Künstlerische Zeugnisse aus der Altsteinzeit in Mitteldeutschland Ingmar M. Braun, Basel

Einführung Besser wäre es, von mobilen Kunstgegenständen Das Auftreten des anatomisch modernen Menschen zu sprechen. (Homo sapiens) in Europa wird in der Regel mit Obwohl bis jetzt in Deutschland noch keine dem Beginn des Jungpaläolithikums, der Jüngeren eindeutigen Belege für Höhlenkunst vorliegen, Altsteinzeit, gleichgesetzt. Das Jungpaläolithikum kann durchaus angenommen werden, dass es auch begann ca. 38'ooo BP1 und endete mit dem Ende hier Höhlenkunst geben könnte (Braun 2oo9)2. des Eiszeitalters um 12'5oo BP. Die Menschen Auch die Entdeckung der Bilderhöhle von Creswell waren noch nicht sesshaft und lebten von der Crags in England im Jahre 2oo3 kam völlig uner- Jagd- und Sammelwirtschaft. In diese Zeit datie- wartet. ren in Europa zahlreiche eindrucksvolle Kunst- werke: die Höhlenkunst und die Kleinkunst. Jungpaläolithische Kunst in Mitteldeutsch- Die Höhlenkunst mit spektakulären Tierbil- land dern und anderen Darstellungen ist in Westeuropa vor allem auf Frankreich und Nordspanien kon- Bis jetzt sind in Mitteldeutschland lediglich mobile zentriert. Zu nennen sind hier beispielsweise die Kunstgegenstände bekannt. Im Folgenden werden beeindruckenden Malereien aus den Höhlen neun Fundstellen mit ihren wichtigsten Kunst- Chauvet und Lascaux in Frankreich oder Altamira werken kurz vorgestellt (Abb. 1)3. in Nordspanien. Daneben gibt es aber eine große Die mobilen Kunstgegenstände Mitteldeutsch- Zahl von Höhlen, die nur wenige Darstellungen lands datieren in das Magdalénien mit Ausnahme aufweisen und vielleicht als unspektakulär gelten, des Objektes aus der Fundstelle Breitenbach. Das jedoch für die Urgeschichtsforschung ebenfalls Magdalénien4 ist die letzte Kultur5 des Jung- von Bedeutung sind. In anderen Gebieten Europas paläolithikums und dauerte von rund 18'ooo– gibt es ein Dutzend Bilderhöhlen auf Sizilien, zwei 12'5oo B.P. Diese Kultur erstreckte sich von West- im Ural, vereinzelte in Osteuropa (Roussot 2oo2, europa bis nach Polen (vgl. u. a. Sacchi 2oo3). In 11; Bahn/Vertut 1999, 42 f.; 44 f.). Seit 2oo3 ist auch Europa herrschte immer noch das Eiszeitalter, in eine Bilderhöhle in Grossbritannien bekannt dem sich kalte und warme Phasen abwechselten. (Bahn u. a. 2oo3). Das Magdalénien fällt in das Spätglazial, d. h. in Demgegenüber ist die Kleinkunst über weite die letzte Phase des Eiszeitalters. Das Klima war Teile Europas und darüber hinaus sogar bis nach zeitweise immer noch kühler als heute und prägte Sibirien verbreitet. Als Kleinkunst werden Gra- Landschaftsbild und Tierwelt. vierungen von Tieren, Menschen oder Zeichen auf unterschiedlichen Materialien wie Geweih, Breitenbach, (Sachsen-Anhalt) Knochen, Stein u. a. bezeichnet. Oft sind die Gravierungen auf Gebrauchsgegenständen wie Ein Schüler fand 1925 in Breitenbach bei Zeitz z. B. auf Lochstäben angebracht. Ebenfalls gehö- Mammutknochen. In den folgenden Jahren fan- ren zur Kleinkunst Statuetten von Mensch oder den an dieser Stelle mehrere archäologische Tier, die aus unterschiedlichen Materialen skulp- Untersuchungen statt6. Dabei wurden neben tiert wurden. Im Gegensatz zur Höhlenkunst weiteren Tierknochen zahlreiche Geräte aus Stein ist Kleinkunst beweglich und tragbar, daher die und auch aus organischen Materialien wie Kno- französische und englische Bezeichnung art chen, Geweih oder Elfenbein gefunden. Hinzu mobilier bzw. portable art, die weit zutreffender kamen ebenfalls vereinzelte durchbohrte Fuchs- sind als die deutsche Bezeichnung Kleinkunst. eckzähne, die als Schmuckanhänger dienten. Das

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Ilm Weimar 1 Erfurt Jena T Gera h 6 Freilandsiedlung (Aurignacien) ü Freilandsiedlung (Magdalénien) Saale r Höhlen (Magdalénien) 7 5 i 8 n e 1 Breitenbach 6 Oelknitz g g 2 Nebra 7 Teufelsbrücke e r 3 Saaleck 8 Bärenkeller r i 4 Bad Kösen, Lengefeld 9 Groitzsch W e b 5 Kniegrotte a g unter 50 m 200–400 m l r z Ohre d E 50–100 m 400–700 m 100–200 m über 700 m 0 50 km

Grundlage: Kartierungen der Jungsteinzeit im Mittelelbe- Saale-gebiet nach hermann behrens

Abb. 1 Die neun im Text er- Vorhandensein typischer Steingeräte deutet dar- lich bewusst angebracht wurden. Trotz seiner wähnten Fundstellen mit Klein- auf hin, dass die Funde aus Breitenbach dem Unscheinbarkeit ist es das bislang älteste verzierte kunst in Mitteldeutschland. Aurignacien angehören. Zusammen mit Lommer- Objekt aus Sachsen-Anhalt (Porr 2oo4 , 229). sum im R heinland, Stratzing/Krems-Rehberg und Willendorf II in Niederösterreich gehört Breiten- Nebra, Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) bach zu den großen bisher bekannten aurignaci- enzeitlichen Freilandfundstellen in Mitteleuropa In den 3oer Jahren des 2o. Jh. wurden auf dem (Porr 2oo4). Das Aurignacien ist die älteste Kultur nördlich von Nebra gelegenen Bergsporn »Die des Jungpaläolithikums, welche mit dem Auftre- Altenburg« die ersten Funde aus der Altsteinzeit ten des anatomisch modernen Menschen in gemacht. Die Fundstelle hat eine dominante Lage Europa in Verbindung gebracht wird (vgl. Del- hoch über dem Unstruttal. Erste archäologische porte 1998). Es dauerte von rund 38'ooo bis 28'ooo Untersuchungen fanden jedoch erst zwischen BP. Aus dieser Zeit stammen in Europa die ersten 1962 und 1969 unter der Leitung von D. Mania eindeutigen Belege des künstlerischen Schaffens (1999; 2oo4) statt, als das Gebiet bebaut wurde. von hoher Qualität, wie z. B. ein Teil der Höhlen- In einer windgeschützten Senke w urde ein Behau- bilder aus der Höhle Chauvet in Frankreich (Clot- sungsgrundriss aus dem Magdalénien feigelegt, tes 2oo1) und die zahlreichen aus Mammutelfen- der aber durch spätere Besiedelungen in der bein geschnitzten Tiervollplastiken diverser Bronzezeit und im Mittelalter teilweise zerstört Fundstellen auf der Schwäbischen Alb, wie z. B. worden war (Mania 2oo4, 233). Interessant ist das aus dem Vogelherd (vgl. u. a. Bosinski 1982; Müller- Vorhandensein von unterschiedlichen Gruben Beck/Albrecht 1987; Müller-Beck u. a. 2oo1). in- und außerhalb der Behausung, von denen In Breitenbach ist ein auf den ersten Blick einige als Abfallgruben und andere als Gruben unscheinbar wirkendes Rippenfragment von mit persönlichem Inhalt gedeutet werden können Bedeutung (Abb. 2). Beim näheren Betrachten fällt (Mania 2oo4, 235). Das umfangreiche Fundmate- auf, dass es mit mehreren regelmässig parallel rial erlaubt gute Rückschlüsse auf das Leben der verlaufenden Einkerbungen versehen ist, die sicher- damaligen Sammler- und Jägergesellschaften

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sowie auf die Umwelt am Ende der letzten Eiszeit (vgl. Mania 2oo4)7. Von besonders großer Bedeutung sind drei stark abstrahierte Frauenstatuetten, die aus Mam- mutelfenbein und aus Knochen gefertigt wurden. Sie wurden alle in unterschiedlichen Gruben ge- funden. Diese Art von Frauenstatuetten ist typisch für das jüngere und späte Magdalénien. Sie sind auch von anderen etwa zeitgleichen Fundstellen in Europa bekannt (Abb. 3). Auch als Motiv in der Höhlenkunst in Südwestfrankreich finden sich solche Frauendarstellungen (Bosinski u. a. 2oo1; Braun 2oo5; Höck 1995). Die bei Neuwied am Rhein (Rheinland-Pfalz) gelegene Fundstelle Gön- nersdorf lieferte zahlreiche Frauendarstellungen von diesem Typus entweder als Gravierungen auf Schiefer oder plastisch in Form von Statuetten (Bosinski u. a. 2oo1). Auch die auf der anderen Rheinseite gelegene Fundstelle Andernach-Mar- tinsberg erbrachte gute Beispiele von Frauensta- Abb. 2 (oben) Die mit parallel tuetten dieses Typus. Aufgrund des zahlreichen verlaufenden Linien gravierte Rippe von Breitenbach Vorkommens dieser Art von Frauendarstellung (Sachsen-Anhalt). M. 1:1. bürgerte sich in der Forschung der Begriff »Frau- endarstellung vom Ty p Gönnersdorf« ein. Ty pisch Abb. 3 (siehe Seite 4). sind der stabförmige Oberkörper ohne Andeutung des Kopfes und in der Regel ohne Arme, gelegent- Abb. 4 (Mitte) Die drei vollstän- lich die Andeutung der Brüste, ein meist dreiecki- digen Frauenstatuetten aus Nebra (Sachsen-Anhalt).M. 1:1. ges, gelegentlich gerundetes Gesäß und spitz zulau- fende Beine (Bosinski u.a. 2oo1; Höck 1995). Abb. 5 (links) Frauenstatuette In Nebra wurden drei vollständige (Abb. 4) und aus Andernach-Martinsberg (Rheinland-Pfalz). M. 1:1. ein Basisfragment einer Frauenstatuette gefunden. Die größte unter ihnen hat eine Länge von 6,6 cm und wurde aus Elfenbein hergestellt. Sie besitzt (Mania 1999, 118). Ebenfalls aus Elfenbein ist eine einen stabförmigen Oberkörper und ein betontes Figur, deren Umriss an eine anthropomorphe Gesäß (Bosinski 1982, 46). Die zweite Frauensta- Figur erinnert, deren Geschlecht aber unklar tuette, ebenfalls aus Elfenbein und mit einer Länge bleibt. Sie hat eine Länge von 5,2 cm. Ferner von 5,2 cm, hat einen spitz auslaufenden Ober- stammt aus Nebra ein Sandsteingeröll, dessen körper und eine angedeutete Brust (Bosinski 1982, Form einer Frauenstatuette ähnlich sieht. Durch 46). Diese hat sehr große Ähnlichkeiten mit einem Modifikation (Schaben und Schleifen) wurde das Fund aus Andernach-Martinsberg (Abb. 5). Die Stück in seiner Form noch nachträglich überar- dritte Frauenstatuette mit gut ausgearbeiteter beitet. Es hat eine Gesamtlänge von 9,5 cm (Mania Brust und einem langgezogenen stabförmigen 19 9 9, 116; 118). Oberkörper ist aus Geweih gefertigt und hat eine Eine auf einem flachen Muschelkalkgeröll an- Länge von 6,4 cm (Bosinski 1982, 46). Eine vierte gebrachte Tierkopfgravierung ist wegen der Frauenstatuette, von der sich nur noch das cha- schlechten Oberflächenerhaltung kaum erkennbar. rakteristische Basisteil erhalten hat, besteht auch Nach Mania (1999, 119 f.) könnte es sich eventuell aus Elfenbein und hat noch eine Länge von 2 cm um den Kopf eines Rentieres handeln.

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Saaleck, Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) Die magdalénienzeitliche Fundstelle Saaleck befindet sich nahe Bad Kösen in der Saaleschleife unterhalb der . Die Fundstelle ist vor allem durch Oberflächenfunde bekannt, jedoch fanden zwischen 1931 und 1932 archäologische Ausgrabungen statt. Die zahlreichen Steinarte- fakte lassen darauf schließen, dass es sich um eine bedeutende Siedlungsstelle handelt. Das Überwie- gen von Pferdeknochen deutet auf eine Jagdspe- zialisierung auf dieses Tier (Taute 1969; Bosinski 1982, 45; Terberger 1987; Grünberg 2oo4). Es sind vor allem zwei unscheinbare Schiefer- platten, die die Fundstelle von Saaleck über die Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt hinaus be- kannt gemacht haben. Auf einer aus mehreren Teilen zusammengesetzten Platte ist ein Pferde- kopf mit einer aufgerichteten Mähne, einer lang- gestreckten Schnauze und mit blähenden Nüstern graviert (Abb. 6,1–2). Der Ausdruck des Kopfes lässt annehmen, dass der Künstler einen brüns- tigen Hengst, der gerade einer paarungsbereiten Stute nachstellt, dargestellt hat. Nach G. Fischer (in Bosinski 1982, 46): »Darüber hinaus vermittelt die Wiedergabe der Maulpartie – das Maul ist geöffnet, die Nüstern gebläht – den Eindruck, dass ein Tier im Zustand der Erregung, vielleicht wie- hernd, dargestellt werden sollte«. Unklar bleibt, ob es sich hierbei um eine isolierte Kopfdarstel- lung oder um eine ursprünglich vollständige Pferdefigur handelt. Eine weitere Schieferplatte, ebenfalls aus meh- reren Teilen zusammengesetzt, trägt ebenfalls auf der einen Seite einen Tierkopf sowie zahlreiche nicht deutbare gravierte Linien. Auf der Rückseite sind u.a. vier parallel verlaufende Zickzack-Bänder erkennbar (Bosinski 1982, 45 f.). Beide oben erwähnte Schieferplatten befinden sich im Original heute im Germanischen National- museum in Nürnberg. Im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle sind lediglich Kopien aus- gestellt. In ihrer Ausführung gleichen die zwei Schie- ferplatten aus Saaleck den zahlreichen ebenfalls auf Schieferplatten gravierten Pferdedarstellun- gen von Gönnersdorf (Bosinski/Fischer 198o). Aber auch von anderen Fundstellen – sowohl in der Höhlen- als auch in der mobilen Kleinkunst – kennen wir in Europa gute Pferdedarstellungen. Das Pferd gehört in der Höhlenkunst zu den am häufigsten dargestellten Tierarten (Lorblanchet 2ooo, 57; Tosello/Fritz 2oo6). Abb. 3 (Seite 4) Zusammenstellung der wichtigsten Abb. 6,1 (oben) Die mit Pferde- Frauenstatuetten vom Typ Gönnersdorf in Europa. kopf gravierte Schieferplatte aus Bad Kösen-Lengefeld, Burgenlandkreis 1–8: Gönnersdorf (D); 9–12: Andernach-Martinsberg (D); Saaleck (Sachsen-Anhalt). (Sachsen-Anhalt) 13: Fontalès (F); 14–15: Courbet (F); 16: Gourdan (F); 17: Mégarnie (F); 18: Hohlenstein (D); 19–37: Petersfels (D); Abb. 6,2 Umzeichnung der Die magdalénienzeitliche Fundstelle von Bad 38: Monruz (CH); 39: Garsitz-Bärenkeller (D); gravierten Schieferplatte aus 40–44: Oelknitz (D); 45–47: Nebra (D); 48: Pekarna (CZ); Saaleck (Sachsen-Anhalt). Kösen-Lengefeld liegt in der Nähe der oben be- 49: Býcí Skála (CZ); 50–52: Mežiricˇ (UA); 53–54: schriebenen Fundstelle Saaleck, jedoch hoch Dobranicˇevka (UA); 55–69: Mezin (UA). oberhalb der Saale. Ob die zwei Siedlungen zuein- M. ca. 1:3.

Archäologie in Sachsen-Anhalt · 6 · 2012 267 Beiträge

Abb. 7 Meißel mit vollständiger Wildpferdgravierung aus der Kniegrotte (Thüringen). L. 14,4 cm.

Abb. 9,1 (links) So genanntes »Fuß- sohlenamulett« aus der Kniegrotte (Thüringen).

Abb. 9,2 (rechts) Umzeichnung der beiden Seiten des »Fußsohlen- amulettes« aus der Kniegrotte (Thüringen). M. 1:1.

Abb. 10 (unten rechts) An eine Harpune erinnernder Ziergegenstand aus Elfenbein aus der Kniegrotte (Thüringen). M. 1:1.

Typ Gönnersdorf graviert. Die zweite Schiefer- platte trägt zahlreiche gravierte Linien, von denen einige parallel verlaufen.

Kniegrotte, Saale-Orla-Kreis (Thüringen)

Die Kniegrotte ist eine der bedeutenden magda- lénienzeitlichen Höhlenstationen in Mitteldeutsch- land. Die Fundstelle befindet sich 4 km ostsüdöst- lich von Pössneck und 6oo m südlich des kleinen Dorfes Döbritz im ostthüringischen Saale-Orla- Kreis (Höck 2ooo, 11). Die Funde aus der Knie- grotte sind unterschiedliche Stein-, Knochen- und Geweihartefakte, welche zwischen 193o und 1938 durch Martin Richter ausgegraben wurden. Das Material wurde zunächst von Rudolf Feustel (1974) in einer Monographie und später von Christiane Höck (2ooo) in ihrer Doktorarbeit ausgewertet und publiziert. Im Rahmen dieses Aufsatzes ander in Beziehung standen oder zeitgleich waren, werden nur die wichtigsten mobilen Kleinkunst- kann zum derzeitigen Forschungsstand nicht ge- objekte vorgestellt (vgl. auch Bosinski 1982, 43 f.; nau gesagt werden8. Neben Steinartefakten wur- Feustel 1987, 11o–112). Einige davon sind einzig- den auch hier bis jetzt zwei gravierte Schiefer- artig und haben keine weiteren Parallelen aus platten gefunden (Mania 2oo4a, 56), die aber wie dem bisher bekannten Kleinkunstspektrum des Abb. 8 Meißel mit möglicher die restlichen Funde noch nicht ausgewertet sind. europäischen Magdalénien. Gravierung einer weiblichen Auf einer Schieferplatte ist mit feinen und kaum Ein 14,4 cm langer und 2,5 cm breiter aus Figur aus der Kniegrotte (Thüringen). L. 9,6 cm. erkennbaren Linien eine Frauendarstellung vom Rentiergeweih gefertigter Meißel trägt auf der

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einen Seite eine vollständige Wildpferdegravie- rung (Abb. 7). Das Wildpferd besitzt ein steil nach oben aufgerichtetes Ohr und einen nach hinten ausgestreckten Schweif. Ein anderer, ebenfalls aus Geweih hergestellter Meißel mit einer Länge von 9,6 cm und einer Breite von 1,4 cm ist ebenfalls mit einer Gravie- rung versehen. Bosinski (1982, 43) und Feustel (1974, 113) sehen darin eine weibliche Figur mit der möglichen Andeutung des Kopfes, des Rump- fes, der Arme und der Beine (Abb. 8). Ein rätselhaftes, stark beidseitig verziertes Objekt mit einer Länge von 8,3 cm, einer Breite von 3,6 cm und einer Dicke von o,4 cm wird aufgrund der Form von Feustel (1974, 114) als »Fußsohlensymbol« bezeichnet (Abb. 9,1–2). Wegen der vier am Ende angebrachten Durchboh- rungen, von denen zwei ausgebrochen sind, wird es oft auch als Amulett betrachtet. Im Gegensatz dazu sieht Mania (2oo4a, 56) darin eher »eine aus Elfenbein geschnitzte Großeule in Vorderansicht mit eingraviertem Federkleid«. Fest steht jedoch, dass dieses Objekt bis jetzt keine weiteren Paral- lelen hat und die genaue Bedeutung des Objektes unklar bleibt. Ein an eine Harpune erinnernder Ziergegen- stand (Abb. 1o), der ebenfalls aus Elfenbein her- gestellt wurde, ist auf beiden Seiten mit einer Gravierung versehen, welche einer Umwicklung gleicht (Bosinski 1982, 44). Auch hier ist die genaue Funktion des Objektes nicht bekannt. Es hat eine Gesamtlänge von 6,8 cm, eine Breite von 2,4 cm und eine Dicke von 1,1 cm. (2ooo, Fototaf. 23) lassen sich als figürliche Ele- Abb. 11,1 Durchbohrtes Ren- Ein in der Längsrichtung durchbohrtes Ren- mente ein Nashorn mit zwei deutlich angegebenen tiergeweih mit zahlreichen Gravierungen aus der Kniegrotte tiergeweihstück unbekannter Funktion mit einer Hörnern sowie ein weiteres Tier, welches von (Thüringen). M. 1:2. Länge von 24 cm, einer Breite von 4,3 cm und Höck (2ooo, 15o) als Moschusochse gedeutet wird, einer Dicke von 2,9 cm ist sehr stark mit unter- erkennen. Zu den nicht figürlichen Darstellungen schiedlichen Gravierungen verziert (Abb. 11,1–4; gehören Linienbündel, halbkreisförmig ange- Feustel 1987, 11o). Auf der Umzeichnung von Höck brachte Bögen sowie mehrere Punkte, deren Be-

Abb. 11,2 Abrollung sämtlicher Gravierungen des Rentiergeweih- stückes von der Kniegrotte (Thüringen). o. M.

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Abb. 11,3 Umzeichnung der Material lassen auf eine große Freilandfundstelle Nashorngravierung von der schließen (Bosinski 1982, 44). Leider sind bis jetzt Kniegrotte (Thüringen). o. M. das Fundmaterial und die Befunde nur sehr spär- Abb. 11,4 (Mitte) Umzeichnung lich publiziert. Im Rahmen dieses Aufsatzes kann der möglichen Moschusochsen- nur auf das bisher veröffentlichte Kleinkunst- gravierung von der Kniegrotte (Thüringen). o. M. fundmaterial eingegangen werden (Bosinski 1982, 44; Feustel 1987, 113 f.). Abb. 12 (unten) Geröll mit Auf einem Tonschiefergeröll mit einer Länge nahezu vollständiger Wildpferd- gravierung von Oelknitz von 9,6 cm, Breite 3,1 cm und Dicke o,8 cm wurde (Thüringen). B. 9,6 cm. die Gravierung eines nahezu vollständigen Pferdes angebracht (Abb. 12). Im Gegensatz zu der Pferde- darstellung auf dem Meißel aus der Kniegrotte hat dieses Pferd einen schlauchförmigen Kopf ohne Angabe des Ohres. Zwei aus Elfenbein gefertigte Frauenstatuetten ähneln sehr denjenigen aus Nebra (Mania 1999; Mania 2oo4), Gönnersdorf und Andernach (Höck 1993). Die erste Frauenstatuette (Abb. 13) mit einer Länge von 4,7 cm, Breite 1,2 cm und Dicke o,8 cm hat einen leicht gekrümmten stabförmigen Ober- körper mit Andeutung der Brust, ein weit nach hinten ausladendes dreieckiges Gesäß und nach hinten abgewinkelte Beine. Die zweite Frauensta- tuette (Abb. 14,1) mit einer Länge von 3,6 cm, Breite 1,8 cm und Dicke o,7 cm ist nur durch ein ebenfalls stark nach hinten ausladendes dreieckiges Gesäß, durch kurze Andeutung des Oberkörpers und des Beinansatzes dargestellt. In ihrer Art sieht sie einem Fund aus Andernach-Martinsberg (Abb. 14,2) frappierend ähnlich. Drei Flussgerölle wurden durch Zurechtschla- gen ebenfalls zu abstrakten Frauendarstellungen modifiziert wie in Nebra. Auch in Gönnersdorf wurden einzelne Schieferplatten zu Umrisslinien von Frauenkörpern zurechtgeschlagen (Bosinski u. a. 2oo1; Höck 1995). deutung nicht bekannt ist. Nashörner und Ein rechteckiger Sandsteinblock mit einer Sei- Moschusochsen sind in der jungpaläolithischen tenlänge von 48 cm und einer Breite von 21,8 cm Höhlen- und Kleinkunst eher selten dargestellt. trägt die tiefe Gravierung einer Vulvadarstellung Eine eindeutige Moschusochsendarstellung ist die mit einer Länge von 5,5 cm. aus Rentiergeweih geschnitzte Plastik eines Kopfes Ein 19,6 cm langes, 4,o cm dickes und 2,o cm dieses Tieres aus der schweizerischen Fundstelle dickes Grauwackengeröll, welches im oberen Teil Kesslerloch (Braun 2oo5, 45 Abb. 12). graviert ist, ist als Phallus erkennbar. Schließlich ist noch ein Objekt aus Hämatit9 zu nennen, welches auf beiden Seiten mit Gravie- Teufelsbrücke, Lkr. Saalfeld-Rudolstadt rungen und seitlichen Einkerbungen verziert ist. (Thüringen) Auch dieses Stück hat keine Parallelen. Es hat eine Gesamtlänge von 3,23 cm, eine Breite von 1,27 cm Die auch unter dem Namen Saalfeld bekannte und eine Dicke von o,69 cm (Höck 2ooo, 146). magdalénienzeitliche Fundstelle wurde 196o in der Höhlenruine »Teufelsbrücke« entdeckt und Oelknitz, Saale-Holzland-Kreis (Thüringen) 197o bis 1972 von R. Feustel untersucht (Bosinski 1982, 46 f.; Feustel 1987, 115 f.). Die Ergebnisse stellte Die südlich von Jena im Saaletal gelegene mag- Rudolf Feustel 198o in einer Monographie vor. dalénienzeitliche Fundstelle von Oelknitz wurde Von besonderer Bedeutung ist das Fragment zuerst von G. Neumann und später von 1957 bis eines Speerschleuderendes mit herausgearbei- 1967 von G. Behm-Blanke ausgegraben. Mehrere tetem Widerhaken (Abb. 15). Das Objekt hat noch Behausungsgrundrisse und das umfangreiche eine Gesamtlänge von 7,4 cm. Der ursprüngliche Widerhaken befindet sich nach Stodiek (1993,

Abb. 13 Frauenstatuette aus Elfenbein von Oelknitz 257) in einem heute nicht mehr funktionsfähigen (Thüringen). L. 4,7 cm. Zustand.

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Speerschleudern sind typische Jagdgeräte des Magdalénien und wurden oftmals sehr schön verziert (vgl. auch Garrod 1955; Stodiek 1993). Auch das Objekt aus der Teufelsbrücke ist verziert. Bei näherem Betrachten fällt auf, dass am Ende zwei Ohren plastisch herausgearbeitet wurden. Zwei kreisförmige Linien auf beiden Seiten sind als Augenpaar erkennbar. Weitere angebrachte Linien bedecken die Oberfläche des Objektes. Es handelt sich hierbei um die Wiedergabe eines Pferdekopfes. Die Speerschleuder von der Teufels- brücke gesellt sich in die von Bosinski (1982, 54) benannte Gruppe der Speerschleudern mit »rudi- mentärem Pferdekopf«. Sie sind typisch für die mittlere Phase des Magdalénien. Der der Teufels- brücke am nächsten gelegene Fundort mit Objek- ten von diesem Typus ist das Kesslerloch in der hinten blickenden Vogels. Ferner sind vier unvoll- Schweiz (Braun 2oo5, 45; Guyan 1944). Die größte ständige Pferdedarstellungen und nicht deutbare Verbreitung haben Speerschleuderenden mit ru- Linien zu sehen. dimentärem Pferdekopf entlang der französischen Ein anderes Tonschiefergeröllfragment mit Pyrenäen und in Südwestfrankreich (Bosinski einer Länge von 1o,4 cm, einer Breite von 4,4 cm 1982, 54 Abb. 12; Garrod 1955). Bei einigen dieser und einer Dicke von 1,1 cm zeigt auf der Oberseite Stücke wurde der Kopf vollplastisch dargestellt, u. a. die deutliche Umrisslinie eines Nashornes so z. B. bei einem Objekt aus dem Kesslerloch (Abb. 18,1–2). Die auf der Unterseite am rechten (Abb. 16,1), bei Objekten aus der Grotte du Cour- Bildrand angebrachten Gravierungen erinnern an bet in Bruniquel und aus Isturitz in Südwestfrank- die vor allem in den Pyrenäen bekannten so ge- Abb. 14,1 (unten) Zweite Frau- reich (Abb. 16,2). In anderen Fällen, wie z. B. bei nannten claviforme-Zeichen in der Höhlenkunst. enstatuette aus Elfenbein von Oelknitz (Thüringen). M. 1:1. einem Objekt aus dem Abri de La Madeleine (Abb. Wüst (1998, 113) deutet sie als extrem schema- 16,3) und fünf Exemplaren aus dem Kesslerloch, tische Frauendarstellungen, dies sicherlich in Abb. 14,2 (oben) Frauensta- wurde der Pferdekopf lediglich auf die beiden Anlehnung an die von G. Albrecht und H. Berke tuette aus Elfenbein von Ander- nach-Martinsberg (Rheinland- Ohren reduziert. Mit dem Objekt aus der Teufels- (198o, 114 Abb. 3) publizierten Gravierungen auf Pfalz). M. 1:1. brücke haben wir demnach ein verbindendes einem Knochenfragment aus der nahe am Boden- Element zu den Fundstellen in den französischen see gelegenen magdalénienzeitlichen Fundstelle Abb. 15 Speerschleuderende Pyrenäen, die zu den Kernzentren der jungpaläo- Petersfels im Hegau, welche die beiden Autoren vom Typ rudimentärer Pferde- kopf aus der Teufelsbrücke lithischen Höhlenkunst in Frankreich gehören. als »Venus-Gravierungen« bezeichnen. Auch auf (Thüringen). M. 1:1. Ferner stammen aus der Teufelsbrücke 2o Ge- rölle und zwei Tonschieferplättchen, die mit Gra- vierungen versehen sind. Es handelt sich hierbei um figürliche und nicht-figürliche Darstellungen. Diese gravierten Gerölle wurden von Kathrin Wüst im Rahmen ihrer Magisterarbeit untersucht, be- schrieben und 1998 publiziert (Wüst 1998). Im Rahmen dieses Aufsatzes werden jedoch nur drei dieser Gerölle kurz vorgestellt. Das erste ist das Fragment eines Tonschiefer- gerölles mit einer Länge von 12,5 cm, 4,2 cm Breite und einer Dicke von 1,5 cm (Abb. 17,1–2). Es ist sehr stark graviert, was seine Lesung erschwert. Es sollen hier nur die wichtigsten und erkenn- baren Figuren erläutert werden. Von Feustel (1974, 87) wurde dieses Objekt »heiliger« Stein genannt. Im rechten unteren Bildteil der Oberseite ist ein Teil eines Mammuts mit Andeutung des Auges, dem Ansatz des Rüssels und einem sehr spitzen und hohen Schädel wiedergegeben. Wei- ter ist im unteren Bildteil die Gravierung einer Frauensilhouette vom Typ Gönnersdorf erkennbar. Die anderen Linien lassen sich nicht deuten. Auf der Unterseite des gleichen Gerölls befindet sich am linken Bildrand die Gravierung eines nach

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Abb. 16,1 Speerschleuderende vom Typ rudimentärer Pferdekopf aus dem Kesslerloch (Schweiz). M. 1:1.

Abb. 16,2 Speerschleuderende vom Typ rudimentärer Pferde- kopf aus Isturitz (Frankreich). M. 1:1.

Abb. 16,3 Speerschleuderende Groitzsch, Lkr. Leipziger Land (Sachsen) vom Typ rudimentärer Pferde- kopf aus dem Abri de La Madeleine (Frankreich). Die nordöstlich von Leipzig gelegene magdalé- M. 1:1. nienzeitliche Freilandfundstelle von Groitzsch umfasst vier beieinander liegende Fundplätze, welche von H. Hanitzsch zwischen 1952 und 1961 durch Ausgrabungen archäologisch untersucht wurden (Bosinski 1982, 45). Mit zwei Kleinkunst- objekten ist Groitzsch die bis jetzt einzige bekannte Fundstelle mit mobiler Kleinkunst in Sachsen. diesem Geröll der Teufelsbrücke sind die restli- Das erste Objekt ist ein 5,2 cm langes, 3,2 cm chen Gravierungen nicht als Figuren erkennbar. breites und o,7 cm dickes Schieferplättchen Das dritte Tonschiefergeröll (Abb. 19) mit einer (Abb. 21,1–2). Auf der einen Seite ist ein nach links Länge von 15,6 cm, einer Breite von 3,3 cm und gerichteter, unvollständiger, aber sehr realisti- einer Dicke von o,7 cm trägt in der linken Bild- scher Pferdekopf mit deutlichem Auge graviert. hälfte die Darstellung einer mehrfach gravierten Die Rückseite ist ebenfalls mit einem Pferde- Spirale. kopf und dem Ansatz der Halslinie geschmückt. Das zweite Kleinkunstobjekt ist ein Stück Bärenkeller bei Garsitz, Lkr. Saalfeld-Rudolstadt verkieseltes Holz mit einer Länge von 8,6 cm, (Thüringen) Breite 1,4 cm und Dicke o,6 cm mit einer zickzack- förmigen Linie auf der einen Seite. Der Bärenkeller bei Garsitz ist eine Höhle süd- westlich von Königsee, welche zwischen 1961 und Schlussfolgerungen 1969 unter der Leitung von Rudolf Feustel ausge- graben wurde (Bosinski 1982, 42; Feustel u. a. Trotz der relativ geringen Anzahl an bisher bekann- 197o/71). Das einzige Kleinkunstobjekt ist eine ten Kleinkunstobjekten ist die Kleinkunst in 7,5 cm lange Schnitzerei aus Elfenbein, welche Mitteldeutschland vielfältig und beeindruckend. sehr wahrscheinlich eine stark stilisierte Frauen- Die Frauenstatuetten aus Nebra und Oelknitz statuette vom Typ Gönnersdorf darstellt (Abb. 2o). fügen sich gut in die bisher aus dem restlichen Nach Bosinski (1982, 42) weicht sie aber sehr von Europa bekannten Frauendarstellungen des Jung- den bisher üblichen Formen ab. magdaléniens ein. Bei den Tierdarstellungen

272 Archäologie in Sachsen-Anhalt · 6 · 2012 Beiträge

Abb. 17,1 Oberseite des sog. »heiligen« Steines mit zahl- reichen unterschiedlichen Gravierungen aus der Teufels- brücke (Thüringen). M. 1:1.

Abb. 17,2 Unterseite des mit Gravierungen versehenden sog. »heiligen« Steines aus der Teufelsbrücke (Thüringen). M. 1:1.

dominieren die Wildpferde, die in Mitteldeutsch- Leider verstehen wir die Bedeutung dieser land als Jagdtier offenbar die wichtigste Rolle Funde nicht und werden sie wahrscheinlich auch spielten, wie die Funde von Pferdeknochen in nie in Erfahrung bringen können, da wir die zahlreichen Siedlungen zeigen (Feustel 1987, 62). Mythen und religiösen Vorstellungen der Jäger- Das aus der Teufelsbrücke stammende Speer- und Sammlervölker der letzten Eiszeit nicht schleuderende mit rudimentärem Pferdekopf hat kennen. Die sehr realistischen Tierdarstellungen seine Parallelen in den Funden aus dem Kessler- weisen auf die gute Beobachtungsgabe und künst- loch in der Schweiz, in den französischen Pyre- lerischen Fähigkeiten der damaligen Menschen, näen und in Südwestfrankreich. die uns bis auf den heutigen Tag beeindrucken.

Archäologie in Sachsen-Anhalt · 6 · 2012 273 Beiträge

Bis jetzt wurden in Mitteldeutschland und in ganz Deutschland noch keine eindeutigen Be- lege von Höhlenkunst gefunden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es auch hier Höhlen- kunst gab.

Abb. 18,1 (rechts) Gravierung eines Nashorns auf einem Ton- schiefergeröll aus der Teufels- brücke (Thüringen). M. 1:1.

Abb. 18,2 (rechts unten) Unter- seite des Gerölls. M. 1:1.

.

Abb. 19 siehe S. 13.

Abb. 20 Stark stilisierte Frauenstatuette aus Elfenbein aus dem Bärenkeller bei Garsitz (Thüringen). L. 7,5 cm.

274 Archäologie in Sachsen-Anhalt · 6 · 2012 Beiträge

Abb. 19 (oben rechts) Tonschiefergeröll mit gravierter Spirale aus der Teufelsbrücke (Thüringen). M. 1:2.

Abb. 21,1–2 (links) Pferdekopfgravierungen auf einem Schieferplättchen aus Groitzsch bei Eilenburg (Sachsen). M. 1:1.

1 BP = Before Present = vor heute. Die deleine im Département Dordogne 6 Die Grabungen wurden im Sommer anmerkungen Datierungen des Paläolithikums wer- in Südwestfrankreich. Bereits ab 2oo9 durch das Römisch-Germa- den in BP angegeben, d. h. in Jahren 1863 unternahmen hier E. Lartet und nische Zentralmuseum Mainz und vor 195o (Zeitpunkt der Entwick- H. Christy die ersten Ausgrabungen. die Archäologische Fakultät der lung der Radiokarbondatierung). Es Dabei stießen sie u. a. auf ein Mam- Universität Leiden/Niederlande in handelt sich um unkalibrierte 14C- mutstoßzahnfragment mit der Gra- Kooperation mit dem Landesamt Daten. vierung eines Mammuts. Dieser Fund für Denkmalpflege und Archäologie 2 Aus diesem Grund forderte der Au- war der damalige Beweis, dass die Sachsen-Anhalt wieder aufgenom- tor im Mai 2oo8 anlässlich der Jah- Menschen gleichzeitig mit den Mam- men. restagung des Verbandes der deut- muts lebten (Roussot 2oo2 , 19). 7 In diesem Aufsatz soll jedoch nur schen Höhlen- und Karstforscher die 5 Wie in der Archäologie üblich, wird auf die mobilen Kleinkunstobjekte Höhlenforscher auf, auf Andeutun- auch das Paläolithikum in unter- eingegangen werden. gen von Höhlenkunst in Deutsch- schiedliche Kulturen eingeteilt. Die 8 In den Sommern 2oo8 und 2oo9 land zu achten. Einteilung des Jungpaläolithikums fanden Lehrgrabungen der Univer- 3 Auf die von M. Küssner 2oo3 publi- basiert vor allem auf den unter- sität Köln in Kooperation mit dem zierten Gravierungen aus dem mitt- schiedlichen Stein-, Knochen- und Landesamt für Denkmalpflege und leren Elstertal bei Gera in Thüringen Geweihgeräten. In Mitteldeutschland Archäologie Sachsen-Anhalt im Be- sowie auf den Fund aus der Urd- können das Aurignacien (älteres reich des Lengefelds statt. höhle (Bosinski 1982, 42 f.) wird hier Jungpaläolithikum), das Gravettien 9 Hämatit (Fe2O3) ist ein Eisenoxid, nicht eingegangen. (mittleres Jungpaläolithikum) und welches auch unter dem Namen 4 Der Namen gebende Fundort des das Magdalénien (spätes Jungpaläo- Rötel oder Blutstein bekannt ist. Magdalénien ist der Abri de La Ma- lithikum) unterschieden werden.

Albrecht/Berke 198o Bosinski/Fischer 198o Braun 2oo9 Literatur G. Albrecht/H. Berke, Neue »Venus«- G. Bosinski/G. Fischer, Mammut- und I. Braun, Altsteinzeitliche Höhlen- Gravierungen auf einem Knochen- Pferdedarstellungen von Gönners- kunst in Deutschland? Mitteilungen fragment aus dem Magdalénien vom dorf. Der Magdalénien-Fundplatz des Verbandes der deutschen Höhlen- Petersfels. Arch. Korrbl. 1o, 19 8 o, Gönnersdorf Bd. 5 (Wiesbaden 198o). und Karstforscher e.V. 1, 2oo9, 17–28. 111–115. Bosinski u. a. 2oo1 Clottes 2oo1 Bahn/Vertut 1999 G. Bosinski/F. d´Errico/P. Schiller, J. Clottes (Hrsg.), La Grotte Chauvet – P. G. Bahn/J. Vertut, Journey through Die gravierten Frauendarstellungen L´art des origines (Paris 2oo1). the Ice Age (London 1999). von Gönnersdorf. Der Magdalénien- Delporte 1998 Bahn u. a. 2oo3 Fundplatz Gönnersdorf Bd. 8 (Stutt- H. Delporte, Les Aurignaciens pre- P. G. Bahn/P. Pettitt/S. Ripoll, Disco- gart 2oo1). miers hommes modernes (Paris 1998). very of Palaeolithic cave art in Bri- Braun 2oo5 Feustel 1974 tain. Antiquity 296, 2oo3 , 2 27 – 231. I. Braun, Die Kunst des schweizeri- R. Feustel, Die Kniegrotte – Eine Bosinski 1982 schen Jungpaläolithikums (Magdalé- Magdalénien-Station in Thüringen. G. Bosinski, Die Kunst der Eiszeit in nien). Helvetia Arch. 141/142, 2oo5, Veröff. Mus. Ur- u. Frühgesch. Thü- Deutschland und der Schweiz (Bonn 41–63. ringen 5 (Weimar 1974). 1982).

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abbildungsnachweis 1 N. Seeländer, LDA 1o Jelinek 1988, 229 16.3 © MNP Les Eyzies – Distr. 2 J. Lipták, München 11.1–4 Höck 2ooo, Fototaf. 22 u. 23 RMN – cliché Ph. Jugie 3 nach Höck 1995, 3o6 12 Schüler 1999, 49 17.1 Wüst 1998, 116 4 J. Lipták, München 13 Schüler 1999, 49 17.2 Wüst 1998, 119 5 Höck 1995, Taf. 29 14.1 Müller-Beck/Albrecht 1987, 18.1 Wüst 1998, 111 6.1 J. Lipták, Köln 113 18.2 Wüst 1998, 113 6.2 Bosinski 1982, Taf. 78.1 14.2. Höck 1995, Taf. 29 19 Wüst 1998, 114 7 Schüler 1999, 45 15 Feustel 198o, 83 2o Schüler 1999, 46 8 Schüler 1999, 46 16.1 © Kantonsarchäologie 21.1–2 Bosinski 1982, Taf. 75.4 9.1 Schüler 1999, 47 Schaffhausen 9.2 Jelinek 1988, 228 16.2 Saint-Périer 1936, 122

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