Historische Haubergswirtschaft in -Fellinghausen Herausgeber Liebe Leserinnen und Leser, Förderverein Historischer Hauberg Fellinghausen e. V. sehr geehrte Gäste, Vorsitzender Ulrich Gießelmann Landstraße 101 „Echt vielfältig“ ist das Markenzeichen des Krei- 57223 Kreuztal ses -Wittgenstein. Wir sind eine Region der Tel.: 02732 1882 besonderen Kontraste, auch im Bereich der Wirt- E-Mail: [email protected] schaft. So sind bei uns Hightech-Unternehmen www.fhhf.de genauso zuhause wie traditionelle Wirtschaftsfor- men – etwa der Hauberg. Diese besondere Form, den Wald genossenschaftlich zu bewirtschaften, gehört seit 2018 zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands!

Im Historischen Hauberg in Kreuztal-Fellinghau- sen haben Sie die Möglichkeit, die Jahrhunderte alte Geschichte dieser Waldbewirtschaftungsform Kooperationspartner ganz lebendig zu erleben. Dort kommen u.a. auch Waldgenossenschaft Fellinghausen alte Gerätschaften zum Einsatz, die speziell für die Waldvorsteher Dr. Bernhard Kraft Haubergsarbeit entwickelt worden sind. Auf dem Hainchen 10 57223 Kreuztal Diese Informationsbroschüre gibt Ihnen vorab ei- Tel.: 02732 766871 nen Überblick über die wichtigsten Aspekte der E-Mail: [email protected] Haubergswirtschaft. Vor Ort im Historischen Hau- berg  nden Sie zudem Hinweis- und Erläuterungs- Landesbetrieb Wald und Holz NRW tafeln, die Ihnen helfen, die jeweils aktuell bewirt- Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein schafteten Flächen zu  nden, um sich dort über Vormwalder Str. 9 die Historie des Haubergs zu informieren. 57271 Tel.: 02733 8944-00 Hinweise zu besonderen Veranstaltungen und zu E-Mail: [email protected] individuellen Führungen durch den Historischen Hauberg  nden Sie unter www.fhhf.de.

Unterstützer Viel Freude bei der Begegnung mit der Vergangen- Touristikverband -Wittgenstein e. V. heit im Historischen Hauberg wünschen Ihnen Koblenzer Str. 73 57072 Siegen Ihr/Ihre Tel.: 0271 333-1020 Förderverein Historischer Hauberg Fellinghausen e. V., E-Mail: [email protected] Waldgenossenschaft Fellinghausen und www.siegen-wittgenstein.info Touristikverband Siegerland-Wittgenstein e. V.

1. Au age 2019

2 | | 3 Die Haubergswirtschaft im Siegerland – als eine hochentwickelte Sonderform der Nieder- Ein Rückblick in die Geschichte waldbewirtschaftung mit landwirtschaftlicher Zwi- schennutzung entwickelt, die über Jahrhunderte Der Kreis Siegen-Wittgenstein gilt als eine der ältes- hinweg das Gesicht der Wälder des Siegerlandes ten Montanregionen Europas und ist gleichzeitig prägte. Ihre jährlich wiederkehrenden Arbeitszyklen – trotz der zweieinhalb Jahrtausende alten Entwick- bestimmten die Zeiteinteilung der Bevölkerung. lung im Erzbergbau und in der Eisenverhüttung – einer der landschaftlich schönsten und ökologisch Dabei ist ein wesentliches Element der Haubergs- intaktesten Landschaftsräume in Nordrhein-West- wirtschaft, dass dieser Nutzungsform ein gemein- falen. schaftliches Eigentum am Wald zugrunde liegt, sowie genossenschaftliche Verwaltung und Bewirt- Insgesamt 747 km² unter Natur- oder Landschafts- schaftung. Der einzelne Waldbesitzer (Waldgenosse) schutz stehende Flächen mit zahlreichen seltenen hat nur Anteilsrechte und besitzt damit keine kon- Tier- und P anzenarten geben hierüber ein leben- krete Wald äche. Die Genossenschaftsversammlung diges und für die Funktionsfähigkeit des Naturhaus- als oberstes Beschlussorgan berät und beschließt halts wichtiges Zeugnis ab. Dass in Siegen-Wittgen- über alle wichtigen Angelegenheiten des gemein- stein die Umwelt noch in Ordnung ist, daran haben schaftlichen Vermögens, insbesondere über dessen die Land- und Forstwirtschaft entscheidenden An- Verwaltung und Bewirtschaftung. teil. Immerhin ist der Kreis Siegen-Wittgenstein mit rund 70 % Wald äche der waldreichste Kreis in Bis in die heutige Zeit hinein tragen die Haubergs- Deutschland. Das zeigt, dass gerade die Forstwirt- genossenschaften auf diese Weise zur P ege des schaft für diese Region schon immer große Bedeu- Siegerländer Waldes bei, auch wenn die Arbeit im tung hatte. Natürlich wurde der Wald im Siegerland Hauberg ihre einstige wirtschaftliche Bedeutung und in Wittgenstein ebenso zu wirtschaftlichen Zwe- für das Siegerland verloren hat. Hierfür ist in be- cken bearbeitet wie in anderen Regionen Deutsch- sonderem Maße der Bau der Ruhr-Sieg-Eisenbahn lands und Europas. Der hohe Holz- bzw. Holzkohle- verantwortlich. Dadurch wurden Transport und Bedarf zur Eisenverhüttung hatte eine sehr intensive Verwendung von Steinkohle statt Holzkohle bei der Nutzung des Siegerländer Waldes erzwungen. Eisenverhüttung rentabel. Und auch die anderen Er- zeugnisse, die aus dem Hauberg zu erzielen waren Schon im 16. Jahrhundert gab es daher erste Regeln, (z. B. Lohe, Brennholz, Schanzen), haben nach und nach denen nur so viel Holz gehauen werden durfte, nach ihre Bedeutung verloren. wie auch nachwachsen konnte (erste Nachhaltig- keitsregeln). Infolge dieser Entwicklung wurden die Niederwald- ächen in immer größerem Umfang in Hochwäl- Den hier lebenden Menschen ist es seit langer Zeit der umgewandelt, sodass von den ursprünglichen auch eine Verp ichtung, neben der Nutzung der na- 34.000 ha Niederwald heute nur noch rund 2000 ha türlichen Ressourcen auch deren Funktionsfähigkeit erhalten sind. Dieser Niederwald-Rest dient heute und Schutz zu berücksichtigen und damit die Vor- ausschließlich der Gewinnung von Brennholz, so- aussetzungen für die weitere Nutzungsfähigkeit der dass die vielfältigen, mit der ursprünglichen Hau- Naturgüter zu scha en. Aus diesem Bestreben her- bergsbewirtschaftung verbundenen Arbeiten und aus hat sich die „Siegerländer Haubergswirtschaft“ Nutzungen in Vergessenheit zu geraten drohen.

4 | | 5 Der Historische Hauberg in Kreuztal- Die im Hauberg in jedem Jahr durchzuführenden Fellinghausen – Vergangenheit hat Zukunft Arbeiten wurden – aus ökonomischen Gründen – nach Möglichkeit gemeinsam und gleichzeitig Aus dieser Situation heraus haben sich die Wald- ausgeführt. Hierbei können die folgenden Arbeits- genossenschaft Fellinghausen in Kreuztal und das schritte unterschieden werden: Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Landesbetrieb Wald und Holz, zu dem Projekt „His- torischer Hauberg“ entschlossen. Haubergsteilung im Januar/Februar Auf vertraglicher Basis hat sich die Waldgenossen- schaft seit 1991 verp ichtet, eine etwa 24 ha große Die gerade anstehende Schlag äche wurde unter Wald äche aus ihrem Waldbesitz in historischer den Anteilsberechtigten der Genossenschaft ent- Haubergsnutzung fortzuführen. Hiermit wird ein sprechend der Zahl ihrer Anteile aufgeteilt. Dies Beitrag zur Traditionsp ege geleistet, der dafür geschah durch ein ziemlich kompliziertes Ver- sorgt, dass wenigstens auf einem kleinen Teil der messungsverfahren unter Verwendung der „Hau- Wald äche des Siegerlandes die in vieler Bezie- bergrute“ und unter Berücksichtigung der unter- hung einzigartige Haubergskultur weiterlebt. schiedlichen Wuchsverhältnisse auf der jeweiligen Schlag äche durch Losentscheid. Die Grenzen der Die geplanten Jahresschläge, in 20-jährigem Zyklus, den einzelnen Genossenschaftsmitgliedern zuge- sind aus dem Übersichtsplan auf den Seiten 8 und 9 wiesenen Teil ächen (Jähne) wurden durch Holz- ersichtlich. pfählchen (Stifte) mit dem Haubergszeichen des jeweiligen Anteilsberechtigten markiert.

Schlagplan

In den nachstehenden Erläuterungen wird der Ablauf der jährlich wiederkehrenden Geschehnisse in und um den Hauberg so geschildert, als würden die alten Haubergsgebräuche und -regeln noch bestehen.

Früher war die Haubergs äche einer Waldgenossen- schaft in so viele gleichgroße Jahresschläge einge- teilt, wie die festgelegte Umtriebszeit in Jahren ergab. Diese lag in der Regel zwischen 16 und 20 Jahren. In jedem Jahr wurde nur eine der Schlag ächen bear- beitet und zwar diejenige, die gerade das höchste Al- ter erreicht hatte. So liegt z. B. die Größe der im Histo- rischen Hauberg in Fellinghausen eingeteilten Fläche bei einer Gesamthaubergs äche von 24 ha und einer Umtriebszeit von 20 Jahren bei ca. 1,2 ha pro Jahr.

6 | | 7 3427200 3427400 3427600 3427800 3428000 3428200 3428400 8800 8800     Karte Jahresschläge  

564 ND (Buche) 564 2014  2033 3427200 3427400 3427600 3427800 3428000 3428200 3428400     2015    2033 2016       2017 8600  8600          (! 2016 564   (! 564 2032 (! (!  2018 2018  

 8800 (! 8800         702 (!    (! (! 2019 (! (! (! 564  ND (Buche) 564 2030  8400 8400        2014 (!  (! 2033 564 564 (!   Kohlenmeiler  2030 (!     2015 (! 2024     (! 2016 (! 2022  2033    (!     2017 (! 2027 703 8600  8600         8200  8200          (!  2016 564 564 564 2027  564 (! 2023    2029  2032 (! 2029   (! 2021  2018 2028  2018     2028  Arboretum       (!  2020  (!  2026 702  8000  8000         (! (! 2019 (! (! !   2031 2030 ( 564  2025  564  8400  8400  2031     (!     (!

 564 564  (! 2030 Kohlenmeiler Parkplatz  (! (! 2024 7800 7800         (! (! 

564 564 2022  (! (! 2027 703  8200  8200         564 2027  564  2029 2023  3427200 3427400 3427600 3427800 3428000 3428200 3428400 2029   2021 2028   Schlagplanung 2028  Arboretum Waldeinteilung   Historischer Hauberg  Abteilung  2020  Fellinghausen Unterabteilung 2026 8000 1 8000 (Holzboden)  Stichtag 01.01.2009  A        1 Bestand 2031 Maßstab 1: 5.000 Unterabteilung  564 a (Nichtholzboden und  2025  564 Nebenflächen)  Eigentumsgrenze  2031 Niederwald !! Abteilungsgrenze  Unterabteilungsgrenze  2014 Jahr des Abtriebs Bestandesgrenze  ganzjährig LKW-fähiger Weg Mischungsanteil bedingt LKW-fähiger Weg ( 10-20 % Rückeweg Parkplatz * 21-40 % ) >40 %

Laubengang7800 7800          564 564 Nutzungsarten für Nichtholzboden- und Nebenflächen WIW Wildwiese WA Wasserfläche ÖF Ökofläche BFLP Betriebsfläche Lagerplatz GF Gebäude und Freifläche (weitere siehe Flächenbuch)

3427200 3427400 3427600 3427800 3428000 3428200 3428400

8 | | 9 Schlagplanung Waldeinteilung Historischer Hauberg Abteilung Fellinghausen 1 Unterabteilung Stichtag 01.01.2009 A (Holzboden) 1 Bestand Maßstab 1: 5.000 Unterabteilung a (Nichtholzboden und Nebenflächen) Eigentumsgrenze Niederwald !! Abteilungsgrenze Unterabteilungsgrenze 2014 Jahr des Abtriebs Bestandesgrenze ganzjährig LKW-fähiger Weg Mischungsanteil bedingt LKW-fähiger Weg ( 10-20 % Rückeweg * 21-40 % ) >40 % Laubengang 

Nutzungsarten für Nichtholzboden- und Nebenflächen WIW Wildwiese WA Wasserfläche ÖF Ökofläche BFLP Betriebsfläche Lagerplatz GF Gebäude und Freifläche (weitere siehe Flächenbuch) Der Ablauf der historischen Haubergsnutzung im Jahreslauf

10 | | 11 Aushauen und Räumen Januar bis Mai Räumen

Dem „Aushauen“ schloss sich das „Räumen“ an, bei Aushauen dem alle Baumstämme – mit Ausnahme der schäl- fähigen Eichen – in möglichst eine Richtung mit Das Aushauen stand im Frühjahr am Beginn der der Axt umgeschlagen wurden. Arbeiten. Hierbei wurden alle Sträucher und die Äste der Bäume – soweit in Reichweite – mit dem Hierbei wurde eine Schlagtechnik angewendet, Knipp, einer Art Buschmesser, abgehauen. die das Verbleiben eines möglichst glatten Kegel- stumpfes auf der Baumwurzel gewährleistete. Da- durch wurde verhindert, dass der Wurzelstock von Fäulnis befallen wird, und auch ein Zersplittern des Holzes vermieden. Außerdem wurde darauf geachtet, dass ein lo- ckerer „Schirm“ von Einzelbäumen im Hauberg stehenblieb, um auch das Heranwachsen stärke- ren Holzes, z. B. für Bauzwecke, zu gewährleisten. Außerdem sollten die älter werdenden Bäume Sa- men erzeugen und damit für Nachwuchs sorgen.

Das geschlagene Holz wurde anschließend mit Axt und Knipp entastet. Die übriggebliebenen Stangen wurden als Brenn- oder Kohlholz verwendet, das da- bei anfallende Astmaterial wurde ebenfalls zu Schan- zen gebunden.

Das dabei anfallende mindestens  ngerdicke Holz wurde zu Schanzen (Reisigbündeln) von ca. 1 m Länge und ca. 25 cm Durchmesser gebunden und für Heizzwecke im Wohnhaus oder im Gemein- schafts-Backhaus verwendet.

Diese Nutzung  ndet auch heute noch im histo- rischen Hauberg in Kreuztal-Fellinghausen statt. Die hier gewonnenen Schanzen werden durch einige Backhausgemeinschaften zum Heizen des Backofens bei der Herstellung von „Siegerländer Schanzenbrot“ verwendet.

12 | | 13 Lohschälen Mai bis Juni Niederhauen im Juni

Zu Beginn einer neuen Vegetationszeit bietet sich Die von Lohe freigeschälten Eichenstämme wurden in den Monaten Mai und Juni kurzzeitig die Mög- nach der Trocknung der Lohe ebenfalls geschlagen lichkeit, die Eichenrinde (Lohe) von den stehenge- und als Brennholz oder zur Gewinnung von Holz- bliebenen Stämmen mit dem Lohlö el (Schöwwel) kohle eingesetzt. Durch den Trockenvorgang waren zu lösen. sie jedoch stark gehärtet. Es bedurfte besonderer Fertigkeiten und Körperkraft, um diese Stämme fach- gerecht zu schlagen. Das anfallende Reisig lieferte ebenfalls Schanzen.

Sengen, Hacken und Brennen im Juni/Juli

Wenn Holz und Lohe aus dem Hauberg abgefahren waren, konzentrierten sich die weiteren Arbeiten zunächst auf die landwirtschaftliche Zwischennut- zung des Haubergs. Hierzu wurde (allerdings nicht immer) in einem ersten Arbeitsschritt die ober äch- liche Vegetation abgebrannt (Sengen).

Im zweiten Arbeitsschritt wurden die nach dem Sengen verbliebenen Reste der Vegetation entfernt. Dabei wurde die Lohe vom unteren Stammende Dazu wurden die Grassoden und Kräuter mit der nach oben hin abgelöst. Die Rinde blieb oben am Berg- oder Hainhacke vom Boden losgehackt und Stamm hängen, damit sie trocknen konnte. Die Tro- zum Trocknen aufgeschichtet. ckenzeit lag witterungsabhängig zwischen weni- gen Tagen und mehreren Wochen. Nach der Trock- nung wurde die Lohe abgenommen, gebündelt und an Lohgerbereien verkauft. Diese Loh- oder Rotgerbereien gerbten vor allem derbe Lederar- ten für die Schuh- und Stiefelherstellung, sowie für Sattel- und Zaumzeug. Auch diese Nutzung ist bis in das 14. Jahrhundert zurück zu verfolgen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Siegerland 92 Gerbereien, die Lohe verwendeten.

Heute werden in den meisten Gerbereien syntheti- sche Gerbmittel eingesetzt.

14 | | 15 Nach dem Trocknen konnte die Erde von den So- Buchweizen-Aussaat im Juni den abgeklopft werden. Die P anzenreste wurden auf kleinen Haufen verbrannt (Brasebröh) und zu- Außer Roggen wurde rückbleibende Asche zu Düngezwecken auf der im Hauberg auch Buch- gesamten Haubergs äche verteilt. weizen angebaut. Die dunkelbraunen Früchte erinnern stark an kleine Bucheckern. Im Gegen- satz zum Roggen wird der Buchweizen noch im September des Saat- jahres geerntet.

Buchweizen-Ernte im September

Im September erfolgt die Ernte des im Juni ausge- säten Buchweizens mit der Sichel. Der Buchweizen wurde für die Zubereitung von Breimahlzeiten oder Pfannkuchen, aber auch zum Eindicken von Wurstbrühe (Panhas) verwendet.

Landwirtschaftliche Zwischennutzung

Die landwirtschaftliche Zwischennutzung begann mit der Aussaat von Buchweizen oder Roggen, ganz selten auch Hafer, den einzigen für diese Nut- zung in Betracht kommenden Kulturp anzen.

Zur Einarbeitung des Samens in den Boden bedien- te man sich eines von Tieren oder Menschen gezo- genen Hakenp uges (Haubergshoach), dessen Bau- art eine geringe Eindringtiefe in das Erdreich und damit bestmögliche Schonung der Baumwurzeln ermöglichte.

16 | | 17 Roggen-Aussaat im September Nachp anzen bzw. Aussaat

Das Vermögen der Eichenwurzeln nach dem Ab- hieb der Stangen neu auszuschlagen, nimmt in fortgeschrittenem Alter deutlich ab. Ohne eine kontinuierliche Nachp anzung würde daher lang- fristig ein Wachstumsrückgang und eine Verlich- tung der Bestände eintreten.

Nachgep anzt wurde mit jüngeren, aber stark zurück geschnittenen Eichen (Stummelp anzen) oder Heisterp anzen von ein bis zwei Meter Grö- ße, jedoch auch durch die Aussaat von Eicheln in die Stoppeln („Einstufen“).

Roggen-Ernte im August bis September des Folgejahres

Auch das Schneiden des einjährigen Roggens er- folgte mit der Sichel. Das geschnittene Korn wird in neun Garben und einer umgekehrt übergestülp- ten zehnten Garbe zu schlanken Kegeln, den soge- nannten Kornrittern, aufgestellt.

Nach dem Trocknen wurden die Ähren gedroschen und die Körner zu Mehl gemahlen.

Aus dem Roggenmehl wurde ein Sauerteig- Schwarzbrot hergestellt, wobei der Backvorgang zumeist in den schon erwähnten Gemeinschafts- backhäusern (Backesern) unter Verwendung der Schanzen erfolgte. Das so zubereitete, würzige und schmackhafte Schanzenbrot wird auch heute wieder in einigen Backhäusern im Kreis Siegen- Wittgenstein gebacken. Termine und weitere In- formationen über die „Backtage“ erhalten Sie beim Touristikverband Siegerland-Wittgenstein e. V.

18 | | 19 Nutzung zu Hudezwecken Termine zu Haubergsarbeiten

Nach einer Schonzeit von vier bis sieben Jahren Die Arbeit im „Historischen Hauberg“ in Kreuztal- wurden die Haubergs ächen zum Vieheintrieb Fellinghausen ist stark witterungsabhängig. benutzt. In der Regel durften Schafe und Schwei- ne nach dem vierten, Rinder nach dem sechsten Die konkrete Terminierung der Arbeitstage ist der Jahr zur Beweidung auf die Haubergs ächen. Frü- Waldgenossenschaft Fellinghausen erst wenige hestens aber dann, wenn auszuschließen war, dass Tage vorher möglich. Die Termine können bei den sie den Haubergsgehölzen keine Tritt- oder Biss- genannten Kontaktadressen erfragt werden. schäden zufügen konnten. Es war auch besonders darauf zu achten, dass der Vieheintrieb nicht auf Der Förderverein und die Waldgenossenschaft Fel- ohnehin schon geschädigten Flächen erfolgte und linghausen freuen sich über jeden, der gerne selbst dass die Hudenutzung nicht zu intensiv wurde. Hand anlegen und eigene Erfahrungen und Erleb- nisse beim Umgang mit Knipp, Lohlö el, Hainha- Auch die Hudenutzung wurde gemeinsam durch- cke oder Haubergsp ug sammeln möchte. Natür- geführt, wozu jede Gemeinde einen Viehhirt an- lich besteht diese Möglichkeit auch für Gruppen, stellte, welcher über die im Hauberg weidenden Wandervereine, Heimatvereine, etc. – nach vorher- Tiere Aufsicht hielt. Diese Aufgabe wurde durch gehender Terminabsprache mit dem Förderverein. Glocken, welche die weidenden Tiere trugen, ver- einfacht. So konnte der erfahrene Hirte auch ohne Sichtkontakt jederzeit den Aufenthaltsort der Tiere Zufahrt zum Historischen Hauberg Fellinghausen bestimmen. Parkmöglichkeit auf dem Waldparkplatz „Brache“ Im Siegerland gibt es keine Waldhude mehr, da am Ende der Luisenstraße in Kreuztal-Fellinghausen. man im 20. Jahrhundert dazu überging, leistungs- fähigeres Vieh zu züchten und hochwertiges Fut- ter anzubieten, um so die Versorgung der Bevölke- rung mit Milch und Fleisch zu verbessern. Mit den anwachsenden Viehbeständen war zudem eine Beweidung des Haubergs ohne Schäden nicht mehr möglich. Man begann Haubergsteile in gro- ße Weide ächen (Weidekämpe) umzuwandeln, welche dann von den Waldgenossen oder von Hu- degenossenschaften bewirtschaftet wurden.

20 | | 21 Holzkohle aus dem Kohlenmeiler Reihe im oberen Teil des Meilers. Die zirkulierende Luft sorgte dafür, dass das Feuer im Schacht nicht Über 2000 Jahre lang war das Siegerland ein Eisen- erstickte. Sie war jedoch so knapp bemessen, dass land. Hier fand sich, was man zur Gewinnung von sich das Feuer auch nicht ausbreiten konnte. Eisen brauchte: große Eisenerzvorkommen und ausgedehnte Wälder. An der Farbe des Rauches, der aus den Luftlöchern aufstieg, konnte der Köhler erkennen, wie weit der Um aus dem Erzgestein schmiedbares Eisen zu Brennvorgang fortgeschritten war. War der obere schmelzen, musste man es in einem Ofen viele Teil des Meilers gar, schloss er die Abzugslöcher Stunden auf mindestens 1000 Grad erhitzen. Dazu und ö nete unterhalb neue. Das Feuer im Schacht wurde viel Holzkohle benötigt und Holz musste hielt er durch Zugabe von Holzstücken in Gang. erst zu Kohle gemacht werden. Das war das Hand- werk des Köhlers. Damit aus Holz Kohle wird, muss man das Holz „brennen“; verbrennen durfte es dabei aber nicht. Verbrennen dürfen nur die üch- tigen Bestandteile des Holzes, sein Kohlensto muss erhalten bleiben. Für dieses „Kohlenbren- nen“ errichtete der Köhler einen Meiler.

Der Bau des Meilers

Zunächst baute er einen Schacht aus kreuzweise waagerecht übereinander geschichteten Hölzern. In diesem Schacht wird später das Feuer entzün- det, das sorgfältig kontrolliert werden musste. Um den Schacht herum wurden armdicke Hölzer von unterschiedlicher Länge kreisförmig senkrecht aufgestellt. Durch stärkere Neigung der äußeren Ständige Kontrolle Hölzer entstand die stumpfe, kegelige Form des Meilers. Dieser Kegel wurde mit je einer Schicht Während der Zeit des Verkohlens schrumpfte das Rasenplatten und Erde abgedichtet. Der Schacht Holz und damit der Meiler zusammen. Dabei war blieb zunächst oben geö net. die Gefahr groß, dass ein Loch in der Abdeckung des Meilers entstand. Dort eintretende Luft konnte Um den Meiler zu entzünden, füllte der Köhler den das Feuer außer Kontrolle bringen (auch „Luchs“ Schacht mit brennenden Scheiten und Holzstü- genannt); alle Arbeit wäre umsonst gewesen. Des- cken und verschloss ihn mit einem Deckel. halb blieb der Köhler Tag und Nacht in der Nähe des Meilers. Zum Schutz vor Regen und Sonne Dann stieß er Löcher in die Meilerhaut, zunächst diente ihm die Köhlerhütte, die auch ein einfaches ganz wenige direkt über dem Erdboden und eine Lager aus Moos enthielt.

22 | | 23 Meiler und Hauberg

Erst durch die Haubergsordnungen von 1834 und 1879 wurde sichergestellt, dass mit der Natur kein Raubbau zu Lasten künftiger Generationen getrie- ben wurde. Es durfte jährlich nur so viel Holz aus dem Wald entnommen werden, wie nachwachsen konnte.

Diese Haubergswirtschaft, die auch eine landwirt- schaftliche Zwischennutzung der Haubergs ächen ermöglichte, sicherte den Menschen im Siegerland über Jahrhunderte ihre Lebensgrundlagen. Mitte Um die Abdeckung des Meilers dicht zu halten, des 19. Jahrhunderts, mit dem Bau der Eisenbahn beklopfte der Köhler sie mit einer achen Schaufel und der Einfuhr der Steinkohle, veränderte sich für und besserte sie, wo nötig, aus. Von Zeit zu Zeit be- das Siegerland alles. Das war das Ende der Köhlerei stieg der Köhler seinen Meiler, um festzustellen, ob in den Haubergen. Im Zusammenhang mit der „His- das Holz zu Kohle geworden war. Die fertigen Koh- torischen Haubergswirtschaft“, die auf Teil ächen lestücke zerbrachen nämlich im Gegensatz zum der Waldgenossenschaft Fellinghausen aufgrund Holz unter seinem Gewicht. Der Köhler auf dem einer Vereinbarung mit dem Land Nordrhein-West- Meiler, mit oft rußgeschwärztem Gesicht, muss falen wiederaufgelebt ist, wird einmal im Jahr, je- furchterregend ausgesehen haben. Kein Wunder weils in der Woche nach P ngsten, die Errichtung also, dass sich um den „Schwarzen Mann“, der den und der Betrieb eines Kohlenmeilers vorgeführt, Sommer über einsam in seiner Hütte lebte, viele damit auch künftige Generationen noch erzählen sonderbare Geschichten rankten. können, wie es war, als der Meiler noch rauchte.

Darüber hinaus wird in -Walpersdorf noch Holzköhlerei betrieben. Eine Besichtigung des Koh- Der Meiler ist „gar“ lenmeilers ist zu empfehlen.

Nach etwa zehn Tagen war der Meiler „gar“. Das Holz, das nun Kohle war, wurde auseinander gezo- gen, mit Wasser gelöscht und zu den Schmelzöfen gekarrt. Dort war der Bedarf an Holzkohle riesig. Zur Ausschmelzung von 1 kg Eisen benötigte man die zehnfache Menge an Holzkohle. Und für 10 kg Holz- kohle musste man 50 kg Holz im Meiler brennen.

Das erklärt den großen Holzkohlebedarf im Sieger- land. Er wurde bald so groß, dass alle umliegenden Wälder abgeholzt waren. Aus dieser Holzknappheit entwickelte sich im Mittelalter die geregelte Sieger- länder Haubergswirtschaft.

24 | | 25 Querschnitt eines Holzkohlenmeilers

26 | | 27 Glossar Backes Luchs (beim Meiler) Kleines Gebäude mit gemauertem Ofen zum ge- Unkontrolliertes Durchbrennen eines Meilers, verur- meinschaftlichen Backen von Broten. sacht durch ein Loch in der Meilerabdeckung.

Brasebröh Montanregion Verbrennen der getrockneten Gräser und Kräuter in Eine Region, die durch die Gewinnung, Aufbereitung vielen qualmenden Feuern. und Weiterverarbeitung von Bodenschätzen geprägt ist. Im Siegerland wurde Erz abgebaut und in Hütten- Haubergrute betrieben zu Stahlprodukten weiter verarbeitet. Holzstab mit Einkerbungen zur Abgrenzung und Einmessung der jeweiligen Anteils ächen in einem Niederwald Jahresschlag. Waldbestand, der nicht aus Samen, sondern aus- schließlich aus Stockausschlägen und Wurzelbrut Heisterp anzen entstanden ist. Er entwickelt sich in der Regel nur zu Junge, meist ein bis zwei Meter große Gehölze mit einem niedrigen Baumbestand. mehreren verzweigten Seitenästen. Schanzen Hudenutzung Zu einem Bündel zusammengebundene Reisigäste Nutzung junger Haubergsbestände (mindestens vier in einem Haubergsschlag. Verwendung hauptsäch- Jahre alt) als Weide für Schafe, oder Rinder. lich als Heizmaterial für Backhäuser.

Jähne Schlag äche Je nach der Anzahl ihrer Eigentumsanteile am Hau- Die jeweils älteste Teil äche des Haubergs, die in ei- berg werden den Anteilsberechtigten unterschiedlich nem Jahr gemeinschaftlich von allen Anteilsberech- breite Streifen eines Jahresschlages (Jähne) zur Bear- tigten bearbeitet wird. Der Hauberg ist in so viele beitung zugewiesen. Die Jähne werden durch sog. gleich große Schlag ächen eingeteilt, wie sie der Stifte von benachbarten Anteils ächen abgegrenzt. festgesetzten Umtriebszeit des Haubergs entspre- chen (20 Schlag ächen bei 20-jährigem Umtrieb). Jahresschlag Die in einem Jahr als Hauberg in Anspruch genom- Stifte mene Wald äche. Holzpfählchen mit eingekerbten Haubergszeichen zur Abgrenzung der Anteils ächen in einem Jahresschlag. Kornritter Bis zu zehn kegelförmig zusammengesetzte Getrei- Umtriebszeit degarben zum Trocken des Getreides im Hauberg. Der Zeitraum, in dem eine Haubergs äche nach ihrer Nutzung wieder bis zur nächsten Abholzung nach- Lohe wachsen kann (16 - 20 Jahre). Rinde von Eichen im Hauberg, mit einem Lohlö el vom Stamm abgetrennt und als Rohsto in Gerbe- Verlichtung reien genutzt. Eine Verlichtung von Haubergsbeständen tritt dann ein, wenn nach einer Abholzung die Anzahl der Neu- Lohlö el austriebe aus den Eichen- und Birkenstöcken ab- Aus Stahl gefertigtes schmales lö elartiges Werk- nimmt und sich nur noch ein lückiger Gehölzbestand zeug, zum Lösen der Rinde junger Eichen (Lohe). entwickelt.

28 | | 29 Literatur

Es gibt auch in großem Umfang Print- und andere Lorsbach, Josef (1956): Medien zum Thema Haubergswirtschaft, von denen Hauberge und Hauberggenossenschaften des Sie- wir hier einige nennen wollen: gerlandes

Achenbach, Heinrich (1863): Schawacht, Jürgen H. (1991): Die Haubergs-Genossenschaften des Siegerlandes, Die Siegerländer Haubergswirtschaft, Westfälische Neuau age durch Stadt Siegen (1963) Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Becker, Alfred (1991): Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein (2015): Der Siegerländer Hauberg, Verlag Wielandsschmiede Sonderheft zum Hauberg

Becker, Alfred (2002): Sorg, Fritz (1965): Haubergs-Lexikon, Verlag Wielandsschmiede Haubergswirtschaft einst und jetzt.

Delius, Walter (1910): Vorländer, Friedrich (1867): Hauberge und Haubergsgenossenschaften (Samm- Der Siegener Haubergs-Katechismus, Verlag Vorländer lung von Rechtsvorschriften)

Fickeler, Paul (1954): Das Siegerland als Beispiel wirtschaftsgeschichtli- cher und wirtschaftsgeogra scher Harmonie

Förderverein historischer Hauberg Fellinghausen e. V. (2013): Mitmachbuch für junge Haubergsexperten

Förderverein historischer Hauberg Fellinghausen e. V. (2014): Schul- und Dokumentar lm: „Der Hauberg im Sieger- land“.

Hartig, G.L. (1817): Hauberge im Fürstentum Siegen

Landesforstverwaltung, Schriftenreihe: Bildnachweise: Bilder aus dem Hauberg (1995, 2011), Der Gemein- Heidemarie Kraft (Titelbild, S. 7, 8 & 9, 12 - 15, 17 - 25) schaftswald in NRW (2010) Alfred Becker (S. 10 & 11, 26 & 27) Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucher- Peter Weller/Siegener Heimat- und Geschichtsverein (S. 16) schutz (2007): Auszug auf Basis der Amtlichen Basiskarte 1 : 5.000 Niederwälder in NRW Hrsg: Bezirksregierung Köln, Abteilung Geobasis NRW, 2019 (S. 21)

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