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IGM egional Zeitung für die RegionR Nr.5 Dezember 2004 Böblingen · Esslingen · Göppingen · Ludwigsburg · Stuttgart · Waiblingen

Erfolgreiche Tarifbewegung

Anfang 2004. Hier ein

Warnstreik bei

Jürgen Stamm: Es gibt keinen Grund, die Tarifvereinbarung von Pforzheim in Frage zum stellen 2005 gibt es insgesamt 2,7 Prozent mehr Bundesbank: Unternehmensgewinne auf Rekordniveau

Ob Daimler-Chrysler, Porsche, im Volumen um 2,7 Prozent erhöht.“ Davon triebsrat jetzt 35 Prozent vereinbaren“, be- Seite 2 Stihl, Bosch oder Trumpf, viele Unterneh- fließt, wie bisher, ein Teil als Strukturkompo- richtet Werner Neuffer, der Betriebsratsvor- Alcatel, Nord Feder, men der Region machen zur Zeit giganti- nente in einen Topf, der später den Beschäf- sitzende in Stuttgart-Feuerbach. Auch in Philips, Siemens, Valeo sche Gewinne. Doch ob die Firmen im Geld tigten bei der Umsetzung des Entgeltrah- anderen Unternehmen konnte die Zahlung schwimmen oder wirtschaftlich angeschla- mentarifvertrags (ERA) zugute kommt. Bei von zum Teil hohen Prämien vereinbart wer- Seite 3 gen sind, immer versuchen sie die Beschäf- der Auszahlung erhöhe sich das Entgelt da- den. Etwa bei Porsche in Stuttgart-Zuffen- Aufsichtsräte tigten unter Druck zu setzen. Gesamtmetall mit ab März um zwei Prozent. Zusätzlich hausen: Auf 1,09 Milliarden Euro hat die zur Mitbestimmung fordert für die folgenden Jahre sogar meh- gibt es für März und Oktober 2005 eine Ein- Sportwagenschmiede ihren Vorsteuerge- rere Nullrunden. „Dies werden wir nicht zu- malzahlung von 4,6 beziehungsweise 4,5 winn gesteigert, ein Plus von knapp 17 Pro- Seite 4/5 lassen“, sagt Jürgen Stamm, Vorstandsmit- Prozent des Monatseinkommens. zent. Damit durchbrach Porsche erstmals Interview mit glieder der IG Metall und Erster Bevoll- Die IG Metall, so Jürgen Stamm, lasse sich die Schallmauer von einer Milliarde Euro. Martin Schwarz-Kocher mächtigter in Stuttgart. die wirtschaftliche Lage von den Metallar- „Die meisten Firmen können die vereinbar- Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegies- beitgeberverbänden nicht schlecht reden. te Lohnerhöhung locker zahlen“, sagt Jür- Seite 6 ser hat kürzlich Gesprächsbedarf über die Selbst die Deutsche Bundesbank habe jetzt gen Stamm. Und für Problemfälle gebe es 60 Jahre Hinrichtung Revision der laufenden Metalltarifverträge bestätigt, dass die Unternehmensgewinne genug tarifpolitische Möglichkeiten. Die IG der Gruppe Schlotterbeck angemeldet und wegen der schlechten wirt- derzeit im Vergleich zu den Löhnen und Metall habe 2004 schließlich für über schaftlichen Lage mehrere Nullrunden ver- Gehältern ein Rekordniveau erreicht haben. 170.000 Beschäftigte in Baden-Württem- Seite 6 langt. Die Antwort der IG Metall ist klar: „Es Beispiel Bosch: Die Umsatz- und Gewinn- berg Jobsicherheit für die kommenden Jah- IG Metall-Aufsichtsräte gibt überhaupt keinen Grund, die Tarifver- entwicklung ist so hervorragend, dass die re vereinbart, in der Regel verbunden mit in der Region einbarung von Pforzheim vom Februar 2004 tarifgebundenen Beschäftigten erneut eine konkreten Produkt- und Investitionszusa- in Frage zum stellen“, sagt Jürgen Stamm. höhere Prämie als im Vorjahr bekommen. gen. Stamm: „Das zeigt, wie haltlos das Seite 7 „Die Löhne und Gehälter in der Metallindu- Damals lag sie bei 30 Prozent des Monats- Gerede von der angeblich beschäftigungs- Fragen zur Person strie werden ab März 2005, wie vereinbart, einkommens. „Für 2004 konnte der Be- feindlichen Mitbestimmung ist.“ Bernd Hofmaier-Schäfer IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:36 Uhr Seite 3

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kurz berichtet... §

Willi-Bleicher-Preis 2005 von externen Sachverständigen und der IG oder des Betriebsschutzes – will man sich Der DGB vergibt auch 2005 wieder ei- Metall Alternativen erarbeiten. „Doch die durch Outsourcing trennen. Die Kantine ist nen Preis für vorbildliche Projekte und Pläne der Geschäftsleitung können nicht bereits verkauft. Aktivitäten von Schulklassen und Ju- nur am Verhandlungstisch verändert wer- gendgruppen zum den“, sagt Herbert Würth, der Betriebsrats- Siemens-Werk zunächst gesichert Thema Faschismus vorsitzende. Die IG Metall hat deshalb zum Das seit Jahren defizitäre Trafo-Werk in und Rechtsextremis- Widerstand aufgerufen. Kirchheim/Teck ist für die nächsten drei Jah- mus. Der Preis ist be- re gesichert. „Betriebsbedingte Kündigun- nannt nach Willi Nord Feder: Kampf ums Weihnachtsgeld gen und Verlagerungen sind in dieser Zeit Bleicher, dem Leiter Mit einer mehrstündigen Arbeitsnieder- ausgeschlossen“, sagt Betriebsratsvorsitzen- der IG Metall in Ba- legung Ende November haben die Beschäf- der Dieter Betz. Siemens wollte die Ferti- den-Württemberg von 1959 bis 1972. tigten des Bettwarenherstellers in Stuttgart- gung ursprünglich nach Ungarn verlagern. Der Metaller hat während der Untertürkheim auf die Weigerung der Dennoch wird die Zahl der Beschäftigten Nazi-Diktatur neun Jahre Gefängnis Geschäftsleitung reagiert, das tariflich gesi- von derzeit 228 auf 175 reduziert. Dies soll und Konzentrationslager überlebt. Der cherte Weihnachtsgeld auszuzahlen. Der of- über Altersteilzeit, Versetzung und freiwilli- Willi-Bleicher-Preis ist mit 2000 Euro und fensichtlich geplante Wegzug von Stuttgart ge Maßnahmen erfolgen. Weihnachts- und einer Skulptur dotiert. Eingereicht wer- scheint mittlerweile vom Tisch zu sein. Urlaubsgeld wird weiterhin unvermindert den können – zum 28. Februar 2005 – bezahlt. Dagegen gibt es Abstriche bei Löh- Aktionen, Projekte, schriftliche, akusti- nen und Gehältern. „Die Normen des Tarif- sche, Film- oder Bild-Beiträge, Videos vertrages werden allerdings nicht unter- IGM REGIONAL und vieles andere mehr. Bewerbungsun- schritten“, betont Dieter Betz. Unzufrieden Siebter Jahrgang Nr. 5 (Dezember 2004) terlagen im Internet: www.dgb-bw.de sind die Kollegen mit den zu geringen Inves- titionszusagen: für Anlagen und Technik 1,5 Erscheinungstag: 2. Dezember Philips gibt Zukunftstechnologie auf Millionen, für Forschung und Entwicklung Herausgeber: IG Metall Mit 4,7 Millionen Euro aus Steuergeldern eine Million Euro. in der Region Stuttgart hat das Forschungsministerium den Auf- Verantwortlich: Dieter Knauß und Jürgen Stamm, die Sprecher bau eines LCOS-Werkes in Böblingen ge- der IGM in der Region Stuttgart fördert. Ministerin Edelgard Bulmahn ist

Redaktionsanschrift: zur Inbetriebnahme extra aus Berlin ge- IG Metall, Fronackerstraße 60 kommen. Flüssigkristall aus Silicon (Li- 71332 Waiblingen quid Chrystal on Silicon) ermöglicht den Fon 07151/95 26-0 Fax 07151/95 26-22 Bau von leichten und preiswerten Flach- e-mail: [email protected] bildschirmen mit einem extrem scharfen Weitere Entlassungen bei Alcatel www.bw.igm.de/region-stuttgart Bild. Ein Zukunftsmarkt, der in den USA Während Telekom und Siemens in den Konzeption, Realisierung, bereits boomt. Doch Philips schließt das Wachstumsmarkt Telematik investieren, gibt Redaktion: Ostendmedia Böblinger Lcos-Werk und setzt die 50 der Stuttgarter Kommunikationskonzern Diana Arndt-Riffler Erscheinungsweise: Beschäftigten auf die Straße. „Das ist ein den Bereich auf. Bereits vor fünf Jahren, kri- jeden zweiten Monat Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter“, sagt tisiert Eberhardt Süßmuth, der Vorsitzende (außer im Sommer) Betriebsrat Andreas Rölver. Schließlich des Gesamtbetriebsrats, sei man aus dem Nächste Ausgabe: März 2005 habe man „einen guten Job gemacht“. Geschäft ausgestiegen. Im letzten Jahr hatte man dann erkannt, dass dies ein Fehler war Fotos: Drossel, Graffiti, Fachanwältin für Arbeitsrecht Latz, IG Metall Kahlschlag bei Valeo in Bietigheim? und deshalb mehrere Millionen Euro in den Sechs Wochen vor Weihnachten ließ die Bereich investiert. „Doch auch unser Kern- Fachanwältin für Sozialrecht Druck: Studiodruck Geschäftsleitung eine Standort-Bombe geschäft ist wegen des drastischen Abbaus Mediatorin für die Arbeitswelt Auflage: 50.000 hochgehen. Bis Ende 2006 soll die Hälf- der Arbeitsplätze nicht mehr vernünftig ab- Verteilung: Postversand te der Beschäftigen des Valeo-Motoren- zuwickeln“, sagt Eberhardt Süßmuth. Wenn und Betriebsverteilung werks in Bietigheim ihren Arbeitsplatz es nach dem Willen der Geschäftsleitung Jahresabonnement: 7,50 Euro verlieren. Andernfalls müsste man 16,4 geht, werden in diesen Wochen 300 Leute (inkl. Versandkosten). Bei Mitgliedern ist die Bezugs- Millionen Euro jährlich einsparen. Und in die Transfer- und Qualifizierungsgesell- Schmidener Straße 1 • 71332 Waiblingen Gebühr im Beitrag enthalten. dies bei einer Jahreslohn- und Gehalts- schaft Mypegasus wechseln oder den blau- Telefon 07151 - 5 20 04 • Telefax 07151 - 5 91 08 Email: [email protected] Anzeigen: Ostendmedia summe von rund 33 Millionen Euro. Der en Brief erhalten. Von 550 Leuten – zum

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Hans-Peter Haug: Ohne Aufsichtsrat fehlt der direkte Kontakt zu den Anteilseignern Wildeste Spekulationen Hirschmann gehört jetzt einer Private-Equity-Gesellschaft

och bis März diesen Spekulationen“, sagt zulieferung übernommen, so den bayeri- N 33 Jahres gehörte die Firma Hirsch- Haug. „Doch weil es schen Sitzheizungshersteller WET Automo- mann als Teil von zu keine Unternehmens- tive Systems und FTE Automotive, einen den mitbestimmten Betrieben. mitbestimmung gibt, Produzenten hydraulischer Kupplungssys- Mittlerweile hat der Investor Hg fehlt der kontinuierli- teme. Hinter Hg Capital stehen rund 200 Capital mit Hauptsitz in London che Informationsfluss meist britische, kanadische und asiatische das Unternehmen in Neckartenz- mit dem Eigentümer. institutionelle Anleger. lingen übernommen. „Seitdem Und die Geschäftsfüh- Ganz offen erklärte der Hg Capital-Direktor haben wir keinen Aufsichtsrat rer in Neckartenzlingen Karsten Hartmann kürzlich gegenüber dem mehr - BDI-Chef Rogowski würde können den Beschäf- „Manager Magazin”, dass sein Unterneh- sich freuen - und so fehlt uns jeder tigten trotz gutem Wil- men „über Personalentscheidungen bis zur Hans-Peter Haug direkte Kontakt zum Eigentümer“, len wenig Sicherheit zweiten Managementebene“ mitentschei- beklagt Hans-Peter Haug, der Betriebsrats- für die Zukunft geben. Und dies gilt des- det“. Er sei „dichter dran als ein gewöhn- vorsitzende, der bis zum Verkauf die Interes- halb auch für uns Betriebsräte.“ liches Aufsichtsratsmitglied in Deutsch- sen der 1.050 Beschäftigten im Aufsichtsrat Hg Capital gehört zu den Private-Equity- land“, erklärte Hartmann, der sechs Jahre von Rheinmetall vertreten hatte. Gesellschaften, die seit einigen Jahren lang bei McKinsey in München gearbeitet Die Hirschmann-Beschäftigten wollen aber auch in Deutschland auf Übernahmejagd hatte. Nur die Nähe des Betriebsrats scheut nicht nur gute Antennen oder Empfangs- sind. Das Unternehmen verwaltet ein der Manager offensichtlich. systeme für Automobile bauen, sie wollen Fondsvolumen von rund einer Milliarde Eu- „So stellt sich Michael Rogowski wohl die auch wissen, wohin die Reise mit dem neu- ro und mischt in etwa 50 mittelgroßen Fir- Zukunft vor“, sagt Hans-Peter Haug, doch en Eigentümer geht und warum derzeit ge- men mit. In Deutschland hat die Gesell- er ist sich sicher, „dass sich damit die Be- sellschaftsrechtliche Veränderungen durch- schaft in den vergangenen zwei Jahren legschaften und Betriebsräte in Deutsch- geführt werden. „Da gibt es die wildesten mehrere Firmen im Bereich der Automobil- land nicht abfinden werden“.

Anne Rieger: Den Unternehmern geht es um weitere Machtverschiebung Auf unsere Kosten

Zur derzeitigen Diskussion über die Unter- Peter Weingart, Dürr Stuttgart: Jahrzehn- nehmensmitbestimmung befragte IGM-Re- te lang herrschte Einigkeit, dass die Mitbe- gional einige Aufsichtsräte aus der Region. stimmung wesentlich zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft beigetragen hat. BDI- Gabriele Luprich, WMF Geislingen: Unser Chef Michael Rogowski und große Teile im Christos Prassas Anne Rieger Vorstand wollte wegen des schlechten Ab- Arbeitgeber-Lager sehen jetzt aber die satzes 97 Arbeitsplätze im gewerblichen große Chance, zum gesellschaftlichen nang: Es geht nicht nur um die Unterneh- Bereich abbauen. Wir lehnten dies ab und Schlag auszuholen, um das Rad der Ge- mensmitbestimmung, sondern auch um die diskutierten darüber auch im Aufsichtsrat. schichte zurückzudrehen – auf Kosten aller Betriebsverfassung. Die Unternehmer wol- Stattdessen haben wir die Verkürzung der Beschäftigten. len eine weitere Machtverschiebung zu La- Arbeitszeit für alle auf 33 Wochen-Stunden sten der abhängig Beschäftigten. Deshalb vorgeschlagen. Mit Erfolg. Bei der letzten Christos Prassas, Bauknecht Schorndorf: müssen wir die Mitbestimmung im Zusam- Aufsichtsratssitzung wurde dies nun auch Wir haben keine echte Mitbestimmung. menhang mit den Rechten der Betriebsräte von Anteilseignern positiv aufgenommen. Aber über den Aufsichtsrat kann man zu- und der Gewerkschaften als Tarifvertrags- mindest teilweise durch- partei diskutieren. schauen, was die Anteilseig- ner für eine Politik machen. Renate Gmoser, Zweite Diese Informationen haben Bevollmächtigte der IG Me- wir immer an die Betriebsräte tall im Kreis Göppingen, und die Beschäftigten weiter Aufsichtsrätin bei Schuler gegeben. So konnten wir Göppingen: Die Mitbestim- schon im Vorfeld reagieren. mung muss ausgebaut, nicht eingeschränkt werden. Anne Rieger, Zweite Bevoll- Zum Beispiel in den Berei- mächtigte der IG Metall im chen Qualifizierung, Aus- Rems-Murr-Kreis und Auf- gliederung und Produktent- Gabriele Luprich Peter Weingart sichtsrätin bei Marconi Back- Renate Gmoser wicklung. IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:36 Uhr Seite 5

Martin Schwarz-Kocher: Die Arbeitnehmer-Vertreter müssen den Rückhalt der Beschäftigten haben Aufsichtsräte politisch nutzen Erfolge wie bei Foxboro-Eckardt sind möglich

itbestimmung sei „ein Irr- rat bei Invensys Deutschland, einer Holding, 4 M tum der Geschichte“, erklärte Michael Ro- die damals für etwa 20 deutsche Unterneh- gowski, der Chef des Bundesverbandes men zuständig war, die Schließung verhin- der Industrie (BDI). Die Beschäftigten-Ver- dern. Das schien schier unmöglich bei ei- treter in Aufsichtsräten würde Rogowski nem Konzern mit 120.000 Beschäftigten, deshalb am liebsten in die Wüste schicken. der weltweit tätig war. Wir sprachen über das Thema mit Martin Schwarz-Kocher, der selbst einmal Auf- Warum gingen die Manager auf das Ge- sichtsrat eines anglo-amerikanischen Kon- genkonzept nicht ein? zerns war und inzwischen als IMU-Experte Die Stuttgarter hatten nicht viel zu sagen; Betriebs- und Aufsichtsräte berät. die Manager auf Europa-Ebene kannten wir nicht und sie kannten uns nicht. Also muss- Welche Rolle spielte der Aufsichtsrat bei Fox- ten wir uns bemerkbar machen. So ist die boro-Eckardt in Stuttgart-Bad Cannstatt? Belegschaft mit mir über Nacht im Bus zur Die Europa-Chefs von Invensys hatten be- Aufsichtsratssitzung nach Hamburg gereist schlossen, unser Werk – es war das kleinste und demonstrierte morgens vor dem Ta- – zu schließen. Wir konnten aber zusam- gungsort. Schon in den Wochen zuvor hat- men mit dem IMU-Institut nachweisen, ten wir auf uns aufmerksam gemacht. Mit dass die Firma bei einer optimalen Vernet- einer E-Mail-Protestaktion, in der über zung und einer Restrukturierung von Ver- 100.000 Mails an die Zentrale nach London Martin Schwarz-Kocher trieb, Fertigung und Entwicklung eine gute geschickt wurden, hatten wir den Konzern IMU-Institut Stuttgart Zukunft hat. Doch das interessierte unsere empfindlich getroffen. Wir wandten uns Manager nicht. Ich sollte nun als Aufsichts- nicht nur an die Lokalpresse, sondern auch hen Kosten und mit großem Image-Verlust an die Wirtschaftspresse. Wir haben erklärt, verbunden gewesen wäre, hat er uns ernst dass Invensys nicht einmal in der Lage ist, genommen. das kleinste Unternehmen in Deutschland erfolgreich zu führen. Oder dass in sechs Oft heißt es, das deutschen Mitbestim- Jahren sieben Geschäftsführer bei uns ge- mungsmodell würde ausländische Investo- wirkt haben. Das spricht nicht für Konti- ren davon abhalten, hier tätig zu werden. nuität und Seriosität. Darauf reagieren Ma- Das kann ich so nicht bestätigen. Der da- nager empfindlich. malige Invensys-Boss Allen Yurko ist Texa- ner und hatte große Vorbehalte. Doch Hat sich der Aufsichtsrat dann die Argu- nach einiger Zeit hat er uns gesagt, dass mente aus Cannstatt überhaupt angehört? sich zwischen ihm und den Beschäftigten Der Aufsichtsratsvorsitzende Allen Yurko vier Lügeninstanzen befinden, die vierstu- hat die Sitzung damit eingeleitet, dass er fige Hierarchie im Konzern. Deshalb hatte nicht verstehe, was bei Eckardt vorgehe. Er er großes Interesse an unserer direkten be- sei offen, aber die gegenseitige Blockade trieblichen Sicht. Und er wurde immer ge- müsse aufhören. Ich wusste damit, dass die sprächiger. Übrigens: Gerade bei großen Proteste angekommen sind. Und ich konn- und international aufgestellten Konzernen te unser Konzept ausführlich ist die Mitbestimmung via darstellen; die Leute, die es interview Aufsichtsrat wichtig. Denn abgelehnt hatten, saßen da- die Ansprechpartner der Be- bei. Yurko bat dann um eine Sitzungspau- triebsräte sind meist nur lokale Geschäfts- se. Er zog sich mit dem zuständigen Ge- führer, die keine unabhängigen Entschei- schäftsführer zurück und diskutierte mit dungen treffen können. ihm unsere Zahlen. Nach zwei Stunden ver- kündete er den Aufsichtsräten, dass etwa Wie waren die Erfahrungen bei Energie Ba- 90 Prozent unserer Vorschläge umgesetzt den-Württemberg. Du warst als IMU-Be- werden. Das war vor vier Jahren und Eck- rater an der Auseinandersetzung beteiligt. ardt gibt es heute immer noch. EnBW-Chef Utz Claassen hat begriffen, Abonnements wie wichtig auch für ihn die Mitbestim- und Tickets für: Ist dies ein Einzelfall? mung sein kann. Immerhin warf er Michael Oper Ballett / Tanz Wir haben dies in ähnlicher Form mit zwei Rogowski einen Rückfall in die Kaiserzeit Schauspiel anderen Betrieben im Konzern auch ge- vor. Das hat sicher etwas mit seiner Erfah- Konzert macht, mit einem aus Nürnberg und einem rung mit der Restrukturierung der EnBW zu Kunst aus Hamburg. Aber ohne den Druck, den tun. Beide Seiten haben die komplizierte Kino wir am Standort machten, hätte sich Allen Lage verstanden. Das ist unter anderem Yurko gar nicht auf uns eingelassen. Als er über den Aufsichtsrat kommuniziert wor- gesehen hatte, dass die Schließung mit ho- den, denn nicht Claassen war bei den Ver- Anzeige IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:36 Uhr Seite 6

Die Aktionen im

Jahr 2000 blieben

im Aufsichtsrat

nicht ungehört

handlungen dabei, sondern der Arbeitsdirektor. Und die Beschäftigten sind mit dem Ergebnis zufrieden. Während in fast allen anderen Konzer- nen über eine Verlängerung der Arbeitszeit diskutiert wird, hat man bei EnBW eine Ver- kürzung vereinbart. Damit konnten viele Arbeitsplätze erfolgreicher protest gerettet werden. dest die komplette Verlagerung der Monta- lich verbessern und austauschen. Außerdem Und was können Betriebs- und Aufsichtsrä- ge ins Ausland verhindert werden. Ein Teil- muss der Kontakt zu den Beschäftigten te bei Mahle erreichen? erfolg. Man muss sich aber von der Illusion stimmen. Die andere Seite stimmt sich mit Das IMU-Institut berät auch sie. Wir erarbei- trennen, im Aufsichtsrat etwas echt mitbe- den Eignern ab. Die Arbeitnehmer-Vertreter ten gerade ein Konzept und überprüfen die stimmen zu können. Rein rechtlich sind müssen den Rückhalt ihrer Belegschaften angeblichen Problemstandorte. Wichtig ist, die Karten da denkbar schlecht. Wenn die haben. Deshalb sollte man regelmäßig über dass ein Gesamtkonzept für alle deutschen Eigentümer unbedingt verkaufen wollen, seine Aktivitäten berichten, auch wenn es Werke erreicht und dann im Aufsichtsrat dann verkaufen sie. Man kann den Auf- für bestimmte sensible Daten eine Ver- diskutiert wird. Dort haben die Beschäftig- sichtsrat aber politisch nutzen, denn jedes schwiegenheitspflicht gibt, die natürlich ten-Vertreter auch Zugang zum obersten Mitglied hat den direkten Zugang zu den berücksichtigt werden muss. Betriebsräte sowie Azubi- und Schwerbehinderten-Vertretungen qualifizieren sich bei der BildungsKooperation Region Stuttgart e.V.

„Bildung heißt, die Sache klären, Menschen stärken.“

Fackelzug im Markgröningen Mahle-Beschäftigte kämpfen um den Erhalt ihrer Werke

Chef des Konzerns, zu Heinz K. Junker. Entscheidungsträgern und zu wirtschaftli- Auf Standortebene geht nichts mehr. Die che Daten, an die Betriebsräte sonst nicht Entscheidungsträger haben hier oft zu we- kommen. Beides verkennen diejenigen, die nig Kompetenzen. Aber wir sind auch bei sagen, Aufsichtsräte seien des Teufels. An- Gisela Klenk, IG Metall Esslingen Mahle weit weg davon, dass die Arbeitneh- dere lassen sich dagegen zu sehr einbinden. und BiKo-Referentin mer im Aufsichtsrat alleine etwas bewirken könnten. Welche Qualifikation benötigt ein Auf- sichtsrat? Und wie war es beim Werkzeughersteller Arbeitnehmer-Vertreter können das Gremi- BildungsKooperation Atlas Copco, der jetzt an einen chinesi- um nur offensiv nutzen, wenn sie sich ent- Schwieberdinger Straße 54 • 71636 Ludwigsburg Fon 07141 48 87 78-0 • Fax 07141 48 87 78-7 schen Konzern verkauft wurde? sprechend weiterbilden. Vielleicht brauchen E-Mail [email protected] • www.biko-stuttgart.de Bei der Restrukturierung vor zwei Jahren wir dazu Netzwerke, die sich von externen Die BiKo ist ein freier Bildungsträger, der in Kooperation mit der IG Metall Region Stuttgart hat der Aufsichtsrat von Atlas Copco eine Experten beraten lassen. So kann man sein Betriebsräte, Jugend- und Auszubildenden- sowie Schwerbehinderten-Vertretungen qualifiziert.

wichtige Rolle gespielt. So konnte zumin- betriebswirtschaftliches Wissen kontinuier- Anzeige IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:37 Uhr Seite 7

Jürgen Stamm: Umbau des Sozialsystems bereitet Neofaschisten den Boden Je dunkler die Nacht ... Gedenkveranstaltung zur Ermordung der Stuttgarter Nazi-Gegner

6 Vieles an der derzeitigen Entwick- staltung im Theaterhaus. Stamm berichte- lung erinnere an das Ende der Weimarer te auch über die Hinrichtung des Bosch- Republik, sagte Jürgen Stamm, der Erste Arbeiters Anton Hummler. Er war verhaftet Bevollmächtigte der IG Metall Stuttgart, worden, als er versuchte, einen jüdischen kürzlich im Stuttgarter Theaterhaus bei ei- Arzt in die Schweiz zu bringen. ner Gedenkveranstaltung der Gewerk- In seiner Rede zeigte der IG Metall-Bevoll- schaft und der Vereinigung der Verfolgten mächtigte einige Parallelen der aktuellen des Nazi-Regimes (VVN). Stamm spielte Entwicklung zu den 30er Jahren auf. dabei auch auf die jüngsten Wahlerfolge Durch den Umbau des Sozialsystems dro- rechtsextremer Parteien an. Die Veranstal- he die Verarmung breiter Bevölkerungs- tung stand unter dem Motto „Je dunkler schichten. Damit werde Neofaschisten der die Nacht, desto heller die Sterne“. Boden bereitet. Vor 60 Jahren wurden zehn Männer und Stamm stellte auch selbstkritisch die Frage, Frauen aus Stuttgart im Konzentrationsla- „wie stark unsere Zivilcourage ausgeprägt Familie Schlotterbeck (1918): ger in Dachau ermordet, darunter der ist, wenn es darum geht, Ungerechtigkei- frühere Daimler-Arbeiter Gotthilf Schlotter- ten zu bekämpfen“. In diesem Zusammen- Nur einer überlebte den Nazi-Terror, beck und seine Frau. Nur Sohn Frieder hang müsse auch innerhalb der Gewerk- überlebte, da ihm die Flucht gelang. Daran schaften darüber diskutiert werden, ob Sohn Frieder (rechts) und an die vielen anderen Stuttgarter Op- „uns das ‚Führerprinzip’ in den eigenen Rei- fer des Nazi-Terrors erinnerte die Veran- hen“ völlig fremd war und ist“.

IG Metall-Aufsichtsräte aus der Region Stuttgart Keine echte Firma Name Firma Name Parität im Alcatel Deutschland GmbH Rolf Engert, BR Mann + Hummel Holding GmbH Walter Mugler, BR Eberhardt Süßmuth, BR Sabine Zach, hGf Alcatel SEL AG Hans Baur, hGf Josef Bechtel, hGf Eberhardt Süßmuth, BR Marconi Communications GmbH Werner Bachert, BR Aufsichtsrat Rolf Engert, BR Anne Rieger, hGf Allgaier Werke GmbH Jürgen Sprang, BR Marconi Communications Holdings GmbH Werner Bachert, BR Alstom Power AG Albrecht Kotitschke, BR Anne Rieger, hGf Die Unternehmensmitbestimmung Alstom Power Boiler GmbH Albrecht Kotitschke, BR Märklin Gebr. & Cie GmbH Franz Jordan, BR hat in Deutschland eine lange Traditi- ATB Antriebstechnik AG Welzheim Harald Strotbek, BR Müller-Weingarten AG Joachim Häusser, BR Klaus Willsch, BR Bus GmbH Ralf Schmidt, BR on. Sie basiert unter anderem auf ei- A&M Electronic Tools Peter Hillenbrand, BR Philips Seminconductors GmbH Jutta Dahlmann, hGf Georgios Masmanidis, BR Martin Hafner, BR nem Gesetz aus dem Jahre 1976. Da- Bauknecht Hausgeräte GmbH Dieter Knauß, hGf Porsche AG Hans Baur, hGf mals hat die sozial-liberale Koalition Klaus-Dieter Linnhoff, BR Uwe Hück, BR Christos Prassas, BR Hansjörg Schmierer, hGf unter Bundeskanzler Helmut Schmidt Beru AG Marina Cee, BR Werner Weresch, BR die so genannte paritätische Mitbe- Conti-Temic microelectronik GmbH Helmut Hartmann, hGf Robert Bosch GmbH Werner Neuffer, BR Daimler-Chrysler AG Erich Klemm, BR Robert Bosch Wohnungsgesellschaft Dietfried Blanarsch, BR stimmung in den Aufsichtsräten von Helmut Lense, BR Roto Frank AG Markwart Cochius, BR Daimler-Chrysler Bank AG Gerd De Rose, BR Sigrid Linke, BR Unternehmen mit mehr als 2.000 Be- Ralf Heinle, BR Schindler Deutschland Holding GmbH Dietmar Rau, BR schäftigten eingeführt. Daimler-Chrysler Services AG Gerd De Rose, BR Schuler AG Renate Gmoser, hGf Uwe Meinhardt, hGf Roland Matheis, BR In diesen Gremien sitzen genau so Jürgen Stamm, hGf Werner Seng, BR Debitel AG Martin Weiss, hGf Schwabengarage AG Wolfgang Geiger, BR viele Vertreter der Eigentümer wie der Dürr AG Benno Eberl, hGf Stihl AG Claudia Klenk, BR Beschäftigten. Der Vorsitzende, den Hans-Peter Weingart, BR Dieter Knauß, hGf Dürr-System GmbH Hans-Peter Weingart, BR Tennovis Management GmbH Ute Höppner, BR immer die Eigentümer stellen, kann Ex-Cell-O GmbH Josef Hofelich, BR Thyssen-Krupp Aufzüge GmbH Benno Eberl, hGf aber in Patt-Situationen von seinem GAH Beteiligungs AG Hermann Fischer, hGf Klaus-Jürgen Ledebur, hGf B. Hamann-Sonnenschein, BR Nicole Wößner, BR Zweitstimmrecht Gebrauch machen. Metallwerke AG Peter Kolb, BR Thyssen-Krupp Elevator AG Benno Eberl, hGf Heidelberger Druckmaschinen AG Gunther Heller, BR Udo Müller, BR Insofern gibt es keine echte Parität. Hewlett Packard Europa Verwaltungs GmbH Günter Hornung, BR Klaus Neuberger, BR 82 Mitglieder der IG Metall in der Re- Uwe Meinhardt, hGf Thyssen-Krupp Industrie AG, Essen Stefan Reichardt, BR Hewlett Packard GmbH Uwe Meinhardt, hGf Trumpf GmbH Gerd Duffke, BR gion vertreten zur Zeit die Interessen Honeywell AG Jürgen Hanikel, BR Jörg Hofmann, hGf Hüller Hille GmbH Albrecht Göpferich, BR Hansjörg Schmierer, hGf ihrer Kolleginnen und Kollegen in Konrad Ott, hGf T-Systems GEI GmbH Alexander Stock, BR Aufsichtsräten. Sie sind Beschäftigte IBM Deutschland Entwicklung GmbH Karin Kern, BR Martin Weiss, hGf Jenoptik AG Siegfried Joos, BR T-Systems International Elisabeth Hasel, BR der Unternehmen, meist Betriebsräte Kodak Holding GmbH Wolfgang Eisele, BR Jürgen Stamm, hGf sowie hauptamtliche Funktionäre Hubert Schmidt, hGf Valeo Motoren und Aktuatoren Herbert Würth, BR Kodak Holding GmbH Ute Waldner-Botella, BR Valeo Wischersysteme Ursula Genswürger, BR der IG Metall. Leicht AG Dieter Boden, BR Weru AG Peter Biler, BR M+W Zander Holding GmbH Dieter Hamm, BR Werner Bohner, BR In der Tabelle links eine Aufstellung Mahle GmbH Bernd Hofmaier-Schäfer, BR WMF AG Gabriele Luprich, BR der IG Metall-Aufsichtsräte, die in der Herbert Bossert, BR Bernd Rattay, hGf Anton Czink, BR Ruth Fischer-Pusch, hGf Region Stuttgart leben. Nicht er- Jörg Hofmann, hGf ZF Lenksysteme GmbH Vincenzo Basile, BR wähnt sind die Aufsichtsratskollegin- Bruno Nickel, BR Willi Ritter, BR nen und Kollegen, die außerhalb der Mann + Hummel GmbH Walter Mugler, BR BR = Betriebsrat/Betriebsrätin hGf = hauptamtliche/r Gewerkschaftsfunktionär/in Sabine Zach, hGf Region wohnen. IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:37 Uhr Seite 8

Bernd Hofmaier-Schäfer

Bernd Hofmaier-Schäfer ist ein Computer-Pionier in

der IG Metall. Vor 20 Jahren hat er im Urlaub auf Kreta das

erste Programm für Betriebsräte geschrieben, das ihm dann

eine EDV-Firma abgekauft und erfolgreich vermarktet hat. 7 Inzwischen wird sein Name immer wieder im Zusammenhang mit

dem Mahle-Konzern zitiert. Der langjährige Betriebsrat kämpft

um die Erhaltung aller Standorte.

fragen zur person des Mahle-Konzerns in Werken im Ausland. Als Gewerkschafter und Euro-Betriebsräte kämpfen wir für die gleichen Ziele. Welche Bedeutung hat für dich die Region Welche Ereignisse waren für dich politisch Stuttgart? prägend? Welche Fähigkeiten vermisst du bei dir? Das ist meine Heimat. Mein persönliches Das konstruktive Misstrauensvotum 1972, Ich habe zu wenig Ordnungssinn. und mein politisches Leben sind mit ihr aufs mit dem die CDU Bundeskanzler Willy Engste verbunden. Brandt stürzen wollte. Ich weiß noch, wie Was machst du neben der Betriebsrats- und wir in den Werkstätten – ich hatte Nacht- Gewerkschaftsarbeit? Was findest du negativ in der Region? schicht – an den Radios gehängt sind. Nie- Ich reise gern, schreibe Gedichte, male und Der ländliche Bereich – zum Beispiel mein mand hat gearbeitet. Als die Rechten ge- fertige Skulpturen aus Ton und Stein. Mich Wohnort Markgröningen – hat meist eine scheitert sind, haben sich alle wahnsinnig fasziniert jede Art von Elektronik; ich bin ein schlechte Anbindung an den ÖPNV. gefreut. Das war eine Zufriedenheit; das Sammler von Computerteilen und schaffe habe ich so nie mehr erlebt. Gewerkschaft- übrigens zunehmend mit Linux. Vor etwa Wie wichtig sind für dich Projekte wie Stutt- lich gab es damals für mich zwei High- 20 Jahren habe ich im Urlaub auf Kreta ein gart 21? Lights, eine Rede des früheren Bezirksleiters Computerprogramm für Betriebsräte ge- Mit einem schnellen Zug nach München zu der IG Metall Willi Bleicher beim Arbeits- schrieben. kommen, fände ich toll. Aber dafür braucht kampf 1971 und unser Streik 1979. Wir man den Bahnhof nicht für viel Geld unter- hatte damals bei Mahle wie in vielen ande- Welches Buch hast du zuletzt gelesen? tunneln. ren Betrieben wegen der hohen Teuerung „Nächstes Jahr in Jerusalem“ von André einen Nachschlag gefordert. Da die Tarifver- Kaminski ist mein Lieblingsbuch: Ich lese es Welche politischen Vorbilder hattest du in träge noch nicht kündbar waren, lehnte immer wieder. Es schildert die Lust zu le- deiner Jugend? dies der Vorstand der IG Metall unter Eu- ben, erzählt Geschichten, die tragisch und Che Guevara. Der südamerikanische So- gen Loderer ab. Wir streikten trotzdem komisch zugleich sind und selbstironisch. zialist mit seiner wilden Bart- und Haar- und haben mehr bekommen als wir gefor- Das passt auch zu mir. tracht symbolisierte für uns ein Stück Frei- dert hatten. heits-Idee. Aber auch Willy Brandt war kurz und bündig mein Vorbild. Ich bin damals mit dem „I-li- Hast du heute noch politische Ideale? ke-Willy-T-Shirt“ herumgelaufen. Brandt Soziale Gerechtigkeit. Was mich stark um- 52 Jahre alt, verheiratet wollte die Menschen zusammenzuführen. treibt, ist die Kapitalisierung aller Bedürfnis- Für ihn hatte Solidarität noch einen Wert. se der Menschen, dass alles bis hin zu Feier- Gelernter Werkzeugmacher Im übrigen suchten wir damals neue For- tagen unter dem Gesichtspunkt von Erträ- men des zusammen Wohnens und Lebens. gen gesehen wird. Wir sollten stattdessen Seit dem 15. Lebensjahr Gewerkschaftsfunk- Wir wollten die Fesseln der herkömmlichen darüber nachdenken, wofür wir arbeiten tionär zunächst im Lehrbetrieb, der Sautter KG Familie sprengen. Ich zog deshalb in eine und wie wir leben wollen. in Markgröningen, dann bei Mahle Wohngemeinschaft. Nenne die größten Enttäuschungen in dei- Betriebsrat bei Mahle seit 1976 nem politischen Leben. Die SPD. Das Schlimmste ist, dass sie die Vorsitzender des Betriebsrats im Kapitalisierung aller Lebensbereiche mit- Mahle-Werk Markgröningen seit 1979 trägt und nicht einmal ansatzweise eine Po- litik in eine andere Richtung gestaltet. Ich Seit 1982 Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats war von 1975 an bis vor wenigen Monaten SPD-Mitglied. Gerhard Schröders Agenda 20 Jahre lang Mitglied der Großen 2010 und die Hartz-Gesetze haben das Tarifkommission der IG Metall Fass dann zum Überlaufen gebracht. Ich in Baden-Württemberg bis 2004 bin ausgetreten. 1973 Gründungsmitglied des Fühlst du dich ausreichend qualifiziert? Demokratischen Zentrums Ludwigsburg Ich würde gern ein oder zwei Fremdspra-

Bernd Hofmaier-Schäfer chen gut sprechen können. Denn schließ- Mahle-Aufsichtsrat seit 1999 ... 1973 zusammen mit der Jugendvertreterin Sigrid Kern lich arbeiten zwei Drittel der Beschäftigten IGM_Regional_Dez04_b 28.11.2004 10:36 Uhr Seite 1

Siegfried Liebscher: Die SPD hat die Interessen der sozial Schwachen mit Füßen getreten Eines der reichsten Länder der Welt Angst bei den Arbeitslosen: 2005 schlägt Hartz IV zu

8 Auch bei der letzten Demon- stration in Stuttgart war er dabei, um ge- gen die Agenda 2010 und Hartz IV zu pro- testieren. Siegfried Liebscher (49) ist seit Januar arbeitslos, doch der ehemalige Fer- tigungstechniker will sich auch nach 40 vergeblichen Bewerbungen nicht klein kriegen lassen. „Zwei Monate haben gefehlt“, sagt Lieb- scher, „dann hätte ich mein 25-jähriges Betriebsjubiläum feiern können“. Doch der Sindelfinger Leiterplattenhersteller STP hatte nach einem längeren Todeskampf In- solvenz angemeldet. Von den einst über 800 Beschäftigten sind heute immer noch etwa 80 Prozent arbeitslos. Einige Duzend treffen sich seither ein mal im Monat im Die örtlichen IGM-Büros IG Metall Esslingen Arbeiterzentrum der katholischen Be- Julius-Motteler-Straße 12 triebsseelsorge in Böblingen, „doch es gibt 73728 Esslingen auch Leute, die ihre neue Situation nicht Fon 0711/93 18 05-0 Fax 0711/93 18 05-34 verkraftet haben und deshalb gar nicht [email protected] mehr kommen“, sagt Liebscher. www.esslingen.igmetall.de Der Metaller hat sich schon vor der STP- IG Metall Göppingen Pleite engagiert – in der SPD, in der Ge- Poststraße 14A werkschaft, als Betriebsrat. Und er hat 73033 Göppingen Fon 07161/9 63 49-0 schon zu einer Zeit gegen Gerhard Schrö- Fax 07161/9 63 49-49 ders Agenda 2010 demonstriert, als er goeppingen-geislingen@ noch ein ungekündigtes Anstellungsver- igmetall.de www.igmetall.de/homepages/ hältnis hatte. Auf dem nackten Oberkör- goeppingen-geislingen per des 1,96-Meter-Mannes stand damals Protest gegen die Agenda 2010: Siegfried Liebscher im Mai 2003. Heute ist auch er arbeitslos. bei einer Kundgebung in Stuttgart „Agen- IGM-Büro Geislingen Burgstraße 3 da 2010 – Nein Danke“. Heute ist er selbst macht. „Das tut schon weh“, sagt der Me- bekommt Liebscher dann nicht einmal das 73312 Geislingen betroffen. taller, „denn für die Wohnung bin ich seit Arbeitslosengeld II. So nennt man ab Janu- Fon 07331/95 46-0 „Und trotzdem habe ich gezögert, mein neun Jahren im Urlaub zu Hause geblie- ar die Sozialhilfe. Doch der Familienvater Fax 07331/95 46-20 SPD-Parteibuch abzugeben“, sagt er. ben“. Jetzt muss er seine zweite Lebens- gibt die Hoffnung nicht auf. Er war als ab- IG Metall Ludwigsburg Knapp 29 Jahre ist er dabei, „doch jetzt versicherung verkaufen. Noch gibt es Er- hängig Beschäftigter ein Kämpfer und er Schwieberdinger Straße 71 bin ich ausgetreten, denn diese Partei hat sparnisse, doch bald sind sie aufgebraucht will es als Arbeitsloser bleiben. 71636 Ludwigsburg Fon 07141/44 46-10 die Interessen der Arbeitnehmer und der und bald schlägt Hartz IV zu. Vermutlich Fax 07141/44 46-20 sozial Schwachen mit Füßen getreten.“ Für rätselecke [email protected] die IG Metall will Liebscher weiter aktiv www.bw.igm.de/region/ ludwigsburg/ sein. Er geht jeden ersten Dienstag im Mo- Berlin-Reise zu gewinnen Unter den Einsendungen mit der richtigen Antwort wer- nat zu den Arbeitslosen-Treffen im Stutt- Wer bezeichnete die Mitbestimmung kürzlich als den sieben Gewinner gezogen. Erster Preis: eine dreitägi- IG Metall Stuttgart garter IG Metall-Haus in der Sattler Straße „Irrtum der Geschichte“? ge Studienfahrt nach Berlin für zwei Personen. Zweiter Sattlerstraße 1 Preis: zwei Karten der Kulturgemeinschaft für ein Kon- 70174 Stuttgart 1 und er hilft Arbeitslosen beim Ausfüllen Lösungswort zert, eine Ballettvorführung, einen Theater- oder Opern- Fon 0711/1 62 78-0 der Hartz-IV-Anträge. besuch oder eine Kunstführung. Die übrigen Gewinner Fax 0711/ 1 62 78-49 Liebscher will weiter für eine sozialere Re- erhalten die soeben im Lehrach-Verlag erschienene [email protected] Bitte ausfüllen und an folgende Adresse schicken: Oskar-Lafontaine-Biographie von Joachim Hoell. Ge- www.bw.igm.de/region/ publik kämpfen. „Schließlich ist Deutsch- werkschaftsangestellte können an der Verlosung nicht stuttgart/ IG Metall Region Stuttgart land eines der reichsten Länder der Welt.“ teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Angelika Weigt An Montagsdemos hat er deshalb teilge- Sattlerstraße 1 IGM-Büro Sindelfingen 70174 Stuttgart China heißt das Lösungswort des letzten Rätsels. Dort be- Gartenstraße 10 nommen; sogar nach Berlin ist er zu einer Fax 0711 / 1 62 78-49 findet sich der Firmensitz der TTI-Gruppe, die die Elektro- 71063 Sindelfingen [email protected] Kundgebung gefahren. „Doch die Politiker werkzeugsparte von Atlas Copco übernommen hat. Fon 07031/79 83-0 interessiert das alles nicht“, sagt der ehe- Einsendeschluss: 7. Januar 2005 Fax 07031/79 83-30 Der Gewinner der Berlin-Reise ist Wolfgang Ruben aus [email protected] malige STP-Angestellte leicht resigniert. Name, Vorname Schwaikheim. Die Karten der Kulturgemeinschaft erhält Und wenn er von seiner Eigentumswoh- Brigitte Hamann-Sonnenschein aus Aichtal. Buchpreise IG Metall Waiblingen Straße, Nr. gehen an: Renate Goschler aus Göppingen, Ute Kröner Fronackerstraße 60 nung berichtet, in der er mit seiner Frau aus Geislingen, aus Denkendorf, Wilfried 71332 Waiblingen und den drei Söhnen lebt, dann wirkt die PLZ, Wohnort Lenze aus Kornwestheim, Roland Broß aus Haiterbach, Fon 07151/95 26-0 Stimme leicht belegt. Er wollte sie verkau- Telefon Ralf Ritzal aus Aichtal, Claudia Knecht aus Stuttgart und Fax 07151/95 26-22 Werner Pfeiffer aus Uhingen. [email protected] fen, doch er hätte gegenüber dem Kauf- www.waiblingen.igm.de/ preis einen Verlust von 50.000 Mark ge-