor allem hinsichtlich des Gesamt- Ableitung von möglichen Trends wasserhaushaltes, zu rechnen. Die Ökosyste- für die Entwicklung ausgewählter Öko- me werden sich mit ihrem Arteninventar, je systeme, nach Empfindlichkeit bzw. ökologischer Tole- für die Zuwanderung bzw. Zunahme ranz, langsam verändern. und/oder Ausbreitung wärmeliebender und trockenheitstoleranter Pflanzen- und Tierarten, 2. Fragestellung für den Rückgang bzw. die Abwande- Wie sich der Klimawandel mit all seinen ökolo- rung von ausgewählten Pflanzen- und gischen und sozioökonomischen Facetten in Tierarten kühlfeuchter Standorte. einer gemäßigt humiden-ozeanischen Region Darstellung der Auswirkungen von Klima- wie Schleswig-Holstein auswirkt, ist im Einzel- änderungen auf die Wasserversorgung nen nur schwer vorauszusagen. In der Land- wasserabhängiger Lebensräume im Hin- und Forstwirtschaft wird die Ertragssicher- blick auf das pflanzenverfügbare Boden- heit durch extreme Wetterereignisse, Schäd- wasser. lingsdruck und Brandgefahr gefährdet, da das Beschreibung wesentlicher landschaftsöko- Risikopotential erheblich zunehmen wird. Die logischer Wechselwirkungen mit anderen Wasserwirtschaft wird bereits jetzt auf der Ökosystemkompartimenten, vor allem zum einen Seite mit erhöhter Hochwassergefahr Boden, und Ableitung von Aussagen zu und auf der anderen Seite gleichzeitig mit ei- künftigen Entwicklungstendenzen. ner Abnahme des sommerlichen Wasserdar- Gegenüberstellung Klima- und Wasser- gebotes konfrontiert. haushaltsprognosen / Standortbedingungen
26 Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung und Lebensansprüche ausgewählter Öko- die Biotopverbundplanung sowie die Um- systeme (unter Nutzung von ökologischen setzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie Zeigerwerten der Vegetation) im Hinblick (WRRL) anwendbar sein. auf ihren Fortbestand und ihre Entwick- Wirkungen klimatischer und hydrologischer lung. Veränderungen auf die Betroffenheit aus- Zusammenstellung der durch den Klima- gewählter Faunengruppen, auf Flora und wandel besonders gefährdeten wasserab- Vegetation (mittels ökologischer Zeigerwer- hängigen Ökosysteme bzw. Biotoptypen; te), Biotop- und Ökosystemtypen (klimati- Interpretation im Hinblick auf zu erwarten- sche Wasserbilanz) sowie Vegetationszo- de Stabilität (Anpassungsvermögen) oder nen (mittels ökologischer Klimadiagram- Instabilität (Gefährdung). me). Ermittlung von Indikator-Eigenschaften der untersuchten wasserabhängigen Ökosyste- me und ihrer Lebensgemeinschaften für 3. Ökosysteme und Arten klimabedingte Standortveränderungen. Klimaänderungen werden mittlerweile welt- Prognose wahrscheinlicher Veränderungen weit als eine der Hauptursachen für das Aus- der Biotopzonierung in Abhängigkeit von sterben von Arten und den Rückgang der Bio- den hydrologischen bzw. geohydraulischen diversität angesehen. So sind beispielsweise Bedingungen (graduell neue Ökosystemty- innerhalb der marinen Ökosysteme bereits pen). heute ca. 10 % der Korallenriffe zerstört und Auswirkungen klimabedingter Landnut- weitere 50 % gefährdet. Kälteempfindliche zungsänderungen, insbesondere der Land- und feuchtigkeitsliebende Arten werden ver- und Forstwirtschaft, auf den Naturhaushalt. schwinden und wärmeliebende Arten einwan- Ableitung von geeigneten Maßnahmen und dern. Gebietsansässige heimische Arten wer- Strategien für Naturschutz / Landschafts- den durch die Zuwanderung neuer einge- pflege in Schleswig-Holstein im Hinblick schleppter oder eingebrachter Arten aus ande- auf die Folgewirkungen von bereits einge- ren Bereichen (Neobiota) einer neuen Konkur- tretenen und prognostizierten Klimaverän- renzsituation unterliegen (Abbildung 1). In der derungen für den Artenschutz, den Objekt- Nordsee verschoben sich die Lebensräume und Flächenschutz sowie die Eingriffsrege- von Zooplanktonarten um bis zu 1.000 km lung. Davon ausgehend sollen umsetzbare nach Norden. Wärmeliebende Arten wandern Vorschläge für naturschutzfachliche Planun- in der Nordsee bis zu 250 km pro Jahrzehnt gen und Maßnahmen zum Fortbestand nach Norden. Als Folge des Klimawandels und zur Entwicklung insbesondere wasser- wird nach Expertenmeinung der Verlust von abhängiger Ökosysteme unterbreitet wer- Tier- und Pflanzenarten auf bis zu 30 % ge- den. Die Maßnahmen sollen vor allem für schätzt. Insbesondere spezialisierte Arten mit den Objekt- und Flächenschutz einschließ- geringer Standorttoleranz sind gefährdet. lich der Umsetzung von NATURA 2000, für
Abbildung 1: Asiatische Marien- käfer werden evtl. künftig einheimi- sche Marienkäfer- arten zurückdrän- gen
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 27 Kiebitz Graugans Star
Abbildung 2: Auswirkungen des Klimawandels auf Zug und Überwinterung von Vögeln: Kiebitz, Graugans und Star sind Beispiele für Vo- gelarten, die früher mit der Brut beginnen und z. T. nicht mehr wie früher im Winter in den Süden ziehen.
Ein größerer Ausfall von Populationen einer (Abbildung 2). Bei einigen der untersuchten Art führt zur Verarmung des Genpools und da- Arten wurden als Veränderung gegenüber mit wiederum zu verringerter Anpassungsfä- dem früheren Brutverhalten auch ein früherer higkeit. Sind mehrere Arten betroffen, kann Legebeginn und Mehrfachbruten festgestellt, sich das ökologische Systemgefüge destabili- teilweise wurde gleichzeitig auch eine höhere sieren, die Produktivität des Ökosystems wird Gelegegröße und ein höherer Schlupferfolg erheblich eingeschränkt. Bei dieser räumlichen beobachtet. und zeitlichen Entmischung bestehender Ar- tengemeinschaften werden weniger mobile Die Natur kennt keinen statischen Zustand, Arten besonders in Mitleidenschaft gezogen. sie unterliegt einem stetigen Wandel. Der Kli- Ökosysteme wie Wälder, Gebirgsregionen, mawandel wird jedoch eine zeitlich sehr viel Hochmoore aber auch Agrarökosysteme wer- kurzfristigere Anpassung bzw. eine Verände- den von dieser Entwicklung nicht verschont rung der Ökosysteme zur Folge haben. Insbe- bleiben. sondere die Arealgrenzen (ökologische Über- gangsbereiche) werden eine schnelle Verände- Die vom LANU 1996 herausgegebene letzte rung erkennen lassen und sind daher im Rah- Rote Liste der Libellenarten beispielsweise men eines Monitorings besonders zu berück- deutet darauf hin, dass viele der zuwandern- sichtigen. Bei einer Temperaturerhöhung um 1 den Arten (Dispersalarten) zum mediterranen Grad wird beispielsweise eine Verschiebung Faunenkreis gehören. Möglicherweise werden der Vegetationszonen um etwa 200-300 km die stark zurückgehenden sibirischen Arten polarwärts bzw. um 200 Höhenmeter ange- durch mediterrane Libellenarten abgelöst. Die- nommen. Neben der oben genannten Modifi- ses Phänomen der Faunenverschiebung ist kation der standörtlichen Bedingungen ist die eine Folge der Klimaveränderung. Reaktion von Ökosystemen auf Klimaverände- rungen, wie zuvor erwähnt, ein Wechsel der Die Klimaveränderungen im Verlauf der letzten Verteilung und Zusammensetzung des Inven- 30 Jahre haben bereits deutliche Auswirkun- tars von Fauna und Flora. Laut einer Studie gen auf Zug- und Brutverhalten sowie auf Ar- des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur tenzusammensetzung und Verbreitungsgebie- Klimasensitivität der 91 NATURA 2000 FFH te von Vögeln in ganz Deutschland. In Schles- Lebensraumtypen (LRT) sind 40 als gering wig-Holstein verfrühte sich beispielsweise die sensitiv, 36 als mittel sensitiv und 15 als hoch Erstankunftszeit vieler Vogelarten im Frühjahr sensitiv eingestuft worden. Ein mittel bis hoch um durchschnittlich 3-5 Tage pro zehn Jahre. sensitives Beispiel für Schleswig-Holstein Der Wegflug im Spätsommer verzögerte sich könnte, zumindest regional, der Lebensraum- bei zahlreichen Arten, nur bei einigen wenigen typ 7110 „naturnahe lebende Hochmoore“ Arten wurde ein früherer Abflug konstatiert sein (Abbildung 3).
28 Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung Abbildung 3: Lebensraumtyp 7110 „naturnahe lebende Hochmoo- re“ – klimasensi- tiv?
Wir beobachten also eine deutliche Süd- / wiegen hier der Mangel an geeigneten Le- Nordverschiebung bei Tier und Pflanzenarten, bensräumen und spezielle Habitatschäden die z.T. aber nicht erst seit heute. Ein Beispiel für Klimakomponente. die Beobachtung von langfristigen Oszillatio- nen ist die Wespenspinne: diese kommt Eine Steuerung dieses überaus komplexen schon länger in Schleswig-Holstein vor, jetzt Naturprozesses bzw. eine Konservierung von aber vermehrt – ein Grund dafür könnte aller- Lebensräumen wird in den meisten Fällen dings auch die gezieltere Beobachtung in der nicht oder nur teilweise möglich sein. Unsere jüngeren Vergangenheit sein. Andere thermo- Kräfte sollten wir deshalb auf die Schaffung phile Arten, wie z. B. die Smaragd- oder Zaun- von Entwicklungspotentialen ausrichten. Pro- eidechse, profitieren jedoch (noch) nicht von phylaxe ist gefragt! der Temperaturerhöhung. Offensichtlich über-
Abbildung 4: Krähenbeere als Beispiel für die Ver- schiebung der süd- lichen Artarealgren- ze nach Norden
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 29 Bei der projektierten Klimaveränderung kann es ein sinnloser Kampf gegen Wind- mühlenflügel werden, liebgewordene Lebensräume und Arten zu schützen, für die Schleswig-Holstein am Verbreitungsrand liegt.
Trotzdem ist auch hier kein Aktionismus, son- bens- und Wanderungsräume zu verbessern. dern ein bundesweit aufeinander abge- Die Bedingungen für den bereits beginnenden stimmtes Monitoring im Sinne eines „Früh- „Artentransfer“ sind durch die Verbesserung warnsystems“ erforderlich. Ein Schwerpunkt der Vernetzung isolierter Lebensräume zu opti- der Betrachtung sollte neben den bereits oben mieren. erwähnten Arealgrenzen von Ökosystemen also auf der Beobachtung der Ausbreitung Auch Themen wie verstärkte Neobiotainvasio- wärmeliebender (thermophiler) und dem Rück- nen oder die indirekten Wirkungen des Klima- gang kälteangepasster Arten liegen (Abbildung wandels auf die Biodiversität durch Verände- 4). Die turnusmäßigen Erhebungen in den NA- rungen in der Kulturlandschaft (andere wärme- TURA 2000 Gebieten sowie die geplante Öko- liebende Anbauformen, -sorten, -baumarten u. logische Flächenstichprobe (ÖFS) können sich a.) sowie höhere Winterniederschläge müssen ergänzen und gemeinsam die Grundlage für gezielt beobacht werden (u. a. mit Hilfe mo- ein naturschutzorientiertes Klimamonito- derner Methoden der Fernerkundung). Und ring bilden. wahrscheinlich werden wir uns auch mit Fra- gen zu Sekundärwirkungen des Klimawandels beschäftigen müssen, also z. B.: „Kann eine 4. Maßnahmen und Strategie höhere Durchschnittstemperatur zur Erhöhung Um die Selbstorganisationsfähigkeit - und der Badetage an Gewässern und damit als damit auch ein möglichst hohes Maß an Re- Folge verstärkter Frequentierung dieser zu aktionsfähigkeit der Natur - zu erhalten und eventuellen negativen Auswirkungen auf das zu fördern, ist es gerade jetzt entscheidend, betroffene Ökosystem führen?“ den Biotopverbund zur Vernetzung der Le-
Abbildung 5: Südexponierter Steilhang als „Trittstein“ im lokalen „Wärme“-Biotopverbund
30 Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung Eines liegt schon jetzt auf der Hand: Die Kli- ten Maßnahmenplanung nach ihrer Zukunftssi- maveränderung stellt eine Herausforderung cherheit bzw. der Effektivität kritisch zu durch- für alle gesellschaftlichen Sektoren dar, so leuchten und eventuell zu entrümpeln. Bei- auch für den Natur- und Umweltschutz. Nur spielsweise sollte die stetige Aufrechterhal- übersektoral und interdisziplinär kann dieser tung bestimmter Sukzessionsstadien nach Herausforderung nachhaltig begegnet wer- neuen Kriterien betrachtet werden. Eine Erwei- den. terung unseres Blickfeldes ist jetzt erforderlich.
Die Frage ist nur: Schutzkonzepte müssen unter diesen Rah- „Wie stellt sich der Naturschutz (zunächst menbedingungen dynamischer werden, um einmal sektoral) zu dieser Jahrhundertfra- Ansprüche zeitnah erfüllen zu können. Diese ge?“ Dynamik darf selbstverständlich nicht als be- und liebig heranzuziehende Begründung eigener „Sind mögliche Folgen des Klimawandels Interessen dienen, um damit das nicht immer hinreichend bekannt und werden sie ernst geliebte Kind „Naturschutz“ auszubooten. Kli- genommen?“ maschutz und die Folgen des Klimawandels werden umso teurer, je länger wir zögern! Öf- Begrenztes Wissen um die Komplexität von fentlichkeit und Politik müssen daher sensibili- Wirkungszusammenhängen der (menschlich siert werden, damit sie sich mit Schutz- und beeinflussten und entwickelten) Ökosysteme Wiederherstellungszielen identifizieren. Dabei führt zur Schwierigkeit der Vorhersage und müssen wir aufpassen, dass sie nicht das In- Bewertung von Veränderungsprozessen in Na- teresse daran verlieren nach dem Motto „Wir tur und Umwelt. Die Entwicklung der Syste- können ja doch nichts ändern!“ – Das würde me in der Vergangenheit ist bei weitem kein unsere Handlungsspielräume verringern! verlässlicher Wegweiser für die mögliche Zu- kunftsentwicklung mehr. Die Bewertung des Dogmen, Aktionismus und absolute Hand- Vergangenen ist daher im Rahmen aktiver lungsstrategien sind sicher nicht der richtige ökologischer Wiederherstellungsprojekte hin Weg. Offenheit als notwendige Grundlage für zum ursprünglichen Zustand (Renaturierung) Reaktionsfähigkeit stellt einen Eckpfeiler einer kein in jedem Fall geeigneter Indikator für die ganzheitlichen Naturschutzstrategie zum Kli- Zukunft. In diesen Kontext muss auch die Dis- mawandel dar. Um zu einer allseits tragfähi- kussion um den Begriff der „potentiell natürli- gen Strategie (zur Anpassung an veränderte chen Vegetation (pnV)“ gestellt werden. biophysikalische Bedingungen) zu gelangen, müssen neue Erkenntnisse, wie beschrieben, Es bleibt also eine Schlüsselfrage, wie eine beschafft und bewertet werden. Nach dem Balance herzustellen ist zwischen dem „Nach- Vorliegen hinreichend belastbarer Prognosen bau“ vergangener (ursprünglicher) Strukturen über die Entwicklung von Natur und Land- und dem Zulassen einer ungestörten Entwick- schaft wird die Frage zu klären sein, welche lung angepasster (und anpassungsfähiger) traditionellen Entwicklungsziele im Natur- Systeme. schutz unter Berücksichtigung des Klimawan- dels geeignet sind und wann eher funktionale Altbewährtes kann auch weiterhin erfolgreich und fortentwicklungsgesteuerte Ziele und sein, es sollte jedoch zu unserem Selbstver- Maßnahmen notwendig sind. Dabei ist zu be- ständnis gehören, ergebnisoffen z. B. Rote Lis- rücksichtigen, dass im gesamten Ursachen- ten auf die Folgen des Klimawandels hin zu komplex der Dynamik des Naturhaushaltes prüfen, Handlungskonzepte bis hin zur konkre- das Klima nur ein Faktor von vielen ist.
Der Klimawandel wird nicht nur der Natur, sondern auch denen, die sich ihren Schutz auf die Fahne geschrieben haben, ein bisher unbekanntes Maß an Flexibili- tät und Aufgeschlossenheit abfordern.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 31 Erste Handlungsschwerpunkte bzw. So- tes durch: fortmaßnahmen des Naturschutzes bezüg- - Optimierung der Wiedervernässung lich der Folgen des Klimawandels lassen sich (naturnaher) feuchtigkeitsgeprägter Le- heute schon definieren: bensräume (Niedermoore), Beobachtung durch ein naturschutzorien- - Minimierung weiterer Entwässerung, tiertes Klimamonitoring intensivieren und - Zulassen von hydrodynamischen Vor- systematisieren (Frühwarnsystem), gängen (Renaturierung), Erstellung einer fundierten Prognose für Förderung naturnaher CO2 Senken, wie die Entwicklung von Natur und Land- z.B. durch Neuwaldbildung (keine Planta- schaft, gen). Stärkung und Spezifizierung des Biotop- verbundes zur Vernetzung der Lebensräu- Das Thema Klimawandel und der Verlust me (Korridore / Kohärenz / Migration), der biologischen Vielfalt haben auch für Förderung der Reaktionsfähigkeit von die Europäische Union höchste Priorität. Ökosystemen (u. a. durch Nutzung der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hat im Selbstorganisationsfähigkeit der Natur, Rahmen der Darstellung der umweltpoliti- Abbildung 6 als ein Beispiel dafür), schen Strategie der Kommission zum Klima- Konsequenter Schutz noch intakter dyna- wandel eindeutig Position bezogen. Bei den mischer Ökosysteme (keine zusätzlichen Aktivitäten der Europäischen Kommission CO2-Quellen schaffen), wird diesem eine zentrale Bedeutung beige- Verbesserung und Wiederherstellung ei- messen. nes intakten Landschaftswasserhaushal-
Abbildung 6: Naturwälder in Schleswig-Holstein - angepasst und anpassungsfähig
32 Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung Sich für den vorausschauenden Schutz der Natur einzusetzen und bei alltäglichen Handlungen auch die Wirkungen auf die Natur zu berücksichtigen, ist weder Luxus noch Selbstzweck, sondern pure Notwendigkeit!
Zusammenfassung the nature protection context. Due to the im- Mittlerweile ist es unstrittig, dass wir uns be- mense lack of knowledge an estimation of the reits mitten im Klimawandel befinden. Die Fra- impact of climate change on the natural goods ge ist, wie genau dieser regional aussehen „species“, „biotopes“ and „ecosystems“ is wird und wie wir uns – hier speziell im Be- difficult. However, Nature Protection has to reich Naturschutz - darauf einstellen können. face this fundamental question and thus has Eine Klimafolgenabschätzung für die Schutz- to find decisions even with large gaps of güter „Arten“, „Biotope“ und „Ökosysteme“ knowledge. The necessary changes in strate- ist schwierig, da große Wissenslücken beste- gies and concepts will considerably influence hen. Dennoch muss sich der Naturschutz die- the main fields of activity of Nature Protection. ser Jahrhundertfrage stellen und damit Ent- Possible impacts of climate change and first scheidungen auf der Basis der vorliegenden – ideas for focal action are described. unvollständigen - Erkenntnisse treffen. Die zu erwartenden Veränderungen von Strategien und Konzepten werden die Handlungsschwer- 1 IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change – Zwischenstaatli- punkte des Naturschutzes voraussichtlich er- cher Ausschuss für Klimaänderungen, ein gemeinsames Gremium der heblich beeinflussen. Mögliche Folgen der Kli- Weltmetereologieorganisation WMO und dem Umweltprogramm der Ver- maänderung für den Naturschutz und erste einten Nationen UNEP Handlungsschwerpunkte werden skizziert.
➢ Thomas Wälter Summary Abteilung 3 – Naturschutz und Meanwhile it is an undisputed fact that we are Landschaftspflege already experiencing a climate change. The Tel.: 0 43 47 / 704-300 question is what the regional impacts will be [email protected] and how we can adopt to this - especially in
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 33 34 Praktischer Pflanzenartenschutz – mit Kopf, Hand und Herz!
➢ Silke Lütt
„Bei mir wächst das Wiesenschaumkraut zu Tausenden auf dem Rasen” oder „das Kraut ist tot! Es starb heute früh durch den Rasen- mäher des Wohnungsunternehmens!“ Diese und ähnliche Meldungen trafen im Mai 2006 zuhauf im LANU ein. Der Grund dafür war ein landesweit angelaufenes Projekt zur Wieder- ansiedlung und Förderung des Wiesen- schaumkrautes - oder Cardamine pratensis, wie das Wildkraut wissenschaftlich heißt - auf öffentlichen und privaten Rasenflächen. Einen passenden Rahmen dafür bot die „Entente florale“, ein internationaler Wettbewerb der Gartenbauinnung, für den 2006 die Landes- hauptstadt Kiel als Bundesteilnehmer sowie die Städte Eckernförde und Lütjenburg als Landesteilnehmer ins Rennen gingen.
Die zahlreichen Reaktionen aus der Bevölke- rung zeigten, mit diesem botanischen Arten- schutzprojekt war es erstmalig gelungen, Ar- tenschutzzielen zu folgen und gleichzeitig eine Pflanze so zum Thema zu machen und in den Köpfen zu verankern, dass Mann und Frau sie auf ihrem eigenen Rasen entdeckten und be- gannen, sie als etwas Besonderes und Schüt- zenswertes wahrzunehmen. Denn dass dies Not tut, zeigt die Tatsache, dass der Frühjahrs- blüher auf der neuen Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen von 2006 in die Vorwarn- stufe aufgenommen wurde, weil er landes- weit rückläufig ist. Die klassische extensive Mähnutzung der Feuchtwiesen ist mittelfristig in Schleswig-Holstein nur noch kleinflächig be- triebswirtschaftlich rentabel, so dass die Su- che nach Ersatzlebensräumen für diese Pflan- ze zwangsläufig zu den öffentlichen Grünanla- gen und Privatrasen führte. Dort kam die Art zwar durchaus schon vor, konnte durch eine vorzeitige Mahd allerdings nicht zur Blüte kommen.
Durch die Aufklärung der Bevölkerung konnte unter Mithilfe der Medien diesem Umstand entgegengewirkt werden, indem auf eine ver- zögerte Mahd nach der Samenbildung hinge- wirkt wurde. Dadurch wurde die Art einerseits überhaupt erst wahrgenommen und gleich- sam ihr Erlebniswert erhöht, denn sie eignet sich hervorragend zum Blumenpflücken. Gleichsam wird an kindliche emotionale Bin- dungen appelliert, denn mit dem Wiesen- schaumkraut verbinden viele Menschen Kind- heitserinnerungen und ein Heimatgefühl, ge-
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 35 prägt durch Bilder von einem zarten rosafarbe- Grünflächenämter von Kiel, Lütjenburg und nen Blütenflor, der in der Gesamtschau das so Eckernförde, das Umweltamt Lübeck, die Wal- genannte „Schäumen“ der Wiesen bewirkt dorfschulen Kiel und Eckernförde sowie das und die tatsächlich namengebende Herleitung Marie-Christian-Heim in Kiel-Kroog und die aus den spuckeartigen Nestern der Schaumzi- Umweltbildungseinrichtung UIZ (UmweltInfo- kaden-Larve in Vergessenheit geraten lässt. Zentrum) in Eckernförde erwiesen sich dabei als hilfreiche Partner. Ergänzt wurde das Pro- Um diese Erinnerung aufzufrischen oder gar jekt durch einen Versuch zur flächigen Wieder- erst neue emotionale Bindungen herzustellen, ansiedlung des Wiesenschaumkrautes mit wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsge- Mahdgutübertragung in Zusammenarbeit mit meinschaft Geobotanik Schleswig-Holstein dem Umweltamt Kiel und dem Naturerlebnis- und Hamburg Exkursionen zum Kennenlernen zentrum Kollhorst. Noch Monate später er- des Schaumkrautes angeboten, zudem ein Er- oberte das Wiesenschaumkraut durch Gruß- lebnistag in der Hofgemeinschaft Pries sowie karten mit regionalem Saatgut so manches zahlreiche Aktionen zur Wiederansiedlung von Kräuterbeet und so manchen Vorgarten und Jungpflanzen durchgeführt. Der Botanische fand damit geeignete Ersatzlebensräume im Garten der Christian-Albrechts-Universität, die unmittelbaren menschlichen Umfeld.
Kinder der Kieler Waldorfschule beim Wiederansiedeln von Wiesenschaumkraut-Jungpflanzen im Naturerlebniszentrum Kollhorst, Mai 2006
36 Praktischer Pflanzenartenschutz – mit Kopf, Hand und Herz! Das Wiesenschaumkraut kann auch auf Rasenflächen der großen Wohnungsunternehmen blühen, wenn die Rasenmäher ruhen und sich Anwohner, wie hier Frau Maria Beyer, für den Schutz einsetzen, Mai 2006
Während im LANU noch fieberhaft am zeitna- hand wurde die Aussiedlungs-Aktion mit einer hen Versand der Cardamine– Grußkarten gear- informativen Fahrradtour verbunden, bei der beitet wurde, planten die Landfrauen in Au- neben dem gärtnerischen Können der Land- krug bereits die Aussiedlung der Arnica-Jung- frauen so manches Wissenswerte über die pflanzen, die auf Anregung des LANU aus Biologie und Heilkraft der Arnica-Pflanze zum dem Saatgut eines der letzten Vorkommen im Besten gegeben wurde. Ein auf dem Acker Lande im Garten der Landfrauen herange- oder im eigenen Garten gewonnenes Grund- wachsen waren. Mit Hilfe des Naturschutzrin- verständnis für die erfolgreiche Anzucht von ges Aukrug war das Saatgut im Vorjahr von ei- Pflanzen trug dabei ebenso zum Gelingen des nem ortsnahen Vorkommen geerntet und zu- Projektes bei wie Vorversuche von Prof. sammen mit einem geeigneten Keimsubstrat Uphoff aus Melsdorf bei Kiel, der in jahrelan- an interessierte Landfrauen verteilt worden. gen Versuchen das optimale Keimsubstrat he- Nach monatelangem Warten waren im Früh- rausgefunden hatte. Der Einsatz der Aukruger sommer von einigen wenigen bis zu Hunder- Landfrauen soll in 2007 mit dem Verleih des ten Arnica-Jungpflanzen herangewachsen, die Gemeinde-Umweltpreises belohnt werden. nun an geeigneten Standorten wieder ange- siedelt werden sollten. „Was hat der Klappertopf in seinem hohlen Kopf? Nur wieder Klappertöpfe, ihr Plappertöp- Die Wahl fiel auf das Gelände der Tönsheider fe!“ Mit diesem Spruch von Karl-Heinz Wag- Lungen-Fachklinik, da hier sowohl eine nach- gerl begann in 2005 nicht etwa die Werbe- haltige Pflegenutzung als auch eine künstliche kampagne der deutschen Topfindustrie, son- Bewässerung in den ersten Wochen nach dern ein Projekt zur Förderung des Großen dem Aussiedeln gewährleistet war. Kurzer- Klappertopfes, einer bundesweit gefährdeten
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 37 Pflanze des Grünlandes. Als Halbparasit kann Mit dem Großen Klappertopf begann in 2005 der Große Klappertopf (Rhinanthus angustifoli- die Serie botanischer Artenschutzprojekte. Vie- us) Gräser schwächen und dadurch zurück- le weitere Aktionen sollen in den nächsten drängen und auf diese Weise Raum zur Wie- Jahren folgen, denn die Bilanz der neuen Ro- derbesiedlung mit anderen Wildkräutern ten Liste der Farn- und Blütenpflanzen von schaffen. Damit ist die Pflanze selbst ein 2006 zeigt, dass Handeln Not tut. Viele ehe- Wegbereiter für mehr Artenvielfalt. Auf der dem häufige Pflanzenarten des Grünlandes Grundlage einer landesweiten Kartierung, die (wie z.B. auch die Kuckucks-Lichtnelke oder in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemein- Sumpf-Schafgarbe) oder Arten der Wegränder schaft Geobotanik und Stefanie Cierpka von (wie z. B. der Große Odermennig oder die Ge- der Hochschule Anhalt/Bernburg durchgeführt wöhnliche Wiesenflockenblume) sind gefähr- wurde, konnte in einer Öffentlichkeitskampag- det oder im Bestand rückläufig. Zwar ist ein ne unter Mithilfe des NABU Eckernförde auf effizienter Biotopschutz immer noch der wich- die interessante Pflanze aufmerksam gemacht tigste Schutz, die Vergangenheit zeigt aber, und zu Weihnachten 2006 Grußkarten mit re- dass er allein nicht ausreicht, um den Arten- gionalem Saatgut versandt werden. Zahlreiche schwund aufzuhalten. Diesem Umstand kann Interessierte machen zurzeit landesweit mit, nur durch eine kontrollierte Wiederansiedlung die Pflanze auf privaten Grünflächen anzusie- Rechnung getragen werden, zumal sich die deln. Auf großer Fläche verfolgt die Stiftung Hinweise aus der Wissenschaft und der Na- Naturschutz die grashemmende Wirkung des turschutzpraxis häufen, dass sich zwar hier Klappertopfes, sie hat in 2006 erstmalig auf und da die Standortverhältnisse verbessern, sechs verschiedenen Flächen im Kreis Schles- die Arten aber infolge räumlicher Isolierung wig-Flensburg Saatgut vom Schäferhaus aus- nicht mehr in der Lage sind, sich alleine wie- gebracht. deranzusiedeln.
Aukruger Landfrauen, hier Marie Carstens-Behrens, ziehen Arnika-Jungpflanzen in ihrem Garten vor, um sie dann in der freien Natur aus- zusiedeln, Juni 2006
38 Praktischer Pflanzenartenschutz – mit Kopf, Hand und Herz! Aukruger Landfrauen besuchen das landesweit größte Arnica-Vorkommen. Hier wurde im Vorjahr eine kleine Menge an Samen für die An- zucht entnommen. Die Jungpflanzen werden auf geeigneten Standorten in der Nähe ausgesiedelt. Hier tauschen sich die Frauen über die Heilwirkungen der Pflanze aus, Juni 2006 (alle Fotos von der Autorin)
Noch ist es für eine Bilanz der botanischen Ar- Summary tenschutzprojekte viel zu früh. Sowohl Effizi- The Convention of Biological Diversity of Rio enz als auch Nachhaltigkeit der Projekte las- de Janeiro in 1992 requires the reintroduction sen sich erst nach Jahren ermitteln. In einem of endangered plant species. Different me- waren sich allerdings alle Beteiligten, die Leh- thods of implementation of Cardamine praten- rer und die Gärtner, wie die Landfrauen, Kin- sis, Arnica montana and Rhinanthus angustifo- der und Jugendliche einig: Spaß gemacht ha- lius through the project assistance of children, ben sie, die Projekte! pupils and engaged people are described.
Gerne würden sie weitere botanische Arten- schutzprojekte durchführen. Ein nicht geringer ➢ Dr. Silke Lütt Erfolg! Denn zum praktischen Pflanzenarten- Dezernat 31 - Artenschutz, Staatliche schutz gehört einiges: Fachwissen, ein „grü- Vogelschutzwarte ner Daumen“ in der praktischen Umsetzung – Tel.: 0 43 47 / 704-363 aber das Gefühl, die Freude am sinnvollen [email protected] Handeln darf dabei auch nicht fehlen!
Mehr Infos zu Wiesenschaumkraut, Arnica und zum Klappertopf erhalten Sie bei der Autorin.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 39 40 Ist der Schweinswal in der Ostsee noch zu retten? – Ein Artenhilfsprogramm wird entwickelt
➢ Silvia Salomon
„Alle Dinge haben ihren Nutzen und ihren Teil und ihren rechten Platz im Haushalt der Natur“ (Mark Twain)
Wale gehören unbestritten zu den faszinie- rendsten Tierarten unseres Planeten. Der Schweinswal ist als einzige heimische Walart daher eine echte Kostbarkeit in der Bundesre- publik Deutschland und im Lande Schleswig- Holstein.
Abbildung 1: So „hautnah“ ei- nem Schweinswal zu begegnen, bleibt dem Taucher vorbe- halten
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 41 Die Schweinswale in der Ostsee unterschei- Verpflichtungen hierzu bestehen bereits seit den sich genetisch von ihren Verwandten in vielen Jahren. Mit der Bonner und der Berner der Nordsee und gehören heute leider zu den Konvention (23.7.1979 und 19.9.1979) ein- vom Aussterben bedrohten Tierarten (Rote schließlich des dafür eigens verabschiedeten Liste 1; BfN, 19961). Weil er inzwischen so Kleinwalabkommens (ASCOBANS) vom selten vorkommt, ist er auch in der Bevölke- 31.3.1992, des dazugehörigen „Gesetzes zur rung kaum noch bekannt. Selbst viele Fischer Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ost- kennen den Schweinswal nicht mehr. Dabei see“ v. 21.7.1993, ferner der Flora-Fauna-Ha- konnte er noch im vergangenen Jahrhundert bitat-Richtlinie 92/43 (Anh. II und IV) vom regelmäßig beobachtet werden. Schweinswa- 21.5.1992 sowie diverser Helcom-Empfehlun- le wurden damals oft in der Nähe von Segel- gen, wie z. B. der Empfehlung 17/2 vom 12. schiffen gesehen oder kamen als Fänge auf März 1996 zum „Schutz des Schweinswals in die Märkte. der Ostsee“ sowie der Biodiversitätskonventi- on vom 29.12.1993 etc. existieren bereits ver- Insbesondere der ungewollte Beifang von bindliche Verpflichtungen zum wirksamen Schweinswalen in Stellnetzen der Fischer Schutz und Erhalt der Schweinswalpopulation stellt eine wesentliche Ursache für den aktuel- in der schleswig-holsteinischen Ostsee. len Rückgang der Schweinswalbestände dar (vgl. hierzu die Totfundmonitoring - Berichte Diese nationalen und internationalen Vorgaben des Forschungs- und Technologiezentrums sind aber bisher noch nicht ausreichend durch Westküste in Büsum). Daneben sind jedoch konkrete Schutzmaßnahmen umgesetzt. Zur auch andere menschliche Aktivitäten, wie zum Bestandssicherung der Schweinswale in der Beispiel die Störung des Lebensraumes durch Ostsee sind daher dringend wirksame nationa- Schalleinwirkungen, Schiffsverkehr, Verknap- le Schutzmaßnahmen notwendig. Hier sind die pung der Beutefische oder die Anreicherung Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg- von Schadstoffen in der Nahrungskette für Vorpommern genauso gefordert wie der Bund, den dramatischen Rückgang der Schweins- in seiner Zuständigkeit für die so genannte walbestände verantwortlich. Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Weil die Schweinswale über große Strecken wan- Mittlerweile hat sich glücklicherweise ein dern, sind zu ihrer wirksamen und nachhaltigen Wertewandel im Bewusstsein vieler Men- Bestandserholung aber auch international ab- schen vollzogen, so dass künftig die Chance gestimmte Maßnahmen – insbesondere ge- gegeben ist, wirksame Schutzmaßnahmen meinsam mit Dänemark – erforderlich. einzuleiten. Rechtliche und deklaratorische
Abbildung 2: Schweinswale ertrinken in Fischernetzen auch in der Ostsee (Foto: Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger GSM)
42 Ist der Schweinswal in der Ostsee noch zu retten? – Ein Artenhilfsprogramm wird entwickelt Abbildung 3: Schweinswalweibchen mit Jungtier in der Ostsee 2005 (Foto: GSM)
In diesem Zusammenhang hat sich das LANU Teilen Sie ihre Beobachtungen über gesichtete als obere Naturschutzbehörde des Landes Schweinswale der Schleswig-Holstein entschlossen, ein Arten- GSM (Gesellschaft zum Schutz der Mee- hilfsprogramm zur Rettung des Schweinswa- ressäugetiere e.V., Kieler Str. 2, 25451 les in der Ostsee ins Leben zu rufen. Die Fer- Quickborn, Tel.: 0 41 06 / 620-601, Fax: - tigstellung dieses Programms für den 907 oder - insbesondere die Totfunde - Schweinswal ist für den Sommer 2007 vorge- dem sehen. Dieses Programm wird konkrete Hand- FTZ (Forschungs- und Technologiezentrum lungsempfehlungen und Maßnahmenvorschlä- Westküste), Werftstraße 6, 25761 Büsum, ge zur Bestandssicherung und insbesondere Tel.: 0 48 34 / 604-0, Fax: -199 mit. zur Erholung der Bestände in der Ostsee ent- halten. Auf der übernächsten Seite finden Sie einen Meldebogen für Sichtungen von Schweinswa- Helfen Sie mit, die Vorkommen der len, den sie sich gerne kopieren können. Schweinswale in der Ostsee zu entdecken:
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 43 Abbildung 4: Schweinswalsichtungen in der Ostsee 2005 (Quelle: BfN)
44 Ist der Schweinswal in der Ostsee noch zu retten? – Ein Artenhilfsprogramm wird entwickelt Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 45 Summary The Harbour Porpoise in the Baltic Sea differ genetically from their relatives in the North Sea and they belong regrettably to the animal species, which are now in danger of extinction (List 1 of acute threatened species; German Federal Office for Nature Conservation - Bun- desamt für Naturschutz; BfN -1996). Because he appears so rarely or is so seldomly seen, he is as a consequence hardly known to the public. Thereby it was possible to observe him in the last century far more regularly.
In particular the unintended by-catch of Har- bour Porpoises in gillnets and other fishing gear is fundamentally the main cause for the present regression of the Harbour Porpoise Population. Other human activities alongside the first named reason are responsible for the dramatic reduction of the Harbour Porpoise populations.
A wide range of legal and binding agreements already exists which aim at an effective pro- tection and recovery of the Harbour Porpoise Populations in the Baltic Sea of Schleswig-Hol- stein. These agreements are based on a wide- spread of national and international Conventi- ons and Directives such as the Flora-Fauna- Habitat-Directive as well as the ASCOBANS Small Whale Cetacea Agreement and various other HELCOM-Recommendations. These na- tional and international guidelines are unfortu- nately not adequate enough to implement the effective measures of protection.
In coherence to these conclusions the Upper State Agency for Nature and Environment of Schleswig-Holstein LANU, has decided to work out and establish a conservation action plan and programme for the recovery of the Harbour Porpoises in the Baltic Sea. The com- pletion of this programme has been laid down for summer 2007. Ascertained operating re- commendations and suggestions for the futu- re implementing measures aim at protecting the population size and especially want to as- sure a recovery of the population sizes in the Baltic Sea.
1 Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 48: Rote Lis- ten und Artenlisten der Tiere und Pflanzen des deutschen Meeres- und Küstenbereichs der Ostsee; Bundesamt für Naturschutz; Bonn-Bad Go- desberg, 1996
➢ Silvia Salomon Dezernat 31 - Artenschutz; Staatliche Vogelschutzwarte Tel.: 0 43 47 / 704-324 [email protected]
46 Ist der Schweinswal in der Ostsee noch zu retten? – Ein Artenhilfsprogramm wird entwickelt 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete
➢ Wolfgang Kruse-Michelsen und Andrea Kühl
1. Ein Naturschutzgebiet wächst und wächst und …. Das NSG „Salemer Moor, Schwarze Kuhle, Plötscher See, Garrensee und Ruschen- see“, Kreis Herzogtum Lauenburg, wuchs 2006 von rund 438 auf rund 690 ha an. In ei- nem schwierigen und daher länger dauernden Rechtsetzungsverfahren wurde gleichzeitig die Aufnahme der Arten und Lebensräume des Europäischen Naturnetzes NATURA 2000 so- wie deren Erhaltungsziele in die Verordnung und die Vergrößerung des Geltungsbereiches um rund 252 ha über das nunmehr „Salemer Moor mit angrenzenden Wäldern und Seen“ genannte NSG durchgeführt. Dieses war bereits die vierte Vergrößerung des ehe- mals, als „Salemer Moor und Schwarze Kuh- le“ (1. Verordnung 1927) unter Schutz gestell- ten Naturschutzgebietes.
Die Erweiterung war nur möglich, weil einer- seits der Zweckverband „Schaalsee-Land- schaft“ mit Hilfe des Bundes und des Landes umfangreichen Flächenerwerb für Zwecke des Naturschutzes tätigte und andererseits der Kreis Herzogtum Lauenburg im Rahmen des Bundesnaturschutzprojektes „Schaalsee-Land- schaft“ eigene Waldflächen für den Natur- schutz zur Verfügung stellte. Mit den im Ge- biet verbliebenen wenigen Privateigentümern wurden im Rahmen des Rechtsetzungsverfah- rens in umfangreichen Gesprächen einver- nehmliche Lösungen erarbeitet.
Den Kernbereich dieses sehenswerten und besucherfreundlichen Naturschutzgebietes bil- det ein weitgehend abflussloses Geländesys- tem, in das eingebettet Seen, Moore, unge- nutzte Wälder, nasse Senken, steile Gelände- rücken und Hohlformen liegen. Hier sind selte- ne Pflanzen wie Strandling und Brachsenkraut anzutreffen und es quaken noch in ausrei- chender Individuenzahl Laub- und Moorfrosch. Der aufmerksame Besucher kann sogar mit etwas Glück sich sonnende Kreuzottern und Ringelnattern entdecken.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 47 Abbildung 1: Am Nordrand des Moores wurden ehemalige Entwässerungseinrichtungen zurückgebaut. Es entstanden unterschiedlich flache Gewässer, in denen mittlerweile auch die Rotbauchunken wieder rufen (Foto: Martina Kairies)
Die europaweit bedeutsame Vielfalt der Arten Auch in Zukunft wird das Gebiet immer wie- in diesem Gebiet führte zur Meldung – und der erweitert werden, da der Zweckverband auch Anerkennung – von großen Teilen des „Schaalsee-Landschaft“ im Rahmen des noch Naturschutzgebietes als Gebiet für das Euro- laufenden Bundesnaturschutzprojektes weite- päische Verbundnetz „NATURA 2000“. Hier re Flächen für Zwecke des Naturschutzes er- lebende seltene Arten wie Kranich, Eisvogel, werben wird. Mittelspecht, Neuntöter, Rohrdommel, Schwarzspecht, Wespenbussard, Zwerg- Interessierte Besucher und Besucherinnen ha- schnäpper, Kammmolch, Rotbauchunke und ben hier aufgrund der guten Besucherinforma- Große Moosjungfer bestätigen die Wertigkeit tionseinrichtungen die Möglichkeit, viel über des Gebietes für den Erhalt der Artenvielfalt Pflanzen und Tiere des Naturschutzgebietes eindrucksvoll. zu erfahren oder aber das Gebiet auf gut aus- geschilderten Wegen zu erwandern, auf Bän- Die ehemaligen Acker- und intensiv genutzten ken oder einfach mal auf dem frischen Moos Grünlandflächen des Gebietes wurden zu ei- am Wegesrand Ruhepausen zu genießen und ner großflächigen Weidelandschaft zusam- sogar ihre Zeit für ein erfrischendes Bad im mengelegt und werden von ortsansässigen Garrensee zu nutzen. Das Land Schleswig- Betrieben mit Robustrindern beweidet. In der Holstein beabsichtigt, 2008 für das Gebiet ein Nähe von Salem und nördlich des Ruschen- neues Besucherinformationssystem zu instal- sees kann den Tieren bei der Biotoppflege zu- lieren und gibt hierzu ein neues Faltblatt he- geschaut werden. Auf den einzigen verbliebe- raus, welches direkt an den Informationstafeln nen Ackerflächen südlich des Ruschensees zu entnehmen ist oder in den umliegenden wird Biolandbau betrieben. Amtsverwaltungen und Tourist-Infostellen an- gefordert werden kann.
48 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete Abbildung 2: Der Sumpfporst ist eine sehr seltene Pflanze im Gebiet, die nach Roter Lis- te vom Aussterben bedroht ist (Foto: Martina Kairies)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 49 Abbildung 3: Die extensive Beweidung am Salemer Moor ist erforderlich zum Erhalt der Artenvielfalt. (Foto: Martina Kairies)
Abbildung 4: Blick vom Uferrundweg auf den Garrensee (Foto: Hans-Joachim Augst)
50 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete 2. Vom Übungsplatz von Bundeswehr und Bereiches (es handelt sich um drei Kernberei- Bundesgrenzschutz zum bedeutendsten che, die zu einer Verordnung zusammenge- Naturschutzgebiet südlich Lübecks – fasst wurden) wird durch das vielfache Vor- oder: Planungssicherheit durch ein Na- kommen von gefährdeten und vom Ausster- turschutzgebiet ben bedrohten Arten untermauert. Allein 5 Durch die Ausweisung des Europäischen Vo- Pilz- und 9 Flechtenarten, 65 Farn- und Blüten- gelschutzgebietes „Grönauer Heide“ und des pflanzen, 82 Vogelarten, 11 Amphibien-, 4 FFH-Gebietes „Grönauer Heide, Grönauer Reptilien-, 31 Libellen-, 21 Heuschrecken-, 306 Moor und Blankenseeniederung“ als Natur- Schmetterlings-, 373 Käfer- und 107 Wasser- schutzgebiet „Grönauer Heide, Grönauer käferarten sind im neuen Naturschutzgebiet zu Moor und Blankensee“ erhielten die Hanse- Hause. Stellvertretend seien hier aufgeführt: stadt Lübeck (Ausbau Flughafen Blankensee), Glockenheide, Besenheide, Borstgrasrasen, die Gemeinden Groß Grönau (Bürgerpark) und Birkenmoorwälder, Kammmolch, Heidelerche, Groß Sarau sowie die Bundespolizei (ehem. Mittelspecht und Zauneidechse. Bundesgrenzschutz) endlich Planungssicher- heit hinsichtlich der Naturschutzbelange für Folgende Arten kommen in Schleswig Hol- ihre geplanten Projekte. Für die Bundespolizei stein nur noch in der Grönauer Heide vor: wird sogar die uneingeschränkte Nutzung im Bei den Schmetterlingen: Mittleres Jungfern- Rahmen des Aufgabenbereiches sicherge- kind, Braunes Ordensband und Heidemoor-Bo- stellt. deneule. Bei den Käfern: Kräftiger Uferrüssler, Dunkler Schilfkäfer, Schlehenstecher und Gro- Die auch im europäischen Vergleich bedeut- ßer Aaskäfer. same Artenfülle des unter Schutz gestellten
Abbildung 5: Blick vom Europawanderweg E1 auf den Blankensee (Foto: Hans-Joachim Augst)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 51 Abbildung 6: Die Moorbereiche in der Grönauer Heide tragen zur hohen Artenvielfalt des Gebietes bei. Hier ist der nach FFH-Richtlinie prioritäre Moorbirkenwald zu sehen (Foto: Hans-Joachim Augst)
Insbesondere bei der Grönauer Heide, auch Die Bürgerinnen und Bürger der angrenzenden Wulfsdorfer Heide genannt, ist erwiesen, dass Stadt- und Gemeindeteile können das Gebiet seit der Hanse eine kaum unterbrochene ex- mit Ausnahme des Kernbereiches (gleichzeitig tensive Bewirtschaftung (ohne Düngung und auch gesperrter Übungsplatz) auf Wegen, z. B. Entwässerungsmaßnahmen) stattgefunden dem Europäischen Fernwanderweg E1, betre- hat; der wichtigste Grund für diese, sonst in ten und befahren und damit eine Landschaft Schleswig-Holstein auf vergleichbaren Stand- mit hohem Erholungs- und Erlebniswert genie- orten bisher nicht bekannte Artenvielfalt. ßen. Die Gemeinde Groß Grönau plant im Nordosten entlang des Gebietes weitere Wan- Das Naturschutzgebiet ist ca. 354 ha groß, derwege neu einzurichten oder bestehende zu verteilt auf die Hansestadt Lübeck mit ca. 263 verbinden. Auch für die Grönauer Heide wird ha und ca. 91 ha im Kreis Herzogtum Lauen- in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Groß burg. Die Hansestadt erhält damit ihr sechstes Grönau, der Hansestadt Lübeck und der Bun- NSG und der Kreis Herzogtum Lauenburg ver- despolizeiakademie ein Besucherinformations- fügt nunmehr über 26 Naturschutzgebiete system entwickelt werden. (Lauenburg gesamt = 5.456 ha, ca. 4,3% der Kreisfläche; Lübeck gesamt = 2.178 ha, ca. Die Naturschutzgebietsverordnungen sind bei 10% der Stadtfläche; Landesdurchschnitt: Bedarf beim Autor anzufordern oder im Inter- 2,87%) net unter http://sh.juris.de/buergerservice.html einzusehen.
52 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete 3. Naturschutz auf Fehmarn - eine etwas Da das Konzept überzeugte, wurde das LANU andere Geschichte mit der Erarbeitung einer Freiwilligen Verein- Auch auf Fehmarn soll ein Naturschutzgebiet barung beauftragt. Im Laufe der Verhandlun- ausgewiesen werden. Nachdem das LANU gen stellte sich heraus, dass diese Vereinba- dort den ersten Entwurf vorgestellt hatte, rung der Beginn zu einer umfassenden natur- überlegten sich einige der von der zukünftigen schutzkonformen (Regional-) Entwicklung des Verordnung betroffenen Grundeigentümer gesamten nordwestlichen Küstenbereiches eine andere Möglichkeit zur Umsetzung der mit den gleichberechtigten Partnern Natur- Ziele des Naturschutzes. Sie gründeten kurzer- schutz, Landwirtschaft und Tourismus werden hand einen Naturschutzverein, erarbeiteten würde, da auch der Kreis Ostholstein und die ein Konzept für einen aus ihrer Sicht mögli- Stadt Fehmarn in das Projekt mit Ausgleichs- chen freiwilligen Naturschutz und stellten die- geldern (Kreis) und eigenen Flächen (Stadt) ses Projekt dem Ministerium, dem LANU und einstiegen. weiteren Entscheidungsträgern vor. Inhalt war die Entwicklung einer extensiven Weideland- Bei der Abgrenzung der Weidelandschaft zu schaft durch den Naturschutzverein als Puffer berücksichtigen war die aktuelle Deichplanung zu den mittlerweile in dem Raum benannten zur Verbesserung des Küstenschutzes in die- NATURA 2000-Gebieten. Diese Kernflächen sem Raum sowie die Möglichkeit einer flexib- können - nach Unterzeichnung einer freiwilli- len Außengrenze des Projektgebietes, damit gen Vereinbarung für die südlich angrenzende die Eigentümer wirklich freiwillig entscheiden Weidelandschaft - als Naturschutzgebiet aus- können, ob sie sich an dem Projekt beteiligen gewiesen werden. wollen.
Abbildung 7: Ausschnitt aus der Lagunenlandschaft der Nördlichen Seeniederung auf Fehmarn mit Weißdünen, Brackröhrichten und Salzwiesen (Foto: Martina Kairies)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 53 Abbildung 8: Bei der Beweidung der nördlichen Seenniederung schauen alle aufs gleiche Ziel – eine optimale Pflegemaßnahme (Foto: Martina Kairies)
Langfristiges Ziel ist die Wiederherstellung der kommende Deichbau, die wasserwirtschaftli- natürlichen Wasserverhältnisse (insbesondere chen Verhältnisse und die Insel als Touristen- auch für Amphibien), soweit es mit den Belan- ort, von deren Wiederkommen auch die Land- gen der landwirtschaftlichen Bodennutzung wirte zum Teil abhängig sind. vereinbar ist. So haben Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts Entwässerungsmaßnahmen Mittlerweile besitzt der Naturschutzverein eine zur Absenkung des Wasserstandes auf bis zu eigene Robustrinderherde und beweidet damit -1,50m unter NN geführt. Diese künstliche Ab- „seine“ Flächen im Projektgebiet in Sinne der senkung wird zunehmend (im Hinblick auf Vereinbarung. Bei fortschreitender zügiger Kosten-Nutzen-Rechnungen) unrentabel und Umsetzung der Projektziele kann in wenigen kann nur noch mit erheblichem finanziellen Jahren eine attraktive, durch Wanderwege er- Aufwand bedingt aufrecht gehalten werden. schlossene Weide- und Naturlandschaft ent- stehen und als Besuchermagnet von der Insel Es gab also neben dem Wunsch eine Verord- nicht mehr wegzudenken sein. Ein gut gestal- nung zu vermeiden, vielfältige Gründe, die zu tetes Besucherinformationssystem wird zum der im November 2006 von allen Beteiligten Wohle der Besucher und der Natur zur Unter- unterzeichneten Vereinbarung führten: der stützung des Projektes beitragen.
54 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 55 56 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 57 4. Naturschutz und Freizeitnutzung – Summary Änderung der Landesverordnung über One of these nature protected areas has in- das NSG „Suhrer See und Umgebung“ creased in size through the addition of 252 ha Das mit Landesverordnung vom 13. August in 2006, another developed area was a former 2003 ausgewiesene 270 Hektar große Natur- military training ground, another changed a litt- schutzgebiet „Suhrer See und Umgebung“ le bit and a newly yet to be restored nature im Kreis Plön wurde bereits im LANU-Jahres- preserved area shall also be elucidated. bericht 2003 vorgestellt. Zu diesem NSG ge- hören neben dem Suhrer See auch der Große 1. The existing nature protected area “Sale- Madebrökensee und der Kleine Ukleisee. mer Moor with it’s bordering woods and lakes“ has been significantly expanded Nach Ausweisung des Naturschutzgebietes through the purchase of areas within the fra- kam es zu Protesten seitens der Anlieger des mework of the Federal Nature Protection Pro- im Eigentum der Stiftung Naturschutz befindli- ject (from 438 up to 690 hectare). The immen- chen Großen Madebrökensees. Diese forder- se species variety of rare plants and animals ten, das nach der Verordnung verbotene Ba- lead to it’s declaration as an european NATU- den, Rudern und Eislaufen auf diesem See RA 2000 area. Visitors can explore this region wieder zuzulassen. and enjoy nature along well kept and maintai- ned paths. Aim is to protect and preserve a re- Bei der erneuten Überprüfung der Landesver- presentative ice age cryal groove system con- ordnung wurde es durchaus als vertretbar an- sisting of depressed hollows, steeps, eutro- gesehen, die oben genannten Tätigkeiten zu- phic and oligotrophic lakes, ponds plus zones zulassen, da sie voraussichtlich zu keiner er- of newly formed land with terrestrialization as heblichen oder nachhaltigen Störung oder Be- well as large sedge reeds, bog, beech- and einträchtigung der Lebensräume des Großen moor-woodlands, moors and extensively used Madebrökensees führen. Dieser kleine See grassland. hat nicht die gleiche hohe ornithologische Be- deutung wie der Suhrer See. Störungen auf 2. The nature protected area “Grönauer dem See fallen daher nicht so ins Gewicht. Heathland, Grönauer Moor and the Low- Das Baden und Befahren des Sees mit Ruder- lands of the Blanken Lake” consists basical- booten stellt eine ruhige Form der Naturnut- ly of a previously used military training ground. zung dar. Das Eislaufen kann ohnehin nur an As soon as the military training manoeuvrings wenigen Tagen im Winter stattfinden. Da nur had been given up it was possible to secure ein beschränkter Personenkreis diesen See this area, which is situated in the vicinity of tatsächlich nutzt, werden die hervorgerufenen the airport of Lübeck and hence to put it un- Störungen als nicht gravierend eingestuft und der nature conservation. It is approximately sind mit dem Schutzzweck des Gebietes ver- 354 hectares large and the aim of protection einbar. In der Abwägung zwischen den Belan- is to saveguard and allow the development of gen der Seeanlieger und den Anforderungen a large sized area, closely interconnected, a des Naturschutzes wurde daher zugunsten predominantly nutrient-deficient habitat com- der Seeanlieger entschieden. plex consisting of heathlands, dry grasslands, dry meadows wetland-fields, moor-sections Nach Durchführung eines vereinfachten and woodlands. From the view of nature pre- Rechtsetzungsverfahrens (gem. § 53 Abs. 6 servation, the species diversity of insect and Satz 2 und 4 LNatSchG), bei dem die betroffe- amphibian fauna is here the main conservation nen Eigentümerinnen und Eigentümer, Nut- aspect of interest. zungsberechtigten und Gemeinden innerhalb einer angemessenen Frist angehört worden 3. Even on the only baltic sea island of sind, unterzeichnete Minister Dr. Christian von Schleswig-Holstein Fehmarn a further nature Boetticher am 27. Januar 2006 die Änderungs- protected area has evolved. Through it’s vicini- verordnung, nach der nunmehr das Baden, ty to the “bird migratory flight route”, this das Eislaufen und das Befahren des Sees mit area has also been declared as a NATURA- kleinen Wasserfahrzeugen ohne Motorkraft 2000-Region. In order to secure these core auf dem Großen Madebrökensee zulässig ist. sections, the island farmers have developed an extensively used pasture landscape along Neben den bereits an drei Stellen des Suhrer the outer border of the future nature preserve Sees bestehenden Möglichkeiten zur Bade- area. nutzung und zum Eislaufen wird damit am Großen Madebrökensee eine weitere Mög- 4. The Suhrer Lake and it’s surroundings is lichkeit geschaffen, diesen Freizeitnutzungen a region of 270 hectares in the district of Plön umweltverträglich nachzugehen. and has been declared as a nature protected
58 2006 in Schleswig-Holstein neu ausgewiesene, erweiterte und veränderte Naturschutzgebiete area since the 13th of August 2003. This region has already been described in the Annual Sta- te Agency Report of 2003. The Suhrer Lake, the Large Madebröken Lake as well as the Small Uklei Lake belong to this nature protec- ted area.
After having been declared as a nature protec- ted area protests from the riparian users were made against the regulations regarding anthro- pogenic activities which forbid swimming, paddling and ice skating in and on the Large Madebröken Lake which is the property of the Nature Foundation. The landing stage users postulate that the human activities named above should be re-examined and possibly be permitted again.
After a renewed investigation and a reviewing of the regulations regarding the activities on this lake, the Authorities have decided to change it’s content of prohibitions and to al- low swimming in the Large Madebröken Lake as well as ice-skating on the lake and to per- mit paddling with small boats without motors again.
➢ Wolfgang Kruse-Michelsen Dezernat 32 – Flächenhafter Naturschutz Tel.: 0 43 47 / 704-323 [email protected]
Andrea Kühl Dezernat 32 – Flächenhafter Naturschutz Tel.: 0 43 47 / 704-321 [email protected]
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 59 60 NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – 10 Jahre Schutzgebiet – eine positive Entwicklung
➢ Martina Kairies
Vor nunmehr 10 Jahren ist ein 147 ha großes Areal um den Pantener Moorweiher, im Kreis Herzogtum Lauenburg, nordwestlich von Mölln, als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden. Dies war jedoch nur ein Zwischen- schritt für ein seit 20 Jahren laufendes Natur- schutzvorhaben, das schließlich 2006 mit der Zerstörung einer letzten Rohrleitung seine ers- te Abrundung erfahren hat. In den kommen- den Jahren wird es maßgeblich darum gehen, die Weiterentwicklung der eingeleiteten Pro- zesse aktiv zu sichern.
Es ist an der Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen, zumal die positiven Auswirkungen auf Arten und Biotope nun bereits deutlich und allgemein zu erkennen sind. Seeadler und Fischadler schauen im Gebiet mittlerweile re- gelmäßig vorbei, auch die im Tal des Elbe-Lü- beck-Kanales vagabundierenden Silberreiher wurden schon im NSG gesichtet. Darüber hi- naus bietet das Projekt auch ein gutes Bei- spiel für andere Naturschutzvorhaben.
Lösungen für vielfältige Ansprüche brauchen Zeit Bereits 10 Jahre vor Ausweisung – die natur- schutzfachliche Bedeutung des Gebiets war allerdings schon viel früher bekannt – entstand aus einer ersten Idee, wie verschiedenen An- sprüchen an die Flächen innerhalb der Ge- meinde Rechnung getragen werden könnte, ein gemeinsames Projekt von örtlichen Betrof- fenen, der Stiftung Naturschutz, dem Kreis und Landesbehörden. Die Standortsuche für einen geplanten Kläranlagenbau, die Bereit- stellung von Ausgleichsflächen (unter ande- rem auch aus dem Bodenabbau), die Erforder- nisse des Naturschutzes und Ansprüche aus der Landwirtschaft wurden gebündelt. Im Rah- men eines spezifischen Flurbereinigungsver- fahrens erfolgte ein umfangreicher Land- tausch, der Betriebe mit günstiger zu bewirt- schaftenden Flächen versorgen konnte. Schwer nutzbare Bereiche (zu nass, zu mager, zu steil, zu hohe Investitionen für eine moder- ne Landnutzung…), die zur Regeneration des Wasserhaushaltes erforderlichen Flächen so- wie zur Sicherung von naturnahen Lebensräu- men nötige Pufferzonen wurden dabei für Na- turschutzzwecke angekauft.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 61 Die Ankaufsflächen (ca. 100 ha) wurden der wasserrechtlichen Seite im Rahmen des Flur- Stiftung Naturschutz übertragen und zusam- bereinigungsverfahrens. Das übrige Entwässe- men mit öffentlichen Eigentumsflächen (Land, rungssystem in der Gemeinde wird durch die Bund, Gemeinde, ca. 20 ha) und Privatflächen eingetretene Retentionswirkung des Gebietes (zum großen Teil als Ausgleichflächen, ca. 27 deutlich entlastet. ha) in das Schutzgebiet einbezogen.
Konzept für die weitere Regeneration des Wasserhaushaltes Gebietsentwicklung Das wichtigste Naturschutzziel, die naturnahe Der erfolgreiche Abschluss von Erstinstand- Biotopentwicklung der landesweit bedeutsa- setzungsmaßnahmen und die Aufhebung von men Quellen, Sümpfe, Weiher und Nasswie- Auswirkungen ehemals intensiver Nutzungen sen, konnte durch den hohen Eigentumsanteil lassen jetzt die Vielfalt und die Entwicklungs- öffentlicher Flächen und der Stiftung Natur- fähigkeit der Flächen als naturnahe, längerfris- schutz optimal realisiert werden. Erst die Ar- tig erhaltungsfähige Lebensräume sichtbar rondierung der Naturschutzflächen erlaubte werden. Gleichzeitig können nun die örtlichen die notwendigen dauerhaft verändernden Realisierungschancen naturschutzfachlich ge- Maßnahmen, insbesondere beim vollständi- eigneter Methoden besser abgeschätzt wer- gen Rückbau von Entwässerungseinrichtun- den, um ein längerfristig gültiges Schutz- und gen. Dass dabei die Zahl der betroffenen An- Entwicklungskonzept zu erstellen und umzu- und Oberlieger erheblich verringert werden setzen. konnte, vereinfachte auch die Abarbeitung der
Abbildung 1: Nach stufenweisem Anheben des Wasserstandes hat der zentrale Moorweiher mit seinen ausgedehnten Verlandungszonen wieder seine ursprüngliche Größe erreicht
62 NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – eine positive Entwicklung Abbildung 2: Kernflächen des NSG mit Steilhängen und ungestörten Niederungen nach Wiederherstellung ungeregelter Wasserstands- verhältnisse.
Ziel ist es, die standortbedingte Struktur- und Für eine ganze Reihe von Arten stellt dieser Artenvielfalt eines repräsentativen Ausschnit- Raum im Komplex mit dem Talzug des heuti- tes der Jungmoränenlandschaft im südöstli- gen Elbe-Lübeck-Kanals einen landesweiten chen Schleswig-Holstein dauerhaft zu sichern. Verbreitungsschwerpunkt dar; für mehrere Dabei sind drei unterschiedliche Teilräume zu wärmeliebende Arten verläuft hier die derzeiti- beachten: ge nördliche Verbreitungsgrenze in Schleswig- die offenen und bewaldeten reichen Morä- Holstein. Aus diesem Grund ist die Bedeutung nensteilhänge im Westteil, des Gebietes auch immer im Zusammenhang die Niederungsflächen mit ihren naturna- mit benachbarten regionalen Naturschutzvor- hen Wasserständen, haben zu sehen (wie in unmittelbarer Nähe die die Weiterentwicklung der von Schmelz- Hellmoor-Diekbek-Niederung, das Pirschbach- wassersanden gebildeten naturnahen nähr- tal und der Lankauer See). stoffarmen Biotope im Ostteil.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 63 Eine Übersicht über die wichtigsten Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen:
Komplex Erstinstandsetzungs- fortlaufende Leitarten maßnahmen Maßnahmen - Beispiele - Moorweiher mit Verlan- Grabeneinstau im Niedermoor bis auf Sukzession Rothalstaucher, dungszonen aus Bruch- Geländeniveau, Zerstörung von Rohr- Graugans, Nah- wald, Röhrichten, leitungen zum oberflächlichen, freien rungsrevier von Sümpfen Abfluss des Wassers, ohne weitere See- und Fischadler Gewässerunterhaltung mit freier, jahreszeitlicher Schwankungsbreite der Ausuferung Mineralreiche Hang- und Zerstörung von Flächendrainagen zur Sukzession Hohler Lerchen- Quellwälder im Westteil Regeneration der Quellhorizonte, sporn, Hainschwa- Rückbau von Teichanlagen, Entnahme den, Palustriella von Nadelholz (Cratoneuron) com- mutatum Wechselnasse Pionier- Sukzession Großer Schillerfalter wälder aus Weiden, Birken, Zitterpappel; in Verbindung mit älteren, teilweise bodensauren Hang- und Quellwäldern, sowie Röhrichten im Ostteil Artenreiches Mineral- Aufgabe der Ackernutzung, vorüber- Ganzjahresweide mit Neuntöter, Weißbin- grünland auf reicheren gehende intensivere Beweidung und Mutterkuhhaltung diges Wiesenvögel- und ärmeren Standorten Mahd zur Abschöpfung von Nährstoff- chen; mit hohen Anteilen an überschüssen Jagdrevier für Fle- Dorngebüschen und dermäuse Säumen im Übergang zu Nasswiesen Weiher und Verlan- Entnahme von Fischbesatz gelegentliche Krebsschere, Grüne dungsbereiche im Entkusselung Mosaikjungfer, Sanderbereich Laubfrosch Nasswiesen im Steck- Streuwiesenmahd und/ Graugänse, Braun- nitztal oder Nachweide im kehlchen, Sumpf- (Elbe-Lübeck-Kanal) Herbst dotterblume, Wie- senschaumkraut Heiden, Trockenrasen, Entkusselung, gelegent- Blauflügelige offene Sandflächen lich Beweidung, Mahd Ödlandschrecke, Sandstrohblumen-- Eulchen, Zaunei- dechse, Heidenelke, Genfer Günsel
64 NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – eine positive Entwicklung Abbildung 3: Der ungenutzte Quellwald mit hohem Altholzanteil und „Kalktuffquellen“ prägt den Fuß der Steilhänge.
Natura 2000 Regionaler betreuender Verband Mittlerweile wurde der Westteil des NSG Schließlich ist auch auf die vorbildliche, enga- auch gegenüber der Europäischen Union als gierte Arbeit des betreuenden Verbandes „Na- ein Element des europäischen Netzes Natura tur Panten e.V.“ hinzuweisen, der 2007 das 2000 benannt. Die zur Sicherung der Lebens- 10-jährige Bestehen feiert. Seine Mitglieder raumtypen (Kalktuffquellen und Erlen-Eschen- beobachten und dokumentieren die Gebiets- Auwälder) aktuell umsetzbaren Maßnahmen entwicklung, führen Maßnahmen wie Anstau wurden im Wesentlichen bereits durchgeführt. oder Entkusselungen durch, halten Kontakt zur Entsprechende Aussagen zum Gebietsmana- Örtlichkeit, wirken in der Kinder- und Jugend- gement sind Bestandteil des Konzeptes. Dies arbeit und tragen dadurch maßgeblich zum gilt auch für die Sicherung von Vorkommen Gelingen des Projektes bei. der typischen, aber auch seltenen und gefähr- deten Arten, darunter auch solche der FFH- Weitergehende Informationen zur naturschutz- Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. Zu be- fachlichen Bedeutung und Hinweise zum Be- achten sind dabei zusätzlich die intensiven such des Gebiets enthält das 2006 im Rah- Wechselbeziehungen mit weiteren Flächen men des schleswig-holsteinischen Besucher- des Netzes Natura 2000 in diesem Raum. Ge- informationssystems (BIS) für das Natur- rade an den Vogelarten, die in benachbarten schutzgebiet erstellte Faltblatt, das u. a. beim Vogelschutzgebieten brüten und hier ihre Nah- betreuenden Verband und im LANU erhältlich rung suchen, wird die Intention eines zusam- ist. menhängenden europäischen Schutzgebiets- systems deutlich sichtbar.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 65 Abbildung 4: Nach Abbau der Rohrleitung in 2006 ist der freie Ablauf zwischen den beiden renaturierten Moorweihern wieder hergestellt.
Abbildung 5: Im Ostteil wurden 2006 Entkusselungsarbeiten zur Erhaltung der Heide und der angrenzenden Nasswiesen durchgeführt.
66 NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – eine positive Entwicklung ten Maßnahmen Abbildung 6: Das NSG „Pantener Moorweiher“: die unterschiedlichen Farben zeigen Biotoptypen, Schraffuren eingeleite
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 67 Abbildung 7: Sandflächen und sonnenexponierte Hänge werden aktiv offen gehalten. Sie sind Lebensraum der in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohten Blauflügeligen Ödlandschrecke. (alle Fotos von der Autorin)
Summary A special conception will maintain the further 10 years ago, the „Pantener Moorweiher“ be- development of typically natural to semi-natu- came a nature reserve, but it took almost 20 ral biotopes in this area. During the following years to reach the main goals: Drainage tren- years special management measures will be ches and ditches were destroyed to support carried out, i.e. continuous grazing of wet and the regeneration of water regime, especially dry meadows throughout the year, partially of springs and their surroundings, due to con- clearing in some sandy habitats of endangered solidation of arable land and the purchase of species and abandoning the use of the centre, plots by funds of nature conservation. Becau- especially of forest biotops, springs, ponds se of the occurrence of petrifying springs with and swamps. tufa formation and small residual alluvial fo- rests, it is a proposed site of Community Inte- rest (NATURA 2000). ➢ Martina Kairies Dezernat 33 – Ökosystemschutz Tel. 0 43 47 / 704-343 [email protected]
68 NSG „Pantener Moorweiher und Umgebung“ – 20 Jahre Naturschutzprojekt – eine positive Entwicklung Möglichkeiten der Darstellung des Landschaftswandels über Fernerkundung
➢ Eberhard Tschach
Schon seit über 200 Jahren gibt es detaillierte Dokumentationen von Landschaftselementen sowie von Natur und Landschaft in Form kar- tographischer Darstellungen in Topographi- schen Karten (Abbildung 1): - Aus militärischen Erfordernissen entstan- den z. B. in der 2. Hälfte des 18. Jahrhun- derts die ersten landesweit flächendecken- den Karten für das Herzogtum Holstein und für das kurhannoversche Gebiet (weite Teile des heutigen Kreises Herzogtum Lau- enburg) im Maßstab 1:25.000 sowie für das Herzogtum Schleswig im Maßstab 1: 57.600, mit einer - gemessen an der Leis- tungsfähigkeit damaliger geodätischer Ge- räte - hohen Genauigkeit und Interpretation von Landschaftsbestandteilen. Aus diesen Karten lassen sich die ersten Daten für ein Biotop- und Landschaftsmonitoring ablei- ten.
Abbildung 1: Topographische Karten aus den Jahren 1790, 1879, 1998
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 69 - Die Erfordernis eines einheitlichen Karten- angelegt, dass sie das Zusammenfassen (Ag- werkes nach der Gründung des Deutschen gregation) und Aufgliedern (Segregation) von Reiches und die damit verbundenen höhe- Biotoptypen zulässt. ren administrativen Anforderungen an eine genauere Darstellung ließen die 1. König- Entwicklungen von Geographischen Informati- lich-Preußische Landesaufnahme ab 1871 ons- (GIS) und Bildverarbeitungssystemen so- entstehen, ein Kartenwerk, das in Form wie von sowohl flugzeug- als auch satelliten- und Darstellung bis heute in ganz Deutsch- gestützten Aufnahmesensoren ermöglichen land beibehalten wurde. Verfahren, die weit über herkömmliche Inter- In diesen Karten wurden neben den topologi- pretationsverfahren hinausgehen: schen Daten auch einige Typen des Land- Satellitengestützte Fernerkundungsdaten schaftsinventars wie u. a. Gewässer, Wald, (mit zukünftig bis zu 0,6 m Bodenauflö- Moore, Sümpfe, Heiden, Grünland oder Wall- sung/Bildpunkt) können mit Hilfe von hecken dargestellt. Diese Karten dokumentie- modernen objekt-orientierten Auswertever- ren den Landschaftswandel sehr eindrucks- fahren zur Aktualisierung von Biotopkartie- voll. rungen im weitesten Sinne beitragen. Vo- raussetzung sind zeitnah vor Ort erfasste Eine wesentliche Erweiterung der Daten- Informationen (Biotopbeschreibungen, Ve- grundlage hinsichtlich landschaftsökologischer getationskartierungen), welche als „Refe- Gesichtspunkte bildet die landesweite selekti- renzflächen“ für die semi-automatische ve Biotopkartierung (Abbildung 2) ab Mitte Klassifikation dienen. Über multi-saisonale der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Da- Aufnahmen eines Jahres können Biotop- mit wurde den Naturschutzbehörden ein land- und Landnutzungstypen auch hinsichtlich schaftsbewertendes Instrument an die Hand ihrer Phänologie bzw. ihres Nutzungsmus- gegeben. Die Biotopkartierung wurde eine be- ters charakterisiert werden. deutsame Entscheidungshilfe zur Durchset- Flugzeuggestützte digital aufgenommene zung der in den Naturschutzgesetzen formu- Fernerkundungsdaten (mit bis zu 0,1 m Bo- lierten Ziele des Naturschutzes und der Land- denauflösung/Bildpunkt) können gleichen schaftspflege. Auswertungsverfahren unterzogen wer- den. Die Informationsdichte auf Grund der Eine wichtige ergänzende Grundlage zur Bio- besonders hohen radiometrischen und topkartierung ist die flächendeckende Biotop- geometrischen Auflösung ermöglicht er- typen- und Nutzungstypen Kartierung, die heblich weiter reichende Auswertungstie- über die individuelle Auswertung (Interpretati- fen dieser Bilddaten. Damit ist es möglich, on) von Color-Infrarot-(CIR) Luftbildern der Jah- die schon gute Informationslage, die sich re 1988 – 1991 im Maßstab 1:10.000 durchge- aus einer überwachten Klassifikation von führt wurde. Sie ergänzt das Biotopkataster Satellitenbilddaten erschließt, erheblich zu durch eine detaillierte räumliche Abgrenzung steigern. Eine weitere Verbesserung der und Überprüfungsmöglichkeit der Aktualität Datenlage ergibt sich aus einer ergänzen- der Biotopkartierung. Das Kataster wurde den individuellen Luftbild-Interpretation nach einer von der Arbeitsgemeinschaft Natur- und aus erforderlichenfalls sich ergeben- schutz der Landesämter und –anstalten erar- den Vor-Ort-Kontrollen von nicht eindeu- beiteten Kartieranleitung1 erstellt. Diese ist so tig identifizierbaren Flächen.
Abbildung 2: Biotopkartierung
70 Möglichkeiten der Darstellung des Landschaftswandels über Fernerkundung Abbildung 3: CIR-Luftbild gestützte Biotoptypen- und Nutzungstypenkartierung (1989)
Digital aufgenommene Fernerkundungsdaten (Landbedeckungs- und Landnutzungskartie- werden auch verwendet, um Art und Umfang rungen) zeigt dann Art und Umfang des von Veränderungen von Natur und Landschaft, Landschaftswandels auf einer Karte. Durch Landschaftsinventar und Infrastruktur usw. in- Überlagern von Karten der verschiedenen nerhalb bestimmter Zeiträume darzustellen. Kartierungen oder dieser mit einem aktuel- Dies geschieht zum einen durch Vergleiche len Luft- oder Satellitenbild verdeutlicht der Informationen von Bildpunkten (Pixeln) so- den Landschaftswandel. wie von Auswertungen: moderne Bildverarbei- - Digitale Kataster ermöglichen aber neben tungssysteme können mit Hilfe von Verfah- einer Visualisierung auch, und das ist be- ren zur Veränderungsindikation (change sonders wichtig, statistische Erhebungen detection) Bilddaten verschiedener Aufnah- und Vergleiche. Damit wird der rein opti- mezeiten miteinander vergleichen und auf sche Vergleich noch erheblich verstärkt. Grund der Intensitätsunterschiede auch mögli- - Derartige Vorhaben beschränken sich nicht che Veränderungen anzeigen. Dieses Verfah- nur auf die regionale Ebene. Nationale, eu- ren wurde in dem MoBio-Projekt2 entwickelt ropäische und internationale Initiativen wei- und erprobt. sen in dieselbe Richtung, nur in anderen Maßstäben. Internationale Protokolle, z. B. Das Verfahren kann z. B. bei Aktualisierungen UN Convention on Biological Diversity von Fernerkundungsdaten-Auswertungen wie (CBD) 1992, Pan-European Biological and der CIR-Luftbild gestützten Biotoptypen- und Landscape Diversity Strategy (1994), Kyoto Nutzungstypenkartierung angewendet wer- Protocol (1994), Maastricht Declaration den: ‘Conserving Europe’s Natural Heritage’ - Meist werden multitemporale und multisai- (1993), European Community Biodiversity sonale Satellitenbilddaten miteinander ver- Strategy (1998) sowie Berichtspflichten, z. glichen. Flächen/Räume, für die „Change B. die nach FFH-Richtlinie3 oder das Bund- Detection“ Veränderungen signalisiert, Länder-Abkommen zum Datentausch ge- werden maskiert und einer detaillierten ben die Handlungsgrundlage. Auswertung über digitale Luftbilddaten un- terzogen. Über entsprechende GIS-Routi- Seitens der Europäischen Union und der Euro- nen erfolgt dann eine Aktualisierung z. B. päischen Raumfahrtagentur (ESA) wird die Ini- der Biotoptypen- und Nutzungstypenkartie- tiative „GMES“4 mit einigen Service Elemen- rung. ten (GSE) vorangetrieben, die durch begleiten- - Der Vergleich der Ergebnisse früherer Bio- de, EU-geförderte Forschungsprojekte, wie z. toptypen- und Nutzungstypenkartierungen B. dem GMES-Projekt Geoland ergänzt wer-
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 71 Abbildung 4: Luftbildinterpretation und Monitoring
den. Während die GSE’s - z. B. GSE Forest heitliche/kompatible Datenbankstrukturen zu oder GSE Land Pilot Services - in verschiede- schaffen und damit eine Basis für einen Da- nen europäischen Regionen erprobt wurden, tenaustausch zu begründen. Damit wird die soll nun innerhalb des Folge Projektes Geo- Möglichkeit erschlossen, auch grenzübergrei- land2 ein hochauflösender Land Monitoring fend Daten über Natur und Landschaft zu er- Service (LMCS) operationalisiert werden. Es halten, ein entsprechendes Flächenmonitoring ist davon auszugehen, dass dieser LMCS zu- vornehmen und damit den Landschaftswandel sammen mit nationalen GMES Initiativen in dokumentieren zu können. Zukunft ab ca. 2014 das herkömmliche CORINE LAND COVER LANDUSE COVER ab- Die für die Auswertung von Fernerkundungs- lösen werden. daten erforderlichen Referenzflächen (insbe- sondere zur Kalibrierung und Validierung zu Da auch auf nationaler und regionaler Ebene Zwecken der Interpretation) sollten als Dauer- ein aktueller Bedarf an detaillierteren Daten - flächen eingerichtet werden. Ihre Auswahl er- allerdings nur mittlerer Auflösung – besteht, gibt sich aus dem Erfordernis, die unterschied- wurden parallel zu GMES nationale Initiativen lichen Biotoptypen in den verschiedenen Na- eingerichtet. Für Deutschland ist es u. a. land- turräumen des Landes abzubilden. Denkbar ist seitig „DeCover“ sowie seeseitig „DeMari- die Verwendung des Rasters von Dauerprobe- nes“. Auf regionaler Ebene besteht eine lan- flächen der „Ökologischen Flächenstichpro- desweite Biotoptypen- und Nutzungstypenkar- be“6 und/oder von „LUCAS“7 (Abbildung 7), tierung, deren Aktualisierung geplant ist. deren Ziel es ist, ein deutschland- bzw. EU- Folgerichtig wird zur Harmonisierung der Da- weites terrestrisches Stichprobenverfahren ten/-strukturen seitens der Europäischen Uni- einzurichten, um dauerhaft den Wandel in der on eine „Richtlinie zur Schaffung einer Geoda- Kulturlandschaft zu dokumentieren und so teninfrastruktur in der Europäischen Gemein- Entscheidungshilfen für zahlreiche Politikberei- schaft (INSPIRE5) erarbeitet, um einen einheit- che zu geben. lichen Geodatenpool und damit auch EU-ein-
72 Möglichkeiten der Darstellung des Landschaftswandels über Fernerkundung Abbildung 5 : Fernerkundungsdaten und Darstellungsmaßstäbe für verschiedene Landbedeckungskartierungen
Abbildung 6 : Referenzflächen zur Unterstützung der Fernerkundungsdatenauswertung
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 73 Abbildung 7: 3-D-Modell durch Überlagerung ei- nes digital erzeug- ten Luftbildes mit einem zeitgleich digital erzeugten Oberflächenmodell (HRSC-Ax-Bildflug 2001)
Die Entwicklung geht aber noch einen Schritt Summary weiter: Modern Software for GIS- and image proces- Die Überlagerung von digitalen Fernerkun- sing as well as digital satellite and airborne dungs- und Katasterdaten auf digitale Höhen- multitemporal and multiseasonal images are modelle ermöglicht auch dreidimensionale Dar- allowing detailed mappings which demonstra- stellungen. Diese gestatten es, z. B. Eingriffs- te landscape change by maps and statistics. vorhaben, wie die Errichtung von Windkraftan- Linked with high resolution digital elevation lagen, zu simulieren und somit Veränderungen models formidable 3-D-models can be genera- des Landschaftsbildes zu visualisieren. ted.
Auf die gleiche Art und Weise können auch Strukturen aus alten Karten in das Modell ein- 1 Systematik der Biotoptypen- und Nutzungstypenkartierung (Kartieranlei- gearbeitet oder vorhandene, das Landschafts- tung), Landschaftspflege und Naturschutz, 45 [Neuauflage 73], Bundes- bild prägende Strukturen entfernt werden. So amt für Naturschutz, 2002, Bonn ließe sich der Landschaftswandel über Jahr- 2 Monitoring of Changes in Biotope and Land Use Inventory in Denmark hunderte bis in eine mögliche Zukunft aufzei- and Schleswig-Holstein by means of Satellite Image Analysis and GIS gen. Technology (MoBio), Contract No.: ENV4-CT96-0367 3 FFH -Richtlinie (92/43/EEC) 4 Global Monitoring for Environment and Security Zusammenfassung 5 Infrastructure for Spatial Information in the European Community Moderne GIS- und Bildbearbeitungsverfahren (INSPIRE) sowie digitale satelliten- und flugzeuggestütz- 6 Die ökologische Flächenstichprobe ist Teil der „Umweltökonomischen te multitemporale und multisaisonale Bildda- Gesamtrechnung”, ein gemeinsames Projekt des Bundesamtes für Na- ten ermöglichen detaillierte Darstellungen des turschutz und des Statistischen Bundesamtes Landschaftswandels in Karten und Statistiken. 7 „LUCAS” (Land Use / Cover Area Frame Statistical Survey) In Verbindung mit hochauflösenden digitalen Geländemodellen lassen sich eindrucksvolle 3- D-Modelle erstellen. ➢ Dr. Eberhard Tschach Dezernat 33 – Ökosystemschutz Tel.: 0 43 47 / 704-350 [email protected]
74 Möglichkeiten der Darstellung des Landschaftswandels über Fernerkundung 30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde
Zwei moderne Instrumente des Naturschutzes im Wandel haben Geburtstag
➢ Thomas Holzhüter
Schleswig-Holstein war mehrfach Vorreiter in der bundesdeutschen Naturschutzgesetzge- bung. Es hat Instrumente des „modernen Na- turschutzes“, die Landschaftsplanung auf ver- schiedenen Ebenen und die Eingriffs-/Aus- gleichsregelung bereits 1973 im ersten Land- schaftspflegegesetz eingeführt - noch bevor 1976 der entsprechende bundesrechtliche Rahmen durch das Bundesnaturschutzgesetz geschaffen wurde und die anderen Bundeslän- der nachzogen. Wie wirken sich diese noch immer beste- henden und inhaltlich weiterentwickelten rechtlichen Instrumente auf die natur- schutzfachliche Arbeit der oberen Natur- schutzbehörde aus? Welche Vernetzungen mit anderen Arbeits- gebieten gibt es? Welche Perspektiven haben diese Instru- mente?
Diesen drei Fragen soll im Folgenden nachge- gangen werden.
Zuvor steht aber die Frage: Auf welchen recht- lichen Grundlagen ist das LANU bei Fragen von Landschaftsplanung und Eingriffsregelung tätig? Angesiedelt sind diese Aufgaben im De- zernat 34 – Landschaftsplanung; Eingriffsrege- lung; Kartographie in der Abteilung 3 – Natur- schutz und Landschaftspflege. Das LANU ist hier kein Träger öffentlicher Belange für typi- sche Einzelfälle. Es erarbeitet auch nach § 45b LNatSchG fachliche Planungs- und Entschei- dungshilfen und nach näherer Weisung durch die oberste Naturschutzbehörde, das Ministe- rium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) Fachbeiträge und Stellungnah- men. Daher liegt ein besonderer Fokus nicht nur auf dem Bearbeiten von Großvorhaben oder schwierigen Einzelfällen, sondern auch auf dem Entwickeln von landesweiten Metho-
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 75 den und Standards. Ferner ist es guter stellung der Landschaftsrahmenpläne wurden Brauch, Kolleginnen und Kollegen anderer Ab- ab Mitte der 90er Jahre Projektgruppen ge- teilungen innerhalb des LANU bei ihren Ge- gründet, die abteilungs- und umweltmedien- nehmigungsverfahren, beispielsweise Grund- übergreifend die für die überörtliche Land- wasserentnahmen oder abfallrechtlichen Ge- schaftsplanung relevanten Aspekte in Fachbei- nehmigungen, zu unterstützen. trägen und Karten für das federführende Mi- nisterium dargestellt haben. So gelang es, die Aspekte des Boden- und Wasserschutzes we- Landschaftsplanung – sentlich umfassender und präziser als bisher DIE Fachplanung des Naturschutzes: einzubringen. Als landesweit tätige Fachbehörde liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten in der überörtli- Für die zweite Runde der Landschaftsrahmen- chen Landschaftsplanung, also dem Land- pläne wurde die Kartographie erstmals auf der schaftsprogramm und der Landschaftsrah- Basis GIS-gestützter Daten erstellt. menplanung. Anfang bis Mitte der 80er Jahre wurden für eine erste Aufstellung der Land- Ferner wurden für die örtliche Landschaftspla- schaftsrahmenpläne entsprechend den schles- nung auf Ebene der Gemeinden in vielfältiger wig-holsteinischen Planungsräumen Beiträge Weise die im LANU bzw. in den Vorgängerbe- für das federführende Umweltministerium er- hörden vorhandenen Daten bereitgestellt und arbeitet. Für die Fortschreibung bzw. Neuauf- Beratungen im Einzelfall geleistet.
Die Landschaftsplanung und ihre Aufgaben: Landschaftsplanung hat die Aufgabe, die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes auf Landes-, Regional- und Gemeindeebene zu ermitteln und darzustel- len (§ 4 Abs. 1 LNatSchG). Sie dient der Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und soll An- gaben enthalten über: den vorhandenen und zu erwartenden Zustand von Natur und Landschaft die für den Raum konkretisierten Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Land- schaftspflege danach die Beurteilung des Ist-Zustandes einschließlich der sich daraus ergebenden Konflikte die Erfordernisse und Maßnahmen für den Naturschutz und im Zusammenhang mit Eingriffs- vorhaben. Die Betrachtungen beziehen sich auf den Naturhaushalt mit den Umweltmedien Boden, Wasser, Luft/Klima, Tiere, Pflanzen sowie das Landschaftsbild, die Erholungsfunktionen von Natur und Landschaft und historische Kulturlandschaften. (siehe auch im Umweltbericht: http://www.umwelt.schleswig-holstein.de/servlet/is/23057/)
Für naturschutzfachliche Fragestellungen im schen Kulturlandschaften, konnten bisher engeren Sinne innerhalb der Landschaftspla- nur teilweise eingebracht werden. Sie sind da- nung ist die landesweite Biotopkartierung her von besonderem Interesse für eine Fort- eine wesentliche Quelle. Ihre generalisierten schreibung. So ist geplant, Erkenntnisse aus Ergebnisse gingen vielfach in der Biotopver- einem laufenden Projekt mit dem Landesamt bundplanung auf. Sie enthält zwei Maßstabs- für Denkmalschutz und der Deutschen Bun- ebenen, die im Landschaftsprogramm (landes- desstiftung Umwelt zum Thema Alleen für weite Ebene) und im Landschaftsrahmenplan die überörtliche Landschaftsplanung zu ver- (regionale Ebene) dargestellt, öffentlich im wenden. Rahmen der Verfahren abgestimmt und weit- gehend in die Raumordnung übernommen Auf die Bedeutung GIS-gestützter Daten wur- wurden. Weitere auch in der überörtlichen de bereits hingewiesen. Der Austausch und Landschaftsplanung dargestellte Ergebnisse die Vernetzung vorhandener Daten der ver- sind Vorschläge für die Ausweisung von Na- schiedenen Institutionen und Akteure werden turschutz- und Landschaftsschutzgebieten. in Zukunft aus Gründen der schnellen Reakti- on auf Anfragen, der Sicherung der fachlichen Andere Themen der überörtlichen Land- Qualität der Aussagen und der Kosteneinspa- schaftsplanung, wie die Elemente der Histori- rung an Bedeutung zunehmen. Daher beschäf-
76 30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde tigt sich ein laufendes Projekt im Dezernat 34 roparechtlicher Vorschriften auch für diesen gemeinsam mit dem IT-Dezernat im LANU mit Bereich. Allgemein bekannt ist die Umwelt- der digitalen Landschaftsplanung. Ziel ist es verträglichkeitsprüfung (UVP), die auf der unter anderem, den Gemeinden und Ämtern Projektebene bereits seit 1985 mit Inkrafttre- die für die örtliche Landschaftsplanung verfüg- ten der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom baren aktuellen Daten und Bewertungen mög- 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeits- lichst kurzfristig zugänglich zu machen. prüfung bei bestimmten öffentlichen und pri- vaten Projekten ein Befassen mit umweltme- Um die bundesweiten Diskussionen zum The- dienübergreifenden Fragestellungen erfordert. ma Landschaftsplanung nach Schleswig-Hol- Sie wurde 2001 ergänzt durch die Richtlinie stein zu bringen, werden Fortbildungsveran- 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und staltungen gemeinsam mit der Umweltaka- des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung demie angeboten. der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme für die Strategische Um- Die im April 2007 In-Kraft-getretene neue Fas- weltprüfung (SUP), die derzeit in Schleswig- sung des Landesnaturschutzgesetzes sieht Holstein umgesetzt wird. Zu den dort zu bear- verschiedene Veränderungen gegenüber der beitenden Plänen und Projekten zählen bei- alten Fassung vor. So sollen die Ebene der spielsweise die kommunalen Bauleitplanun- Landschaftsrahmenplanung, die gemeindliche gen oder die Produkte der Landesplanung. In- Pflicht zur Aufstellung von Landschaftsplänen sofern erfolgt - mit verschobenen Schwer- und auch Grünordnungspläne entfallen; das punkten - weiterhin eine umweltmedienüber- erst 1993 eingeführte Landschaftsprogramm greifende Berücksichtigung der Belange von aber bestehen bleiben. Natur und Landschaft auf kommunaler Ebene. Dies wird auch zukünftig durch das LANU mit Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Daten, Methoden und Bewertungen unter- Föderalismusreform und eines möglichen Um- stützt. weltgesetzbuches steigt die Bedeutung eu-
Schutzgüter und Geltungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG): Zweck ist, bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben (Projekten) zur Umweltvorsorge die Auswirkungen auf die Umwelt zu ermitteln, zu bewerten und zu beschreiben, die Öffentlichkeit einzubeziehen, die Ergebnisse so früh wie möglich bei allen behördlichen Zulassungsentscheidungen zu be- rücksichtigen.
Die UVP umfasst die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Schutzgütern.
Die Strategische Umweltprüfung SUP tritt bei wichtigen umweltbedeutsamen Planungsverfah- ren an die Stelle der UVP und ergänzt diese inhaltlich um die Aspekte von Planungsalternativen, Überwachungsmaßnahmen der sich ergebenden erheblichen Umweltauswirkungen und stärkere Beteiligungsrechte.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 77 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung – nungen haben heute nur noch eine geringe keine Angst vor der Kompensation Bedeutung. Auch die seit 1973 praktizierte Eingriffs-/Aus- gleichsregelung befindet sich in einem bestän- Bei vielen Anfragen geht es entsprechend des digen Wandel, ohne dass ihre typische Ent- Vermeidungsgebotes um eine naturschutzver- scheidungskaskade (Beeinträchtigungen von trägliche Trassen- oder Standortwahl. Für die Natur und Landschaft bei Vorhaben vermeiden Beantwortung solcher Fragen auch in einem – minimieren – ausgleichen – ersetzen – Aus- frühen Planungsstadium wird ähnlich wie bei gleichszahlung) wesentlich geändert wurde. der Landschaftsplanung zunächst auf den gro- So ist mit der neuen Fassung des LNatSchG ßen, allerdings landesweit nicht in jedem Fall seit April 2007 der 1993 eingeführte „Positiv- flächendeckenden bzw. aktuellen Datenbe- katalog“ des § 7 Abs. 2 LNatSchG wieder ab- stand zurückgegriffen. Hierzu zählen weiterhin geschafft worden. die flächendeckende Biotopkartierung, die zu- nehmend digital und georeferenziert vorliegen- Die Abteilung Naturschutz und Landschafts- den Luftbilder einschließlich ihrer Interpretatio- pflege im LANU ist traditionell mit der Erar- nen nach verschiedenen Schlüsseln sowie die beitung von Beiträgen und Stellungnahmen umfangreichen Fundpunkte zu einzelnen Tier- für das MLUR befasst. Das Dezernat 34 bear- und Pflanzenarten. Bei Vorhaben im marinen beitet überwiegend atypische und/oder be- Bereich gibt es enge Zusammenarbeiten mit sonders schwerwiegende Einzelvorhaben, dem Dezernat 46 - Küstengewässer und dem wie zum Beispiel der Bau von Bundesstra- Landesamt für den Nationalpark Schleswig- ßen und Autobahnen, der Bau von Hoch- Holsteinisches Wattenmeer. spannungsleitungen oder die Elbvertiefun- gen. Darüber hinaus werden bei entspre- Auf der Basis der im LANU vorhandenen Da- chenden Anfragen auch die unteren Natur- ten und ggf. weiterer, im Regelfall vom Vorha- schutzbehörden der Kreise und kreisfreien benträger in Auftrag gegebener Untersuchun- Städten sowie Planungsbüros bei natur- gen, werden gutachterliche Stellungnah- schutzfachlichen Grundsatzfragen zur Ein- men für die einzelnen Vorhaben verfasst. Ziel- griffsregelung unterstützt. Hier stehen Vorha- richtung ist jedes Mal die Frage, ob die ge- ben wie der Kies- und Sandabbau oder die setzlichen Vorgaben zur Eingriffsregelung ein- Planung von Windkraftanlagen im Vorder- gehalten sind und wenn nicht, durch welche grund. Frühere Arbeitsschwerpunkte wie zusätzlichen Maßnahmen dies erreicht wer- Flurbereinigungsverfahren und Klärwerkspla- den kann.
Abbildung 1: Landschaftsbild, Fledermäuse und Vögel können durch den Betrieb von Windkraftanlagen beeinträchtigt werden.
78 30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde Abbildung 2: Landschaftsplanung und Eingriffs-Ausgleichsregelung ergänzen sich vielfach. Wo die Ortsumgehung der B 76 bei Preetz das Schwentine-Tal – Schwerpunktbereich des Schutzgebiets- und Biotopverbundsystems gemäß Landschaftsrahmenplan und gemeldetes Natura 2000 Gebiet – kreuzt, wird die Straße auf einer Talbrücke und nicht auf einem Damm geführt.
Die Strategien der Eingriffs-/Ausgleichsregelung Im Mittelpunkt der Eingriffsregelung stehen Prognosen von Abläufen und Entwicklungen im Na- turhaushalt und Landschaftsbild unter Beachtung der räumlichen, funktionalen und zeitlichen Di- mensionen, die darlegen: ob und in welchem Umfang mit Beeinträchtigungen zur rechnen ist, ob und in welchem Umfang Vorkehrungen zur Vermeidung der Eingriffsfolgen möglich sind, ob und in welchem Umfang der Eingriff ausgleichbar oder ersetzbar ist, ob die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen ausreichend sind.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 79 NEIN ja ja NEIN NEIN ja NEIN ja ja NEIN ➝ ja NEIN ➝ ➝ ➝ Ist die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen nach der Art des Eingriffs nicht möglich, ökologisch nicht sinnvoll oder kann sie tatsächlich oder rechtlich nicht durchgeführt werden? Werden alle nicht vermeidbaren Beeinträchtigungen ausgeglichen? alle nicht vermeidbaren Beeinträchtigungen Werden ja, keine weiteren Schritte bis auf die spätere Kontrolle erfor- Wenn derlich. ersetzt? alle nicht ausgleichbaren Beeinträchtigungen Werden bis auf die spätere Kontrolle ja, sind keine weiteren Schritte Wenn erforderlich. Wurden alle erheblichen Beeinträchtigungen vermieden? Wenn ja, vermieden? Wenn Wurden alle erheblichen Beeinträchtigungen die spätere Kontrolle erforder- dann keine weiteren Schritte bis auf lich. Ausgleichsmaß- Ersatzmaßnahmen Vermeidungs- Ausgleichszahlung Verfahrensschritte Prüfschritte Prüfschritte Verfahrensschritte es von Vermeidungs-, Verminde-es von Vermeidungs-, gleichs- und Ersatzmaßnahmen ausgeführt und waren sie erfolg- Ermitteln einer Nachweisen der Ausführung und des Erfolg -, Aus- Verminderungs rungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Vermeidungs-, Wurden die notwendigen reich? Ermitteln möglicher nahmen Gegenüberstellen und gewichten der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege einerseits und der Gehen die Belange des Naturschutzes und Landschaftspflege vor? anderen Belange der Allgemeinheit nicht weitergeführt werden das Vorhaben ja, kann Wenn andererseits. Ermitteln möglicher Ermitteln möglicher Abgrenzen des Untersuchungsraumes; Abgrenzen des Untersuchungsraumes; festlegen der Untersuchungsmethodik; und die anzuwenden- Wurden der notwendige Untersuchungsraum und Bestands-Bestandserfassung Beein- angemessen bestimmt? Entstehen erhebliche de Methodik der erheblichen bewertung; ermitteln Beeinträchtigungen trächtigungen? maßnahmen Darstellung und Prognose der von dem und Prognose der Darstellung auf ausgehenden Wirkungen Vorhaben des der Leistungsfähigkeit Sind erhebliche Beeinträchtigungen und Landschaft; begründen Natur und Erholungswertes oder des des Landschaftsbildes Naturhaushalts, beschreiben des Vorhabens es sich um zu erwarten beziehungsweise handelt der Landschaft gemäß Positivliste? ein Vorhaben Der Vollzug der Eingriffsregelung erfolgt Eingriffsregelung der Abfolge: vorgegebenen gesetzlich in einer Der Vollzug 80 30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde Vorhabensträger / Eingriffsverursacher
Planungsbüro
Eingriff-Ausgleich-Bilanzierung Landschaftspflegerischer Begleitplan, Grünordnungsplan
Stellungnahme / Genehmigungsbehörde / Naturschutzbehörde Zulassungs- bzw. Genehmi- Zulassungsbehörde / gungsbescheid / Kommune Gemeindebeschluss
Landschaftspflegerische Ausführungsplanung
Ausführung
Vorhabensträger / Eingriffsverursacher
Ausführender Betrieb
Abbildung 3: Allgemeine Beteiligungsstruktur bei Eingriffsvorhaben
Die in den Einzelberatungen gesammelten Er- Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der letzten fahrungen werden für die Erarbeitung allge- Jahre in diesem Zusammenhang war der 2004 meiner Standards und Bewertungsmethoden vom Wirtschafts- und Umweltministerium ge- weiterverwendet. So wird derzeit gemeinsam meinsam verabschiedete Orientierungsrah- mit Vertretern der Kreise und kreisfreien Städ- men Straßenbau. Er bedarf ebenso wie das te eine Arbeitshilfe für die Durchführung von Vorläuferverfahren aus dem Jahr 1985 ver- FFH-Verträglichkeitsprüfungen erarbeitet. Sie schiedentlich der gemeinsamen Interpretation kommt insbesondere den unteren Natur- mit dem Landesbetrieb für Straßenbau und schutzbehörden sowie AntragstellerInnen zu- Verkehr. Weitere Bewertungsverfahren, die gute und entlastet das LANU von entspre- sich derzeit in der Entwurfsphase befinden, chenden Anfragen. Zusätzlich werden Fortbil- befassen sich mit Küstenschutzbauwerken dungsveranstaltungen gemeinsam mit der oder dem Abbau von Mittelspannungsleitun- Akademie für Natur und Umwelt angeboten, gen. bei denen der Erfahrungsaustausch aller Betei- ligten großen Raum einnimmt.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 81 Durch die gesellschaftliche Entwicklung aus. Auf die UVP- und die SUP-Richtlinien kommt es regelmäßig zu neuen, landschafts- wurde bereits hingewiesen. Aus der FFH- verändernden Entwicklungen und neuen Ein- Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie er- griffstypen. Dazu zählen beispielsweise die gibt sich unter bestimmten Voraussetzungen Nutzungen von Wind– und Solarenergie oder die Pflicht zur Durchführung einer FFH-Ver- von Biomasse. Hierzu werden fachliche Kriteri- träglichkeitsprüfung oder einer speziellen envorschläge für eine natur- und landschafts- Artenschutzbetrachtung. Insgesamt ist es verträgliche Standortwahl erarbeitet und an seit Bestehen der Eingriffsregelung zu einer neue Erkenntnisse angepasst. So wurden Vervielfachung der zu sichtenden Unterlagen 2006 Berichte für eine naturschutzkonforme und der zu berücksichtigenden rechtlichen und Planung von Solarfarmen und über aktuelle Er- fachlichen Grundlagen gekommen. kenntnisse zum Thema Vögel, Fledermäuse und Windenergie für das MLUR erstellt. Im Dabei kann es vorteilhaft sein, früh und neben Zusammenhang mit der Umsetzung der EU- den gesetzlichen Beteiligungsverfahren das Wasserrahmenrichtlinie hat ein Mitarbeiter bei LANU z. B. zur Klärung von Untersuchungs- den „Empfehlungen zum Bau von Sohlgleiten räumen und –methoden sowie der zu betrach- in Schleswig-Holstein“ mitgewirkt. tenden Artengruppen einzubeziehen. Gleiches gilt für die Suche nach geeigneten Kompensa- Im Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG), wie tionsflächen und Einzelfragen der Aufwertung auch in verschiedenen Fachgesetzen, so dem oder Pflege von Flächen sowie im Zusammen- Flurbereinigungsgesetz, dem Fernstraßenge- hang mit Fragen zum Ökokonto. Dies erfor- setz etc., ist vorgesehen, die Aspekte der Ein- dert zusätzliche Arbeiten, zumal viele Detailfra- griffsregelung in einem Landschaftspflegeri- gen mit den Fachleuten anderer Dezernate ab- schen Begleitplan darzustellen. Wiederum gestimmt werden müssen. Andererseits hat durch Entwicklungen auf europäischer Ebene es sich gezeigt, dass mögliche Fehlentwick- reicht dieses eine Dokument zur Abarbeitung lungen im Interesse aller so frühzeitiger er- aller Naturschutzaspekte heute nicht mehr kannt werden.
Abbildung 4: Wertvolle Nasswiesen, Kleingewässer und strukturreiche Gehölzsäume auf einer Ökokonto-Fläche
82 30 + 3 Jahre Landschaftsplanung und Eingriffsregelung in der oberen Naturschutzbehörde Ausblick public authorities with general information and Auch beim Instrument der Eingriffs-/Aus- to give statements for environmental impacts. gleichsregelung erfahren – ähnlich wie bei der LANU is the leading authority in collecting Landschaftsplanung – die nationalen Bestim- data about the distribution of species, assess- mungen zunehmend eine Ergänzung durch die ments of the data and it develops assessment europäische Gesetzgebung. So bedient sich procedures for impacts in nature. The results die FFH-Verträglichkeitsprüfung im Zusam- of habitat-mapping, fauna-data, the habitat net- menhang mit Natura 2000-Gebieten einer sehr work, the red-data endangered species books ähnlichen Entscheidungskaskade. Ähnliches and suggestions for nature and landscape re- gilt für die immer bedeutsamer werdenden serves are examples of such data. Belange des europäischen Artenschutzes. So entsteht der Eindruck, dass die Ideen aus These working-materials are used to support Schleswig-Holstein nach 30+3 Jahren einen the Ministry in compiling landscape frame- Siegeszug bis in die europäischen Institutio- work plans and the landscape programme. nen angetreten haben. In jedem Fall geht es Both are also the environmental basics in spa- dabei um die Bewahrung und um die Siche- tial planning. For the integrated maps, LANU rung unseres Naturerbes für die nachfolgen- uses advanced GIS-technology (GIS = Geoin- den Generationen. formationsystem). Other projects deal with di- gital information for local landscape plans and Und es zeichnen sich weitere neue Aufgaben the historical cultural landscape. ab: - Wie wirken sich die drängenden Fragen The Impact Regulation according to the Natu- und Umsetzungsstrategien zum Klima- re Conservation Regulation makes permits for schutz in der Fläche aus? environment harming impacts necessary. It - Welche Rolle wird zukünftig beispielsweise comprises the steps in avoiding and minimi- die Ausbringung gentechnisch veränderter zing environmental impacts and of compensa- Organismen spielen? ting or substituting damaged ecological functi- - Wie lassen sich in Zeiten abnehmender ge- ons. setzlicher Mindeststandards die natur- schutzfachlich und landschaftspflegerisch In statements for the Ministry and other au- weiterhin sinnvollen Qualitätsanforderun- thorities, LANU gives notes how to optimize gen an Planungen kooperativ vermitteln? environmental damaging plans like highway- building, power-lines, diggings and windmills. Eines steht zumindest fest: auch in Zukunft Other activities deal with finding and optimi- werden die in 30+3 Jahren gut gestimmten zing environmentally valuable compensation Instrumente des Naturschutzes und der Land- measures. schaftspflege ein zuverlässiger Bestandteil ei- ner modernen Umweltsicherung sein und Le- In recent years, the environmental law has bensqualität sichern helfen. come under the influence of the European Community. Assessment pursuants of the Ha- bitats Directive and of the Birds Directive are a Summary new and important field of activities with ser- In the past, the legislation of the nature con- vices for other authorities and private planning servation law of Schleswig-Holstein was a pro- companies. Other european regulations con- totype in Germany. Thirty-three years ago, cerning nature are the Environmental Impact landscape planning and the Impact Regulation Assessment and the Strategic Environmental according to the Nature Conservation Regulati- Assessment. on were obligatory by law.
The State Agency for nature and environment ➢ Dr. Thomas Holzhüter LANU was involved in many aspects in finding Dezernat 34 - Landschaftsplanung; Eingriffs- answers for functional questions of nature regelung; Kartographie conservation on the fundamental basis of this Tel.: 0 43 47 / 704-337 law. The aim is to supply other nature conser- [email protected] vation administrations, planning agencies and
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 83 84 Neue Planungsgrundlagen für den Schutz von Vögeln und Fledermäusen im Hinblick auf die Windenergienutzung
➢ Ismene Mertens
Das Landesamt für Natur und Umwelt (LANU) hat 2006 ein fachliches Konzept für den Be- reich der Vögel (Avifauna) entwickelt, das für zukünftige Windkraftplanungen in Schleswig- Holstein eine Entscheidungshilfe sein soll. Dieses Konzept soll noch um den Bereich „Schutz der Fledermäuse“ ergänzt werden.
Im Oktober 2006 hat das Michael-Otto-Institut im Auftrage des LANU eine Studie „Auswir- kung des `Repowering´ von Windkraftanlagen auf Vögel und Fledermäuse“ fertig gestellt. Neue Literatur und Studien wurden ausgewer- tet, mit dem Ziel, die Auswirkungen der neuen Generation von Windkraftanlagen auf Vögel und Fledermäuse besser beurteilen zu kön- nen. Methode und Auswertung orientieren sich an der vom Bundesamt für Naturschutz unterstützten Literaturstudie „Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biolo- gische Vielfalt am Beispiel der Vögel und der Fledermäuse“ (HÖTKER et al., 2004; http://bergenhusen.nabu.de/bericht/ VoegelRegEnergien.pdf). Das dort bereits aus- gewertete Material wurde in die Studie mit einbezogen. Grundsätzlich neue Ergebnisse haben sich nicht ergeben, allerdings ergaben sich einige Konkretisierungen:
Naturschutzfachlich wird sowohl für Neupla- nungen als auch für das Repowering (Ersatz alter durch moderne Anlagen) angestrebt, die Windenergie außerhalb von bedeutsamen Le- bensräumen und Zugkorridoren für Vögel und Fledermäuse auszubauen. Das Repowering von Windkraftanlagen könnte im Sinne einer „Flurbereinigung“ zu einer positiven Neupla- nung von Windkraftstandorten genutzt wer- den, wenn Windparks und Einzelanlagen aus kritisch bewerteten Bereichen in eher unprob- lematische Bereiche verlegt würden.
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 85 Windkraftanlagen sollten möglichst nicht in der Nähe bedeutsamer Lebensräume oder in Zugkorridoren von Vögeln und Fledermäusen er- richtet werden
Für Vögel werden insbesondere Standorte in Summary Gewässer- und Küstennähe sowie Flugkon- The State Agency for Nature and Environment zentrationskorridore als kritisch beurteilt. Im in Schleswig-Holstein (LANU) has surveyed Konzept des LANU werden neben einer Ge- and mapped important and significant bird ha- bietskulisse für bestimmte Vogelarten das bitats, in which wind farms become a serious Freihalten der Brutplätze, der Nahrungshabi- hazardous threat for birds. Furthermore the tate und der dazwischen liegenden Flugwege State Agency recommends for certain large vorgeschlagen. Die zu untersuchenden Vogel- bird species and birds of prey specific undis- arten und Abstandsempfehlungen zu den Ha- turbed surroundings so that they are able to bitaten wurden zwischen den Vogelschutzwar- breed, brood and hatch out their young and ten der Länder abgestimmt. for flights to their feeding grounds. Sensitive species in regard to wind farms are also bats, Für Fledermäuse sollen bedeutende Lebens- whose significant habitats in Schleswig-Hol- räume zunächst auf der Grundlage der vorhan- stein are now being examined and mapped denen lückigen Datengrundlage benannt wer- according to the required surveying standards. den. Es werden bekannte bedeutende Le- bensräume und -stätten benannt sowie poten- tiell bedeutsame Biotoptypen und –komplexe ➢ Ismene Mertens beschrieben. Außerdem werden standardisier- Dezernat 34 – Landschaftsplanung; Eingriffsre- te Empfehlungen für Fledermausuntersuchun- gelung; Kartographie gen im Rahmen von Windkraftplanungen for- Tel.: 0 43 47 / 704-351 muliert und Angaben gemacht, unter welchen [email protected] Voraussetzungen die Windenergienutzung ein besonderes Risiko für Fledermäuse darstellen kann.
86 Planungsgrundlagen zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen im Hinblick auf die Windenergienutzung Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für Europäische Schutzgebiete – Im Mittelpunkt steht das Gebiet!
➢ Sabine Thiessen
Den nach der Fauna-Flora-Habitat (FFH) -Richtli- nie geschützten Gebieten sowie den EU-Vogel- schutzgebieten steht ein besonderes Schutzregi- me zur Seite, das den dauerhaften Schutz der Arten und Lebensräume gewährleisten sowie die Kohärenz, also die Stimmigkeit der Gebiets- kulisse sichern soll – und doch gleichzeitig Vorha- ben im Nahbereich dieser Gebiete oder direkt in ihnen nicht von vornherein ausschließt.
Mit der FFH-Verträglichkeitsprüfung, in Artikel 6 Absätze 3 und 4 der FFH-Richtlinie, haben die EU-Mitgliedsstaaten ein Verfahren eingeführt, welches sich von zwei anderen Prüfinstrumen- ten der Umweltvorsorge und der Optimierung von Vorhaben vor allem in einem Punkt recht deutlich unterscheidet: Während Eingriffsrege- lung und Umweltverträglichkeitsprüfung näm- lich „vom Projekt“ und seinen allgemeinen Aus-
Einblicke in die Vielfalt eines Europäischen Schutzgebietes in Schleswig-Holstein: Das Naturschutzgebiet „Kleiner Binnensee und angren- zende Salzwiesen an der Hohwachter Bucht“ (Foto: Heiko Grell)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 87 wirkungen auf die Umwelt und die Menschen Die Vogelarten und deren Lebensräume aus flächendeckend prüfen, untersucht die FFH-Ver- Anhang I, Zugvögel nach Artikel 4 Absatz 2 träglichkeitsprüfung mit Blick „vom Gebiet“ der Vogelschutz-Richtlinie, bei Betroffenheit und damit aus der Sicht der betroffenen Arten eines EU-Vogelschutz-Gebietes und Lebensräume. Die arten- und lebensraumbezogenen Anga- ben im Standarddatenbogen Die FFH-Verträglichkeitsprüfung fragt also: Wer- Die Managementpläne/Pflege- und Entwick- den Lebensräume aus Anhang I, werden Arten lungsmaßnahmen aus Anhang II der FFH- Richtlinie, werden Vogel- Die Daten aus den Grundlagenerfassungen arten und deren Lebensräume aus Anhang I so- der FFH-Gebiete und geeignete zusätzliche wie Zugvögel nach Artikel 4 Absatz 2 der Vogel- Informationen schutzrichtlinie möglicherweise erheblich beein- Die landesbezogenen Arbeitshilfen wie Kar- trächtigt? Als einem Instrument des Gebiets- tieranleitungen und Steckbriefe managements kommt der FFH-Verträglichkeits- Die funktionalen Beziehungen der Arten und prüfung auch die Aufgabe zu, durch ihren integ- Lebensräume untereinander und zu anderen rativen Ansatz die Zulassung von Plänen und Natura 2000-Gebieten Projekten so zu gestalten, dass die geschützten Die Vorbelastungen, die sich unter Umstän- Arten und Lebensraumtypen auch weiterhin in den in einem ungünstigen Erhaltungszustand ihrem „Erhaltungszustand“ im Sinne Artikel 1 der Arten und Lebensräume widerspiegeln. der FFH-Richtlinie verbleiben. Die Integrität des Gebietes ist zu wahren. Es bedarf eines guten Überblicks, insgesamt und „en detail“, damit im Rahmen der FFH-Verträg- Zwar finden sich in allen drei Prüfverfahren der lichkeitsprüfung die „Gebietsverträglichkeit“ ei- Umweltvorsorge noch weitere Unterschiede, wie nes Projektes oder Planes geprüft werden kann. etwa bei den Rechtsfolgen, dem Anwendungsbe- Die Gebiete im Netz NATURA 2000 müssen reich oder in den zu betrachtenden Schutzgütern. „gut versorgt“ sein: alle vorliegenden und erfor- Dennoch stellt sich gerade die Gebietssicht als derlichen Informationen sind in das Prüfverfahren besonderes Unterscheidungsmerkmal „im Ein- einzustellen. Die eingangs erwähnte „Gebiets- gangsbereich“ des Prüfverfahrens dar. sicht“ ist hierbei die zentrale Voraussetzung.
Im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung wird Diese spezielle Sicht versuchen die zuständigen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Infor- Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Natur- mationen über Arten und Lebensraumtypen die schutz und Landschaftspflege im LANU bei Bera- Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen tungen von Kommunen und Zulassungsbehörden, durch ein Vorhaben überprüft. Die für das Gebiet Büros und Einzelpersonen weiterzuvermitteln. aufgestellten Erhaltungsziele spielen dabei eine wichtige Rolle; sie sind das „Herzstück“ jedes FFH-Prüfverfahrens, der wichtigste Prüfmaß- Summary stab, an dem sich die Verträglichkeit oder Unver- For the Natura 2000 sites a special protection träglichkeit von Plänen und Projekten entschei- system exists which differs from the other in- det. „Aus Gebietssicht“ fundiert aufgestellt, be- struments regarding environmental care and con- inhalten sie die Grundzüge dessen, was an Maß- servation. With the appropriate assessment of nahmen und Maßgaben erforderlich ist, damit plans and projects significantly affecting Natura ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung 2000 sites, a view considered “from the point seinen Erhaltungszustand, in dem es gemeldet of the site” is needed to convert the assess- wurde, behält – oder was erforderlich ist, diesen ment required in Article 6 (3) and (4) of the Habi- wieder zu verbessern: Wiederherstellungsmög- tats Directive (Council Directive 92/43/EEC on lichkeiten sind also zu beachten. the conservation of natural habitats and of wild Welche Informationen sind erforderlich, um für fauna and flora). Therefore adequate information das jeweilige Schutzgebiet einen Maßstab für is required, such as the conservation objectives die Verträglichkeit aufzustellen? Neben der aktu- of the site, the Natura 2000 standard data forms ellen Bezeichnung des Gebietes sowie den ge- for the site, site´s management plans, the con- nauen Abgrenzungen sind es: servation status of the site, key attributes of any Die für alle FFH-Gebiete und EU-Vogelschutz- Annex I habitats or Annex II species on the site gebiete landesweit vorliegenden Erhaltungs- and key structural as well as functional relations- ziele hips that create and maintain the site´s integrity. Der Schutzzweck, soweit ein Naturschutzge- biet ausgewiesen ist Die Lebensräume aus Anhang I der FFH- ➢ Sabine Thiessen Richtlinie Dezernat 34 – Landschaftsplanung; Die charakteristischen Arten der Lebensräu- Eingriffsregelung; Kartographie me aus Anhang I der FFH-Richtlinie Tel.: 0 43 47 / 704-340 Die Arten aus Anhang II der FFH-Richtlinie [email protected]
88 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für Europäische Schutzgebiete – Im Mittelpunkt steht das Gebiet! „WaFIS-Abwasser“ – Datenmanagement in der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Schleswig-Holstein
➢ Peter Janson und Manfred Spiegel
1. Einleitung Die ständig zunehmenden Mengen an spezifi- schen Fachdaten und die Ansprüche an die weitere Verarbeitung bedingen eine Vielfalt entsprechender Fachinformationssysteme. Dieser Notwendigkeit trug das Land Schles- wig-Holstein frühzeitig Rechnung und begann Anfang der 90er Jahre mit der Entwicklung ei- nes Wasserwirtschaftlichen FachInformations- Systems Schleswig-Holstein – WaFIS-SH.
Das WaFIS-SH ist aufgaben- und anwendungs- modular aufgebaut. Die im Rahmen dieses Arti- kels betrachteten WaFIS-Abwassermodule wer- den als Client-Server- oder auch als Windows- Terminal-Server (WTS)-Anwendung betrieben und sind Bestandteil des K3-Umwelt-Software- produktes der Firma KISTERS AG aus Aachen, welches auf die besonderen schleswig-holstei- nischen Verhältnisse angepasst wird.
Das Fachinformationssystem WaFIS-SH dient der gesamten (kommunalen und staatlichen) Wasserwirtschaftsverwaltung in Schleswig-Hol- stein als Werkzeug zur Erfüllung von Grundla- genermittlungs-, Planungs- und Vollzugsaufga- ben sowie zur Gewinnung, Aufbereitung, Ver- waltung, Auswertung, Verbreitung bzw. Veröf- fentlichung von Daten wasserwirtschaftlicher Objekte (z. B. Gewässer, Gebiete, Anlagen, Messstellen usw.) mit folgenden Zielen: Unterstützung der Aufgabenerledigung, Verbesserung der Informationsgrundlagen, Mehrfachnutzung derselben Informationen, Rationalisierung der Verwaltungsabläufe, Verbesserung des Informationsaustau- sches zwischen den Wasserbehörden, Erfüllung von Berichtspflichten gegenüber der Öffentlichkeit, dem Bund, der EU und den sonstigen nationalen, internationalen und supranationalen Gremien.
2. Beteiligte und Datenströme Beteiligt an der Entwicklung und Umsetzung sind sowohl die oberste Wasserbehörde (Mi- nisterium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume - MLUR) und die Obere Was- serbehörde (Landesamt für Natur und Umwelt - LANU) als auch die unteren Wasserbehörden (Staatliche Umweltämter, Kreise und kreisfreie Städte).
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 89 Abbildung 1: Digitaler Datenfluss im WaFIS-Abwasser
Die einzelnen Anwendungen wurden und wer- Weitere Bestandteile des K3-Umwelt-Grund- den so entwickelt, dass sie sowohl die Belan- systems sind die Benutzerverwaltung, ein ge der Fachverwaltung des Landes, als auch Nachrichten- und Terminverwaltungssystem die der Unteren Wasserbehörden berücksichti- und die systemeinheitlichen Kataloge. Schnitt- gen. Eine eng verzahnte Zusammenarbeit er- stellen zu Bürokommunikations- und Geoinfor- laubt die gemeinsame Nutzung des gesamten mationssystemen werden genutzt. Der ge- Datenbestandes. samte Analyseprozess zum Auffinden, Filtern, Analysieren und Aufbereiten von Informatio- Hierbei sind die Zuständigkeiten klar verteilt. nen bis zur Berichterstellung erfolgt dabei mit Die jeweils zuständige Dienststelle besitzt alle Hilfe des Softwareproduktes Cadenza der disy Rechte, Daten zu erfassen und zu pflegen (z. Informationssysteme GmbH, Karlsruhe. B. für ein Wasserrecht). Alle anderen Dienst- stellen können im Rahmen der Zuständigkeit lesend auf diese Daten zugreifen und sie so- 3.1 Komponenten des Grundsystems mit für ihre Aufgabenerledigung nutzen.
3.1.1 Benutzerverwaltung 3. Struktur WaFIS-SH / K3-Umwelt Registrierung der Benutzer, Vergabe von Zu- K3-Umwelt besteht aus einer Familie von gangsberechtigungen zu den einzelnen Fach- Grundlagen- und nicht nur wasserwirtschaftli- anwendungen und sonstige Systemeinstellun- chen Fachmodulen, sondern auch weiteren gen (z. B. Vorbelegung von Aktenzeichen). Umweltanwendungen. Jedes Fachmodul ist auch für sich gesehen alleine voll funktionsfä- hig. 3.1.2 Vorgangsverwaltung / Wiedervorlage Gemeinsame Basis und Verbindungsstelle al- Dokumentation von Vorgängen und ihre auto- ler Fachanwendungen ist das zentrale Grund- matische oder manuelle Verfolgung. Ablage system von K3-Umwelt. Hier werden alle be- und Verwaltung von beliebigen Dokumenten. reichsübergreifenden Daten wie Anschriften, Wiedervorlagesystem, das in den einzelnen Standort-, Betriebsinformationen und Mess- Fachverfahren eingetragene Wiedervorlagen stellen zentral verwaltet. überwacht und die Mitarbeiter automatisch benachrichtigt.
90 „WaFIS-Abwasser“ – Datenmanagement in der Wasserwirtschaftsverwaltung Schleswig-Holstein Abbildung 2: K3-Umwelt-Grund- system / Fachan- wendungen
3.1.3 Schlüssellistenverwaltung 3.1.5 Import / Export / Verwaltung und Pflege zentraler Schlüsselka- Bürokommunikation taloge. Im Rahmen der Systemadministration MS-Word, Excel und variable Serienbrieffunk- können Berechtigungen für die Bearbeitung tionalität. von Katalogen gesondert vergeben werden.
3.1.6 Auswertefunktionalitäten und 3.1.4 Adress- und Standortverwaltung Reporterstellung Zentrale Bearbeitung aller Adress- und Stand- Zentral und fachübergreifend durch die Integ- ortinformationen für eine lückenlose und über- ration von Cadenza. greifende Verwaltung innerhalb des Landes Schleswig-Holstein mit z. B. Standortadresse, geographischen Angaben (u. a. Gemarkung, 3.1.7 Zentrale Messstellenverwaltung Flur, Flurstück) und Koordinaten. Möglichkeit Standardisierter Import und Export von Mess- der Anzeige von allen umweltrelevanten Vor- werten, Erfassung von Güte- und Mengenda- gängen zu einem Standort (verfahrensüber- ten, variable Parameterlisten und graphische greifende Abfrage). Aufbereitung.
Abbildung 3: Beispiel-Maske Zentrales Mess- stellenmodul (Überwachungsda- ten Direkteinleiter)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 91 3.1.8 Schnittstelle Berichtswesen 3.1.9 Schnittstelle Neben den fest installierten Berichtsfunktio- Geoinformationssysteme nen verfügt WaFIS über eine Schnittstelle zum Auswertungen von umweltrelevanten Daten Auswertetool Cadenza. Die Kisters AG als mit Hilfe von Geoinformationssystemen in the- Partner der Kooperationsvereinbarung Um- matischen Karten sind ein wichtiger Bestand- weltanwendungen hat gemeinsam mit der teil eines Umweltinformationssystems. Sie hel- disy Informationssysteme GmbH auf der Basis fen komplexe Tatbestände übersichtlich darzu- von CADENZA ein neues und variables Kon- stellen und Konfliktsituationen zu erkennen. zept zur umfassenden Auswertung der K3- Eine bidirektionale Daten- und Kommunikati- UMWELT-Fachdaten erarbeitet. Durch die Er- onsschnittstelle bildet die Grundlage für eine weiterung der vormals auf den Ressortbereich einfache Integration des GIS in den täglichen des MLUR beschränkten Nutzungsrechte auf Arbeitsablauf. Die offene Schnittstellenstruktur die Kreise und kreisfreien Städte steht damit ermöglicht die Anbindung beliebiger GIS-Syste- ein landesweit einheitliches Auswertetool im me (u. a. ArcGis, MapInfo, GisEy). In K3-Um- Bereich der Umweltverwaltung zur Verfügung. welt sind derzeit standardmäßig Schnittstellen zu SICAD/SD®, zum GIS-Studio für ESRI®-Da- tenformate und zu ArcView® bereitgestellt.
Abbildung 4: Beispiel GIS- Schnittstelle
Probenahme auf der Kläranlage Aus- sacker – rechts der Probenahme- schacht im Ablauf der Anlage.
92 WaFIS-Abwasser“ – Datenmanagement in der Wasserwirtschaftsverwaltung Schleswig-Holstein Für die Beurteilung der Reinigungsleis- tung einer Abwas- serbehandlungsan- lage sind regel- mäßige Probenah- men notwendig. Die Analyseergeb- nisse der Proben werden im WAFIS erfasst und stehen anschließend den Anwendern für ver- schiedenste Frage- stellungen zur Ver- fügung. Die auf dem Foto darge- stellte Probenahme wurde im Rahmen eines Sonderunter- suchungspro- gramms „Prioritäre Stoffe in Kommu- nalen Kläranlagen“ durch Mitarbeiter des LANU durchge- führt.
3.2 Abwasser-Fachmodule Nicht alle Anlagenteile stehen in jedem Fach- Die Fachmodule dienen der Verwaltung aller modul zu Verfügung. Stammdaten und Informationen zu den mögli- chen Anlagenelementen: Alle Fachmodule sind nach demselben Sche- Anfallstellen ma aufgebaut und erhöhen damit die Effizienz Behandlungsanlagen (Vorklärung, Nachrei- der Bearbeitung, da eine Umgewöhnung bei nigung) der Bedienung der Masken nicht notwendig Kontrollstellen ist. Landesweit betrachtet liegen folgende Da- Einleitungsstellen. tenmengengerüste bei den Wasserbehörden vor:
Tabelle 1: Anzahl der Datensätze in den Fachmodulen WaFIS-Abwasser
Fachmodul Anzahl Kleinkläranlagen 58.000 Niederschlagswasser 13.500 Direkteinleiter 11.100 Wasserrechte 10.000 Abwasserabgabe 10.000 (2.000 Bescheide pro Jahr neu dazu)
3.2.1 Wasserrechte sen, Bewilligungen, Genehmigungen usw.) so- Das Modul Wasserrechte dient den zuständi- wie dem Führen des Wasserbuches. Als zent- gen Wasserbehörden im Zusammenhang mit rale Moduleinheit beschränkt es sich nicht nur den Fachmodulen (Direkteinleiter, Nieder- auf den Bereich Abwasser, sondern steht schlagswassereinleiter und Kleinkläranlagen) fachübergreifend auch für den Bereich der als Unterstützung bei der digitalen Erfassung Grundwasserüberwachung zur Verfügung. bzw. Erteilung von Wasserrechten (Erlaubnis-
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 93 Abbildung 5: Beispiel-Maske Wasserrechtsmo- dul (Details)
Zur Verfügung stehende Funktionen: Einrichtung und Pflege von Stammdaten für Einrichtung und Pflege von Wasserrechten Direkteinleiter, z. B. Name, Aktenzeichen, im Zuständigkeitsbereich (hier werden alle Planungsdaten, Standortinformationen, rechtsrelevanten Daten erfasst, z. B. Ak- Adressen für Betreiber, Eigentümer und Be- tenzeichen, Rechtstitel, Befristungsdatum, triebsort, technische Daten, Einleitungsstel- Rechtsinhaber, Rechtsverhältnis, Nutzungs- len, Kontrollstellen, Netzdaten. ort, Überwachungsparameter, Überwa- Bescheiderstellung für die Erstattung der chungswerte, Verfahrensstand) im Rahmen der Beprobung angefallenen Erstellung von Erlaubnisbescheiden bzw. Kosten. Bewilligungsbescheiden Eingabe und Pflege von Ergebnissen der Einrichtung des Wasserbuches Selbstüberwachung. Ausdruck des Wasserbuchblattes eines Eingabe und Pflege von Daten der behördli- Wasserrechtes chen Überwachung. Reporterstellung (Auswertung der vorhan- Einleitungsmengen des Direkteinleiters er- denen Rechte) fassen und auswerten. Auskunfts- und Berichtsfunktion. Analysedaten für Direkteinleiter erfassen, auswerten und sie grafisch und tabellarisch darstellen. 3.2.2 Direkteinleiter Parameter- und Vergleichslisten zur Erfas- Die Anwendung “Direkteinleiter” dient zur sung und Ansicht von Analysedaten konfi- Verwaltung und Überwachung von Direktein- gurieren. leiterdaten. Mit diesem Modul können die Stammdaten der Anlagen, die abwasserabga- berelevanten Daten, die Überwachungsdaten 3.2.3 Niederschlagswasser sowie weitere Ergebnisse der behördlichen Das Modul “Niederschlagswasser” dient zur Überwachung (Verwaltungsvorgänge, Vermer- Verwaltung und Überwachung von Daten zur ke) erfasst werden. Zusätzlich werden Über- Einleitung von Niederschlagswasser. Mit ihm wachungsfunktionen (z. B. auf Grenzwertüber- können die Stammdaten der Anlagen sowie schreitung) angeboten. Die Anwendung unter- Ergebnisse der behördlichen Überwachung stützt in erster Linie die Unteren Wasserbe- (Verwaltungsvorgänge, Vermerke) erfasst wer- hörden bei der Gewässeraufsicht. den. Das Modul unterstützt in Schleswig-Hol- Zur Verfügung stehende Funktionen: stein in erster Linie die Unteren Wasserbehör- Auflistung der gewünschten Anlage/n in ei- den bei ihren Aufgaben. ner zentralen Auswahlmaske. Der Inhalt der Liste kann gedruckt, an eine Serien- Zur Verfügung stehende Funktionen: brieffunktion übergeben oder in einer Karte Auflistung der gewünschten Einleitungsstel- dargestellt werden. len von Niederschlagswasser über variable
94 WaFIS-Abwasser“ – Datenmanagement in der Wasserwirtschaftsverwaltung Schleswig-Holstein Abbildung 6: Beispiel-Maske Direkteinleiter (Fließschema/Kopf- daten)
Filtermöglichkeiten in einer zentralen Aus- Versendung von Serienbriefen an eine belie- wahlmaske. Der Inhalt der Liste kann expor- bige Anzahl von Adressaten/Anlagen tiert, gedruckt oder in einer Karte im ange- (z. B. Eigentümer oder Betreiber). schlossenen GIS-System dargestellt werden. Festlegung von Dokumentvorlagen, die in Einrichtung und Pflege von Stammdaten für der Anwendung “Niederschlagswasser” zur Einleitungsstellen von Niederschlagswas- Erstellung von Dokumenten genutzt werden ser, z. B. Name, Aktenzeichen, Informatio- können. nen zur Einleitungsstelle (mit GIS-Kopplung) Für das Einzugsgebiet werden Informationen und andere allgemeine Daten, Adressen für zu Netz, Mengen und Flächen sowie jahres- Betreiber und Eigentümer und technische weise abgaberelevante Daten und Informa- Daten. tionen zu verrechnungsfähigen Aufwendun- Eingabe und Pflege von Daten zu Herstel- gen abgelegt. Diese Daten werden auch zur lungsfristen und Genehmigungsdaten sowie Abwasserabgabenberechnung herangezo- eine allgemeine Wiedervorlagefunktion. gen.
Abbildung 7: Beispiel-Maske Niederschlagsein- leiter (Fließsche- ma/Kopfdaten)
Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 95 Abbildung 8: Beispiel-Maske Kleinkläranlagen (Allgemein)