Der Erste Nordatlantikflug Von Europa Nach Amerika. Transatlantische 28 29 Aushandlungen Über Helden, Ehre, Nation Und Modernität
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1 1 Inge Marszolek 2 2 3 3 4 4 5 5 Der erste Nordatlantikflug von Europa nach Amerika. 6 6 Transatlantische Aushandlungen über Helden, Ehre, Nation 7 7 und Modernität 8 8 9 9 10 10 11 11 12 12 Im Zentrum von Bremen, nur durch eine kleine Gasse gegenüber dem Rathaus 13 13 zugänglich, befindet sich eine der Hauptattraktionen Bremens: Die Böttcher- 14 14 straße, eine Zeile von Gebäuden, in den 1920er Jahren im Auftrag des Bremer 15 15 Kaffeehändlers Ludwig Roselius vom Bildhauer Bernhard Hoetger aus roten 16 16 Ziegelsteinen gebaut.1 Zu jeder Stunde drängen sich Touristen vor einem Glo- 17 17 ckenspiel. Auf geschnitzten Holztafeln rotieren hier zu den Klängen der Glocken 18 18 bekannte Ozeanbezwinger. Unter ihnen befindet sich Charles A. Lindbergh, der 19 19 1927 den ersten Non-Stop-Flug von den USA nach Paris unternahm, sowie 20 20 Ehrenfried Günther von Hünefeld, Hermann Köhl und der Ire James Fitzmau- 21 21 rice, denen ein Jahr später der erste Nordatlantikflug von Europa nach Nord- 22 22 amerika gelang. Abgebildet sind drei Männer, Köhl und Fitzmaurice mit der 23 23 damals gebräuchlichen Fliegermütze, von Hünefeld hingegen in Zivil. Hinter 24 24 ihnen sind Häuser einer Stadt zu sehen; links im Bild sind diese relativ niedrig, 25 25 rechts unschwer als stilisierte Wolkenkratzer zu erkennen. Im oberen Drittel 26 26 fliegt ein kleines Flugzeug, das aber das gesamte Bild dominiert. Gewidmet ist 27 27 die Tafel, die erst 1934 eingefügt wurde, den drei Atlantikfliegern 1928.2 Unter- 28 28 halb des Glockenspiels befindet sich eine Schrifttafel aus Anlass des Non-Stop- 29 29 Flugs des »Condor«, einem Flugzeug der Bremer Focke-Wulf-Werke, von Berlin 30 30 nach New York im Jahre 1938.3 Hier werden die Flieger nicht genannt, aber die 31 31 32 32 1 Nicola Vetter, Ludwig Roselius. Ein Pionier der deutschen Öffentlichkeitsarbeit, Bremen 2002; 33 33 Arn Strohmeier, Kunst im Zeichen der germanischen Vorfahren und der Wiedergeburt 34 34 Deutschlands: Ludwig Roselius und Bernhard Hoetger, in: Arn Strohmeier/Kai Artinger/ 35 35 Ferdinand Krogmann, Landschaft, Licht und Niederdeutscher Mythos. Die Worpsweder 36 36 Kunst und der Nationalsozialismus, Weimar 2000, S. 56ff. Roselius hatte sich bereits 1924 durch eine Kapitalerhöhung an den Bremer Focke-Wulf-Flugzeugwerken beteiligt. Archiv der 37 37 Böttcherstraße, Kasten Focke-Wulf Albatros, darin MS Historischer Überblick, ohne Autor. 38 38 2 Die zehn Tafeln des Glockenspiels wurden erst 1930 von Ludwig Roselius in Auftrag gegeben, 39 39 die Tafel zu den Atlantikfliegern ist die vorletzte, die letzte war den Zeppelinflügen gewidmet. 3 Diese Tafel wurde 1938 angebracht. Mit dem Entwurf der Tafel wurde Ernst Gorsemann 40 40 beauftragt: Gorsemann war ein Bremer Bildhauer und wurde 1934 zum Leiter der »Nordi- 41 41 schen Kunsthochschule« in Bremen berufen. 70 Inge Marszolek Der erste Nordatlantikflug von Europa nach Amerika 71 1 Inschrift endet mit »und schuf damit den Völkern eine neue Brücke«, was an- 1 Diese Ehrungen der Ozeanflieger in der Böttcherstraße stehen im Fokus für 2 gesichts des Datums, ein Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, überrascht. 2 diesen Aufsatz, der Ehrregimen in transnationaler Perspektive nachspürt und 3 3 das komplexe Feld der Flieger-Ehrungen in der Zwischenkriegszeit beleuchtet: 4 4 Zunächst konzentriere ich mich auf den Flug der drei »Luftmusketiere« von 5 5 1928, wie sich Köhl, Fitzmaurice und von Hünefeld selber in einem Buch 6 6 nannten.4 Hierbei interessieren mich insbesondere die verschiedenen Ehrungen 7 7 in den USA wie in Bremen nach ihrer Landung sowie die Rolle der Medien. In 8 8 einem zweiten Schritt werde ich nach dem Bild des Fliegerhelden nach dem 9 9 Ersten Weltkrieg fragen, zu einer Zeit also, als das überhöhte Bild des militäri- 10 10 schen Helden partiell ins Wanken geriet. Drittens geht es um die Einschrei- 11 11 bungen des Fliegerhelden in Diskurse über Nation und Modernität sowohl in 12 12 den USA als auch in Deutschland. Hier konzentriere ich mich auf die Rolle der 13 13 Medien in der Konstruktion des Fliegerhelden und bei der Performativität des 14 14 Ehrens. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf Bremen: Ich benutze die Literatur 15 15 zu Lindbergh vor allem für eine Erkundung, wie und warum diese Flieger am 16 16 Ende der 1920er Jahre zu transatlantischen Helden wurden, und frage, wie sie 17 17 sich in ihre nationalen Kontexte einschrieben. 18 18 19 19 20 20 1. Die deutsche Luftfahrtindustrie und der Flug der »Bremen« 21 21 22 22 Die Lage der Luftfahrtwirtschaft in Deutschland war nach der Niederlage im 23 23 Ersten Weltkrieg bis in die zweite Hälfte der 1920er Jahre höchst prekär. Der 24 24 Versailler Vertrag erlegte der Flugzeugindustrie, der zivilen Luftfahrt sowie dem 25 25 Flugsport strenge Verpflichtungen auf. Dadurch entwickelten sich allerdings in 26 26 der Weimarer Republik die Hobby-Fliegerei und der Wiederaufbau des Flug- 27 27 wesens zu Symbolen einer nationalen Wiedererstehung.5 Trotz der Restriktio- 28 28 nen des Versailler Vertrags wurden erfolgreich Flugzeuge konstruiert – zu 29 29 nennen sind hier u.a. die Junkers-Werke, aber auch die Zeppelin-Werft in 30 30 Friedrichshafen.6 Mit der Gründung der Luft Hansa 1926 begann zudem der 31 31 Eintritt des Deutschen Reichs in die internationale zivile Luftfahrt.7 Im euro- 32 32 33 33 4 Hermann Köhl/James C. Fitzmaurice/Ehrenfried Günther von Hünefeld, Die drei Luftmus- 34 34 ketiere: Die Geschichte des ersten Atlantikflugs von Ost nach West, New York 1928. 35 35 5 Peter Fritzsche, A Nation of Fliers. German Aviation and the Popular Imagination, Cambridge, 36 36 Mass., London 1992, S. 103ff. 6 Ebd., S. 138–146. 37 37 7 Die Luft Hansa war ein Zusammenschluss der Aero Lloyd und der Junkers Luftverkehr AG, an 38 38 der Aero Lloyd wiederum war seit 1923 eine der größten Reedereien in Europa vor dem Ersten 39 39 Weltkrieg beteiligt, der Norddeutsche Lloyd mit Firmensitz in Bremen. Vgl. Christian Abb. 1: Die drei Atlantikflieger im Glockenspiel der Böttcherstraße] Ostersehlte, 1918–1945. Zwischen den Zeiten, in: Dirk J. Peters (Hrsg.), Der Norddeutsche 40 40 Lloyd. Von Bremen in die Welt. »Global Players« der Schifffahrtsgeschichte, Bremen 2008, 41 41 S. 61–74. 72 Inge Marszolek Der erste Nordatlantikflug von Europa nach Amerika 73 1 päischen Wettbewerb musste die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie 1 Aufgrund der Restriktionen der deutschen Luftfahrt nach dem Ersten Welt- 2 wegen der Beschränkungen besonders unter Beweis gestellt werden, sodass 2 krieg mussten Köhl und Hünefeld zunächst heimlich nach Irland fliegen. Dort 3 Flugschauen, aber auch spektakulären Flügen der deutschen Sportflieger eine 3 stieß der Flugleiter des Flughafens in Baldonnel, James Fitzmaurice, spontan zu 4 große Bedeutung zukam. 4 ihnen. Am Morgen des 12. April 1928 hob die Junkers W 33, getauft auf den 5 In dieser Situation entwickelte der eingangs erwähnte Hünefeld, seit 1923 5 Namen »Bremen«, vom irischen Baldonnel mit dem Ziel New York ab. Köhl war 6 Syndikus des Norddeutschen Lloyds (NDL) in Bremen und zuständig für 6 der Pilot. Die Junkers W 33 war ähnlich wie das Flugzeug von Lindbergh eine 7 Pressearbeit, den Plan, die Überquerung des Nordatlantik von Europa aus zu 7 sehr leicht gebaute einmotorige Maschine. Nach einem gefährlichen Flug – die 8 wagen. Unterstützt wurde er dabei durch den Direktor der Norddeutschen 8 Maschine geriet in einen Sturm, der Treibstoff wurde knapp – landete Köhl nach 9 Luftverkehrsgesellschaft, ebenfalls Teil des NDL, Cornelius Edzard. Hünefeld 9 36 Flugstunden auf Greenly Island, eine Insel an der Südküste von Labrador, die 10 und Edzard gelang es, die Bremer Kaufmannschaft für die Finanzierung des 10 zu Kanada gehörte. Da das Flugzeug bei der Notlandung schwer beschädigt 11 Unternehmens zu gewinnen. Eine wichtige Rolle spielte hierbei der Staatsrat 11 wurde, mussten die Flieger zwei Wochen auf der Insel ausharren. Ein ameri- 12 Müllershausen als Mittler zwischen Hünefeld, den Vertretern der Wirtschaft und 12 kanischer Flieger, Floyd Bennett, der ihnen zu Hilfe eilen wollte, starb auf diesem 13 dem Bremer Senat.8 Ziel der Überquerung war nicht zuletzt eine Verbesserung 13 Flug an den Folgen einer Lungenentzündung. Versuche, die »Bremen« zu re- 14 der Handelsbeziehungen zu den USA. 14 parieren – es trafen Ersatzteile und Monteure des Lloyd ein –, waren vergebens. 15 Hünefeld, geboren 1892 in Königsberg, gestorben 1929 in Berlin, war von 15 Erst am 26. April 1928 trafen die Flieger der »Bremen« in einem Flugzeug, das 16 Geburt an auf einem Auge blind, die Sehkraft auf dem rechten Auge war stark 16 von Henry Ford persönlich zur Verfügung gestellt wurde, in New York ein.10 17 eingeschränkt: Er konnte nicht räumlich sehen und daher, trotz seiner Begeis- 17 18 terung fürs Fliegen, kein Pilot werden.9 Sein Markenzeichen war das Monokel. 18 19 Nach einem studentischen Bohmienleben in Berlin – er studierte Kunst und 19 2. Der Flug der »Spirit of St. Louis« und die Ehrungen 20 Philosophie – vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich beim 20 21 Freiwilligen Kraftfahrkorps. Als Meldefahrer an der Westfront machte er sich 21 Die drei Männer der »Bremen« orientierten sich vor allem an den Erfahrungen 22 durch besonders waghalsige Fahrten einen Namen: Bereits im September 1914 22 von Charles A. Lindbergh, der 1927 den ersten Non-Stop-Flug von New York 23 wurde er verwundet. Er wurde in den diplomatischen Dienst übernommen und 23 nach Paris gewagt hatte. Er war der erste, der ohne Zwischenlandung und allein 24 war ab 1916 Konsul in Maastricht. Hier freundete er sich mit dem 1918 dorthin 24 seinen Flieger, die »Spirit of St. Louis«, steuerte. Lindbergh, geboren in Min- 25 exilierten Kronprinzen an. 1921 kam er nach Bremen, wo er 1923 seine Tätigkeit 25 nesota, war zum Zeitpunkt des Flugs erst 25 Jahre alt und gehörte zu den etwa 26 als Propagandachef des Norddeutschen Lloyd aufnahm.