Der Aufstieg Des Beat-Club, Sein Niedergang - Und Die Folgen
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Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen______ Literaturwissenschaft Herausgegeben von Reinhold Viehoff (Halle/Saale) Gebhard Rusch (Siegen) Rien T. Segers (Groningen) Jg. 18 (1999), Heft 2 Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften SPIEL Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft SPIEL: Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft Jg. 18 (1999), Heft 2 Peter Lang Frankfurt am Main • Berlin • Bern • Bruxelles • New York • Oxford • Wien Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Siegener Periodicum zur internationalen empirischen Literatur wissenschaft (SPIEL) Frankfurt am Main ; Berlin ; Bern ; New York ; Paris ; Wien : Lang ISSN 2199-80780722-7833 Erscheint jährl. zweimal JG. 1, H. 1 (1982) - [Erscheint: Oktober 1982] NE: SPIEL ISSN 2199-80780722-7833 © Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2000 Alle Rechte Vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft Herausgeber dieses Heftes / Editor of this issue:____________ Reinhold Viehoff Inhalt / Contents SPIEL (1999), H. 2 Joachim Linder (München) Fahnder und Verbrecher in Fritz Längs Deutschen Polizeifilmen 181 Helmut Kreuzer (Siegen) Zu frühen deutschen Hörspielen und Hörspielkonzeptionen (1924-1927/28): Hans Flesch, Alfred Auerbach, Rudolf Leonhard, Oskar Moehring 216 Für Karl Riha zum 65. Geburtstag Kison Kim (Seoul) Die Rezeption des deutsprachigen Gegenwartsdramas der 70er und 80er 229 Jahre auf koreanischen Bühnen Dietrich Löffler (Halle/Saale) Thematische Planung - Druckgenehmigung - Zensur 246 Planung und Kontrolle von Literatur in der DDR Kathrin Fahlenbrach (Berlin) & Reinhold Viehoff (Halle/Saale) Der Aufstieg des „Beat-Club“, sein Niedergang - und die Folgen 259 Protestästhetik und Jugendkult im Fernsehen der 60er Jahre Charles Forceville (Amsterdam) Art or ad? The influence of genre-attribution on the interprétation of images 279 Rainer Leschke (Siegen) Die Doppelungen der Ästhetik und das Spiegelkabinett der Theorie 301 Henk de Berg (Sheffield) Systems Theory, Romanticism, and Reception Research 320 Heiko Hungerige (Wuppertal) & Anke Hillebrandt (Wallerfangen) Kommunikation, Verstehen, Missverstehen 330 Andreas Heftiger (Hechingen) Wie Kriegsveteranen sich erinnern 348 Methode und Analyse einer Gedenktopik 10.3726/80985_259 SPIEL 18 (1999), H.2, 259-278 Kathrin Fahlenbrach (Berlin) & Reinhold Viehoff (Halle/Saale) Der Aufstieg des Beat-Club, sein Niedergang - und die Folgen. Protestästhetik und Jugendkult im Fernsehen der 60er Jahre. The Beat Club was a show on West German TV in the 1960s; it served as a playground for trying out, developing and refining new esthetical forms of television. The show’s primary audience were young people, and consequently it presented itself as a “young” show. Given the historical context, i.e. the social and political movement generally associated with the 1968 Zeitgeist, this implies that the dramatic force of the students’ movement was adapted and used to modernise TV’s presen tation and esthetics. The ascent of the Beat Club, its decay, and the long-term consequences of its esthetical innovations will illustrate and substantiate this claim. Die Ausgangsthese Als Ende der 60er Jahre die westdeutschen Studenten massenhaft auf die Straße gehen, um gegen den Schah-Besuch, den Springer-Konzern oder den Vietnamkrieg zu demons trieren, erklären sie nicht nur der politischen Elite den Kampf sondern zunehmend den kulturellen Werten und Weltanschauungen ihrer Eltemgeneration. Der kollektive emotio nale Aufruhr auf beiden Seiten, der die politischen Ereignisse Ende der 60er Jahre so es kalieren lässt, beruht zu weiten Teilen auf dem fundamentalen Kampf um die Vorherr schaft bestimmter kultureller und habitueller Selbstentwürfe. Die Jugendproteste greifen die zentralen Leitwerte der Eltemgeneration an, welche die individuelle und gesell schaftliche Selbst- und Fremdwahmehmung in der restaurierten Bundesrepublik bis weit in die 60er Jahre hinein dominieren: die Orientierung am Wiederaufbau und an ökono mischer Produktivität und Prosperität sowie an hierarchischen Machtstrukturen in der politischen, ökonomischen, kulturellen und in der privaten Sphäre. In dem Maße, in dem die rebellierende Jugend diese „ökonomische Hierarchisierung44 (Schulze) als grundlegende Achse des kollektiven Selbstverständnisses ihrer Eltemgene ration erkennt, weitet sich ihr Widerstand nach und nach auf sämtliche Ebenen des gesellschaftlichen und privaten Lebens aus. Revolte wird so zu einer universalen Haltung, die sämtliche Lebensbereiche umfasst. Vor allem der pragmatisch gewendeten Auto ritätshörigkeit ihrer Eltern setzen die jungen Rebellen ihre emphatische Utopie einer ganzheitlichen Selbstentfaltung entgegen, welche sie als die Voraussetzung für eine Gesellschaft kritischer Individuen betrachten. Die ' Überlebensprmzipien ihrer Eltern, 260 Kathrin Fahlenbrach & Reinhold Viehoff die in den existentiellen Ängsten der Kriegsgeneration verwurzelt sind, ersetzen sie demonstrativ durch hedonistische rErlebensprinzipien 1. Die Medien, allen voran das Fernsehen, erkennen sehr bald die strukturelle Chance, die ihnen diese neue Erlebnisorientierung bietet. Hatten die Medien seit den 50er Jahren eine fest abgesteckte, meist „bildungsbürgerlich“ abgesicherte Position zwischen Öffent lichkeit und Privatheit, bietet sich ihnen gerade mit den entsprechenden Grenz verletzungen der Jugendbewegung die Möglichkeit, „intime Realitäten“ öffentlich zu dokumentieren und zu bebildern. Als Beispiel sei hier nur die Medienkampagne der Kommune 1 genannt, die „authentische“ Intimitäten als öffentliches Ereignis präsentiert. In ihrer meist selektiv, d.h. unter dem Kriterium der Verwertbarkeit für eigene mediale Ziele ausgerichteten Auseinandersetzung geraten die „Tabubrüche der Jugend“ für die Medien nicht nur zum „Nachrichtengegenstand“, sondern durch die Annäherung an diese „Tabubrüche“ erhalten die Medien selbst neue Impulse für mediale Re- Präsentation und Präsentationsformen. Wenn die Bildmedien in den 60er Jahren das affektive Potential der neuen Erlebnisorientierung entdecken und das visuelle Ereignis des „Tabubruchs“ zunehmend auch selbst re-inszenieren, liegen die Gründe hierfür allerdings vor allem in den medienhistorisch neuen Verteilungskämpfen zu dieser Zeit. Mit dem Siegeszug des Fernsehens und seinem Einzug in die deutschen Wohnzimmer gerät das Mediensystem der BRD in den 60er Jahre in eine fundamentale Umbruchsituation: grundlegende kulturelle, ästhetische, programmatische und nicht zuletzt technische Maßstäbe der medialen Kommunikation werden revidiert. Die Durchsetzung des Fernsehens als neues Leitmedium der gesellschaftlichen Selbstaufklärung und Selbstinszenierung verschiebt die Modalitäten der öffentlichen Kommunikation: von nun an spielen sich visuelle Dramaturgien immer stärker in den Vordergrund und dominieren die Präsentations formen - nicht nur in den neuen audiovisuellen elektronischen Medien. Selbst die Printmedien, für die Visualität bisher nur eine eher marginale Rolle spielt, müssen sich in den sechziger Jahren mit der massiv erstarkten Konkurrenz der Bildmedien neu auseinander setzen und übernehmen deren visuelle Strategien. Bei den meisten Medien dauert das nicht so lange wie beim SPIEGEL, der sich dazu erst entschließt, als in den neunziger Jahren ein rein visualisiertes Konkurrenzprodukt auf den Markt kommt. Aber auch das Fernsehen selbst entwickelt erst im Laufe der 60er Jahre medienspezifische Formen der audiovisuellen Synchronisation. Diese Suche nach einer eigenständigen visuellen Ästhetik erfährt Ende der 60er Jahre nicht zuletzt deshalb einen entscheidenden Schub, weil, so unsere These, mit den Protesten der Jugendbewegung, die immer auch einen hohen symbolischen Inszenierungscharakter haben, ästhetische und kulturelle Innovations- und Modemisierungsanreize für die mediale Darstellung dieser Proteste gegeben werden. In der medienspezifischen Auseinandersetzung mit den umfassenden politischen, kulturellen und ästhetischen Konflikten bietet sich dem jungen Medium Fernsehen die Möglichkeit, eine eigene (Bild-) Sprache zu erproben, auszudifferenzieren - und sozusagen im Schatten der gesellschaftlichen Umbruch inszenierungen eigene Inszenierungsumbrüche gesellschaftlich durchzusetzen. 1 Schulze 1996, 536. Der Aufstieg des Beat-Club 261 Als herausragendes Beispiel dieser formal- ästhetischen Innovationen im Fernsehen soll hier der Beat-Club vorgestellt werden. In seiner formalen Radikalität sicher nicht repräsentativ für das bundesdeutsche Fernsehen der damaligen Zeit, steht er doch für die große Experimentierlust, die in thematischer Hinsicht, etwa politisch bzw. gesellschafts kritisch, auch in anderen Sendungen entsteht. Erstmalig im deutschen Fernsehen nimmt der Beat-Club das Lebensgefühl der rebellierenden Jugend auf und setzt es sich zum erklärten Ziel, hierfür die geeignete ästhetisch-mediale Form zu finden. Als erste deutsche Popsendung inszeniert sie sich als medialer Ort der kulturellen, emotionalen und nicht zuletzt habituellen Verständigung der 'Jugend' mit sich selbst. Im Zentrum dieser re-inszenierten Selbstverständigung steht