Plenarprotokoll 16/122

Deutscher

Stenografischer Bericht

122. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung ...... 12675 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt Zusatztagesordnungspunkt 1: , Bundesminister BMU . . . . . 12675 D Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen Undine Kurth (Quedlinburg) (Bönstrup), Dr. , Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 12677 B Adam, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU, der Abgeordneten Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12677 C Dr. h. c. , , Lutz Heilmann (DIE LINKE) ...... 12677 C Dr. , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12677 D , Hans-Joachim Otto (Frank- Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ furt), Christoph Waitz, weiterer Abgeordneter DIE GRÜNEN) ...... 12678 A und der Fraktion der FDP: Errichtung eines Freiheits- und Einheits-Denkmals Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12678 B (Drucksache 16/6925) ...... 12675 A Dr. (DIE LINKE) . . . . . 12679 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12679 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 12679 B Antrag der Abgeordneten Dr. , Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12679 C Dr. Lukrezia Jochimsen, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Josef Göppel (CDU/CSU) ...... 12680 A Errichtung eines Denkzeichens mit Doku- Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12680 B mentationszentrum zur Erinnerung an die friedliche Revolution 1989 (FDP) ...... 12680 C (Drucksache 16/6926) ...... 12675 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12680 D (FDP) ...... 12681 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12682 A Antrag der Abgeordneten Katrin Göring- Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... 12682 A Eckardt, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weite- Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12682 B rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Diskussionsprozess Cajus Caesar (CDU/CSU) ...... 12682 D über ein Freiheits- und Einheitsdenkmal Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12683 A unter breit angelegter Beteiligung der Öf- Lutz Heilmann (DIE LINKE) ...... 12683 A fentlichkeit initiieren (Drucksache 16/6927) ...... 12675 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12683 B II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen DIE GRÜNEN) ...... 12684 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 12687 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . 12684 B

Tagesordnungspunkt 2: Mündliche Frage 5 Dr. (BÜNDNIS 90/ Fragestunde DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6903) ...... 12684 D Sachstand bezüglich der Gründung der Partnerschaften Deutschland Gesellschaft AG Mündliche Frage 1 (PDG AG) sowie Sicherstellung der Objek- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ tivität der Prüfung konkreter ÖPP-Pro- DIE GRÜNEN) jekte in Sachen Wirtschaftlichkeit durch die PDG AG Pressebericht über eine angeblich schon im Jahr 2004 erfolgte Zusage einer vorzeitigen Antwort Haftentlassung von Kazem Darabi bei Er- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin halt von Informationen über das Schicksal BMF ...... 12688 B des im Libanon verschollenen israelischen Piloten Ron Arad durch den Iran oder die Zusatzfragen Hisbollah Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Antwort DIE GRÜNEN) ...... 12688 C Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ ...... 12684 D Zusatzfragen Mündliche Frage 6 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 12685 A DIE GRÜNEN) Folgen für die zahlreichen steuerlichen Querverbünde in der Trägerschaft kom- Mündliche Frage 2 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ munaler Gebietskörperschaften aus dem DIE GRÜNEN) Urteil des Bundesfinanzhofes vom 22. Au- gust 2007 zur Übernahme von Dauerver- Ersuchen Israels mit dem Ziel der Erlan- lusten einer selbstständigen Tochtergesell- gung von Informationen über das Schick- schaft im Rahmen einer kommunalen sal des im Libanon verschollenen israeli- Holding sowie Maßnahmen der Bundesre- schen Piloten Ron Arad anlässlich des gierung zur Sicherung des Fortbestandes Beschlusses zur vorzeitigen Haftentlas- steuerlicher Querverbünde sung Kazem Darabis im Jahr 2007 Antwort Antwort Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMJ ...... 12686 B BMF ...... 12689 A Zusatzfragen Zusatzfragen Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 12686 C DIE GRÜNEN) ...... 12689 B

Mündliche Frage 3 Mündliche Frage 7 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Stellungnahme der Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverwaltungsge- Modell zur Wahrung der Kostenneutralität richts zur Verankerung der Gleichbehand- bei Zahlung der Entfernungspauschale ab lung von Auszubildenden im sogenannten dem ersten Kilometer dualen Studium mit anderen Auszubilden- den bezüglich der Einberufung zum Wehr- Antwort dienst im Entwurf eines Wehrrechtsände- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin rungsgesetzes BMF ...... 12690 A Antwort Zusatzfragen Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ BMVg ...... 12687 B DIE GRÜNEN) ...... 12690 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 III

Mündliche Frage 8 Antwort Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin DIE GRÜNEN) BMWi ...... 12693 C Haltung der Bundesregierung zum Beitrag Zusatzfragen des Arbeitnehmerpauschbetrags zur Ver- Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ einfachung des Steuerrechts und zum Bü- DIE GRÜNEN) ...... 12693 D rokratieabbau sowie Notwendigkeit der Bewertung der zusätzlich entstehenden bürokratischen Lasten durch den Normen- Mündliche Frage 14 kontrollrat bei einer Absenkung des Elke Reinke (DIE LINKE) Pauschbetrags Beim Bundesministerium für Familie, Antwort Senioren, Frauen und Jugend, beim Bun- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin desministerium für wirtschaftliche Zusam- BMF ...... 12691 A menarbeit und Entwicklung sowie bei anderen Ministerien angesiedelte Freiwilli- Zusatzfragen gendienste und deren Ausgestaltung Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Antwort DIE GRÜNEN) ...... 12691 B Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ ...... 12694 C Mündliche Frage 10 Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Elke Reinke (DIE LINKE) ...... 12694 D (BÜNDNIS 90/ Bisherige öffentliche Ausgaben und bis DIE GRÜNEN) ...... 12695 B 2013 geplante Fördermittel zur Schließung von Breitbandlücken in Deutschland Mündliche Frage 15 Antwort Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi ...... 12691 D Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Jugendschutzgesetzes so- Zusatzfragen wie dafür über den bisherigen Entwurf hi- Sabine Zimmermann (DIE LINKE) ...... 12692 B nausgehende Regelungen für Gewalt- videos und sogenannte Killerspiele Antwort Mündliche Frage 11 Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ BMFSFJ ...... 12695 C DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Pressebericht zur Weigerung der Bundes- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ regierung hinsichtlich eines öffentlichen DIE GRÜNEN) ...... 12696 A Zugangs zu Akten über Planung und Bau der Erdgaspipeline durch die Ostsee sowie Unterlagen der Kreditbürgschaft des Bun- Mündliche Frage 16 des Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Antwort DIE GRÜNEN) Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin Veranschlagte Kosten für das von der Bun- BMWi ...... 12692 D desregierung geplante Betreuungsgeld Zusatzfragen Antwort Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN) ...... 12693 A BMFSFJ ...... 12696 D Zusatzfrage Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 12 DIE GRÜNEN) ...... 12697 A Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 19 Auswirkungen der deutsch-russischen Ost- Ina Lenke (FDP) seepipeline auf die Beziehungen zu den Ostseeanrainerstaaten Polen, Estland und Auswirkungen der Gewährung von Lan- Lettland deserziehungsgeld in einzelnen Bundeslän- IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 dern auf den jeweiligen Anteil der Kinder Zusatzfragen in Kindertageseinrichtungen und in der Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ...... 12700 C Tagespflege sowie Schlussfolgerungen der Sabine Zimmermann (DIE LINKE) ...... 12701 B Bundesregierung

Antwort Mündliche Frage 29 Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär (BÜNDNIS 90/ BMFSFJ ...... 12697 B DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Schlussfolgerungen der Bundesregierung Ina Lenke (FDP) ...... 12697 C aus der am 30. Oktober 2007 im Rahmen (CDU/CSU) ...... 12698 A einer Studie vorgestellten Kritik des Deut- schen Instituts für Menschenrechte am Verhalten der EU-Staaten bei der Behand- Mündliche Frage 21 lung und Rettung von Bootsflüchtlingen an Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ den südlichen EU-Außengrenzen DIE GRÜNEN) Antwort Ergebnisse der erneuten Aktualisierung , Parl. Staatssekretär BMI . . . . 12701 C der Nutzen-Kosten-Untersuchungen des Projekts 2. S-Bahn-Stammstrecke in Mün- Zusatzfragen chen sowie Auswirkungen auf die Förder- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ fähigkeit des Projekts nach dem Gemein- DIE GRÜNEN) ...... 12701 D deverkehrsfinanzierungsgesetz Antwort Mündliche Frage 30 Karin Roth, Parl. Staatssekretärin Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ BMVBS ...... 12698 C DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Stellenwert der Ausbildung des an den EU- Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Außengrenzen zur Grenzsicherung einge- DIE GRÜNEN) ...... 12698 D setzten Polizeipersonals der EU-Mitglied- staaten in Fragen des Schutzes von Men- schen- und Flüchtlingsrechten Mündliche Frage 27 Antwort Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 12702 B Status des Arbeitsentwurfs „Nationaler Zusatzfragen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutsch- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ land zur Bekämpfung von Rassismus, DIE GRÜNEN) ...... 12702 C Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlich- keit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ vom Oktober 2007 Mündliche Frage 31 Antwort Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 12699 B DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Reaktion der Bundesregierung auf eine Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ...... 12699 C Anfrage US-amerikanischer Behörden aus Sabine Zimmermann (DIE LINKE) ...... 12700 A dem ersten Halbjahr 2002 bezüglich der Überprüfung von circa 200 Namen und Fingerabdrücken von Guantanámo-Häft- Mündliche Frage 28 lingen Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 12703 C Status des für den 23. November 2007 ge- planten abschließenden Fachgesprächs Zusatzfragen zum Entwurf des Nationalen Aktionsplans Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ gegen Rassismus beim Deutschen Institut DIE GRÜNEN) ...... 12703 D für Menschenrechte sowie Möglichkeit der Einflussnahme seitens der Nichtregie- rungsorganisationen angesichts des engen Zusatztagesordnungspunkt 4: Zeitrahmens Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Antwort DIE LINKE: Haltung der Bundesregierung Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 12700 B zu den durch die Bundeskartellbehörde Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 V festgestellten Preis- und Marktabsprachen Antwort der vier großen deutschen Stromkonzerne Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi ...... 12720 A Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) ...... 12704 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) ...... 12705 B Anlage 4 Gudrun Kopp (FDP) ...... 12706 C Mündliche Frage 13 Rolf Hempelmann (SPD) ...... 12707 C Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (BÜNDNIS 90/ Bereitstellung von Informationen über das DIE GRÜNEN) ...... 12708 C Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes Julia Klöckner (CDU/CSU) ...... 12709 D auf der Internetseite des Bundesministeri- ums für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Ulla Lötzer (DIE LINKE) ...... 12711 A gend Manfred Zöllmer (SPD) ...... 12712 A Antwort Franz Obermeier (CDU/CSU) ...... 12713 A Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ ...... 12720 C (SPD) ...... 12714 A

Kurt Segner (CDU/CSU) ...... 12715 B Anlage 5 (SPD) ...... 12716 B Mündliche Fragen 17 und 18 (BÜNDNIS 90/ Nächste Sitzung ...... 12717 D DIE GRÜNEN) Aufnahme eines Passus über die Einfüh- rung eines Betreuungsgeldes im Gesetzent- Anlage 1 wurf zum Ausbau der Kindertagesbetreu- ung für unter Dreijährige sowie deren Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 12719 A rechtliche und politische Folgen Antwort Anlage 2 Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ ...... 12720 C Mündliche Frage 4 (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 6 Haltung der Bundesregierung zur Be- Mündliche Frage 20 schränkung der Zahl der Wahlbeobachter Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) der OSZE durch die russische Wahlkom- mission zu den Parlamentswahlen am Einbindung der Wirtschaft in die Finanzie- 2. Dezember 2007 sowie Initiativen der rung der fehlenden Kitaplätze Bundesregierung zur Stärkung des für Antwort Wahlbeobachtungen zuständigen Büros Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär für demokratische Institutionen und Men- BMFSFJ ...... 12720 D schenrechte Antwort , Staatsminister AA ...... 12719 D Anlage 7 Mündliche Fragen 22 und 23 Klaus Hofbauer (CDU/CSU) Anlage 3 Unterstützung der Realisierung der Anbin- Mündliche Frage 9 dung der Bahn an den Flughafen München Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) mit der sogenannten Marzlinger Spange durch die Bundesregierung sowie Haltung Zahl neuer Arbeitsplätze bei Einsatz von des Bundesministers für Verkehr, Bau und 50 Millionen Euro im Rahmen der Ge- Stadtentwicklung zu diesem Vorhaben meinschaftsaufgabe Verbesserung der re- gionalen Wirtschaftstruktur sowie Gründe Antwort für die Senkung dieser Mittel um 50 Millio- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin nen Euro im Jahr 2008 BMVBS ...... 12721 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Anlage 8 Anlage 9 Mündliche Fragen 24 und 25 Mündliche Frage 26 Jürgen Koppelin (FDP) (CDU/CSU) Pressebericht über von der Bundesregie- Höhe der Verwendung der jährlichen Ein- rung bezuschusste Langstreckenflüge auf nahmen aus der LKW-Maut für den Aus- dem Flughafen München sowie etwaige bau von Schienenwegen in den einzelnen Höhe dieser Zuschüsse seit dem Jahr 2000; Bundesländern Fluglinien mit Langstreckenangeboten för- Antwort dernde Flughafengesellschaften mit Beteili- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin gung des Bundes und Art der Bezuschus- BMVBS ...... 12721 D sung dieser Fluglinien Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS ...... 12721 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12675

(A) (C) Redetext

122. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Überweisungsvorschlag: Die Sitzung ist eröffnet. Ausschuss für Kultur und Medien Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inter- Die Anträge sollen ohne Aussprache an den Aus- fraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesord- schuss für Kultur und Medien überwiesen werden. Sind nung zu erweitern: Sie mit den Aufsetzungen und den Überweisungen ein- verstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang so beschlossen. Börnsen (Bönstrup), Dr. Norbert Lammert, , weiterer Abgeordneter und der Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fraktion der CDU/CSU, Befragung der Bundesregierung der Abgeordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- Markus Meckel, Dr. Gerhard Botz, weiterer Ab- binettsitzung mitgeteilt: Nationale Strategie zur biolo- (B) geordneter und der Fraktion der SPD gischen Vielfalt. (D) sowie der Abgeordneten Cornelia Pieper, Hans- Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, wei- hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel. Errichtung eines Freiheits- und Einheits- Denkmals Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- – Drucksache 16/6925 – schutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien mir angesichts der geringen Zahl anwesender Parlamen- tarier nicht ganz sicher, ob ich im Namen der Regierung ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. einen langen Bericht abgeben sollte. Ich möchte aber zu- Lothar Bisky, Dr. Lukrezia Jochimsen, Petra Pau, mindest darauf verweisen, dass wir zum ersten Mal seit weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE 1993 eine Strategie zur biologischen Vielfalt für LINKE Deutschland vorgelegt haben. Die Bundesrepublik Errichtung eines Denkzeichens mit Dokumen- Deutschland ist Unterzeichnerin der Konvention der tationszentrum zur Erinnerung an die friedli- Vereinten Nationen zum Schutz der biologischen Vielfalt che Revolution 1989 und wäre seit 1993 verpflichtet gewesen, eine solche Strategie vorzulegen. Wir tun dies jetzt erstmals. – Drucksache 16/6926 – Überweisungsvorschlag: Es ist wichtig, zu betonen, dass dies keine Strategie Ausschuss für Kultur und Medien des Bundesumweltministeriums ist, sondern eine der ge- samten Regierung. Das heißt, all die Maßnahmen, die in ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin dieser Strategie zum Erhalt der Artenvielfalt beschrieben Göring-Eckardt, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, werden, verpflichten nicht nur das Bundesumweltminis- weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- terium, sondern auch alle andere Fachressorts, also die NIS 90/DIE GRÜNEN Regierung insgesamt. Das ist von Bedeutung, weil die Diskussionsprozess über ein Freiheits- und Strategie das eine ist, das Messen dieser Strategie an der Einheitsdenkmal unter breit angelegter Betei- Realität und praktisches Verhalten aber das andere. ligung der Öffentlichkeit initiieren Die Strategie geht davon aus, dass man anhand von Indi- – Drucksache 16/6927 – katoren die Entwicklung der Artenvielfalt in Deutschland 12676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) feststellen kann, also messen kann, ob es in unserem machen, dazu, sich genau zu überlegen, was sie da tun. (C) Land hinsichtlich der Artenvielfalt Verschlechterungen Ich wünsche niemandem, dass er einmal in die Lage oder Verbesserungen gibt. Wir wollen darüber mindes- kommt, Wirkstoffe von genau diesen Tieren zu benöti- tens alle vier Jahre im Kabinett beraten. Ich finde, die gen, um selber überleben zu können. Es gibt Fleder- Regierung sollte jährlich einen Bericht über die Umset- mäuse, deren Enzyme zur Produktion von Medikamen- zung dieser Strategie vorlegen. Wir setzen uns hier selbst ten gegen Schlaganfall wichtig sind. Ich rate dringend, erstmalig unter Druck, Anforderungen erfüllen zu müs- sich zu überlegen, ob man nicht bei populistischen De- sen. Das ist Sinn der Sache und auch notwendig; denn batten über Fledermäuse sein eigenes Leben aufs Spiel wir sind Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz der setzt. Stirbt diese Art aus, fehlen uns nämlich die En- Konvention über die biologische Vielfalt. zyme für Medikamente zur Bekämpfung von Schlagan- fall. Das gilt ebenso für die vom Aussterben bedrohte Die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt Pazifische Eibe. Verschwindet diese, fehlen uns die ge- ist keine Naturschutzkonvention. Mit ihr wird vielmehr netischen Ressourcen zur Produktion von Medikamen- versucht, die nachhaltige Nutzung der Natur mit dem ten gegen Krebs. Deswegen rate ich auch angesichts ei- Schutz der Natur in Einklang zu bringen. Mit der Kon- nes geneigten Publikums dazu, aufzupassen, dass man vention zum Schutz der biologischen Vielfalt wird nicht nicht des Stammtischs wegen Dinge öffentlich propa- versucht, die Notwendigkeit der Nutzung zu verschlei- giert, die einmal das eigene Leben kosten können. ern. Im Gegenteil: Sie weist darauf hin, von welch un- glaublich großem Wert die Natur für die wirtschaftliche Selbstverständlich müssen wir angesichts wachsender Entwicklung in vielen Teilen der Erde ist, auch in Weltbevölkerung und begrenzter fossiler Rohstoffe – Kup- Deutschland. Mit ihr wird versucht, diesen Wert für un- fer ist zum Beispiel seltener als Erdöl – auch darauf ach- sere Kinder und Enkelkinder und deren Kinder und En- ten, dass die Datenbasis der Natur möglichst umfang- kelkinder zu sichern, damit die Grundlagen wirtschaftli- reich bleibt. Damit sorgen wir dafür, dass unsere Kinder chen Handelns und gesunden Lebens auf der Erde nicht und Enkel natürliche Rohstoffe für den Ersatz sehr be- zerstört werden. grenzter fossiler Rohstoffe, die wir für die Industriepro- duktion brauchen, vorfinden. In Braunschweig beispiels- Deutschland profitiert in hohem Maße von der Nut- weise forscht das Deutsche Zentrum für Luft- und zung der biologischen Vielfalt. Allein der jährliche Raumfahrt, wie man im Flugzeugbau Stahl, Aluminium Marktwert der genetischen Ressourcen und der daraus oder Kunststoff durch pflanzliche Rohstoffe ersetzen entstehenden Produkte wird weltweit auf 500 bis kann. Das heißt, es kann eine ganze Menge erreicht wer- 800 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die pharmazeuti- den, wenn wir keine Monokulturen erzeugen, sondern sche Industrie ist einer der großen Nutznießer. Circa für Nachhaltigkeit sorgen, indem wir die Überlebensfä- (B) 50 Prozent der heute in Deutschland gebräuchlichen higkeit der Arten verbessern und deren Zerstörung nicht (D) Arzneimittel basieren auf Heilpflanzen bzw. deren In- weiter so vorantreiben. haltsstoffen. Etwa 70 bis 90 Prozent dieser getrockneten pflanzlichen Stoffe werden immer noch wild gesammelt Zurzeit ist die Aussterbensrate weltweit hundert- bis und häufig in einer Art und Weise, dass dabei die Pflan- tausendfach höher als die natürliche Aussterbensrate. zen insgesamt zerstört werden; das kann das Aussterben Auch in unserem Land sind Arten bedroht. Wir haben der Pflanzen zur Folge haben. Wer sich also für den Er- aber auch Erfolge zu verzeichnen. Einer der großen Er- halt der Pflanzen einsetzt, sichert damit gleichzeitig die folge ist die Umsetzung der Natura-2000-Richtlinie der Rohstoffbasis für wichtige Bestandteile von Arzneimit- Europäischen Union. Wir haben immerhin rund 14 Pro- teln unserer pharmazeutischen Industrie. Weltweit be- zent der Landfläche als FFH-Gebiete oder Vogelschutz- trägt der Umsatz an Arzneimitteln pflanzlichen Ur- gebiete unter Schutz gestellt, und über 40 Prozent unserer sprungs 20 Milliarden US-Dollar. Meeresflächen sind maritime Schutzgebiete. Eine posi- tive Entwicklung ist auch, dass im Rhein beispielsweise Es ist ganz interessant, einmal in die Strategie hinein- fast alle Fischarten, die vor der Industrialisierung dort ge- zuschauen. Wir haben versucht, deutlich zu machen, funden wurden, heute wieder dort zu finden sind. Nur welch riesigen wirtschaftlichen Vorteil wir durch den Er- zwei Fischarten, die vor der Industrialisierung dort leb- halt von Arten haben. Mammutbäume haben uns zum ten, gibt es dort heute nicht mehr. Das sind große Erfolge. Beispiel gelehrt, wie man bessere Flamm- und Brand- schutzmittel, bei dessen Gebrauch sich weniger Rauch Insofern ist es fatal, wenn ausgerechnet Bundeslän- entwickelt, erzeugen kann. Wir haben durch den Galapa- der, die davon profitieren, am kommenden Freitag im goshai gelernt, wie man aerodynamisch bessere und Bundesrat diese FFH- und Vogelschutzrichtlinien unter leichtere Flugzeuge bauen kann, sodass weniger Treib- der Überschrift „Überbürokratisierung“ sozusagen an- stoff verbraucht und die Belastung der Atmosphäre redu- greifen wollen. Ich meine, dass diese Verfahren lange ziert wird. Die Lotusblume hat uns den Selbstreini- dauern, liegt nicht an den Richtlinien, sondern daran, gungseffekt auf Oberflächen gelehrt. Wir reduzieren dass die Bundesländer zum Teil bis heute – sechs Jahre durch den Einsatz entsprechend ausgestatteter Farben nach ihrer Verabschiedung! – die europäischen Richtli- und Lacke den Verbrauch von Reinigungsmitteln und nien nicht umgesetzt haben und der Bundesrepublik vermindern die Belastung von Abwässern. Deutschland deshalb Zwangsgeldverfahren drohen. Gott sei dank ist das bei FFH ausgeschlossen worden. Wir erleben aber auch, dass häufig Späßchen über Ar- tenschutz gemacht werden. Ganze Wahlkämpfe werden Es ist auch völliger Unsinn, zu behaupten, diese Na- über Fledermäuse geführt. Ich rate allen, die so etwas turschutzrichtlinien würden wirtschaftliche Entwick- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12677

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) lung nicht zulassen. Ich will ein dramatisches Beispiel Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- (C) nennen: Das Mühlenberger Loch im Verlauf der Elbe bei schutz und Reaktorsicherheit: Hamburg, das zugeschüttet wurde, damit ein Flugzeug Zunächst hoffe ich, dass die Initiative keine Mehrheit wie der A380 landen kann, lag mitten in einem FFH-Ge- bekommt. Ansonsten kommt es darauf an, dass die Öf- biet. Natürlich werden auch die Schiffe der Meyer Werft fentlichkeit diesem Thema mehr Aufmerksamkeit weiterhin über die Ems das Meer erreichen können. All schenkt, als das hier im Plenum der Fall ist. das ist im FFH-Gebiet möglich. (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ Wenn man Eingriffe in die Natur vornimmt, muss DIE GRÜNEN]: Danke schön!) man die Schäden, die der Eingriff verursacht hat, aus- gleichen oder, noch besser, überkompensieren. Diese Mühe muss man sich allerdings machen. Wenn man sie Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sich nicht macht, liegt der Schluss nahe, dass alle Lip- Herr Heilmann, bitte. penbekenntnisse zum Heimatschutz, zum Natur- und Umweltschutz, zum Erhalt der Schöpfung Gottes und zur Verantwortung vor den eigenen Kindern und Enkel- Lutz Heilmann (DIE LINKE): kindern nichts anderes als Sonntagsreden sind. Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre Ausführun- Wir glauben, dass wir mit dieser Strategie ein sehr gen. Ich finde es richtig, dass wir in Deutschland jetzt ambitioniertes Programm vorgelegt haben. Es ist den endlich eine Strategie für Biodiversität haben, obwohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Umweltministeri- sie nach meiner Einschätzung zu unverbindlich ist. Sie ums und aller anderen Ressorts, aber auch den Verant- sagen immer: „Wir streben an.“ Ich hätte es besser ge- wortlichen der Länder und der Kommunen sowie den funden, wenn da auch einmal deutlich dringestanden Aktivisten bei den Umweltverbänden zu verdanken, die hätte: „Wir verpflichten uns.“ Das wäre etwas kräftiger. in einem sehr langen Prozess daran mitgearbeitet haben. Nun zu meiner Frage. Wir haben in der letzten Sit- Ich will ausdrücklich dafür danken. Ich freue mich, dass zungswoche die kleine Novelle zum Bundesnaturschutz- erste Bundesländer, wie beispielsweise Bayern, ange- gesetz verabschiedet. Sie haben ja ausgeführt, wie wich- kündigt haben, diese nationale Strategie in eine landes- tig die kleine Fledermaus oder der Hai oder was auch weite umzusetzen und im Rahmen ihrer eigenen Zustän- digkeiten daran zu arbeiten. Das zeigt, dass es durchaus immer ist. Sind Sie der Auffassung, dass diese kleine Länder gibt, die diese Aufgabe offensiv angehen. Dafür Novelle – ich möchte an Ihren Fraktionskollegen Herrn sollten wir werben. Becker erinnern – der Strategie gerecht wird, da ja be- kanntermaßen nach FFH-Richtlinie geschützte Arten ei- (B) Vielen Dank dafür, dass Sie mir Gelegenheit gegeben nem stärkerem Regime unterstellt werden als nur natio- (D) haben, Ihnen das hier heute vorzustellen. nal geschützte Arten?

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kurth, Sie haben schutz und Reaktorsicherheit: die erste Frage. Zunächst zu Ihrer Vorbemerkung. Die Strategie ent- hält, glaube ich, 430 Maßnahmen und 330 Ziele. Sie Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE werden weltweit nichts Konkreteres finden. Bei den GRÜNEN): 430 Maßnahmen steht nicht, was wir uns wünschen oder Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Bundesum- was wir wollen, sondern da steht, was wir tun. Da Sie für weltminister, erst einmal vielen Dank für die Darstel- eine der Oppositionsfraktionen sprechen, kann ich mir lung. Ich glaube, alle, die sich mit dem Thema ernsthaft Ihre Ausführungen erklären. Ein Blick über die Grenzen befassen, bedauern, dass bei diesem wichtigen Thema wird Ihnen aber zeigen, dass es außerhalb Deutschlands nicht mehr Abgeordnete im Plenum sind. kein Land gibt, das sich so stark verpflichtet und sich selbst so unter Druck setzt wie wir. Sicherlich werden ( [CDU/CSU]: Bei den Grünen Sie uns in acht Jahren als Oppositionsabgeordneter fra- auch nicht!) gen: Was hat die Regierung eigentlich zwei Legislatur- – Wir sind auch nicht gerade ein wunderbares Vorbild. perioden lang zur Umsetzung dieser Ziele getan? Deshalb beziehe ich uns alle ein. Ich finde nicht, dass man sich selber da herausreden sollte. Nun zu Ihrer Frage: Ich glaube, dass die kleine Natur- schutznovelle keinerlei Probleme bei der Sicherung von Aber ich will Sie etwas fragen. Sie haben eben das FFH-Gebieten mit sich bringen wird, weil FFH-Gebiete doch sehr bedenkliche Vorgehen Hessens im Rahmen und deren Schutz europäischem Recht unterliegen. Was der Bundesratsinitiative angesprochen und dabei betont, immer auch an öffentlichen Interpretationen da ist: Das dass die Biodiversitätsstrategie natürlich nur dann er- ist geltendes europäisches Recht. Natürlich gilt das auch folgreich sein kann, wenn alle Ebenen gemeinsam daran im deutschen Naturschutzrecht. arbeiten. Meine Frage lautet: Wie schätzen Sie die Mög- lichkeiten der Zusammenarbeit und eines gemeinsamen Erfolges angesichts der vorliegenden Bundesratsinitia- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: tive für die Zukunft ein? Frau Kollegin Behm. 12678 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nen Genmarker verfügt, der Antibiotikaresistenzen her- (C) Herr Minister, ich schließe mich den lobenden Worten vorruft, dann sind wir selbstverständlich dagegen, diese der Vorredner an. Ich finde es sehr positiv, dass Sie ge- Kartoffel zuzulassen. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir sagt haben, Sie wollen jährlich einen Bericht vorlegen. mit dem Thema Gentechnik umgehen wollen. Das ist ein Das will ich ausdrücklich erwähnen; denn wir sind ge- anderer Umgang, als ihn sich die prinzipiellen Gegner rade heute Vormittag im Agrarausschuss mit der Tatsa- der Gentechnik wünschen. che konfrontiert worden, dass Berichte im Agrarbereich – zum Beispiel der Waldzustandsbericht – nur noch alle Vor dem Hintergrund der dramatischen Probleme, vier Jahre vorgelegt werden sollen. Sie haben ja ganz auch auf dem Energiesektor – Stichwort: Rohstoffe –, deutlich gesagt: Indem wir diese Berichte erstellen, trei- glauben wir aber, dass die entsprechende Forschung zu- ben wir uns selbst. – Das finde ich sehr gut. lässig sein muss, allerdings unter bestimmten Bedingun- gen. Auch diese Bewertung findet sich in unserer Strate- Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Strategie gie wieder. Würden wir in diese Strategie etwas anderes die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung ist. Weil schreiben als das, was die Regierung insgesamt geplant ich aus dem Agrarbereich komme, fällt mir allerdings hat, wäre das ein Widerspruch. auf, dass sich das Ressortdenken darin sehr breit macht. Im Vergleich zum Entwurf sind insbesondere auf Druck Zum Thema Pflanzenschutz. In der nationalen Nach- der Landwirtschaft viele Aspekte, die sie betreffen, he- haltigkeitsstrategie, die unter Rot-Grün, also unter Ihrer rausgefallen, sei es die Reduzierung der Anwendung von Beteiligung – damals haben Sie übrigens die Landwirt- Pflanzenschutzmitteln um 15 Prozent, sei es die Redu- schaftsministerin gestellt –, verabredet wurde, hieß es: zierung des Nitratüberschusses auf 50 Kilogramm pro Ziel ist es, den Stickstoffüberschuss in der Gesamtbilanz Hektar bis 2015, oder sei es das ambitionierte Ziel, den auf 80 Kilogramm pro Hektar landwirtschaftlicher Flä- Anteil des Ökolandbaus bis 2010 auf 20 Prozent zu er- che zu verringern. – Dafür gab es damals großen höhen. Außerdem findet man in der Biodiversitätsstrate- Applaus. Diese Position haben wir in unsere Strategie gie kein klares Bekenntnis, dass die Bundesregierung übernommen. In ihr steht allerdings auch, dass wir eine den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ablehnt. weitere Reduzierung erreichen wollen. Zunächst einmal Ich bewerte es sehr kritisch, dass all das in dieser Strate- haben wir aber die Positionierung der nationalen Nach- gie nicht mehr enthalten ist. haltigkeitsstrategie übernommen, die, soweit ich weiß, unter Ihrer Beteiligung entwickelt wurde. Von daher Meine Fragen: Wie schätzen Sie die Gefahr des Aus- glaube ich, dass sich der Landwirtschaftsminister an die- kreuzens und Verwilderns sowie das Potenzial der Eta- ser Stelle ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt hat. blierung und Ausbreitung von gentechnisch veränderten (B) Pflanzen im Hinblick auf die biologische Vielfalt ein? Ich möchte ein zweites Beispiel anführen. Der Kol- (D) Wie bewerten Sie persönlich die aktuelle Entwicklung lege Seehofer hat zugestimmt, das aus Zeiten der rot- im Bereich von Gentechnik und ökologischer Landwirt- grünen Regierung stammende Ziel, den Anteil des Öko- schaft, vor allen Dingen in Bezug auf die Freisetzungs- landbaus bis 2010 auf 20 Prozent zu erhöhen, in die Stra- experimente? Es wäre hilfreich, wenn Sie mir auf diese tegie aufzunehmen. Ich glaube, dieses Ziel wurde im Fragen klare Antworten geben könnten. Jahre 2000 formuliert. Unter unserer Vorgängerregie- rung wurde dieser Bereich allerdings nicht gerade zügig Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- weiterentwickelt. Zu dem Zeitpunkt, als Sie dieses Ziel schutz und Reaktorsicherheit: formuliert haben, hatten Sie noch zehn Jahre Zeit, um es Klare Antworten finden Sie in unserer Strategie. Dort zu erreichen. Kollege Seehofer hat zugestimmt, dieses heißt es im Hinblick auf gentechnisch veränderte Orga- Ziel in unsere Strategie aufzunehmen, obwohl er dafür nismen, dass bei der Forschung, der Entwicklung und jetzt nur noch knapp drei Jahre Zeit hat. bei ihrem Einsatz eine Schädigung der Natur durch GVO-Auskreuzungen ausgeschlossen werden muss. Ich möchte auf eines hinweisen: Die Kolleginnen und Hierzu haben Sie und die Bundesregierung allerdings Kollegen, die an der Erarbeitung dieser Strategie mitge- prinzipiell unterschiedliche Auffassungen. Sie sagen ge- wirkt haben, haben sich nach meinem Eindruck auf- nerell: Finger weg von gentechnisch veränderten Orga- grund der ambitionierten Ziele nicht weggeduckt. Jetzt nismen. – Wir sagen: Unter bestimmten Bedingungen wird es aber auf uns ankommen: auf das Parlament, auf halten wir ihren Einsatz für zulässig. – Diese Bewertung die Regierung, auf die Länder, auf die Kommunen und findet man natürlich auch in unserer Strategie, durch die auf die Zivilgesellschaft. Wir müssen bei den Entschei- die prinzipielle Haltung der Bundesregierung zu diesem dungen, die wir treffen, darauf achten, dass die Ziele der Thema nicht verändert wird. Strategie eingehalten werden, beispielsweise beim Thema Hochwasserschutz: Der Deichrückbau muss fort- Ich möchte das verdeutlichen: Wenn BASF eine gen- gesetzt werden, da wir mehr Retentionsflächen brau- technisch veränderte Kartoffel entwickelt und sie aus- chen. Es ist doch Wahnsinn, wenn ein deutscher Um- schließlich in geschlossenen Kreisläufen der chemischen weltminister zuerst mit der Kreissäge – oder was auch Industrie zur Produktion von Stärke einsetzt, dadurch immer er in der Hand hielt – Auenwälder absägt und 80 Prozent Wasser spart und gleichzeitig deutlich mehr sich hinterher über Hochwasserschäden beklagt. Stärke produziert, dann haben wir kein Problem mit der Zulassung dieser Kartoffel. Wenn diese Kartoffel aber in (Beifall der Abg. Undine Kurth [Quedlinburg] Futtermittel gelangen sollte und vielleicht noch über ei- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12679

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Ich weiß nicht, was da der Hintergrund war. Aber es Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- (C) muss ein paar Verirrungen gegeben haben; denn natür- schutz und Reaktorsicherheit: lich ist das das Gegenteil dessen, was man tun darf. Sie haben völlig recht. Eines der großen Themen der Ich glaube, dass die eigentliche Aufgabe darin be- nächsten Vertragsstaatenkonferenz ist das, was in der steht, das, was hier steht, zur Leitlinie unserer Entschei- UN unter dem Begriff „Access and Benefit Sharing“ dungen in der Praxis zu machen. Ich nehme an, dass das läuft. Für diejenigen, die damit anders als Sie, die Sie die wesentlich schwierigere Aufgabe werden wird. sich exzellent auskennen, nicht jeden Tag zu tun haben: Wir gewinnen zum Beispiel aus den Regenwäldern der Entwicklungsländer genetische Ressourcen und machen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: daraus, wie ich vorhin beschrieben habe, Medikamente. Frau Enkelmann, bitte. Die Entwicklungsländer haben aber nichts von dem Pro- fit, der durch diese Medikamente entsteht. Wir sagen Ih- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): nen gewissermaßen: Schütze bitte deine Regenwälder! Herr Minister, Sie haben das Thema Ökolandbau ge- Verzichte auf den wirtschaftlichen Nutzen der Bewirt- nannt. Da kann ich gleich anschließen. Sie haben die schaftung der Flächen der Regenwälder! Sieh zu, dass Verantwortung auf den Kollegen Seehofer abgeschoben. deine Bauern ihr Lohn und Brot anders verdienen! Aber Im Entwurf für die Nachhaltigkeitsstrategie stand noch, lass die Regenwälder Regenwälder sein und lass uns die das Ziel sei, 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen. Wie genetischen Ressourcen nutzen, denn wir brauchen sie ist es zu bewerten, wenn dieses Ziel jetzt aus Ihrer Nach- für unsere Industrieproduktion! – Doch wenn die Ent- haltigkeitsstrategie gestrichen ist? Bedeutet das einen wicklungsländer das machen – Brasilien hat 50 Prozent Ausstieg? Bedeutet das eine Verschiebung? des Regenwaldes aus der Nutzung genommen – und mit uns darüber reden möchten, wo das, was daran verdient (Josef Göppel [CDU/CSU]: Er hat das Gegen- wird, bleibt, antworten wir ihnen: Tut uns leid; das ist teil gesagt! Sie müssen richtig zuhören!) privatwirtschaftlich geregelt. – Ich glaube, dass das so nicht weitergehen kann. Deutschland ist übrigens das Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- einzige Land, das seine Verpflichtung aus der Initiative schutz und Reaktorsicherheit: des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, gemäß der Ich suche gerade die Stelle, an der es um die Brasilien 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt 20 Prozent geht; sie stehen natürlich weiter drin. – Viel- werden sollten, wenn es den Regenwald aus der Nutzung leicht kann mir das jemand geben; dann lese ich Ihnen nimmt, eingehalten hat. Die 200 Millionen, zu denen wir das gerne vor. – Aha, hier: uns verpflichtet haben, sind geflossen. Kein anderer hat (B) das gemacht. (D) Beibehaltung einer angemessenen Förderung des ökologischen Landbaus. In der Nachhaltigkeitsstra- Wir müssen im Mai in Bonn eine internationale Ver- tegie der Bundesregierung wird für den ökologi- einbarung erreichen, in der Folgendes klar geregelt wird: schen Landbau ein 20 %-Ziel bis 2010 angestrebt. Erstens. Wie sieht ein gerechter Vorteilsausgleich aus? Erstens. Ich habe nichts abgeschoben. Zweitens. Sie Das ist komplizierte Rechtsmaterie, und dabei geht es haben das nicht gelesen. Drittens. Der Umweltverband, letztlich um Geld. Zweitens. Wie bekommen wir den der Ihnen das aufgeschrieben hat, hat es auch nicht gele- Zugang zu den genetischen Ressourcen? Brasilien hat ja sen. Wollen wir uns darauf einigen? So ist das Leben. inzwischen die Konsequenz gezogen und den Export von genetischen Ressourcen verboten. Das ist eine der (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Folgen davon. Wie die technischen Verhandlungen aus- Danke!) sehen, kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen; wir arbeiten gerade im Rahmen der Europäischen Union da- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: ran. Übrigens hat auch die Europäische Union lange ge- Frau Kollegin Kurth. zögert, diesen Schritt zu gehen, und auch Deutschland ist nicht immer an der Spitze der Bewegung gewesen. Jetzt stehen wir in Europa unter anderem deshalb unter Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE Druck, weil es auch eine Verbindung zu den Klimaver- GRÜNEN): handlungen gibt und weil wir selber Gastgeber sind. Die Herr Minister, noch eine Frage zum Leben. Sie haben Europäische Union hat nun also Position bezogen. Wenn gesagt, dass man soziale, wirtschaftliche und ökologi- Sie das im Detail interessiert, wäre ich dankbar, wenn sche Interessen zusammenführen muss; das geht alles Sie damit einverstanden wären, dass wir Ihnen die Ver- unter der großen Überschrift „gerechter Vorteilsaus- handlungstexte, die wir dafür vorbereitet haben, zusen- gleich“. Wir wissen, dass lokale Gruppen und indigene den. Das tun wir gerne. Völker davon besonders betroffen sind. Da ist es ja manchmal schwer, konkret zu werden. Was hat Ihr Haus, (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ was haben Sie vor/während/mit der COP 9 vor, um das DIE GRÜNEN]: Danke!) so verbindlich wie möglich umzusetzen, und in welcher Form wollen Sie die nationalen und die internationalen Unternehmen einbinden? Das ist ja eines der ganz gro- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: ßen und sehr diffizilen Themen. Herr Kollege Göppel. 12680 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) Josef Göppel (CDU/CSU): sche Modulation einzuführen, was dazu führen wird, (C) Eine Vorbemerkung zu dieser nationalen Strategie, dass diejenigen, die das dann nicht für den Vertragsna- Herr Minister: Ich denke, die Tiefenschärfe und die Kon- turschutz nutzen, Geld verlieren. kretheit der Forderungen an uns selbst, an uns Deutsche, Das wird uns sicherlich noch einmal in Zugzwang sind international vorbildlich. setzen. Ich glaube aber, dass an dieser Stelle der ent- Ich möchte jetzt aber zu meiner Frage kommen. Eine scheidende Hebel zur Erhöhung der Mittel für den Ver- der Forderungen an uns selbst ist, im eigenen Land den tragsnaturschutz liegt. Übrigens: Auf der vorhin schon Naturschutz auf freiwilligem Wege voranzubringen. Das zitierten Seite 72 der Nationalen Strategie zur biologi- Stichwort Vertragsnaturschutz steht dabei im Vorder- schen Vielfalt steht auch, dass wir einen kontinuierlichen grund. Nun ist es aber so: In allen 16 deutschen Bundes- Ausbau der Mittel für den Vertragsnaturschutz anstre- ländern zusammen werden bisher 140 Millionen Euro ben. Entweder geht das über die zweite Säule, oder die pro Jahr für den Vertragsnaturschutz ausgegeben. Nach Bundesregierung wird darüber beraten müssen, wie sie Untersuchung der landwirtschaftlichen und naturschutz- dafür Mittel an anderer Stelle zur Verfügung stellt. Die bezogenen wissenschaftlichen Institute bräuchten wir Länder werden das auch tun müssen. aber mindestens 600 Millionen Euro pro Jahr. Ich spre- che das deshalb noch einmal an, weil die Glaubwürdig- Aber der eigentliche Kernpunkt ist die Debatte über keit der Strategie für den Naturschutz im eigenen Land die erste und zweite Säule, über fakultative und obligato- sehr eng mit dieser Tatsache zusammenhängt. rische Modulation.

Unser Ziel – das ist auch das, was Sie in der Strategie Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: niedergelegt haben – ist ja, dass wir im durchtechnisier- Frau Kollegin Brunkhorst, bitte. ten zivilsatorischen Lebensgefüge der Menschen die Le- benswelt unserer Mitgeschöpfe, der Pflanzen und Tiere, erhalten und dabei auch ihren Austausch ermöglichen, Angelika Brunkhorst (FDP): sodass quasi zwei Lebenswelten im gleichen Raum mit- Herr Minister, Sie haben verschiedentlich darauf hin- einander bestehen können. Dafür sind eben diese Natur- gewiesen, dass Klimawandel und Artenvielfalt an der schutzmittel notwendig. einen oder anderen Stelle durchaus in Beziehung stehen. In Deutschland haben wir teilweise Strategien, zum Bei- Ich bitte Sie um eine Aussage dazu, welche Strategie spiel die Biomassestrategie für die Nutzung von Ener- die Bundesregierung hierfür vorsieht. giepflanzen zur Herstellung von Strom und von Bio- kraftstoffen, wo es jetzt schon Engpässe gibt, wie ich Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- einmal ganz vornehm sagen möchte. Jedenfalls gibt es (B) (D) schutz und Reaktorsicherheit: dort zunehmend Probleme. Der tropische Regenwald ist In der Tat sind die Mittel für den Vertragsnaturschutz ein riesiges Ökosystem, und wir müssen uns Gedanken verdammt knapp geworden, unter anderem dadurch, darüber machen, dass wir mit Konzeptionen, die hier in dass die zweite Säule der europäischen Agrarförderung Europa zunächst vielversprechend sind, letztendlich bei der Entscheidung über die europäische Finanzpolitik nicht anderswo negative Auswirkungen verursachen. Zu ziemlich zurechtgestutzt worden ist. Ich habe das aus diesem Punkt bitte ich um eine kurze Stellungnahme. zweierlei Gründen bedauert: Eine zweite Frage. Wir wissen noch relativ wenig Der erste Grund ist, weil dies insbesondere den bäuer- über die Artenvielfalt; hier handelt es sich um ein riesi- lichen Landwirten, den kleinen Betrieben und den natur- ges Forschungsgebiet. Meine Fraktion hat sich die Mühe nah arbeitenden Betrieben schadet. Hier haben sich Teile gemacht, Institute zu besuchen und zu befragen. Die der Agrarlobby durchgesetzt, die ausgerechnet auch Biodiversität ist ebenso wie Botanik oder Molekularbio- noch aus Ländern kommt, die am stärksten negativ da- logie nur Teilmenge anderer Forschungsgebiete. Was ist von betroffen sind, weil sie eine sehr kleinteilig struktu- eigentlich im Bereich der Forschung geplant? Wird man rierte Wirtschaft ohne große Veredelungsbetriebe und da bündeln und unter Umständen wirklich einen eigenen anderes haben. Forschungsschwerpunkt etablieren? Wie wird die Ver- netzung erfolgen können? Der zweite Grund ist, dass dadurch in der Tat Mittel für den Vertragsnaturschutz fehlen. Hier ist es zu einem Zum Schluss noch zur Forschung an sich: Es gibt rie- ziemlichen Mitteleinbruch gekommen. Wir hätten es gut sige Archive mit Materialien wie getrockneten Pflanzen- gefunden, wenn jetzt von der fakultativen Modulation teilen – so etwa Samenbanken –, die zum Teil noch nicht Gebrauch gemacht worden wäre. Innerhalb der Bundes- einmal ordnungsgemäß katalogisiert sind. Hier gibt es regierung und auch in der Debatte mit den Agrarverbän- einen sehr großen personellen Bedarf und einen Bedarf den haben wir uns nicht durchsetzen können. an Finanzmitteln. Wird man dem in Zukunft gerecht Ich glaube, 2008 wird es zur Revision der europäi- werden wollen, oder ist dies nicht im Fokus? schen Agrarförderung kommen. Wir gehen davon aus, dass die Kommission einen Vorschlag machen wird. Ich Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- weiß nicht, ob er für die Mitgliedstaaten besser ist. Hin- schutz und Reaktorsicherheit: sichtlich der Flexibilität der Mittel könnte es schwieriger Zuerst zum letzten Teil Ihrer Frage: Sie finden auf werden. Hinsichtlich der Höhe vermute ist, dass die den Seiten 136 bis 139 die Maßnahmen zur Umsetzung Kommission vorschlagen wird, stärker die obligatori- des Handlungsziels für EU/Bund, was das Thema For- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12681

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) schung angeht. Dort sind die Stärkung der Biodiversi- men und nicht zulasten des Regenwaldes erzeugt wur- (C) tätsforschung im Rahmen des 7. Rahmenprogramms der den, dann muss man auch bereit sein, sie anzunehmen. Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologi- Sonst kommt es wieder zu einer Schieflage, sodass die sche Entwicklung und Demonstration sowie eine Reihe Entwicklungsländer uns vorhalten, dass wir von ihnen weiterer Maßnahmenprogramme im Bereich der For- den Erhalt des Regenwaldes fordern, ohne unsererseits schung, die wir verstärken wollen, aufgeführt. bereit zu sein, ihre Produkte zu fairen Vertragsbedingun- gen abzunehmen. Ich glaube, dass wir das über den Wir haben allerdings auch noch etwas anderes vor. nachhaltigen Anbau und über Zertifizierungssysteme si- Die Klimadebatte hat auch dadurch an Dynamik gewon- cherstellen können. nen, dass Nicholas Stern seinen Bericht über die Kosten des Klimaschutzes und die Kosten des Verzichts auf Kli- Im Übrigen finde ich, dass das längst in die Vereinba- maschutz vorgelegt hatte. Während der G-8-Umweltmi- rungen der Welthandelsorganisation gehört hätte. Dort nisterkonferenz haben wir, und auf unseren Vorschlag gibt es zwar den größten Widerstand, aber ich stimme hin hinterher auch die Staats- und Regierungschefs der der Bundeskanzlerin zu, dass es nicht angeht, die Nach- G 8, in Heiligendamm beschlossen, dass wir in einem haltigkeit im Welthandel nicht zum Gegenstand der Be- „Stern-Review“ den Wert des Naturhaushaltes und die ratungen zu machen. Es geht nicht darum, uns lästige Kosten aufgrund drohender Gefahren und Verluste dar- Konkurrenten vom Leib zu halten, sondern darum, auch stellen. noch den nachfolgenden Generationen den Welthandel Damit werden wir im Bereich der maritimen Bio- zu ermöglichen. diversität beginnen – dies ist schwieriger als beim Kli- Wir werden das im Zusammenhang mit dem Einsatz mawandel; man muss sich einzelne Segmente nachei- erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe nander anschauen –, weil hier die Gefährdung derzeit am zur Bedingung machen. Das wird auch auf europäischer deutlichsten ist. Machen wir beim weltweiten Fischfang Ebene der Fall sein. so weiter wie bisher, wird es im Jahre 2050 auf der gan- zen Welt keinen kommerziellen Fischfang mehr geben. Was dies für die Welternährungssituation bei einer wach- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: senden Weltbevölkerung bedeutet, kann man sich un- Herr Kollege Kauch. schwer vorstellen. In diesem Bereich wollen wir die For- schung ausbauen. Ansonsten läuft dies im Rahmen der Michael Kauch (FDP): konkreten Programme, die ab Seite 136 der Strategie aufgezählt sind. Herr Minister, zunächst einmal herzlichen Dank da- für, dass Sie in Ihren Ausführungen auch auf den wirt- (B) Hätte die FDP-Fraktion an dieser Stelle Hinweise, schaftlichen Wert von Naturschutz eingegangen sind und (D) Initiativen und Ideen, was man aus ihrer Sicht mehr ma- die Nutzung der Natur in den Mittelpunkt gestellt haben. chen muss, wären wir natürlich hochgradig daran inter- Wir haben heute im Umweltausschuss von Kollegen der essiert, mit Ihnen darüber zu reden. Ohne es genauer an- Großen Koalition Gegenteiliges hören müssen, als es um gesehen zu haben, kann ich mir vorstellen, dass die einen Antrag der FDP-Fraktion zu den Grundsätzen des Vielfalt von Biodiversität auch zu einer Vielfalt von For- Naturschutzes ging. schungssegmenten führt und es Sinn macht, dafür eine gemeinsame Plattform zu finden. Wir behaupten ja nicht (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ von uns, wir hätten alles bis ins letzte Detail bedacht. DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht zuge- Vielleicht könnten Sie uns auch Ihre Erfahrungen aus hört!) den von Ihnen angesprochenen Besuchen übermitteln. Aber das nur am Rande. Meine Frage zielt auf das Der erste Teil Ihrer Frage betrifft in der Tat eines der Verhältnis der heute von Ihnen vorgestellten Strategie größten Probleme, die wir weltweit haben. Es nützt rela- zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Sie haben mess- tiv wenig, bei uns Biokraftstoffe herzustellen, die weni- bare Indikatoren angesprochen. Diese gibt es auch in der ger CO2 emittieren, wenn gleichzeitig die Regenwälder nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Parlamentari- abgeholzt oder die Moore abgefackelt werden wie in In- sche Beirat für nachhaltige Entwicklung hat in der letz- donesien. Deswegen ist der Ausschluss von Biomasse, ten Wahlperiode bereits darauf hingewiesen, dass insbe- die nicht aus nachhaltigem Anbau stammt, Bestandteil sondere einige Indikatoren, die das Thema biologische all dessen, was wir im Dezember im Kabinett zu den er- Vielfalt betreffen, überarbeitungsbedürftig sind. Bei- neuerbaren Energien, zu den Biokraftstoffen und zur er- spielsweise wird der Flächenverbrauch in der nationalen neuerbaren Wärme verabschieden wollen. Dafür wollen Nachhaltigkeitsstrategie gegenwärtig rein quantitativ in wir Zertifizierungssysteme anwenden. Dies ist auch auf der Gesamtsumme gemessen; dabei kommt es für die europäischer Ebene vorgesehen; in der Europäischen Lebensräume der Arten eher auf die regionale Verteilung Union werden im Herbst entsprechende Vorschläge vor- und darauf an, ob es zu Zerschneidungen von Biotopen gelegt. Es gibt eine Reihe von Ländern – darunter übri- kommt. gens auch Brasilien –, die bereit sind, mit uns entspre- Deshalb lautet meine Frage, ob vor dem Hintergrund chende vertragliche Vereinbarungen zu schließen. der Biodiversitätsstrategie geplant ist, die Indikatoren Man darf aber, meine ich, nicht alles ablehnen. Wenn der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu überarbeiten. nachgewiesen werden kann, dass die Produkte nicht aus Die Bundesregierung will Ende des Monats ein erstes Monokulturen, sondern aus nachhaltigem Anbau stam- Papier dazu vorlegen. Wird es schon bei dieser Gelegen- 12682 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Michael Kauch (A) heit oder erst bei der späteren Überarbeitung zu Verände- am Erhalt und an der Wiederaufforstung von Wäldern (C) rungen kommen? gefördert werden. Das ist ein Angebot, das sehr große Aufmerksamkeit gefunden hat. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- Mein Vorschlag auf europäischer Ebene und auf Bali schutz und Reaktorsicherheit: wird sein, dass wir beim Thema Adaption, also Anpas- Wir haben die Ziele aus der Nachhaltigkeitsstrategie sung an den Klimawandel, verstärkt die Möglichkeiten übernommen. Zusätzlich haben wir Indikatoren einge- nutzen, Finanzmittel aus dem Kohlenstoffmarkt zu neh- führt und ein eigenes Kapitel zur Verhinderung von Zer- men und beispielsweise für den Erhalt von CO2-Senken schneidung bestehender geschlossener Landschaftsge- – Schutzgebiete, Wälder und Moore – einzusetzen. Nach biete aufgenommen. Dazu gehört auch die Verpflichtung, meinem Dafürhalten darf das nicht aus staatlichen Bud- dass bei Gebieten, die – nach meinem derzeitigen Kennt- gets finanziert werden, sondern letztendlich verursacher- nisstand – größer als 100 Quadratkilometer sind, keiner- gerecht, also von denjenigen, die die Klimaprobleme lei Zersiedlung oder Zerschneidung durch Verkehrspro- verursachen. Das betrifft die Industrieproduktion. Wenn jekte erfolgen darf. Insofern ist diesem Thema ein wir CO2 einen Preis geben wollen – dazu dient der Emis- eigenes Kapitel gewidmet. sionshandel –, dann müssen die Mittel auch aus dem Des Weiteren wird auf die Ziele der Nachhaltigkeits- Kohlenstoffmarkt kommen. Wir haben die Absicht, ei- strategie verwiesen, die übernommen werden sollen, und nen Teil der 120 Millionen Euro aus dem Auktionie- es gibt eine Reihe von Indikatoren, mit denen wir ver- rungsprogramm dafür einzusetzen. Die Erlöse aus der suchen wollen, die Messbarkeit herzustellen. Letzten Auktionierung sollen also nicht nur für den Technolo- Endes müssen die Daten in eine allgemeinverbindliche gietransfer aufgewendet werden, sondern auch an der Sprache übersetzt werden, damit politischer Druck ent- Schnittstelle von Anpassung an den Klimawandel, steht, wenn man dagegen verstößt. Mit der Messbarkeit Armutsbekämpfung und Sicherung der biologischen und dem Berichtswesen soll öffentlich dokumentiert Vielfalt eingesetzt werden. Das betrifft den Schutz der werden, was in diesem Bereich passiert. Wälder, insbesondere der Regenwälder, und die Wieder- aufforstung. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wir glauben, dass das eine sehr preiswerte Form des Frau Bulling-Schröter, bitte. Klimaschutzes ist, und hoffen, dass sich auch andere da- ran beteiligen. Bei den Entwicklungsländern ist das auf Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): riesengroße Aufmerksamkeit gestoßen. Es wäre gut, Ich habe eine Frage zum gerechten Vorteilsausgleich. wenn die Europäische Union ein solches Programm be- fürwortete. Ob das bis Bali zu schaffen ist, weiß ich (B) Mir haben Ihre Ausführungen sehr gut gefallen. Es gibt (D) eine Reihe von Diskussionen seitens der NOGs und der nicht. Die Bundesregierung hat jedenfalls auf dem letz- Umweltverbände, die dieses Thema in den Mittelpunkt ten Europäischen Umweltrat sehr stark dafür geworben ihrer Arbeit stellen. Dabei geht es zum Beispiel darum, und ihr Programm vorgestellt. dass kein Wald abgeholzt werden soll. Es gibt auch den Vorschlag, Geld zu geben, wenn darauf verzichtet wird, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: in Regenwaldgebieten Öl zu fördern. Mir liegen noch drei Wortmeldungen vor. Diese werde ich noch zulassen. Dann schließe ich die Regie- Meine Fragen an Sie lauten: Gibt es von Ihrer Seite rungsbefragung, und wir kommen zur Fragestunde. bilaterale Gespräche über dieses Thema? Werden Sie auf Bali – da die CO2-Reduktion beim Klimaschutz eine we- Herr Kollege Caesar, bitte. sentliche Rolle spielt – den gerechten Vorteilsausgleich als europäischen Vorschlag in die Debatte einbringen? Cajus Caesar (CDU/CSU): Gibt es also dazu einen konkreten Vorschlag Ihrerseits? Herr Minister, Sie haben dankenswerterweise den Schutz und den Erhalt der Wälder angesprochen. Ich Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- möchte darauf gerne noch einmal eingehen; denn ich schutz und Reaktorsicherheit: glaube, dass das ein zentrales Thema im Hinblick auf die Es gibt konkrete, sehr intensive Gespräche, zum Bei- Artenvielfalt und deren Erhaltung bzw. deren Wieder- spiel mit Brasilien über die Fortsetzung eines schon län- herstellung sowie den Klimaschutz und die CO2-Redu- ger existierenden Projektes. Ich glaube – das weiß ich zierung ist. Wir haben in der Vergangenheit viele Dinge nicht ganz genau –, es gibt auch Bemühungen im Kongo. versucht, angefangen bei dem Entwurf eines Urwald- schutzgesetzes. Man muss aber beachten, dass alle Maß- In der Tat gibt es eine Schnittstelle zwischen den Kli- nahmen möglichst unbürokratisch umzusetzen sind. maverhandlungen und dem Thema Biodiversität, wenn es um die Frage geht, wie wir CO2-Senken, also Wälder, Können Sie sich vorstellen, dass wir im Bereich des erhalten bzw. wie wir für Wiederaufforstung sorgen kön- Urwaldschutzes vermehrt dazu übergehen, beispiels- nen. Sie erinnern sich vielleicht, dass die Bundesregie- weise Konzessionen, die in den betreffenden Ländern rung vorgeschlagen hat – ich glaube, das wird auch vergeben werden, zu erwerben, damit wir für eine nach- Thema im Umweltausschuss sein –, von den 400 Mil- haltige Bewirtschaftung der dortigen Wälder sorgen lionen Euro Auktionierungserlösen 120 Millionen Euro können? Wir dürfen nicht vergessen, dass Schutzgebiete für internationale Klimaschutzprojekte einzusetzen. Mit nicht nur Kernzonen in Form von Totalreservaten auf- einem Teil sollte meiner Meinung nach die Beteiligung weisen sollten, sondern in der Fläche auch nachhaltig Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12683

Cajus Caesar (A) bewirtschaftet werden sollten, damit der Erlös zum Le- Strategie soll dazu dienen, Dinge öffentlich transparent (C) bensunterhalt der dort lebenden armen Bevölkerung bei- zu machen – das wollen und brauchen wir eigentlich – trägt. Gleichzeitig dürfen nur die Ressourcen exportiert und dann, wenn jemand davon abweicht, ihn zumindest werden, die aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen. zu einer Begründung für sein Abweichen zu zwingen, damit Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, Dabei sollte man sicherlich – ich glaube, darin sind darüber zu entscheiden, ob sie mit dieser Begründung wir uns einig – zusätzlich darauf achten, dass diese nach- einverstanden sind oder ob sie diese Person bei der haltige Bewirtschaftung nicht nur nach Masse, sondern nächsten Wahl dafür bestrafen wollen. Das ist das Funk- auch nach Sorten erfolgt, damit sich die Artenvielfalt tionsprinzip der Demokratie im Umgang mit solchen wie gewünscht vererben kann. Teilen Sie meine Auffas- Strategien. sung, dass das a) ein sehr wichtiger Bereich ist, den wir international voranbringen müssen, auch bei der Konfe- Wir können die Länder nicht dazu verpflichten, mehr renz in Bonn, und dass wir b) in diesem Bereich zusätz- Personal einzustellen. Bei uns ist kein Personal in die- lich neue Wege gehen sollten, die so, wie von mir be- sem Bereich gestrichen worden, jedenfalls nicht über das schrieben, aussehen könnten? hinaus, zu dem Sie als Abgeordnete des Deutschen Bun- destags uns durch Abstimmung über den Haushalt ange- Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- halten haben. schutz und Reaktorsicherheit: Wir haben übrigens auch keine Mittel gekürzt. Wenn Meine spontane Antwort lautet: Ja. Ich bin zwar nicht in den Ländern – da haben Sie recht und darauf weist der ganz sicher, ob ich alle Konsequenzen des Vorschlags b) Sachverständigenrat hin – Sach- und Personalmittel ge- überblicke, aber für mich hört sich der Vorschlag erst kürzt worden sind, dann ist das in der Tat bedenklich; einmal so an – in der Sache ist das sowieso richtig –, denn die Aufgaben wachsen. Wir erleben, dass be- dass man gerade marktwirtschaftliche Prozesse nutzen stimmte Behörden inzwischen kaum noch in der Lage kann, um Nachhaltigkeit durchzusetzen. Ich finde das sind, beispielsweise die Abwägung von Naturschutz und richtig. Naturnutzungsinteressen zeitgerecht in die Planfeststel- lungsverfahren einzubringen. Einen solchen Vorgang ha- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: ben wir derzeit. In einem Fall hat ein Landesumwelt- Herr Kollege Heilmann. minister die zuständige Behörde sogar angewiesen, keine naturschutzfachliche Stellungnahme abzugeben. Lutz Heilmann (DIE LINKE): Das halte ich für katastrophal. Herr Minister, wir können uns sicherlich noch zwei, Die Antwort auf Ihre Frage, ob man diese Strategie (B) drei Stunden trefflich darüber streiten, ob „wir verpflich- mit weniger Personal und weniger Mitteln in den Län- (D) ten“ mehr als „wir streben an“ ist. Ich habe aber noch dern umsetzen kann, lautet: Nein, natürlich nicht. Das ist weitere Nachfragen: Sind denn die Behörden angesichts aber eine Angelegenheit, die im Rahmen der politischen des vom SRU festgestellten dramatischen Rückgangs Auseinandersetzung in den Ländern geklärt werden von personellen und finanziellen Ressourcen nach Ihrer muss. Alle hier vertretenen Parteien sind, glaube ich, an Auffassung überhaupt in der Lage, die Umsetzung der irgendeiner Landesregierung beteiligt. Gilt das auch für Biodiversitätsstrategie, so wie Sie sie uns vorgelegt ha- die Grünen? ben, zu gewährleisten? Meinen Sie, dass die seit Jahren vorgenommene kontinuierliche Kürzung der Mittel für (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Flächenankauf, Forschung und Naturschutz der richtige NEN]: In Bremen!) Weg ist, um diese Strategie zu realisieren? Sollte da – Entschuldigung, in Bremen sind Sie dabei. nicht ein bisschen mehr von Ihnen kommen? (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Nächstes Jahr findet die neunte Vertragsstaatenkonfe- NEN]: Das ist die neue Zeit, Herr Gabriel!) renz in Bonn statt. Darüber, dass diese vor allem zulas- ten des praktischen Naturschutzes finanziert wird, haben Ich dachte eigentlich, es handele sich um Niedersachsen. wir in der Haushaltsdebatte schon diskutiert. Meinen Sie, dass es der richtige Weg ist, die Mittel immer mehr Natürlich sind alle Abgeordneten in den Länderparla- zu kürzen, wodurch die entsprechenden Stellen nicht menten und auch in den kommunalen Parlamenten auf- mehr in der Lage sind, das durchzuführen, was zum Er- gefordert – zum Beispiel entscheidet die Kommune und reichen der beabsichtigten Ziele notwendig ist? Was die nicht das Land über eine Entlassung aus dem Land- Ziele angeht, stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sie auch schaftsschutzgebiet –, dafür Sorge zu tragen, dass die nicht verbindlich festschreiben. Politik dort umgesetzt wird. Wenn wir uns die Länderparlamente und die Landes- Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- regierungen – auch solche, an denen Ihre Partei beteiligt schutz und Reaktorsicherheit: ist oder war – genauer anschauen würden, dann würden Herr Kollege Heilmann, Strategien haben es – das wir vermutlich feststellen, dass wir alle in unseren Par- kennen Sie aus Ihrer Partei – so an sich, dass sie eben teien Mittäter sind: Wir alle haben an den Kürzungsbe- nur Strategien und keine Gesetze sind. Die Frage ist, ob schlüssen mitgewirkt, wir alle haben Mittel reduziert, man im Alltag bereit ist, immer dann, wenn es konkret und wir alle stehen vor dem Problem, dass solche Ziele wird, diese Strategien in die Praxis umzusetzen. Eine mit dieser Entwicklung in der Tat nicht vereinbar sind. 12684 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Da hat der Sachverständigenrat schlicht und ergreifend schließen. Die Zertifizierungssysteme werden übrigens (C) recht. auch da Druck entfalten. Wir wollen auch denjenigen Argumentationsmaterial Außerdem versuchen wir, Finanzmittel bereitzustel- zur Verfügung stellen, die vor Ort dafür streiten, dass len, um zu helfen. Der Kollege aus der CDU/CSU-Frak- dieser negative Trend umgekehrt wird. tion hat einen bedenkenswerten Vorschlag gemacht: Er hat vorgeschlagen, so etwas auf marktwirtschaftlicher Basis, nämlich über Konzessionen, zu erreichen. Ich Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: fände es gut, wenn wir diese Themen sowohl im Um- Frau Brunkhorst, Frau Kollegin Behm hat sich lange welt- als auch im Landwirtschaftsausschuss vor der COP vor Ihnen zu Wort gemeldet. Ich kann Ihre Frage nicht noch einmal intensiv beraten würden. mehr zulassen, weil wir zehn Minuten über der Zeit sind. Ich bitte um Verständnis. Wenn mich jemand davon überzeugt, dass ein solches Gesetz nicht europarechtswidrig ist, dann habe ich kein Das Wort zu einer letzten Frage hat Frau Kollegin Problem damit; übrigens die Koalitionsfraktionen auch Behm. nicht. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen auch über diese Frage geredet. Aus meiner Sicht ist es in der Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tat ein Problem, dass es in diesem Bereich bereits Euro- Sowohl für den Klimaschutz als auch für den Schutz parecht gibt. Die Existenzberechtigung von Juristen der Biodiversität spielen die Wälder weltweit eine he- gründet sich auf die Tatsache, dass es zu einem rechtli- rausragende Rolle. Das ist keine neue Erkenntnis. Der chen Problem mindestens zwei Meinungen gibt. Das ist Deutsche Bundestag hat sich schon in der 11. Legislatur- noch nichts Ehrenrühriges; das ist erst einmal nur eine periode damit ausführlich befasst: 1990 hat er mit sei- Feststellung. In meinem Berufsstand – ich bin Lehrer – nem Abschlussbericht zum Schutz der Tropenwälder ei- gibt es mindestens drei Meinungen zu einem Problem. nen ganz breiten Maßnahmenkatalog vorgelegt. Ich wäre dankbar, wenn wir einen solchen Gesetzent- Dramatisch ist allerdings, dass sich die Waldvernich- wurf vorlegen könnten. Lassen Sie uns darüber noch ein- tung dennoch fortgesetzt hat. Die in diesem Katalog be- mal nachdenken. Ich bitte darum, solche Vorschläge in schriebenen Maßnahmen sind nicht ergriffen worden, die Debatte einzubringen, wie sie seitens der CDU/CSU- bzw. sie haben nicht gegriffen. Meine Fraktion hat des- Fraktion eben gemacht worden sind. wegen einen Entwurf für ein Urwaldschutzgesetz vorge- legt, den die Regierungskoalition abgelehnt hat. Ich erin- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: nere mich noch an die Ausschussdiskussion, in der es Vielen Dank, Herr Minister, für die Beantwortung der (B) hieß: Ja, wir werden FLEGT verbessern; wir müssen da Fragen. – Ich schließe die Befragung der Bundesregie- (D) etwas machen, aber Ihr Gesetzentwurf ist nicht geeignet. rung. Ob das stimmt, sei einmal dahingestellt. FLEGT ist je- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: denfalls ein zahnloser Tiger. Fragestunde Ich frage Sie: Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie dem Problem im Rahmen Ihrer Strategie oder wie – Drucksache 16/6903 – auch immer begegnen wollen? Werden Sie noch vor Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- COP 9 – ich glaube, es wäre wichtig, das zu tun – ein riums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht entsprechendes Gesetz zum Schutz der Urwälder vorzu- der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach legen? zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Wolfgang Wieland Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- auf: schutz und Reaktorsicherheit: Trifft ein Bericht des Spiegel (Nr. 42, 15. Oktober 2007) Frau Kollegin, ich wünschte mir, ich hätte die Mög- zu, wonach bereits im Jahr 2004 eine vorzeitige Haftentlas- lichkeit, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Das sung von Kazem Darabi von der Bundesregierung zugesagt Europarecht hindert uns aber schlicht und ergreifend da- wurde, wenn im Gegenzug durch die Regierung der Islami- ran. Ich kann jetzt nur wiedergeben, was ausgebildete schen Republik Iran oder die Hisbollah Informationen über das Schicksal des 1986 im Libanon verschollenen israelischen Juristen meines Ministeriums zu diesem Thema sagen. Piloten Ron Arad mitgeteilt würden? Herr Flasbarth, Abteilungsleiter Naturschutz und nach- haltige Naturnutzung, hätte sicherlich lieber einen sol- chen Gesetzentwurf vorgelegt als darauf verzichtet. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Auch seine Einschätzung ist, dass wir hier in Europa- desministerin der Justiz: recht eingreifen würden, womit wir letztlich scheitern Herr Kollege Wieland, meine Antwort auf Ihre Frage würden. lautet: Auf Bitte der israelischen Regierung unterstützt die Bundesregierung aus humanitären Erwägungen seit Derzeit versuchen wir auf europäischer Ebene, die, vielen Jahren die Bemühungen zur Aufklärung des Fal- wie auch ich finde, nicht zureichende europäische Rege- les des seit 1986 im Libanon verschollenen Ron Arad. lung Schritt für Schritt zu verschärfen, zu verbessern und Unter den verschiedenen internationalen Gesprächspart- im Zweifel auch für eine Novelle einzutreten. Unterhalb nern wurde Vertraulichkeit vereinbart. Über Einzelheiten dieser Ebene versuchen wir, bilaterale Verträge zu dieser Unterstützung kann ich daher in der Öffentlichkeit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12685

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) keine Aussagen machen. Dabei möchte ich unterstrei- zessordnung verlangt nur, dass eine Ausweisung ausge- (C) chen, Herr Kollege Wieland, dass daraus nicht abzulei- sprochen worden ist. ten ist, dass es die in Ihrer Frage formulierte Zusage ge- Sie wissen auch, dass das Kammergericht im geben hat. Jahr 2006 die Höchstverbüßungsdauer für den zu lebens- Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal Fol- langer Freiheitsstrafe verurteilten Darabi auf 23 Jahre gendes betonen: Die mit der Ausweisung und Abschie- festgesetzt hat. Er wird im nächsten Jahr, im März, bung verbundene Entscheidung des Generalbundesan- glaube ich, 15 Jahre verbüßt haben. walts über die vorzeitige Haftentlassung der von Ihnen Ich wiederhole: Vermengen Sie bitte nicht die be- genannten Person beruht, wie ich in meiner Antwort auf dingte Entlassung nach den §§ 56 ff. des Strafgesetz- Ihre Frage aus der Fragestunde am 13. Juni 2007, die Sie buchs und die Ausweisung mit der damit verbundenen schriftlich bekommen haben, bereits ausgeführt habe, Unterbrechung der Haft nach § 456 a der Strafprozess- auf § 456 a der Strafprozessordnung. Dieser Entschei- ordnung! Dabei haben die Dinge, die Sie ansprechen, dung liegen keine Absprachen mit iranischen Stellen überhaupt keine Bedeutung. zugrunde. Die Bundesregierung hat beim Generalbun- desanwalt auch sonst in keiner Weise auf ein entspre- chendes Vorgehen gedrängt. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre zweite Zusatzfrage. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfragen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Hartenbach, ich gebe mir große Mühe mit der Differenzierung. Das Kammergericht hat Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nicht die Höchstverbüßungszeit, sondern die Mindest- Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Hartenbach, eine verbüßungszeit – das ist ja wohl ein Unterschied – fest- Freilassung im Gegenzug für Informationen über Ron gelegt, und zwar auf 23 Jahre. Nun wird er im Ergebnis Arad wäre wenigstens plausibel. Wenn Sie jetzt sagen, so behandelt, als habe man die Schwere der Schuld bei das sei kein Geschäft auf Gegenseitigkeit, dann muss ich ihm tatgerichtlich nicht festgestellt. Man hat sie aber ge- Sie noch einmal fragen: Wieso lassen Sie nach 15 Jahren rade festgestellt. Das heißt, er wird im Grunde so freige- und zwei Monaten den Hauptverurteilten im Mykonos- lassen, als gäbe es diese Feststellung nicht. – Ich vermi- Verfahren frei, obwohl es weder erkennbare – schon gar sche hier gar nichts. nicht öffentliche – Reue noch ein Geständnis der Tatbe- teiligung und erst recht keinen Versuch einer Schadens- Auch der von Ihnen zitierte Paragraf der Strafprozess- (B) wiedergutmachung gegenüber den Opfern gegeben hat? ordnung enthält keinen Automatismus. Er besagt doch (D) Wieso gelten sämtliche Kriterien, die wir im Zusammen- nicht: „Ihr müsst dann irgendwie freilassen“, sondern: Ihr hang mit den RAF-Tätern im Frühjahr dieses Jahres könnt es tun; ihr müsst aber die Gesamtumstände berück- – auch unter Beteiligung Ihres Hauses – in der Öffent- sichtigen. – Es ist im Übrigen eine Entscheidung der Ge- lichkeit breit diskutiert haben, in diesem Fall nicht? Wa- neralbundesanwaltschaft, von der die jetzige General- rum gab es eine nicht nur von mir, sondern von der Öf- bundesanwältin, wie man hört – ich sage: wie man hört –, fentlichkeit generell nicht nachvollziehbare Freilassung, nicht beglückt ist, die sie aber in dem Sinne meint vorge- für die es nach Ihrer Aussage noch nicht einmal eine in- funden zu haben, jedenfalls eine in dem Sinne exekutive ternationale Gegenleistung gab? Entscheidung. Wenn ich Sie noch beruhigen darf: Im Land Berlin ist Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- es so, dass über Ausweisungen der Innensenator und desministerin der Justiz: nicht der Justizsenator entscheidet, und zwar im Rahmen Herr Kollege Wieland, wir gehören ja beide zu dem seines Fachressorts, seiner Fachzuständigkeit. Dann liegt soeben von Herrn Bundesminister Gabriel kritisierten es bei der unabhängigen Justiz. Das heißt, ein Justizsena- Stand der Juristen. Aber es gibt diesbezüglich eigentlich tor hat daran gar nichts zu rühren. keine Auslegungsfragen. Ich wundere mich ein bisschen, In einer Hinsicht war ich allerdings damit befasst, und dass Sie als ehemaliger Justizsenator und Nebenkläger- damit kommen wir zur Ausgangsfrage zurück. Von dem vertreter im Prozess „Darabi“ nicht die feine Unterschei- seinerzeitigen Geheimdienstkoordinator wurde ich gera- dung zwischen einer sogenannten bedingten Entlassung dezu bekniet, an den Haftverhältnissen von Herrn Darabi nach dem Strafgesetzbuch und der Entlassung nach nichts zu verändern, ihn nach dem 11.9. insbesondere § 456 a der Strafprozessordnung machen. nicht aus Berlin heraus zu verlegen, weil er als Gefange- Ich kann mir vorstellen, dass Sie als Justizsenator in ner im internationalen Zusammenhang mit Iran, mit der der Zeit zwischen Juni 2001 und Januar 2002 sehr wohl Hisbollah wichtig sei, also genau in dem Zusammen- in die Entscheidung der Ausländerbehörde Berlin über hang, den Sie jetzt geleugnet haben. die Ausweisung von Herrn Darabi involviert waren, die dann am 2. Februar 2002 – also wenige Tage nachdem Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Sie nicht mehr Justizsenator waren – ausgesprochen desministerin der Justiz: wurde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie da mit- Herr Wieland, ich bitte Sie, Ihre Worte ein bisschen diskutiert und auch sehr genau gewusst haben, dass eine sorgfältiger zu wählen. Ich habe überhaupt nichts ge- Ausweisung im Raum steht. Der § 456 a der Strafpro- leugnet. Es gibt für mich nämlich nichts zu leugnen. Ich 12686 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) habe Ihnen etwas erklärt. Sie scheinen es immer noch Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) nicht verstanden zu haben. Herr Kollege, Sie wissen sicherlich, dass ich zu die- sem Gremium keinen Zugang habe und der Kollege, der Ich sage noch einmal: Sie waren damals oberster dort sitzt, mit mir nicht über Erkenntnisse dieses Gremi- Wächter über Herrn Darabi. Als Justizsenator hatten Sie ums reden darf. Dieser Hinweis geht also ins Leere. Er auch die Dienstaufsicht über die Justizvollzugsanstalt. ist vielleicht typisch juristisch, aber er hilft nicht wirk- Das haben Sie eben selbst noch eingeräumt. lich. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Können Sie denn wenigstens bestätigen, dass die NEN]: Ja, aber ich hatte doch nicht zu ent- Tochter von Ron Arad in die Bundesrepublik gereist ist, scheiden, ob er ausgewiesen wird!) um darum zu bitten, dass man Herrn Darabi nicht aus der Deswegen kann ich mir schon vorstellen – ich weiß es Hand gibt, bevor nicht das Schicksal ihres Vaters geklärt nicht –, dass ein Justizsenator gefragt wird, wenn die ist? Möglichkeit besteht, dass jemand aus seinem Zuständig- keitsbereich herausgenommen wird. Wenn eine Ent- Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- scheidung zur Ausweisung schon einmal vorliegt, kann desministerin der Justiz: der nächste Schritt die Entscheidung nach § 456 a der Das kann ich Ihnen bestätigen. Die Tochter und der Strafprozessordnung sein, die Haft zu beenden und diese Bruder von Herrn Arad waren am 16. Oktober dieses Person auszuweisen – aus welchen Gründen auch im- Jahres bei der Generalbundesanwältin. Die Generalbun- mer. Viele Gründe sind vorstellbar, zum Beispiel der desanwältin hat den beiden erklärt, dass die vorgenom- Grund, dass man einen weiteren Haftplatz für deutsche mene Haftentlassung und Ausweisung keinerlei Fragen Straftäter in der Justizvollzugsanstalt Tegel braucht, in anderer Art nach sich zieht. der Herr Darabi ja einen guten Platz eingenommen hat. Es hat mich gewundert, welches Interesse Sie an die- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ser Sache haben. Ich gehe nun davon aus, dass es nicht Das wird die Tochter absolut überzeugt haben, wenn das Interesse des Abgeordneten Wieland ist, ihr das so gesagt wurde. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Weitere Frage: Ist Ihnen bekannt, dass eine Delega- NEN]: Doch! – Dr. Thea Dückert [BÜND- tion iranischer Parlamentarierinnen als Gast der Bundes- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das?) republik Deutschland heute Vormittag in Ihrem Haus sondern dass es ein ganz anderes Interesse an dieser war, dort mit Ihrem Kollegen Diwell und vorgestern mit uns, mit Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern so- (B) Frage gibt. Ich gehe davon aus, dass Sie sehr genau wis- (D) sen, was damals Gegenstand der Verhandlungen war. Da wie Innenpolitikerinnen und Innenpolitikern, geredet hat wissen Sie mehr als ich. und dass diese Parlamentarierinnen zu der Frage des Mykonos-Attentats eindeutig gesagt haben, dass der Iran Nach dem, was mir bekannt ist, und auch nach dem, damit nichts zu tun hat, dass das eine innerkurdische was Frau Harms möglicherweise geäußert hat, kann ich Auseinandersetzung war? Ist Ihnen bekannt, dass der nur sagen: Frau Harms wird diese Entscheidung, die ge- Iran nach wie vor bestreitet, Urheber dieses Attentats zu troffen worden ist, tragen. sein, dass er sich nach wie vor nicht der Verantwortung stellt und auch nicht, wie etwa Libyen, Entschädigungs- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zahlungen leistet? Wie stellen Sie sich unter diesen Um- Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Wolfgang Wieland ständen den Empfang von Herrn Darabi im Iran vor, auf: wenn Sie ihn am 8. Dezember oder davor oder danach ins Flugzeug setzen werden? Entspricht es den Tatsachen, dass der israelische Minister- präsident Ehud Olmert die Bundesregierung anlässlich des Beschlusses zur vorzeitigen Haftentlassung Kazem Darabis Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- im Jahr 2007 ersucht hat, im Gegenzug von der Regierung der desministerin der Justiz: Islamischen Republik Iran oder der Hisbollah Informationen über das Schicksal Ron Arads zu fordern? Ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie mich über Ihre Gespräche mit iranischen Parlamentarierinnen auf- geklärt haben. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Diese Frage geht in die gleiche Richtung. Ich sagte NEN]: So sind wir, Herr Staatssekretär!) Ihnen eben schon: Die Bundesregierung war immer be- – Das finde ich auch sehr gut. – Ich weiß aber nicht, wel- müht, zu helfen. Da aber Vertraulichkeit vereinbart wor- che justiziellen Befugnisse und welche Erkenntnisse den ist, kann ich Ihnen hierzu öffentlich keine weiteren diese fünf iranischen Parlamentarierinnen hatten. Des- Auskünfte geben. Sie müssten gegebenenfalls das Parla- wegen kann ich Ihnen auch nichts dazu sagen, was mit mentarische Kontrollgremium befragen und dort Ihre Herrn Darabi – der sich übrigens nicht dagegen wehrt – Probleme vorbringen. geschieht, wenn er in den Iran kommt. Ich weiß nicht, ob er mit Blumen empfangen wird oder sonst wie. Über das Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Gespräch mit Herrn Diwell werde ich mich noch infor- Ihre Zusatzfragen. mieren. Vielleicht können Sie beim nächsten Mal eine Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12687

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) Frage dazu stellen, was dort besprochen worden ist. stimmt wird, kann ich keine abschließende Prognose (C) Dann können wir uns weiter darüber unterhalten. über die genauere Formulierung dieser Stellungnahme abgeben. Ich kann allerdings darauf hinweisen, dass wir (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- seit jeher der Auffassung gewesen sind, dass die Einbe- NEN]: Bereiten Sie sich schon einmal darauf rufungspraxis in Ordnung ist. Ungeachtet der gesetzli- vor, Herr Staatssekretär!) chen Regelungen wollen wir jedoch im Sinne eines prag- matischen Vorgehens darauf Wert legen, dass diejenigen, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: die sich in einem dualen Ausbildungsgang, also in einem Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereiches. Vie- sogenannten Masterstudiengang befinden, der sich so- len Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der wohl auf eine berufliche Ausbildung als auch auf ein Fragen. Fachhochschulstudium erstreckt, zeitnah einberufen werden – zeitnah heißt: sobald sie zum Wehrdienst her- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- angezogen werden können –, um im Hinblick auf die re- ministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der lativ lang dauernde Ausbildung und das Studium zu ver- Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär hindern, dass sie eine Grenze überschreiten und nicht Christian Schmidt zur Verfügung. mehr zum Wehrdienst herangezogen werden könnten. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Christian Ströbele Das ist ein pragmatischer Ansatz. auf: Wir werden dann zu sehen haben, inwieweit die Wird die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundes- Überlegungen, das Studium und die Ausbildung der jun- verwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2007 (Aktenzei- chen 6 C 9.07), demzufolge nach heutiger Rechtslage Wehr- gen Männer in einem zeitnahen und kompakten Rahmen pflichtige während einer Berufsausbildung im sogenannten stattfinden zu lassen, in der Gesetzgebung berücksichtigt dualen Studium nicht mehr vom Grundwehrdienst zurückge- werden können. Wir werden das innerhalb der Bundesre- stellt werden müssen, nun gemäß dem Änderungsverlangen gierung und sicherlich auch mit Blick auf die Vorstellun- des Bundesrates vom 11. Mai 2007 zu ihrem Entwurf eines gen des einen oder anderen aus dem Bereich des Bun- Wehrrechtsänderungsgesetzes (Bundesratsdrucksache 226/07) sowie gemäß dem einhelligen Votum der Bildungspolitiker destages zu bewerten haben. auch der Koalitionsfraktionen eine ausdrückliche gesetzliche Gleichbehandlung der dual Auszubildenden mit anderen Aus- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zubildenden anstreben, und wird die Bundesregierung schon in ihrer Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme des Bundes- NEN): rates verdeutlichen, dass sie der ohne Gesetzesänderung dro- Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen? henden Unterbrechung, weiteren Erschwerung und Attraktivi- tätsminderung eines dualen Studiums sowie Verzögerung des (B) Arbeitsmarktzugangs dieser Fachkräfte nachdrücklich entge- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) gentreten wird? Sie dürfen noch eine Zusatzfrage stellen.

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- desminister der Verteidigung: NEN): Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Was begrüßt denn dann eigentlich die Bundesregie- Die Bundesregierung begrüßt die Entscheidung des Bun- rung an der Entscheidung des Bundesverwaltungsge- desverwaltungsgerichts, in der die Einberufungs- und richts, wenn sie sich noch gar keine abschließende Auf- Zurückstellungspraxis des Bundesministeriums der Ver- fassung dazu gebildet hat? Worauf bezog sich Ihre teidigung für rechtens erklärt worden ist. Die Gegen- Anfangsbemerkung? äußerung zur Stellungnahme des Bundesrates wird nun innerhalb der Bundesregierung erarbeitet und dem Bun- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- destag zugeleitet werden. desminister der Verteidigung: Herr Kollege, als Rechtsanwalt wissen Sie ja, dass Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: man sich immer freut, wenn man einen Prozess gewinnt. Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege. Diesen Prozess hat die Bundesregierung gewonnen; ihre Rechtsauffassung ist bestätigt worden. Gestatten Sie mir Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- deswegen, dass ich mich für die Bundesregierung freue, NEN): dass dies so ist. Ich danke zwar zunächst für diese Beantwortung. Die Welche Konsequenzen sich in der weiteren Verfol- Auffassung der Bundesregierung wird aber eigentlich gung des Entwurfs eines Wehrrechtsänderungsgesetzes nicht deutlich. Welche Auffassung haben Sie denn jetzt aus diesem für die Bundesregierung und die Wehrver- dazu, wie es weitergehen soll? Welchen Tenor wird Ihre waltung entstehenden Vorteil ergeben, wird sich zeigen. Stellungnahme haben, die Sie dazu erarbeiten, oder gibt Wir werden uns nicht allein von der Freude über einen es noch gar keine Auffassung? gewonnenen Prozess leiten lassen, sondern von der Überlegung, welche Entscheidungen im Rahmen der Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- weiteren Gesetzgebung und möglicherweise in Bezug desminister der Verteidigung: auf administrative Maßnahmen im Hinblick auf die Be- Nachdem ich Ihnen, Herr Kollege, gerade gesagt dürfnisse derjenigen, die zum Wehrdienst anstehen, aber habe, dass eine Stellungnahme erarbeitet und abge- auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer funktions- 12688 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt (A) fähigen Bundeswehr optimiert zu treffen sind. Diese die Grundlagenarbeit einbringen, aber keinen Einfluss (C) Entscheidungen werden wir dann dem Bundestag vorle- auf konkrete Projektberatungen nehmen können. gen. Die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stel- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: lungnahme des Bundesrates wird sich daran orientieren. Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Hofreiter. Ich gehe davon aus, dass diese dem Bundestag in einem überschaubaren Zeitraum nach Beschlussfassung in der Bundesregierung vorgelegt werden wird. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Antwort. – Meine erste Zusatz- Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. frage wäre: Wer sind denn die privaten Partner? Kann Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung man sie näher benennen? Sind zum Beispiel die Com- der Fragen. merzbank, die Deutsche Bank oder Landesbanken da- Die Frage 4 im Geschäftsbereich des Auswärtigen bei? Es wäre schön, wenn Sie die privaten Partner be- Amtes der Kollegin Marieluise Beck (Bremen) wird nennen könnten. schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet Frau Parla- Bundesminister der Finanzen: mentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks. Herr Kollege, diese kann ich in der Tat im Moment nicht benennen. Es gibt aber eine Anzahl von Interessen- Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter ten, die in dem Bereich mitwirken wollen. Das liegt auf auf: der einen Seite natürlich an deren geschäftlichen Interes- Wie ist der Sachstand bei der Gründung der Partnerschaf- sen, auf der anderen Seite aber auch an deren Erfah- ten Deutschland Gesellschaft AG, PDG AG, und mit welchem rungen, die sie im Bereich von Projekten in öffentlich- Instrumentarium soll die Objektivität der Prüfung konkreter ÖPP-Projekte in Sachen Wirtschaftlichkeit durch die privater Partnerschaft schon sammeln konnten. Dazu ge- PDG AG sichergestellt werden? hören Finanzdienstleister, dazu gehören auch namhafte Unternehmen zum Beispiel der Hoch- oder Tiefbaubran- (Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE che und weitere. GRÜNEN] betritt den Plenarsaal – Dr. Barbara (B) Hendricks, Parl. Staatssekretärin: Wir wollen Klar ist aber, dass die privaten Unternehmen nicht un- (D) es gelten lassen, Frau Präsidentin, dass er ge- mittelbar eine Beteiligung an der PDG erwerben können, rade kommt, oder?) sondern nur über eine Beteiligungsgesellschaft. Die pri- vaten Interessenten müssen sich also zu einer BT GmbH – Ja, wir wollen das gelten lassen. zusammenschließen, einer eigenen Beteiligungsgesell- schaft, die mittelbar unter 50 Prozent, also maximal Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim 49,9 Prozent, der Anteile an der PDG halten kann. Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Hofreiter, die konzeptionellen Vorarbei- Unternehmen, die sich an PDG-Vorhaben beteiligen ten zur Gründung der Partnerschaften Deutschland Ge- wollen, dürfen keine Mitarbeiter in die PDG entsenden. sellschaft AG, also PDG AG, sind weit fortgeschritten Es ist also klar, dass das getrennt ist, dass die Interessen und werden im Lichte der Stellungnahme des Bundes- unterschiedlich sind. Es gibt keine unmittelbare Beteili- beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gung einzelner Unternehmen. noch weiter geprüft. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die notwendigen Haushaltsmittel sollen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Haushaltsent- Ihre zweite Zusatzfrage. wurfs 2008 bewilligt werden. Nach Abschluss der Bera- tungen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bun- Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- destages am 15. November 2007 soll das Bundeskabinett NEN): das Bundesministerium der Finanzen in enger Zusam- menarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau Ich sehe anhand der Antwort Ihr eindeutiges Bemü- und Stadtentwicklung mit den Vorbereitungen zur Grün- hen, das Ganze so erscheinen zu lassen, als ob die priva- dung der PDG beauftragen. ten Beteiligten kein Interesse hätten, auf das objektive Beratungsergebnis Einfluss zu nehmen. Aber meinen Sie Die Objektivität im Wirtschaftlichkeitsvergleich zwi- wirklich, dass es mit der Praxis in einer Gesellschaft schen konventioneller Beschaffung und ÖPP-Varianten übereinstimmt, dass sie keinen Einfluss nehmen? ist ein zentrales Ziel der PDG und soll in der Satzung des 49 Prozent private Anteilseigner haben mittelbar natür- Unternehmens verankert werden. Sie liegt zudem im In- lich ein Interesse daran, dass ÖPP-Projekte positiv beur- teresse der öffentlichen Mehrheitseigentümer. Durch ge- teilt werden. Wie wollen Sie ausschließen, dass sie tat- eignete rechtliche Regelungen wird sichergestellt, dass sächlich Einfluss nehmen? Wie schauen die rechtlichen die privaten Minderheitsgesellschafter ihr Know-how in Regelungen, die Sie vorschlagen, genau aus? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12689

(A) Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim (C) Bundesminister der Finanzen: Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, über die Vertragsgestaltung kann ich Frau Kollegin Haßelmann, die Vorarbeiten, die wir Ihnen im Einzelnen zurzeit noch keine Auskünfte geben; zurzeit zusammen mit den Ländern durchführen – Be- so weit sind wir einfach noch nicht. Selbstverständlich wertung des Urteils hinsichtlich seiner Auswirkungen –, ist in Rechnung zu stellen, dass es im Interesse der öf- und die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbän- fentlichen Mehrheitsanteilseigner liegt, dass durch ge- den dienen im Zweifelsfall natürlich der Vorbereitung ei- eignete rechtliche Regelungen sichergestellt wird, dass ner gesetzlichen Regelung. Ich gehe davon aus, dass eine die privaten Minderheitsgesellschafter keinen Einfluss gesetzliche Regelung notwendig sein wird. Ich kann auf die konkrete Projektberatung nehmen können. Dies aber noch nicht sagen, in welche Richtung diese Rege- wird durch die Vertragsgestaltung sichergestellt werden. lung zielen wird, weil wir das Urteil bisher noch nicht Es liegt selbstverständlich im öffentlichen Interesse, ausgewertet haben. dass eine vorurteilsfreie und keine interessengeleitete Dieses Urteil wird über den entschiedenen Einzelfall Beratung erfolgt. Darauf werden die Mehrheitsanteils- hinaus vorerst nicht angewandt. Das wird auf Dauer aber eigner in der PDG achten. Es wird geeignete rechtliche nicht haltbar sein, sodass sich der Gesetzgeber diesbe- Rahmenbedingungen dafür geben. züglich Gedanken machen muss. Ein parlamentarisches Verfahren wird selbstverständlich die Folge sein. Ich kann aber noch nicht sagen, in welche Richtung es gehen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: wird. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Britta Haßelmann auf: Davon unabhängig ist aber der zweite Teil Ihrer Frage zu sehen. Die Frage, was den Kommunen an wirtschaft- Welche Folgen für die zahlreichen steuerlichen Querver- licher Geschäftsbetätigung durch Landesrecht erlaubt bünde in der Trägerschaft kommunaler Gebietskörperschaften sind aus Sicht der Bundesregierung aus dem Urteil des Bun- wird, ist nicht mit der steuerlichen Frage zu vermengen. desfinanzhofes vom 22. August 2007 (IR 32/06) zu erwarten, Ich kann mir vorstellen, vor welchem Hintergrund Sie wonach die Übernahme von Dauerverlusten einer selbststän- diese Frage gestellt haben, nämlich vor dem Hintergrund digen Tochtergesellschaft im Rahmen einer kommunalen Hol- der erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Ge- ding steuerlich als eine verdeckte Gewinnausschüttung an die schäftstätigkeit der Kommunen durch die schwarz-gelbe Trägerkommune zu behandeln ist, und welche Maßnahmen – beispielsweise einen Nichtanwendungserlass oder eine Ge- Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Dieser Sach- setzesinitiative – plant die Bundesregierung in der Reaktion verhalt ist aber getrennt von dem Urteil des Bundes- auf das oben genannte Urteil zur Sicherung des Fortbestandes finanzhofes zu sehen, das sich nur um die steuerlichen steuerlicher Querverbünde? Fragen des Querverbundes dreht. In diesem Urteil wird (B) (D) keine Aussage dazu gemacht, welche Betätigungen Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Kommunen ausüben dürfen. Bundesminister der Finanzen: Der Bundesregierung ist die Bedeutung der steuer- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: lichen Querverbünde für die Kommunen bekannt. Sie Ihre zweite Zusatzfrage. wird sich daher dafür einsetzen, dass das BFH-Urteil vom 22. August 2007 von der Finanzverwaltung zu- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nächst nicht allgemein angewendet wird. Die Folgen, die Herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Fra- das BFH-Urteil für diese Verbünde haben kann, und ge- gen. In der Tat intendierte meine Frage die Beurteilung gebenenfalls erforderliche gesetzliche Regelungen wird der aus meiner Sicht dramatischen Beschneidung der die Bundesregierung mit den obersten Finanzbehörden wirtschaftlichen Betätigung insbesondere in Nordrhein- der Länder erörtern. Sie wird auch Gespräche mit den Westfalen. Wenn man das zum Beispiel mit Bayern ver- kommunalen Spitzenverbänden aufnehmen. gleicht, muss man feststellen, dass das eine erhebliche Verschlechterung für die Kommunen und die Kommu- nalwirtschaft in Nordrhein-Westfalen bedeutet. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfrage. Frau Hendricks, mich würde interessieren, inwieweit sich der Bundesrat mit der Frage befasst hat. Sind dem Finanzministerium einzelne Vorstöße seitens des Bun- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): desrates dazu bekannt? Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Beantwortung der Frage. Plant das Finanzminis- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim terium eine parlamentarische Befassung mit diesem Bundesminister der Finanzen: Thema? Ist zum Beispiel die Durchführung einer Anhö- Frau Kollegin, der Bundesrat als Teil der institutionel- rung geplant? Liegen Ihnen schon Stellungnahmen der len Organisationsstruktur hat sich bislang noch nicht da- kommunalen Spitzenverbände vor? Inwieweit wird die mit befasst. Selbstverständlich gibt es aber zur Frage des Bund-Länder-Kooperation hinsichtlich der Bewertung steuerlichen Querverbundes schon seit längerer Zeit eine dieses Urteils Einfluss auf die in den einzelnen Bundes- Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder. Dieses Urteil ländern sehr unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben zur des Bundesfinanzhofs hat uns insofern nicht vollkom- wirtschaftlichen Betätigung haben? men überrascht. Wir müssen das Urteil aber bewerten. 12690 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) Die Interessen sind durchaus unterschiedlich; das ist Ich rate dazu, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (C) selbstverständlich klar. Der Bundesrat als Institution hat gelassen abzuwarten. Denn wenn das Bundesverfas- sich noch nicht damit befasst. Die entsprechenden Gre- sungsgericht gegen den Bundestag als Gesetzgeber ent- mien des Bundes und der Länder sind allerdings im Ge- scheiden sollte, dann werden die Bürger automatisch in spräch und bleiben im Gespräch. Sie werden, sobald sie ihren Rechtsstand versetzt. mit der Erarbeitung so weit sind, den gesetzgebenden Körperschaften, sowohl dem Bundestag als auch dem Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Bundesrat, einen Vorschlag unterbreiten. Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Scheel.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Christine Scheel Ja. – Frau Staatssekretärin, es gibt zwei Gerichte in auf: zwei Bundesländern, die die Auffassung der Bundes- Mit welchem Modell will die Regierung Kostenneutralität regierung und des Finanzministeriums nicht teilen. Auch bei der Neuregelung der Entfernungspauschale ab dem ersten der Bundesfinanzhof hat sich bezüglich der Verfassungs- Kilometer herstellen? mäßigkeit dieser Maßnahme sehr kritisch geäußert. Des- wegen frage ich: Haben Sie nicht großes Verständnis da- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim für, dass die Steuerpflichtigen hier kein Geld verlieren Bundesminister der Finanzen: wollen und auf ihrer Lohnsteuerkarte diesen Freibetrag Frau Kollegin Scheel, die Bundesregierung plant eintragen lassen? keine Änderung der derzeit geltenden Regelung zur Ent- fernungspauschale. Einmal angenommen, das Bundesverfassungsgericht teilt Ihre Auffassung nicht: Das würde doch bedeuten, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach dass Sie Steuerausfälle in der Größenordnung von 2 bis nein, hat Herr Steinbrück nicht etwas anderes 3 Milliarden Euro riskieren, weil die Freibeträge, die erzählt?) 30 Cent ab dem ersten Kilometer berücksichtigen, einge- tragen sind. Dieses Geld können Sie den Leuten ja nicht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mehr wegnehmen. Wie wollen Sie damit umgehen? Ihre Zusatzfragen, bitte. Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bundesminister der Finanzen: Frau Staatssekretärin, das überrascht mich jetzt ge- Wenn das Bundesverfassungsgericht so entscheidet, (B) rade nicht besonders. Allerdings würde mich interessie- würde das nicht nur diejenigen finanziell gesehen positiv (D) ren, wie Sie denn mit den Steuerpflichtigen umgehen betreffen, die den Freibetrag haben eintragen lassen, werden, die in diesem Jahr einen Freibetrag haben ein- sondern das würde natürlich auch alle anderen finanziell tragen lassen, der davon ausgeht, dass ab dem ersten Ki- betrachtet positiv betreffen, deren Steuerbescheide von lometer 30 Cent gewährt werden. Müssen diese Steuer- Amts wegen für vorläufig erklärt worden sind. Um die- pflichtigen dann im nächsten Jahr eventuell alles ses Geld dann im Zweifelsfall zu bekommen, sofern das zurückzahlen, oder wie soll das funktionieren? Bundesverfassungsgericht so entscheidet, muss man also keinerlei Aktion unternehmen. Man bekäme das Geld auch, wenn man einfach abwartet, was das Bundesver- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim fassungsgericht entscheidet; aber eben nur dann, wenn Bundesminister der Finanzen: das Bundesverfassungsgericht so entscheidet. Frau Kollegin Scheel, zunächst einmal kann man al- len Steuerpflichtigen nur raten, das Urteil des Bundes- Ich darf im Übrigen auf Folgendes hinweisen: Es hat verfassungsgerichts abzuwarten. Denn es ist schon durch bisher fünf Urteile von Finanzgerichten gegeben. Von die Finanzverwaltung von Bund und Ländern öffentlich diesen fünf Urteilen haben zwei Zweifel an der Verfas- mitgeteilt worden und die Finanzämter sind angewiesen sungsmäßigkeit dieses Gesetzes geäußert. Drei haben worden, dass alle Steuerbescheide vorläufig ergehen. keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Das heißt, ein Bürger, der jetzt überhaupt keine Aktion und auch keine Vorlagebeschlüsse zum Bundesfinanzhof ergreift, würde, falls das Verfassungsgericht der Auffas- gemacht. Der Bundesfinanzhof hat in einem Verfahren sung sein wird, dass das geltende Recht nicht verfas- im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erklärt, es be- sungsgemäß ist, automatisch in seinen Rechtsstand ver- stünden ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit setzt und würde die Nachzahlung bekommen, die ihm des Gesetzes. dann zustehen würde. Dies ist aber auch nicht von der Hand zu weisen; denn Die andere Frage, die Sie anschließen, geht von der wenn von fünf Finanzgerichten, die bisher dazu geurteilt Bedingung aus, dass das Verfassungsgericht die jetzt haben, zwei so und drei anders entschieden haben, dann geltende Rechtslage bestätigt. In der Tat muss man sa- liegt es auf der Hand, dass Zweifel bestehen. Wenn von gen, dass, wenn das Bundesverfassungsgericht die gel- fünf Leuten zwei der einen Auffassung und drei der an- tende Rechtslage bestätigt – davon gehen wir aus –, die- deren Auffassung sind, dann bestehen immer Zweifel. jenigen, die sich jetzt Freibeträge eintragen lassen, zur Insofern ist die Richtigkeit der Aussage, dass Zweifel an Nachzahlung verpflichtet sein werden. Deswegen kann der Verfassungsgemäßheit bestehen, nicht von der Hand ich nicht dazu raten, sich Freibeträge eintragen zu lassen. zu weisen. Ähnlich gelagert ist folgendes Beispiel: Wenn Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12691

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) von fünf Leuten zwei die Position A und drei die Posi- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) tion B vertreten, dann müsste der Sechste, der dazu- Ihre zweite Zusatzfrage. kommt, auch feststellen, dass zweifelhaft ist, wer hier nun recht hat. So ähnlich hat sich der Bundesfinanzhof Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): verhalten. Damit ist aber noch keine Entscheidung in der Frau Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen, dass Sache getroffen. Diese bleibt dem Bundesverfassungsge- es Berechnungen in Ihrem Hause gibt, aus denen hervor- richt vorbehalten. geht, dass, würde man die Entfernungspauschale beispielsweise auf 20 Cent ab dem ersten Kilometer fest- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: legen, der Arbeitnehmerpauschbetrag auf 660 Euro ge- Wir kommen jetzt zu Frage 8 der Kollegin Christine senkt werden müsste, um eine Aufkommensneutralität Scheel: zu erreichen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Ar- beitnehmerpauschbetrag von derzeit 920 Euro ein wichtiger Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts und zum Bürokra- Bundesminister der Finanzen: tieabbau ist, und teilt die Regierung die Auffassung, dass vor Frau Kollegin Scheel, man kann zu allen Dingen Be- einer Absenkung des Pauschbetrages der Normenkontrollrat rechnungen vorlegen. Wenn man zum Beispiel die Ent- diese zusätzlichen bürokratischen Lasten für Bürgerinnen und Bürger, kleine und mittlere Unternehmen und für die Finanz- fernungspauschale auf der einen und den Arbeitnehmer- ämter bewerten müsste? pauschbetrag auf der anderen Seite sieht, so erschließt es sich einem: Das wäre natürlich ein Prinzip kommunizie- render Röhren. Wenn man das eine anhebt, senkt man Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim das andere. Man könnte zur Herstellung einer Auf- Bundesminister der Finanzen: kommensneutralität natürlich auch völlig andere Maß- Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass in nahmen ergreifen. Man müsste nicht zwingend den dem Arbeitnehmerpauschbetrag ein Beitrag zur Steuer- Arbeitnehmerpauschbetrag ändern. Man könnte sich vereinfachung zu sehen ist. Nach § 4 des Gesetzes zur auch andere Rechnungen vorstellen. Aber ich sage: Das Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates sind ist rein hypothetisch. Die Bundesregierung plant keine die Ressorts verpflichtet, den Normenkontrollrat bei Änderungen bei der Entfernungspauschale. Deswegen Rechtsetzungsvorhaben vor der Kabinettsbefassung zu sind auch – wie auch immer geartete – Rechnungen zur beteiligen. Herstellung einer gedachten Aufkommensneutralität nicht notwendig. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (B) (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) Ihre Zusatzfrage, Frau Kollegin. NEN]: Schauen wir mal!)

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden, Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor- dass Sie an dem derzeit geltenden Pauschbetrag auf- tung der Fragen. grund der dadurch gegebenen Steuervereinfachung – sie ist ja mit Pauschbeträgen immer verbunden – nicht rüt- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- teln werden, auch dann nicht, wenn Sie im Zusammen- riums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen hang mit der Kilometerpauschale, die, wie wir jetzt ge- beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin hört haben, ziemlich chaotisch organisiert ist – worunter Dagmar Wöhrl. wieder die armen Steuerpflichtigen und auch die Finanz- Die Frage 9 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird behörden leiden; das scheint irgendwie so die Arbeit der schriftlich beantwortet. Regierung zu sein; aber das sei einmal dahingestellt –, Änderungen vornehmen? Halten Sie auch dann daran Deswegen rufe ich die Frage 10 der Kollegin Sabine fest? Denn wenn Sie es ändern müssten, dann würden Zimmermann auf: Sie es ja wahrscheinlich ab dem ersten Kilometer än- In welcher Höhe wurden bisher öffentliche Finanzmittel dern. Der Finanzminister hat gefordert, dass das aufkom- von EU, Bundesregierung und Bundesländern zur Schließung mensneutral ist. Auch die Frau Bundeskanzlerin hat ge- von Breitbandlücken in Deutschland eingesetzt, und in wel- sagt, dass es aufkommensneutral sein muss. Wie soll das cher Höhe sollen Fördermittel für dieses Ziel jährlich bis 2013 eingesetzt werden? denn dann gehen? Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim minister für Wirtschaft und Technologie: Bundesminister der Finanzen: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin Da die Bundesregierung – wie ich Ihnen in Beantwor- Zimmermann, ich kann Ihnen dahin gehend Antwort ge- tung Ihrer ersten Frage gesagt habe – keine Änderungen ben, dass die Bundesregierung die Summe der öffentli- bei der derzeit geltenden Regelung zur Entfernungspau- chen Finanzmittel aus EU-, Bundes- und Landespro- schale plant, ist auch eine – wie immer denkbare – Ge- grammen nicht genau ermitteln kann, da sie keinen genfinanzierung zur Herstellung einer Aufkommensneu- Zugriff auf entsprechende Daten hat. Für uns ist festzu- tralität nicht notwendig. halten, dass wir nichtsdestoweniger auf vielfältige Weise 12692 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (A) der Bedeutung des Breitbandinternet Rechnung tragen. alle 800 Gemeinden, in denen es noch keinen Breitband- (C) Den Schwerpunkt setzen wir bei der Erarbeitung von zugang gibt, eingeladen haben, um ihnen alternative Maßnahmen zur Entwicklung einer zielgerichteten In- Möglichkeiten vorzustellen. Schließlich bestehen solche formations- und Koordinierungspolitik. Von besonderer alternativen Möglichkeiten, vor allem im Bereich der Bedeutung ist außerdem die Schaffung günstiger regu- Funktechnologien. Darüber hinaus gibt es das Projekt lierungs- und frequenzpolitischer Rahmenbedingungen „Breitbandatlas“ und vieles andere. Natürlich hoffen wir, für die Unternehmen, damit sie entsprechende Leistun- dass wir diese Situation weiter verbessern können und gen bereitstellen können. dass die Deutsche Telekom überprüft, wo sie den Breit- bandzugang in Zukunft ausbaut. Die Bundesregierung betrachtet finanzielle Förder- programme, die dazu beitragen sollen, einen flächende- ckenden Zugang zu realisieren, als Ultima Ratio. Nichts- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: destotrotz besteht eine Reihe von Fördermöglichkeiten. Sie haben noch eine Zusatzfrage. Es gibt Förderprogramme mit regionalpolitischem Be- zug und die beiden nationalen Bund-Länder-Programme, Sabine Zimmermann (DIE LINKE): die GA und die neue GAK, die Gemeinschaftsaufgabe Im Grunde kann man also sagen, dass die Gewinne, „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- die in den Ballungszentren erzielt werden, in denen ein zes“. Breitbandzugang vorhanden ist, privatisiert werden und Inzwischen haben sich einige Länder entschlossen, dass der Breitbandzugang in den ländlichen Gegenden, auf Mittel aus europäischen Förderprogrammen zurück- in denen es ihn noch nicht gibt, mit öffentlichen Förder- zugreifen. Um den Breitbandzugang für die Kommunen geldern geschaffen werden muss. Sind Sie hier mit mir und für die Unternehmen vor Ort zu verbessern, bezie- einer Meinung? hen sie zum Beispiel Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem EFRE, oder aus Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Ent- minister für Wirtschaft und Technologie: wicklung des ländlichen Raums, dem ELER. Nein, ich bin mit Ihnen nicht einer Meinung. Ich habe dargelegt, dass wir die öffentliche Förderung als Ultima Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ratio betrachten. Auf öffentliche Förderungen können Ihre Zusatzfragen, bitte. die Länder zugreifen. Es gibt eine Förderung durch die GA und eine Förderung im Rahmen der Fonds auf euro- Sabine Zimmermann (DIE LINKE): päischer Ebene. Das soll aber immer die Ultima Ratio (B) sein und nur zu dem Zweck genutzt werden, die letzten (D) Danke schön. – Frau Staatssekretärin, dass Sie über noch vorhandenen Lücken zu schließen. keine Zahlen verfügen, stimmt mich natürlich etwas kri- tisch. Ich frage mich: Wie wollen Sie es schaffen, für Es gibt alternative Anschlussmöglichkeiten auch für eine 100-prozentige Abdeckung zu sorgen, wenn Sie die Fläche. Wir sehen die Notwendigkeit, die Kommu- nicht einmal wissen, wie viel Geld dafür überhaupt not- nen darauf hinzuweisen, welche anderen Möglichkeiten wendig ist? bestehen. Hier ist noch mehr Aufklärungsarbeit zu leis- ten. Um diese Aufklärungsarbeit zu betreiben, haben wir Es werden ja große Gewinne gemacht, zum Beispiel alle Kommunen eingeladen, an dem Kongress teilzuneh- von der Telekom. Vielleicht darf ich Ihnen ein paar Zah- men, der in der nächsten Woche in Berlin stattfindet. len nennen: Von 2004 bis 2006 hat die Telekom im Aber wir werden keinen politischen Einfluss darauf neh- Breitband- und im Festnetzbereich Gewinne von 14 Mil- men, wie die Telekom ihre Gewinne zukünftig verwen- liarden Euro erzielt. Meine Frage: Wie stehen Sie zu det. dem Vorschlag, dass die Bundesregierung darauf einwir- ken sollte, dass ein Teil dieser Gewinne in den Regionen eingesetzt wird, in denen es keinen Breitbandzugang Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gibt? Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Rainder Steenblock auf: Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Warum weigert sich die Bundesregierung, die Akten über minister für Wirtschaft und Technologie: Planung und Bau der Erdgaspipeline durch die Ostsee sowie die Unterlagen der Kreditbürgschaft des Bundes öffentlich zu- Wie ich in meiner Antwort auf Ihre schriftliche Frage gänglich zu machen („Akten zu Pipeline bleiben geheim“, bereits dargelegt habe, setzen wir nicht nur auf öffentli- Stuttgarter Zeitung vom 12. Oktober 2007)? che Förderprogramme. Die Entwicklung im Bereich Breitband ist positiv. Es gibt zwar noch keinen flächen- Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- deckenden Zugang, aber die Abdeckungsquote beträgt minister für Wirtschaft und Technologie: inzwischen deutschlandweit 97,7 Prozent. Das ist, wie ich glaube, kein schlechtes Ergebnis. Dennoch versu- Lieber Kollege Steenblock, bei der Nord-Stream- chen wir auf vielfältige Art und Weise, die noch vorhan- Pipeline handelt es sich, wie Sie wissen, um ein privat- dene Lücke von 2,3 Prozent zu schließen. wirtschaftliches Projekt der drei Unternehmen Gasprom, Eon und BASF. Das heißt, ob die Pipeline gebaut wird Unter anderem findet am 12. November dieses Jahres und wer sie zukünftig betreiben soll, ist eine Entschei- hier in Berlin ein Kongress des DIHK statt, zu dem wir dung der beteiligten Unternehmen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12693

Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (A) Die Akten enthalten eine politische Bewertung des Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (C) Projekts. Herr Steenblock, sie sind lange genug dabei, minister für Wirtschaft und Technologie: um zu wissen, dass eine Veröffentlichung die interne Ich glaube nicht, dass sie sich ausgesprochen verletzt politische Einschätzung der Bundesregierung und damit fühlen. Sie wissen, dass dieses Projekt in die transeuro- die Position der Bundesregierung gegenüber ausländi- päischen Netze aufgenommen worden ist und dem alle schen Partnern erkennen lassen würde. Das würde unse- Mitgliedstaaten zustimmen mussten. Es bestehen perma- ren zukünftigen Verhandlungsspielraum einschränken. nent Kontakte zwischen den einzelnen Ländern, und es Für so einen Fall ist im Informationsfreiheitsgesetz gere- werden viele bilaterale Gespräche geführt, hinsichtlich gelt, dass, wenn ein Bekanntwerden der Information der Umweltverträglichkeitsprüfung und vielem anderen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehun- mehr. Uns ist nicht bekannt, dass sich wegen der Nicht- gen haben kann, eine Einschränkung des Zugangs zu In- veröffentlichung irgendjemand beschwert hätte. formationen möglich ist. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Rainder Ihre Zusatzfragen, bitte. Steenblock auf: Wie schätzt die Bundesregierung die Konsequenzen des deutsch-russischen Projekts für die Beziehungen zu den Ost- Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): seeanrainern und EU-Mitgliedern Polen, Estland und Lettland Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wenn ich die vor dem Hintergrund der erheblichen Bedenken hinsichtlich der ökologischen Verträglichkeit und besonders auf polni- Bundesregierung bisher richtig verstanden habe, geht sie scher Seite hinsichtlich der gesicherten Energieversorgung davon aus, dass dieses Projekt im gemeinsamen europäi- ein? schen Interesse ist. Von daher kann die Konkurrenz, die Sie befürchten, überhaupt nicht eintreten. Sie haben Ihre Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Weigerung, die Akten öffentlich zugänglich zu machen, minister für Wirtschaft und Technologie: mit dem Informationsfreiheitsgesetz begründet; das Mit Ihrer vorherigen Frage haben Sie auch schon ein muss dann entweder nach § 3 oder nach § 4 geschehen. wenig das Thema der Frage 12 angesprochen. Wenn die Bundesregierung jetzt die Veröffentlichung der Akten eines nach ihren eigenen Aussagen unumstrit- Wir wissen, dass es bezüglich des Projekts – also tenen Projektes ablehnt, würde mich interessieren, auf nicht bezüglich der Nichtveröffentlichung der Unterla- welcher Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes sie gen, worüber wir vorhin gesprochen haben – in Polen das tun will, sprich: welche öffentlichen Belange bzw. und in den baltischen Staaten kritische Stimmen gibt. (B) welche Entscheidungsprozesse sie dadurch schützen Aber wie gesagt: Das Europäische Parlament und auch (D) will. Sie sind ja gemäß § 9 Informationsfreiheitsgesetz die Europäische Kommission haben die Pipeline am verpflichtet, bei einer Ablehnung mitzuteilen, ob und 6. September 2006 in die Liste der transeuropäischen wann Sie bereit sind, diese Akten öffentlich zu machen. Energienetze aufgenommen. Das ist ein Rechtsakt, der Ist das absehbar? für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist. Weil das ein lau- fendes Projekt ist, besteht ein permanenter Kontakt der Kommission mit Polen, den baltischen Staaten und auch Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- den anderen Ostseeanrainern. minister für Wirtschaft und Technologie: Das ist nicht absehbar, und es ist auch nicht geplant. Darüber hinaus werden alle betroffenen Staaten im Sie haben vollkommen recht: Das ist ein unternehmeri- Rahmen der derzeit laufenden Durchführung der grenzü- sches Projekt mit einer europäischen Dimension; das ist, berschreitenden Umweltverträglichkeitsstudie nach der glaube ich, unstrittig. Aber in diesen Akten ist, wie ge- Espoo-Konvention regelmäßig unterrichtet. Im Rahmen sagt, eine interne politische Einschätzung der Bundes- internationaler Kooperationen, wie zum Beispiel der regierung mit niedergelegt, und es ist nicht beabsichtigt, Helsinki-Kommission, der Kommission zum Schutz der diese öffentlich darzulegen. Meeresumwelt des Ostseegebiets, informiert die Bun- desregierung die Anrainerstaaten in bilateralen Kontak- ten über den Fortgang des Projektes. Darüber hinaus Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: führt auf polnischen Wunsch eine deutsch-polnische Ar- Eine weitere Zusatzfrage. beitsgemeinschaft auf Staatssekretärsebene bilaterale Gespräche. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: die Kritik, die es in den baltischen Ländern und in Polen, Ihre erste Zusatzfrage. aber auch in den skandinavischen Ländern sowohl an der Grundsatzentscheidung für das Projekt, aber auch am Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verlauf dieser Pipeline gibt, dadurch, dass die Bundes- Frau Staatssekretärin, wenn Sie sich das Verhalten der regierung nicht bereit ist, ihre Position öffentlich zu Regierung Estlands hinsichtlich des Trassenverlaufs an- machen, noch gestärkt wird und dass sich unsere euro- sehen, die ihren Protest gegen diese Pipeline, wie andere päischen Partner von so einem Verhalten der Bundes- europäische Länder auch, noch einmal sehr deutlich ge- regierung ausgesprochen verletzt fühlen? macht hat, werden Sie Verständnis dafür haben, dass 12694 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Rainder Steenblock (A) meine Einschätzung dieses Konsultationsprozesses deut- Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (C) lich anders aussieht. minister für Wirtschaft und Technologie: Es werden Gespräche geführt. Die Wünsche und An- Wir haben jetzt die Mitteilung bekommen, dass der regungen der betroffenen Anrainerstaaten sind uns na- Zeitplan für die Ostseepipeline nicht zu halten ist, son- türlich bekannt. Aber es sind diesbezüglich keine Ent- dern dass er zunächst um ein halbes Jahr verschoben scheidungen getroffen. wird, mit der Option, dies deutlich zu verlängern. Dar- aufhin gab es eine Stellungnahme der polnischen Regie- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: rung, dass das eine Chance ist, das Gesamtprojekt zu Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. – kippen. In vielen europäischen Ländern gibt es also Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor- deutliche Widerstandslinien dazu. tung der Fragen. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hinter- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- grund den zukünftigen Zeitplan inklusive der geplanten ums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Umweltverträglichkeitsprüfung und der Frage, wie man Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekre- mit den Munitionsaltlasten in der Ostsee bei dem geplan- tär Dr. Hermann Kues. ten Trassenverlauf umgehen kann? Sehen Sie die Mög- Die Frage 13 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird lichkeit, andere Arbeitsformen zu entwickeln, um gerade schriftlich beantwortet. mit unseren östlichen Nachbarländern hier zu einem Konsens zu kommen? Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Elke Reinke auf: Welche weiteren Freiwilligendienste sind neben den Ju- gendfreiwilligendiensten wie das freiwillige soziale Jahr/der Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- freiwillige soziale Dienst oder das freiwillige ökologische minister für Wirtschaft und Technologie: Jahr/der freiwillige ökologische Dienst, welche beim Bundes- ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesie- Wie ich vorhin ausgeführt habe, ist die Aufnahme des delt sind, und dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst Projektes in die Liste der TEN-Projekte ein verbindli- „weltwärts“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung in den anderen Ministerien in cher Rechtsakt. Ich glaube, uns allen ist daran gelegen, Planung, und wie sollen diese ausgestaltet sein? dass wir zu einer Diversifizierung der Transportwege, also zu mehr europäischer Sicherheit, kommen. Wir wis- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- sen natürlich, dass hier an den Transport von Gas aus desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: neu erschlossenen Gasfeldern gedacht ist. Ich beantworte die Frage wie folgt: Außer den im (B) (D) Uns ist aber natürlich auch bekannt, dass es Wider- BMFSFJ angesiedelten, gesetzlich geregelten Jugend- stände gibt – das ist ganz klar –, vor allem von polni- freiwilligendiensten freiwilliges soziales Jahr und frei- scher Seite. Wir wissen auch von eventuellen Interessen williges ökologisches Jahr sowie dem entwicklungspoli- tischen Freiwilligendienst „weltwärts“ des BMZ werden auf polnischer Seite – hinsichtlich der eigenen Wirt- derzeit keine zusätzlichen Freiwilligendienste von der schaft und der Transitgebühren. Das ist Ihnen ebenfalls Bundesregierung geplant. Das BMI erwägt, im Rahmen bekannt. Es gibt aber völkerrechtliche Verpflichtungen des freiwilligen sozialen Jahres ein neues Einsatzfeld im bezüglich der Umwelt, die bei dieser Trassenbeteiligung Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes unter mög- eingehalten werden müssen. Deswegen wird zurzeit licher Trägerschaft des THW anzubieten. Gedacht ist zu- auch die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeits- nächst an eine geringe Teilnehmerzahl von 20 bis prüfung durchgeführt. 30 Freiwilligen. Das BMWF plant ein freiwilliges tech- nisches Jahr; so lautet zumindest der Arbeitstitel. Ziel Die längere Dauer ist kein Grund, dass von dem Pro- des in 2008 anlaufenden Programms ist die Förderung jekt Abstand genommen werden sollte. der Studierbereitschaft für technisch-naturwissenschaft- liche Studiengänge durch eine mehrmonatige berufliche Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Orientierung in Forschungseinrichtungen oder Unter- Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege. nehmen. Dieses Projekt, gedacht als Berufsorientierung im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes – hier ist also ein anderes Vertragsverhältnis vorgesehen –, stellt Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): keinen Freiwilligendienst im engeren Sinne dar. Frau Staatssekretärin, um die Akzeptanz in den balti- schen Ländern und in Polen zu erhöhen, wurde immer Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: wieder diskutiert, ob eventuell eine Abzweigung in diese Ihre Zusatzfrage, bitte. Länder realisiert werden soll und die Verfügungshoheit über diese Abzweigung nicht der Gasprom, sondern ei- Elke Reinke (DIE LINKE): nem internationalen Gremium unterstellt werden soll. Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie Gibt es solche Überlegungen auch innerhalb der Bundes- unsere Befürchtungen, dass durch diese schlecht abge- regierung? Damit könnte ja die Akzeptanz erhöht wer- stimmte Ausweitung der Freiwilligendienste der konse- den. Wird auf solche Vorschläge, die aus Polen und dem quente Bildungsaspekt verloren geht und stattdessen Baltikum kommen, eingegangen? eine neue „Generation Praktikum“ herangezogen wird? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12695

(A) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- fern ist es eine Ergänzung zu vielen Aktivitäten, die auch (C) desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: im Kinder- und Jugendplan verankert sind. Diese Gefahr sehe ich nicht. Im Gegenteil, ich halte es für eine gute Entwicklung, dass in den unterschiedli- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: chen Ressorts Aktivitäten entfaltet worden sind. Im Üb- Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Kai Gehring auf: rigen bemühen wir uns, die Dinge im Rahmen des ge- planten Jugendfreiwilligengesetzes so zu koordinieren Was sind nach Planung der Bundesregierung die Zeit- und zu bündeln, dass es eine einheitliche Linie gibt. Ent- punkte für die Vorlage des neuen Gesetzentwurfs zur Novelle zum Jugendschutzgesetz und zum Abschluss des Gesetzge- scheidend ist dabei, dass für die Jugendlichen, die einen bungsverfahrens, und teilt die Bundesregierung die von einem dieser Dienste anstreben werden, ein überzeugendes An- Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU geäußerte Auffas- gebot vorhanden sein wird. sung (Süddeutsche Zeitung vom 17. Oktober 2007), bei der genannten Novelle mit Blick auf Gewaltvideos und soge- nannte Killerspiele „eine große Lösung“ anstreben zu wollen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: und damit in diesem Bereich über die Frage von Testkäufen Sie haben noch eine Zusatzfrage. hinaus vom bisherigen Entwurf abzuweichen?

Elke Reinke (DIE LINKE): Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Vielen Dank. – Meine weitere Frage: Was gedenken desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie dagegen zu tun, dass bürgerschaftliches Engagement Herr Kollege Gehring, ich beantworte Ihre Frage wie – hier in Form der Freiwilligendienste – immer häufiger folgt: Für die Bundesregierung ist Kinder- und Jugend- reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ver- medienschutz ein ganz besonders wichtiges Anliegen. drängt? Hier besteht auch mit den Ländern völlige Übereinstim- mung. Ein effektiver Schutz hat oberste Priorität. Ge- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- meinsames Ziel ist es, den Schutz von Kindern und Ju- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: gendlichen vor schädlichen Einflüssen zu verbessern. Dies ist unserer Auffassung nach nicht der Fall. Denn Seit dem 30. Oktober 2007 liegt der Endbericht „Ana- es ist zu beachten, dass die Jugendfreiwilligendienste lyse des Jugendmedienschutzsystems – Jugendschutzge- eine andere Funktion, eine andere Aufgabe haben und setz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag“ des Hans- teilweise dazu dienen, sozialem Engagement einen be- Bredow-Instituts vor. Es gilt nun, diesen Bericht – er sonderen Rahmen zu geben, teilweise aber auch eine umfasst 387 Seiten – auszuwerten. Sobald Bund und wichtige Rolle bei der Berufsfindung spielen. Insoweit Länder Einvernehmen über die notwendigen Änderun- gibt es einen großen Unterschied zwischen Jugendfrei- gen im Jugendschutzgesetz des Bundes und im Jugend- (B) willigendiensten und Freiwilligendiensten für Ältere, bei medienschutz-Staatsvertrag der Länder erzielt haben, (D) denen eine andere Motivationslage gegeben ist. Wir se- sind diese mit Blick auf die Konvergenz der verzahnten hen diese Gefahr überhaupt nicht. Medienregelungswerke des Bundes und der Länder zeit- gleich gemeinsam zu novellieren. Dennoch meinen wir, dass bereits feststehende Erkenntnisse nicht ignoriert Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: werden dürfen, sondern dass sie auf die Handlungsebene Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Gehring. transportiert werden müssen. Denn in einigen entschei- denden Punkten hat sich der Bedarf an einer Änderung Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Jugendschutzvorschriften bereits nach Vorlage des Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, mich interessiert, vom Hans-Bredow-Institut Anfang Juni 2007 vorgeleg- wie Sie die Bedenken beurteilen und auf sie erwidern, ten Berichts „Das deutsche Jugendschutzsystem im Be- dass von Freiwilligendienstträgern und aus den Reihen reich der Video- und Computerspiele“ gezeigt. Insofern der Opposition, aber sogar von einzelnen Abgeordneten wird das Sofortprogramm des Bundesjugendministeri- der Regierungsfraktionen gesagt wird, es sei nicht ganz ums und des Jugendministeriums NRW für einen verbes- nachzuvollziehen, dass die Jugendfreiwilligendienste serten Jugendmedienschutz bestätigt. Dies gilt auch aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes herausge- nicht zuletzt für die Notwendigkeit, verbesserte Rah- löst werden. Ist dies mit dem Ziel vereinbar, den jugend- menbedingungen für die zuständigen Kontrollbehörden und bildungspolitischen Charakter der Freiwilligen- vor Ort zu schaffen. dienste zu stärken? Ich sehe da erst einmal einen Wider- spruch, wenn man dies allein unter bürgerschaftlichem Der Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Engagement abbucht. Wieso wollen Sie die Jugendfrei- Jugendschutzgesetzes ist nach der öffentlichen Diskus- willigendienste aus dem KJP herauslösen? Das ist ja eine sion zurückgestellt worden. Zunächst soll bei dem von berechtigte Frage. Frau Bundesfamilienministerin einberufenen runden Tisch zum Jugendschutzgesetz und zur Verbesserung des gesetzlichen Vollzugs am 28. November 2007 geklärt Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- werden, welche Rahmenbedingungen für einen wirksa- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: men Vollzug für die zuständigen Kontrollbehörden zu Sie haben es schon selbst angesprochen: Es geht da- schaffen sind. rum, unter dem Gesamtlabel „Bürgerschaftliches En- gagement“ einen Weg zu finden, der auch für die jugend- lichen Interessenten von Bedeutung ist und ihnen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gegenüber eine einheitliche Ansprache ermöglicht. Inso- Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege. 12696 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Hintergrund für Ich habe vor allen Dingen den Medien entnommen, meine schriftliche Frage und meine Nachfrage ist, dass dass Sie Kernbestandteile Ihres Entwurfs leider zurück- die Bundesfamilienministerin ihren Gesetzentwurf zur stellen mussten, und zwar nach einem Machtwort der Novelle des Jugendschutzgesetzes nach massiven öffent- Bundeskanzlerin. Vor diesem Hintergrund interessiert lichen Protesten zurückziehen musste, insbesondere weil mich, ob Sie in die Gespräche des runden Tisches ei- sie Kinder als Testkäufer und damit ein Stück weit auch gene, neue Vorschläge für einen verbesserten Kinder- als Lückenbüßer für fehlende oder mangelnde staatliche und Jugendschutz sowie zur Behebung der Umsetzungs- Kontrollen vor Ort einsetzen wollte. Sie haben darauf defizite einbringen werden. verwiesen, dass Sie zu einem runden Tisch einladen wol- len, zu dem Sie auch die Oppositionsfraktionen einladen. Um auf Ihre Antwort auf meine erste Frage zurückzu- Wir sind gesprächsbereit und werden daran teilnehmen. kommen: Mich interessiert, ob im weiteren Verfahren die Ergebnisse der Evaluation des Berichtes zum Mich interessiert in diesem Zusammenhang die Ge- Jugendmedienschutz, der vor kurzem vorgelegt wurde sprächsgrundlage für den runden Tisch. Werden wir – Sie haben das erwähnt –, in der Novelle Berücksichti- noch einmal über die Gesetzesnovelle reden, oder geht gung finden. es sozusagen nur um Umsetzungsdefizite vor Ort? Des Weiteren interessiert mich der Teilnehmerinnen- und Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Teilnehmerkreis. Werden zum Beispiel der Hotel- und Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Gaststättenverband, der Einzelhandelsverband oder die gend: Kommunen mit am Tisch sitzen? Denn insbesondere die DEHOGA und andere Verbände müssen stark in die Diese Bundeskanzlerin neigt nicht zu Machtworten; Pflicht genommen werden. Ist der runde Tisch als ein- das wissen Sie auch, Herr Kollege Gehring. malige Veranstaltung geplant, oder bildet er den Auftakt (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zu einer Gesprächsreihe? Deswegen war es so ungewöhnlich, dass sie es an dieser Stelle gemacht hat!) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Man hat vielmehr die Beratungen zurückgestellt. Wir wollen nun in einem Zwischenschritt, mit dem runden Zunächst einmal: Der Gesetzentwurf ist nicht zurück- Tisch, zügig zu Ergebnissen kommen, sodass abschlie- gezogen worden; vielmehr hat das Kabinett seinerzeit ßend entschieden werden kann, wie damit umgegangen entschieden, die Beratung zurückzustellen. Das wird (B) werden soll. Die vorliegende umfängliche Studie des (D) beim runden Tisch zu erörtern sein. Ob andere Instru- Hans-Bredow-Instituts muss in aller Ruhe ausgewertet mente vorgeschlagen werden, die ebenso geeignet sind, werden. Darüber muss mit Fachleuten gesprochen wer- bleibt abzuwarten. Ich gebe Ihnen völlig recht: Sich über den. Es muss zudem politisch erörtert werden, welche den Jugendschutz Gedanken zu machen und Normen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Erst dann ist ein einzufordern, die man dann nicht überprüft, macht wenig Gesetzgebungsverfahren möglich. Das wird ein längerer Sinn. Es wird auch über die zeitliche Abfolge zu reden Prozess sein. Gleichzeitig muss erörtert werden, ob man sein. so lange mit dem Umsetzen der Ergebnisse in dem Be- Der runde Tisch ist ein informelles Treffen. Wir mei- reich warten will, für den bereits Vorschläge vorliegen. nen, dass er eine gute Methode ist, um bei einem Thema, Das wird auch mit den Jugendministern zu erörtern sein. das offenkundig die Öffentlichkeit aufwühlt, zu Ergeb- nissen zu kommen. Daran sollen Vertreter der kommu- Vizepräsidentin : nalen Spitzenverbände, der Bundesländer, die hier feder- Wir kommen nun zur Frage 16 des Kollegen Gehring: führend sind, sowie unterschiedlicher Bundesressorts teilnehmen. Wir haben natürlich auch das Parlament ein- In welcher Höhe veranschlagt die Bundesregierung die zu geladen, sich daran zu beteiligen. Es werden zudem Ver- erwartenden Kosten für die von ihr geplante Einführung eines Betreuungsgeldes, welche laut aktuellen Presseberichten im treter der Wirtschaft, der Spitzenverbände, der Fachver- Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Kindertagesbetreu- bände sowie der Kinder- und Jugendschutzverbände ung für unter Dreijährige enthalten ist? teilnehmen, die sich in der Anhörung seinerzeit geäußert und in der öffentlichen Debatte Position bezogen haben, Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. genauso wie andere wichtige Akteure, die auf diesem Feld aktiv sind. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Ich gehe davon aus, dass der runde Tisch ein-, zwei- gend: mal tagt. Nach dem ersten Mal wird man weitersehen und im parlamentarischen Raum erörtern, wie mit den Ich antworte wie folgt: Eine Formulierung zum Be- Ergebnissen des runden Tisches umzugehen ist. treuungsgeld im Rahmen der anstehenden Änderung des SGB VIII wird den Festlegungen des Koalitionsaus- schusses folgen. Finanzielle Konsequenzen für die öf- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: fentlichen Haushalte werden sich hieraus nicht ableiten Eine weitere Zusatzfrage, bitte. lassen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12697

(A) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: die sind für eine abschließende Bewertung sicherlich (C) Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gehring? – nicht zielführend; denn zum einen zahlen die Länder das Bitte. Erziehungsgeld unter unterschiedlichen Konditionen, sodass eine Vergleichbarkeit praktisch nicht gegeben ist, Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zum anderen sagen auch Vorher-nachher-Vergleiche we- Mich interessiert, welches Verhalten die Bundesregie- nig aus, solange nicht gleichzeitig untersucht wird, wel- rung von einer armen, bildungsfernen Familie oder einer che Motive Eltern hatten, ihr Kind in eine Einrichtung zu stark benachteiligten Familie mit Migrationshintergrund schicken oder das nicht zu tun. erwartet, wenn diese vor die Wahl gestellt wird, entwe- der das Kind in eine Krippe oder in eine Kindertages- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: stätte zu geben – der Besuch solcher Einrichtungen kos- Ihre Zusatzfrage, bitte. tet die Eltern in der Regel Geld – oder 150 Euro für die Betreuung des Kindes zu Hause zu erhalten. Es würde Ina Lenke (FDP): mich interessieren, wie Sie in diesem Zusammenhang Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, der die Erfahrungen insbesondere aus Thüringen bewerten; Bundesregierung lägen keine Erkenntnisse vor. Mir liegt wir haben dazu viel in den Medien gelesen. Ich frage die Erkenntnis des Thüringer Landesamtes für Statistik auch vor dem Hintergrund, dass die Ministerin hier im vom Oktober vor, wonach die Besuchsquote von Kin- Bundestag in Plenardebatten immer wieder deutlich ge- dern im Alter von zwei bis unter drei Jahren um macht hat, dass sie ein Betreuungsgeld als eine – Zitat – 6,1 Prozent zurückgegangen ist. Was sagen Sie zu die- „bildungspolitische Katastrophe“ einschätzen würde. sem Rückgang, der in keiner anderen Altersgruppe sonst stattfindet? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- gend: desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie wissen, dass der Beschluss des Koalitionsaus- Die statistische Zahl ist der Bundesregierung durch- schusses vorsieht, dass über eine finanzielle Förderung aus bekannt. Man muss allerdings wissen – das darf man ab 2013 – da ist unter anderem das Betreuungsgeld ge- nicht unter den Tisch fallen lassen –, dass die Besuchs- nannt – nachgedacht werden soll. Wir werden also eine quoten für die beiden früheren Altersjahrgänge leicht ge- Menge Zeit haben, in Ruhe über Vorteile, Nachteile und stiegen sind. Insofern lässt sich kein Trend ablesen. Der mögliche Auswirkungen zu diskutieren. Diese Zeit wird Rückgang liegt deutlich unter 10 Prozent. Deswegen notwendig sein, um das mit Fachleuten im Einzelnen zu (B) kann man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich glaube (D) erörtern. Ich glaube des Weiteren, dass man zwischen ei- allerdings schon, dass man die Entwicklung weiter beob- ner grundsätzlichen, politischen Diskussion und einer achten muss. gesetzestechnischen Debatte, in der erörtert wird, wie et- was ganz konkret umgesetzt werden soll, unterscheiden muss, zumal eine erhebliche Zeitspanne vor uns liegt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das erklärt, warum die Akzente unterschiedlich gesetzt Ihre zweite Zusatzfrage, bitte. werden. Ina Lenke (FDP): Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Staatssekretär, dann würde ich Ihnen gerne über Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht die Entwicklung aus Norwegen, das 1998 die Zahlung der Fall. des Betreuungsgeldes eingeführt hat, berichten. 80 Pro- zent der Familien mit einem nicht westlichen Einwande- Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Krista Sager wer- rungshintergrund haben das Betreuungsgeld in Anspruch den schriftlich beantwortet. genommen und ihre Kinder nicht in Betreuungseinrich- Wir kommen zur Frage 19 der Frau Kollegin Lenke: tungen geschickt. Wir wissen alle, dass das Erlernen der Inwieweit gibt es hinsichtlich des Anteils derjenigen Kin- Sprache für Kinder ganz wichtig ist, gerade für Kinder der, die Kindertageseinrichtungen besuchen oder im Rahmen von Menschen, die nicht ihr ganzes Leben in Norwegen der Tagespflege betreut werden, Unterschiede zwischen den- gewohnt haben und die norwegische Sprache nicht per- jenigen Bundesländern, in denen Landeserziehungsgeld ge- fekt beherrschen. Ich würde gern noch bemerken, – – währt wird, und solchen, die diese Leistung nicht vorsehen, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Frau Kollegin, Sie stellen eine Frage? desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich beantworte die Frage wie folgt: Das Landeserzie- Ina Lenke (FDP): hungsgeld wird nach Kenntnis der Bundesregierung in Ich möchte meine Frage dadurch unterfüttern, dass fünf Bundesländern gezahlt. Untersuchungen über Zu- ich Ihnen sage, dass die norwegische Regierung die feste sammenhänge zwischen der Zahlung von Landeserzie- Absicht hat, das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen, hungsgeld und dem Besuch von Kindertageseinrichtun- wenn der Bedarf an Kindergartenplätzen gedeckt ist, gen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Es gibt weil die Erfahrungen im sozialen Bereich sehr schlecht Mutmaßungen über einen solchen Zusammenhang, aber sind. Stimmen Sie mir da zu? 12698 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. (C) Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwor- gend: tung der Fragen. Ich muss zunächst einmal sagen: Was die Bewertung Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- bestimmter statistischer Zahlen angeht, ist eine Ver- riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Zur gleichbarkeit eigentlich nicht zulässig – das können Sie auch auf die unterschiedlichen Ergebnisse in den fünf Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Bundesländern, von denen ich gesprochen habe, bezie- Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. hen –; denn die Betreuungsangebote sind sehr unter- Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Dr. Anton schiedlich, und sie werden unterschiedlich wahrgenom- Hofreiter: men. Da gibt es also große Differenzen. Das zeigt ganz offenkundig, dass man sich das genauer anschauen Welche Ergebnisse der nach Aussagen der Bayerischen muss. Auch die Rahmenbedingungen muss man analy- Staatsregierung (Antwort auf eine schriftliche Anfrage auf Drucksache 15/7339 des Bayerischen Landtages) für die erste sieren. Jahreshälfte 2007 geplanten erneuten Aktualisierung der Nut- zen-Kosten-Untersuchungen, NKU, des Projekts zweite Wie Sie wissen, hat Norwegen eine ganz andere In- S-Bahn-Stammstrecke in München, die mit einem Bundeszu- frastruktur im Hinblick auf Kinderbetreuung und auch schuss von 799,98 Millionen Euro das größte Nahverkehrs- ein ganz anderes Förderinstrumentarium. Daher sind die projekt in Deutschland darstellt und dessen Verkehrsbedeu- dortigen Verhältnisse mit denen bei uns überhaupt nicht tung weit über München hinausreicht, liegen inzwischen vor, und welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf die Förder- vergleichbar. Wenn man zu vernünftigen Schlussfolge- fähigkeit des Projekts nach dem Gemeindeverkehrsfinanzie- rungen kommen will, dann muss man belastbare Verglei- rungsgesetz? che anstellen. Das gilt sowohl für unsere Bundesländer als auch für Nachbarländer. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Dr. Hofreiter, Herr Kollege Grund, bitte. ich kann Ihnen dazu Folgendes mitteilen: Dem Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegt Manfred Grund (CDU/CSU): die Aktualisierung der Nutzen-Kosten-Untersuchungen noch nicht vor. Die Auswirkungen der Aktualisierung Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, können Sie mir der Nutzen-Kosten-Untersuchungen auf die Förderfähig- bestätigen, dass statistische Zahlen über Betreuungsfor- (B) keit des Projektes können somit noch nicht bewertet (D) men – ich denke sowohl an Formen der häuslichen Be- werden. Eine positive Nutzen-Kosten-Untersuchung ist treuung als auch an staatliche Betreuungsangebote – jedoch die Voraussetzung dafür, eine Förderung aus dem noch lange nichts über die Qualität der Betreuung aussa- Bereich der Bundesfinanzhilfen im Rahmen des gen? Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zu erhalten. Können Sie mir außerdem bestätigen, dass die Zahl der Familien mit nicht westlichem Hintergrund in Thü- ringen bei weit unter 2 Prozent liegt, weswegen die Zah- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: len aus skandinavischen Ländern mit denen aus Ihre erste Nachfrage, bitte. Deutschland und damit auch aus Thüringen nicht ver- gleichbar sind? Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Staatssekretärin, erst einmal vielen Dank für die Ant- gend: wort. Gibt es eine Schätzung, bis wann das vorliegen Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen das im Wesentli- wird? Ihre Angabe muss jetzt nicht auf den Tag genau chen bestätigen. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass sein, aber eine Monatsangabe wäre schön. statistische Zahlen allein keine Vergleichbarkeit ermög- lichen. Man muss alle Daten zugrunde legen; man muss auch unterschiedliche Motive und unterschiedliche Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Strukturen berücksichtigen und bewerten. Erst wenn nister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: man das getan hat, kann man eine objektive Einschät- Ich verstehe Ihr Anliegen sehr gut; schließlich sollte zung vornehmen. Das zeigt im Übrigen noch einmal die Förderung ab 2008 erfolgen. Ich kann noch nicht be- ganz deutlich, dass wir durchaus intensiven Beratungs- urteilen, woran es hakt, dass die Ergebnisse dieser Un- bedarf haben. So wie das Ganze bis jetzt angelegt ist, ha- tersuchung noch nicht vorliegen. Wir sind bereit, nach ben wir dafür die notwendige Zeit. ihrem Vorliegen so schnell wie möglich zu arbeiten, da- mit das wie geplant umgesetzt werden kann. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Frage 20 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: schriftlich beantwortet. Ihre zweite Nachfrage, bitte. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12699

(A) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sevim Dağdelen (DIE LINKE): (C) NEN): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass bereits Altmaier, es ist schon einmal gut, dass wir den Status die alte Nutzen-Kosten-Analyse einen Faktor von nur dieses Papiers geklärt haben, das wohl nach der Plenar- 1,01 erbracht hat und dass mittlerweile Abschichtungen debatte zum Antrag der Linksfraktion zu einem Nationa- bei der Anmeldung des Projekts erfolgt sind, die erwar- len Aktionsplan gegen Rassismus am Abend des ten lassen, dass der Nutzen-Kosten-Faktor weiter sinken 20. September 2007 an die betreffenden Organisationen wird? herausgegangen ist – und zwar ohne ein entsprechendes Gibt es eine Alternativplanung? Denn nach allem, Anschreiben –, dass dies ein Entwurf ist, auf den sie re- was zu befürchten und zu erwarten ist – und von anderen agieren sollen. Leuten auch erhofft wird –, wird dieses Projekt nicht Meine Frage ist folgende: Es gab in den Stellungnah- mehr mit dem Faktor 1,01 zu realisieren sein. men sowohl vom Forum Menschenrechte als auch von der Aktion Courage zu dem Entwurf, über den wir reden, Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- massive Kritik. Laut dieser Kritik verdient der Entwurf minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: nicht den Titel „Aktionsplan“, da keines der angeführten Herr Dr. Hofreiter, es ist gerade die Aufgabe der Kriterien für einen nationalen Aktionsplan – sprich: Pro- neuen Nutzen-Kosten-Untersuchung, zu belegen, dass blembeschreibung, Maßnahmen, Umsetzung, Evaluation – dieses Projekt mit Blick auf die Förderfähigkeit geför- erfüllt sei. Wie steht die Bundesregierung zu dieser fun- dert werden kann. Sonst würden wir diese Runde nicht damentalen Kritik der Fachleute? ein zweites Mal drehen. Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: minister des Innern: Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Klaus Hofbauer, Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn einige wenige die Fragen 24 und 25 des Kollegen Jürgen Koppelin und Organisationen im Rahmen einer solchen Diskussion die Frage 26 der Kollegin Veronika Bellmann werden fundamentale Kritik üben. Die Bundesregierung macht schriftlich beantwortet. sich diese Kritik nicht zu eigen. Allerdings werden sämt- liche inhaltlichen Vorschläge, die von diesen Nichtregie- Wir sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Frau rungsorganisationen gemacht werden, von der Bundesre- Staatssekretärin, ich danke Ihnen. gierung sorgfältig geprüft werden. Das Ergebnis wird Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- Eingang in die endgültige Version des Berichtes finden, ums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht wie er dann in der ersten Dezemberhälfte vom Kabinett (B) (D) Herr Parlamentarischer Staatssekretär Peter Altmaier zur beschlossen werden wird. Verfügung. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte sehr. Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Sevim Dağdelen auf: Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Handelt es sich bei dem kursierenden Arbeitsentwurf Trifft zu, Herr Kollege Altmaier, was Kollegin „Nationaler Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fograscher in ihrer zu der Plenardebatte vom Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene 20. September zu Protokoll gegebenen Rede geäußert Intoleranz“ vom Oktober 2007 (Arbeitsentwurf 5.4) um einen hat, nämlich dass das Forum gegen Rassismus, dessen offiziellen Entwurf der Bundesregierung, der jetzt von den Geschäftsstelle beim Bundesinnenministerium ange- Verbänden und Nichtregierungsorganisationen diskutiert wer- siedelt ist, als nationaler runder Tisch im Sinne der den soll, oder welchen Status hat dieses Papier? Grundsätze der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fungiert und Peter Altmaier (CDU/CSU): mittlerweile rund 80 Organisationen, darunter 60 bun- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte diese desweit bzw. überregional tätige Nichtregierungsorgani- Frage wie folgt: Es handelt sich bei diesem Entwurf, der sationen, umfasst? Trifft es ferner zu, dass für diesen den einschlägigen Nichtregierungsorganisationen vor- Bereich federführend die Abteilung V des Bundesinnen- liegt und bei ihnen zirkuliert, um einen im Ressortkreis ministeriums – die Abteilung Innere Sicherheit – zustän- der Bundesregierung abgestimmten Arbeitsentwurf für dig ist, dass sie letztlich diese AG leitet, und in dieser einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Ras- AG keine Abstimmungen zugelassen sind? sismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz. Ein offizieller Entwurf der Bundesregierung liegt erst dann Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- vor, wenn das Kabinett darüber beschlossen hat. Ein sol- minister des Innern: cher Beschluss ist für die erste Dezemberhälfte vorgese- Es ist richtig, dass Frau Fograscher dies so dargelegt hen. hat, wobei ich jetzt nicht jeden einzelnen Punkt verifizie- ren kann, weil mir das Protokoll nicht vorliegt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Es ist auch richtig, dass wir im Rahmen einer vielfäl- Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte sehr. tigen Abstimmung mit den Akteuren der Zivilgesell- 12700 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretär Peter Altmaier (A) schaft und im Rahmen ständiger Debatten über diesen Es handelt sich bei dem Gespräch am 23. November (C) Aktionsplan auf der letzten Sitzung des Forums gegen um ein abschließendes Gespräch, wie Sie selbst treffend Rassismus am 29. und 30. Oktober 2007 eine ausführli- bemerkt haben. Wir sind der Auffassung, dass es nach che Diskussion zu diesem Thema hatten. Dort hatten die der großen Zahl von Gesprächen, die bislang stattgefun- Nichtregierungsorganisationen – das sind einige, wie Sie den haben, irgendwann einmal geboten ist, die Diskus- wahrscheinlich wissen – die Möglichkeit, Kommentare sion abzuschließen; denn wir wollen, wie Sie wissen, abzugeben sowie Ergänzungs- und Änderungsvor- den Aktionsplan nach einer entsprechenden Beschluss- schläge zu machen. Diese Möglichkeit bestand nicht nur fassung im Kabinett bis Ende des Jahres an die UN über- in der Sitzung dieses Forums, sondern sie besteht die mitteln. ganze Zeit, auch jetzt noch. Die Bundesregierung muss letztendlich im Rahmen ihrer Verantwortung entschei- Die bislang geführten Diskussionen mit den Nichtre- den, welche dieser Vorschläge und Änderungsanträge sie gierungsorganisationen haben im Übrigen strukturell aufgreift. wie inhaltlich bereits Einfluss auf die Gestaltung des Ar- beitsentwurfs gehabt. Ich muss allerdings zum Ausdruck bringen, dass es die Entscheidung der Exekutive ist, wel- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: che Anregungen letztendlich übernommen werden; denn Zu einer Zusatzfrage Frau Kollegin Zimmermann, der Nationale Aktionsplan ist ein Programm der Exeku- bitte. tive, und das soll er nach dem Willen der Vereinten Na- tionen auch sein. Dennoch sind und bleiben wir, wie in Sabine Zimmermann (DIE LINKE): der Vergangenheit auch, jederzeit gesprächsbereit. Danke, Frau Präsidentin. – Ich habe eine ganz kon- krete Frage: Wann gedenkt die Bundesregierung, die Er- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gebnisse der UN-Weltkonferenz, die 2001 in Durban Haben Sie eine Zusatzfrage? stattgefunden hat, endlich ins Deutsche zu übersetzen und zu publizieren? In der inoffiziellen Übersetzung – das wird Ihnen sicherlich bekannt sein – wird teilweise Sevim Dağdelen (DIE LINKE): eine rassistische Sprache verwendet, werden zum Bei- Ja, ich habe eine Zusatzfrage. – Es ist wirklich begrü- spiel Sinti und Roma als „Zigeuner“ bezeichnet. ßenswert, dass Sie so gesprächsbereit sind. Das wün- schen wir uns als Oppositionsfraktion von dieser Bun- Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- desregierung auch immer. nister des Innern: Eine der wichtigen Besonderheiten der Weltkonferenz Das ist mir, ehrlich gesagt, nicht bekannt. Ich bitte (B) und der Selbstverpflichtungen der Regierungen – Herr (D) auch um Verständnis dafür, dass ich die Frage, ob und, Altmaier, Sie werden sich daran erinnern, auch wenn es wenn ja, für wann eine solche Übersetzung geplant ist, lange zurückliegt; das war 2001 – war, dass man mit den jetzt nicht beantworten kann. Die Antwort wird Ihnen beteiligten Gruppen, die zum Thema Rassismus arbei- aber schriftlich nachgereicht. ten, ein Konsultationsverfahren verabredet und mit ih- nen zusammen das Ganze entwickelt. Wie soll das ge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: schehen, wenn die Bundesregierung über sechs Jahre Damit rufe ich die Frage 28 der Kollegin Sevim braucht, um einen Entwurf zu erarbeiten, und gleichzei- Dağdelen auf: tig davon ausgeht, dass der Entwurf am 20. September Welchen Status hat das für den 23. November 2007 ge- vorgelegt wird – NGOs haben ganz andere Ressourcen plante abschließende Fachgespräch zum Entwurf des Nationa- zur Verfügung als eine Bundesregierung – und am len Aktionsplans gegen Rassismus beim Deutschen Institut 23. November ein abschließendes Gespräch geführt für Menschenrechte, und inwieweit sind angesichts des engen Zeitplans eine grundlegende Auseinandersetzung, Diskussion wird, weil am 12. Dezember die Kabinettsentscheidung und Einflussnahme seitens der Nichtregierungsorganisationen ansteht und bis spätestens 31. Dezember der Entwurf an mit bzw. auf den Entwurf überhaupt noch möglich, wenn der die UN gehen soll? Ist die Bundesregierung für den Fall, Nationale Aktionsplan bis spätestens 31. Dezember 2007 dass es weitere Stellungnahmen geben wird, die Kritik (Antwort auf die schriftlichen Fragen 19 und 20 der Abgeord- und auch Anregungen beinhalten werden, bereit, den neten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 16/6486) an die Vereinten Nationen übersandt werden soll? Zeitplan zu verändern, um ein besseres Ergebnis zuguns- ten eines Vorgehens gegen Rassismus im Land zu erzie- len? Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Sie wissen, Frau Kollegin, dass entsprechend dem Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Durbaner Programme of Action die UN-Mitgliedstaaten minister des Innern: aufgefordert sind, einen Nationalen Aktionsplan vorzu- Es wird, Frau Kollegin, Ihrer geschätzten Aufmerk- legen. Ein solcher wird im Dezember im Kabinett be- samkeit nicht entgangen sein, dass die jetzige Bundes- schlossen werden. Er wird mit der Zivilgesellschaft dis- regierung erst seit ihrem Amtsantritt Verantwortung kutiert und gemeinsam erstellt. Das Deutsche Institut für trägt. Das ist ein überschaubarer Zeitraum, in dem wir Menschenrechte, DIMR, hat sich dankenswerterweise uns bemüht haben, eine möglichst breite Diskussion in bereit erklärt, diese Diskussion mit den einschlägigen zi- Gang zu setzen und zu führen. Erfreulich viele haben vilgesellschaftlichen Akteuren zu führen. Sie hat um- sich an dieser Diskussion beteiligt. Sie werden aus Ihrer fänglich stattgefunden. eigenen Praxis wissen, dass es eine Zeit für Diskussio- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12701

Parl. Staatssekretär Peter Altmaier (A) nen und eine Zeit für Entscheidungen gibt. Wir halten es Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der am (C) für wichtig, dass wir, auch um die Ernsthaftigkeit unse- 30. Oktober 2007 im Rahmen einer Studie vorgestellten Kritik des Deutschen Instituts für Menschenrechte am Verhalten der res Engagements gegenüber den Vereinten Nationen EU-Staaten bei der Behandlung und Rettung von Bootsflücht- deutlich zu machen, an unserem Vorhaben festhalten, lingen an den südlichen EU-Außengrenzen? diesen Aktionsplan bis Ende des Jahres zu übermitteln. Das heißt, dass er vorher im Kabinett beschlossen wer- Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- den muss. Die Diskussion, die wir über mehrere Monate minister des Innern: intensiv geführt haben, auf der einen Seite und die Ent- Herr Kollege Nouripour, Sie wissen selbst, dass die- scheidung, die wir Anfang/Mitte Dezember treffen wer- ses sehr umfangreiche Gutachten eine breit angelegte den, auf der anderen Seite bedingen zwangsläufig den flüchtlings- und menschenrechtliche Aufbereitung der hohen Zeitaufwand. Problematik der gemischten Migrationsströme auf dem Seeweg in die EU enthält. Dieses Thema ist von großer Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Aktualität und von rechtlicher Komplexität. Deshalb ist Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr. es auch verständlich, dass sich die Bundesregierung sehr intensiv mit dem Gutachten und der von ihm behandel- Sevim Dağdelen (DIE LINKE): ten Problematik auseinandersetzt. Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Altmaier, Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die im Gutachten Themenschwerpunkte des Nationalen Aktionsplans soll- vertretenen Positionen im Ergebnis geteilt werden. Eine ten laut UN-Weltkonferenz 2001 auch Kolonialismus, Stellungnahme zu den rechtlichen Überlegungen ist zum historische Schuld und Entwicklungszusammenarbeit jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, weil die Prüfung sein. Bemerkenswerterweise haben die Organisationen, des Gutachtens andauert und derzeit Gespräche in den die den Arbeitsentwurf vom BMI bekommen haben, be- zuständigen Ministerien auch mit Vertretern des Deut- mängelt, dass diese Themen dort völlig ausgeblendet schen Instituts für Menschenrechte geführt werden. worden sind. Können Sie uns erklären, aus welchem Grund die Bundesregierung diese Themen in dem Ent- Im Hinblick auf die im Gutachten geäußerte Kritik wurf nicht behandelt? am Verhalten einzelner EU-Staaten – das war ja der we- sentliche Aspekt Ihrer Frage – ist die Bundesregierung zu einer Stellungnahme deshalb nicht imstande, weil ihr Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dazu keine eigenen nachprüfbaren Informationen vorlie- minister des Innern: gen. Wir vertrauen insoweit auf die Tätigkeit der EU- Es handelt sich hier um eine indikative, nicht um eine Kommission und der zuständigen Behörden in den be- (B) abschließende und schon gar nicht um eine verbindliche treffenden Ländern. (D) Aufzählung. Es ist, glaube ich, selbstverständlich, dass jedes Land, das sich mit einem eigenen Aktionsplan be- teiligt, die aus seiner Sicht wichtigen Akzente setzt. Das Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ist uns, wie wir glauben, auch vor dem Hintergrund der Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr. geschichtlichen Situation und der aktuellen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland, sehr gut gelungen. In- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sofern sehen wir hier kein Defizit. Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär Altmaier, in dieser Studie gibt es relativ deutliche Be- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: züge auf die Europäische Menschenrechtskonvention wie auch auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Eine der Frau Kollegin Zimmermann, Sie haben eine Zusatz- strittigsten Thesen sagte ja aus – diese These war zumin- frage. dest strittig, solange es diese Studie noch nicht gab –, dass das Refoulement-Verbot auch auf hoher See gilt. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Nun haben Sie gesagt, die Bundesregierung überprüfe Danke, Frau Präsidentin. – Ich habe dazu eine Nach- das Gutachten. Wann können wir beispielsweise zu die- frage. Es existieren ja sogenannte Guidelines bzw. Eck- ser Fragestellung ein Ergebnis erwarten? Wann werden punkte zur Erstellung eines nationalen Aktionsplans. Sie beurteilen, ob die Studie rechtlich richtig ist? Warum entspricht der Entwurf der Bundesregierung in keiner Weise den hier vorgeschlagenen Eckpunkten? Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister des Innern: Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Soweit es sich um die rechtlichen Probleme handelt, minister des Innern: können Sie davon ausgehen, dass wir dies in der gebote- Diese Frage kann ich nicht beantworten; denn nach nen Gründlichkeit, aber auch in der gebotenen Schnel- unserer festen Auffassung orientiert sich der Entwurf ligkeit tun. Ich kann mich nicht auf eine oder zwei Wo- sehr wohl an diesen Eckpunkten. Das wird auch im Duk- chen festlegen; aber ich gehe davon aus, dass wir bis tus des Entwurfes ausgesprochen deutlich. Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres zu einem Ergebnis kommen werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen nun zur Frage 29 des Kollegen Omid Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nouripour: Ihre zweite Zusatzfrage. 12702 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): liegen und von diesen unter Einhaltung der entsprechen- (C) Herzlichen Dank. – Meine zweite Frage bezieht sich den Verpflichtungen wahrgenommen werden müssen. auf die Schnelligkeit, die Sie angesprochen haben. Dabei Was Deutschland angeht, so sind die Sicherung und geht es dann vielleicht doch um einen Zeitraum von zwei der Schutz von Flüchtlings- und Menschenrechten inte- bis drei Monaten. Sie haben auf eine von mir gestellte grale Bestandteile der Ausbildung der Bundespolizei. mündliche Frage am 13. Juni ausgeführt, dass die Ver- Dies gilt im Besonderen auch für diejenigen Angehöri- pflichtungen des Völkerrechts, insbesondere des interna- gen der Bundespolizei, die im Rahmen von Operationen tionalen Seerechts und des Flüchtlingsrechts, unbedingt der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX außer- einzuhalten seien. Was ist vor dem Hintergrund der Ka- halb des deutschen Hoheitsgebietes eingesetzt werden, tastrophe im Atlantik mit mehr als 45 Toten in einem etwa auf See, wie dies bei der Operation Nautilus der Boot, von der wir heute gehört haben, seit dem 13. Juni Fall war. bis heute seitens der Bundesregierung konkret unter- nommen worden? Die europäische Agentur selbst unterstützt die Mit- gliedstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenz- Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- schutzbeamten und legt unter anderem gemeinsame nister des Innern: Ausbildungsnormen fest. Bei diesen gemeinsamen Aus- Zum einen ist die Antwort auf Ihre damalige Frage un- bildungsnormen spielt der Schutz der Menschenrechte in eingeschränkt richtig: Diese Verpflichtungen sind einzu- den Lehrplänen von FRONTEX eine tragende Rolle. halten, von den zuständigen Stellen in allererster Linie Dies gilt sowohl für den Bereich der Fortbildung, spezi- des jeweiligen Mitgliedstaates. Sie sind auch dann einzu- ell für die schnellen Eingreifteams, die sogenannten halten, wenn beispielsweise Angehörige der Bundespoli- RABITs, die wir unter deutschem Vorsitz in einem Be- zei oder der deutschen Polizei etwa an Einsätzen im Rah- schluss der Europäischen Union eingerichtet haben und men der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX die für schnelle Einsätze zur Verfügung stehen, als auch teilnehmen. Sie wissen, dass es solche Einsätze gegeben für das neue FRONTEX -Arbeitsprogramm für das Jahr hat. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem einem deutschen 2008. Teilnehmer an solchen Einsätzen von wem auch immer in irgendeiner Weise der Vorwurf gemacht worden wäre, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: dass er solche Verpflichtungen nicht eingehalten hätte. Haben Sie eine Zusatzfrage? Insofern hat die Bundesregierung an dieser Stelle keinen Grund zu irgendeiner Form von Selbstkritik. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Altmaier, von Ihnen ist ausgeführt (B) Das, was Sie im Hinblick auf die tragischen Vor- (D) kommnisse der letzten Tage ansprechen, bestätigt das, worden, dass es bisher keinerlei Vorwürfe gegen deut- was ich vorhin gesagt habe: Sie werden verstehen, dass sche Beamte im Rahmen der FRONTEX-Einsätze gebe. die Bundesregierung nicht imstande ist und es für falsch Etwas anderes wollte ich nicht behaupten. hält, sich vor dem Hintergrund von Presseveröffentli- Nichtsdestotrotz: Wenn man sich beispielsweise im chungen über die Frage zu äußern, ob und in welcher Internet auf den Foren umschaut, auf denen sich diese Form andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ih- Personen austauschen, muss man feststellen, dass es rerseits ihren Verpflichtungen gerecht geworden sind. Sie große Unklarheiten die Aufgabenstellung betreffend selbst haben darauf hingewiesen, dass alle Mitgliedstaa- gibt, dass es auch große Unklarheiten mit Blick auf das ten der Europäischen Union Unterzeichnerstaaten der Europäische Parlament gibt, Stichwort demokratische Europäischen Menschenrechtskonvention sind. Darin Kontrolle und Transparenz dessen, was FRONTEX sind entsprechende Rechtsschutzmechanismen vorgese- macht. hen. Es gibt die Verantwortlichkeit der Europäischen Kommission in Brüssel als Hüterin der europäischen Teilen Sie die Auffassung, dass auf der einen Seite die Verträge. Wir gehen davon aus, dass alle Beteiligten die- demokratische Kontrolle von FRONTEX und auf der an- ser Verantwortung gerecht werden. deren Seite die Klarheit der Aufgabenstellung für dieje- nigen, die diese Aufgaben übernehmen sollen, deutlich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: verbesserungswürdig sind? Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Nouripour: Welchen Stellenwert hat aus Sicht der Bundesregierung Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- die Ausbildung des an den EU-Außengrenzen zur Grenzsiche- nister des Innern: rung eingesetzten Polizeipersonals der EU-Mitgliedstaaten in Wir müssen diese beiden Bereiche trennen. Die Auf- Fragen des Schutzes von Menschen- und Flüchtlingsrechten? gabenstellung von FRONTEX bei den jeweiligen Opera- tionen wird im Mandat von FRONTEX festgelegt. In der Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Vergangenheit hat es Kritik daran gegeben, dass die Ret- nister des Innern: tung von Flüchtlingen in diesem Mandat nicht explizit Die Frage 30 schließt sich in gewisser Weise an die als Ziel der Operation festgelegt ist. Das schließt aber vorherige Frage an. Hierzu kann ich Ihnen sagen, dass nicht aus – ganz im Gegenteil –, dass Menschen, die sich man zunächst einmal klarstellen muss, dass der Schutz in Not oder sogar Lebensgefahr befinden, von und die Sicherung der Außengrenzen natürlich in der FRONTEX-Mitarbeitern gerettet werden. Dies ist aus- originären Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten drücklich klargestellt worden. Ich habe das auch in der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12703

Parl. Staatssekretär Peter Altmaier (A) letzten Sitzung des Innenausschusses noch einmal aus- sie auf Arbeitsebene tun kann, um in den zuständigen (C) drücklich ausgeführt. Gremien etwa der Europäischen Union an dieser Arbeit mitzuwirken. Das Zweite ist die Frage, ob ein solcher Das gilt im Übrigen für alle: In einer Situation, wo Verstoß tatsächlich vorliegt. Das kann man – das ist Gefahr für Leib und Leben von Personen besteht, müs- nachvollziehbar – erst nach einer solchen Prüfung ent- sen alle die gebotene Hilfe leisten. Dies wird selbstver- scheiden. Wenn ein solcher Verstoß vorliegt, stellt sich ständlich auch von FRONTEX getan, ohne dass das im selbstverständlich die Frage, was man tun kann, um ihn Mandat explizit formuliert werden muss. abzustellen. Die zweite Frage richtet sich auf die parlamentarische Sie werden verstehen, dass – das möchte noch einmal Kontrolle von FRONTEX durch die zuständigen Gre- ganz deutlich sagen – sich die Bundesregierung an einer mien der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Vorverurteilung von Mitgliedstaaten der Europäischen Wie Sie wissen, informiert die Bundesregierung, so oft Union, die allesamt Rechtsstaaten sind und die Europäi- dies gewünscht wird und so oft Anlass dazu besteht, das sche Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben, Parlament hier in Deutschland über die Tätigkeit von nicht beteiligen möchte. FRONTEX und über den Ablauf von Missionen. Ich habe auch im Europa-Ausschuss, dem Sie angehören, mehrfach zu dieser Problematik vorgetragen. Im Übri- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gen wird im Europäischen Parlament ebenfalls über Wir kommen zur Frage 31 des Kollegen Hans- diese Fragestellungen debattiert und diskutiert. Christian Ströbele: Wie entsprachen die Bundesregierung bzw. nachgeordnete Ich gehe davon aus, dass nicht zuletzt das Inkrafttre- Behörden einer Anfrage von US-amerikanischen Behörden ten des Änderungsvertrages, der maßgeblich unter deut- aus dem ersten Halbjahr 2002, anhand einer mitgesandten Da- scher Präsidentschaft auf den Weg und voran gebracht tensammlung mit circa 200 Namen und Fingerabdrücken von worden ist, dazu beitragen wird, dass die parlamentari- Guantánamo-Häftlingen zu überprüfen, ob Erkenntnisse zu diesen Personen bei deutschen Behörden vorliegen, und zu sche Legitimation und Kontrolle erheblich verstärkt wer- wie vielen Personen dieser Liste sind Erkenntnisse an US- den können. amerikanische Behörden übermittelt worden?

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? nister des Innern: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Ströbele, ich Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kann Ihre Frage wie folgt beantworten: Der Legal Atta- ché des FBI an der US-Botschaft in Berlin hat dem Bun- (B) Ja, ich habe noch eine Frage zu dem, was Sie über die (D) Flüchtlingsschutzmechanismen in den einzelnen Mit- deskriminalamt mit Schreiben vom 22. März 2002 eine gliedstaaten gesagt haben. Herr Staatssekretär Altmaier, CD mit 197 Fingerabdrucksätzen von auf Guantánamo Sie erwähnten, das sei eine nationale Angelegenheit. Das Bay festgehaltenen Personen mit der Bitte übersandt, stimmt. diese mit den beim BKA gespeicherten Fingerabdrücken zu vergleichen. Das BKA hat dem FBI mit Schreiben Gleichzeitig haben wir die Situation, dass Menschen- vom 5. April 2002 mitgeteilt, dass im BKA identische rechtsverletzungen von Beitrittskandidaten richtiger- Fingerabdrücke zu drei der übermittelten Fingerabdruck- weise sehr stark und sehr häufig von der Bundesregierung sätze vorliegen. und Deutschland auch in der Öffentlichkeit angesprochen werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir haben derzeit massive Vorwürfe von Pro Asyl auf Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte. dem Tisch liegen betreffend Menschenrechtsverletzun- gen gegenüber Flüchtlingen sowohl auf See als auch in Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Aufnahmelagern in Griechenland. Gibt es dazu Aktivitä- NEN): ten der Bundesregierung in Richtung der griechischen Herr Staatssekretär, ist von deutscher Seite lediglich Administration, oder sind Menschenrechtsverletzungen diese Information an die US-Behörden weitergegeben nicht mehr ansprechbar, wenn ein Land in die EU hi- worden, oder sind darüber hinaus Informationen über neingekommen ist? weitere vorliegende Erkenntnisse über die drei Identifi- zierten mitgeteilt worden, und wenn ja, welche Erkennt- Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nisse? nister des Innern: Herr Kollege, Sie vermischen zwei Dinge: Das eine Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- sind die Vorwürfe, die auf dem Tisch liegen. Diese müs- nister des Innern: sen selbstverständlich geprüft werden. Ich gehe davon Herr Kollege Ströbele, es liegt in der Natur der Sache, aus, dass die dazu berufenen nationalen und europäi- dass im Rahmen der internationalen Polizeizusammenar- schen Institutionen diese Vorwürfe sehr ernsthaft prüfen beit nach Erkenntnissen gefragt worden ist, die zu diesen werden. Das gilt sowohl für das Land, dem eine solche Personen vorliegen. Bei uns ist geprüft worden, welche Verletzung vorgeworfen wird, als auch für die Einrich- Erkenntnisse vorliegen und aufgrund welcher Erkennt- tungen der Europäischen Union, insbesondere die Euro- nisse in Deutschland eine erkennungsdienstliche Be- päische Kommission. Die Bundesregierung tut alles, was handlung stattgefunden hat. Sie können davon ausgehen, 12704 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Parl. Staatssekretär Peter Altmaier (A) dass über solche Erkenntnisse mit den amerikanischen Einmal zur Klarstellung: Seit dem Jahr 2000 ist der (C) Kollegen gesprochen worden ist. Ich bitte um Verständ- Strom um 50 Prozent teurer geworden. Das bedeutet für nis, dass ich Einzelheiten dazu an dieser Stelle nicht mit- eine Familie jährliche Mehrkosten in Höhe von 300 bis teilen kann. 500 Euro. Die vier Konzerne dagegen haben seit 2000 einen Profit von 90 Milliarden Euro gemacht; allein im Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: letzten Jahr waren es 17,2 Milliarden Euro. Renditen von 20 bis 30 Prozent bei Produkten der Daseinsvor- Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege. sorge sind mit nichts zu rechtfertigen. Das ist Diebstahl per Steckdose. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): (Beifall bei der LINKEN) Herr Staatssekretär, ist die Übermittlung von weiteren Ich frage die Bundesregierung: Wann gedenken Sie Erkenntnissen an die US-Behörden an Bedingungen ge- diesem Treiben ein Ende zu machen? Wann werden Sie knüpft worden, etwa, dass, wenn den betroffenen Perso- wirksam in das Energiekartell eingreifen? Wie lange soll nen in Guantánamo diese Erkenntnisse vorgehalten wer- diese Abzocke noch dauern? Heute ist es der Strom, den, keine Folter angewandt werden darf und keine morgen das Wasser, und übermorgen nehmen sie uns die folterähnlichen Bedingungen herrschen dürfen? Luft. Die Bundeskanzlerin wünscht sich eine transparente Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Preispolitik. Schön, aber davon sinken die Strompreise nister des Innern: nicht. Ich sage: Handeln Sie endlich! Sie wissen seit ei- Herr Kollege Ströbele, soweit mir bekannt ist – Sie nem Jahr von den Missbrauchsvorwürfen und handeln wissen, dass sich dieser Vorgang nicht unter der Verant- nicht. Fakt ist: Bisher haben Sie das Energiekartell nur wortung dieser Bundesregierung abgespielt hat –, gab es unterstützt. Ich hätte gedacht, dass jemand von der Re- keinerlei Anzeichen dafür, dass die Erkenntnisse, die gierungsbank heute hierzu Stellung nehmen würde. übermittelt worden sind, in irgendeinem Zusammenhang mit der Ausübung oder Anwendung von Folter stehen Sie haben die Strompreiskontrolle abgeschafft. Sie würden. fördern eine Kraftwerksplanung, die die Macht des Stromkartells für die nächsten 40 Jahre zementiert. Die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: EU-Kommission hat erkannt, dass man die Kartellstruk- turen zerschlagen soll. Was machen Sie? Sie sind auch in Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs diesem Fall schlauer als der Papst und blockieren mit und der Fragestunde. Herr Staatssekretär Altmeier, ich (B) dem Kanzlerinnenveto die Kommission in ihrer Absicht. (D) danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. CDU, CSU und SPD zeichnen sich vor allem durch ei- Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf: nes aus: In dem Maße, in dem ihre soziale Verantwor- tung sinkt, steigen die Strompreise. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Vielleicht liegt das auch daran, dass man bei den Christ- oder Sozialdemokraten Karriere machen kann, Haltung der Bundesregierung zu den durch wenn man vorher fleißig für Energiekonzerne tätig war. die Bundeskartellbehörde festgestellten Preis- Oder war es umgekehrt? Erst wenn man bei der SPD und Marktabsprachen der vier großen deut- war, kommt man bei RWE, der Ruhrkohle AG und Eon schen Stromkonzerne unter. Wirtschaftsminister Glos war jahrelang bei Eon Als erstem Redner erteile ich nun das Wort dem Kol- Bayern im Beirat. Herr Clement ist im RWE-Aufsichts- legen Hans-Kurt Hill für die Fraktion Die Linke. rat, und sein Vorgänger, Herr Müller, hat gerade als Vor- sitzender der Ruhrkohle AG mit dem Steinkohleausstieg (Beifall bei der LINKEN) ein Milliardengeschäft eingeläutet, und das Ganze auf Kosten der Steuerzahler. Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genauso ist es!) Sehr verehrte Damen und Herren! Der Spiegel erklärte am Montag RWE, Eon, Vattenfall und EnBW zum Kar- Tatsache ist, dass die Strompreise trotz anderer Ver- tell der Abkassierer. Er bezieht sich auf ein 30-seitiges lautbarungen und Versprechungen der Regierung immer Papier der Bundeskartellbehörde. Danach haben diese schneller steigen. Manche Bürgerinnen und Bürger Konzerne den Strommarkt jahrelang schamlos miss- könnten auf die Idee kommen, dass es da einen Zusam- braucht. Führende Manager sollen sich in geheimen Zir- menhang gibt. Vielleicht sollte zukünftig auf der Strom- keln abgesprochen haben, sensible Marktdaten und Stra- rechnung die Nähe einzelner Bundestagskollegen zum tegien wurden ausgetauscht, Absprachen zum Vorgehen Energiekartell ausgewiesen werden oder die Konzern- auf den Strom- und Gasmärkten wurden getroffen. Der nähe auf dem Stimmzettel zur Wahl. Marktpreis für Strom soll maßgeblich beeinflusst wor- (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist den sein. Wie ernst diese Vorwürfe sind, hat das Bundes- peinlich!) kartellamt am Montag in der Anhörung des Wirtschafts- ausschusses bestätigt. Eines ist aber klar: So geht es nicht weiter. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12705

Hans-Kurt Hill (A) (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: (C) Schön wär’s!) Bitte halten Sie uns jetzt nicht noch einen Vortrag über die Kartellrechtsnovelle. Denn sie wird – wie andere und das ist ein bedeutender Unterschied. Auch für die Dinge auch – keine Auswirkungen haben und nicht zu deutsche Wirtschaft gilt: In dubio pro reo. Anders sollten Strompreissenkungen führen. wir es nicht handhaben. Aber natürlich fällt Ihnen das schwer. Statt mit ernsthaften Argumenten in die Sachdis- (Klaus Barthel [SPD]: Was sagt denn jetzt der kussion einzusteigen, zetteln Sie lieber Ihre üblichen Papst dazu?) Schlammschlachten an, bei denen Sie Gelegenheit ha- Ich sage Ihnen: Die Linke fordert ganz konkrete ben, Ihre Verschwörungstheorien zu verbreiten. Schritte: Erstens: Zerschlagung des Energiekartells. Die (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wir werden Konzerne müssen entmachtet werden. einmal sehen, wenn die Indizien entdeckt (Franz Obermeier [CDU/CSU]: Enteignet, ja!) sind!) – Genau so, Herr Obermeier. – Die Energieversorgung Als Populismusweltmeister, der Sie sind, fällt Ihnen gehört in die Hand der Kommunen. substanziell grundsätzlich sowieso nichts ein. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Preisabspra- Zweitens: wirksame Preisaufsicht über Strom- und chen sind sehr real!) Gastarife und ein Klagerecht von Verbraucherschützern. Sie wittern Verrat, unheimliche Mächte und unterstellen (Beifall bei der LINKEN) den Menschen grundsätzlich etwas Falsches, schon gar Drittens: verpflichtende Sozialtarife für private Haus- nicht, dass sie sich selbst helfen können; das fällt Ihnen halte mit geringem Einkommen und Anhebung der nicht ein. Sie möchten wieder zurück zur VEB Strom Hartz-IV-Sätze. und Gas. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN) Viertens: Offenlegung der Stromhandelspreise, um Missbrauch durch Energieversorger zu unterbinden. Wir wollen keine Verstaatlichung, Herr Hill, wie Sie es Fünftens – ich sage Ihnen das immer wieder –: die Über- gerade gesagt haben. führung der Stromnetze und Gasnetze in die öffentliche (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Was Sie sagen, Hand. Ich verspreche Ihnen, wir werden Sie so lange vor hören die Stadtwerke natürlich gern!) (B) uns hertreiben, bis Sie diese Forderungen erfüllt haben. (D) Wir wollen keine sozialistische Gleichmacherei. Wir Vielen Dank. wollen auch keinen staatlichen Dirigismus, mit dem Sie (Beifall bei der LINKEN) – das haben Sie bewiesen – ein Land zugrunde gerichtet haben, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Sie wollen die Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs Stadtwerke abschaffen!) für die CDU/CSU-Fraktion. wofür die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland heute (Beifall bei der CDU/CSU) noch bluten müssen. Für Ihre sozialistische Gleichma- cherei müssen wir heute noch bluten. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): (Zurufe von der LINKEN) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn ich der Linken so Ich habe auch keine Lust, mir Ihre Gruselkabinettvor- zuhöre, dann kriege ich noch mehr graue Haare, als ich schläge aus der prästalinistischen Zeit hier weiter anzu- schon habe; denn Sie gehen einfach hin und behaupten, hören. dass das, was im Spiegel steht, so stimmt, dass das Tatsa- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei chen sind. Ich zitiere: der LINKEN – Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Der Vorsitzende der Monopolkommission – sagt Wo sind denn die Sachargumente?) Ihnen etwas, Herr Jürgen Basedow – hat heute Meine Damen und Herren, die Monopolkommission Morgen bekräftigt, dass ihm keine Tatsachen be- hat gestern ihr Sondergutachten zum Energiesektor vor- kannt sind, die den Vorwurf der Preisabsprache be- gelegt. Die Kommission bemängelt, dass auf den Märk- weisen. ten der leitungsgebundenen Energieversorgung kein – Ich halte mich da lieber an Fakten als an irgendwelche funktionierender Wettbewerb entsteht bzw. vorhanden Artikel im Spiegel; tut mir leid. ist. Da hat sie recht. Wir sind aufgefordert, dafür zu sor- gen, dass da so viel Wettbewerb wie möglich hinein- (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Mal sehen, wie kommt. Damit haben wir mit der GWB-Novelle begon- nah die den Konzernen sind!) nen. Das ist genau der richtige Weg. Wir müssen seriös Gegenwärtig befinden Sie sich ausschließlich im an die Sache herangehen und dafür sorgen, dass auf die- Reich der Vermutungen, sem Sektor endlich so viel Wettbewerb wie möglich ent- 12706 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Dr. Michael Fuchs (A) steht. Die Große Koalition ist sich hier ihrer Verantwor- Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die Unterneh- (C) tung voll und ganz bewusst. men Strompreise haben, die sie wettbewerbsfähig ma- chen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Bundeskanzlerin hat gestern auf dem Steinkohle- Wir brauchen eine konsequente europaweite Liberali- tag in Essen völlig zu Recht gesagt, dass wir einen breit sierung der Strom- und Gasmärkte. Das ist eine der Vo- gefächerten Energiemix brauchen. Zu diesem Energie- raussetzungen dafür, dass wir die Monopole in diesem mix gehören erneuerbare Energien, dazu gehören ver- Bereich, die es überall gibt, knacken. Daran müssen wir nünftig funktionierende Gaskraftwerke, und dazu gehö- arbeiten, und das tun wir gemeinsam. ren moderne Kohlekraftwerke. Wir dürfen auch die Wir müssen uns auch noch einmal mit der Leipziger Braunkohle, die einzige natürliche Ressource, die wir in Börse beschäftigen; denn die Leipziger Börse wird zum Deutschland haben, nicht außer Acht lassen. Wichtig ist Teil von vier Oligopolisten gefüttert. Da muss man über- außerdem, dass wir die Kernkraftwerke nicht abschalten, legen, ob der Angebotsbereich richtig funktioniert, ob da (Franz Obermeier [CDU/CSU]: So ist es!) genügend Angebot ist. Das ist zu untersuchen; wir wer- den das tun. sondern die günstigste, sauberste und in Deutschland ne- benbei auch sicherste Technologie erhalten. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir marktwirtschaftliche Preise in diesem Sektor haben, wo- Vielen Dank. bei wir fairerweise immer akzeptieren müssen, dass ein (Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae Großteil der Preiserhöhungen, die Sie eben erwähnt ha- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? ben, Herr Kollege Hill, Die günstigste Technologie ist sie aber nicht!) (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Vom Himmel gefallen ist!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: vom Jahre 2000 bis heute staatlich induziert ist. Die Das Wort hat nun die Kollegin Gudrun Kopp für die Stichworte lauten: EEG, KWK etc. FDP-Fraktion. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gudrun Kopp (FDP): Aber die jetzige Erhöhung doch nicht, oder? – [Hamm] [CDU/CSU]: Ich Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! sage nur: Ökosteuer!) Schon der Titel der heutigen Aktuellen Stunde ist nicht korrekt. Wir sollten fairerweise zugeben: 40 Prozent des (B) (D) Strompreises sind staatliche Steuern und Abgaben. Das (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Linke und sollten auch Sie zugeben. Sie wollen das ja auch. Sie Korrektheit? Das gab es doch noch nie!) wollen den staatlichen Anteil sogar weiter erhöhen. Die Linke spricht von „festgestellten Preis- und Markt- Denn in dem Moment, in dem man die Kernkraftwerke absprachen“. Ich kann nur davor warnen, irgendwelche abschaltet – auch das fordern Sie permanent –, Dinge als „festgestellt“ zu deklarieren. Es sind – das ist (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Ja!) übrigens schlimm genug – vermutete Preisabsprachen, also Hinweise, die dringend geprüft werden müssen. Es werden die Strompreise steigen. muss festgestellt werden, ob es an dem ist oder nicht. Seien Sie mit Ihrem Populismus also bitte ein bisschen (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, ja! vorsichtiger. Das behaupten Sie, und das behaupten die Energiekonzerne!) Wir haben zweifellos ein riesengroßes Wettbewerbs- problem. Das wurde auch in den Gutachten festgestellt, Haben Sie Ihren Wählern eigentlich schon einmal ge- die uns jetzt vorliegen; Herr Kollege Fuchs hat das Son- sagt, dass Sie die Strompreise erhöhen wollen? Wenn dergutachten der Monopolkommission gerade erwähnt. man die Kernkraftwerke abschalten würde, würde näm- In der Tat haben wir noch immer zu wenig Wettbewerb, lich genau das passieren. obwohl wir in bestimmten Bereichen schon vorange- (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Sie wollen kommen sind. weitere Atomkraftwerke!) Die Netze stellen nicht das Problem dar, auch das hat Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass wir markt- die Monopolkommission dargestellt. Sie hat gesagt, dass wirtschaftliche Strompreise bekommen. durch die Regulierung der Anteil der Netzgebühren von vormals 38 auf aktuell 31 Prozent gesunken ist. Immer- ( [DIE LINKE]: Die gibt es hin, auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Im nicht!) Gutachten der Monopolkommission heißt es außerdem, Wir müssen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bür- dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung zum jetzigen ger ihren Strom bezahlen können und dass die Miet- Zeitpunkt verfrüht wäre und nicht den gewünschten nebenkosten die Miete nicht übertrumpfen; diese Gefahr Push zur Schaffung von mehr Wettbewerb zur Folge besteht nämlich sehr wohl. hätte. Ich finde, auch das sollten wir beachten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber Selbstverständlich stellt sich die Frage, was zu tun ist. was tun Sie denn dagegen?) Das Hauptproblem besteht darin, die Erzeugung mög- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12707

Gudrun Kopp (A) lichst so zu strukturieren, dass viele neue Anbieter auf zen wollen, dann brauchen wir diese Kontrolle, und die (C) den Markt kommen. Darauf müssen wir setzen. Hier Wettbewerbshüter Nummer eins, das Bundeskartellamt, sind wir in wettbewerblicher Hinsicht gefordert, nicht müssen uns diesen Stellenaufwuchs wert sein. staatlich-zentralistisch, Herr Kollege Hill. Das ist der völlig falsche Weg. Insofern kann ich nur sagen: Wir sind insgesamt auf einem recht guten Weg. Wir sind aber längst nicht weit Wenn man über Preisabsprachen spricht, muss man genug. Wir haben noch vieles an kleineren und größeren berücksichtigen: Zwei Drittel der Erzeugungskapazitä- Maßnahmen auf den Weg zu bringen, und wir müssen ten liegen bei den Konzernen RWE und Eon. Diese bei- dies mit Konsequenz tun und nicht mit Populismus. Die den Konzerne haben natürlich Möglichkeiten, Einfluss Bürger merken das nämlich, und dann müssen Sie den zu nehmen. Bürgern erklären, warum ihre Strom- und ihre Gasrech- nung ständig steigen. Daran müssen wir arbeiten: den (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Das haben sie Wettbewerb stärken und auf gar keinen Fall in Richtung abgestritten!) Staat arbeiten. Es hat sich häufig genug gezeigt, dass im- Von daher ist es sehr wichtig, auf mehr Wettbewerb zu mer mehr Staat immer mehr Probleme bringt. setzen und dafür zu sorgen, dass mehr Erzeuger auf dem Vielen Dank. Markt sind. Ich kann nur immer wieder sagen: Die Ka- pazität der Grenzkuppelstellen muss dringend erweitert (Beifall bei der FDP – Hans-Kurt Hill [DIE werden; darauf müssen wir ein Auge haben. Wir brau- LINKE]: Was der Liberalismus bringt, sehen chen neue Anbieter, wenn wir mehr Wettbewerb schaf- wir ja!) fen und die wechselwilligen Strom- und Gaskunden wei- terhin zum Wechsel ihres Anbieters motivieren wollen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das ist aber längst nicht alles. Der Kollege Fuchs Nächster Redner ist nun der Kollege Rolf sprach die Börse an. Hier brauchen wir Regeln für mehr Hempelmann für die SPD-Fraktion. Transparenz. Wir müssen mehr über die Stillstandszeiten der Kraftwerke erfahren. Diese Daten müssen zeitnah Rolf Hempelmann (SPD): zur Verfügung stehen, damit es weniger Möglichkeiten Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! gibt, direkt Einfluss zu nehmen. Wir haben eine Aktuelle Stunde, deren Thema – das ha- Auch das ist absolut erforderlich. Aber, Herr Kollege ben wir eben gehört – von dem Einbringer nicht ganz Fuchs, am Montag haben wir bei der Anhörung zur korrekt wiedergegeben worden ist. In dem Zeitungsbe- GWB-Novelle gehört, dass das, was Sie vorhaben, allen- richt, um den es geht, wurde nicht festgestellt, dass es (B) falls Placebos sein werden und nicht den gewünschten Preisabsprachen gegeben habe, sondern es wurden Ver- (D) Erfolg haben wird. dachtsmomente geschildert, für die es gleichwohl – das sage ich auch – starke Indizien gibt. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Zuruf von der LINKEN: Aha!) Es gibt natürlich einige Elemente der Novelle, die man Es stimmt: Die SPD-Fraktion hat die Anhörung am durchaus erwägen kann, etwa die Beweislastumkehr. Montag genutzt, um den Präsidenten des Bundeskartell- Aber das, was Sie sich von der Novelle erhoffen: sektor- amts zu fragen: Gab es geheime Absprachen zwischen spezifisch, also für eine Branche, eine Wettbewerbsnorm Energieunternehmen? Sind sensible Geschäftsgeheim- einzuführen, und dies auch noch zeitlich befristet, bis nisse ausgetauscht worden? Gab es Preisabsprachen? 2012, das ist Theorie und hat mit der Praxis nichts zu Herr Heitzer hat in dieser Sitzung von starken Indizien tun; das hat die Anhörung am vergangenen Montag noch gesprochen. Er hat aber ausdrücklich festgestellt, dass es einmal erbracht. bisher keine Beweise im juristischen Sinne gebe. Inso- fern sollten wir sagen: Grundlage unserer Debatte Wichtig ist uns als FDP-Bundestagsfraktion die Stär- kung des Bundeskartellamtes. Wir haben immer gesagt: (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Vermutun- Markt braucht Regeln, und es muss auch überprüft wer- gen!) den, dass die Regeln eingehalten werden. über den Wettbewerb auf dem deutschen Strom- und (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gasmarkt sollte vor allen Dingen das sein, was in Gut- NEN]: Ja! Guten Morgen!) achten festgestellt worden ist, mit denen wir uns ja vor und in der Anhörung am Montag befasst haben. Wir haben im Wirtschaftsausschuss gerade verschiedene Anträge beraten. Wir haben – andere Fraktionen auch – Wir hätten uns gewünscht, dass das Gutachten der noch einmal den Antrag eingebracht, die Zahl der Stel- Monopolkommission nicht gestern, sondern einen Tag len beim Bundeskartellamt erheblich zu erhöhen, und früher vorgestellt worden wäre. In ihm kommt eines sehr zwar um circa 20. Dieser Stellenaufwuchs finanziert sich deutlich heraus: Ja, in der Tat, wir haben noch keinen zu- durch die hohen Bußgeldeinnahmen, die das Bundeskar- friedenstellenden Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt. tellamt hat, von selbst; das ist eigentlich ein Win-win- Das ist der erste Teil der Nachricht. Der zweite Teil: Spiel. Leider haben die Regierungsfraktionen dieses An- Aber die Situation hat sich in den letzten Jahren durch sinnen abgelehnt. Wenn wir den Wettbewerb stärken das Tätigwerden von Politik deutlich verbessert. Mit wollen und wenn wir die Regeln dafür entsprechend set- „Tätigwerden von Politik“ meine ich zum Teil die rot- 12708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Rolf Hempelmann (A) grüne Bundesregierung, zum Teil aber auch die jetzige Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen und auch (C) Große Koalition. kritische Stimmen; das ist klar. Niemand hat uns aber ein anderes Instrument genannt, das ähnlich kurzfristig Wir- Die Monopolkommission verweist ausdrücklich da- kungen entfalten kann. Deswegen wird die Koalition rauf, dass es gut und richtig war, etwa die operationelle diese GWB-Novelle mit dem einen oder anderen Beden- und rechtliche Entflechtung vorzunehmen, und dass das ken im Detail zeitnah verabschieden. Ich denke, dass wir dazu geführt hat, dass es hinsichtlich eines diskriminie- uns noch in dieser Woche inhaltlich verständigen kön- rungsfreien Netzzuganges Fortschritte gegeben hat und nen. dass die Zahl der Wechsel von Lieferanten gesteigert wurde. Man sollte das zur Kenntnis nehmen und sich Von daher: Ja, wir sind auf dem Weg. Ja, die Vor- darüber freuen. würfe, die im Spiegel verbreitet worden sind, sind ernst zu nehmen. Zunächst einmal sind es aber Vorwürfe. Die Monopolkommission sagt auch, dass die von uns Sollten sie sich bestätigen, dann wird das sicherlich nicht gegründete Bundesnetzagentur eine gute Arbeit macht, nur Schadensersatzforderungen gegenüber den Unter- und zwar insofern – das ist eben schon angeklungen –, nehmen zur Konsequenz haben. Lassen Sie uns ansons- als das Netz eben keine Wettbewerbsbarriere mehr ist ten bei unserer Arbeit bleiben. Ich denke, wir sind auf ei- und wir hier auf einem sehr guten Weg sind. Sie macht nem guten Weg. aber auch darauf aufmerksam – das ist auch in den Stel- lungnahmen am Montag deutlich geworden –, dass wir (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) hier noch sehr viel mehr tun müssen. Die Monopolkom- mission nennt Stichworte. Ich sage dazu, dass manches Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: von dem, was sie vorschlägt, von der Politik schon auf Nun hat die Kollegin Kerstin Andreae für die Frak- den Weg gebracht wird. tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Die Verbesserung des Zugangs zum Gasnetz hinkt der Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verbesserung des Zugangs zum Stromnetz in der Tat Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und hinterher. Gerade in jüngster Zeit ist die Bundesnetz- Herren! Herr Fuchs und Herr Hempelmann: Sie fragen agentur hier aber vorangegangen. Wir dürfen damit rech- ernsthaft, ob es richtig ist, von Preisabsprachen und kar- nen, dass sich die Situation gerade hier zeitnah verbes- tellmäßigem Vorgehen zu sprechen? sert. Oder die Beseitigung von Netzengpässen: Wir haben ein Infrastrukturbeschleunigungsgesetz verab- Der Spiegel-Artikel fußt auf einem 30-seitigen Be- schiedet, bei dem wir feststellen, dass wir das eine oder richt des Kartellamtes. Wenn Sie gestern die Sendung andere noch weiterentwickeln müssen, um zu tatsächli- (B) Frontal 21 im Fernsehen gesehen haben, dann wissen (D) chen Beschleunigungen im Genehmigungs- und Pla- Sie, dass dort aus diesem Bericht zitiert wurde. Die Liste nungsverfahren zu kommen. Da sind wir dran. der Vorwürfe, die hier vorgebracht wird, liest sich wie eine Liste aus dem Lehrbuch für Marktmissbrauch. Es Eine ganze Reihe anderer Dinge ist vorgeschlagen wird von Preismanipulationen und -absprachen in Ge- worden. Das gilt übrigens nicht für die eigentumsrechtli- heimzirkeln, vom Austausch sensibler Geschäftsgeheim- che Entflechtung, den Vorschlag der Linken. Das ist nisse, von detaillierten Absprachen über das Vorgehen, nicht die Politik und der Vorschlag der Monopolkom- von kartellrechtlich unzulässigen Kooperationen, von mission. keiner gegenseitigen Konkurrenz, sondern einem Unter- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das laufen des Wettbewerbs durch Absprachen und von überrascht nicht! – Weitere Zurufe der LIN- Preismanipulationen an der Strombörse gesprochen. KEN) Tun Sie mir jetzt einen Gefallen: Halten Sie sich nicht damit auf, dass die Linke vielleicht einen juristisch un- Wenn man das Ganze ein wenig nüchterner betrach- sauberen Titel für diese Aktuelle Stunde gewählt hat, tet, dann muss man feststellen: Ja, das Problem ist schon sondern gehen Sie diesen Vorwürfen nach, schauen Sie seit Jahren erkannt. Ja, es wird gehandelt. – Viele der sich an, was dort passiert, und überlegen Sie sich, was Maßnahmen, die wir bisher ergriffen haben, wirken aber Sie dagegen tun können! mittel- oder auch längerfristig; das ist nun einmal so. Wenn man Rahmenbedingungen beispielsweise für mehr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Liquidität und mehr Kraftwerke setzt, dann wirkt sich und bei der LINKEN) das erst dann auf den Wettbewerb aus, wenn diese auch Sie sagen nun, Sie brächten die GWB-Novelle auf geplant und gebaut wurden. Die Kraftwerksanschluss- den Weg. Die Anhörungen werden – das ist immer so – verordnung, die wir verabschiedet haben und die übri- sehr unterschiedlich interpretiert. Wir behaupten, dass gens auch gelobt wird, dient genau diesem Zweck. die Mehrheit der Experten bei der Anhörung gesagt hat, Meine Damen und Herren, es bleibt die GWB-No- die in der GWB-Novelle enthaltenen Maßnahmen bräch- velle. Am Montag ist deutlich geworden, dass dies die ten nichts. Dies gilt auch für die Beweislastumkehr und einzige Maßnahme ist, von der man sich eine kurzfris- den Sofortvollzug, weil wir nicht einmal wissen, welcher tige Wirkung versprechen darf. Kostenbegriff zugrunde liegt. Wie wollen Sie denn eine Beweislastumkehr hinbekommen, wenn die Unterneh- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men zwar beweisen müssen, dass die Preise korrekt sind, NEN]: Eine kontraproduktive!) aber darauf verweisen können, dass dies nicht von heute Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12709

Kerstin Andreae (A) auf morgen geht, und von daher mit den Beweisen so gieversorger zu unterbinden. Ja, das kann richtig sein. (C) lange brauchen, dass ein Sofortvollzug unmöglich ist? Wenn die jetzigen Energieversorger neue Kraftwerke bauen können, dann perpetuieren sie damit ihre Markt- Das eigentlich Kritische bei dieser GWB-Novelle ist macht. die Preisdeckelung. Wir müssen als Opposition Seit’ an Seit’ gegen Sie kämpfen, wenn Sie jetzt anfangen, Preise Dies sind drei ganz konkrete Punkte, die Sie angehen zu deckeln und damit Marktmechanismen außer Kraft zu könnten. Aber was machen Sie? Sie sprechen sich für setzen. eine Preisdeckelung durch die GWB-Novelle aus und ar- gumentieren, mit ihr habe man ein kurzfristig wirksames (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Weil Rot- Instrument an der Hand. Na, bravo! Dies zieht doch Grün nichts gemacht hat!) keine langfristigen Strukturveränderungen nach sich. Marktmechanismus heißt Preisbildung durch Angebot Hier ist diskutiert worden, dass wir Wettbewerb auf und Nachfrage, und Marktmechanismus heißt Wettbe- den Energiemärkten brauchen. werb. Mit Ihrer Preisdeckelung verhindern Sie aber den Marktzutritt von neuen Anbietern. Das ist kein Wettbe- (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Damit ha- werb. ben Sie angefangen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ja, damit haben wir angefangen. Wir haben die Libera- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) lisierung der Energiemärkte vorangebracht, wenn auch mit Webfehlern, keine Frage. Die Webfehler werden an- Überhaupt wird der Ruf nach staatlicher Preisaufsicht gegangen. Wir haben die Bundesnetzagentur, wir haben immer dann laut, wenn die Preise ansteigen. Das ist sehr die Anreizregulierung. populär; man kann dann sagen, man gehe jetzt daran und führe staatliche Preisaufsichten ein. Wir brauchen aber (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie haben Strukturveränderungen. Dazu liegen Vorschläge auf dem gar nichts vorangebracht! Nur 40 Prozent Tisch, im Übrigen aus Ihren Reihen. Die Zerschlagung Strompreiserhöhung!) bei den großen Energieversorgern kommt aus Ihren Rei- Aber wir brauchen bei der Liberalisierung auf den hen; das ist ein guter Vorschlag. Energiemärkten weitere Schritte – allerdings nicht so (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kleine wie die in der GWB-Novelle –, um Wettbewerb NEN]: Hat Herr Glos gesagt!) auf den Energiemärkten zu erreichen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wettbewerb heißt transparente Der hessische Wirtschaftsminister Rhiel hat angekün- Märkte, informierte Verbraucher, funktionierende Markt- digt, er werde im Bundesrat einen Vorschlag vorlegen. mechanismen. Wir brauchen vor allem deswegen Wett- (B) (D) Unterstützen Sie dies, bringen Sie einen eigenen Vor- bewerb, weil wir die Energiewende nur dann hinbekom- schlag ein, gehen Sie dieses Thema an! men, wenn es auf dem Energiemarkt neue Anbieter gibt. Es geht darum, wie wir Wettbewerb auf den Energie- Die alten Energieversorger – die großen Vier – sind märkten hinbekommen. Hierbei ist ein Thema, monopo- keine Verbündeten bei der Energiewende. Wir brauchen listische und oligopolistische Strukturen zu zerschlagen, neue Anbieter. Deswegen appelliere ich an Sie, Wettbe- wenn es sein muss. In diesem Fall heißt Zerschlagen, an werb zuzulassen. Wettbewerb braucht Wettbewerber, die Energieversorger heranzugehen. Dem sollten Sie aber nicht Instrumente, die den Markt zumachen. Mit der sich einmal stellen. GWB-Novelle machen Sie jedoch genau dies, und Strukturveränderungen nehmen Sie nicht in Angriff. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Zweite, das diskutiert wird, ist die Entflechtung. und bei der LINKEN) Auch hier verstehe ich Sie nicht. Ich bin davon über- zeugt, dass die Entflechtung kommen wird. Über kurz oder lang werden wir uns mit der Tatsache auseinander- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: setzen, dass die EU-Kommission eine Entflechtung bei Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner für den Übertragungsnetzen vorschreibt. Es ist richtig, bei die CDU/CSU-Fraktion. diesen Netzen eine Entflechtung vorzunehmen, weil von (Beifall bei der CDU/CSU) diesen Netzen der Zugang auf Teilmärkte abhängt. Wenn ein Energieversorger das Netz selber kontrolliert, dann kontrolliert er den Zugang zu den Märkten. Das heißt, er Julia Klöckner (CDU/CSU): kontrolliert den Zugang von anderen Anbietern, also von Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wettbewerbern, in diese Netze. Deshalb muss man hier Natürlich sind wir uns alle einig, dass erhöhte Strom- entflechten. Unterstützen Sie die EU dabei, anstatt zu preise, die die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber bremsen und auszusitzen! auch die Unternehmen belasten – Strompreiserhöhungen machen gerade den Unternehmen in energieintensiven (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Branchen wenig Spaß –, nicht sehr witzig sind. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Im Gegenteil: Steigende Energiekosten rufen in der Letzter Punkt: Die Monopolkommission hat vorge- Tat auch Politiker auf die Bühne. Ich denke, wir sollten schlagen, den Neubau von Kraftwerken durch die Ener- im Deutschen Bundestag seriös bleiben. 12710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Julia Klöckner (A) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs – Ihre Frage, wie lange noch, ist wunderbar, aber man (C) [CDU/CSU]: Dann schickt die Linke raus!) kann nicht einfach dazwischenrufen, ohne die Realität im Blick zu haben. Ich halte es nicht gerade für seriös, Presseberichte re- flexartig zum Anlass zu nehmen – wie es mehrfach der (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fall war –, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, wenn- Vier große Anbieter sind die Realität!) gleich bereits in der vergangenen Woche eine zu diesem Thema durchgeführt wurde. Das heißt, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Es stehen Vorschläge im Raum: Trennung von Netz und (Beifall des Abg. Klaus Barthel [SPD]) Produktion, Zerschlagung der Konzerne und das Verbot Ich halte es auch nicht für seriös, Presseberichte, die der Erweiterung von Erzeugungskapazitäten. Das alles Indizien enthalten, in denen aber noch keine Fakten und sind Überlegungen, über die wir sprechen müssen. Es Beweise dargelegt wurden, im Deutschen Bundestag als kann aber nicht sein, dass wir zu kurz springen und An- Beweise wahrzunehmen. Wir machen uns zum Gespött hörungen ignorieren. der Menschen, wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, sol- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen Indizien nachzugehen und die Unterlagen zu prü- NEN]: Aber das ist doch nicht neu!) fen. Ich weiß, dass Seriosität nicht gerade die Stärke der Linksfraktion ist, weil Sie auch sonst nichts vorzuweisen – Natürlich ist es nicht neu. Sie hätten das unter Rot- haben. Grün gerne machen können. (Beifall bei der CDU/CSU) (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Das können Sie doch jetzt auch machen!) Sie können davon ausgehen, dass wir bzw. die Bun- desregierung uns mit vielen klugen Menschen ans Werk Uns geht es um die Energieversorgung und Energie- machen. Damit haben wir auch schon begonnen. Aber es sicherheit in Deutschland und um die Grundversorgung hilft nicht, wenn man Forderungen erhebt, die kurzfristig in diesem Bereich. Es kann nicht unser Ansinnen sein, nicht zu Lösungen führen. unsere eigenen Unternehmen in Deutschland zu schwä- chen und zu zerschlagen und die Chancen für andere (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Das ist schon Wettbewerber aus dem Ausland zu stärken, ihrerseits seit einem Jahr bekannt! Ein Jahr ist doch größere Unternehmen zu bilden. nicht kurzfristig! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Kartellamt!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Vattenfall ist Es ist vielmehr wichtig, so vorzugehen, wie es die Bun- ein eigenes Unternehmen! – Hans-Kurt Hill (B) desregierung tut. Ich kann Sie nur auffordern, der Kar- (D) [DIE LINKE]: Sie müssen die Verbraucher tellrechtsnovelle letztendlich zuzustimmen; denn der stärken! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/ Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Glos, die Be- DIE GRÜNEN]: Sie müssen mit den Hessen weislastumkehr einzuführen, ist der richtige Weg. Das reden!) heißt, dass die Konzerne künftig begründen müssen, wa- rum sie ihre Tarife anheben. Das ist ein wichtiger Teil ei- Wichtig ist, das Kartellrecht zu stärken nes ganzen Maßnahmenbündels. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Warum ist Wettbewerb letztlich der richtige Weg? NEN]: Dann stimmt dem Antrag zu!) Wettbewerb ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für einen guten Verbraucherschutz. und die Beweislast umzukehren. und die Bundesregierung haben wichtige Schritte eingeleitet. (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wir haben Die Kraftwerks-Netzanschlussverordnung, durch die in- nichts gegen Wettbewerb, wenn wir ihn hät- nerdeutsche Netzengpässe durch befristete Zugänge von ten!) Bewerbern bzw. prioritäre Zugänge überwunden wer- Damit komme ich zu Bundesverbraucherschutzminister den. Das ist ein guter Punkt. Dass wir die anreizorien- ; denn auch der Verbraucherschutz ist ein tierte Regulierung der Netzentgelte planen, die auch ein- wichtiger Aspekt. Es geht nicht um eine Neiddebatte ge- geführt werden, ist der zweite wichtige Schritt. gen irgendwelche Konzerne, sondern darum, von den Jetzt geht es aber um die Kartellrechtsnovelle. Sie for- Verbrauchern in unserem Land auszugehen, die im Ener- dern lauthals, dass Träumereien umgesetzt werden, sind giebereich auf die Grundversorgung angewiesen sind. aber nicht bereit, den ersten Schritt zu einem längeren (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Lauf mit uns zu gehen. NEN]: Es geht um Preisbildung!) (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Bei uns in Letztlich zahlt der Endkunde die Zeche. Ahrensburg geht das!) Deshalb sagen wir ganz klar: Wettbewerb ist für uns Das ist die Wahrheit, die wir unseren Bürgerinnen und die richtige Antwort, aber erst einmal muss der Weg für Bürgern draußen im Lande mitteilen sollten. Wo Sie ge- Wettbewerb geebnet werden. fragt sind, sind Sie nicht bereit, zu springen, (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wie lange (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- noch?) NEN]: Weil es falsch ist!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12711

Julia Klöckner (A) sondern beschränken sich wieder auf Schwarzweißmale- Die Herausbildung der großen Vier ist das Ergebnis (C) rei und driften letztlich in Populismus ab. Ihrer Politik. Sie haben zugeschaut und mit der Minister- erlaubnis die Herausbildung dieser vier noch gefördert. Gehen Sie den Weg mit uns mit! Wir werden sehen, Erst dadurch konnte Eon die Ruhrgas AG schlucken. Die dass es der richtige Weg ist. Einsetzung einer Regulierungsbehörde wurde ver- (Beifall bei der CDU/CSU) schleppt. Die staatliche Preisaufsicht wurde abgeschafft, und zwar mit der Folge – auch das gehört zur Wahrheit, Frau Andreae –, dass nun die großen Vier noch einmal Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: zulangen. So will Eon die Preise zum 1. Januar 2008 Das Wort hat nun die Kollegin Ulla Lötzer für die noch einmal um bis zu 10 Prozent anheben, und alle ma- Fraktion Die Linke. chen mit. Auch das ist eine Folge der Abschaffung der (Beifall bei der LINKEN) staatlichen Preisaufsicht. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Lötzer (DIE LINKE): Bezahlbare Energiepreise oder sogar eine ökologische Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Noch Energiewende sind eben nicht das Ziel Ihrer Politik. Sie einmal kurz zu Folgendem, weil Frau Andreae und an- wollen nationale Energiechampions. Dafür nehmen Sie dere darauf schon ausführlich eingegangen sind: Das die Extraprofite der großen Vier in Kauf. Sie tun nichts Bundeskartellamt hat in der Anhörung am Montag den dagegen. 30-seitigen Bericht ausdrücklich bestätigt. Herr Heitzer hat darauf hingewiesen, dass es Indizien für Preisabspra- Frau Wöhrl, Sie haben erklärt, die Bundesregierung chen gibt. Auch die EU-Kommission geht davon aus und habe die Kartellrechtsnovelle auf den Weg gebracht. Das wird auf dieser Grundlage Schritte unternehmen. Vor der kann nicht Ihr Ernst sein. Frau Kopp hat recht: Diese Realität der Preiserhöhungen seit der Liberalisierung Kartellrechtsnovelle ist – das hat die Anhörung am können wir die Augen nicht verschließen. Sie ist so of- Montag deutlich gemacht; darin waren sich alle Sachver- fensichtlich, dass man endlich einmal genauer hin- ständigen einig – nicht die Lösung dieses Problems. Herr schauen sollte, Professor Möschel brachte es am deutlichsten auf den Punkt. Er hat gesagt, diese Novelle sei eine reine Ab- (Beifall bei der LINKEN) wehrgesetzgebung, um wirksame Maßnahmen gegen das auch auf die Folgen. Das wäre Seriosität. Kartell zu verhindern. Die Missbrauchsaufsicht des Bun- deskartellamtes setzt erst dann ein, wenn die Preise mehr Schuldnerberatungsstellen und Sozialverbände mel- als 10 Prozent von konkurrierenden, billigeren Angebo- (B) den, dass zunehmend mehr Familien mit niedrigem Ein- ten abweichen. Aber wo es keinen Wettbewerb gibt, gibt (D) kommen infolge dieser Politik der Strom abgestellt wird, es keine Abweichungen. Bei Preisabsprachen stellt sich weil sie ihn nicht mehr bezahlen können. Das heißt: Fa- erst recht die Frage, welches die Bezugsgröße für die milien ohne Kühlschrank, ohne Waschmaschine, ohne Abweichung sein soll. Was hilft dagegen die Beweislast- Kochmöglichkeit und ohne Licht, von Radio und Fern- umkehr, die Sie einführen wollen? sehen ganz zu schweigen. Diese Familien sitzen wegen dieser Preispolitik im Dunkeln, während die anderen (Beifall bei der LINKEN) Monopolgewinne in Milliardenhöhe scheffeln, so Eon Frau Merkel hat eine schärfere Gangart angekündigt allein im ersten Halbjahr 2007 5,4 Milliarden Euro. Das und – man höre und staune – Transparenz eingefordert. ist das Ergebnis Ihrer Politik bzw. Ihrer Ungleichheits- Transparenz, was den Machtmissbrauch der großen Vier politik, Herr Fuchs. und seine Folgen angeht, haben wir eigentlich genug. (Beifall bei der LINKEN – Julia Klöckner Die brauchen wir nicht. Wir brauchen Handeln gegen die [CDU/CSU]: Schwarzweiß! – Gegenruf des Macht und zur Zerschlagung der Macht der Konzerne im Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Pfui! Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und der ist „sozial“!) Wirtschaft – übrigens nicht nur der privaten –, anstatt dass wir uns länger von den Konzernen auf der Nase he- Was tun Sie von der Bundesregierung? Denen, die im rumtanzen lassen. Dunkeln sitzen, sagen Sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion, sie seien selber schuld; (Beifall bei der LINKEN) sie müssten eben besser mit ihrem Geld haushalten. Die Herr Hempelmann, die Verbraucherinnen und Ver- großen vier Energiekonzerne dagegen werden gepäppelt. braucher können nicht noch einmal zehn Jahre warten, Sie sind das Ergebnis Ihrer Liberalisierungspolitik, der um festzustellen, dass Ihre Maßnahmen nicht gegriffen Liberalisierung der Energiemärkte. haben und erst dann schärfere Maßnahmen getroffen (Beifall bei der LINKEN) werden. Jetzt ist Handeln gefragt. Herr Fuchs behauptet, die Lösung des Problems sei, die Es liegen zwar keine Entflechtungsforderungen der Liberalisierung europaweit zu forcieren. Aber dadurch Monopolkommission, wohl aber solche der EU-Kom- wird das Problem nicht gelöst, sondern auf ganz Europa mission auf dem Tisch. Hören Sie endlich auf, diese zu ausgedehnt. blockieren! Das wäre ein notwendiger Schritt. Der be- zahlbare Zugang zu Energie und die ökologische Wende (Beifall bei der LINKEN) sind eine Überlebensnotwendigkeit. Deshalb müssen 12712 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Ulla Lötzer (A) endlich Maßnahmen nicht nur gegen Kartellabsprachen, schreitender Handel aufgrund zu geringer Kapazitäten (C) sondern auch gegen die Kartellbildung selber getroffen kaum stattfindet. Sehr kritisch wird die Verflechtungs- werden. Das heißt, Rekommunalisierung, Überführung situation analysiert. des Netzes in die öffentliche Hand. Eine faire Preisgestaltung im Energiebereich bekom- (Zuruf von der CDU/CSU: Alles wieder in men wir nur, wenn wir Wettbewerb haben, liebe Kolle- Staatsbesitz!) ginnen und Kollegen von der Linkspartei, Wettbewerb in der sozialen Marktwirtschaft. Es ist bereits deutlich ge- Das heißt aber auch, als kurzfristige Maßnahme die worden, dass diese Bundesregierung für den Wettbewerb staatliche Preisaufsicht wieder einzuführen. viel getan und eine ganze Menge auf den Weg gebracht Danke. hat. (Beifall bei der LINKEN) (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Deshalb haben wir die großen Vier!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dort, liebe Kollegin Lötzer, wo es diesen Wettbewerb Nächster Redner ist nun der Kollege Manfred nicht gibt, wird es zukünftig eine verschärfte Miss- Zöllmer für die SPD-Fraktion. brauchsaufsicht geben. Das ist gut und richtig so. Die Kraftwerks-Netzanschlussverordnung wird dafür sorgen, Manfred Zöllmer (SPD): dass die Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber ge- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und senkt werden. Herren! Offensichtlich haben die großen Stromkonzerne Ich bin sehr dafür, dass wir die Anregungen der Mono- einen bekannten Werbespruch für sich in „Gier ist geil“ polkommission, die Zugänge für echte Newcomer zu ver- abgewandelt. bessern, aufgreifen. Wir sollten auch die Rolle der Stadt- (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann werke für den Wettbewerb stärker im Blick behalten. Eine [DIE LINKE]) Stärkung der Stadtwerke verbessert den Wettbewerb und liegt damit im Interesse einer wohlverstandenen Verbrau- Nachdem wir uns in der letzten Sitzungswoche mit der cherpolitik. Eine stringente Wettbewerbspolitik ist aus neuerlichen Ankündigung von Strompreiserhöhungen meiner Sicht die beste Verbraucherpolitik, die wir ma- beschäftigen mussten, die in der Tat nicht durch die Her- chen können. stellungskosten begründet wurden, geht es jetzt um den Vorwurf illegaler Preisabsprachen und Preismanipulatio- Sie von der Opposition sollten vielleicht auch einmal nen. Die Leidtragenden dieser Strategie der großen Kon- zur Kenntnis nehmen: Die Monopolkommission würdigt (B) (D) zerne sind die Verbraucherinnen und Verbraucher in zu Recht die Wettbewerbsfortschritte, die bisher erreicht Deutschland. worden sind, und stellt wörtlich fest: „Die mit der Netz- regulierung bislang gemachten Erfahrungen sind als Detailliert beschreibt der Spiegel in dieser Woche das weitgehend positiv zu bewerten.“ Nehmen Sie das als Gebaren der großen Vier, wie es sich nach Ermittlungen Opposition doch einfach einmal zur Kenntnis! durch das Bundeskartellamt und Untersuchungen durch die EU-Kommissarin vorerst darstellt. Dieses 30-seitige (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe Dossier ist nun bekannt geworden. Insgesamt geht es von der LINKEN und vom BÜNDNIS 90/DIE aber darum, 60 000 beschlagnahmte Seiten auszuwerten. GRÜNEN) Wenn sich diese Vorwürfe bestätigen, dann wäre dies in Darüber hinaus weist die Monopolkommission zu der Tat ein dreister Griff in das Portemonnaie der Ver- Recht darauf hin – ich habe das auch schon in meiner braucherinnen und Verbraucher und gleichzeitig ein un- letzten Rede gesagt –, dass uns die Entflechtungsdiskus- verzeihlicher Verstoß gegen die Grundregeln der sozia- sion nicht weiterbringt. Sie fordert, liebe Kollegin len Marktwirtschaft. Andreae, die Wirkung des Regulierungsrahmens, der In Deutschland gilt zu Recht das Prinzip der Un- erst 2005 in Kraft getreten ist – wir haben das damals ge- schuldsvermutung. Wir haben aber bereits gehört, dass meinsam auf den Weg gebracht –, abzuwarten. Das ist der Präsident des Bundeskartellamtes von deutlichen In- vernünftig. dizien spricht und den großen Unternehmen eine Mani- pulation der Preise vorwirft. Die Ermittlungsarbeit liegt In meiner letzten Rede habe ich darauf hingewiesen, bei den zuständigen Behörden. Es muss daher sehr dass die Strombörse in Leipzig ein großes Problem dar- schnell ermittelt werden, was an diesen Vorwürfen dran stellt, dass dort wenig Transparenz herrscht. Es wird nur ist. ein geringer Teil der Strommenge über die Börse gehan- delt. Dies steht in keinem Verhältnis zu der Bedeutung, Zum Gutachten der Monopolkommission ist schon ei- die dieser Preis für den Endpreis des Stromes hat. Ich niges gesagt worden. Auf 283 Seiten hat die Kommis- persönlich halte den Vorschlag der Monopolkommis- sion die Situation auf diesen Märkten analysiert. Sie hat sion, eine verbesserte Marktüberwachung einzuführen, festgestellt, dass in Deutschland nicht von einem – in für sehr sinnvoll. Es muss darum gehen, den bösen Ver- Anführungszeichen – „funktionsfähigen Wettbewerb“ ge- dacht der Preismanipulation zu untersuchen und zukünf- sprochen werden kann und diese Feststellung begründet. tig zu unterbinden. Wer nichts zu verbergen hat, kann Es wird auf Markteintrittsbarrieren für neue Unterneh- sich gegen Überwachung und Transparenz nicht ernst- men verwiesen, und es wird beklagt, dass ein grenzüber- haft wehren. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12713

Manfred Zöllmer (A) Hier geht es natürlich auch darum, entsprechende Preisen angeboten haben, und trotzdem haben unsere (C) Sanktionen zu verhängen. Die Geschädigten dieser Ma- Bürger von der Möglichkeit des Wechsels keinen Ge- nipulation – wenn sie sich denn als zutreffend erweist – brauch gemacht. Da scheint aber eine Veränderung auf wären die Verbraucherinnen und Verbraucher in der dem Weg zu sein. Denn in diesem Jahr haben bereits Bundesrepublik. Ihnen ist das Geld entzogen worden. 520 000 Anschlussnehmer ihren Stromlieferanten ge- Dieses Geld gehört den Verbraucherinnen und Verbrau- wechselt. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, chern. Sie müssen entschädigt werden. Das ist eine ganz dass da einiges in Bewegung ist – und zwar im positiven wichtige Forderung in diesem Zusammenhang. Sinne – und die Anschlussnehmer sich tatsächlich über- legen, ob sie nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch ma- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. chen sollten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte noch schnell auf ein anderes Phänomen eingehen. Dass wir in Deutschland mehr Player, mehr Produzenten brauchen, damit der Markt funktioniert, ist Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: das eine. Das andere ist, dass wir uns – wenn wir einen Das Wort hat nun der Kollege Franz Obermeier für funktionierenden Markt wollen, und den wollen wir in die CDU/CSU-Fraktion. diesem Haus wohl alle – Instrumente überlegen müssen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und mit denen die Grenzkuppelstellen ausgebaut und die Lei- der SPD) tungen vor und hinter diesen Kuppelstellen leistungsfä- hig gestaltet werden können. Ohne diese grenzüber- schreitende Möglichkeit wird es in Deutschland und auf Franz Obermeier (CDU/CSU): dem europäischen Strommarkt keinen funktionierenden Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Auch in Wettbewerb geben. einer sozialen Marktwirtschaft reguliert ein freier Markt über Angebot und Nachfrage den Preis. Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu Frau (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Andreae sagen. Frau Andreae, Sie haben so getan, als NEN]: So ist es!) wären Sie nie an der Regierung gewesen. Wenn über den Strommarkt also leicht Milliardenge- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- winne erzielt werden können – von „Profitgier“ ist die NEN]: Nein, das stimmt nicht!) Rede –, dann stellt sich die Frage: Warum hat sich in Frau Lötzer hat gesagt, seit der Liberalisierung sei der Deutschland in den zurückliegenden Jahren seit der Li- Strompreis gestiegen. (B) beralisierung kein neuer Kreis von Stromproduzenten (D) aufgebaut? (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Ja!) (Zuruf von der LINKEN: Gute Frage!) Das stimmt auch nicht. Warum ist es nicht gelungen, Neuinvestoren in unserem (Widerspruch bei der LINKEN) Land in diesem hochprofitablen Markt zu implementie- ren? Diese Frage müssen wir uns stellen. Auch ich Der Strompreis ist nach der Liberalisierung gesunken. möchte die Frage stellen, warum Investitionen von (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- neuen Playern in Deutschland nicht in dem Maße getä- NEN]: Dann aber wieder gestiegen!) tigt worden sind, wie es wünschenswert wäre. Ab 2000 ist der Strompreis wieder gestiegen. Es ist unstrittig: Der Strompreis in Deutschland ist zu hoch: Den Schaden zahlen sämtliche Verbraucher ein- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: schließlich der Wirtschaft. Das macht stromintensiven Genau!) Betrieben das Leben schwer. Im Vergleich zu anderen Ländern stimmt hier einiges nicht. Allerdings sollten Warum hat Rot-Grün dann ab 2000 – bis 2005 waren Sie wir, die Politik, es uns nicht zu leicht machen. Für noch an der Regierung – nichts getan? 39 Prozent dessen, was die Verbraucher zahlen, sind wir (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hier in diesem Parlament verantwortlich. Das müssen NEN]: Die Bundesnetzagentur! Die Anreizre- wir der Ehrlichkeit halber immer wieder sagen. gulierung!) Die Rahmenbedingungen für Stromerzeugungsanla- – Gegen die Bundesnetzagentur sage ich gar nichts, die gen in Deutschland sind meiner Meinung nach so, dass funktioniert auch. Es war aber klar, dass es fundamenta- es für ausländische und für inländische Investoren nicht ler Veränderungen bedurfte, und man hätte fünf Jahre genügend lukrativ ist, hier einzusteigen. Das ist das eine. Zeit gehabt, denn die Tendenzen waren ab 2000 klar er- Das andere ist: Es wird so getan, auch von Ihnen, kennbar. Frau Andreae, als hätten die Verbraucher nicht die Mög- (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lichkeit, den Anbieter zu wechseln. Der Anbieterwechsel NEN) ist für den Verbraucher relativ komfortabel möglich; der muss nicht viel machen. Die Preisdifferenzen in den zu- Ordnungsrecht ist manchmal gut, aber in diesem Punkt rückliegenden Jahren waren ja nicht unbedeutend. Wir ist es nicht gut. Verbessern wir die Rahmenbedingungen hatten Anbieter, die zu um mehrere Cent niedrigeren für die Stromerzeugung in Deutschland, dann erreichen 12714 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Franz Obermeier (A) wir sicherlich ein vernünftiges Ergebnis für unsere Ver- Bei allen Abgeordneten – davon gehe ich aus – sitzen (C) braucher! Familien in der Bürgersprechstunde und schildern, dass sie sich vernünftigerweise eine Wohnung mit einer be- Herzlichen Dank. zahlbaren Miete gesucht haben, aber aufgrund der Ne- (Beifall bei der CDU/CSU) benkostenentwicklung in der letzten Zeit in Schwierig- keiten kommen. Bei den Nebenkosten handelt es sich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nämlich – das Stichwort ist vorhin schon gefallen – im Nächster Redner ist der Kollege Garrelt Duin für die Grunde um eine zweite Miete. SPD-Fraktion. Aber die Antwort darauf kann doch nicht einfach (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sein: Dann muss Hartz IV erhöht werden. – Wir müssen dazu kommen, mit den Versorgern über intelligente neue Preismodelle nachzudenken, meine Damen und Herren. Garrelt Duin (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Das fordern Ich will mich bei Frau Klöckner, die uns jetzt leider wir doch! Wir fordern doch Sozialtarife!) schon verlassen will, Warum soll es bei uns nicht möglich sein, über eine Ver- (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Nein!) einbarung zu sprechen – deswegen finde ich die Idee des Energiepaktes durchaus richtig –, nach der die ersten ausdrücklich für das bedanken, was sie in ihrer Rede hat Kilowattstunden zu einem anderen Preis angeboten wer- anklingen lassen, dass es nämlich nicht darum gehen den, um bei Familien mit niedrigem Einkommen – da- kann, möglichst populistisch in der einen oder anderen rum geht es uns ja – eine entsprechende Entlastung her- Richtung auf aktuelle Meldungen oder Zeitungsartikel beizuführen? – zum Beispiel im Spiegel – zu reagieren. Manche haben offensichtlich die Vorstellung – oder möchten sie für ihre (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Der Sozialtarif Politik nutzen –, dass es sofort mafiöse Strukturen hat, wäre doch etwas, oder?) wenn sich führende Vertreter von Unternehmen treffen. Das ist ein sehr viel intelligenterer Weg, als bei jeder Sit- (Zuruf des Abg. Laurenz Meyer [Hamm] zung, bei jedem Thema, egal worum es eigentlich geht, [CDU/CSU] – Gegenruf der Abg. Kerstin zu sagen: „Die Hartz-IV-Sätze müssen steigen“, wie Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Herr Hill das vorhin wieder gemacht hat. Cosa Nostra kommt aus euren Reihen!) (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Davor habe ich gesagt, dass wir einen Sozialtarif wünschen!) (B) Manche möchten gerne glauben, dass jede Energiepreis- (D) erhöhung das Ergebnis dunkler Machenschaften ist. Um- Ich will auf einen Punkt hinweisen, der in dieser Dis- gekehrt füge ich im Sinne von Frau Klöckner ausdrück- kussion bisher kaum eine Rolle gespielt hat. Der Stand- lich hinzu: Es ist ganz billiger Populismus, wenn man in ort Deutschland gerät für bestimmte Gewerbe und Bran- diesen Wochen – insbesondere als zuständiger Minister chen aufgrund der Preissteigerungen massiv unter in einem Bundesland, in dem demnächst gewählt wird – Druck. Bei Aluminium haben wir eine solche Entwick- Begriffe wie „Zerschlagung von Konzernen“ benutzt; lung leider schon zu einem Teil erlebt. Aber auch Chlor, die Linkspartei und leider auch die Grünen haben diese Chemie, Papier, Stahl, Zement sind wichtige Branchen Begriffe heute ebenfalls benutzt. Damit soll nur Wasser für unser Land. Wir wissen, dass es dort wirklich zu gro- auf die eigenen Mühlen geleitet werden, es ist aber kein ßen Problemen kommt und Arbeitsplätze massiv gefähr- konstruktiver Beitrag zur Lösung der Probleme. det sind. Es wird über Standortverlegungen nachgedacht, (Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf vom weil die Stromkosten in diesen Branchen zum Teil höher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch sind als die Lohnkosten. Deswegen sollte uns das Thema kein billiger Populismus!) auch an dieser Stelle bewegen, und wir sollten nach Lö- sungen suchen. Wir wollen deutlich machen und nicht verschweigen, dass es natürlich um das Problem der künstlichen Ver- (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Richtig!) knappung geht. Die Ursachen, liebe Kollegin Kopp, liegen nicht da- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rin, wie Sie das in der letzten Debatte gesagt haben, dass NEN]: Ja!) lediglich der Staat zu viel draufschlage. Es geht um das Problem des fehlenden Wettbewerbs. (Gudrun Kopp [FDP]: „Lediglich“ habe ich nicht gesagt!) (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und der Preisabsprache!) Man hat in dieser Debatte schon die unmöglichsten Ar- gumente gehört, zum Glück nicht heute. Immer wieder Frau Lötzer, Sie haben von Familien gesprochen, die heißt es, dass die Steigerung des Ölpreises für die Steige- durch die Strompreiserhöhung in eine schwierige Lage rung des Strompreises verantwortlich sei, dass der Aus- kommen. Dazu sage ich Ihnen: Sie sind nicht die Einzi- stieg aus der Atomenergie, Herr Fuchs, Ursache für die gen, die das wissen. Entwicklung sei oder dadurch jedenfalls Preissteigerun- (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Ach, Sie wis- gen drohen würden, dass die Ökosteuer Ursache sei usw. sen das auch?) Das ist nicht der Fall. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12715

Garrelt Duin (A) Ich möchte an Ihre Adresse einmal Folgendes sagen: beln und die eigenen Gewinne zu erhöhen. Mit solchen (C) Wir haben uns 1998 – das war noch unter einem FDP- Schlagzeilen wird das Vertrauen der Verbraucher in die Wirtschaftsminister – dafür entschieden, dass wir mehr deutsche Energiewirtschaft zerstört. Wettbewerb wollen. Im Laufe der Zeit danach ist eines klar geworden: Ihre Denke „Wirtschaft wird in der Wirt- Natürlich haben die betroffenen Konzerne die gehei- schaft gemacht“ funktioniert nicht. Deswegen war es men Absprachen bestritten. Wir sollten auch heute keine richtig, dass wir unter Rot-Grün die Bundesnetzagentur Vorverurteilungen vornehmen. Das Bundeskartellamt und die Anreizregulierung auf den Weg gebracht haben. und die EU-Wettbewerbsaufsicht werden die Vorwürfe Ich glaube, dass das GWB dazugehört und dass es damit aufklären. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann in die richtige Richtung geht. müssen die Konzerne die volle Härte des Gesetzes spü- ren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Zuruf von der LINKEN: Bravo!) Nur, einen Fehler dürfen wir nicht machen; ich bitte Sie wirklich, darüber einmal nachzudenken. Wenn wir Dass auf dem deutschen Energiemarkt zu wenig Wett- nach Alternativen in diesem Wettbewerb suchen, dann bewerb herrscht, spielen meiner Meinung nach die Stadtwerke dabei eine (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- große Rolle. Es sind aber meist die Vertreter Ihrer Partei, NEN]: Genau!) die in jedem zweiten Kommunalparlament oder auch überall sagen: Wir müssen darüber nachdenken, ob es ist schon länger bekannt. Welche Probleme sich aus dem nicht Private besser machen können, und wir müssen fehlenden Wettbewerb für den Verbraucher ergeben, darüber nachdenken, ob wir nicht unsere Stadtwerke wurde bereits in der letzten Sitzungswoche in einer bzw. unsere Anteile daran verkaufen. Aktuellen Stunde diskutiert. Insofern ist die heutige Aktuelle Stunde, die wieder von der Linkspartei bean- (Gudrun Kopp [FDP]: Das ist auch richtig!) tragt wurde, eigentlich überflüssig. Dieser Weg führt nicht zu mehr Wettbewerb, sondern er (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei führt in die Sackgasse, wie wir bei der aktuellen Ent- der LINKEN – [CDU/CSU]: wicklung sehen. Überflüssig wie ein Kropf! – Kerstin Andreae (Beifall bei Abgeordneten der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Wir müssen die Stadtwerke und die öffentliche Hand in Auch die Forderung der Linken, die Strom- und Gas- diesem Bereich stärken und dürfen sie nicht zerschlagen. netze zu verstaatlichen, ist abzulehnen. Es ist völlig falsch, da über eine Zerschlagung nachzu- (B) (D) denken, wie Sie das immer tun. (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Bis eben war es gut, aber jetzt wird es schlecht!) Herzlichen Dank. Dafür sprechen historische Beispiele. Durch Verstaatli- (Beifall bei der SPD – Gudrun Kopp [FDP]: chung werden weder Investitionen noch Leistungsfähig- Der Mittelstand lässt grüßen!) keit noch Effizienz gesteigert. (Zuruf von der LINKEN: Aber Privatisierung Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: macht das! Das sehen wir ja!) Nächster Redner ist nun der Kollege Kurt Segner für die CDU/CSU-Fraktion. Meine Damen und Herren, wir bekennen uns zur sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Aha!) Kurt Segner (CDU/CSU): Zur sozialen Marktwirtschaft gehört, dass Unternehmen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewinne machen; sie müssen sogar Gewinne machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren muss der Das gilt auch für die Energiewirtschaft. Gewinne sind Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen, um seine notwendig, damit in effiziente Kraftwerke und leistungs- Energiekosten zu finanzieren. Die Liberalisierung des fähige Leitungsnetze investiert wird. Dies dient nicht nur deutschen Energiemarktes im Jahr 1996 hatte das Ziel, dem Klimaschutz, sondern auch der Versorgungssicher- mehr Wettbewerb im Strommarkt zu schaffen. Damit heit des Verbrauchers. sollten auch mehr Vorteile für den Verbraucher erreicht werden. Zur sozialen Marktwirtschaft gehört seit Ludwig Erhard auch, dass der Wettbewerb kontrolliert und der Was ist in den letzten Jahren passiert? Die vier großen Verbraucher vor Preistreiberei marktbeherrschender Un- Energiekonzerne haben den Strommarkt unter sich auf- ternehmen geschützt wird. Deshalb ist es richtig, dass geteilt und damit den Wettbewerb größtenteils verhin- wir für die Energiewirtschaft das Wettbewerbsrecht ver- dert. In den letzten Tagen konnte man lesen, dass einige schärfen. Großkonzerne zum Jahreswechsel die Preise wieder an- heben. Anfang der Woche – wir haben das heute schon Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Kraftwerks- des Öfteren gehört – wurde in den Medien über geheime Netzanschlussverordnung. Durch diese Verordnung wer- Absprachen der Energiekonzerne berichtet. Ziel der Ab- den der Marktzugang neuer Anbieter und der Bau neuer sprachen soll es gewesen sein, den Wettbewerb auszuhe- Kraftwerke erleichtert. 12716 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

Kurt Segner (A) Der Markt braucht mehr Anbieter, damit der Wettbe- nicht, dass es für alle Ewigkeit billigen Strom geben (C) werb besser funktioniert. Aber ich sage Ihnen auch: Der muss. Verbraucher muss bereit sein, neue Kraftwerke zu ak- zeptieren. (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Neue Kohle- kraftwerke!) (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Neue Kohlekraft- werke im Sinne des Klimaschutzes!) Wir bekennen uns dazu, dass dieser Umbau auch Kosten verursacht. Wir müssen den Verbraucher ebenso dazu motivieren – dies wurde heute schon angesprochen –, den Anbieter Deswegen bringt es auch nichts, immer wieder staatli- zu wechseln. An dieser Stelle möchte ich den Verbrau- che Lasten zu beklagen. Denn jeder, der das tut, müsste cherzentralen für deren Kampagne, in der der Verbrau- sagen, wie er sie senken will: Wollen wir einen verrin- cher aufgefordert wird, seinen Anbieter zu wechseln, ein gerten Mehrwertsteuersatz? Wer soll diese Ausfälle be- Lob aussprechen. zahlen, und wie rechtfertigen wir das? Wollen wir die Ökosteuer senken und damit Löcher in der Rentenkasse Ich schließe mit den Worten: Wenn wir mehr Anbie- aufreißen? Wollen wir das Einspeisungsgesetz im Hin- ter, mehr Strom und mehr Markt haben, kommt dies dem blick auf erneuerbare Energien abschaffen und damit Verbraucher zugute. den Umbau unseres Energiesystems blockieren? Was Danke schön. soll also diese Diskussion? (Beifall bei der CDU/CSU) Schauen wir uns zum Beispiel das EEG an, das die Stromerzeuger benutzen, um Preiserhöhungen zu be- gründen. Sage und schreibe 0,1 Cent pro Kilowattstunde Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Strom wird die Erhöhung, die EEG-bedingt ist, im Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege nächsten Jahr ausmachen. Das sind 30 Cent pro Haushalt Klaus Barthel für die SPD-Fraktion. und Monat. (Beifall bei der SPD) (Franz Obermeier [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!) Klaus Barthel (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Preiserhöhung, die Eon angekündigt hat, ist 15-mal Wir haben vor 14 Tagen die gleiche Diskussion geführt. so hoch. Damit zu kommen, ist doch absurd. Ich wundere mich, warum es noch einmal zu dieser Dis- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des kussion gekommen ist BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) (D) (Widerspruch bei der LINKEN) Die EEG-Kosten werden schon jetzt überproportional und wie der Anlass, Herr Hill, zu dem passt, was hier abkassiert, weil sie nicht entsprechend den tatsächlichen vorgetragen wird. Denn wenn es stimmt, was Sie sagen, Regelungen erhoben werden. Schon jetzt senken die er- nämlich dass es, wie die Bundeskartellbehörde festge- neuerbaren Energien die Energiekosten insgesamt in der stellt hat, zu Preis- und Marktabsprachen gekommen ist, Volkswirtschaft um 5 Milliarden Euro im Jahr. dann ist die Bundeskartellbehörde am Zug, dagegen vor- (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wie wahr! Wie zugehen. Dafür hat sie gesetzliche Mittel, und diese wahr!) muss sie dann anwenden. Fakt ist zweitens, dass die Privatisierung und die Li- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beralisierung der Energiemärkte eben nicht automatisch NEN]: So einfach kann man es sich nicht ma- niedrigere Preise und Innovationen hervorbringen; das chen! – Zuruf von der LINKEN: Trotzdem ist schon richtig. Aber deswegen in einer Einheitsfront kann man mal darüber reden!) von Herrn Möschel, den Grünen und den Linken zu sa- Dabei kommt es nicht auf die Haltung der Bundesregie- gen: „Jetzt steigen halt die Preise, weil diese Liberalisie- rung zu dieser Frage und erst recht nicht auf all die rung nun einmal Oligopole hervorbringt, und nur wenn Punkte an, die hier gebetsmühlenartig von verschiede- die Preise steigen, gehen auch andere in den Markt“, nen Seiten immer wieder vorgetragen werden. Denn (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wenn es diese Absprachen gibt, dann helfen weder eine NEN]: Nein, das ist nicht unsere Argumenta- Verstaatlichung des Netzes noch eine eigentümerrechtli- tion!) che Entbündelung noch eine Senkung der politischen Kosten noch eine längere Laufzeit von Atomkraftwer- ist Teil einer Verelendungsstrategie; so muss ich sagen, ken. Solche Diskussionen zu benutzen, um gewisser- Frau Andreae. Ich muss mich schon sehr darüber wun- maßen all die Säue, die es gibt, wieder durchs Dorf zu dern, dass man sagt: Jetzt lassen wir erst einmal die treiben, bringt uns keinen Zentimeter weiter. Preise ad ultimum hochgehen, (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wir machen weiter (Zuruf von der LINKEN: Das sagen wir doch nichts! Wir lassen alles, wie es ist!) gar nicht!) Fakt ist erstens: Unser Energiesystem befindet sich im damit dann Wettbewerb entsteht, und schauen zu, was Umbau: einerseits in einer Liberalisierungsphase und an- die hier treiben. Deswegen machen wir keine GWB-No- dererseits in einem ökologischen Umbau. Wir sagen hier velle, die genau das verhindern soll, dass diese Markt- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12717

Klaus Barthel (A) macht jetzt benutzt wird, um Preise hochzutreiben. – Ich Denn wir haben im Energiemarkt nicht eine solche (C) habe die Papiere schon gelesen, die in der Anhörung Situation wie auf anderen Märkten. Deswegen brauchen vorgelegt sind. wir diese Übergangsregelung im Wettbewerbsgesetz. Eine Sondersituation rechtfertigt Sonderinstrumente. Fakt ist drittens auch – das hat der Kollege Zöllmer hier schon angesprochen –, dass die Netzregulierung er- Viertens. Wir müssen den Umbau vorantreiben, an- folgreich ist und eine Kostensenkung von 13 Prozent im statt Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Der Um- Netz gebracht hat. Das heißt, die eingeleitete Regulie- bau durch regenerative Energien hat vom Jahr 2005 auf rung funktioniert. Aber sie hat keine Auswirkung auf 2006 bereits die Kapazität eines Atomkraftwerks ersetzt. den Erzeugungsbereich, weil dieser nicht reguliert ist. Das zeigt, wie erfolgreich dieser Weg ist. (Zuruf von der LINKEN: Das ist richtig!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Deshalb bringt eine Verstaatlichung der Netze oder ein Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern! Ownership-Unbundling überhaupt nichts, weil dadurch das Problem des Erzeugungsbereichs nicht angegangen wird. Klaus Barthel (SPD): Fünftens. Wir müssen uns dem unbequemen Di- Es bringt auch nichts, den Großen zu verbieten, neue lemma stellen – das will ich auch noch sagen –, wie man Kraftwerke zu bauen. Wie sollen denn neue Produk- es unter einen Hut kriegen will – tionskapazitäten, moderne und regenerative Kraftwerke auf den Markt kommen, wenn diejenigen, die das Geld haben, gehindert werden, diese Investitionen zu tätigen? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten. (Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Vielleicht sind auch noch andere Investoren da!) Klaus Barthel (SPD): Die Strategie muss also sein: erstens die Netzregulie- – denn da werden die Volksreden von vorher schnell rung konsequent fortsetzen, dabei aber die kleinen Wett- wieder vergessen –, auf der einen Seite wettbewerbsfä- bewerber, insbesondere die Stadtwerke, nicht kaputt zu hige Energieunternehmen in Deutschland zu haben, die machen. Das heißt auch, dass wir die Regulierung noch auch europaweit wettbewerbsfähig sind, und auf der an- nachjustieren müssen deren Seite unsere Verbraucherinnen und Verbraucher vor Abzockerei zu schützen. (B) (Beifall bei der SPD und der LINKEN) (D) (Beifall bei der SPD) – Garrelt Duin hat darauf hingewiesen –, weil Unglei- ches durch die Regulierungsbehörde nicht gleich behan- delt werden kann. Man muss da einmal über so etwas Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: wie asymmetrische Regulierung nachdenken. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Zweitens. Die Länder müssen die Kommunen befähi- gen, für kommunale Energiedienstleister stark genug zu Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- sein und Wettbewerb zu schaffen. destages für morgen, Donnerstag, 8. November, 9 Uhr, ein. Drittens. Die wettbewerbsrechtlichen Instrumente müssen geschärft werden. Ich schließe die Sitzung. (Zuruf von der LINKEN: Aber wirkungsvoll!) (Schluss: 16.58 Uhr)

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(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Dr. Akgün, Lale SPD 07.11.2007 Nitzsche, Henry Fraktionslos 07.11.2007

Amann, Gregor SPD 07.11.2007 Reichenbach, Gerold SPD 07.11.2007

Andres, Gerd SPD 07.11.2007 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ 07.11.2007 DIE GRÜNEN Barnett, Doris SPD 07.11.2007* Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 07.11.2007 von Bismarck, Carl- CDU/CSU 07.11.2007 Andreas Eduard Strothmann, Lena CDU/CSU 07.11.2007 Blumentritt, Volker SPD 07.11.2007 Thönnes, Franz SPD 07.11.2007 Burchardt, Ulla SPD 07.11.2007 Wächter, Gerhard CDU/CSU 07.11.2007 Carstensen, Christian SPD 07.11.2007 Wicklein, Andrea SPD 07.11.2007 Connemann, Gitta CDU/CSU 07.11.2007 Winkelmeier-Becker, CDU/CSU 07.11.2007 Dreibus, Werner DIE LINKE 07.11.2007 Elisabeth

(B) Eichel, Hans SPD 07.11.2007 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 07.11.2007 (D) Margareta DIE GRÜNEN Ernst, Klaus DIE LINKE 07.11.2007

Fahrenschon, Georg CDU/CSU 07.11.2007 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union

Griese, Kerstin SPD 07.11.2007 Anlage 2 Gröhe, Hermann CDU/CSU 07.11.2007 Antwort Dr. Happach-Kasan, FDP 07.11.2007 des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Abge- Christel ordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6903, Frage 4): Heller, Uda Carmen CDU/CSU 07.11.2007 Wie bewertet die Bundesregierung die späte Einladung Freia und Beschränkung auf 70 Wahlbeobachter der OSZE durch die russische Wahlkommission zu den Parlamentswahlen am Hoff, Elke FDP 07.11.2007 2. Dezember 2007, und welche Initiativen unternimmt die Bundesregierung, um die Aushebelung der in der Charter for Security (Istanbul 1999) festgeschriebenen Verpflichtungen Irber, Brunhilde SPD 07.11.2007 zur uneingeschränkten Wahlbeobachtung zu verhindern und die Position des für Wahlbeobachtungen zuständigen Büros Knoche, Monika DIE LINKE 07.11.2007 für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) zu stärken? Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ 07.11.2007 Die EU hat im Ständigen Rat der OSZE, auch im Na- DIE GRÜNEN men der Bundesregierung, am 1. November 2007 in Wien ihre Kritik daran zum Ausdruck gebracht, dass das Kunert, Katrin DIE LINKE 07.11.2007 Büro für demokratische Institutionen und Menschen- rechte (ODIHR) die Parlamentswahlen in Russland am Lafontaine, Oskar DIE LINKE 07.11.2007 2. Dezember 2007 aufgrund zeitlicher Verzögerung der Einladung und der Beschränkung auf insgesamt Dr. Lauterbach, Karl SPD 07.11.2007 70 Beobachter nicht im gebotenen Maß beobachten kön- nen wird. In diesem Zusammenhang wurde Russland Müntefering, Franz SPD 07.11.2007 nachdrücklich an die aufgrund des Kopenhagener Doku- 12720 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) ments von 1990 und der Europäischen Sicherheitscharta Anlage 4 (C) von Istanbul von 1999 übernommene Verpflichtung erin- Antwort nert, Wahlbeobachtungen durch ODIHR zuzulassen. Da- bei ist die ODIHR-Methodologie unverzichtbare Grund- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die lage für eine objektive, unparteiliche und damit Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) glaubwürdige Bewertung. Die Bundesregierung vertritt (Drucksache 16/6903, Frage 13): eine kontinuierliche Politik der Unterstützung von Wann wird die Bundesregierung auf der Internetseite des ODIHR und wird die Position des Büros auch unter den Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gegebenen schwierigen Bedingungen weiter stärken. gend „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ den seit vielen Monaten stehenden Eintrag: „In Kürze finden Sie hier aus- führliche Informationen zum Allgemeinen Gleichbehand- lungsgesetz und zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ Anlage 3 durch ausführliche Informationen ersetzen? Der Internetauftritt der Antidiskriminierungsstelle des Antwort Bundes (ADS) wird innerhalb der ersten November- der Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl auf die Frage woche 2007 online gehen. Das Bundesministerium für der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Familien, Senioren, Frauen und Jugend wird dann von (Drucksache 16/6903, Frage 9): der Ministeriumsseite www.bmfsfj.de auf die Website der ADS verlinken. Wie viele Arbeitsplätze entstehen nach Schätzung der Bundesregierung durch den Einsatz von 50 Millionen Euro im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regio- Anlage 5 nalen Wirtschaftsstruktur, und warum will die Bundesregie- rung die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung Antwort der regionalen Wirtschaftsstruktur 2008 um 50 Millionen Euro senken? des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- gen der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE Eine Prognose, wie viele Arbeitsplätze mit 50 Millio- GRÜNEN) (Drucksache 16/6903, Fragen 17 und 18): nen Euro Fördermitteln im Rahmen der Gemeinschafts- Wie erklärt die Bundesministerin für Familie, Senioren, aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- Frauen und Jugend, Dr. , die Tatsache, tur“ (GA) grundsätzlich geschaffen werden können, lässt dass laut Presseberichten im Gesetzentwurf zum Ausbau der sich seriös nicht erstellen, da die Wirksamkeit der Förde- Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige ein Passus zur rung von ganz verschiedenen Umständen wie künftige Einführung eines Betreuungsgeldes vorgesehen ist, obwohl Konjunkturentwicklung und Investitionsnachfrage ab- sie selbst dieses Instrument unlängst noch als „bildungspoliti- sche Katastrophe“ bewertet hat? (B) hängt. Eine solche Schätzung der Bundesregierung exis- (D) Was folgt rechtlich und politisch aus der im Gesetzentwurf tiert dementsprechend nicht. Die vergangenheitsbezo- vorgesehenen Formulierung zum Betreuungsgeld? gene GA-Förderstatistik erlaubt aber grundsätzliche Aussagen über die Wirksamkeit der GA-Förderung. So Zu Frage 17: wurde zum Beispiel in den neuen Ländern und Berlin in den Jahren 2004 bis 2006 im Rahmen der GA mit rund Der Referentenentwurf ist innerhalb der Bundesregie- 4,1 Milliarden Euro aus der Bundes- und Landesförde- rung noch abzustimmen; eine Stellungnahme kann daher rung ein Investitionsvolumen der gewerblichen Wirt- zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Hinweisen schaft von rund 23 Milliarden Euro angestoßen. Damit möchte ich jedoch auf das Ergebnisprotokoll des Koali- wurden rund 260 000 Dauerarbeitsplätze gesichert bzw. tionsausschusses vom 14. Mai 2007 sowie den Beschluss neu geschaffen. der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsausbau vom 28. August 2007. Hierin heißt es: „Ab 2013 soll für Zur Frage der GA-Mittelkürzung ist zunächst festzu- diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren stellen, dass es sich hier um ein Missverständnis handelt. nicht in einer Einrichtung betreuen lassen wollen oder Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2008 können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreu- sieht für die bundesseitig zur Verfügung stehenden ungsgeld) eingeführt werden.“ Mittel aus der GA keine weitere Kürzung vor. Der Mit- telansatz für 2008 geht vielmehr auf die Haushaltskonso- Zu Frage 18: lidierungsbeschlüsse anlässlich der Klausurtagung des Die Formulierung zum Betreuungsgeld wird sich an Bundeskabinetts Anfang 2006 in Genshagen zurück. den Festlegungen des Koalitionsausschusses orientieren. Diese sahen einen Konsolidierungsbeitrag der GA von Sie muss im Einzelnen von den Fachleuten der beteilig- jährlich 100 Millionen Euro gegenüber 2006 auf rund ten Ministerien noch abgestimmt werden. Im Übrigen 600 Millionen Euro vor. Die Kürzung des GA-Ansatzes wird auf die Antwort zu Frage Nr. 17 verwiesen. ist vor dem Hintergrund förderpolitischer Erfordernisse einerseits und der Konsolidierungsnotwendigkeit ande- rerseits zu sehen. Sie stellt auch keinen Widerspruch zur Anlage 6 grundsätzlich hohen Wirksamkeit der GA dar. Im Antwort Übrigen entspannt sich die Situation dadurch, dass seit 2005 an den Bund zurückfließende GA-Mittel den Län- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die dern für neue Förderaktivitäten wieder zur Verfügung Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE gestellt werden können. LINKE) (Drucksache 16/6903, Frage 20): Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007 12721

(A) Was hat die Bundesregierung unternommen, um die Wirt- Treffen Aussagen von Kommunalpolitikern aus der Um- (C) schaft in die Finanzierung der fehlenden Kitaplätze einzube- gebung des Flughafens München zu, die dem Bundesminister ziehen, und wie hat die Wirtschaft auf ein solches Ansinnen für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung „unterstellen“, dass er reagiert? den Bau der sogenannten Marzlinger Spange nicht für not- wendig erachtet? Zwei Bemerkungen vorweg: Zum einen gehe ich da- von aus, dass es in Ihrer Frage um die Kinder unter drei Die Bundesregierung hat in Bezug auf den Ausbau Jahren geht. Denn für Kinder im Kindergartenalter stehen der schienenseitigen Anbindung des Flughafens Mün- aufgrund des Rechts auf einen Kindergartenplatz im Os- chen noch keine Festlegungen getroffen. Zunächst wer- ten wie im Westen genügend Plätze zur Verfügung. Zum den die Ergebnisse der Untersuchungen des Freistaates anderen soll der geplante Ausbau für Kinder unter drei Bayern abgewartet. Jahren nicht allein in Einrichtungen erfolgen, sondern auch die Kindertagespflege soll in erheblichem Umfang, nämlich zu rund 30 Prozent, zum Ausbau beitragen. Anlage 8 Nun zur Beantwortung Ihrer Frage: Sie wissen so gut Antwort wie ich, dass die Bildung, Erziehung und Betreuung von der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen Kindern vor der Schule in den Bereich der Kinder- und des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksa- Jugendhilfe fällt. Die Zuständigkeit dafür liegt bei Län- che 16/6903, Fragen 24 und 25): dern und Kommunen. Mit anderen Worten: Hier geht es um eine staatliche Aufgabe, die eben deshalb auch mit Trifft es zu, dass die Bundesregierung, wie in der Frank- furter Allgemeinen Zeitung vom 29. Oktober 2007 berichtet, staatlichen Mitteln bewältigt werden muss. Das sieht auf dem Flughafen München Langstreckenflüge durch die auch die Wirtschaft so. Trotzdem sind viele Betriebe vor Übernahme von Treibstoffkosten direkt oder indirekt bezu- allem aus eigenem Interesse heraus daran interessiert, schusst, und, wenn ja, wie hoch sind diese Zuschüsse seit dem sich freiwillig für betriebliche Kinderbetreuung zu enga- Jahr 2000? gieren. Im Rahmen des Unternehmensprogramms „Er- Welche Flughafengesellschaften, an denen der Bund betei- folgsfaktor Familie“ arbeitet die Bundesregierung daher ligt ist, fördern Fluglinien mit Langstreckenangeboten, und auf welche Weise werden diese Fluglinien direkt oder indirekt mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und bezuschusst? den Gewerkschaften bei der Schaffung einer familien- freundlichen Arbeitswelt zusammen. Die Kinderbetreu- Zu Frage 24: ung ist für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Fami- lie und Beruf von entscheidender Bedeutung. Auch die Die Bundesregierung bezuschusst keine Fluglinien. beste staatliche Infrastruktur wird nicht alle Früh- und Etwaige Entscheidungen der Flughafengesellschaft zur (B) Spätschichten, unvorhergesehenen Termine und Ge- Förderung derartiger Flüge werden ausschließlich von (D) schäftsreisen oder Ferienzeiten abdecken können. Ein der allein für das operative Geschäft der verantwortli- betriebliches Engagement für die Kinderbetreuung bietet chen Geschäftsführung getroffen. Die EU-Kommission die Möglichkeit, in Ergänzung zu öffentlichen Betreu- prüft zurzeit eine Beschwerde gegen die Münchner Flug- ungsangeboten individuelle und passgenaue Lösungen hafengesellschaft im Rahmen eines Beihilfeverfahrens. zu finden, die dem tatsächlichen Betreuungsbedarf be- rufstätiger Eltern besser gerecht werden. Vor diesem Zu Frage 25: Hintergrund beabsichtigt die Bundesregierung, ab An- Es gibt keine weiteren Beihilfeverfahren der EU- fang 2008 mit einem Programm aus Mitteln des Euro- Kommission wegen unzulässiger Zuschüsse für Lang- päischen Sozialfonds gezielt kleine und mittlere Betriebe streckenflüge. zu fördern, die für die Kinder ihrer Beschäftigten neue Betreuungsplätze einrichten. Vorgesehen ist eine An- schubfinanzierung während der ersten zwei Jahre, um Anlage 9 die Startphase zu erleichtern. Die erforderliche Kofinan- zierung erfolgt durch die Betriebe, gegebenenfalls er- Antwort gänzt durch Elternbeiträge. Mit dem Programm wollen wir Betriebe, die bislang noch zögern, zu einem dauer- der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Frage der haften Engagement für die Betreuung der Kinder ihrer Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Druck- Beschäftigten gewinnen. sache 16/6903, Frage 26): In welcher Höhe wurden bzw. werden die jährlichen Ein- nahmen aus der Lkw-Maut in den jeweiligen Bundesländern für den Ausbau von Schienenwegen eingesetzt? Anlage 7 Vorab erfolgt keine Quotierung der Schienenwege- Antwort investitionsmittel auf die einzelnen Bundesländer. Die der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen des Investitionsmittel werden dort eingesetzt, wo sie den Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Druck- größten verkehrlichen Nutzen erzielen. sache 16/6903, Fragen 22 und 23): Im Bundeshaushalt 2007 sind Mittel für Schienen- Unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen von wegeinvestitionen aus dem Gebührenaufkommen der Politikern und Vertretern der Wirtschaft aus Ostbayern, die Lkw-Maut in Höhe von rund 821 Millionen Euro veran- unmittelbare Anbindung der Bahn an den Flughafen München mit der sogenannten Marzlinger Spange zu realisieren, und schlagt. Davon sind mit dem Stand 31. Oktober 2007 wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen? rund 619 Millionen Euro verausgabt. 12722 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2007

(A) (C) Bundesland Jahr Summe 2004 2005 2006 Millionen Euro (gerundet) Schleswig-Holstein 7 7 26 39 Hamburg 3 5 18 27 Niedersachsen 31 21 51 103 Bremen 0 1 0 1 Nordrhein-Westfalen 38 123 134 295 Hessen 29 65 92 186 Rheinland-Pfalz 22 31 44 96 Baden-Württemberg 42 75 80 197 Bayern 31 39 130 200 Saarland 3 11 1 14 Berlin 2 1 16 20 Brandenburg 18 14 33 65 Mecklenburg-Vorpommern 4 6 16 25 Sachsen 12 19 14 44 Sachsen-Anhalt 5 13 11 28 Thüringen 2 18 17 37 (B) Summe 247 450 682 1 380 (D) Übersicht beruht auf Angaben der DB Netz AG

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