SAT 1 SAT Sat.1-Nachrichtenprofi Limbourg: Nach zwölf Minuten ab zu „Pretty Woman“

NACHRICHTEN-TV Die immer gleichen Rituale Mit einer neuen Nachrichtensendung direkt zur „Tagesschau“-Zeit will Sat.1 ein Stück Renommee zurückerobern. Doch das bisher wenig überzeugende Experiment beweist nur eines: Das Informationsgeschäft ist deutlich härter geworden – für alle Sender.

rgendwer hatte Peter Limbourg schon sche der Privatsender einzulassen, eine Der Anspruch war so hoch. Die Umset- vor seinem Start als Nachrichten- magere Quote durch Boulevardisierung zung geriet eher mickrig. IConférencier der neuen Sat.1-Haupt- hochzuziehen. „Ich will eine Brücke schlagen zwischen nachrichten Blumen geschickt. Gelbe Tul- Es ist auch ziemlich unerfreulich für sei- den Nachrichten im öffentlich-rechtlichen pen und Gerbera. Leuchtend lagen sie vor nen Sender, der die Nachrichten zur pro- und im privaten Fernsehen“, hatte Lim- der Sendung auf dem Schreibtisch in minenten Sendezeit eigentlich nur aus ei- bourg vor der Sendung gesagt. Sein Sender seinem Büro. nem einzigen Grund bringt: Er braucht ein habe begriffen, wie wichtig seriöse Nach- Das war ein netter Zug, denn nach der besseres Image, will seriöser wirken und richten für das Image des gesamten Pro- Premiere am vergangenen Montag sollte nicht mehr nur mit krawalligen Gerichts- gramms seien. Nach zwölf Minuten Lim- nicht mehr viel Gutes kommen. Limbourg shows in Verbindung gebracht werden. Und bourg war Schluss mit der ersten Sendung, bekam vor allem Häme ab. „Griesgram auf dann gleich so ein Aufstand zum Einstand! und Sat.1 machte mit Werbung und dann Sendung“ und „Schwammkopf am Mode- Aber Limbourg führte ja auch merk- mit „Pretty Woman“ weiter. rationspult“, ätzte die „Süddeutsche Zei- würdig hölzern durch die Nachrichtenlage, Die Probleme, mit denen Sat.1 da tung“ in ihrer Internet-Ausgabe. „Ein Ver- biederte sich beim Thema Börsen-Crash kämpft, sind dieselben, die das gesamte walter von Nachrichten“ sei Limbourg, ohne etwas simpel an die Zuschauer an: „Seien Genre plagen. Die Zuschauer sind an- die „nötige Wärme“ und „unbeholfen“, Sie heilfroh, wenn Sie heute keine Ak- spruchsvoller geworden und erwarten richtete die „Frankfurter Allgemeine“. tien besitzen.“ Und übte sich in onkeliger längst mehr als das bloße Abspulen einer Das ist bitter für Limbourg, der sich Lockerheit, die man sonst nur von Radio- Liste der wichtigsten Dinge des Tages. Die weit vorgewagt hat mit dem Versuch, shows kennt: „Manche Meteorologen sa- Nachrichtensendungen sollen erklären und der heiligsten Viertelstunde im deutschen gen weiße Ostern voraus – also die Eier interessieren und mit eigenen Geschichten Fernsehen, der 20-Uhr-„Tagesschau“, Pa- nicht zu früh verstecken.“ Die Quote war überraschen. Wenn schon Wiederholung roli zu bieten. Vor allem, weil er geschwo- überschaubar und rutschte zügig unter sie- der Tages-Themen, dann noch einmal mit ren hat, sich nicht auf die übliche Ma- ben Prozent. Esprit, bitte schön.

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35 machen“, wird auch von ARD und ZDF geteilt. Tagesschau Gerade die „Tagesthemen“ bemühen ARD* sich seit ein paar Monaten, wenigstens 30 ein Stück pro Tag „runterzubrechen“ auf Sinkender den Alltag der Zuschauer, wie das im Journalistenjargon unschön heißt. Solche Nachrichtenwert Betroffenen-Geschichten sind mittlerweile Marktanteile in Prozent 25 derart häufig, dass Kleber sie schon kari- kiert. So etwas moderiere man an mit der heute ZDF** Floskel: „Unser Reporter war bei Familie Bertram.“ Und nach dem Beitrag komme 20 ein hilfloses: „Wir werden uns um dieses ARD-Moderator Buhrow Problem weiter kümmern müssen. Und nun zum Krieg.“ RTL aktuell Die eigentlich anspruchsvolle journalis- tische Arbeit sei es aber, nicht nur Proble- heute-journal 15 ZDF me bis runter in die Wohnküche zu be- schreiben, sondern stärker die Hinter- gründe aufzuzeigen, wer da in der Politik welche Interessen vertritt und warum. Das ist schön gesagt. Und da kann auch das Tagesthemen „heute-journal“ noch deutlich nachlegen. Sat.1 News ARD Wo die reine Nachricht nicht mehr aus- reicht, um Interesse zu gewinnen, werden 5 die Präsentatoren immer wichtiger. Man *inkl. Dritte, 3sat, Phoenix sieht das etwa an der Karriere von „RTL **inkl. 3sat Quelle: Das Erste aktuell“-Anchor Peter Kloeppel. ZDF-Moderatorin Slomka Mehr als 200 Sendungen moderiert er 200001 02 03 04 05 06 07

DIETER MAYR / AGENTUR FOCUS / AGENTUR (L.);DIETER MAYR (O.) / DPA NIETFELD KAY pro Jahr. Er hat eine feste Gemeinde an seine Person gebunden und im Laufe der Vor allem die Informations-Flaggschiffe Die immer gleichen Meldungen aus dem Jahre seine Vertrauenswerte in der Bevöl- von ARD und ZDF sehen sich heraus- Nahen Osten, die immer wieder frustrie- kerung derart gesteigert, dass selbst ARD- gefordert. Die Marktanteile von „heute“, renden Geschichten über Arbeitslose, die und ZDF-Kollegen mittlerweile erblassen. „heute-journal“, „Tagesschau“ und „Tages- dauernde Wiederholung derselben Politik- Man merkt die immense Bedeutung der themen“ sinken seit Jahren – schleichend, rituale, egal, ob es in der Großen Koalition Nachrichtenstars auch daran, wie angesto- aber beharrlich (siehe Grafik). gerade kriselt oder nicht. Ein bisschen chen ARD-Größen reagieren, wenn man Allmählich reagieren die Anstalten. Die Krieg. Ein bisschen Frieden. Das ist der sie auf die Blässe ihrer eigenen „Tages- ARD bastelt an einer Reform der „Tages- Stoff, mit dem sie alle ihre Formate füllen. themen“-Präsentatoren anspricht. Dass themen“, will die Zahl der Kommentato- Verschärft wird der Befund noch da- ARD-Moderator Tom Buhrow noch immer ren begrenzen und scheint wild entschlos- durch, dass der Fernsehzuschauer mit den so arg harmlos wirkt und seine Kollegin sen, die Anfangszeiten der Sendung wieder Dingen, die um 20 Uhr die „Tagesschau“ Caren Miosga den Tag zwar stets fehlerfrei auf eine Linie zu trimmen, die sie durch meldet oder um 21.45 Uhr das „heute-jour- abarbeitet, aber auch auf merkwürdige die Plazierung des Polit-Talks „Hart aber nal“, meist schon mehrmals am Tag kon- Weise nicht in Erinnerung bleibt. fair“ auf den Mittwochabend selbst durch- frontiert wurde, bevor er sie dann noch Und inmitten dieser TV-Landschaft, in einandergebracht hat. einmal erzählt bekommt. Spannend ist das der sich Nachrichten mit Stars und eige- Das ZDF setzt beim „heute-journal“ nicht. nen Geschichten, mit Betroffenheit, Er- stark auf die Präsentatoren Daher setzen die Redaktionen immer klärstücken und technischem Firlefanz an und Marietta Slomka, hat jüngst den RTL- mehr auf die Schilderung von Betroffenen- die Zuschauer heranwanzen müssen, thront Reporterstar Antonia Rados abgeworben Geschichten. „RTL aktuell“ fährt diese behäbig und erfolgreich die noch immer und baut ein neues 3-D-Studio, in dem Schiene rauf und runter: RTL-Reporter liebste Nachrichtensendung der Deutschen, sich allerhand sinnlose und auch ein paar verbringen einen Tag mit einem Obdach- die „Tagesschau“ um acht. vernünftige optische Spielereien anstellen losen oder mit einem Hartz-IV-Empfänger Die Sendung ist eigentlich ein Anachro- lassen. und berichten, wie sich das anfühlt. „Bei nismus in der ganzen Art, wie dort der Bei alledem geht es nicht einmal mehr den persönlichen Geschichten steigen die Tag „gewissermaßen notariell beglaubigt darum, verlorene Zuschauer zurückzu- Zuschauer nicht aus“, sagt Peter Kloeppel, wird“, wie ARD-aktuell-Chefredakteur Kai gewinnen – sondern in Zukunft nicht noch Info-Kopf und -Gesicht des Kölner Sen- Gniffke leicht selbstironisch sagt. Doch das mehr zu verlieren. Fernsehnachrichten ders. „Immer wenn es persönlich wird, ge- Rezept funktioniert, trotz auch hier brö- schauen ist schon längst keine Pflichtver- hen die Quoten weiter nach oben.“ selnder Quoten, noch immer. anstaltung mehr. Man kann „RTL aktuell“, obwohl es sich Wenn Gniffke Gästen aus den USA oder Doch woher rührt diese Krise? Ist es von der Quote auf Augenhöhe mit „heute“ England die „Tagesschau“ zeige, dann sei- wieder einmal nur das Internet, das an bewegt, nicht ohne weiteres mit den Nach- en die zunächst immer sehr belustigt, dass allem schuld ist? Die allgemeine Überfüt- richten von ARD und ZDF vergleichen. es so etwas überhaupt noch gebe, erzählt terung mit News und Pseudo-News? Bei RTL menschelt es deutlich häufiger – er. So ganz ohne Anchor, so deutsch- „Es gibt dieses Gefühl, dass das öffent- und es darf mehr gegafft werden. Doch die behördenhaft. Doch wenn er denen dann liche Leben langweiliger geworden ist“, Analyse Kloeppels, dass es nicht mehr von den Marktanteilen seiner Info-Ikone glaubt „heute-journal“-Anchor Kleber. ausreiche, die politischen Ereignisse des erzählt, verstumme die Kritik schlagartig. „Und wenn es ausnahmsweise nicht lang- Tages abzubilden, dass vielmehr der Druck Daran dürfte auch Peter Limbourg auf weilig ist, dann ist es hoffnungslos.“ gestiegen sei, „eigene Geschichten zu Sat.1 nichts ändern. Markus Brauck

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