Spiranthes Aestivalis) Am Rohrspitz Im Rheindelta (Vorarlberg)
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Aschauer, M., Grabher, M. , Loacker, I. & Strauß, A. (2018): Die Sommer-Drehähre (Spiranthes aestivalis) am Rohrspitz im Rheindelta (Vorarlberg). Lebensraum und Blühhäufigkeit (Zeitraum 2007 bis 2017) einer europaweit geschützten Orchidee. inatura – Forschung online, 57: 7 S. Die Sommer-Drehähre (Spiranthes aestivalis) Nr. 57 - 2018 am Rohrspitz im Rheindelta (Vorarlberg). Lebensraum und Blühhäufigkeit (Zeitraum 2007 bis 2017) einer europaweit geschützten Orchidee Maria Aschauer1, Markus Grabher1, Ingrid Loacker1, Anna Strauß1 1 Mag. Maria Aschauer, Mag. Markus Grabher, Mag. Ingrid Loacker, Mag. Dr. Anna Strauß UMG Umweltbüro Grabher, Meinradgasse 3, 6900 Bregenz E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Im Naturschutzgebiet Rheindelta ist am Rohrspitz – einer Halbinsel im Bodensee – eine bedeutende Population der Sommer- Drehähre (Spiranthes aestivalis) erhalten, einer seltenen Orchideenart, die durch den Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatricht- linie der Europäischen Union europaweit geschützt ist. Seit dem Jahr 2007 werden in zwei Beobachtungsflächen jährlich die Blütenstände gezählt. Maximal wurden 733 Blütenstände erfasst, im Hochwasserjahr 2016 dagegen 0. Die beiden insgesamt 1680 m² großen Beobachtungsflächen umfassen weniger als ein Zehntel des potenziellen Lebensraums von Spiranthes aestiva- lis am Rohrspitz, der sich im Wesentlichen auf niederwüchsige, jährlich gemähte Streuwiesen im Einflussbereich des Bodensees beschränkt, in denen der durchschnittliche Wasserhöchststand im Bereich zwischen Bodenoberfläche und 30 cm unter Flur liegt. Die Blühhäufigkeit wird vermutlich durch die Witterungsverhältnisse bzw. die sich jährlich ändernden Bodenseewasserstände mitverursacht, wobei die bestimmenden Faktoren im Detail aus den erhobenen Daten nicht unmittelbar ableitbar sind. Eine Aus- nahme ist das Hochwasserjahr 2016 mit wochenlangen Überschwemmungen, das zu einem Totalausfall der Blüte geführt hat. Obwohl die Anzahl blühender Pflanzen keine direkten Rückschlüsse auf den Gesamtbestand erlaubt, ist das in manchen Jahren mehrere tausend Blütenstände umfassende Vorkommen wohl die bedeutendste Population in Österreich und auch überregional von Bedeutung. Key words: Sommer-Drehähre, Spiranthes aestivalis, Rheindelta, Vorarlberg, Bodensee, Monitoring, Blühhäufigkeit 1 Ausgangslage tatrichtlinie der Europäischen Union Bielersee sowie aus der Zentral- und geführt, genießt diese Orchidee euro- Ostschweiz in den Kantonen Zug, Die Population der Sommer-Drehähre paweiten Schutz. Schwyz, Zürich, Thurgau und St. Gal- (Spiranthes aestivalis) am Rohrspitz im len (KÄSERMANN & MOSER 1999). Rezente Naturschutzgebiet Rheindelta umfasst Vorkommen in Deutschland konzen- in manchen Jahren mehrere tausend 2 Verbreitung trieren sich auf die Umgebung von blühende Exemplare. Kleine Vorkom- Bodensee, Ammersee, Starnberger men sind im Rheindelta auch abseits Spiranthes aestivalis ist ein westsub- See und Chiemsee im Alpenvorland des Rohrspitzes bekannt. mediterranes bis atlantisches Floren- (QUINGER 2010). In den Verlandungs- Die Sommer-Drehähre ist in ganz Eu- element und in Mittel-, Süd- und West- zonen des Chiemsees haben sich die ropa selten, in Österreich gilt sie als europa sowie in Nordafrika verbreitet. Bestände durch gezielte Pflegemaß- vom Aussterben bedroht (NIKLFELD & In Nordwesteuropa sind die Vorkom- nahmen positiv entwickelt und in SCHRATT-EHRENDORFER 1999), in der Roten men großteils erloschen (FOLEY 2004). Kombination mit günstigen Nieder- Liste der Farn- und Blütenpflanzen In der Schweiz weist die Art einen schlagsverhältnissen im Jahr 2016 Vorarlbergs wird die Art als stark ge- Vorkommensschwerpunkt im Mittel- Rekordwerte von insgesamt über fährdet eingestuft (AMANN 2016). Da land auf, aktuelle Nachweise existie- 18.000 Individuen erreicht (ROTTER et al. im Anhang IV der Fauna-Flora-Habi- ren vor allem vom Neuenburger- und 2016). In Österreich wurde Spiranthes Eingegangen: 06.04.2018; Publiziert: 13.04.2018 1 aestivalis in Oberösterreich, Salzburg Vorkommen in Österreich sein. Vorarl- (vgl. GROSSER et al. 2008), Nordtirol und berg besitzt somit eine besondere Ver- Vorarlberg nachgewiesen, in Kärnten antwortung für den Erhalt dieser aus- und Niederösterreich gilt die Art als gesprochen seltenen Art in Österreich. ausgestorben (GRIEBL 2013, FISCHER et al. 2008). Für Vorarlberg vermerkte MURR bereits 1923 »meist im Aussterben«; 3 Zur Ökologie von Spiranthes abseits des Bodensees konzentrieren aestivalis sich rezente Fundpunkte vor allem auf die Flachmoore der Walgauhänge Spiranthes aestivalis (Abb. 1) ist eine (vgl. POLATSCHEK et al. 2001; MAIER et al. konkurrenzschwache Orchidee kalk- 2001; POLATSCHEK & NEUNER 2013). Noch reicher Flach- und Hangmoore und etwa 20 Fundorte sind aus Vorarlberg besiedelt als lichtbedürftige und eher bekannt (BEISER o. J.). wärmeliebende Art vor allem nieder- Die meisten mitteleuropäischen Vor- wüchsige und offene Standorte, die kommen sind sehr klein und umfassen der grundständigen Blattrosette aus- weniger als 25 Individuen (KÄSERMANN reichend Raum bieten. Unabdingbar & MOSER 1999). PETERSEN et al. (2003) stufen Populationen mit mehr als 100 Exemplaren als »außerordentlich« Abb. 1: Die Sommer-Drehähre, auch Som- ein. BRIELMEIER & KÜNKELE (1970) nennen mer-Wendelähre oder Sommer-Drehwurz für die 1950er- und 1960er-Jahre in (Spiranthes aestivalis), wird 10 bis 25 cm, Baden-Württemberg Bestandszahlen ausnahmsweise auch bis zu 35 cm hoch, von wenigen Exemplaren bis maximal besitzt teilweise gedrehte, rübenförmige 300 Individuen. Das Vorkommen am Speicherwurzeln, eine Blattrosette aus Rohrspitz im Rheindelta (Vorarlberg) drei bis fünf Grundblättern, zwei bis drei mit in manchen Jahren mehreren tau- dem Stängel anliegende Laubblätter und send blühenden Individuen umfasst einen meist korkenzieherartig gedrehten wohl einen wesentlichen Teil des ös- Blütenstand mit bis über 20 locker ange- terreichischen Gesamtbestands und ordneten Blüten (KÜNKELE & BAUMANN 1998, dürfte das mit Abstand bedeutendste QUINGER 2010). Abb. 2: Ganglinien des Bodensees im Hochwasserjahr 2016 mit Mittel-, Minimal- und Maximalwerten der Wasserstandsbewegungen im Zeitraum 1864-2014 (© Land Vorarlberg – Abteilung Wasserwirtschaft, www.vorarlberg.at/seewasserstand) (Absoluthöhe [m ü. A.] = Pegelnullpunkt 392,14 m + Wasserstand W in Meter). Markiert ist das Hauptvorkommen von Spiranthes aestivalis am Rohrspitz. inatura – Forschung online 57 (2018) 2 sind nasse Standortverhältnisse wäh- rend der Vegetationsperiode, etwa Quellaustritte und Rieselfluren (PETER- SEN et al. 2003, KÄSERMANN & MOSER 1999). Der Rohrspitz, eine Halbinsel im Na- turschutzgebiet Rheindelta, steht im Einflussbereich des Bodensees, des- sen Wasserstand im Gegensatz zu den meisten anderen Voralpenseen nicht reguliert ist: Die Sommerwasser- stände liegen im Mittel um rund 1,6 m über dem Winterwasserspiegel, in extremen Jahren auch deutlich mehr, und sorgen in durchschnittlichen Jah- ren für konstant hohe Wasserstände und eine gute Durchfeuchtung des Wurzelraums in den Streuwiesen der Abb. 3: Der Lebensraum von Spiranthes aestivalis am Rohrspitz umfasst niederwüch- Uferzone. In Hochwasserjahren wird sige, in den Sommermonaten nasse Pfeifengraswiesen. Im Bild vier Fruchtstände der der Rohrspitz auch großflächig über- Sommer-Drehähre und ein blühender Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe). schwemmt (Abb. 2). Die Vorkommen von Spiranthes aestivalis konzentrieren Hochwasser (HQ2 = 396,74 m ü. A.) Art in schwachwüchsigen, kalkreichen sich gemäß dem digitalen Höhenmo- liegt der Wasserspiegel des Bodensees Pfeifengras-Streuwiesen (vgl. Abb. 3; dell des Landes Vorarlberg (VoGIS) auf im Großteil der Vorkommen – zumin- Tab. 1) auf extremen Gleyböden (BUN- Streuwiesen mit einem Geländeniveau dest kurzzeitig – über Flur, bei einem DESFORSCHUNGS- UND AUSBILDUNGSZENTRUM zwischen 396,50 und 396,80 m ü. A. zehnjährlichen Hochwasser (HQ10 = FÜR WALD, NATURGEFAHREN UND LANDSCHAFT), Der potenzielle Lebensraum für die- 397,26 m ü. A.) sind die Vorkommen entstanden durch historische Sedi- se Art am Rohrspitz umfasst rund 2 rund 50 cm bis 80 cm hoch überstaut mentablagerungen des Alpenrheins bis 3 ha. Somit liegt der Bodensee- (vgl. SIEBER et al. 2011). (GRABHER & BLUM 1990). Die Bewirtschaf- Wasserstand im langjährigen Mittel im Die Sommer-Drehähre gilt als Charak- tung erfolgt durch herbstliche Streue- Sommer etwa an der Bodenober fläche terart der Gesellschaft der Schwarzen mahd ab 1. September und wird mit bzw. knapp darunter, in Hochwas- Kopfbinse (OBERDORFER 2001), ist aber herkömmlichen landwirtschaftlichen serjahren sind die Lebensräume von auch oft in der Gesellschaft der Rost- Maschinen (Traktoren, Kreiselmäher, Spiranthes aestivalis aber auch über- roten Kopfbinse zu finden (KÄSERMANN & Ballenpressen, usw.) durchgeführt. schwemmt: Bei einem zweijährlichen MOSER 1999). Am Rohrspitz wächst die Über die Populationsbiologie der Sommer-Drehähre ist vergleichsweise wenig bekannt; die Pflanzen treiben Gesamtdeckung 96% Aufnahmefläche 25m² im Frühjahr relativ spät aus (PETERSEN et Wissenschaftlicher Artname Deutscher Artname al. 2003) und blühen wie viele andere Agrostis gigantea 1 Riesen-Straußgras Orchideen in Abhängigkeit der Witte- Allium angulosum + Kanten-Lauch rung von Jahr zu Jahr unterschiedlich Carex hostiana 2 Saum-Segge häufig K( ÄSERMANN & MOSER 1999). Vor Carex panicea 2 Hirsen-Segge Equisetum palustre + Sumpf-Schachtelhalm Tab. 1: Vegetationsaufnahme mit Spir- Frangula alnus juvenil + Faulbaum Galium palustre + Gewöhnliches Sumpf-Labkraut anthes aestivalis vom Rohrspitz, auf-