Eduard Mühle Die Slaven Im Mittelalter Das Mittelalterliche Jahrtausend
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Eduard Mühle Die Slaven im Mittelalter Berlin, Boston: De Gruyter, 2016 ISBN: 978-3-11-048814-2 (Das mittelalterliche Jahrtausend / hrsg. von Michael Borgolte ; 4) Persistent Identifier: urn:nbn:de:kobv:b4-opus-29842 Die vorliegende Datei wird Ihnen von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (cc by-nc-sa 4.0) Licence zur Verfügung gestellt. Eduard Mühle Die Slaven im Mittelalter Das mittelalterliche Jahrtausend Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von Michael Borgolte Band 4 Eduard Mühle Die Slaven im Mittelalter ISBN 978-3-11-048814-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049015-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-048828-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Konrad Triltsch, Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Umschlagabbildung: Liber Floridus, Map of Europe by Lambert von St. Omer, f. 241r, Ghent University Library, BHSL.HS.0092. Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com Vorwort RaschnachBand3kanndas Mittelalterzentrum derBerlin-Brandenburgischen Akademieder Wissenschaften in seiner Reiheder Jahresvorträge den Beitrag des OsteuropahistorikersEduardMühleaus Münster vorlegen.Der hier gebotene Text lehnt sich enganMühles Referatam9.Februar 2016 an, das wiederum großes Pu- blikumsinteressefand undeine lebhafte Diskussion auslöste.Ich danke Eduard Mühle besonders herzlich dafür,dass er sein Manuskript, textlich ausgeweitetund ergänzt um umfassende Quellen- undLiteraturnachweise, fürunsereReihe so schnell zurVerfügung gestellt hat.Mein Dank giltebenso dem VerlagWalterdeGruyter, besonders Dr.Jacob Klingner undseinenMitarbeiterinnen MariaZuckerund Julia Hachula,für die wieimmer engagierteMitwirkungbei dieserVeröffentlichung. Die Reihewird fortgesetzt. Berlin, im Februar 2016 MichaelBorgolte I Noch in jüngsten mediävistischen Synthesen begegnen ‚die Slaven‘ in Sätzen wie diesen: „So stand Karl [der Große] unermüdlich im Krieg. Jedes Jahr versammelte er sein Heer und zog gegendie benachbarten Reiche – gegendie spanischen Muslime, gegenden Herzogvon Bayern, gegendas Reich der Langobarden in Oberitalien (…)sowie gegendie Sachsen, die Bretonen, die Slaven und die Awaren.“¹ –„Kommen wir aufdie letzte Welle der Invasionen und der Christia- nisierung zurück (…). Die Slawenwaren bereits aufchristianisiertes Gebiet vor- gedrungen und hatten zur Bildungeines gemischt bevölkerten Europa beigetra- gen.“² –„Heute[weiß man], dass voneiner Vertreibungoder Ausrottungder Slawen (…)bei der Ostsiedlung nicht die Rede sein kann. (…)ImGegenteil giltals sicher,dass die Ankömmlinge mit den eingesessenen Slawen (…)zusammen- wuchsen.“³ –„Seit 1222 bestanden auch in Paris Nationen (…), die anglogerma- nische [umfasste Schüler] ausEngland, Schottland, Deutschland, Ungarn,den slawischen und den skandinavischen Ländern.“⁴ Wasdiese beliebig herausgegriffenen Aussagen verbindet, ist die Tendenz zu einer ebenso bezeichnenden wie pauschalierenden Vorstellungvon der östlichen Hälfte des europäischen Kontinents und ihrer Bevölkerung. DieseVorstellung, die sich sowohl ausden mittelalterlichen Quellen selbst als auch ausder seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert entfalteten Mittelalterforschungspeist,soll im Folgendeneiner kritischen Reflexion unterzogenwerden. Dabei werde ich mich aufdie mittelalterlichen Grundlagen dieser Vorstellungbeschränken und ihre jüngere, wissenschaftsgeschichtlicheAusprägung unberücksichtigt lassen. Dass ‚die Slaven‘ in nicht geringem Maßeauch eine ‚Erfindung‘ der Aufklärung und Romantik waren, dass sie erst vonder Sprachwissenschaft,Archäologie und Historiographie in umfassenderWeise als eine sprachlich-kulturelle, ja ethnische Einheitimaginiert wurden und dass ‚die Slaven‘ als eine solche imagined com- munity im 19.und 20.Jahrhundertinentsprechende – austro-, pan- und neosla- vische oder bruderslavisch-sozialistische – politische Programme eingespannt wurden, kann hier nur konstatiert,nicht aber eingehendausgeführt werden.⁵ Stefan Weinfurter,Das Reich im Mittelalter.Kleine deutsche Geschichtevon bis . München , . Jacques Le Goff,Die Geburt Europas im Mittelalter .(Europa Bauen.) München ², . MichaelBorgolte,Europa entdeckt seine Vielfalt –.(Handbuch der Geschichte Eu- ropas, Bd. .) Stuttgart , . Ebd., . Ausder umfangreichen, aber sehr disparaten einschlägigenLiteratur vgl. beispielsweise Conrad Grau,SlaweninDeutschlandimGeschichtsbild der deutschen Aufklärung, in: Lětopis / 2 Eduard Mühle Gefragt werden soll stattdessen, wiedie mittelalterliche Welt ‚die Slaven‘ sah beziehungsweise danach, welche Konzepte und Vorstellungen die einschlägigen Quellen mit den fraglichen Begriffen verbunden haben.⁶ (), –; Sebastian Brather,Slawenbilder, ‚Slawische Altertumskunde‘ im .und .Jahrhundert, in: Archeologickérozhledy (), –; Ders.,Germanen, Slawen, Deutsche.Themen, Methodenund Konzepteder frühgeschichtlichen Archäologie seit ,in: Ders. /Christine Kratzke (Hrsg.), Aufdem Wegzum Germania Slavica-Konzept.Perspektivenvon Geschichtswissenschaft,Archäologie, Onomastikund Kunstgeschichteseit dem .Jahrhundert. (GWZO-Arbeitshilfen,Bd. .) Leipzig , –; Hans Hennig Hahn, Der Austroslawismus.Vom kulturellen Identitätsdiskurs zum politischenKonzept,in: Gun-Britt Kohler u.a. (Hrsg.),Habsburg und die Slavia. Frankfurt a. M. u.a. , –; Krzysztof A. Makowski /Frank Hadler (Hrsg.), Approaches to Slavic Unity.Austro-Slavism, Pan-Slavism, Neo-Slavism, and Solidarity Amongthe Slavs Today. Poznań ; Stefan Troebst,Slavizität.Identitätsmuster,Analyserahmen, Mythos, in: Ders.,Erinnerungskultur – Kulturgeschichte – Geschichtsregion. Ostmitteleuropa in Europa. Stuttgart , –. Zurmethodisch-konzeptionellen Verortung dieses Frageansatzes vgl. Hans-Werner Goetz,Vor- stellungsgeschichte.Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungenund Vorstellungenim Mittelalter.Bochum ,bes. –; Klaus Oschema,Bilder vonEuropa im Mittelalter.(Mittel- alter-Forschung, Bd. .) Ostfildern ,bes. –. II SlavischsprachigeBevölkerungsgruppen werden in den Quellen nichtvor dem 6. Jahrhundert fassbar.Sie kamen zu diesem Zeitpunktselbstverständlich nicht ausdem Nichts und hatten ihre Vorgeschichte.Doch entzieht sich diese bis heute einer unumstrittenen wissenschaftlichen Erkenntnis.Weder die Geschichts- und Sprachwissenschaft,nochdie Archäologie und Anthropologie haben bislang allgemein anerkannteAntworten aufdie Fragenach der Herkunft und Genese der slavischsprachigen Bevölkerung Europas geben können.⁷ Auch ihre Lebensver- hältnisse sind für die Zeit vorihrem ersten Auftauchen in den schriftlichen Quellen kaum wirklich erhellt.DieseQuellen setzen um die Mitte des 6. Jahrhunderts ein.⁸ Einblickeindie sehr unterschiedlichen, sich teils diametral widersprechenden und wech- selseitigausschließenden Theorienund Interpretationsansätze bieten JerzyNalepa,Opier- wotnychsiedzibach Słowian w świetle nowszych badań archeologicznych, lingwistycznychi historycznych, in: Slavia Antiqua (), –;ebd. (), –;imeinzelnen für die Geschichtswissenschaft Walter Pohl,Die ethnische Wende des Frühmittelalters und ihre Auswirkungen aufOstmitteleuropa. (GWZOOskar-Halecki-Vorlesung .) Leipzig ; Jerzy Strzelczyk,Początki refleksji nad pochodzeniem ijęzykiem Słowian, in: Ders.,Wświecie śred- niowiecznychmyśli iemocji. Wybórprac. Poznań , –;für die Archäologie Sebastian Brather,Archäologie der westlichen Slawen. (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germani- schen Altertumskunde, Bd. .) Berlin /New York ,bes. –; Paul M. Barford,The Early Slavs. Culture and Society in EarlyMedieval Eastern Europe. London ,bes. –; Michał Parczewski,Zum Stand der Diskussion der polnischenArchäologenüber die Ethnogenese der Slawen, in: JanBemmann /Michał Parczewski (Hrsg.),Frühe SlaweninMitteleuropa. Schriften vonKazimierzGodłowski. (Studien zur Siedlungsgeschichteund Archäologie der Ostseegebiete, Bd. .) Neumünster , –;für die Sprachwissenschaft Henrik Birnbaum,Onthe eth- nogenesis and protohome of the Slavs: the linguistic evidence, in: Journal of Slavic Linguistics (), –; Hanna Popowska-Taborska,The Slavs in the earlymiddle ages from the viewpointofcontemporary linguistics,in: Przemysław Urbańczyk(Hrsg.), Origins of Central Europe. Warszawa , –; Dies.,Wczesnedzieje Słowian w świetle ich języka. Warszawa ³; Jürgen Udolph,Die Heimat slavischer Stämme ausnamenkundlicher Sicht,in: Elena Stadnik-Holzer/GeorgHolzer(Hrsg.),Sprache und Leben der frühmittelalterlichen Slaven. Frankfurt/Main u.a. , –;für die neuerdings um DNA-Analysenergänzten Ansätze der Anthropologie Janusz Piontek,Zastosowaniemodelupaleodemograficznegodorekonstrukcji historycznegoprocesu etnogenezy Słowian, in: Acta Universitatis Lodziensis.Folia Archeologica (), –; Ders.,Origin of the Slavs as apretext for discussion, in: Archaeologia Polona (), –; Robert Dąbrowski,Origin of the Slavs: an anthropological per- spective,in: ebd., –. Zu den immer wieder unternommenen,letztlich unergiebigenVersuchen, ‚Slaven‘ oder ‚Pro- toslaven‘ bereits im antiken Schrifttum aufzuspüren vgl. beispielhaft Lech A. Tyszkiewicz, Słowianie whistoriografii antycznej do połowy VI wieku. (Acta Universitatis Wratislaviensis.