KÜBLER E KOBLET
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FERDY KÜBLER UND HUGO KOBLET ..................................................................................................................................................................................................................... Mut und Faszination des Radsports vergangener Zeiten Texte von Marco Blaser, Gian Paolo Omezzano und Sergio Zavoli Mit einem Interview mit Ferdy Kübler Mut und Faszination des Radsports vergangener Zeiten ..................................................................................................................................................................................................................... Verschiedene Schicksale, gleichwertige Siege von Marco Blaser* Ich bin ein Junge der Piazza. Man erzählt konnte meine Begeisterung für die Rundfunk- sich, meine ersten Schreie hätten sich mit Kommunikation trüben. Es war geschehen. den Noten von Mascagnis “L’ amico Fritz” Die Erfolge, die der Schweizer Sport sam- vermischt, die von der Civica Filarmonica di melte, und über die Vico Rigassi, Giuseppe Lugano unter der Leitung von Maestro Albertini und Alberto Barberis berichteten, Dassetto auf der Piazza della Riforma bestärkten mich in meiner Wahl. In Jahre gespielt wurden. Geboren und aufgewachsen 1950 war ich in Locarno, um Fritz Schaer zu bin ich zwischen dem Stadtteil Sassello, in applaudieren, damals im rosa Trikot des Giro den Strassen Pessina, Soave, Petrarca, Luvini, und gleichzeitig den unvorhersehbaren dem Crocicchio Cortogna, und dem Rathaus, Etappensieg Hugo Koblets zu bejubeln, der das eine Art Municipio-Buckingham war, und später als erster Ausländer das hoch angese- in dem eines Tages ein anderer George, mit hene italienische Etappenrennen gewinnen ebenso starker Persönlichkeit, sein Amt sollte. Im Jahre 1951 ging ich in die Val antreten sollte. Als Kind roch ich den schar- Ganna zur Weltmeisterschaft von Varese. fen Duft der Kaffeerösterei der Conzas. Ich stellte mich später in der ersten Reihe Ganze Stunden verbrachte ich vor den Toren auf, um Ferdy Kübler im Regenbogentrikot der Speiseeisfabrik des “Leventinesers”, auf der heimischen Piazza zu empfangen. später eroberte ich die Überbleibsel der Zwei Jahre später nahm ich an einem Backwaren, die auf den eleganten Theken Wettbewerb für “neue Stimmen” teil, und der Bäckerei Burri unverkauft übrig geblie- am 1. Dezember 1954 gab ich mein Debüt an ben waren. Heutzutage befindet sich dort den Mikrofonen des legendären Radio der Sitz der Banca Popolare di Sondrio Monteceneri. Mein Vater gab mir seine (Volksbank von Sondrio). Das war mein Genehmigung, jedoch mit einem verbitter- Viertel. Der Tagesrhythmus wurde von den ten Unterton und ohne jede Überzeugung: Sendezeiten der Nachrichten des Radio “Wenn du dich wirklich zum Hanswurst Monteceneri bestimmt. Auch ich bin ein machen willst, na dann, nur zu!” Schon Kind der “Radio Days”, die in Manhattan von wenige Monate später wurde ich, als junger Woody Allen geschildert wurden, wobei man “Zauberlehrling”, in das Gefolge der Tour de natürlich Luganos Realität vor Augen haben Suisse eingeladen, an der Seite Alberto muss. Unauslöschlich sind in meiner Barberis und Tiziano Colottis. Erinnerung die am 1. September 1939 von Mehr als alle anderen Sportarten begeisterte Mario Casanova angesagten Meldungen ver- mich der Radsport. Die zwischenmenschli- blieben, die die Invasion Polens seitens der chen Beziehungen, die Schlichtheit seiner Wehrmacht des Dritten Reiches verkünde- Leute faszinierten mich. Es entstanden ten, und die der Landung der Alliierten in der Normandie. Das war am 6. Juni 1944. Die Ankunft der GIs (so wurden die ameri- Links: kanischen Soldaten genannt) war von den Hugo Koblet bei der Tour de France Klängen der Jazzmusik begleitet, die das des Jahres 1951 in der Orchester Glenn Millers spielte, damals Zeitetappe von Dauergast beim britisch-amerikanischen Aix-les-Bains nach Genf. Er durchfuhr die 97 Militär-Radiosender AFN. Kilometer in 2h39’45” Als am 8. Mai 1945 die Glocken das Ende des bei einem Mittelwert von 36,43 km/Std., Krieges verkündeten, hatte sich in mir baute seinen Vorsprung längst der Wunschtraum verwurzelt, ein von 9 auf 22 Minuten aus und gewann die Rundfunkreporter zu werden. Erfolglos 38.Auflage des franzö- waren alle Vorschläge der Kunden, die den sischen Rennens zwei Tage vor dessen Ende. Betrieb meiner Eltern besuchten, mich doch der Welt des Bankwesens zuzuwenden. Noch Rechts: nicht einmal die Aussicht, mir die familiären Der Radiokommentator der RSI Vico Rigassi Erfahrungen im Hotelgewerbe anzueignen, [III] Ferdy Kübler und Hugo Koblet ..................................................................................................................................................................................................................... Oben: Zukunft voraus und machte Learco Guerra Ein eleganter und auf ihn aufmerksam, der gerade beschlossen tadelloser jugendlicher Koblet, zwischen seinen hatte, zum Giro des Heiligen Jahres anzu- Schulkameraden, treten. in einem Ausschnitt eines Gruppenfotos. Koblet, Neuling bei diesem anstrengenden Etappenrennen, trug in der Hälfte des Unten: Hugo Koblet mit Rennens das rosa Trikot, das Schaer schon seiner Frau bei der einige Tage lang getragen hatte. Dieser Ehrenrunde des Schweizer Champion eroberte die Herzen Sechstagerennens von Zürich am 21. März der Radsportliebhaber mit seiner angebore- 1957, dem Tag seines nen Eleganz und ungestümen athletischen 32. Geburtstages. Kraft. Die genialen Berichterstatter der “Gazzetta dello Sport” nannten ihn den “blonden Falken”. Schön, stark und höflich wahre, aufrichtige Freundschaften, die dem wurde er auch zum Liebling der rosa Zahn der Zeit widerstehen. Emilio Croci Karawane. Mit dem Trikot des Leaders mehr- Torti, der Adjutant Ferdys, versorgte mich Tag ten sich sowohl Willensstärke als auch Mut. für Tag mit den Bananen aus seiner Das Ausscheiden Fausto Coppis, der durch Verpflegung, um mein Wachstum zu fördern. einen Sturz einen Beckenbruch erlitt, brach- Remo Pianezzi, getreuer Helfer Hugo Koblets, te auch Gino Bartali in Schwierigkeiten, den vertraute mir hingegen die Strategien seiner gefürchtetsten Antagonisten, der gerne als Mannschaft an. Ich weiss noch, dass ich, in Sieger vor Pius XII gestanden hätte. Doch einem Land, das in Anhänger der zwei “K” Hugo trat entschlossen in die Pedale, liess gespalten war, instinktiv mehr zur Seite der dem toskanischen Champion keine Chance Küblerschen tendierte, wenn mir auch der und kam, als erster Ausländer der Geschichte, Dialog mit Hugo leichter fiel. Dieser wunder- als Sieger am Endziel, den Thermen von bare, kraftvolle und elegante Zürcher Caracalla, an. Nun war er es, der vom Heiligen Sportler hatte schon seine aussergewöhnli- Vater und der jubelnden Schweizer Garde chen Erfolge beim Giro und bei der Tour empfangen wurde. Beim Grenzübertritt in hinter sich. Leider war am Anfang meiner Chiasso zog er das rosa Trikot an. An jenem journalistischen Tätigkeit sein Stern schon Nachmittag blieben unsere Schulen geschlos- am Verblassen. sen, und auf den Gebäuden wurden die Hugo Koblet wurde im Jahre 1925 in der Flaggen gehisst. Langsam lernten wir, seine Hildestrasse 3 geboren, in einem grossen kleinen Eitelkeiten zu würdigen: am Ende Sozialviertel Zürichs. Seine Eltern führten jedes Rennens erfrischte er sein Gesicht und eine kleine, angesehene Brotbäckerei. Hugo, kämmte sich akkurat, bevor er vor das der Jüngste der Familie, war für die Publikum und die Fotografen trat. Er Lieferungen des Brotes zuständig. Vom tägli- chen Fahren vieler Kilometer entwickelten sich seine Muskeln, und bald wurde er zu einem der hervorragenden Junioren des regionalen Velo Clubs. Im Jahre 1943 gewann er als Amateur sein erstes Rennen. Er trat den Berufssportlern bei und erlangte 1947 den Sieg über die erste Etappe der Tour de Suisse, die Etappe Zürich-Siebnen, indem er mit Überlegenheit Kübler, Coppi, Bartali und weitere gestandene Champions abhäng- te. Später fiel er als Radrennfahrer auf, der sich auf Flachstrecken und Zeitfahren spe- zialisiert hatte, und zog die Beachtung der aufmerksamsten Beobachter auf sich. Göpf Weilenmann, Sieger unserer Tour de Suisse im Jahre 1949, sagte ihm eine leuchtende [IV] Mut und Faszination des Radsports vergangener Zeiten ..................................................................................................................................................................................................................... bezauberte Erwachsene wie Kinder und fas- begünstigte Hugo 1954 seinen Adjutant zinierte vor allem die Damenwelt. Die Pariser Carlo Clerici, der den Giro gewann, und gab Journalisten nannten ihn den “pédaleur de sich mit dem zweiten Platz zufrieden. Später charme”. konzentrierte er sich auf die Klassiker: Sein Auftakt auf den Strassen nördlich der Herausforderungen auf der Bahn, Sechstage- Alpen fand 1951 mit einem grossen Sieg bei rennen, Zeitfahren. In der Zwischenzeit hei- der Tour de France statt. Es folgte eine lange ratete er das hübsche Mannequin Sonia Reihe hoch angesehener Erfolge. Im Jahre Brühl und vergass dabei leider, seinen 1952 ging Koblet nach Mexiko. Seine Lebensstil den neuen, weniger prächtigen Arglosigkeit und sein Unvermögen, Ein- Einkünften anzupassen. Das unbestrittene ladungen abzulehnen, verleiteten ihn zur Talent des Weltradsports war in der Tat ein Teilnahme an einem seltsamen Handicap- sehr schlechter Verwalter. In wenigen Rennen, das sich eine Gruppe ungewöhnli- Monaten verschwendete er die angesammel- cher Unternehmer ausgedacht hatte.