©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Wechselseitige Beziehungen zwischen den Diözesen Passau und Wien und dem Deutschen Orden seit 1190

Von Bernhard Demel O.T.

Einleitung In drei unterschiedlich langen Zeiträumen über nun schon mehr als 800 Jahre hat sich die Geschichte des Deutschen Ordens entfaltet: 1 ) Als deutsche Hospitalbruderschaft von 1190 bis 1198/99 2) als geistlicher Ritterorden der Römischen Kirche von 1199 bis 1929 3) als klerikaler Orden seit 1929 mit der dreifachen Zugehörigkeit als Professen (Kleriker, Laienbrüder, Schwestern), als Oblaten (Kleriker und Laien mit ei­ nem Versprechen lebenslänglicher Gemeinschaftsverpflichtung) und als Fami­ liären (ebenfalls Kleriker und Laien).1) In jeder dieser drei Phasen gab es zwischen dem geistlichen (Fürst-) Bistum Passau (bis 1785)2) bzw. der (Erz-) Diözese Wien3 *) seit 1469 mehr oder minder

0 Zur Geschichte des Deutschen Ordens s. Udo Arnold , 800 Jahre Deutscher Orden, in: Westpreußen-Jahrbuch 40 (1990) 5-20; Marian Tumler - Udo A rnold , Der Deutsche Orden von seinem Ursprung bis zur Gegenwart (5Bad Münstereifel 1992); Udo Arnold , Eight Hundred Years of the , in: The Military Orders, Fighting for the Faith and Caring for the Sick, edited by Malcolm Barber (Cambridge 1994) 223-235 und ebd. die Beiträge von James M. Powell (236-244), Klaus Guth (245-252), Jürgen S arnowsky (253- 262), Sven Ekdahl (263-269) und Klaus Militzer (270-277); Bernhard Demel O.T., Der Deutsche Orden in den Jahren 1918 bis 1989, in: Ferruccio Tassin , II Tessuto Cristiano Deila Mitteleuropa 1919- 1989 (Atti del XXVI Convegno, Gorizia 1994) 201-215. Zur noch wenig erforschten Spiritualität der Ritterorden in der Römischen Kirche vgl. Zenon Hubert N o­ wak (Hg.), Die Spiritualität der Ritterorden im Mittelalter (Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica VII, Torun 1993) mit den wertvollen Beiträgen von Kaspar Elm (7-44) und Hans-Dietrich Kahl (271-295). 2) Karl S chrödl , Passavia sacra, Geschichte des Bisthums Passau bis zur Säkularisation des Fürstenthums Passau (Passau 1879); Ludwig Heinrich Krick , Das ehemalige Domstift Pass­ au und die ehemal. Kollegiatstifte des Bistums Passau (Passau 1922); Josef Oswald , Der organisatorische Aufbau des Bistums Passau im Mittelalter und in der Reformationszeit, in: ZRG, KA 30 (1941) 131- 164; August Leidl , Die Bischöfe von Passau 739-1968 in Kurzbio­ graphien (Neue Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung 38, 2Passau 1978); ders. Das Bistum Passau zwischen Wiener Konkordat (1448) und Gegenwart: Kurzporträts der Passauer Bischöfe, Weihbischöfe, Offiziale (Generalvikare) dieser Epoche (Passau 1993); Konrad B aumgartner , Die Seelsorge im Bistum Passau zwischen barocker Tradition, Aufklärung und Restauration (Theol. Diss. masch., München 1974; Druck St. Ottilien 1975); Ludwig Veit, Passau: Das Hochstift, in: Historischer Atlas von Bayern - Teil Altbayern, Heft 35 (München 1978); Annette Zurstra Ben , Die Passauer Bischöfe des 12. Jh.s - Studien zu ihrer Klosterpolitik und zur Administration des Bistums, Vorarbeiten zu den Regesten der Passauer Bischöfe (Passau 1989); Bernhard Demel O.T, Der Deutsche

235 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html intensive Beziehungen zum Deutschen Orden, die hier im Überblick zusammen­ gefaßt seien.

Die Beziehungen des Deutschen Ordens zum (Fürst-) Bistum Passau seit 1190 Berücksichtigt man die in den letzten Jahren zugänglich gemachten Unterlagen zur Geschichte des Dritten Kreuzzuges* 34), so darf man zur hier behandelten The­ matik folgendes nicht unbeachtet lassen: Nur einen guten Monat nachdem das auf dem Landweg durch Ungarn und Kleinasien ziehende Kreuzfahrerheer durch den raschen Tod Kaiser Friedrich Barbarossas am 10. Juni 11905), durch Seuchen, andere große Strapazen und Entbehrungen psychisch demoralisiert und zahlen­ mäßig geschwächt6), unter der Führung Herzog Friedrichs von Schwaben am 7. Oktober 11907) vor Akkon ankam, starb noch während der Belagerung dieser zentralen Hafenfestung Palästinas am 13. November 11908) der Passauer Bischof Diepold von Berg (1172-1190) - ein treuer Parteigänger des Hohenstaufers.9) Man darf annehmen, daß das von Bremer und Lübecker Bürgern und Kaufleuten gegründete, schon in der Septembermitte 1190 von König Guido von Jerusalem mit einem Haus in Akkon oder einem dort gelegenen Grund bedachte, noch kleine Feldspital für Pilger und bedürftige Kreuzfahrer dem vor Akkon10) weilen­ den Passauer Oberhirten und seinen Begleitern nicht unbekannt geblieben sein kann. Diese sich für die deutschsprachigen Kreuzzugsteilnehmer engagierende reguläre Bruderschaft hatte ihr Zentrum in der Nähe des christlichen Belage­ rungsheeres, genauer hinter dem Nikolaifriedhof an der nordöstlichen Ecke der Stadtmauer von Akkon.11) Trifft diese aus den Quellen und der Spezialliteratur

Orden im Fürstbistum Passau und in der Erzdiözese Wien, in: Beiträge zur Wiener Diöze- sangeschichte 35/1 (1994) 37- 39. 3) Franz Loidl , Geschichte des Erzbistums Wien (Wien-München 1983). 4) Adolf Waas , Geschichte der Kreuzzüge 2 (Freiburg im Breisgau 1956) 48-55, 137-157; Hans Eberhard Mayer , Geschichte der Kreuzzüge (Urban-Taschenbücher, 4Stuttgart usf. 1976) 129-144; Marie-Luise Favreau , Studien zur Frühgeschichte des Deutschen Ordens (Kieler Historische Studien 21, Stuttgart 1974) 35-59; Ekkehard Eickhoff , Friedrich Barba­ rossa im Orient: Kreuzzug und Tod Friedrichs I. (Istanbuler Mitteilungen, Beih. 17, Tübingen 1977); Rudolf Hiestand , precipua tocius christianismi columpncr. Barbarossa und der Kreuzzug, in: Friedrich Barbarossa, Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40 (Sigmaringen 1992) 51-108. 5) Eickhoff , Barbarossa (wie Anm. 4) 158. 6) Waas , Kreuzzüge (wie Anm. 4), I, 196; Mayer , Kreuzzüge (wie Anm. 4) 134; Eickhoff , Barbarossa (wie Anm. 4) 170. 7) Eickhoff , Barbarossa (wie Anm. 4) 169; Favreau , Frühgeschichte (wie Anm. 4) 37. 8) Zurstrassen , Passauer Bischöfe (wie Anm. 2) 154, Anm. 302. 9) Ebd. 133-155 u. ö. (s. Register); zur Teilnahme Diepolds am Kreuzzug vgl. auch Hiestand , Barbarossa (wie Anm. 4) 67 und 101; zu ihm vgl. Egon Boshof, Zentralgewalt und Territo­ rium im Südosten des Reiches um die Wende vom 12. zum 13. Jh., in: ders. u. Fritz Peter Knapp (Hg.), Wolfger v. Erla, Bischof von Passau und Patriarch von Aquileja (1204-1218) als Kirchenfürst und Literaturmäzen (Germanische Bibliothek NF, 3. Reihe: Untersuchungen, Bd. 20, Heidelberg 1994) 11-17, hier bes. 17f. 10) Ernestus S trehlke , Tabulae Ordinis Theutonici (Berlin 1869, Neudruck Toronto 1975) 22, Nr. 25 (zur Schenkung König Guidos von Jerusalem); Favreau , Frühgeschichte (wie Anm. 4) 35-63. u) Ebd. 36f.

236 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html getroffene Kombination zu, so stand an der Wiege der jungen Spitalbruderschaft ein Passauer Bischof, ohne freilich wegen seines frühen Todes im November für diese Institution entsprechend tätig geworden zu sein. Was für Bischof Diepold nur als Mußmaßung gelten kann, trifft für seinen unmit­ telbaren Nachfolger Bischof Wolfger von Erla (1191-1204, ab 1204 bis zu seinem Tod 1218 Patriarch von Aquileja)12) zweifelsfrei zu. Denn die schon am 6 . Februar 119113) von Clemens III. in päpstlichen Schutz genommene Hospitalbruderschaft vor Akkon bekam durch dessen Nachfolger Coelestin III. am 21. Dezember 119614) die Ordensprivilegien. Im Zusammenhang mit einem weiteren Kreuzzug, der frei­ lich durch den Tod Kaiser Heinrichs VI. am 28. September 119715) im Frühjahr des folgenden Jahres beendet wurde, kam es in Akkon zu einer festlichen Ver­ sammlung geistlicher und weltlicher Würdenträger. Höchstwahrscheinlich am 5 . März 1198 erhielt die deutsche Spitalbruderschaft neben der schon gebräuchli­ chen Johanniterregel die Templerregel für Priester, Ministerialen und Ritter hin­ zu, wodurch sie mit der Ausweitung des Ordenszweckes zum Heidenkampf die Erhebung zum Ritterorden erfuhr16) - eine im Vergleich zu den Johannitern ra­ schere Militarisierung.17) An diesem festlichen Akt der Umwandlung des Deut­ schen Spitals in einen Ritterorden im Templerhaus zu Akkon nahm neben ande­ ren geistlichen und weltlichen Fürsten, den Meistern beider Ritterorden, weiteren Notablen der damaligen Feudalpyramide auch der ins Heilige Land gereiste Pas- sauer Bischof Wolfger von Erla teil. Er wurde von den deutschen Prälaten und Fürsten dazu ausersehen, die Supplik um Umwandlung des Deutschen Hospitals in einen geistlichen Ritterorden dem kreuzzugsbegeisterten Papst Innozenz III. persönlich zu überreichen, was um die Jahreswende 1198/9918) bewerkstelligt

12) Zu ihm vgl. Leidl , Bischöfe (wie Anm. 2) 25f.; Othmar Hageneder , Bischof Wolfger von Erla - Ein Lügner? Eine Fallstudie zur mittelalterlichen Diplomatie, in: Archiv und For­ schung - Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Geschichte Öster­ reichs und Europas, hg. v. Elisabeth Springer, Leopold Kammerhofer u. a. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 20, Wien- München 1993) 19-34 (mit weiterer Spezialliteratur); Boshof- Knapp , Wolfger (wie Anm. 9). - Über die Aussöhnung zwischen dem Papst und Bischof Wolfger s. Othmar Hageneder , Bischof Wolfger von Passau und Papst Innozenz III., in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52 (=Festschrift Alfred Wendehorst I, 1992) 109-120. 13) Strehlke , Tabulae (wie Anm. 10) 263f. Nr. 295. 14) Ebd. 264-266, Nr. 296, 15) Favreau , Frühgeschichte (wie Anm. 4) 63. 16) Ebd. 64-70. 17) Adam Wienand , Die Johanniter und die Kreuzzüge, in: Ders., Der Johanniterorden, der Malteserorden, der ritterliche Orden des hl. Johannes vom Spital zu Jerusalem, seine Ge­ schichte, seine Aufgaben (3Köln 1988) 32-47, hier bes. 44 (die Militarisierung dauerte dem­ nach etwa 50 Jahre); UdoA rnold , Vom Feldspital zum Ritterorden, Militarisierung und Territorialisierung des Deutschen Ordens (1190 - ca. 1240), in: Balticum, Studia dziejow polityki, gospodarki i kultury XII- XVII wieku (=Studien zur Geschichte der Politik, Wirt­ schaft und Kultur des 12.-17. Jh.s, Festschrift für Prof. Marian Biskup zum 70. Geburtstag, hg. von Zenon Hubert Nowak, Torun 1992) 25-36. 18) Favreau , Frühgeschichte (wie Anm. 4) 71.

237 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html worden sein muß, weil die päpstliche Gutheißung schon am 19. Februar 1 1 9 9 1 9 ) erfolgte. Bis in unser Jahrhundert behielt der Deutsche Orden diese Struktur bei und erhielt schon durch Honorius III. in einer umfangreichen Privilegienkette jene unmittelbare Unterstellung unter den Apostolischen Stuhl - und somit die Exemtion von der jeweiligen bischöflichen Jurisdiktion19 20) die er bis heute als kostbares Privileg hüten kann.21) Nachdem der geistliche Ritterorden im 13. Jahrhundert ein unmittelbares Ver­ hältnis zum Papst und zum Herrscher des mittelalterlichen Reiches (Kaiser bzw. Römischer König) gefunden hatte, das er in der Folge noch ausbauen konnte22), ging er daran, nach dem Vorbild der Templer und Johanniter seinen europaweit rasch wachsenden Besitz23) zu strukturieren und konkrete Maßnahmen zu setzen, um auch mit den jeweiligen Ortsbischöfen ein ein vernehmliches Auskommen zu finden. Nach Regionen oder Landschaften wurden die einzelnen Häuser oder Niederlassungen des Ordens - „Kommenden“ oder „Komtureien“ genannt - zu Provinz verbänden zusammengefaßt, die man Baileien nannte.24) Der jeweilige, durch Wahl im Provinzkapitel bestimmte Obere einer Ballei hieß zuerst „Statt­ halter“, nach seiner Bewährung und Bestätigung durch den Hochmeister bzw. Deutschmeister „Landkomtur“ Das Zentrum der jeweiligen Ballei war nicht überall sofort fixiert, bildete sich vielmehr erst im Laufe der Jahrhunderte her­ aus. Die Namensgebung der jeweiligen Provinz orientierte sich fortan entweder am rasch gefundenen Zentrum (z. B. Marburg an der Lahn oder Bozen) oder der Landschaft des jeweiligen Gebietes oder Königreiches (z. B. Österreich, Franken, Westfalen, Lothringen bzw. Frankreich). Zusätzlich gab es seit dem 13. Jahrhundert drei Landmeister: a) in Preußen bis zur Septembermitte 1309, zum Aufzug des Hochmeisters auf die neue Residenz Marienburg; b) im deutschen und Mittelmeerraum seit 1216 den „Deutschmeister“, der außer­ dem als Generalvisitator des Hochmeisters am jeweiligen Königshof oder bei den herumreitenden Herrschern die Ordensagenden betreiben mußte;25) im 15. Jahrhundert empanzipierte sich dieser Deutschmeister und wurde am 16. September 1494 zu Löwen mit den Regalien belehnt, somit unter die gefür-

19) Strehlke , Tabulae (wie Anm. 10) 266, Nr. 297; Othmar Hageneder , Die geistliche Ge­ richtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich von den Anfängen bis zum Beginn des 15. Jh.s (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 10, Graz-Wien-Köln 1967) 15; Boshof, Zen­ tralgewalt (wie Anm. 9) 29f.; Winfried S telzer , Bischof Wolfger und das gelehrte Recht in der Diözese Passau um 1200, in: B oshof - Knapp , Wolfger (wie Anm. 9) 195-212, hier 197. 20) Strehlke , Tabulae (wie Anm. 10) 272- 340, Nr. 303-415. 21) Vgl. das Dekret der Congregatio Pro Institutis Vitae Consecratae et Societatibus Vitae Apostolicae Prot. n.T 71-1/89 und T 71b-l/89 vom 11. Oktober 1993 im Deutschor- dens-Zentralarchiv (fortan abgek. DOZA). 22) S trehlke , Tabulae (wie Anm. 10) 160- 217, Nr. 173-222 u. 239-262, Nr. 252-294. 23) Bernhard Demel O.T., Der Deutsche Orden und seine Besitzungen im südwestdeutschen Sprachraum vom 13. bis 19. Jh., in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 31 (1972) 16-73, hier bes. 18-28. 24) Klaus Militzer , Die Entstehung der Deutschordensballeien im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens - künftig abgek. QuStDO - 16, 2Marburg 1981) 23-164. 25) Zum preußischen Landmeister, vgl. Bruno S chumacher , Geschichte Ost- und Westpreu­ ßens (6Würzburg 1977) 34-48; zum Deutschmeister s. Demel, Besitzungen (wie Anm. 23) 29- 73.

238 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html steten Prälaten des Reiches gereiht. 30 Jahre vor der Einbindung des in Preu­ ßen residierenden Hochmeisters erlangte er die Zugehörigkeit als Reichs- und Kreisstand;26) c) der livländische Landmeister nach 1237 bis 1561/62.27) Die Spitze der Gesamtkorporation und des auf diese Weise organisierten Ordens­ besitzes stellte der Hochmeister dar; zusammen mit den genannten Landmei­ stern, dem Großkapitel und den preußischen „Großgebietigern“ repräsentierte er die höchste gesetzgebende Autorität im Orden.28) Der europaweit schnell erfolgte Gütererwerb, der im Baltikum geführte erfolgrei­ che Kampf gegen die heidnischen Preußen (1230/31-1283) und Livländer sicher­ ten dem Ritterorden eine große Reputation in der mittelalterlichen Gesellschaft und bescherten der durch Mitgliedschaft in der Hanse, eigene gute Wirtschafts­ führung und militärische Stärke geschützten Institution im 14. Jahrhundert eine Situation, die keine existenzbedrohenden Gefahren von außen und innen fürch­ ten ließen.29)

Die Ballei Österreich und das Fürstbistum Passau 1204/06 bis 1785 Für das Bistum Passau wurden die im Herzogtum unter der Enns liegenden Kommenden von Wien und Wiener Neustadt, seit 1713 auch die oberennsische Kommende Linz, Gegenstand wechselseitiger Beziehungen, denn auch die mit Wien und Wiener Neustadt verbundenen Pfarrpatronate lagen ursprünglich auf dem weit ausgedehnten Passauer Bistumsgebiet. Es waren dies: 1) Gumpoldskirchen seit 31. Juli 1241. Obwohl zur im salzburgischen Metropoli­ tanbereich liegenden Kommende Wiener Neustadt gehörig, lag Gumpoldskir­ chen bis 1729 im Sprengel des Bistum Passau und kam dann zum Erzbistum Wien;30)

26) Ebd. 34-73. 27) Zum livländischen Landmeister s. S chumacher , Ost= und Westpreußen (wie Anm. 25) 34-37 u. 142; Wolter von Plettenberg, Der größte Ordensmeister Livlands, hg. v. Norbert Angermann (Schriftenreihe Nordost-Archiv, bearb. u. hg. v. Eckhard Jäger, Heft 21, Lüneburg 1985); Norbert Angermann (Hg.), Deutschland - Livland - Rußland, ihre Bezie­ hungen vom 15. bis zum 17. Jh. (Lüneburg 1988); Lutz Fenske u . Klaus Militzer (Hg.), Ritterbrüder im Livländischen Zweig des Deutschen Ordens (Quellen und Studien zur Baltischen Geschichte 12, Köln-Weimar-Wien 1993); Sonja Neitmann , Von der Grafschaft Mark nach Livland, Ritterbrüder aus Westfalen im livländischen Deutschen Orden (Veröf­ fentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Beiheft 3, Köln-Weimar- Wien 1993). 2e) Max Perlbach , Die Statuten des Deutschen Ordens nach den ältesten Handschriften (Halle 1890, Neudruck Hildesheim-New York 1975); Ernst Henning , Die Statuten des Deut­ schen Ordens (Königsberg 1806); Ewald Volgger O.T. (Hg.), Die Regeln des Deutschen Or­ dens in Geschichte und Gegenwart (Lana/Südtirol 1985). 29) Jürgen S arnowsky , Die Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preußen (1382- 1454) (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 34, Köln-Weimar- Wien 1993); S chumacher , Ost= und Westpreußen (wie Anm. 25), 49-127. 30) BUB 2, 228f., Nr. 385; Johann H agenauer , 850 Jahre Gumpoldkirchen 1140-1990, Wege in die Gegenwart (Gumpoldskirchen 1990) 12-300; Loidl , Erzbistum Wien (wie Anm. 3) 127; Bernhard D emel O.T., Die Pfarre Schottenfeld in Wien und der Deutsche Orden, in: Johan­ nes Kellner O.T. (Hg.), Pfarre St. Laurenz am Schottenfeld 1786-1986 (St. Pölten - Wien 1986) 189-211 hier bes. 198, 210f.

239 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html 2) L eobendorf wurde am 13. Februar 126031) von König Ottokar II. von Böhmen dem Orden geschenkt und am 4. April 12 6 3 32) vom Passauer Bischof Otto von Lonsdorf (12 5 4-12 6 5)33) in St. Pölten den Wiener Ordensbrüdern bestätigt. Im 14. Jahrhundert ist dieser geistliche Besitz nicht mehr als Balleigut nachzuwei­ sen.34) 3) Palterndorf : Von Leutold von Kuenring dem Wiener Ordenshaus am 20. April 1290 geschenkt und am 1 . Mai 1290 von Bischof Bernhard von Prambach (1285-1313) in Passau bestätigt, blieb dieses Patronat, erst später zur Inkorpo­ ration der Pfarre erweitert, bis zum Ende der Passauer Diözesanrechte in den kaiserlichen Erblanden 1783/85 dem Passauer Offizial unter der Enns in Wien unterstellt.35) 4) S pannberg : Hans der Clementer schenkte dem Wiener Komtur Michel und dem dortigen Ordenshaus am 23. Mai 139136) (zu Wien) das Kirchenlehen der St. Martins-Pfarrkirche zu Spannberg samt Zubehör unter der Verpflichtung zum Unterhalt dreier Priester, zur Abhaltung jährlich zweier Anniversarien und weiterer Messen für seine Familie sowie zur Betreuung der Armen. Auch dieses Pfarrpatronat, später in den Quellen als inkorporierte Pfarrei wie Pal­ terndorf und Gumpoldskirchen bezeichnet, wurde rasch vom Passauer Bischof Georg Graf von Hohenlohe (1390-1423) gemäß der Urkunde vom 18. Jänner 13 9 2 37) bestätigt. Diese dem Frankenpatron geweihte Pfarrkirche mit ihrem Besitz blieb wie Palterndorf bis 1785 im Passauer Bistumssprengel und kam danach zur Erzdiözese Wien.38) 5) Neben diesen drei Pfarreien gab es spätestens seit 1466 die Personalpfarrei an der nach mehreren Stadtbränden im 13. Jahrhundert im 14. Jahrhundert neu erbauten und am 4. Adventsonntag (= 19. Dezember) 1395)39) konsekrierten St. Elisabethkirche im Wiener Ordenshaus. Bereits am 21. Mai 1251 hatte Bi­ schof Berthold Graf von Pietengau (Peiting) (1250-1254)40) Personen, welche die erste Deutschordenskapelle in der Wiener Komturei an bestimmten Festta­ gen besuchen, einen Ablaß von 40 Tagen gewährt. Ein Rechtsstreit um die

31) Orig(inal) im DOZA (wie Anm. 21) Urkundenreihe. 32) Ebd. 33) Josef Breinbauer , Otto von Lonsdorf, Bischof von Passau 1254-1265 (Passauer Histori­ sche Forschungen 6, Köln-Weimar-Wien 1992) 332 (allerdings ohne Kenntnis der Originale im DOZA verfaßt). 34) Luitgard Klebel, Studien zur Geschichte der Deutschordenskommende Wien im fünf­ zehnten Jahrhundert (Phil. Diss. masch. Wien 1966) 48. 35) Bernhard Demel O.T., Die Deutschordenspfarrei Palterndorf 1290-1990, in: 700 Jahre Deutschordenspfarre Palterndorf 1290-1990 (Palterndorf 1990) 26-66, hier bes. 28f. 36) DOZA Urkundenreihe. 37) Urk. vom 18.1.1392 DOZA Urkundenreihe; Leidl , Bischöfe (wie Anm. 2) 31f. 3B) Loidl , Erzbistum Wien (wie Anm. 3) 1901; Johann Weissensteiner , Die Diözesanregulie- rung Kaiser Josephs II. und das Erzbistum Wien, in: JbLkNÖ NF 52 (1986) 270-313, bes. 304; Karl S eethaler O.T., 600 Jahre Deutsch-Ordens-Pfarre Spannberg (Spannberg 1991); Leidl , Konkordat (wie Anm. 2) 151. 39) Vgl. Urk. vom Beginn des 18. Jh.s in der Urk. Reihe des DOZA, verfaßt nach älterer Überlieferung; ebd. Hs 462, fol lv, 2r; Bernhard Demel O.T.,Die Deutschordenskirche St. Elisabeth in Wien, in: Deutscher Orden - Religiös-kulturelle Zeitschrift des Ordens für seine Brüder, Schwestern, Familiären und Freunde, 2 (1994) 8-10. 40) Org. DOZA, Urkundenreihe; zur Person des Bischofs vgl. Leidl , Bischöfe (wie Anm. 2) 27.

240 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Pfarrechte der Wiener Ordenskommende mit dem Pfarrer von St. Stephan wurde von der Wiener Nuntiatur am 7. Jänner 172841) dahingehend entschie­ den, daß die Ordensmitglieder und die übrigen Ordensbediensteten vom Pfarrzwang St. Stephans befreit blieben. Dieser Status als Personalpfarrei des Deutschen Ordens wurde erst mit Wirksamkeit vom 1. September 1951 unter dem Kardinalprotektor Theodor Innitzer beendet und die bis dahin separat geführten Matriken für Taufen, Trauungen und Beerdigungen samt Vorakten der Dompfarrei St. Stephan übergeben.42) 6 ) Die Kapelle im Linzer Deutschordenshaus (1713-1796) wurde 1742 im Öster­ reichischen Erbfolgekrieg fast gänzlich zerstört. In ihr stand bereits 1785 kein Deutschordenspriester mehr für geistliche Funktionen zur Verfügung; nur noch im Falle des Vorhandenseins eines des Deutschordenspriesters konnte die Kirche für gottesdienstliche Handlungen genützt werden.43) Zusätzlich zu diesen von den Passauer Fürstbischöfen der österreichischen Ballei gewährten Vergünstigungen ist festzuhalten, daß Bischof Bernhard (Werner) von Prambach44) in Wien die Urkunde Herzog Albrechts von Österreich vom 20. Februar 129845) (mit der Bestätigung der von Herzog Friedrich II. dem Deut­ schen Orden am 25. Dezember 1239 gewährten Privilegien) auf Bitten der Brüder transsumierend bekräftigte. Außerdem bestätigte unter dem Paussauer Bischof Albert (1320- 1342)46) am 7. September 13 3 2 47) der Dompropst und das Passauer Domkapitel eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Haus in Wien und der dortigen Bürgerschaft wegen eines vom Ordenshaus abgetretenen Kellers und zweier Kammern zur Erweiterung des St. Stephans-Friedhofs (130948); der Orden bekam dafür einen Grundanteil von der Gasse am Priesterhaus und einen Teil des Gartens, der der Wiener Bürgschaft gehörte. Diese Vereinbarung wurde bereits am 8 . November 13 3 249) von den Herzogen Albrecht II. und Otto von Österreich bestätigt.

41) DOZA, Ballei Österreich (fortan abgek. BÖ) K(arton) 372/3 und 378/1. 42) Demel, Passau (wie Anm. 2) 37 u. 39. 43) Am 6. März 1742 mußte Hochmeister Clemens August seiner Mergentheimer Regierung mitteilen, daß diese kunsthistorisch so bedeutsame Kultstätte zusammengeschossen und ausgeraubt wurde: Akten im DOZA BÖ 364/2. Zum weiteren Schicksal vgl. Demel, Schot­ tenfeld (wie Anm. 30) 197 und 210 Anm. 173 (mit weiteren Belegen); ders., Passau (wie Anm. 2) 39 Anm. 7; vgl. ferner Fritz Mayrhofer - Willibald Katzinger , Geschichte der Stadt Linz 1 (Linz 1990) 315-317. 44) Leidl , Bischöfe (wie Anm. 2) 29; Johann Weissensteiner , Zwischen Bischof und Herzog: Die Pfarrer der Pfarre Wien (St. Stephan) von 1282-1365, in: Beiträge zur Wiener Diözesan- geschichte 31/1 (1990) 2-7, bes. 2—4. 45) Orig.DOZA Urkundenreihe (=Bestätigung der Urkunde Herzog Friedrich des Streitba­ ren vom 25. Dez. 1239, Wien). 46) Leidl , Bischöfe (wie Anm. 2) 30. 41) Orig. DOZA (wie Anm. 21) Urkundenreihe; Bereits am 24. August 1332 hatte Bischof Albert (Albrecht) von Passau dazu seine Zustimmung gegeben. (Kopie in DOZA, BÖ 369/1, fol. 185".) Von dieser doppelten Zustimmung der Passauer Behörden ist auch in der Urkun­ de der österreichischen Herzoge (s. Anm. 49) ausdrücklich die Rede. 48) Org. DOZA Urk. vom 30. März 1309; Richard Perger , Baugrund, Bauzeit und Bauherren des gotischen Chores, in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 31/1 (1990) 7-12, hier 8f. (mit instruktiver Skizze). 49) Orig. DOZA Urkundenreihe.

241 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Diese im 13. und 14. Jahrhundert von den Passauer Ordinarien und dem dortigen Domkapitel dem Deutschen Orden gewährten Vergünstigungen wurden auch von den Babenbergern50), die an Kreuzzügen teilnahmen und somit den Deutschen Orden in Palästina und anderswo kennenlernten, sowie von den nach dem Inter­ regnum ihnen folgenden Habsburgern bestätigt: Schon bei der Gründung der Kommende Graz (28. Oktober 1233)51) erwähnte der letzte Babenberger die engen Beziehungen seines Vaters mit der jungen geistlichen Rittergemeinschaft und gewährte ihr zu Wien am 25. Dezember 12 3 9 52) ebenfalls große Vergünstigungen. Nur so läßt sich im Ostalpenraum die Errichtung der Kommenden Wien, - nach dem ältesten Ordenshaus in Friesach in der Jahresmitte 12 0 3 53) - zwischen 1204 und 1206 und Wiener Neustadt (1245/50 bis 1818)54) erklären. Jünger als Wien, aber älter als Graz sind die Kommenden Groß-Sonntag (vielleicht schon vor 1200, sicher aber 1220- 1222) und das Ordenshaus Brixeney/Preccenico in der Nähe von (1232- 1623).55) Zu den sechs selbständigen Kommenden der sich im 13. Jahrhundert zur Ballei entwickelnden Ordensbesitzungen kam südlich des Alpenhauptkammes das Ordenshaus in Laibach (seit etwa 1263) und in Krain das Haus Möttling - Tschernembl (seit 12 6 8/13 10)56) hinzu. Durch das fördernde Zu­ sammenwirken der Päpste, der geistlichen Fürsten (der Bischöfe von Passau und Salzburg) und der weltlichen Landesherren (der Herzoge von Österreich, Steier­ mark57) und jener von Kärnten und Krain) war für den mittelalterlichen Besitz der Ballei Österreich eine gedeihliche Entwicklung gewährleistet. Dieser erfreuliche Zustand wurde nach der verlorenen Schlacht von Tannenberg (15. Juli 1410) für die inzwischen hochmeisterliche Kammerballei im Ostalpen­ raum schnell geändert, denn die vom Hochmeister schon 1410 um Geldhilfe ange­ gangene, jedoch am 1. September 1414 von Erzherzog Ernst bedrängte Ordens­ provinz58) mußte ihr finanzielles Unvermögen59) dem Hochmeister mitteilen, zu-

50) Demel, Schottenfeld (wie Anm. 30) 197 u. 208, Anm. 160-162. 51) Orig. DOZA Urkundenreihe; Bernhard Demel, Kirche und Haus des Deutschen Ordens in Graz (1233-1979), in: Die Leechkirche, Hügelgrab - Rundbau - Ordenshaus (Ausstel­ lungskatalog des Grazer Stadtmuseums, hg. v. Gerhard M. Dienes, Franz Leitgeb u. Hilde­ gard Leitgeb, Graz 1993) 74-87 bes. 74. 52) BUB 2, 186-189, Nr. 344. 53) D emel, Schottenfeld (wie Anm. 30) 197 u. 209f. Anm. 169; Wilhelm Wadl , Friesachs Historische Entwicklung, ein Überblick, in: Die profanen Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Friesach, bearb. von Barbara Kienzl, Gerhard Seebach u. Ulrike Steiner (Österreichi­ sche Kunsttopographie 51, Wien 1991) 1—71, bes. 29f. u. 68, Anm. 259. 54) Demel, Schottenfeld, (wie Anm. 30) 197 u. 210 mit den Belegen in Anm. 178. 55) D emel, Passau (wie Anm. 2) 37 und 39 mit den Belegen in Anm. 7. 56) Militzer , Entstehung (wie Anm. 24) 67 u. 92; Demel, Schottenfeld (wie Anm. 30) 197 u. 210 Anm. 175. 57) Zu den päpstlichen Privilegien vgl. S trehlke , Tabulae (wie Anm. 10) Nr. 303-725, 272- 471. Zu den Vergünstigungen der weltlichen Obrigkeiten vgl. die Orig, folgender Urkunden im DOZA: 20. Juli 1350, Laibach (Bestätigung der älteren Handfeste Herzogs Ulrich von Kärnten), 10. Feb. 1360 Graz (durch Herzog Rudolf IV,) und vom 8. April 1381, Wiener Neustadt (durch Herzog Leopold III. von Österreich). 5B) Erich Joachim - Walter Hubatsch , Regesta historico - diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198-1525, Pars 1/1-3 (Göttingen 1948-1973) und Pars II: Regesta Privilegio- rum Ordinis S. Mariae Theutonicorum (Göttingen 1948) - künftig abgek. Ordensbriefarchiv (OBA) mit römischer Band und arabischer Fundnummer, hier OBA I 2131. 59) Vgl. auch ebd. I 1558.

242 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html jnal das Wiener Ordenshaus und die ihm im Passauer Bistum zugeordneten drei Ordenspfarreien von Verschuldung nicht ausgespart blieben. Bald folgten durch die Hussiten weitere Beeinträchtigungen der österreichischen Ballei.60) Kaiser Friedrich III. verbot am 16. April 145561) und nochmals am 16. September 145862) ausdrücklich die in Inanspruchnahme österreichischer Deutschordensgüter für Forderungen des in Preußen residierenden Hochmeisters; er zeigte damit deut­ lich, wie weit er als Landesherr bereits in die privilegierten geistlichen Besitzun­ gen eingriff. Zu diesen massiven Beeinträchtigungen und Schäden muß bedacht werden, daß seit dem 15. Jahrhundert die in Kärnten und Krain liegenden öster­ reichischen Balleihäuser durch die Türkeneinfälle63) zusätzlichen Gefahren und Belastungen ausgesetzt wurden. Dazu kam, daß der österreichische Landkomtur seinen Verpflichtungen als Reichs- und Kreisstand seit der Mitte des 15. Jahrhunderts64) nicht mehr nach- kommen konnte und von Friesach aus die von den Türken bedrängten Besitzun­ gen nicht allein lassen durfte.65) Nach den Bedrängnissen durch die Osmanen ist die Glaubensspaltung nach dem Auftreten Luthers auch für den Deutschen Orden in der österreichischen Provinz von spürbarer Bedeutung geworden. Seit dem Regierungsantritt Erzherzog Ferdi­ nands im Herzogtum Österreich (1521/22) versuchten die habsburgischen Landes­ herren66) nicht nur die noch verbliebenen finanziellen Ressourcen des Ordens wegen eigener Geldknappheit67) anzuzapfen, wobei sie die reichs- und kreisstän­ dischen Rechte der Ballei verletzten. Die historische Entwicklung dieser immer massiver werdenden Eingriffe der Habsburger in das zu Reichs- und Kreislasten verpflichtete Deutschordensgut sollen an wichtigen Daten dargelegt werden: Erzherzog Ferdinand übte 1526 auf Landkomtur Jobst Truchseß von Wetzhausen (15 2 3-15 3 6 )68) Druck aus, den Sohn des Grafen zu Salm in den Orden aufzuneh­ men; hier konnte der Orden noch einmal den Eingriff erfolgreich abblocken.69)

60) Bernhard D emel O.T., Zur Geschichte der Johanniter und des Deutschen Ordens in Kärnten, in: Franz Nikolasch, Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 1992 (Salzburg 1992) 76-99, hier 87 Anm. 106 mit den Belegen aus OBA I 3488, 3709, 4260, 4677, 6245 und 6433. 61) Ebd. I 13640. 62) Ebd. 15157. 63) Demel, Kärnten (wie Anm. 60) 89-91 und OBA I 25658 zu 1522 (Türkeneinfall im Raum der Kommende Möttling); zur Türkensteuer des Deutschen Ordens im Jahre 1523 vgl. ebd. I 26017 vom 30. März; zur Armut der Ballei Österreich s. ergänzend ebd. I 26363 und 26669f. (zu 1524). 64) Demel, Besitzungen (wie Anm. 23) 34. 65) Demel, Kärnten (wie Anm. 60) 89-95. 66) OBA I 26363 (zum 16. Sept. 1523). 67) OBA I 23124 (vom 4. Feb. 1520), 25180 (vom 2. Dez. 1521), 253391 (vom 20. Feb. 1522), 26802 (vom 28. März 1524), 27326 (vom 11. Nov. 1524). 68) Zu ihm vgl. Altpreußische Biographie, hg. von Ernst Bahr u . Gerd Brausch , Bd. IV, 2. Lief. (Marburg an der Lahn 1989) 12971 69) DOZA BÖ 380/3, fol. 4r-5 r.

243 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html 1529 versuchte der gleiche Landesherr, an das Silbergeschirr der Ballei heranzu­ kommen.70) Der bemerkenswerteste Eingriff Ferdinands erfolgte jedoch 1530, indem er Wetz­ hausen die Teilnahme am reformationsgeschichtlich wichtigen Reichstag zu als Reichs- und Kreisstand mit der Begründung verbot, daß er bereits unnser Lanndtman und underthan des Erzherzogs von Österreich sei, durch den alle seine Landleute bereits vertreten seien.71) Forthin verbot Ferdinand auch dem Landkomtur, seinen Verpflichtungen gegenüber dem ständisch zusammen­ gesetzten Reichskammergericht zu erfüllen, da er bereits die Bischöfe, Prälaten, Grafen und Herren in den österreichischen Landen vor dem kaiserlichen Kam­ mergericht vertrete.72) Diese Beschränkung mußte der Orden auch in Zukunft erfahren; aber niemals bis zum Ende des Westfälischen Friedens hat er diesen Eingriff anerkannt. In einer Eingabe vom 17. und 24. Juli 1638 an den Kaiserhof hatte der Orden die Zugehörigkeit der vier Kammerballeien (Elsaß zum schwäbi­ schen Kreis, Koblenz zum Kurrheinischen Kreis sowie Österreich und Etsch zum Österreichischen Reichskreis) mit Rückblick auf die bisherige Reichspraxis aus­ drücklich festhalten lassen.73) 1546 bestellte Ferdinand den österreichischen Balleioberen Gabriel Ritter von Kreuzer (ab 1542 Statthalter der niederösterreichischen Lande, dann Landkom­ tur bis zu seinem Tod am 1. Dezember 1568 in Wien) zu seinem Kriegsrat und von 1552 bis 1564 zum Regierungspräsidenten im Land unter der Enns. Kreuzer, seit spätestens 1547 König Ferdinand als Hofrat zu Diensten verbunden, meldete seinem Hochmeister Wolfgang Schutzbar von Milchling (1543-1566), daß er mit dem König gegen die Türken ziehen müsse; folglich müßten seine Aufga­ ben in der Ballei zurückstehen.74) Noch vor dieser zeitaufwendigen Einbindung in die österreichische Landesver­ waltung hatte König Ferdinand, wie Gabriel Kreuzer seinem Hochmeister am 12. Juni 1549 aus Wien mitteilen mußte75), sich einen weiteren Eingriff in die Reichsstandschaft des Ordens erlaubt, indem er Kreuzer verbot, einer Zitation

70) Ebd. fol. 7" (Ferdinand an Landkomtur Truchseß vom 22. Dez. 1529, Linz). Am 14. März 1530 beschwerte sich Administrator und Deutschmeister Walter von Cronberg bei König Ferdinand, daß im Wiener Deutschordenshaus eingebrochen, das Gewölbe geöffnet und das Silbergeschirr und Geldbeträge in der Höhe von mehr als 1000 Gulden entwendet wurden (Kopie DOZA Urkundenreihe, Orig, im Privatbesitz). 71) Ebd. fol 13" (Ferdinand an Truchseß vom 12. April 1530 aus Prag). 72) DOZA BÖ 364/1; König Ferdinand an Landkomtur Gabriel Kreuzer vom 22. Mai 1549 aus Prag, Orig. 73) Staatsarchiv Ludwigsburg, B(estand) 298, Büschel 198; Bernhard Demel, Der Deutsche Orden zwischen Bauernkrieg (1525) und Napoleon (1809), in: Udo Arnold (Hg.), Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert (Fest­ schrift zum 90. Geburtstag von Althochmeister P. Dr. Marian Turnier am 21. Oktober 1977 = QuStDO 20, Marburg/Lahn 1978) 177-207, hier 179. 74) Am 28. März 1546 bestellte König Ferdinand Kreuzer zum Kriegsrat: DOZA BÖ 380/3f 42r; über die Klage Kreuzers von 1447, daß er als Hofrat Ferdinands sehr beansprucht sei, vgl. sein Schreiben an den Hochmeister Schutzbar vom 30. Jänner 1547, DOZA BÖ 380/3, fol. 43r- 44r; s. a. Kriegsakten (KA), Fasz. 14-16 (1549-1551); zur Person Kreuzers vgl. Axel Hermann , Der Deutsche Orden unter Walter von Cronberg (1525-1543), zur Politik und Struktur des „Teutschen Adels Spitale“ im Reformationszeitalter (QuStDO 35, Bonn - Godesberg 1974) 264; Karl Gutkas , Geschichte des Landes NÖ (6St. Pölten 1983) 566. 75) Orig. s. DOZA BÖ Österreich 364/1.

244 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html des kaiserlichen Kammergerichts zu Speyer nachzukommen. Der Landesherr hatte dies am 22. Mai 1549 zu Prag damit begründet, daß der österreichische Landkomtur wie andere Bischöfe, Prälaten, Grafen und Herrn in den österreichi­ schen Landen von ihm als Landesherr am Kammergericht ja bereits vertreten werde.76) Auch Ferdinands Sohn Kaiser Maximilian II., der auf Bitten des Hoch- und Deutschmeisters Georg Hund von Wenckheim (1566-1572) die Ordensvorschriften bezüglich der Nachlaßregelung auf dem Augsburger Reichstag 15 6 6 77) ausdrück­ lich approbiert hatte, ersuchte bereits 156978) den Ordensoberen, den Bargeld­ nachlaß des am 1. Dezember 1568 gestorbenen Landkomturs Gabriel Kreuzer als Darlehen auf ein Jahr zu bekommen. Ob diese Bitte des Reichsoberhauptes - ein gefährlicher Präzedenzfall für den bezüglich der Nachlaßregelung allein zustän­ digen Hochmeister - erfüllt wurde, ist nicht zu ermitteln. Die gleichen Mediatisierungseingriffe sind vor dem Westfälischen Frieden auch für die Ballei Etsch, die - wie schon gesagt - gemeinsam mit Österreich Reichs­ und österreichischer Kreisstand war, nachweisbar. 1511, nach offensichtlich spä­ terer Deutung mit hochmeisterliche Zustimmung, der tirolischen Landschaft in­ korporiert (im sogenannten „Landlibell“), wurden auch hier ihre noch dem Heili­ gen Römischen Reich zustehenden „Anlagen“ (= verpflichtende Reichsabgaben) schon im Jahre 163179) durch den jeweiligen habsburgischen Landesfürsten in Tirol direkt eingezogen - ein weiterer Schritt und Beleg auf dem Weg zur 1648 verlorenen Reichs- und Kreisstandschaft.80) Die von den habsburgischen Landes­ herren dem Orden gegenüber verfolgte Politik gab einen Vorgeschmack auf die

76) Orig. ebd. 77) Orig, vom 18. Mai 1566 DOZA Urkundenreihe. 78) Vgl. die Urkunde vom 3. Februar 1569 DOZA Urkundenreihe. - Dieser Kaiser war eigentlich ein Freund des Ordens und doch auch jemand, der an die Geldressourcen des Ordens herankommen wollte: Er unterstützte 1576 den Plan des Lazarus von Schwendi, aus dem Deutschen Orden, dem Johanniter-Orden und dem 1562 gegründeten Orden der Ste­ phanusritter einen eigenen, im Heiligen Römischen Reich wirkenden Ritterorden gegen die Türken zu bilden. Dieser Plan kam auf dem Regensburger Reichstag von 1576 und dem 1577 zu arrangierten Reichsdeputationstag zur Sprache, konnte aber durch die Offen­ legung der Ordensmittel und die Politik des Hoch- und Deutschmeister Heinrich von Bo- benhausen (1572-1590/95) zu Fall gebracht werden (vgl. Haus - Hof und Staatsarchiv - Mainzer Erzkanzlerarchiv - Reichstagsakten [künftig: HHStA-MEA-RTA] Fasz. 72-75 und 77-79 und ebd. Reichskanzlei (RK) - Fasz. 53, 54a und b und 55). - Vgl. Heinz N oflatscher , Glaube, Reich und Dynastie: Maximilian der Deutschmeister (1558-1618). (QuStDO 11, Marburg 1987) 18-31. - Zu Kaiser Maximilian II. vgl.: Manfred Rudersdorf , Maximilian II. 1564-1576, in: Die Kaiser der Neuzeit 1519-1918: Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland, hg. v. Anton Schindling und Walter Ziegler, München 1990) 79-97 u. 474f.; ferner Friedrich E delmayer und Alfred Köhler , Kaiser Maximilian II. Kultur und Politik im 16. Jahrhundert (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 19, München 1992); Maximili­ an Lanzinner , Friedenssicherung und politische Einheit des Reiches unter Kaiser Maximilian II. (1564-1576) (— Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayeri­ schen Akademie der Wissenschaften 45, Göttingen 1993). - Zum Stephanusorden vgl. Jan Paul Niederkorn , Die europäischen Mächte und der „Lange Türkenkrieg“ Kaiser Rudolfs II. 1593-1606 (Archiv für Österreichische Geschichte 135, Wien 1993) 407f. (mit Speziallit.) 79) Extrakt s. DOZA BÖ 380/3 vom 23. September 1631. 0O) Demel, Schottenfeld (wie Anm. 30) 196.

245 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html unter Kaiser Joseph II. dann noch massiver erfolgenden Eingriffe in seine bisher als rein kirchlich erachteten Sonderrechte. Selbst der bis heute an Hand der Quellen im Mainzer Erzkanzlerarchiv und der Bestände der (kaiserlichen) Reichskanzlei nicht restlos geklärte Verlust der Reichs- und Kreisstandschaft zerstörte nicht die Erinnerung, daß der Orden hin­ sichtlich seiner österreichischen Provinz und der „Ballei an der Etsch und im Gebirge“ einstmals die hohen Rechte als Reich- und Kreisstand besessen hatte8i) Denn am 2. Dezember 1743 ließ der Hoch- und Deutschmeister Clemens August von Bayern (1732-1761) beim österreichischen Landkomtur Johann Joseph Phi­ lipp Graf Harrach81 82) (1737-1764) anfragen, kraft welcher Rechtsgrundlage die Landkommende (Wien) und die übrigen Komtureien der Ballei mit kaiserlicher Genehmigung nur an echte Mitglieder der Landstände verliehen werden könnten- er forderte eine Abschrift der diesbezüglichen Dokumente an, da dies in die innere Verfassung und Grundstruktur des Ordens zutiefst eingreife. An der längst durchgedrückten „Landsässigkeit“ der beide Landkomture in den habsburgi­ schen Erblanden hat diese hochmeisterliche Recherche freilich nichts mehr än­ dern können.83) Hinzu kommt für den Orden im 16. Jahrhundert eine bislang nicht gekannte Gefahr - der Mangel an eigenen Ordenspriestern für die den Kommenden ver­ bliebenen geistlichen Pfründen. 1597 ist kein Deutschordenspriester in der öster­ reichischen Ballei nachweisbar.84) Im folgenden 17. Jahrhundert mußte der Orden Spannberg mit einem - allerdings tüchtigen und von den kirchlichen Oberen gelobten — Zisterzienserpater als Ortsseelsorger besetzen, der jedoch über seine Pfarrkinder keine schmeichelhaften Bemerkungen machte.85) In Gumpoldskir­ chen konnte ein an der Mergentheimer Ordenszentrale als dortiger Seminarre­ gens fungierender Ordensgeistlicher (Wilhelm Mauchter) durch 26 Jahre die Pfar­ rei im Sinne der Ordensstatuten führen.86) In Palterndorf gab es während des Dreißigjährigen Krieges und danach einen häufigen Pfarrerwechsel; von 1658 bis 1662 mußte auch hier ein Benediktinerpater als Pfarrverweser aushelfen.87) Die­ ser Priestermangel bedeutete für die Bewahrung der von den Päpsten nach dem

81) Ebd.; D emel, Graz (wie Anm. 51) 76f. u. 85 Anm. 37-41. 82) Zu ihm vgl. Peter Stenitzer , Die Deutschordensprovinz Österreich unter der Führung des Komturs und Balleioberen Johann Joseph Philipp Graf Harrach (1678-1764), Studien zur grundherrschaftlichen, kirchlich- seelsorglichen und karitativen Aufgabenstellung des Deutschen Ordens in Nieder- und Oberösterreich, Kärnten, Steiermark und Krain 1712— 1764 (Phil.Diss. masch. Wien 1992 in 2 Bd.). 83) DOZA BÖ 380/5. - Bereits der Amtsvorgänger Harrachs Guidobald von Starhemberg (1719/20-1737) gab in der vom Hochmeister angeordneten Generalvisitation vom 30. Oktober 1719 in Wien auf Anfrage bekannt, daß in Österreich die einzelnen Kommenden zu den jeweiligen Landständen gehörten und ihre Abgaben dorthin zu leisten hätten: vgl. DOZA BÖ 417/2 fol. 9r. 1792 erfolgte die Einverleibung der Wiener Landkommende in den Nö. Herrenstand auf Antrag des Landkoturs Harrach: Ebd. 381/18. 84) DOZA BÖ 93/3 und 364/6. 85) Ebd. 93/2 und 364/7 (vom 14. Mai 1663). 86) Bernhard D emel O.T., Das Priesterseminar des Deutschen Ordens zu Mergentheim (QuStDO 12, Bonn-Godesberg 1972) 61-68, 244, Anm. 11 und 274. Mauchter starb am 22. März 1669 in Gumpoldkirchen: DOZA V(aria) 1707. Seine Tätigkeit dort wurde gelobt: DOZA BÖ 91/7 und 365/5. 87) Demel, Paltemdorf (wie Anm. 35) 37f.

246 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Konzil von Trient (1545-1563) gewährten Vergünstigungen88) eine große Gefahr, pie dem Landkomtur verbliebenen Rechte der Besetzung der Deutschordenspfar­ reien mit Nichtprofessen gefährdeten die Privilegien des Ordens {in temporali- bus) insofern, als die Weltgeistlichen dem Orden nicht durch Gelübde verpflichtet waren; auch die Praxis erwies, daß solche Priester nicht im Sinne des Ordens­ rechtes mit den Pfarrgütern umgingen. Der in Wien von 1357 bis 1783/88 residie­ rende Passauer Offizial89) versuchte im 17. Jahrhundert ebenso wie der Salzbur­ ger Erzbischof die durch das Trienter Konzil gefestigten Bischofsrechte auch gegenüber dem exemt gebliebenen Orden zu erweitern.90) Beide geistlichen Insti­ tutionen erfuhren sofort den energischen Widerstand des österreichischen Land­ komturs und des von diesem oft um Hilfe gebetenen Hoch- und Deutschmeisters sowie der Mergentheimer Zentralregierung, die bei Rechtsfällen als Instanzen des Gesamtordens für die Vertretung der geistlichen Adelskorporation zuständig wa­ ren und konsultiert werden mußten. Nach jahrelangen intensiven Beratungen - zumal in Wien — wurde zuerst zwischen dem Erzbistum Salzburg wegen der vier südsteirischen Pfarreien der Kommende Groß-Sonntag (Groß- Sonntag, Friedau, Sankt Nikola und Heiliggeist zu Polstrau) - nicht aber für die zur Kommende Leech in Graz gehörige Pfarrei St. Johann bei Herbefstein91) - am 27. Juni 16 7 3 92) eine amikable Vereinbarung getroffen, welche die geistliche Jurisdiktion des Bi­ schofs in Sachen Ordenspfarreien regelte. Durch die erzbischöfliche Ratifikation vom 17. Mai 16 7 493) in Salzburg bekam die im Vorjahr getroffene Vereinbarung Rechtskraft und blieb im Grunde die Norm bis heute, obwohl im südsteierischen Raum 1859 das Bistum Marburg94) gegründet wurde — jene Diözese, zu der die ehemaligen, südsteirischen Pfarreien heute noch heute gehören. Eine ähnliche Regelung mit dem Bistum Passau kam nicht so schnell zustande, obwohl von 1625 bis 1662 der spätere Hoch- und Deutschmeister Leopold Wil­ helm - neben anderen geistlichen und weltlichen Würden - auch jene des Fürst­ bischofs von Passau innehatte. Zwar ist während seines Pontifikats und unter seinem minderjährigen Nachfolger Karl Joseph von Österreich (1662—1664)95) kei­

8e) Vgl. die Urkunden vom 13. März 1568 bis zum 28. April 1768 im DOZA ; die einschlägi­ gen päpstlich Privilegien s. im Druck bei: Eduard Gaston Graf von P e t t e n e g g , Die Privile­ gien des Deutschen Ritter-Ordens (Wien 1895). B9) Viktor F l ie d e r , Stephansdom und Wiener Bistumsgründung - Eine diözesan,- und rechtsgeschichtliche Untersuchung (Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der kath.-theol. Fakultät der Universität Wien 6, Wien 1968) 209 und 249; W e iBe n st e in e r , Diözesanregulierung (wie Anm. 38) 298f. 90) Zu Passau vgl. DOZA BÖ 92/4, 93/2 und 3 und 365/3, 367/11 und 477/4; zu Salzburg vgl. ebd. BÖ 198/2, 364/5 und 369/3. 91) Gottfried A l lm er , St. Johann bei Herberstein, Beiträge zur Kulturgeschichte des mittle­ ren Feistritztales (St. Johann bei Herberstein 1995) 33—48. 92) Zwei Vertragsexemplare DOZA Urkundenreihe zum Datum; Beiakten s. ebd. BÖ 364/5. 93) Orig. DOZA Urkundenreihe. 94) Lexikon für Theologie und Kirche [fortan abgek. LTHK] (Sonderausgabe 1986, Freiburg/ Breisgau 1986) VI 839f. 95) Unter Leopold Wilhelm als Passauer Fürstbischof achtete Hochmeister Johann Caspar von Stadion (1627-1641) genau auf die rein geistlichen Rechte des Passauer Offizialates in Wien hinsichtlich der nö. Ordenspfarreien: vgl. sein Schreiben an den österreichischen Landkomtur vom 1. August 1628 aus der Ordensresidenz Mergentheim: DOZA V 3912. - Zu beiden Passauer Fürstbischöfen vgl. L e id l , Konkordat (wie Anm. 2) 107-112: Zu Leopold Wilhelm vgl. Erwin G atz u . Stephan M. Ja n k er (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen

247 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html ne Verletzung der Ordensexemtion durch den Passauer Offizial feststellbar, aber eine befriedigende Lösung kam unter den beiden habsburgischen Bischöfen nicht zustande. Erst im Gefolge der vom Hochmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1694- 1732) 1719/20 veranlaßten intensiven Generalvisitation96) wurden endlich auch die Beziehungen zwischen dem Bistum Passau und dem Deutschen Orden gere­ gelt, nachdem 1673/74 der Jurisdiktionsstreit mit dem Erzbistum Salzburg be­ züglich der vier südsteirischen Ordenspfarreien zur Zufriedenheit beigelegt wor­ den war. Auslösender Faktor, mit Passau wie mit Salzburg eine einvernehmliche Regelung zu finden, waren zwei Vorkommnisse: 1) der Tod des durch 35 Jahre erfolgreich wirkenden Weltpriesters Theophil Glet- tinger97) in Gumpoldskirchen, dessen Nachlaßregelung das Passauer Offizialat in Wien beanspruchte und 2) die Bewahrung der Ordensexemtion der Wiener Landkommende (der Fachaus­ druck heißt Intra septa Commendae d. h. innerhalb der Grenzmauem der Ordensniederlassung) gegenüber den Pfarrechten von St. Stephan in Wien; der für den berühmten kaiserlichen Generalfeldmarschall Guidobald von Star­ hemberg (16 5 7—17 3 7)98) als Hauskaplan fungierende Weltpriester Gottfried Möckl hatte sich bei der Überführung einer Toten aus dem Wiener Ordenshaus nach Rechtsmeinung der Kurpriester von St. Stephan Jurisdiktionsrechte an­ gemaßt, die ihm nicht zustanden.99) Beide Ereignisse führten in Absprache mit dem Hochmeister bzw. der Zentralre­ gierung des Ordens in der Residenz zu Mergentheim (1525 bis 18 0 9)100) und den österreichischen Ordensmitgliedern dazu, eine Lösung anzustreben, welche die Exemtion des Ordens sicherte und die durch das Trienter Konzil gestärkten

Reiches 1648 bis 1803 (Berlin 1990) 265-267, zu Karl Joseph ebd. 217f. - Zur Person beider Hochmeister vgl. demnächst Bernhard D em el mit Kurzbiogrammen im Bd. 40 der QuStDO. - Der historisch höchst interessierte Erzherzog-Hochmeister Eugen (1894-1923) fuhr am 10. August 1901 per Schiff von Linz nach Passau und ging hier den Spuren seiner Amtsvor­ gänger nach: DOZA Hs 499 B vom 15. August 1901 (Handschriftlicher Vermerk des Erzher­ zogs). 96) Akten s. DOZA BÖ 400/1-3 und 416/4-6, 417/1-3, 418-423/1. - Eine erste Auswertung dieser Generalvisitation für die Kommende Friesach bei Bernhard D e m e l , Die Generalvisi­ tation der Deutschordenskommende Friesach im Jahre 1720 und ihre Auswirkung bis zum Jahre 1724 in: Carinthia 162 (1972) [=Festgabe Gurk II] 345-374. 97) Zu ihm vgl. DOZA BÖ 91/7-8. - Zum Tod Glettingers am 25. Dezember 1722 in Gum­ poldskirchen und seiner Nachlaßregelung durch den Orden in Gegenwart seines Amtsnach­ folgers, des Deutschordenspriesters Sebastian Robas, vgl. DOZA V 1805 und Konrad S tix O.T., Die Generalvisitation der Deutschordenspfarre Gumpoldskirchen im Jahre 1719 und ihre Auswirkung (Theol. Diplomarbeit an der theolog. Hauslehranstalt in Heiligenkreuz bei Wien 1978) 18f., 29f., 40. - Auf Bitten von Hochmeister Leopold Wilhelm hatte am 9. Juni 1660 Kaiser Leopold I. verfügt, daß die Sperre des Nachlasses des Wiener Benefiziaten in der Ordenskirche St. Elisabeth nicht von der Nö. Regierung vorgenommen werden dürfe - eine bemerkenswerte Entscheidung der kaiserlich-landesherrlichen Autorität. 98) Zu ihm vgl. Bernhard D em el O.T., Die Beziehungen der Starhemberger zum Deutschen Orden in: 1933-1993, Festschrift 60 Jahre K.Ö.L. Starhemberg (Wien 1993) 33-56, hier bes. 36-45 und 51-55 (mit den Belegen). ") Einschlägige Akten s. DOZA BÖ 373/3 bes. 378/1, V 1873. 10°) Bernhard D em e l O.T., Mergentheim - Residenz des Deutschen Ordens 1525-1809, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 34/35 (1975/76) 142-212, bes. 177-181.

248 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Rechte der Bischöfe und Pfarrseelsorger bei der geistlichen Ausübung ihrer Funktionen (strikte: Seelsorge und Sakramentenspendung nach den geltenden liturgischen Vorschriften) berücksichtigte. Die energische Betreibung der Siche­ rung der Ordensgerechtsame erfolgte durch den Orden bei der römischen Konzil­ kongregation schon seit September 1722 in Absprache mit dem kurfürstlichen Hochmeister. Auch die Kardinäle Allessandro Kardinal Albani, Kardinal Spinola und Alvaro Kardinal Cienfuegos101) waren in die Angelegenheit eingeschaltet. Der Orden kam unter Vermittlung des offensichtlich an der Kurie hochgeschätz­ ten Starhemberg vor dem Endentscheid Roms zu seinen Gunsten dem Pfarrer von St. Stephan entgegen, ohne seine klare Rechtsposition aufzugeben. Der gut beleg­ te Streit ging zu Gunsten des Deutschen Ordens aus, denn am 7. Jänner 1728102) erklärte der Wiener Nuntius, daß die Familiären des Deutschen Ordens (genauer- hin die in Ordensdiensten stehenden Laien und Geistlichen) der Pfarrgewalt von St. Stephan entzogen werden und allein der Ordensjurisdiktion unterstellt blei­ ben. Eineinhalb Jahre zuvor war bereits die Vereinbarung mit Passau vom 1. September 1726 - nach einer vorausgehenden Besprechung vom 16. August 1726103) - wegen der drei Pfarreien (Gumpoldskirchen, Spannberg und Paltern- dorf) zu beiderseitiger Zufriedenheit zustande gekommen, welche dann bis 1785 - dem Ende der Zugehörigkeit der k. k. Erbländer zur Diözese Passau - gültig blieb. In kurzer Zeit waren wegen dieser drei dem Orden inkorporierten Pfarreien auf dem Land, dann auch wegen der Personalpfarrei St. Elisabeth beim Dom zu St. Stephan in Wien das Recht des Ordens aufgrund seiner päpstlichen Privile­ gien der Exemption einerseits, aber auch die vom Tridentiner Konzil bestimmten Rechte der Oberhirten von Passau und Wien zur Zufriedenheit beider Streitpar­ teien geregelt worden. Diese Vereinbarung kam zu einer Zeit zustande, da Ange­ hörige der Familie Starhemberg sowohl den Orden als auch das Bistum Passau als Offizial in Wien vertraten. Von seiten des Ordens war dies der seit 1719/20 bis 1737 als Balleioberer fungierende Guido(bald) Graf Starhemberg und von Seiten der Diözese der von 1726 bis 1727 als Offizial für das Land unter der Enns und Passauer Offizial fungierende Domherr und Propst von Ardagger Ferdinand Ot­ tokar Graf von Starhemberg.104) In seiner Vertretung handelte der Rat und unter- ennsische Direktor Franz Anton Mayer jene von September 1726 bis zum Pas-

101) Akten DOZA BÖ 378/1; zu Kardinal Albani vgl. Bernhard D e m e l , Der Plan einer Bis­ tumsgründung in Troppau in den Jahren 1773-1777, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen - Mähren - Schlesien 5 (1978) 101-189, bes. 107, Anm. 36 mit weiterführender Literatur; zu Kardinal Alvaro de Cienfuegos vgl. LThK 2, 1202L; zu Nikolaus Kardinal Spinola vgl. Johann Heinrich Z e d l e r , Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wis­ senschaften und Künste 39 (Leipzig-Halle 1744, Neudruck Graz 1972) 71f.; Hier(archia) Cath(olica) medii et recentioris aevi, Bd. V, hg. von Remigius R itz le r OFM Conv. u. Pirmin S efrin OFM Conv., (Padua 1952) 30, 49, 51; auch den zweifachen Landkomtur von Hessen und Alten-Biesen, Damian Hugo Kardinal von Schönbom (zu ihm vgl. ebd. 29, 48f.) er­ suchte Hochmeister Franz Ludwig am 7. August 1723 (DOZA BÖ 379/1) um Intervention in Rom zugunsten der Exemtion des Ordens in seiner Wiener Ordenskirche. - Der Streit des Ordens mit der Wiener Domkirche (Akten ebd. BÖ 378/1) wurde auch vor der 1564 einge­ setzten Konzilskongregation (dazu vgl. LThK 5, 1345) erörtert. 102) DOZA BÖ 372/3 und bes. 378/1. 103) Ebd. V 945. - Die in Gang gekommenen Verhandlungen mit Passau waren auf dem österreichischen Balleikapitel vom 7. bis 16. April 1725 bereits ordensintern behandelt worden: vgl. ebd. Balleikapitel K(arton) 5. 104) Zu ihm v g l. K r ic k , Domstift Passau (wie Anm. 2) 219.

249 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html sauer Bistumsende in Österreich gültige Vereinbarung aus, die weder von der Passauer noch von der Kirchengeschichtsschreibung im Wiener Erzbistum bis­ lang berücksichtigt worden ist. Diese Regelung galt im Vereinbarungsjahr 1726 nur für die drei Pfarreien Gumpoldskirchen, Palterndorf und Spannberg und besagte folgendes: Der Orden behält wie bisher das Recht zur schriftlichen Präsentation von Welt­ oder Ordenspriestern auf die drei genannten Pfründen; diese Geistlichen werden nach vorheriger Prüfung durch das Offizialat und persönlicher Stellung extra locum exemptum investiret, jedoch daß Ihnen bloß per commissionem die Pfarrey anvertrauet, und die temporalia von beyderseiths Deputierten Simultanee, und zwar erstens von des hohen Ordens, hernach durch des Hochstüeffts Passau abge- ordent übergeben und eingeantwort werden sollen. In Sachen Visitation, Korrektion und Bestrafung der Ortspfarrer blieben dem­ nach Profeßriester, ausgenommen in Angelegenheiten der Seelsorge und der Sa- kramentenspendung, nach den Konzilsbestimmungen dem Orden allein unter­ worfen. Für Kirchenvisitationen blieb der Passauer Vertreter mitzuständig. Bei Gumpoldkirchen galt die Sonderregelung, daß schon in der Sakristeivisitation der Landkomtur oder dessen Bevollmächtigter hinzugezogen werden mußte. Im Fall der Bestrafung war in erster Linie der Landkomtur und im Falle eines Man­ gels zusätzlich auch der Passauer Offizial zuständig. Nur die an Kultstätten intra septa Commendae sich aufhaltenden Priester blieben allein der Jurisdiktion des Ordens unterstellt. Passau verzichtete auf jegliche Unkostenerstattung im Falle der Visitation. Welt- und Ordenspriester hatten über den Seelsorgezustand ausführlich an die bischöfliche Synode zu berichten, waren aber zum persönlichen Synodalbesuch nicht verpflichtet. Für Gumpoldskirchen galt, daß der dort im Ordensdienst ste­ hende Weltpriester dem Passauer Kapitelsboten das in der Diözese übliche Lauf­ geld zu bezahlen hatte. Weil nach der von Passau übernommenen Ordensauffassung das Konzil von Trient keine weiteren Ordensgerechtsame beseitigt hatte, waren Welt- und Or­ denspriester nur zur Leistung des „Cathedraticums“ verpflichtet. Nach dem Tod von Ordenspriestern gehörte die Verlassenschaftsregelung allein in die Kompetenz des Ordens; bei Weltpriestern auf Ordenspfarreien mußte die Sperre, Inventur und Verlassenschaftsregelung von gesamter hand (von Bistum und Orden) geregelt werden, weil hier nicht der reichsrechtliche Rang des Deut­ schen Ordens - der Hoch- und Deutschmeister saß in der Reichsversammlung weit vor dem Passauer Fürstbischof - zu berücksichtigen war, sondern der Orden als ein begüettertes Land mitglied unter dem Ordinarius loci angesehen wurde. Die Rechte des Diözesanbischofs und seiner Organe waren zu respektieren; auch die in Österreich übliche portio canonica verblieb dem Ortsbischof. Mit Wirkung 1. September 1726 wurden die von beiden Vertragspartnern ratifi­ zierten Vereinbarungen ohne weitere Verzögerung gültig105)

105) DOZA BÖ 367/3, vgl. ebd. 91/3 (1737 wurde ordensintern bei der Bestellung des neuen Gumpoldskirchner Pfarrers Johann Baptist von Fürenberg ausdrücklich festgehalten, daß der 1726 mit Passau geschlossene Vertrag auch von der Nachfolgediözese Wien als gültige Rechtsnorm anerkannt wurde.)- Zum Begriff intra septa commendae vgl. ebd. Hs 411, fol. 147.

250 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Nur kurze Zeit blieb die Pfarrei Gumpoldkirchen im Bistum Passau. 1728/29 kam sie zum Erzbistum Wien. Die nördlich der Donau gelegenen Pfarreien Spannberg und Palterndorf gehörten bis zur Verdrängung des Passauer Fürstbischofs aus den Erblanden durch Joseph II. (1785) unter Passauer Diözesangewalt. Die seit Ferdinand I. im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts feststellbare Einmi­ schung der Habsburger in wohlerworbene Ordensrechte gipfelte in der josephini- schen Kirchenpolitik, die dem österreichischen Landkomtur auch das Recht der Bestimmung des jeweiligen Ortsseelsorgers nehmen wollte106). Gegen diese Maßnahmen wandte sich der Orden sofort durch den österreichi­ schen Balleikoadjutor (1783-1786, ab 1786 Statthalter, ab 1787 bis zum Tod am 19. Mai 1800 Landkomtur) Aloys Ernst Johann Nepomuk Reichsgraf Harrach.107) Seiner einflußreichen Stellung am Wiener Hof gelang es, für die vier Ordenspfar­ reien (die „Wiener Hauspfarrei“, Gumpoldskirchen, Palterndorf und Spannberg) das Präsentationsrecht des österreichischen Provinzoberen auch fortan zu si­ chern. Nur die mit der Herrschaft Laab im Walde 1769 mitgekaufte „Patronats­ pfarrei“ mußte nach dem damals eingeführten Konkursverfahren vom Landkom­ tur laut Hofdekret vom 11. September 17 8 5108), einem Weltpriester übertragen werden. Mit dieser Regelung, sicher auch auf Grund der Bande mit dem Erzhaus und verwandtschaftlicher Beziehungen mit dem Staats- und dem Reichsvize­ kanzler (Kaunitz bzw. Colloredo)109) sowie weiteren Bemühungen des Ordens bei den Wiener Hofstellen110), mitverursacht, war somit rasch der Härte josephini- scher Kirchenmaßnahmen die Spitze genommen worden. Die österreichische Re­ gelung galt auch für den schlesisch - mährischen Ordensbesitz als Vorbild.111) Bis auf den Status der Wiener Hauspfarrei (bis 1951) und der Patronatspfarrei Laab im Walde (bis 1981)112) hat sich bis heute an diesen Verhältnissen im wesentlichen nicht mehr geändert. Der Vollständigkeit halber soll auch auf folgende Beziehungen zwischen Orden und Fürstbistum Passau und seinem Bischof wenigstens kurz hingewiesen wer­ den: 1) Noch vor der Berufung Bischof Georgs Graf von Hohenlohe 1421 zum Erz­ kanzler und Administrator des Erzbistums Gran113) wurde dieser Fürstbischof seit dem 4. Jänner 1419 auch mit den Auseinandersetzungen des Deutschen

106) Akten s. Allgemeines Verwaltungsarchiv (fortan abgek. AVA), Alter Kultus, K. 39 bis 41; DOZA Prie(ster) K. 44, Nr. 371. - Zum Deutschordens-Priester Heinrich Schmidt vgl. fer­ ner demnächst Bernhard D e m e l , Der Deutsche Orden in Schlesien und Mähren in den Jahren 1742-1918 (im Druck). 107) Klaus O l d e n h a g e , Kurfürst Erzherzog Maximilian Franz als Hoch- und Deutschmeister (1780-1801) (QuStDO 34, Bad Godesberg 1969) 76 Anm. 226. loe) Handbuch aller unter Kaiser Joseph des II. für die K.K. Erbländer ergangenen Verord­ nungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung, 10 (Wien 1788) 722-724; Kopie auch DOZA Prie 44. 109) Der Sohn des Staatskanzlers war Ordensritter und später Landkomtur in der Ballei Westfalen: vgl. O l d e n h a g e , Maximilian Franz (wie Anm. 107) 85 Anm. 3 0 7 . - Der jüngere Bruder des regierenden Reichs-Vizekanzlers Rudolf Fürst Colloredo war österreichischer Provinzoberer vor Harrach: O l d en h a g e , wie oben 75, Anm. 2 2 2 . no) AVA,Alter Kultus K. 39-41 und DOZA Prie 44 (bei Deutschordenspriester Heinrich Schmidt). 1U) Vgl. die im Druck befindliche Studie D em els (wie Anm. 106). 112) Belege s. DOZA Urk. 30. Juli 1981 und D e m e l , Passau (wie Anm. 2) 38f. na) Vgl. L e id l , Bischöfe (wie Anm. 2) 32.

251 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Ordens mit Polen unter Hochmeister Michael Küchmeister (1414-1422)11*) ^ tensiv befaßt. Am 15. April 1420 transsumierte er die Protestation des Großfür­ sten Witold an König Sigmund wegen dessen zu Breslau erlassenen Schieds­ spruches. Der polnische König wandte sich am 29. Jänner 1423 an Bischof Georg und an weitere ungarische Große wegen seiner Verhandlungen mit dem Römischen König. Am 1 . Februar kam es diesbezüglich zu einem Briefwechsel des polnischen Kanzlers und Krakauer Bischofs Albert mit Erzkanzler Bischof Georg, der am 14. Februar Bischuf Albert und andere polnischen Prälaten und Barone diesbezüglich anschrieb. Ein baldiger Tod enthob den Erzkanzler von der Führung weiterer Verhandlungen zwischen Orden und Polen.114 115). 2) Für die Friedens Verhandlungen in Münster und Osnabrück bestellte Hochmei­ ster Leopold Wilhelm am 9. November 1645116) den Passauer Landrichter und Rat Johann von Giffen117) zu seinem Bevollmächtigten. Er hat sich fortan als hartnäckiger, katholische Interessen bewahrender und einmahnender Unter­ händler des Hoch- und Deutschmeistertums118), der Hochstifte Straßburg, Passau, Halberstadt, Hersfeld, Murbach und Luders, der Grafschaft Hohen­ stein und als Vertreter des Malteserordens erwiesen und bewährt.119) Der jeden Bevollmächtigsten freigestellten Unterzeichnung des westfälischen Friedens­ werkes blieb er freilich fern. Auch bei der Exekution des Friedens vertrat er in Nürnberg zusammen mit dem fränkischen Landkomtur Georg Wilhelm von Elkershausen, genannt Klüppel, die Ordensanliegen.120) 3) Der am 25. Mai 1685 zum kaiserlichen Prinzipalkommissar am Immerwähren­ den Reichstag121) ernannte Passauer Bischof Sebastian Graf von Pötting - Persing

114) Wilhelm N o b e l , Michael Küchmeister, Hochmeister des Deutschen Ordens 1414-1422 (QuStDO 5, Bad Godesberg 1969). 115) OBA I 2885, 3144, 4059, 4065, 4071; II 2017, 2026 und 2043; - Zum politischen Hinter­ grund vgl. Zenon Hubert N owak , Die imperialen Vorstellungen Siegmunds von Luxenburg und der Deutsche Orden, in: Die Ritterorden zwischen geistlicher und weltlicher Macht im Mittelalter (Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica 5, Torun 1990) 87-98. 116) HHStA-MEA-Kor(respondenz), Fasz. 9 (Bevollmächtigung Giffens für Münster und Os­ nabrück). 117) Johann Ludolph Wa lth er , Universal- Register zu Acta Pacis Westphalicae Publica und Acta Pacis Executionis Publica, Reproductio Phototypica editionis 1740, bei Otto Z eller (Osnabrück 1969) 12f.; Fritz W o l f f , Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß - Die Einfügung der konfessionellen Ständeverbin­ dungen in die Reichsverfassung (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neue­ ren Geschichte, Münster 1966) 209-211. 118) Akten DOZA Ligaakten 62/1 u. 3. 119) Fritz D ick m a n n - Konrad R e pg e n (Hg.), Der Westfälische Frieden (5Münster 1985) 388 u.ö. 12°) DOZA Ligaakten 62/3 (Bericht Giffens an die Mergentheimer Zentralregierung aus Münster vom 27. Oktober 1648); über die Tätigkeit der beiden Genannten in Nürnberg vgl. die im Druck befindliche Studie von Bernhard D e m e l , Der Deutsche Orden und die Krone Frankreichs in den Jahren 1648-1789. m) Am 8. März 1685 hatte Leopold I. Bischof Sebastian von Passau nach dem Tod des Eichstätter Bischofs zum neuen Prinzipalkommissar ernannt: HHStA-RK-RTA-287 fol. 86- 88. Vgl. ferner HHSTA-MEA-RTA Fasz. 377 fol. 3r; Vgl. Christian Gottfried O er te l , Voll­ ständiges und zuverläßiges Verzeichniß der Kaiser, Churfürsten, Fürsten und Stände des Heil. Röm. Reichs, wie auch Derselben und auswärtiger Mächte Gesandtschaften, welche bey dem fürwährenden Reichs-Tage, von seinem Anfänge 1662 an, bis zum Jahre 1760 sich eingefunden haben (Regensburg 1760) 8.

252 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html (1673-1689)122) und schon sein Amtsvorgänger Gottlieb Graf von Windisch- grätz123) waren 1684 und 1685 mit den Auseinandersetzungen des Deutschen Or­ dens mit der Krone Frankreichs wegen der linksrheinisch dem Orden entzogenen Güter in den Balleien Elsaß - Burgund und Lothringen befaßt.124) Der kurmain­ zische Reichsdirektoriale Dr. Johann Caspar Scheffer und sein Nachfolger, der kurfürstliche Hof- und Regierungsrat Hermann Raban von Bertram, ließen in Absprache mit dem Kurerzkanzler, als den für die Geschäfte am Reichstag ver­ antwortlichen Kurfürsten, die hochmeisterlichen Beschwerden gegen Frankreich zum Reichsdiktat bringen. Wenn auch die durch Prinzipalkommissar und Kur­ mainz unterstützte Maßnahme des Ordens in der Reichs Versammlung nicht un­ mittelbar zum Erfolg führte, war doch durch diesen Rechtsvorbehalt des Ordens und die Maßnahme am Regensburger Gesandtenkongreß eine wesentliche Maß­ nahme zur Sicherung der Ordensgerechtsame vorgenommen worden, die dann im Rijswijcker Frieden 16 9 7125) zu Gunsten des Ordens ausschlagen sollte. 4) Auch der Nachfolger Bischof Sebastians, Johann Philipp Kardinal Graf von Lamberg (16 8 9-17 12)126) wurde für die Geschichte des Deutschen Ordens bedeut­ sam, da er Beschwerden gegen sie für Reich und Kreise zu erbringenden, festge­ setzten Lasten unterstützte, die seit 1691 auf dem fränkischen Kreiskonvent in­ tensiv betriebene Matrikelmoderation des Deutschmeisters (= Ermäßigung der durch die Wormser Matrikel von 1521 zu erbringenden Leistungen gegen die Feinde des Reiches neben der Geldleistungen zum Unterhalt des Reichskammer­ gerichts) durch den dem Kaiserhaus verwandtschaftlich verbundenen Hoch- und Deutschmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1694-1732) wurde auch vom Passauer Bischof befürwortet. Am 13. August 17 04127) konnte ihm Bischof Lam­ berg den Erfolg des Ordensanliegens mitteilen: am 4. Juni 17 04128) hatten die drei Reichskollegien (Kurfürstenrat, Fürstenrat - in welchem der Hoch- und Deutsch­ meister saß - und das reichsstädtische Kollegium) die Ermäßigung der Reichslei­ stungen des Deutschmeisters genehmigt. Auch sorgte er sich um die Unterstüt­ zung beim Reichsoberhaupt. Durch kaiserliches Kommissionsdekret vom 11. Jänner 1706129) genehmigte Kaiser Joseph I. (1705-1711) die vom Reichstag

122) Zu ihm vgl. G atz - Ja n k e r , Bischöfe (wie Anm. 95) 347f. (Art. v. August L e id l ). 123) HHStA-ME A-RTA-Fasz. 377 fol 3r; DOZA RTA 68 /1 ; O er te l , Verzeichnis (wie Anm. 121) 7f. 124) HHStA-MEA-RTA Fasz. 264 (zum 8. Juli 1684, weitere Unterlagen Fasz. 265; s. ferner ebd. Fasz. 266 bis 269 und RK RTA Fasz. 204, 205, 286 u. 287. Vgl. auch MEA-RTA Fasz. 295 Nr. 50a (fol. 352r bis 354v) 50 b (fol. 355v bis 358v) u. 50 c (fol. 359r-360r) zum Jahre 1696/97, wo auf die Eingaben von 1685/86 abermals reflektiert wurde, s. ferner DOZA V 1156. - Zur Thematik vgl. D e m e l , Krone Frankreichs (wie Anm. 120) im Druck. 125) Vgl. § 11 des Friedenstraktates in: HHStA-MEA-Friedensakten Fasz. 83. 126) Vgl. G a tz , Bischöfe (wie Anm. 95), 255-257 (August L e id l ); Franz N ied erm ayer , Johann Philipp von Lamberg Fürstbischof von Passau 1651-1712 - Reich, Landesfürstentum und Kirche im Zeitalter des Barock (Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimat­ forschung in Passau 16, Passau 1938); L e id l , Konkordat (wie Anm. 2) 122-125. 127) Zur Matrikelmoderation vgl. StAL B 298 Bü 210 und Bestand 298 (ferner Bü 216 zum Jahre 1699); - Reaktion des Passauer Bischofs von 1704. S. StAL B 298 Bü 210. 12B) Vgl. Johann JosephP a ch n er von Eggenstorff, Vollständige Sammlung aller von Anfang des noch fürwährenden Teutschen Reichs-Tags de Anno 1663 biß anhero abgefaßten Reichs-Schlüsse 4 Tie. (Regensburg 1740-1777), hier Bd. 3, 115 Nr. 80. 129) Pa c h n er , Sammlung (wie Anm. 128) 3.Bd. 166f. Nr. CXXV: am 12. Jänner 1706 in Re­ gensburg zur Reichsdiktatur zugelassen.

253 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html bereits 1704 beschlossene Herabsetzung des Matrikularanschlages für den Deutschmeister und zeigte damit, wie sehr er trotz des andauernden Reichskrie­ ges gegen Frankreich und die wittelsbachischen Kurfürsten die Anliegen des geschädigten Mitfürsten zu fördern bereit war. Aus diesen vier Beispielen kann entnommen werden, daß der Orden auch an seiner Spitze mit den reichsrechtlich hochgestellten Passauer Fürstbischöfen auf dem Reichskonvent intensive Kontakte pflegte, seine Anliegen begründet vortra­ gen konnte und tatkräftige Hilfe durch die Passauer Bischöfe erfahren hat. Die Kontakte130 131) liefen somit nicht nur auf der Ebene der Ballei und der dem Orden inkorporierten Pfarreien, sondern auf der höchsten Ebene der das Sacrum Impe­ rium zusammenhaltenden Reichsversammlung.

Die Ballei Österreich und das (Fürst-Erz-) Bistum Wien von 1469 bis heute Ohne den Passauer Bischof und kaiserlichen Kanzler Ulrich von Nußdorf (1451- 1479)i3i) zu informieren, hatte Papst Paul II. am 18. Jänner 146 9132) die Bistümer Wien und Wiener Neustadt errichtet. Zu den Pfarreien des neuen Bistums (St. Stephan, Schotten und St. Michael) gehörte auch die Pfarrei Laab im Walde, das vom 15. Juli 1769 bis zum 30. Juli 1981 als mit einem Weltpriester zu beset­ zende Patronatskirche zur österreichischen Ordensprovinz gehörte. Das aus dem Passauer Bistumsbereich 1729 ausgegliederte Viertel unter dem Wienerwald um­ faßte auch die dem Orden inkorporierte Pfarrei Gumpoldskirchen. Zur neuge­ gründeten Diözese Wien gehörte von Anfang an die 1466133) mit einem Pfarrer besetzte Pfarrei im Wiener Deutschordenshaus. Mangels zeitgenössischer Quellen und chronikalischer Überlieferung ist bislang nicht zu eruieren, ab wann der im Deutschen Haus von der zuständigen Provinzobrigkeit bestellte Geistliche Pfar- rechte über die Ordensbediensteten und die Professen besaß und wann dieser Rechtsstatus als Personalpfarrei verloren ging. War daran die Reformation schuld oder schon der um die Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzende Rückgang an Deutschordenspriestern?134) Tatsache ist jedoch, daß Hoch- und Deutschmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg im Gefolge der 1719/20 durchgeführten Gene­ ralvisitation der Ballei Österreich und in Zusammenarbeit mit dem neuen Ballei-

13°) Auf zwei Beispiele der Courtoisie soll wenigstens kurz hingewiesen werden: Am 10. April 1737 wurde dem Passauer Fürstbischof der Tod des Landkomturs Guidobald von Starhemberg gemeldet. Fürstbischof Joseph Dominikus Reichsgraf von Lamberg (zu ihm vgl. L e id l , Konkordat [wie Anm. 2] 129-135 und G a tz , Bischöfe [wie Anm. 95] 257-259) kondolierte bereits am 13. April zum Ableben des bekannten österreichischen Balleioberen: vgl. DOZA V 731/44. - Der neue Passauer Bischof Joseph Franz Anton Reichsgraf von Auersperg (1783-1795, zu ihm s. L e id l , Konkordat [wie Anm. 2] 148-153) seinerseits zeigte dem Erzherzog-Hochmeister Max Franz von Österreich seine Wahl in Passau an: DOZA Geheime Konferenzprotokolle (GKP) vom 2. Juni 1783, Nr. 237. 131) LThK 8, 140. 132) Vgl. L o id l , Erzbistum Wien (wie Anm. 3) 22 u. 2 7 ; F l ie d e r , Stephansdom (wie Anm. 89) 215f. 133) Hier Urk. von ca. 1700 nach älteren Unterlagen in DOZA Urkundenreihe u. ebd. HS 462 fol. lv. 134) Vgl. Friedrich B enninghoven , Zur Zahl und Standortverteilung der Brüder des Deut­ schen Ordens in den Baileien um 1400, in: Preußenland 26 (1988) 1-20, hier bes. 13 mit beiliegender, instruktiver Karte.

254 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Statthalter (1719, ab 1720 Landkomtur) Guidobald Graf von Starhemberg am 7 . Jänner 1728 durch Spruch der Wiener Nuntiatur die eigens dotierte Personal­ pfarrei im Deutschen Haus in der Singerstraße nach römischen Grundsatzent­ scheidungen bestätigen ließ.135) Mit der 17 2 2136) zum Erzbistum Wien erhoben Diözese gab es fortan von seiten des Ordens ebenso schon wie mit Passau Berüh­ rungsflächen hinsichtlich der Exemtion der Ordenspfründen, der Besetzung der Ordenspfarreien mit Welt- oder Ordenspriestern, jedoch unter Beachtung der 1726 getroffenen Vereinbarungen. Durch die im Gefolge der napoleonischen Kriege erfolgte Neuordnung der mittel­ europäischen Verhältnisse wurde der Deutsche Orden 1809 aus allen Rheinbund­ staaten verdrängt und auf das Gebiet des 1804 neugegründeten österreichischen Kaiserstaates beschränkt. Auf Grund dieser enormen Verluste gab es von 1809 bis zum 1. Jänner 18 36 137) nur die Besitzungen im schlesisch-mährischen Meistertum und die Ballei Österreich mit Ausnahme der an Frankreich verloren gegangenen Kommenden Laibach, Möttling und Tschernembl.138) In dieser Zeit der großen territorialen und personalen Veränderungen im Orden hatte dieser in der Person des österreichischen Staatskanzlers Clemens Lothar Wenzel Fürst von Metternich - Winneburg einen mächtigen Helfer bei der Reorganisation der geistlichen Adelskorporation. In enger Zusammenarbeit mit dem Erzherzog-Hochmeister Anton Viktor (1804-1835) gelang diese Neuordnung in der Donaumonarchie in den Jahren 1834 bis 1839/40.139) Für das Erzbistum Wien bedeutete dies, daß es bei allen Seelsorgsmaßnahmen mit und für den Deutschen Orden berücksichti­ gen mußte, daß dieses Ordensgut und seine Professen - seit 1837/41 auch Deutschordensschwestern140) - nach der Neuordnung der Verwaltung in den Jah­ ren 1848/50 nicht dem Ministerium für Kultus und Unterricht unterstanden, son­ dern wegen der Person des erzherzoglichen Hochmeisters dem Ministerium des Kaiserlichen Hauses, das in Personalunion auch das Ministerium des Äußern war. Die Besetzung der vier Ordenspfarreien (im Deutschen Hause zu Wien und der drei bekannten niederösterreichischen Pfarreien) erfolgte durch Profeßpriester. Dies waren nach der Neufassung der Ordensstatuten 1839 sogenannte „Ballei­ priester“141), und nach der Gründung der Priesterkonvente zu Lana in Südtirol (1855) und zu Troppau in Schlesien (1866) „Konventspriester“ 1893 regte das in Wien tagende Großkapitel des Ordens die Ausdehnung des inzwischen erfolgrei­

135) S. Anm. 102. Die Wiener Personalpfarrei hatte am 1. März 1804 (DOZA BÖ 396/4) bei der Nö. Landschaft 2850 fl, beim Wiener Stadtbanco 20.770 fl an eigenen Kapitalien. 136) Christine K it z l e r , Die Errichtung des Erzbistums Wien 1718-1729 (Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien 7, Wien 1969)11-100. 137) Ulrich G a s s e r , Die Priesterkonvente des Deutschen Ordens - Peter Rigler und ihre Wiedererrichtung 1854-1897 (QuStDO 28, Bonn-Godesberg 1973) 23. i3e) Friedrich Tä u b l , Der Deutsche Orden im Zeitalter Napoleons. (QuStDO 4, Bonn 1966) 174. 139) DOZA Cap(itularia) 812/1-3 und 813/1-2; AVA Alter Kultus K. (Fasz.) 39-41; G a s s e r , Priesterkonvente (wie Anm. 137) 10-19. uo) Dazu vgl. Erentraud G r u b er , Deutschordensschwestern im 19. und 20. Jh. - Wiederbele­ bung, Ausbreitung und Tätigkeit 1837-1971 (QuStDO 14, Bonn-Godesberg 1971) 6-72. 141) G a sser Priesterkonvente (wie Anm. 137) 228-230, 245-272.

255 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html chen Instituts der Konventspriester auch auf die Ballei Österreich an und be­ schloß, daß fortan keine Balleipriester mehr aufgenommen werden sollten. ^ 2) Ein Jahr vor dieser für die Besetzung der österreichischen Balleipfründen wichti­ gen Zäsur hatte das Großkapitel vom 15. Dezember 1892 sich mit dem Plan auseinandergesetzt, in der Haupt- und Residenzstadt der Doppelmonarchie den Deutschordensschwestern im Allgemeinen Krankenhaus den Klinikdienst zu übertragen. Die hohen Forderungen der Direktion des Krankenhauses (minde­ stens 80 Schwestern täglich im Dienst) waren wegen der mangelhaften finanziel­ len Dotierung des Schwesternfonds und des separaten Spitalfonds nicht realisier­ bar.142 143) Erst nach dem Ende der Doppelmonarchie gelang die Verpflanzung des sich erfreulicher gut entfaltenden Schwesterninstituts im Bereich der Wiener Erzdiö­ zese: 1921 übernahmen die Ordensschwestern das Pflegeheim Bellevue für kno- chentuberkulose Kinder im 19. Wiener Gemeindebezirk, wobei sie auch regelmä­ ßig Schulunterricht erteilten. 1924 bekamen südtirolische Ordensschwestern Ge­ legenheit, in einem Teil des Gumpoldskirchener Ordensschlosses eine Haushalts­ schule zu errichten und sich der Krankenpflege in den Privathäusern zu wid­ men.144) 1931 übernahmen dort drei Schwestern auch die Wirtschaftsführung des am 29. Oktober 1924 in der Erzdiözese Wien gegründeten Priesterkonventes der Ballei Österreich145) und führten ihre Tätigkeit bis zur Aufhebung des Ordens durch die Nationalsozialisten im September 19 3 8 146) weiter. Nach der Umwandlung des „Deutschen Ritterordens“ - diese Titulatur gilt exakt nur von 1834 bis 19 2 9147) - in ein klerikales Regularinstitut der Römischen Kirche erhielt er am 18. Oktober 1933 in der Person Theodor Kardinal Innitzers148 *) wie­ der einen Ordensprotektor. Zeitlebens blieb dieser Wiener Erzbischof dem Deut­ schen Orden, seinen hiesigen Pfarreien und den Brüdern und Schwestern als Förderer zugetan. Bereits am 26. September 1938 (nach der Aufhebung der Ballei Österreich durch die neuen Machthaber) wandte sich Innitzer an den Stillhalte- kommissar und Reichsamtsleiter Albert Hoffmann wegen der Enteignung des Ordens durch die Nationalsozialisten und berief sich dabei auf die Denkschrift, die durch die Prälaten Dr. Tongelen und Wagner im Stillhaltekommissariat über­ reicht worden war. Dieser Initiative des Kardinalprotektors war jedoch von den neuen Machthabern nicht entsprochen worden. Nach 1938 sorgte sich der Wiener

142) DOZA BÖ 385/4, Nr. 702 (1358); G a s s e r , Priesterkonvente (wie Anm. 137) 266f. 143) Vgl. G r u b er , Deutschordensschwestern (wie Anm. 140) 131f. 144) Ebd. 179-182. 145) Diözesanarchiv Wien (DAW), Ritterorden (RO) 460. - Am 29. Oktober 1924 war die Konstitutierung des Deutschordens- Priesterkonventes der Ballei Österreich in Gumpolds­ kirchen vorgenommen worden. Die Namen der zugehörigen Deutschordenspriester waren am 8. November 1924 (ebd. RO 460) dem erzbischöflichen Ordinariat mitgeteilt worden. 146) G r u b er , Deutschordensschwestern (wie Anm. 140) 182. 147) G a s s e r , Priesterkonvente (wie Anm. 137) 10-289; T u m ler - A r n o l d , Deutscher Orden (wie Anm. 1) 78-87. 14B) Mitteilungen des Deutschen Ordens Nr. 5 (Jänner 1934) 1-3; ebd. Nr. 1, (Jänner 1937) 5- 10 und ebd. Nr. 3 (Juli 1937) 9. Zur Person des Kardinalprotektors vgl. Viktor R eim a n n , Innitzer, Kardinal zwischen Hitler und Rom (Wien - München 1967); Maximilian L ieb m a n n , Kardinal Innitzer und der Anschluß - Kirche und Nationalsozialismus in Österreich 1938 (Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und kirchlichen Zeitgeschichte 1, Graz 1982); ders., Theodor Innitzer und der Anschluß - Österreichs Kirche 1938 (Grazer Beiträge zur Theologie-Geschichte und kirchlichen Zeit-Geschichte 3, 1988).

256 ©Verein für Landeskunde von Niederösterreich;download http://www.noe.gv.at/noe/LandeskundlicheForschung/Verein_Landeskunde.html Erzbischof auch um die Leistung des monatlichen Kongruabezuges der auf den Pfarreien verbliebenen Profeßpriester.149) Unter Innitzer endete auch der Status der Pfarrei St. Elisabeth im Deutschen Hause als Personalpfarrei des Ordens mit Wirkung vom 1. September 1951.15°) In Absprache mit dem Wiener Schottenstift und der Erzdiözese übernahmen die vertriebenen sudetendeutschen Konventspriester am 30. Juni 1946 zusätzlich die Seelsorge in der Pfarre St. Laurenz am Schottenfeld im 7. Wiener Gemeindebe­ zirk.151) Das geschah, bevor noch die Zweite Republik Österreich den von den NS-Behörden ersatzlos aufgehobenen Orden in seine alten Rechte vor 1938 durch Entscheid vom 24. März 19 4 7152) wieder eingesetzt hatte. Faßt man die vorstehende Übersicht zusammen, so läßt sich sagen: Leitlinien bei allen pastoralen Verpflichtungen und Notwendigkeiten auf den inkorporierten Pfarreien und den zusätzlich übernommenen Seelsorgsaufgaben in der Erzdiözese sind: - die Miteinbeiziehung der kulturellen und ordensgeschichtlichen Bezüge in die notwendigen pastorellen Aufgaben und Verpflichtungen, - die Darstellung der Ordensgeschichte bei Pfarr- und Ordensjubiläen (1986), 1990, 1991, 1995)153) ganz im Sinne der Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils - und schließlich die Ausrichtung der konkreten Seelsorgsarbeit auf die Bedürf­ nisse einer sich rasch wandelnden Gesellschaft.154)

U9) Akten s. DAW RO 460. - Zur Aufhebung des Ordens in Österreich vgl. T u m ler - A r n o l d , Deutscher Orden (wie Anm. 1) 88f.; ferner den Katalog der Ausstellung „800 Jahre Deut­ scher Orden“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (München 1990) V.2.1, 326f. 15°) DOZA Urk. vom 8. August 1951. 151) D e m e l , Schottenfeld (wie Anm. 30) mit den weiteren Beiträgen in dieser Gedenkschrift. 152) DOZA Urkundenreihe. 153) Das wird belegt durch Jubiläumsbuch der Pfarre Schottenfeld (wie Anm. 30), die Fest­ schrift Palterndorf (wie Anm. 35) und jene über Spannberg (wie Anm. 38). Am Ende des Jahres 1995 wird der 600. Wiederkehr des Jahrestages der Weihe der Wiener Deutschor­ denskirche am 19. Dezember 1395 gedacht werden. 154) D e m e l , Schottenfeld (wie Anm. 30) 199; ders., Passau (wie Anm. 2) 38.

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