info

WENN DIE MÄRKTE DEUTSCHLAND VERSAGEN ... Zur Zukunft der Stromerzeugung 4

Forschungs-, Beratungs- SCHWERPUNKT und Bildungstätigkeit zur Im Schatten der aktiven Wirtschaftspolitik Finanzmarktkrise 28

INTERNATIONAL Nationale Realitäten – Europäische Strategien 46

4/2008 2 TITELTHEMA

Die wirtschaftspolitische Forschungs-, Beratungs- und Rückenwind für aktive Bildungstätigkeit der FES Wirtschaftspolitik DI E FI NAN ZM ARKT K RI SE HAT STAATLIC H E EI N G RI FFE in die Wirtschaft einschließlich Nachfragesteuerung in überraschend kurzer Zeit wieder hoffähig gemacht. Jahrelang wollten konservative Ökonomen und Wirtschaftspolitiker dem Staat nur eine Nebenrolle zuweisen, da seine Eingriffe angeblich nur die Selbstheilungskräfte des Mark- tes störten und hemmten. Die aktuelle Krise hat nun die Probleme schwach regulierter Märkte dramatisch sichtbar gemacht.

Aktive Wirtschaftspolitik muss die Ertragschancen neuer Pro- nachlässigte. In ihr dominierte Marktversagen korrigieren und dukte und Regulierungslücken die Sicht, angebotspolitische Märkte so ordnen und gestal- und produzierten eine Vermö- Reformen reichten aus, um ste- ten, dass sie einerseits die von gensblase. Dann folgten sie ih- tiges Wachstum zu garantieren. rem Herden- Gegen diese Sichtweise und für trieb in einer eine bessere Wirtschaftspolitik Abwärtsspi- hatten schon 2007 mehrere in- rale von Kre- ternational renommierte Wirt- ditverknap- schaftswissenschaftler, darun- pung und ter Nobelpreisträger Robert Notverkäu- Solow, in dem von der FES fen. In der herausgegebenen Buch „Auf- Folge leiden schwung für Deutschland“ plä- Wachstum diert. Dieses Buch ist nur ein und Beschäf- Beispiel für die wirtschaftspoli- tigung, die tische Forschungs-, Beratungs- Ersparnisse und Bildungstätigkeit der vieler Haus- Friedrich-Ebert-Stiftung. Eine halte ent- Reihe von Arbeits- und Ge- werten sich. sprächskreisen widmet sich Ganz offen- wirtschaftspolitischen Fragen ihnen erwarteten Leistungen sichtlich sind es nicht die auf- aus unterschiedlichen Blick- (Anpassung des Angebots an geblähten Kosten der Unterneh- winkeln. Sie reichen von einer die Nachfrage, Effizienzsteige- men, die nun den Aufschwung mehr unternehmensbezogenen rung etc.) erbringen, anderer- gestoppt haben, sondern es ist Perspektive im Managerkreis seits aber nicht gesellschafts- der Zusammenbruch der Nach- oder Arbeitskreis Mittelstand politisch zentrale Ziele (wirt- frage, die sich zu lange auf ein über gewerkschaftsnahe Ge- schaftliche Stabilität, soziale Kreditwachstum gestützt hat, sprächskreise („Arbeit–Be- Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit das die strukturelle Nachfrage- trieb–Politik“, „Dienstleistun- etc.) verletzt werden. Ohne schwäche aufgrund der unglei- gen“) und den stärker akade- staatliche Korrekturen und chen Einkommensverteilung misch-politisch ausgerichteten Kontrollen neigen die Marktak- nur überspielt, aber nicht ge- Kocheler Kreis für Wirtschafts- teure meist dazu, ihren kurzfris- löst hat. politik bis zu themenspezifi- tigen individuellen Nutzen zu Die deutsche Debatte zeichnete schen Gesprächskreisen (Arbeit maximieren. Die Finanzmarkt- sich lange durch eine besonde- und Qualifizierung, Verkehrs- krise ist dafür symptomatisch. re ideologische Einseitigkeit politik, Energiepolitik, Indust- Zuerst nutzten die Investoren aus, die Nachfrageaspekte ver- riepolitik, Verbraucherpolitik).

FES INFO 4 / 2 0 0 8 3

Sie verbinden den offenen Aus- Artikel in dieser Ausgabe: tausch von Meinungen und Er- SEPTEMBER – OKTOBER – NOVEMBER 2008 fahrungen mit einem Angebot von wissenschaftlichen Analy- DEUTSCHLAND sen und politischen Konzepten. Zur Zukunft der Stromerzeugung: Zielgruppen und Partner in die- Ohne Kohle? ...... 4 sem Dialog sind Wissenschaft, Peer Steinbrück überreicht Preis der FES-Ehemaligen: Politik, Praxis und die breitere Preis fürs Engagement ...... 10 Öffentlichkeit. Eine herausra- Feminismus im Wandel: gende Stellung nehmen dabei Von Emma zu Alpha? ...... 20 die Gewerkschaften und ihnen nahestehende Einrichtungen Reproduktionsmedizin: wie die Hans-Böckler-Stiftung, Nicht mehr auf der Höhe der Zeit ...... 24 das Wirtschafts- und Sozialwis- SCHWERPUNKT senschaftliche Institut (WSI) Aktuelle Veröffentlichungen der FES: und das Institut für Makroöko- Im Schatten der Finanzmarktkrise ...... 28 nomie und Konjunkturfor- Interview mit Andrea Nahles: schung ein. Ihre Vertreter und „Frische Ideen für die Politik“ ...... 31 Experten sind häufige Gäste der Veranstaltungen und Auto- Interview mit Karl Kauermann: Kritischer Mahner und Warner ...... 39 ren von Expertisen. Seit 2007 läuft in der FES da- Rechte der Verbraucher: rüber hinaus das Projekt „Zu- Plädoyer für Sammelklagen ...... 43 kunft 2020“. Es entstand als INTERNATIONAL Reaktion auf die Befunde der Biokraftstoffe: Prekariatsstudie, die ein beun- Zwischen Klimawandel und Ernährungssicherheit ...... 48 ruhigendes Ausmaß an sozialer Irak: Spaltung und politischer Frus- 40.000 Beobachter für die Regionalwahlen ...... 55 tration in Deutschland beleg- ten. Das Zukunftsprojekt will Hinter den Kulissen - Auslandsbüros stellen sich vor: Strategien und Politiken identi- Das FES-Büro in Israel ...... 57 fizieren und kommunizieren, Sommeruniversität für junge Gewerkschaftsführer: die es erlauben, bis zum Jahr Jugendarbeitslosigkeit in Westafrika ...... 62 2020 ein soziales Deutschland China: zu erreichen. Wirtschaftspoliti- Nach dem Beben ...... 64 sches Kernziel ist ein möglichst Hinter den Kulissen - Auslandsbüros stellen sich vor: hohes, sozial ausgeglichenes Das FES-Büro in Jakarta/Indonesien ...... 66 Wohlstandsniveau in Deutsch- land, ohne dabei auf gute Ar- Aktuelle Publikationen des FES ...... 70 beit und Nachhaltigkeit zu ver- Impressum ...... 71 zichten. Vielmehr soll es aus ei- ner langfristigen Steigerung der sozialen Produktivität re- Die Abteilung Wirtschafts- und ziales Deutschland zu analysie- sultieren. Darunter verstehen Sozialpolitik der FES spielt auf- ren und in einem Dialog zwi- wir die reale Wertschöpfung grund der thematischen Aus- schen Wissenschaft, Politik, pro Arbeitseinsatz unter Ver- richtung naturgemäß eine Praxis und Öffentlichkeit ent- meidung zusätzlicher Belastun- zentrale Rolle in diesem Pro- sprechende Konzepte und Poli- gen der Arbeitnehmer, Ver- jekt. Ihr Ziel ist es, die ökono- tiken zu erarbeiten. braucher und der Umwelt. mischen Grundlagen für ein so- Michael Dauderstädt

4 / 2 0 0 8 INFO FES 4 DEUTSCHLAND

Fachkonferenz zur Zukunft der Stromerzeugung Ohne Kohle?

K OH LE IS T NAC H WI E VOR DE UT SCHLAN DS ENE RGIET RÄGER NUMMER 1 .

Wegen der hohen CO2-Belastung steht sie allerdings seit langem in der Kritik. Als Alternative gelten regenerative Energien und Erdgas.

BUND), Vertretern der Energie- halb bleibe die Kohleverstrom- wirtschaft, der IG BCE und ung neben der Weiterentwick-

Wissenschaftlern zu diskutieren. lung von Technologien zur CO2- Wenn neue Kohlekraftwerke Speicherung mittelfristig von gebaut würden, wäre aus Sicht zentraler Bedeutung. der Umweltverbände die Kli- So zeichnete sich in der Dis- maschutzpolitik der Bundes- kussion der Konsens ab, dass republik für Jahrzehnte ad ab- ein sinnvoller Energiemix für surdum geführt. Deutschland sowohl ökolo- Die Fürsprecher von Kohle zur gischen als auch ökonomisch- Stromproduktion sehen jedoch en Gesichtspunkten genügen derzeit keine Alternative dazu, müsse. Auf Stromerzeugung weil die Technologie zum Ein- durch Kohle könne zunächst satz von erneuerbaren Ener- nicht verzichtet werden, am Machte seine Position In seinem Eröffnungsvortrag gien für eine flächendeckende Ausbau der regenerativen zur Kohleverstromung deutlich: Bundesum- machte Bundesumweltminis- Anwendung noch zu sehr in Energien müsse jedoch fest- weltminister Sigmar ter Sigmar Gabriel bei einer den Kinderschuhen stecke. So gehalten werden. Gabriel. (Foto: Zensen) Fachkonferenz zur Zukunft bliebe nur Gas, um eine adä- der Kohle bei der Stromer- quate Stromerzeugung zu MEHR ZUM THEMA zeugung deutlich, dass er ei- gewährleisten. Damit würde nen Ausstieg aus der Kohle- Deutschland noch abhängiger www.fes.de/stabsabteilung/ verstromung zum jetzigen Zeit- von den Rohstoffländern. Des- „Zukunft der Energie“ punkt für falsch hält. Denn dies würde den Festveranstaltung „60 Jahre Menschenrechte“ Befürwortern der Atomenergie in die Während eines gemeinsamen Festaktes von Amnesty International und der Hände spielen. So- Friedrich-Ebert-Stiftung zum sechzigsten Jahrestag der Allgemeinen Erklärung wohl das Ende des der Menschenrechte konnte die Vorsitzende der FES, Anke Fuchs, am 10. Stroms aus Kohle Dezember sowohl die Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Bundesaußen- als auch ein Ende minister Frank-Walter Steinmeier und die Vorsitzende von Amnesty International der Atomenergie Deutschland, , im Berliner Konferenzzentrum der Stiftung seien parallel nicht begrüßen.

zu machen. ) e b e i

Die Stabsabteilung L : o t

der FES hatte einge- o F ( laden, um am 16. Oktober in Berlin dieses Thema mit wichtigen Umwelt- verbänden (Deutsche Umwelthilfe und

FES INFO 4 / 2 0 0 8 5

Ausstellung „Sozialdemokratie und freie Gewerkschaften”

Am 4. September eröffnete Franz Müntefering im erläuterte das Ausstellungskonzept. Bonner Haus der FES eine Ausstellung, die an Verleih der Ausstellung: [email protected]. „Sozialdemokratie und Freie Gewerkschaften in Verfolgung, Widerstand und Exil 1933-1945“ er- innert. In seiner Ansprache wies er eindringlich darauf hin, dass Rechtsextremismus nicht nur mit juristischen Mitteln, sondern mit einer Politik, die wirtschaftliche Erneuerung mit sozialer Gerechtigkeit verbindet, zu bekämpfen sei. Die Ausstellung soll einen Beitrag dazu leisten, sich historisch fundiert mit Ausländerfeindlichkeit, rechtsextremer Gewalt und Antisemitismus sowie mit deren Entstehungsbedingungen auseinander- zusetzen. Im Bild: Der Leiter des historischen Forschungs- zentrums der FES, Prof. Michael Schneider,

FES-HESSEN DISKUTIERT ÜBER POLITIKVERDROSSENHEIT „Solange wir über Demokratie streiten, ist sie noch lebendig“

Parteien und Parlamentarier kritisiert und gerät so unter auch positive Erfahrungen. genießen in großen Teilen der Druck“, warnte Volker Mitten- Bürgerinnen und Bürger er- Bevölkerung wenig Ansehen. dorf von der Forschungsstelle leben durch Beteiligungsver- Nur sehr wenige Menschen sind Bürgerbeteiligung der Univer- fahren und -erfahrungen auf überhaupt bereit, sich aktiv sität Marburg auf der Ver- kommunaler Ebene ein Ruck- politisch zu beteiligen. Rund ein anstaltung „Demokratie –aber Gefühl. Sie erfahren, wie es ist, Drittel der Bevölkerung ist mit wie?“. Dieser kritischen Ein- sich zu engagieren und für die der Demokratie als Staatsform stellung könne nur durch die eigenen Interessen einzutreten. unzufrieden. ständige Vermittlung grund- Wer einmal diese positive Er- Wie kann man Bürgerinnen legender demokratischer Kom- fahrung gemacht hat, wird in und Bürgern das Gefühl geben, petenzen entgegengewirkt der Zukunft nur selten untätig dass es sich lohnt, sich zu betei- werden, denn „Demokratie ist zuschauen. Engagement müsse ligen, wie kann Misstrauen nie ein abgeschlossener Pro- deshalb dringend gefördert abgebaut werden und die Dis- zess“. Vor allem „Nichtwähler werden. tanz zwischen Bevölkerung und seien jedoch alle irgendwann Sven Giegold, Mitbegründer von Politik überwunden werden? einmal enttäuscht worden“, Attac und Europaparlaments- Antworten auf diese Frage sagte Frank D. Karl, Abtei- kandidat der Grünen, legt des- suchten die Teilnehmer der lungsleiter der FES, nach der halb Wert darauf, dass es keinen Veranstaltungsreihe des FES- Vorstellung der Ergebnisse der grundsätzlichen Widerspruch Landesbüros Hessen zur „Zu- FES-Studie zu Demokratieein- zwischen sozialen Bewegungen kunft der Demokratie“ in Mar- stellung und Wählerverhalten und politischen Institutionen burg. „Die Demokratie wird in der Diskussion unter dem gibt. Aber „ein Engagement, in der Gesellschaft inzwischen Titel „Demokratie – nein das keinen stört“ brächte die von unten und von oben stark danke?“. Zum Glück gibt es Demokratie nicht weiter.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 6 DEUTSCHLAND

NEUE STUDIE DER FES ÜBER RECHTSEXTREME EINSTELLUNGEN Bewegung in der Mitte

Die gute Nachricht zuerst: befragung durchgeführt und gang rechtsextremer Einstel- Rechtsextreme Einstellungen dabei festgestellt, dass noch lungen vor allem auf Verände- sind in Deutschland in den ver- immer rund 15 % der Deut- rungen in Westdeutschland gangenen Jahren leicht zurück- schen chauvinistisch eingestellt beruht. Gerade die Ausländer- gegangen. Aber immer noch sind und gut ein Fünftel der feindlichkeit hat in West- finden sich Ausländerfeindlich- Befragten eine ausländerfeind- deutschland an Zustimmung keit, Antisemitismus und liche Einstellung zeigt. Der verloren. Demgegenüber zeig- rechtsextremes Denken in allen Befund der Vorgängerstudie ten sich in den ostdeutschen Bevölkerungsgruppen – das ist von 2006, „rechtsextreme Ein- Bundesländern die rechtsex- die schlechte Nachricht einer stellung ist kein Randphäno- tremen Einstellungen stabil, aktuellen Studie mit dem Titel men, sondern findet sich auch der Antisemitismus nahm „Bewegung in der Mitte. in der Mitte der Gesellschaft sogar leicht zu. Rechtsextreme Einstellungen in wieder“, gilt auch heute noch. Deutschland 2008“. Im Auftrag Vergleicht man die aktuellen

der FES haben Wissenschaftler Ergebnisse mit den Vorgänger- DIE STUDIE ZUM DOWNLOAD der Universität Leipzig eine studien seit 2002, zeigt sich, bundesweite Repräsentativ- dass der bundesweite Rück- www.fes.de/rechtsextremismus

Ausstellung „Rechtsradikalismus in Bayern” Ein Exemplar der aktualisierten Ausstellung „Rechtsradikalismus in Bayern – Demokratie stärken“ wurde dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg übergeben, wo sie bei Projekt- tagen und Seminaren eingesetzt wird. Im Jahr 2008 war die Aus- stellung drei Monate in der Eingangshalle des Dokumentationszen- trums zu sehen. In über 60 Orten Bayerns, in vielen Schulen und Jugendzentren konnten sich Schüler und Jugendliche über die Strukturen des Rechts- radikalismus informieren und erhielten Antworten auf die Frage „Was kann man gegen fremdenfeindliche und rechtsradikale Umtriebe tun?“

Neues Handbuch für die politische Bildungsarbeit mit Jugendlichen Die neue Publikation „Rechtsextremismus? Nicht mit mir! Grundwissen und Handwerkszeug für Demokratie“ ist ein Heft, das in jugendgerechter Form und Sprache aufzeigt, wie Rechtsextremismus heute aussieht, was man gegen ihn tun und wie Demokratie gelebt werden kann. Bestellungen: www.fes.de/rechtsextremismus

FES INFO 4 / 2 0 0 8 7

KONFERENZ ZUR UNTERSTÜTZUNG VON OPFERN RECHTER GEWALT Den Opfern ein Gesicht geben

Der Ablauf bleibt immer gleich: ge, wie man deren Situation Zur Ausstellung gibt es ein Einer brutalen rechtsextrem verbessern kann, wurden auf pädagogisches Begleitpro- motivierten Gewalttat folgt die der Tagung zahlreiche Vor- gramm. mediale Aufmerksamkeit, die schläge gemacht. öffentliche Entrüstung, der Ruf So bot Berlins Polizeipräsi- nach harter Bestrafung. Aber dent Dieter Glietsch direkte was wird eigentlich aus dem Gespräche zwischen Polizei- Opfer? Viel zu oft geraten die beamten und der Opferbe- Opfer aus dem Blick, wenn ratung ReachOut an, damit über rechtsextreme Gewalt dis- Opfer schneller über Hilfs- kutiert wird. Dies wollte die angebote informiert werden FES mit einer Konferenz ge- können. Die Initiative für ei- meinsam mit den Beratungs- nen bundesweiten Ausbau der stellen für Opfer rechter Ge- bisher nur in Ostdeutschland walt in Berlin und Branden- bestehenden Opferbera- burg ändern. tungsstellen wurde zum Ab- Der Tagesspiegel-Reporter schluss der Tagung vom Bun- Frank Jansen gab dabei den destagsabgeordneten Niels Ton des Tages vor, als er sei- Annen in Aussicht gestellt. ne Langzeitreportage über Parallel zu der Tagung wurde Orazio Giamblanco vorstellte, eine neue Ausstellung der FES der 1996 von einem Skinhead in Kooperation mit der Opfer- mit einem Baseballschläger perspektive Brandenburg er- Frank Jansen bei der Vorstellung von Orazio Giamblanco vor dem lebensgefährlich verletzt wur- öffnet. Die Ausstellung der Bild eines niedergebrannten türkischen Imbisses in Brandenburg. de. Seither ist er behindert. Künstlerin Rebecca Forner er- Eins von schätzungsweise innert an die 136 Mordopfer INFORMATIONEN ZUR AUSSTELLUNG 10.000 Opfern rechtsextremer rechtsextremer Gewalt seit UND IHREN AUSLEIHMÖGLICHKEITEN: Gewalt seit 1990. Zu der Fra- 1990. [email protected]

+ + + FE S + + + K U RZ GEFA SS T + + + FES + + + KURZ G EFASST + + + FES + + + KURZ

+ + + Die Zahl der deutschsprachigen Internet- + + + Die NPD erreichte 2004 den Einzug in den seiten mit rechtsextremen Inhalten ist auf 1.600 sächsischen Landtag und ist inzwischen in allen angestiegen. Interaktive Web 2.0-Angebote locken sächsischen Kreistagen vertreten. Ein Podiums- junge Leute an, dazu gibt es professionell pro- gespräch beschäftigte sich am 29. Oktober in duzierte Musikstücke und Video-Clips. Will man Zwickau mit der Frage „Der rechte Weg beginnt den Medienangeboten der Demokratiefeinde von in der Mitte. Was tun?“ Ausgangspunkt war die Rechtsaußen etwas entgegensetzen, muss man als Studie der FES zur Entstehung rechtsextremer erstes gut informiert sein. Deshalb veranstaltete Einstellungen. Zu den Podiumsgästen gehörte das Forum Berlin gemeinsam mit dem Landes- auch der sächsische Landesbischof Bohl, der die institut für Schule und Medien Berlin- Haltung der evangelischen Kirche deutlich Brandenburg eine Konferenz für Lehrer, Jugend- machte: „Wer sich gegen Juden, Ausländer oder arbeiter und engagierte Bürger. Neben der Minderheiten stellt, der stellt sich auch gegen Information stand die Ausarbeitung von Gegen- Christen.“ + + + strategien im Mittelpunkt. + + +

4 / 2 0 0 8 INFO FES 8 DEUTSCHLAND

RECHTSPOLITISCHER ARBEITSKREIS ZUR ZUKUNFTSFÄHIGKEIT DER PARTEIENDEMOKRATIE Parteien ohne Volk?

Das Thema wollte provozieren. schichten verändern sich, die Krise steckten, während nach Provozieren zum Nachdenken Parteimitgliedschaft verliert Prof. Falters Meinung die Poli- über die Parteienlandschaft ihre Bedeutung, die Wähler tiker und mit ihnen die Partei- und den politischen Willens- bröckeln. Prof. Oskar Nieder- en auf dem Tiefpunkt ihres An- bildungsprozess in unserem mayer bezeichnete die deut- sehens angelangt seien. Nach Land. Im Eröffnungsvortrag sche Parteienlandschaft als re- von Alemann entspricht die zum Adolf-Arndt-Symposium paraturbedürftig, die Wähler deutsche Wahlbeteiligung euro- der FES wies der ehemalige seien skeptisch, sie fühlten sich päischem Durchschnitt – Falter Verfassungsrichter Prof. Dieter nicht mehr richtig vertreten, so fordert aufgrund des neu ent- Grimm darauf hin, welche Ver- seine Analyse. standenen Fünf-Parteien-Sys- änderungen in den letzten In einem „diagnostischen tems eine Wahlrechtsdebatte. Jahrzehnten stattgefunden Streitgespräch“ zwischen den Am Schluss stand der Appell haben: Die Gegensätze Kapital- beiden großen Parteienfor- der ehemaligen Verfassungs- Arbeit, Stadt-Land, katholisch- schern, Ulrich von Alemann richterin Dr. Hohmann-Denn- evangelisch haben sich auf- und Jürgen Falter, ging es um hardt: „Wünschen wir der gelöst. Damit ist die traditio- den „Patient Partei“. Prof. von Demokratie, dass die Parteien nelle Rolle einer Partei, Anwalt Alemann sprach sich eindeutig wie das Volk sich wieder mehr einer einzigen Interessengrup- gegen die These aus, dass die ihrer wechselseitigen Ange- pe zu sein, vorbei. Die Wähler- Parteien in einer bedrohlichen wiesenheit bewusst werden!“

PROJEKTSTART ERFOLGREICH Online in die Kommunalpolitik Seit dem 15. September 2008 und kommunale Selbstver Sachthema zu präsentieren laufen die E-Learning-Kurse waltung im Mittelpunkt. Eine sind. Die verbleibenden Kurs- „Kommunalpolitik“, das neue praxisnahe Einführung zu wochen sind durch vier op- gemeinsame Angebot des Fritz- kommunaler Finanzpolitik und tionale Themenmodule (z.B. Erler-Forums Stuttgart und der Tipps zum Führen von Wahl- Jugendkommunalpolitik, Inte- OnlineAkademie. Jüngst ging kämpfen auf lokaler Ebene gration und Bildung) bestimmt. der vierte Kurszyklus zu Ende. runden den Einstieg ab. Mit dem E-Kurs-Angebot ge- Die sechswöchigen, modular Im Anschluss folgt ein zwei- lingt es sehr gut, einen jungen aufgebauten Kurse geben auf tägiges Präsenzseminar. Hier und engagierten Personenkreis einer Lernplattform im Internet haben die Teilnehmenden die anzusprechen, der die Vorteile eine Einführung in die kom- Möglichkeit, das Gelernte ganz online gestützter Wissensver- munale Politik in Baden-Würt- praktisch auszuprobieren: z.B. mittlung zu schätzen gelernt temberg. Ein Betreuer ist bei beim Interviewen eines „echt- hat. Aufgrund des großen technischen Problemen wie bei en“ Bürgermeisters, bei der Er- Interesses wird ab März 2009 inhaltlichen Fragen behilflich arbeitung von Statements, die ein zusätzlicher E-Kurs an- und moderiert die 20-köpfige bei einer gespielten Gemeinde- geboten. Lerngruppe. ratssitzung zu einem lokalen In den jeweils ersten vier Wochen absolvieren die E- Learner den Grundkurs: Hierbei stehen die Themen- felder kommunale Aufgaben

FES INFO 4 / 2 0 0 8 9

WEITERBILDUNG FÜR ARBEITNEHMERINNEN UND ARBEITNEHMER IM FORUMNRW Wo politisches Lernen zum Erlebnis wird

„Mein Fazit: Politische Bildung kommen eine Reihe weiterer einander verbinden“ geht es ist nicht nur informativ, sie Angebote für Gruppen, darun- um Fragen des Klimawandels, kann auch Spaß machen und ter Betriebsräte, Erzieherinnen der gerechten Globalisierung Neugier auf weitere Seminare und Bundeswehrangehörige. und der Energiewende. Das wecken“: Dieses Urteil einer Der größte Teil der Seminare ForumNRW bezieht in seine Teilnehmerin des Seminars „Mehr als Portwein und Paella „Politische Weiterbildung verbessert das Verständnis der Be- – Ein politisch-kultureller schäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zu- Streifzug durch Portugal und sammenhänge und fördert damit die in einem demokratischen Spanien“ trifft ziemlich genau Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung das, was das ForumNRW der in Staat, Gesellschaft und Beruf“ Aus dem Arbeitnehmerweiter- FES mit seinen Veranstaltung- bildungsgesetz des Landes NRW, § 4 en erreichen möchte: politische Information und Orientierung findet in den Räumen der FES Seminare Personen und Or- zu Entwicklungen und Fragen in Bonn statt. ganisationen aus Bonn und unserer Zeit, die auf abwechs- Das Jahresprogramm 2009 Umgebung ein, so z. B. den lungsreiche, lebendige und bietet zahlreiche neue Themen. WDR, das Internationale Kon- unterhaltsame Weise vermittelt Im Schwerpunkt „Europa und versionszentrum, das sich für wird. die Welt besser verstehen“ Abrüstung und Frieden ein- Wochenseminare von Montag- stehen Frankreich, China und setzt, oder Eurosolar e.V., ein mittag bis Freitagnachmittag Russland auf dem Programm. auf erneuerbare Energien sind das Markenzeichen des In der Gruppe „Den gesell- spezialisierter Verein. Mit ForumNRW. Alle Angebote schaftlichen und politischen Filmen, Planspielen, Experten- richten sich an Arbeitnehme- Wandel mitgestalten“ spürt das besuchen, Exkursionen und rinnen und Arbeitnehmer aus Seminar „Was hat Kommissar Gesprächen vor Ort gelingt es, NRW, die ihren Bildungs- Rex mit Politik zu tun?“ die auch trockene und spröde The- urlaubsanspruch nach dem versteckten politischen Bot- men anschaulich und „begreif- nordrhein-westfälischen Ar- schaften in Fernsehkrimiserien bar“ zu machen – damit poli- beitnehmerweiterbildungs- auf. Im dritten Arbeitsfeld tisches Lernen zum Erlebnis gesetz realisieren wollen. Dazu „Ökonomie und Ökologie mit- wird.

„Geschichte erfahren“ war das Motto für 20 Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Frankfurter Max-Beckmann-Schule, die sich – gefördert unter anderem von der FES-Hessen – auf eine historische Spurensuche entlang des früheren „Eisernen Vorhangs“ zwischen Hessen und Thüringen machten. Insgesamt 220 Kilometer radelten sie entlang des ehemals mit Zäunen, Stacheldraht, Selbstschussanlagen und Wachtürmen befestigten Grenzstreifens. Beim Besuch im Grenzmuseum oder in der Diskussion mit Zeitzeugen wurde die deutsche Teilung wieder lebendig. Durch das Gespräch mit einem ehemaligen Wehrpflichtigen der NVA-Grenztruppen, einem Regime-Flüchtling und zahlreichen Bürgerrechtlerinnen und Lokalpolitikern begannen viele der Jugendlichen das erste Mal, das Ausmaß der deutschen Teilung zu begreifen.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 10 DEUTSCHLAND

Peer Steinbrück überreicht Preis der FES-Ehemaligen Preis fürs Engagement

GESE LLS CH AFT SP OLITIS CHES EN GA G EMEN T I ST, NE BEN GUTEN L EIST UNG EN, WICH TIG E V ORA USSETZUN G FÜR EI N STIPENDIUM D ER FES- STU D IENFÖ RD ERU NG. Auch die ehemaligen Stipendiat/innen nehmen sich diesen Ansatz zu Herzen und engagieren sich auf vielfältige Weise.

wortung „regieren“. www.dessopolis.de • Im „Bonner Spendenparla- ment“ spenden Bürger regel- mäßig einen Monatsbeitrag und entscheiden dann gemein- sam über die Verwendung der Mittel. www.bonner-spenden- parlament.de • „Arbeiterkind“ will Kinder nicht-akademischer Familien bei einem Studium unterstütz- en. Dazu werden Informations- defizite u.a. mit Hilfe der Inter- netseite arbeiterkind.de und Die Gewinner des Mit dem „Engagementpreis“ tivität und Engagement gestal- durch die Unterstützung von 2. Platzes, Katrin Jordan und Alina schuf der Verein FES-Ehema- ten Menschen das Zusammen- Mentoren aus 60 lokalen Grup- Schröder (v.l.) vom lige einen Wettbewerb mit leben in unserem Land zum pen ausgeglichen. „Bonner Spendenpar- lament“, erhalten den echten Anreizen: Jährlich wer- Besseren.“ www.arbeiterkind.de Engagementpreis aus den Händen von den drei herausragende gesell- Bundesfinanzminister schaftspolitische Projekte von Die drei Gewinnerprojekte: MEHR ZUM THEMA Peer Steinbrück einer Jury ausgewählt und mit • In der Kinderstadt „Dessopo- Weitere Informationen unter insgesamt 10.000 Euro unter- lis“ können Dessauer Kinder www.engagementpreis.de stützt. Der Engagementpreis und Jugendliche eine Woche 2008 wurde beim Jahrestreffen lang ihre Stadt in Eigenverant- der ehemaligen Stipendiaten Globalisierung betrifft nicht nur Unternehmen: Auch die Gewerk- am 13. September von Bundes- schaftsbewegung organisiert sich neu, wie die Gründung des Inter- finanzminister Peer Steinbrück nationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) im November 2006 zeigt. übergeben. Aus 65 Bewerbung- Dessen Vizevorsitzender Michael Sommer – zugleich Vorsitzender des en waren drei Projekte ausge- Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – sieht die Arbeit des IGB indes wählt worden. noch ganz am Anfang: Bis zur wirkungsvollen globalen Vertretung von Der Minister lobte die Idee des Arbeitnehmerinteressen werde noch viel Zeit vergehen. Eine Hospitanz Engagementpreises: „Aus dem beim DGB, einer der wichtigsten Partner der Stiftung, ermöglichte 16 Kreis der ehemaligen Stipen- Nachwuchskräften der FES, vom 17. bis 19. September in Berlin mit diaten der Friedrich-Ebert- Michael Sommer und anderen über die nationale und internationale Stiftung hat sich mit dem En- Politik des DGB zu diskutieren. gagementpreis 2008 eine wir- kungsvolle Initiative zur Unter stützung von gesellschaftlichem Engagement und gelebter Ver- antwortung gebildet. Durch Ak-

FES INFO 4 / 2 0 0 8 11

NEUES SCHÜLERPLANSPIEL IN BONN Europa sozial gestalten!

Um eine der wichtigsten Zu- Mitgliedsstaaten wurde nach in Europa und auf eine stär- kunftsfragen der Europäischen langen Verhandlungen, An- kere Abstimmung in steuer- Union zu verhandeln, trafen hörungen der Arbeitgeber- politischen Fragen sowie der sich am 3. und 4. November und Arbeitnehmerseite eine Lohn- und Beschäftigungs- knapp fünfzig Oberstufen- Abschlussresolution verab- politik. schülerinnen und -schüler aus schiedet, in der sich die Gipfel- In der Präambel der abschließ- der Region Bonn und Köln zu teilnehmer auf wegweisende enden Gipfelerklärung formu- einem „EU-Ratsgipfel zur Schritte für ein soziales Eu- lierten die Schüler schließlich sozialen Zukunft Europas“. ropa verständigten: beispiels- ihren Anspruch: „Auch vor Das Forum Jugend und Politik weise auf die Stärkung des eu- dem Hintergrund der jüngsten hatte dazu im Rahmen des ropäischen Wirtschafts- und Finanzkrise beschließen wir, neuen Planspiels „Europa Sozialausschusses, auf eine dass die soziale Dimension sozial gestalten!“ eingeladen. Überprüfung der europäischen Europas aufgewertet werden In den Rollen von Regierungs- Strukturpolitik und ihren muss.“ vertretern ausgewählter EU- Beitrag zur Armutbekämpfung

LITERARISCHER FISHBOWL FÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER Zwischen Elite und Hartz IV

Welche Chancen habe ich en Schulen nicht aus jedem das alte Sprichwort „Nicht für die später im Leben? Spielt es eine Beste herausgeholt würde, son- Schule, sondern fürs Leben” Rolle, was meine Eltern von dern stattdessen eine Sortier- lernen schon seinen Sinn hat.“ Beruf sind? Welchen Einfluss ung stattfinde. + + + F E S + + + K UR Z GE F AS S T + + + haben der Stadtteil und das Julia Friedrichs, die verschie- persönliche Umfeld, in dem ich dene sogenannte Elite-Schulen + + + Über 700 Schüler/innen aus aufgewachsen bin? Diese in ganz Deutschland besucht 69 Schulen und 15 Ländern Fragen standen im Zentrum hat, berichtete von einer wirkten als Delegierte bei der Auf- eines weiteren Literarischen „Wohlstandsverwahrlosung“, taktveranstaltung des UN-Plan- Fishbowls für Schülerinnen die sie unter den Kindern rei- spiels BERMUN mit, die das Forum und Schüler am 17. November cher Eltern oft festgestellt Politik und Gesellschaft am 19. in Berlin. Die beiden Autoren habe. Disziplinlosigkeit sei ein November unter Federführung der Julia Friedrichs („Gestatten Phänomen, dass sie sowohl un- Berliner John F. Kennedy School Elite“) und Jens König („Ein- ter Jugendlichen ganz oben als ausrichtete. „Empowering Women: fach abgehängt“, FES-Preis auch ganz unten beobachtet A Prerequisite for Global Develop- „Das Politische Buch“ 2007) hätte. Eine Schülerin veran- ment“ lautete das Thema. Caroline diskutierten mit 200 Jugend- schaulichte anhand ihrer ei- Fetscher, Autorin beim Tagesspie- lichen über Chancengerechtig- genen Biographie, dass man gel, und Dr. Ulla Mikota, Unterab- keit in der Gesellschaft. auch aus schwierigen sozialen teilungsleiterin im Bundes- König hat in seinem Buch die Umständen heraus Erfolg ha- ministerium für wirtschaftliche Zu- Schicksale von Menschen auf- ben könne, wenn man wirklich sammenarbeit, gaben inhaltliche gezeichnet, die seit langem ar- den Willen dazu habe. Inputs, die zu einer regen Dis- beitslos sind oder von ihrer Ar- „Es muss halt klick machen“, kussion mit den Delegierten beit kaum leben können. Er so die Schülerin, „und dann führten. + + + bedauerte, dass in den deutsch- weiß man auf einmal, dass das www.bermun.de

4 / 2 0 0 8 INFO FES 12 DEUTSCHLAND

FES-STUDIE „POLITISCHE BILDUNGSARBEIT AN ALLGEMEINBILDENDEN SCHULEN IN SACHSEN“ Wie unpolitisch darf Schule sein?

Politische Bildungsarbeit an rungsraum sehen, in der Praxis simuliert und gesellschaftliche sächsischen Schulen hat enor- werde dem aber nur eine un- Probleme aufgezeigt werden. men Nachholbedarf. So die tergeordnete Rolle zugebilligt, Ein Vorschlag für die Zukunft Botschaft von Prof. Wolfgang so Melzer. Zudem beobachtete war, politische Bildung in Pro- Melzer bei der Podiumsver- er eine ambivalente Haltung jektform zu realisieren und auf anstaltung „Wie unpolitisch zwischen allgemeinem Be- eine kontinuierliche Zusam- darf Schule sein?“ im vogtlän- kenntnis zur Partizipation ei- menarbeit mit externen Insti- dischen Plauen. Der Erzie- nerseits und gleichzeitigem tutionen zu setzen. hungspädagoge von der TU Festhalten an autoritären Vor- Rolf Schwanitz, MdB aus Plauen Dresden hatte eine Befragung stellungen andererseits. und parlamentarischer Staats- unter Schulleitern, Fachbe- Melzer kritisierte die über- sekretär in Berlin, sagte mit ratern und Fachlehrern für wiegend lehrerzentrierte Aus- Blick auf Melzers schlechtes gesellschaftswissenschaftliche richtung des Unterrichts. Po- Zeugnis für die politische Bil- Fächer durchgeführt. Zwar litische Institutionen und Per- dung, Politiker aller Parteien würden die Befragten Schule sonen müssten aktiv kennen- müssten dafür werben, sich als demokratischen Erfah- gelernt, politische Prozesse politisch zu engagieren.

OPEN SPACE ZUR JUGENDKRIMINALITÄT Willst Du kriminell werden?

minalität wird jedoch oftmals dass sie sich mehr Unterstüt- über die Köpfe der Jugend- zung aus ihren Familien lichen hinweg geführt. wünschten. Würden durch die Im Rahmen eines Open Space Eltern keine Grenzen gesetzt, des Forums Politik und Gesell- sei es für viele ein Spiel aus- schaft fanden im Herbst mehr zutesten, wie weit man gehen als 250 Jugendliche Stimme könne. In vielen Fällen sei dies und Gehör. In einer Zeit, in der auch ein Schrei nach mehr Auf- das Wort „Opfer“ als Schimpf- merksamkeit. Einig waren sich wort gilt, ist es für Jugendliche die Teilnehmer/innen dahin- oftmals sehr schwer zuzuge- gehend, dass es immer die ei- ben, dass sie einer Straftat zum gene Entscheidung sei, ob man Opfer gefallen sind. Einige Ju- kriminell werde oder nicht. gendliche betonten deshalb, Spaß, trotz ernster „Abziehen“ und „Happy + + + F ES + + + K U R Z GE FASST + + + FES + + + Gespräche: Teilnehmer des Open Space (Foto: Slapping“ – für viele Jugend- U. Kelm) liche zählen diese Gewalt- + + + Fast 40 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden leben in phänomene zum Alltag. Der relativer Armut. Jedes 2. Kind, das von Sozialleistungen lebt, wächst jungen Generation werden mit nur einem Elternteil auf. So die alarmierenden Zahlen des 3. Werteverfall, Disziplinlosigkeit, Armutsberichts der Bundesregierung aus dem Jahre 2008. Auch in fehlendes Rechtsbewusstsein Göttingen ist man mit diesen Zahlen konfrontiert und versucht, ak- und Brutalisierung vorgewor- tiv dagegen anzugehen. Die Stadtverwaltung arbeitet mit Hoch- fen. Die Diskussion über die druck an einem „Masterplan gegen Kinderarmut“. Genereller Bekämpfung der Jugendkri- Konsens einer Podiumsdiskussion des FES-Landesbüros Nieder- sachsen in Göttingen: Bildung ist unerlässlich und Grundlage für eine intakte Gesellschaft. + + +

FES INFO 4 / 2 0 0 8 13

Jugendgewalt: Antigewalttrainings sind keine Allheilmittel

Junge Menschen, die mit Gewaltdelikten straffäl- gebotenen Maßnahmen müssten wissenschaftlich lig geworden sind, bekommen üblicherweise fundiert sein, die Zuordnungen der Teilnehmer Antigewalttrainings verordnet. Diese werden auf einer fachkundigen Beurteilung beruhen und nach dem Jugendgerichtsgesetz sowohl in Haft- die Durchführung von einer aussagekräftigen anstalten als auch „ambulant“ umgesetzt. Zuneh- Evaluation begleitet sein. mend erweitert sich jedoch die Zielgruppe dieser Am Beginn der Antigewalttrainings müsse die Trainings auf gewaltbereite junge Menschen auch Frage nach dem „Warum“ des auffälligen Ver- vor der Straffälligkeit. Die Angebote und die ihnen haltens von Jugendlichen stehen, so Prof. Helmut zugrunde liegenden Konzepte sind inzwischen Lukas von der Fachhochschule Erfurt. In der ab- sehr vielfältig und damit unübersichtlich. Vor schließenden Fishbowl-Diskussion mit Vertreter/- diesem Hintergrund warf das Forum Politik und innen der Jugendgerichtshilfe und des Jugend- Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Landes- gerichts sowie der Trainingsangebote wurde kommission Berlin gegen Gewalt im Oktober in deutlich, dass es häufig an einer Betreuung der Berlin bei einer gemeinsamen Tagung die Frage Jugendlichen nach Beendigung der Kurse fehlt: auf: „Was leisten Trainings, Kurse und Semi- Viele sind froh, „wenn sie das Training hinter sich nare?“. haben“, beklagte ein Trainer. Als Einzelmaßnahme „Selbst gewieften Praktikern dürfte es schwer seien solche Trainings wirkungslos, befürchtete fallen, stets den Überblick zu behalten“, kon- die Jugendrichterin Dr. Antje Keune. statierte Staatsekretär Hasso Lieber in seiner Er- öffnungsrede und sieht Handlungsbedarf: Die an- www.fes.de/forumpug/inhalt/doku.htm

3 . NEUKÖLLNER PRÄVENTIONSTAG Null Bock auf Schule!

„Schule schwänzen“ bzw. die Schule ist, um „möglichst früh- dern dass man junge Menschen Schuldistanz, wie es offiziell zeitig mittels qualifizierter mit Zuwendung, gezielter Leis- heißt, war Thema des 3. Neu- Hilfen die Wiederannäherung tungsförderung und Bestäti- köllner Präventionstages des der Kinder an das System gung sowie Aufklärung über Neuköllns Bezirksbür- Arbeitsbereichs BerlinPolitik in Schule zu ermöglichen“. Rechte, Pflichten und Chancen germeister Heinz Kooperation mit dem Netzwerk Da der 3. Präventionstag unter wieder in den normalen Schul- Buschkowski fand klare Worte über das im Sozialen Raum Neukölln. dem Motto „Neukölln überwin- alltag reintegrieren kann. „Schule schwänzen“ Neuköllns Bezirksbürgermeister det Distanz(en)“ stand, machten Heinz Buschkowsky konsta- sich die Teilnehmerinnen und tierte, dass zwar nicht jeder Teilnehmer auf den Weg, den junge Schulschwänzer gleich Pfaden schulunlustiger Jugend- kriminell wird, aber dass jeder licher zu folgen, um dann die jugendliche Straftäter immer Orte aufzusuchen, an denen an auch ein Schulschwänzer war. der Reintegration gearbeitet Je weiter die Schuldistanz fort- wird. Mutmachende Projekte geschritten ist, desto schwie- von Schulstationen und Zweite- riger werden Kontakt und Chance-Projekten über inter- Reintegration. Daher betonte kulturelle Moderation bis hin die Direktorin des Jugendamts zu Suchtprävention haben ge- Neukölln, Dr. Gabriele Gallus- zeigt, dass das Überwinden von Jetter, wie wichtig die Zusam- Schuldistanz nicht nur eine menarbeit von Jugendhilfe und Frage von Sanktionen ist, son-

4 / 2 0 0 8 INFO FES 14 DEUTSCHLAND

Brücke zwischen Jung und Alt: Konfliktmediation in Schulen durch ältere Menschen

Gewalt unter Kindern und Jugendlichen führt zu In Zusammenarbeit mit dem Verein Seniorpartner Problemen in den Schulen. Hohe Klassen- in School bietet das Forum Politik und Gesellschaft frequenzen verhindern, dass Lehrer sich in zeit- Fort- und Weiterbildungskurse der Konfliktme- intensiven Konfliktgesprächen mit einzelnen diation in Berlin, Brandenburg und Sachsen an. Schülern ausreichend beschäftigen können. Aber Am 13. Oktober begann eine mehrtägige Aus- Erfahrungen und Kompetenzen älterer Menschen bildung für ältere Menschen, die sich in Dresden können auch in der Schule genutzt werden. Als engagieren wollen. Die Ausbildung besteht aus Vermittler bei Konflikten – Mediatoren – können insgesamt drei zusammenhängenden Semi- sie dazu beitragen, dass Schüler lernen, Probleme narmodulen, ergänzt durch Praxisphasen in miteinander zu lösen und dabei soziale und kom- Schulen. munikative Kompetenzen zu entwickeln.

HESSISCHER ARBEITSKREIS SOZIALPOLITIK Integration benachteiligter Jugendlicher

Sie wandern von einer berufs- Was sind die Ursachen dafür, lichen den Übergang von der vorbereitenden Maßnahme in dass es nicht gelingt diese Schule in den Arbeitsmarkt zu die nächste, ihre Chancen auf Gruppe von Jugendlichen in erleichtern. Selbstkritisch ging eine Ausbildung oder reguläre den Arbeitsmarkt einzug- der Arbeitskreis mit dem Erwerbsarbeit gehen gegen liedern? Mit „Hessens ver- schlecht überschaubaren An- Null, besonders dann, wenn sie gessener Generation der 17- gebot von Projekten und Ein- weiblich sind und einen Migra- bis 25-Jährigen“ befasste sich richtungen des Übergangssys- tionshintergrund haben. Die daher am 17. November der tems um. Eine systematische Rede ist von Jugendlichen, die Hessische Arbeitskreis Sozial- Evaluierung und Auswertung maximal einen Hauptschul- politik der FES. Teilnehmer verschiedener Modelle und die abschluss erreichen konnten aus Politik, Gewerkschaften, Einführung grundlegender und aus den „normalen“ Aus- Wissenschaft und Arbeits- Standards könnten ebenso hel- bildungswegen herausfallen. agenturen diskutierten gemein- fen wie eine sinnvollere Koor- Allein in Hessen befanden sich sam mit Vertretern der Indus- dination der vielfältigen An- 2008 ca. 4.000 Jugendliche in trie- und Handelskammern, gebote durch die Einrichtung sogenannten berufsvorberei- Berufsschulen und freien entsprechender Steuerungs- tenden Maßnahmen. Die Ab- Trägern der Jugendhilfe, was stellen. bruchsquote liegt bei ca. 41 %. zu tun ist, um diesen Jugend-

„Wie können Politik und Wirtschaft es schaffen, dass alle die einen suchen, auch einen Aus- bildungsplatz bekommen?“: So lautete eine der Fragen an die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in NRW, Ute Schäfer, am 27. Oktober im Bonner Haus der FES, nachdem sich die Schülerinnen und Schüler zuvor in sechs verschiedenen Workshops fit gemacht hatten. Unter der Anleitung von Referenten aus der Gewerkschaftsjugend, der Jugendbildung, und engagierten Lehrkräften informierten sich 130 Jugendliche der Klassen 9 bis 11 über den engen

Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungs- (Foto: (Lichtenscheidt) erfolg in Deutschland, über erfolgreiche Gesamtschul- modelle und das Peer-Tutoring-System an finnischen Schulen.

FES INFO 4 / 2 0 0 8 15

FES-GESPRÄCHSKREIS MIGRATION UND INTEGRATION Die neue Integrationspolitik

Mit der „Rolle der Freien Trä- Stellvertretender Vorsitzender Auf der Konferenz wurde ger in der neuen Integrations- der Arbeiterwohlfahrt. Außer- außerdem ein im Auftrag der politik“ beschäftigte sich der dem verbinden sie professio- FES von Prof. Dr. Dieter FES-Gesprächskreis Migration nelle Hilfe und ehrenamtliches Filsinger erstelltes Gutachten und Integration auf einer ge- Engagement in ihren Angebo- über die „Bedingungen erfolg- meinsamen Tagung mit der Ar- ten. reicher Integration“ vorgestellt. beiterwohlfahrt am 13. Oktober Dr. Albert Schmid, Präsident Um die schwierige Messbarkeit in Berlin. des Bundesamtes für Migration von Eingliederungsprozessen Die Freien Träger sind die Or- und Flüchtlinge, betonte, dass zu verbessern, empfiehlt er ganisationen, die in den Stadt- der Vorteil der Freien Träger darin, detaillierte Indikatoren- teilen verankert sind, die Sor- und der Wohlfahrtsverbände systeme und Evaluationskon- gen, Nöte aber auch die Res- sei, schnell und flexibel auf die zepte zu entwickeln. sourcen der Einwanderer und Komplexität und Vielfalt der ihrer Familien am besten gesellschaftlichen Entwick- MEHR ZUM THEMA kennen, unterstrich Rudi Frick, lungen reagieren zu können. www.fes.de/wiso/sets/s_migr_publ.htm

FES-GESPRÄCHSKREIS ARBEIT UND QUALIFIZIERUNG Perspektiven für Langzeitarbeitslose

Monika Alt ist Gärtnerin. Sie unbefristet gefördert werden. auf Beschäftigung, auf eigenes ist seit 6 Jahren arbeitslos, 55 Die „JobPerspektive“ stand im Einkommen und Anerkennung Jahre und ohne Aussichten auf Mittelpunkt eines Erfahrungs- zu erhalten. eine Beschäftigung. Bernd und Meinungsaustausches, zu Wohlgemuth bekam mit 52 die dem der FES-Gesprächskreis Kündigung und fand danach Arbeit und Qualifizierung am keine neue Stelle mehr. So wie 17. November Arbeitsmarkt- ihnen geht es vielen. Experten expertinnen und -experten schätzen die Zahl der Men- nach Berlin eingeladen hatte. schen mit schweren und viel- Heinrich Alt, Mitglied des Vor- fältigen Vermittlungshemm- stands der Bundesagentur für nissen auf bis zu 550.000 Per- Arbeit, verdeutlichte, dass es sonen. Obwohl die Zahl der nun darauf ankomme, für das Arbeitslosen in den letzten Instrument zu werben und es Jahren deutlich gesunken ist, stärker zu nutzen. Wie das ging der Aufschwung am Ar- konkret geschehen kann, beitsmarkt an ihnen vorbei. wurde in einem Film, den die Eigenes Einkommen MEHR ZUM THEMA durch eigene Arbeit: Für diese Gruppe wurde vor SPD-Bundestagsfraktion in Neue Chancen durch ca. einem Jahr ein neues För- Auftrag gegeben hat, an- Audiolink zur Tagung ein neues Förderkon- zept derkonzept geschaffen, die schaulich demonstriert. Am und zum Film unter „JobPerspektive“. Damit kann Beispiel von Monika Alt und www.fes.de/wiso/sets/s_ die Beschäftigung von Lang- anderen Langzeitarbeitslosen aq_vera.htm zeitarbeitslosen mit besonde- wird gezeigt, was es für sie ren Beschäftigungshemmnissen bedeutet, wieder eine Chance

4 / 2 0 0 8 INFO FES 16 DEUTSCHLAND

FACHTAGUNG ZUR GESUNDHEITSFÖRDERUNG BEI MENSCHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND Gesund und mittendrin?!

der Hochschule Magdeburg- Schröder im Bundesministe - Stendal durchgeführt wurde – rium für Gesundheit erläuter- hier Plakate, die für Kranken- te, dass die psychosozialen und Alterspflege für türkisch- Be lastungen für Migrantinnen stämmige Deutsche werben, und Migranten sehr viel höher dort Flyer, die zur Gesund- seien als bei Menschen deutsch - heitsberatung einladen: Info - er Herkunft. Gesund heit ist die material in insgesamt 15 Grundlage für eine gelingende Sprachen. Integration, für die sowohl die Im internationalen Vergleich Migranten die Verantwortung Infomaterial in 15 Großer Andrang herrschte auf hat Deutschland ein gut aus- tragen als auch die aufneh- Sprachen: die Pro jekt - messe zur Ge sund - der Projektmesse zur Fach- gebautes Gesundheitswesen. mende Gesellschaft – dies war heitsförderung (Foto: tagung „Gesund und mitten- Für Menschen mit Migrations- einhelliger Tenor der zwei Pa - Himsel) drin?! Strategien der Gesund- hintergrund sind die Versor- neldiskussionen mit Vertreter/ heitsförderung und sozialer In- gungsstrukturen aber oft noch innen von Initiativen und Ver- klusion bei Menschen mit zu wenig an ihren Bedürfnissen einen, die sich in ihrer politi- Migrationshintergrund“, die orientiert. Sprach- und Kultur- schen und praktischen Arbeit am 25. November vom FES- barrieren behindern Anam- für die Gesundheitsförderung Projekt „Gesellschaftliche In- nese, Diagnose und Therapie. engagieren. tegration“ in Kooperation mit Staatssekretär Dr. Klaus Theo

VERTRAUENSDOZENTENKONFERENZ IN BERLIN Soziale Öffnung der Hochschulen gefordert In jedem zweiten Jahr lädt die arbeiter aus insgesamt acht Ar- Stärkung des Bafög und mehr Abteilung Studienförderung die beitsbereichen Informations- Mittel für Stipendien vorsieht. Vertrauensdozenten und Mit- stände mit Publikationen. Bil- „Insbesondere Frauen und glieder des Auswahlausschus- dungspolitische Herausfor- Studienberechtigte aus hoch- ses zu einer großen gemein- derungen an den Hochschulen schulfernen Elternhäusern ent- samen Konferenz mit dem interessieren die Vertrauens- scheiden sich aufgrund von Kuratorium der Stiftung. Ein dozent/innen naturgemäß be- Studiengebühren gegen ein wesentliches Anliegen ist es, sonders. Mit Prof. Dr. Rolf Studium“, zitierte Rolf Dobi - arrivierte ebenso wie Nach- Dobischat, dem Präsidenten schat eine aktuelle Studie des wuchswissenschaftler in Kon- des deutschen Studentenwerks Hochschul-Informations- takt mit verschiedenen Arbeits- und renommierten Bildungs- Systems. Deshalb ist eine Ab- einheiten der FES zu bringen. forscher, konnte ein Experte schaffung der Studiengebühren Deshalb wurden auf der Ver- gewonnen werden. Seine zen- als Teil des Sieben-Punkte- trauensdozentenkonferenz im trale Forderung nach größerer Plans nach Dobischats Ein- November in Berlin zentrale sozialer Durchlässigkeit des schätzung dringend notwendig. Arbeitsgebiete der Stiftung vor- deutschen Bil dungssystems gestellt: „Gewerkschaften“, wurde von allen Anwesenden Mit großer Vehemenz „Gegen Rechtsextremismus“ geteilt. Dobischat stellte einen unterstützte die FES- Vorsitzende Anke Fuchs und „Globalisierung“. Zudem Sieben-Punkte-Plan zur die Forderung nach betreuten auf einem „Markt sozialen Öffnung der Hoch- sozialer Durchlässigkeit des Bildungssystems. der Möglichkeiten“ FES-Mit- schulen vor, der u.a. eine

FESINFO 4/2008 17

FACHTAGUNG IN LEIPZIG Qualitätsoffensive an den Hochschulen

Universitäten und Hochschulen umsdiskussion stimmte der nehm bar, dass Hochschulper- müssten auch an guter Lehre Vorsitzende des Deutschen sonal in Deutschland zwar zur gemessen werden. Dies fehle Wissenschaftsrates Dr. Peter Lehrberechtigung aber nicht bislang bei der Bundes- Strohschneider dem ausdrück- zur Lehrbefähigung aus- exzellenzinitiative zur heraus- lich zu. Bei der Beschreibung gebildet werde. gehobenen Förderung von Uni- gegenwärtiger Defizite sprach versitäten und Hochschulen, er von einem „Trilemma“ und bei denen vornehmlich auf die nannte den notwendigen Aus- Forschungsleistungen geschaut bau von Plätzen für Studieren- werde. Darauf verwies die de, die Verbesserung von sächsische Staatsministerin für Quantität und Qualität der Wissenschaft und Kunst, Eva- Lehre und die Erweiterung der Maria Stange, bei der Leipziger Forschungsfähigkeit. Fachtagung „Exzellente Lehre Der Präsident des Stifterver- – Brauchen unsere Hochschu- bandes für die deutsche Wis- len eine Qualitätsoffensive?“. senschaft, Dr. Arend Oetker Bei der abschließenden Podi - (im Bild), hält es für nicht hin- (Foto: Waldek)

TAGUNG ZUR INFORMATIONSFREIHEIT „In der Ebene der Mühen”

Gute Nachrichten brachte unter einer Flut von Anträgen der Bundesbeauftragte für auf Akteneinsicht zusammen- den Datenschutz und die brechen, hätten sich keines- Informationsfreiheit, Peter wegs bewahrheitet. Es gebe al- Schaar, in die 3. Tagung zur lerdings auch Problemfelder Entwicklung des Rechtes auf wie etwa eine zu exten sive An- Informationsfreiheit. Die Neu- wendung gesetzlicher Ableh - regelung sei von den Bür- nungsgründe durch Behörden. gerinnen und Bürgern an- Insgesamt beschrei be der Titel genommen worden. Befürcht- der Tagung „In der Ebene der ungen, die Behörden würden Mühen“ recht genau die Rea - lität der Praxis der Informa- Der Bundes be auf- +++ FES+++KURZ GEFASST +++ FES +++ tragte für den Daten - tionsfreiheitsgesetze. Zu wün- schutz, Peter Schaar, +++ Die Alster bietet einen prächtigen Anblick: weiße Gründer- schen sei die Weiterentwick- bei der Veranstaltung des Fo rum Berlin. zeitvillen und luxuriöse Hotels säumen das Ufer. Ein Idyll, an dem lung der Gesetzeslage nach sich Hamburger und Besucher der Stadt freuen. Wie aber sah es dem Anspruch „soviel Infor- hier zur Zeit der Nazi-Herrschaft aus? Was geschah in den einzelnen mation wie möglich, so viel Gebäuden? Wer lebte dort vor 75 Jahren? Diesen Fragen ging eine Geheimnisschutz wie nötig. Alsterkanalfahrt nach, die das Julius-Leber-Forum zusammen Die Veranstaltungsreihe wur- mit Gegen Vergessen – Für Demokratie im Herbst anbot. Herbert de vom Forum Berlin der FES Diercks und Michael Grill, beide Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte und der Deutschen Gesellschaft Neuengamme, begaben sich mit den Gästen auf eine Fahrt in die für Informationsfreiheit ins Geschichte. + + + Leben gerufen.

4/2008 INFO FES 18 DEUTSCHLAND

BRÜSSELER MEDIENDIALOG ZUR RUNDFUNKFREQUENZNUTZUNG Uneinig über „Digitale Dividende“

Seit Monaten streiten sich „Digitalen Dividende“ aus- der Chef des Reding-Kabinetts, Rundfunkveranstalter und machen – besonders gut ge- Rudolf Strohmeier, die SPD-Eu- Telekommunikationsbranche eignet seien, um die „digitale ropaparlamentsabgeordnete heftig um eine ganz eigene Art Spaltung“ Deutschlands zu Erika Mann, ARD-Generalse- von Gewinnerwartung – die überwinden. Hierunter ver- kretärin Dr. Verena Wiedemann, „Digitale Dividende“. Hierbei stehen Experten die bislang der Vorsitzende der SPD-Me- handelt es sich um diejenigen eingeschränkte Teilhabe eines dienkommission, Marc Jan Frequenzbereiche, die im Zuge Teils der Bevölkerung zum Bei- Eumann, sowie der Vizepräsi- der Umstellung von analoger spiel am Breitbandinternet. dent des Verbands der Anbieter auf digitale Rundfunkübertrag- Vor dem Hintergrund dieser von Telekommunikations- und ung frei werden. Die Frequen- Debatte stellte die FES am 8. Mehrwertdiensten, Harald zen werden derzeit von den Oktober ihren jährlichen Stöber. Parallel zur Veran- Rundfunkveranstaltern ge- „Brüsseler Mediendialog“ unter staltung wurde die FES-Kurz- nutzt, um TV- und Radioange- das Thema „Wachstumspoten- studie „Breitband fürs Land“ bote zu verbreiten. tiale durch flexible Vergabe von vorgestellt, die den aktuellen Der Rundfunk fürchtet nicht Rundfunkfrequenzen?“. Die Stand der Diskussion zu- zuletzt um die eigene techno- EU-Kommissarin für Informa- sammenfasst. logische Entwicklungsmöglich- tionsgesellschaft und Medien, keit, falls die Frequenzen den Viviane Reding, betonte die Mobilfunkunternehmen zuge- Bedeutung der Informations- MEHR ZUM THEMA teilt würden. Die Unternehmen gesellschaft für die wirtschaft- www.fes.de/medienpolitik selbst verweisen darauf, dass liche Entwicklung der Euro- die leistungsstarken UHF- päischen Union. Teilnehmer Frequenzen – die einen Teil der der Diskussionsrunde waren

SEMINAR FÜR JUNGE MEDIENMACHERINNEN UND MEDIENMACHER Medien.Macht.Politik „Selbermachen!“ lautet die Devise der Angebote für junge Medienmacherinnen und Medienmacher, die in der Auseinandersetzung mit politischen Themen medienpolitische Kompetenz und journalistisches Handwerkszeug erwerben können. Gemäß diesem Prinzip hat Bernd Fiedler, ein Teilnehmer des Seminars „Medien.Macht.Politik“, einen Seminarbericht verfasst.

Eine Woche? Eine Sendung! als Parteivorsitzender der SPD zurück und Friedbert Pflüger gab den Fraktionsvorsitz bei der Was gibt es für junge Medienmacher/innen bes- Berliner CDU ab. Viel Gesprächsstoff also für uns seres als einen Skandal? – natürlich zwei! Sicher zwanzig junge Medienmacher/innen, die wir uns nicht von den Organisatoren, der FES und der mit den Machtbeziehungen zwischen Medien und Jungen Presse Berlin, geplant, aber sich optimal Politik beschäftigten. Unser Ziel war ehrgeizig ge- ins Seminarprogramm einfügend, fanden aus- steckt: innerhalb von nur einer Woche sollte eine gerechnet in der Medien.Macht.Politik-Woche 30-minütige Sendung für den Offenen Kanal Berlin große personelle Umbrüche statt – und das so- produziert werden, der Sendetermin am Freitag- wohl in Berlin als auch im Bund: Kurt Beck trat nachmittag stand fest. In Eigenregie planten wir

FES INFO 4 / 2 0 0 8 19

unsere Sendung, in der wir alle Akteure im Sendung über den Bildschirm flimmerte. Natürlich Wechselspiel von Medien und Politik porträtieren ebenso erleichtert, denn auch das ist Pressear- wollten: Einen Politiker, Sven Kohlmeier von der beit: Stress und Zeitdruck. Den journalistischen SPD, einen Journalisten, Christoph Reinhardt vom Prozess haben wir einmal live erleben können. rbb, und zwei Pressesprecher, Thorsten Metter Aber eines ist klar: Es braucht doch ein wenig (SPD) und Michael Thiedemann (CDU). mehr als einen Skandal, um guten Journalismus Die vom Offenen Kanal Berlin zur Verfügung ge- zu betreiben! stellten Kameras liefen fast ständig, und auch das, was schließlich nicht über den Sender ging, war für uns sehr spannend – allein die Begrüßung und das Gespräch mit Walter Momper (SPD), dem Prä- sidenten des Abgeordnetenhauses, oder die in- tensive Diskussion mit Frank Zimmermann, dem medienpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion. Auch eine Umfrage unter Bürgerinnen und Bürgern auf dem Alexanderplatz drehten wir. Wir sammelten Einsichten und Ansichten, führten In- terviews und fühlten hinein in das „unbekannte Mit vollem Einsatz: Die Nachwuchsjournalisten Wesen“ Politik. Stolz waren wir, als unsere bei der Arbeit.

LESUNG, SONGS & DISKUSSION ZUR MOBILITÄT IM LEBEN „Heute hier und morgen dort ...“

Die Welt scheint immer kleiner traste“ im Forum Berlin nach- Zürich und Dortmund: „Wenn und erreichbarer zu werden – gingen. Susanne Fengler, be- man anfängt zu pendeln, sieht Transportmittel werden schnel- kannt als Autorin von „Fräulein man immer nur die Chancen“, ler, das Internet vernetzt die Schröder“ und Professorin für erzählte sie von ihren Erfah- Welt virtuell, Orte sind belie- Journalismus an der Univer- rungen und sprach von einer biger geworden. Welche Kon- sität Dortmund, las Passagen regelrechten „Pendeleuphorie“. sequenzen hat Mobilität für aus ihrem aktuellen Buch Irgendwann jedoch komme der unser Leben? „Bereicherung „Heidiland“, das sich mit dem Punkt, an dem man anfange, oder Verlust?“, lautete die mobilen Leben auseinander- nach den sozialen Kosten zu Kernfrage, der Kulturschaffen- setzt. Fengler berichtete von fragen. „Die Reisetasche wird de im Rahmen der „Kulturkon- ihrem Leben zwischen Berlin, zu einem schwarzen Loch, in das das Leben fällt“, bilanziert + + + F E S + + + K U R Z GE FAS ST + + + FES + + + Fengler. Der Abend wurde mu- + + + Amigo-Affäre und Vetternwirtschaft, bei diesen Begriffen sikalisch untermalt mit Songs horchte das Münchner Publikum des 38. Mediengespräches auf. des Hamburger Sängers und „Ich klüngele ständig“, gesteht Frank Überall, der als Journalist Gitarristen Bernd Begemann, für Funk, Fernsehen und Print arbeitet. Roland Englisch, Land- der von Bühne zu Bühne pen- tagskorrespondent der Nürnberger Nachrichten, will sich hingegen delt. Bei seinen Reisen durch aus jeder Art von Klüngel heraushalten. „Das schadet der Politik”, Deutschland sei ihm aber auf- so seine Überzeugung. Markus Rinderspacher, Landtagsabgeord- gefallen, dass sich die Städte, in neter der SPD, gibt seine Tätigkeit beim Fernsehen auf, um sich denen er auftritt, immer ähn- ganz auf die Politik zu konzentrieren. Für Rinderspacher bilden licher werden: „Manchmal Politik und Journalismus eine Interessengemeinschaft: Politiker frage ich mich da, ob ich mich schielen auf Wahlergebnisse, Journalisten auf Leser und Zu- eigentlich wirklich fortbewegt schauer. + + + habe.“

4 / 2 0 0 8 INFO FES 20 DEUTSCHLAND Feminismus im Wandel Von Emma zu Alpha?

D ER FE MIN IS MU S ERFREUT SI CH DERZ E IT UNGE AHNT ER KONJ UNKTUR: Studien widmen sich den „Frauen auf dem Sprung“ (Brigitte) und attestieren Erfolg, Leistungsstärke und Charme einer Frauengeneration „im Kommen“ (Der Spiegel).

und Ute Scheub, aus und umgekehrt.“ Dass die Juso-Bun- dieser kollektive, macht- und desvorsitzende gesellschaftskritische Moment Franziska Droh- beim sogenannten „neuen sel und Barbara Feminismus“ fehle, ist einer Streidl, Ko-Au- der zentralen Vorwürfe der torin des Buches „Emma-Generation“ an die „Wir Alphamäd- „Alphamädchen“. Dagegen chen, warum insistierte Franziska Drohsel: Feminismus das Junge Frauen seien heute zwar Leben schöner in Schule und Hochschule macht“. gleichberechtigt, aber wenn Sabine Hark das Arbeitsleben und Familie Diskutierten Thesen und Themen des Feminismus: Tissy Bruns, zeigte die Entwicklung des beginnt, „dann geht das Franziska Drohsel, Nora Langenbacher, Barbrara Streidl, Ute Scheub, Prof. Dr. Sabine Hark, Simone von Stosch Feminismus auf: „Es waren die Kämpfen los“. Die gleichbe- scheinbar privaten Themen, rechtigte Aufteilung von Fami- Das Forum Politik und Gesell- die Frauen zu Diskussionen lien- und Hausarbeit sind für schaft nahm diese aktuelle Auf- mobilisierten, über die phy- Drohsel zentrale Themen, die merksamkeit zum Anlass, am sische, psychische und in- die heutige junge Frauengene- 26. September in Berlin nach tellektuelle Selbstverständi- ration auszufechten hat. Bar- den zentralen Thesen und gung und -bestimmung.“ Doch bara Streidl machte deutlich, Themen des Feminismus zu wurden diese Themen nicht wie wichtig es ist, beim Umbau fragen. Wandelt er sich heute individualistisch, sondern im dieser Strukturen die Männer „von Emma zu Alpha?“ Da- gesellschaftlichen Kontext „mitzunehmen“. Tissy Bruns rüber diskutierten Prof. Sabine gesehen. Denn die „individuelle setzte gerade auch in diese Hark von der Universität Köln, Emanzipation setzt die gesell- junge Männer- und Väter- die Journalistinnen Tissy Bruns schaftliche Emanzipation vor- generation Hoffnungen, die vermehrt ihre fortschrittliche + + + F E S + + + K U R Z G EFA SST + + + FES + + + KU RZ Rolle in sowohl Familie und + + + Im deutschen Berufsalltag müssen Väter und Mütter wei- Beruf einklagten. terhin große Hürden überwinden. Berufstätige Eltern, aber auch Franziska Drohsel maß dem Arbeitgeber waren deshalb vom FES-Forum Politik und Gesell- „Blick über den eigenen Tel- schaft Anfang Oktober zu einem Workshop eingeladen worden, um lerrand“ große Bedeutung zu, zu diskutieren, wie die Arbeitswelt in Deutschland familienfreund- ärgerte sich jedoch über den licher gestaltet werden kann. Dabei zeigte sich, dass für viele Eltern oft geäußerten Vorwurf, junge die Aufwertung von Teilzeitarbeit von besonderer Bedeutung ist. Frauen beschäftigten sich nur Neben der Schaffung von Rahmenbedingungen zur besseren Ver- mit ihren eigenen Problemen: einbarkeit von Beruf und Familie sei aber auch ein Mentalitäts- „Damals habt ihr auch erst- wandel in der Gesellschaft unerlässlich, durch den Rollenbilder rangig über eure eigenen Pro- überwunden werden können und berufstätige Eltern eine höhere bleme gestritten.“ Anerkennung erhielten. + + +

FES INFO 4 / 2 0 0 8 21

DISKUSSIONSRUNDE ZU 9 0 JAHRE FRAUENWAHLRECHT UND GLEICHSTELLUNG Weiterer Verbesserungsbedarf

„Die tatsächliche Gleichstellung meist geringere Entgelte für die zeigten. Über Jahrhunderte von Mann und Frau bedeutet gleiche Arbeit bekämen. Dipl.- hinweg hatten Frauen nur ein- immer noch Kampf“, sagte die Ing. Urte Boljahn, Geschäfts- geschränkt Zugang zu Finan- ehemalige Bundesvorsitzende führerin des Unternehmerin- zen, während sie stets die Mas- der Arbeitsgemeinschaft So- nen-Zentrums in Hannover, be- se der Ärmsten stellten – eine zialdemokratischer Frauen richtete von Erfahrungen mit Konstante, die sich wie ein ro- Inge Wettig-Danielmeier auf der Vereinbarkeit von Beruf ter Faden durch die Geschichte einer Veranstaltung der FES in und Familie. Im Unternehme- zieht. Anlässlich einer Lesung Niedersachsen. rinnen-Zentrum bekommen des Fritz-Erler-Forums im Anlässlich des Jubiläums 90 Frauen praktische Hilfen für Rahmen der Stuttgarter Buch- Jahre Frauenwahlrecht disku- den Wiedereinstieg in den Be- wochen wies die Mitheraus- tierten prominente Frauen aus ruf nach einer familiären Pau- geberin des Buches „Frauen Politik, Wirtschaft, Gewerk- se. Neben der Bereitstellung und Geld“, die Landtagsabge- schaft und Wissenschaft in von Büroräumen und wichtigen ordnete Christine Rudolf, da- Hannover über Erfolge und Infrastruktureinrichtungen rauf hin, dass auch heute Frau- Probleme in Sachen Gleich- dient das Zentrum insbeson- en im Schnitt weniger verdien- stellung von Mann und Frau dere dem Austausch und der ten als Männer. Kapitel wie von 1918 bis heute. Vernetzung der Frauen unter- „Das Private ist ökonomisch: Edelgard Bulmahn, Bundes- einander. Helga Schwitzer, ge- Geld, Familie, Liebe“, „Chancen ministerin a. D. für Wissen- schäftsführendes Vorstandsmit- des Unternehmerinnentums“ schaft und Forschung, hob in glied der IG Metall, räumte oder „Lustgewinne? Vom Groß- der Diskussion hervor, dass jedoch ein, dass bei der gegen- en Geld in der Sexarbeit und Frauen zwar heute mittlerweile seitigen Unterstützung noch anderen Mythen“ luden die Zu- häufig die besseren und höhe- Verbesserungsbedarf bestünde hörerrinnen zum genaueren ren Bildungsabschlüsse als und Frauen häufig zu wenig Hinsehen ein. Männer hätten, aber trotzdem Solidarität untereinander

Bald achtzehnwöchiger Mutterschutz? Die Europäische Sozialcharta gewährt Kindern Mit scharfer Kritik hat Familienministerin Ursula und Familien besondere Schutzrechte, in der von der Leyen auf diesen Vorschlag reagiert. Der Praxis existieren jedoch in den Mitgliedstaaten schloss sich auch BDA-Vertreterin Renate eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Regelungen. Hornung-Draus an: Die Mutterschutzregelungen, Zuletzt hat die EU-Kommission Anfang Oktober so wie sie in Deutschland derzeit gelten, seien völ- mit einem Maßnahmenpaket zum Mutterschutz, lig ausreichend. Die Europäische Parlaments- zur Gleichbehandlung selbständig erwerbstätiger abgeordnete Lissy Gröner wies darauf hin, dass Frauen und mitarbeitender Ehepartner/innen selbständig Erwerbstätige und Frauen, die im Be- sowie zur Kinderbetreuung eine lebhafte Debatte trieb ihres Partners mitarbeiteten, in Deutschland entfacht. Diese Initiativen standen am 7. Novem- derzeit noch vor immense Probleme gestellt ber im Zentrum einer Kooperationsveranstaltung würden. Für sie gelten keine Mutterschutz- des Forums Politik und Gesellschaft und der Ver- regelungen und damit fiele eine finanzielle Unter- tretung der EU-Kommission in Deutschland. Be- stützung weitestgehend weg. Auch auf diesem Ge- sonders kontrovers diskutiert wurde über den biet will die EU-Kommission mit einem Richtlini- Richtlinienvorschlag der Kommission, den gesetz- envorschlag familienfreundlichere Rahmenbe- lichen Mutterschutz auf 18 Wochen auszuweiten. dingungen schaffen.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 22 DEUTSCHLAND

KONFERENZ IN BERLIN MIT CHRISTINE BERGMANN Altersarmut von Frauen verhindern

70 % der Deutschen befürcht- Lebensbiografien von Alters- desregierung versuche, diese en, dass sie später Altersarmut armut betroffen sind. Laut der strukturellen Voraussetzungen erwartet. Christine Bergmann, Studie „Altersvorsorge in auszugleichen, beispielsweise Deutschland“ beziehen Frauen durch die rentenrechtliche An- nur ca. 60 % der durchschnitt- rechnung von Kindererzie- lichen Rente der Männer. Zwar hungszeiten, erklärte Staats- betonte der parlamentarische sekretär Thönnes. Ein Gesamt- Staatssekretär beim Bundes- konzept müsse unbedingt auf minister für Arbeit und So- verbesserte Vereinbarkeit von ziales, Franz Thönnes, MdB, Beruf und Familie und damit dass Altersarmut heute kaum die Erhöhung der Frauener- verbreitet sei, in der Zukunft werbsquote zielen. Elke Han- werde sie jedoch zu einer zen- nack forderte: „Die beste tralen Herausforderung. Alterssicherung für Frauen ist Jutta Allmendinger, Präsidentin eine gut und fair entlohnte des Wissenschaftszentrums sozialversicherungspflichtige Berlin, zeigte die unterschied- Vollzeitbeschäftigung!“ lichen Erwerbs- und Lebens- In der Abschlussrunde mit biografien von Männern und Gabriele Klösekrug-Möller, Frauen auf: Dazu zählen eine MdB, der VdK-Präsidentin hohe Arbeitslosigkeit, prekäre Ulrike Mascher, AWO-Vor- Beschäftigung, die ungleiche standsmitglied Christiane Reck- ehemalige Bundesfrauen- Verteilung von Familien- und mann und Prof. Dr. Barbara ministerin, stellte zur Eröff- Pflegearbeit und natürlich die Riedmüller von der FU Berlin nung der Konferenz „Alter, Ar- anhaltende Lohndiskriminier- herrschte Einigkeit darüber, beit, Armut? Altersarmut von ung von Frauen. „Geringfügige dass eine geschlechtergerechte Frauen verhindern!“ am 28. Beschäftigung ist Frauen- Alterssicherungspolitik die öko- November in Berlin fest, dass sache“, attestierte auch Elke nomische Eigenständigkeit von ganz besonders Frauen auf- Hannack, Mitglied im Bundes- Frauen fördern müsse. grund ihrer Erwerbs- und vorstand von ver.di. Die Bun-

Frauenförderung muss zur „Chefsache“ werden In Deutschlands Chefetagen haben bislang die liche Nachwuchskräfte, erläuterte Anja Christmann, Männer das Sagen. In den Vorständen der 100 Leiterin der Frauenförderung bei VW. Auch bei größten Unternehmen sind gerade einmal zwei Daimler hat sich der Konzern zum Ziel gesetzt, bis Frauen vertreten. Im Rahmen eines zweitägigen zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent der Führungs- Workshops für Frauen- und Gleichstellungsbeauf- positionen mit Frauen zu besetzen, so Ursula tragte widmete sich das Forum Politik und Gesell- Schwarzenbart, Director Global Diversity Office bei schaft am 20. und 21. November der Frage, wie die der Daimler AG. Ganz entscheidend komme es aber Chancen von Frauen in der Privatwirtschaft verbes- darauf an, die (männlichen) Vorstände für das Thema sert werden können. Dabei stellte sich heraus, dass zu sensibilisieren: „Frauenförderung muss zur in den großen Unternehmen allmählich ein Chefsache werden.“ Umdenken einsetzt. Seit einiger Zeit gibt es bei der Die Vorträge sowie eine Dokumentation unter Volkswagen AG ein Mentoring-Programm für weib- www.fes.de/forumpug/inhalt/doku.htm

FES INFO 4 / 2 0 0 8 23

EXPERTISE ÜBER GENDER IN DER PFLEGE Wer wird uns in Zukunft pflegen?

Den Umfang und die Bedeutung beit zur Verfügung stehenden der privat erbrachten Pflegear- Personen sinkt. Da Frauen beit unter der Geschlechter- nicht mehr automatisch für perspektive hat Prof. Dr. Ger- die private Pflege zur Ver- trud Backes, Direktorin des fügung stünden, müssten sich Zentrums Altern und Gesell- die Geschlechterverhältnisse schaft der Universität Vechta, ändern. im Auftrag der FES untersucht. Die politische Gestaltung der Sie kommt u. a. zu dem Ergeb- bisher noch privat geleisteten nis, dass die Wertschöpfung Pflegearbeit ist damit eine der häuslich-privaten Pflegear- drängende Zukunftsaufgabe. beit ca. 44 Milliarden Euro be- Der Wunsch der meisten Pfle- trägt und damit um ein Drei- gebedürftigen, in den eigenen faches höher ist als die Aus- vier Wänden zu bleiben, be- gaben für die Pflegeversicher- deutet nicht, dass die Angehö- ung. Die Arbeitszeit für die rigen, vor allem die Töchter, häusliche private Pflege, die Schwiegertöchter und Part- Die Expertise ist ein Beitrag zum Zukunftsprojekt der FES und wurde am 7. November an Bundesgesundheitsministerin Ulla zu 2/3 von Frauen, zu 1/3 von nerinnen, die Pflege über- Schmidt durch Gertrud M. Backes übergeben. (Foto: Zensen) Männern geleistet wird, ent- nehmen müssen. Vielmehr spricht etwa 3,1 Millionen gilt es, die professionelle DIE EXPERTISE vollen Arbeitsplätzen. Versorgung auszubauen, Backes, Gertrud; Amrhein, Private Pflege, so wie sie heute Männer für die private und Ludwig; Wolfinger, Martina: geleistet wird, wird aber in Zu- professionelle Pflege zu Gender in der Pflege, Heraus- kunft fragil, denn die Anzahl gewinnen und die Ausbild- forderungen für die Politik, der Pflegebedürftigen steigt, ungs- und Arbeitsbeding- WISO Diskurs, Arbeitsbereich während gleichzeitig die An- ungen attraktiver zu machen. Frauen und Geschlechter- zahl der für private Pflegear- politik, August 2008

+ + + F E S + + + K U R Z GE FAS ST + + + FES + + +

+ + + „ An der Erziehung eines Kindes ist das So die Kernaussage Ulrich Kasparicks bei einer ganze Dorf beteiligt“, dieses alte Sprichwort, mit Veranstaltung des FES-Landesbüros Nieder- dem Staatssekretär Eckart R. Schlemm am 4. sachsen in Osterode am Harz. Osterode – als November die Konferenz des Forum Politik und Kleinstadt im strukturschwachen Raum selbst be- Gesellschaft zum Thema „Gelingende Erzie- troffen vom demographischen Wandel – sucht hung“ eröffnete, hat auch heute noch seine Wege, um den Herausforderungen zu begegnen. Berechtigung. Mehr als 200 Erziehungsberater/- Dankbar nahm man die Einschätzung des Staats- innen und Pädagog/innen diskutierten dabei sekretärs aus dem Bundesministerium für Ver- darüber, welche Faktoren eine erfolgreiche kehr, Bau und Stadtentwicklung an. Nur eine Re- Erziehungsarbeit und ein effektives Zusammen- gion mit gutem Zugang zur Bildung könne at- spiel aller Beteiligten ermöglichen. + + + traktiv genug sein, um Familien, Fachkräfte und Wirtschaft an sich zu binden. Kasparick wies auf + + + Man könne Beispiele aus Ostdeutschland die Städtebauförderung des Bundes hin, forderte heranziehen, von denen man lernen kann, was gut aber auch zu Eigeninitiative und kommunalen En- lief und was nicht funktioniert beim Stadtumbau. gagement auf. + + +

4 / 2 0 0 8 INFO FES 24 DEUTSCHLAND

FES-Gutachten fordert Liberalisierung der Nicht mehr auf Reproduktionsmedizin der Höhe der Zeit

„ EIN E NE UR E GELU NG DE S EMBRYON ENSC H U TZ G ESETZES IST DRIN - GEN D NO TWEN DIG !“ , so die Forderung an den Gesetzgeber von Ulrike Riedel, Mitglied des Deutschen Ethikrates und Mitverfasserin des FES-Gutachtens zur „Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich“.

In Kürze wird das Embryonen- lichkeit vorgestellt. In Deutsch- Babys seien erheblich. Medizi- schutzgesetz (ESchG) 18 Jahre land warten laut Prof. Klaus nisch ist die Gefährdung der alt und ist für seine Kritiker Diedrich vom Universitätskli- Mütter längst nicht mehr zu nicht mehr auf der Höhe der nikum Schleswig-Holstein jähr- akzeptieren, wie ein Blick nach Zeit. Da im gleichen Zeitraum lich etwa 1,5 Millionen Paare Schweden zeigt. Dort werden der technisch-wissenschaftliche vergeblich auf Nachwuchs und pro Frau mehrere Embryonen Fortschritt erhebliche Neue- kommen somit früher oder spä- kultiviert und schließlich nur rungen hervorgebracht hat, ter in Kontakt mit den medizi- die Zelle mit den besten Über- treten die Regelungslücken des nischen und psychosozialen Be- lebenschancen verpflanzt. Gesetzes mittlerweile deutlich lastungen, die eine Entscheid- Dieser elektive Single-Em- bryonen-Transfer (eSET) setzt die werdenden Mütter in weit geringerem Maße der Gefahr einer Mehrlingsschwanger- schaft aus. Europaweit ist die eSET-Methodik nur in Italien, der Schweiz und Deutschland verboten. Ulrike Riedel verweist auf das ethische Kernproblem der eSET-Technologie. Dieses be- stehe darin, dass nach Ein- pflanzung des ausgewählten ung zur künstlichen Befrucht Embryos andere, auch lebens- ung mit sich bringt. Als beson- fähige, Embryonen zurück- ders brisant empfindet Diedrich blieben. Die SPD-Bundestags- hervor. Das von der FES in Auf- die Auswirkungen des ESchG abgeordnete Marlies Volkmer trag gegebene Gutachten the- auf die Gesundheit der wer- hält eine schnelle Behebung matisiert den Stand der Wis- denden Mütter. Das ESchG be- der bestehenden Probleme für senschaft, beleuchtet die Pro- stimmt, dass alle Embryonen, schwierig. Es bestünde die bleme mit dem ESchG und die außerhalb des weiblichen Gefahr, dass das Thema auch lenkt den Blick ins europäische Körpers herangezogen werden, Diskussionen über andere, Ausland, um andere Möglich- letztlich wieder in den Körper längst geregelte Bereiche wie keiten des Umgangs mit der In- verpflanzt werden müssen. Die den § 218 wiederbelebt. vitro-Fertilisation aufzuzeigen. Wahrscheinlichkeit von Mehr- Im Rahmen einer Fachkonfe- lingsschwangerschaften steige MEHR ZUM THEMA renz wurde die Studie am 9. damit deutlich an und die Kom- www.fes.de/biotech September in Berlin der Öffent- plikationen für Mütter und

FES INFO 4 / 2 0 0 8 25

GENERALINSPEKTEUR DER BUNDESWEHR ZU GAST BEIM JULIUS-LEBER-FORUM Transformation zwischen den Ohren

„Wir arbeiten kontinuierlich des Julius-Leber-Forums in daran, die Einsatzfähigkeit der Kiel. Bundeswehr schrittweise zu Als die zentrale Herausforde- verbessern, um den ständig rung stellte Schneiderhan steigenden Anforderungen unter dem Stichwort „Der gerecht zu werden.“: Der Ge- Mensch in der Transformation“ neralinspekteur der Bundes- den vielfältigen Veränderungs- wehr, General Wolfgang bedarf in der Ausbildung, der Schneiderhan, erläuterte die Kompetenzentwicklung und Herausforderungen, vor denen Kommunikationsfähigkeit der die Bundeswehr im 21. Jahr- Soldatinnen und Soldaten her- hundert steht. Sicherheit lässt aus. Angesichts asymmetri- sich nicht mehr anhand von scher Konflikte, zerfallender Raketenzahlen messen, Risiken Staaten und unterschiedlicher lassen sich nicht mehr geo- Einsatzrealitäten seien Fähig- graphisch begrenzen. Wenn keiten notwendig, die von mili- alte Gewissheiten verloren tärischem Können bis hin zu tenz die größte Herausforde- Der Generalinspekteur der Bundeswehr, gehen, steht Veränderung auf sozialarbeiterischen und inter- rung. Diese „Transformation General Wolfgang der Tagesordnung. Über den kulturellen Kompetenzen zwischen den Ohren“, so der Schneiderhan, skiz- zierte den vielfältigen aktuellen Stand der Trans- reichten. Kommunikations- Generalinspekteur, sei die Veränderungsbedarf. (Foto: Deussing) formation der Bundeswehr be- fähigkeit nach innen und außen wichtigste und zugleich richtete der Generalinspekteur sei dabei ein wesentlicher schwierigste Aufgabe. am 27. Oktober auf Einladung Schlüssel und Sprachkompe-

AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG UND PODIUMSDISKUSSION Deutsche jüdische Soldaten

Einen besonderen Aspekt des soldatischen Dienst. Diese Bundeswehr“ die Brücke ge- Irrsinns deutscher Geschichte Menschen nahmen ihre staats- schlagen zu der aktuellen und deutscher Politik zu Be- bürgerliche Pflicht als Soldaten Situation. Der Wehrbeauftragte ginn des 20. Jahrhunderts auf sich, um damit nicht zu- des Deutschen Bundestages zeigt die am 17. November letzt als gleichberechtigte Reinhold Robbe hob dabei u. a. im Bonner Haus der FES eröff- Bürger anerkannt zu werden. hervor, dass auch die ver- nete Ausstellung des Militärge- Nur wenige Jahre später meintlich kleinen Alltäglich- schichtlichen Forschungsamts wurde diese Hoffnung durch keiten, bspw. die Regelung des „Deutsche jüdische Soldaten. die menschenverachtende Tragens der Kippa zur Uni- Von der Epoche der Emanzi- Ideologie des Nationalsozia- form, hohe Bedeutung hätten pation bis zum Zeitalter der lismus unmöglich gemacht. und die überwiegende Mehr- Weltkriege“. Von der Historie jüdischer Sol- heit der Vorgesetzten in der Während des Ersten Welt- daten in deutschen Armeen Bundeswehr mit hoher Sen- krieges leisteten auf deutscher wurde in der Podiumsdiskus- sibilität entsprechende An- Seite rund 100.000 Mitbürger sion „Eine besondere Bezieh- liegen behandeln würden. jüdischen Glaubens ihren ung: Jüdische Soldaten in der

4 / 2 0 0 8 INFO FES 26 DEUTSCHLAND

POLITISCHE BILDUNG EINMAL ANDERS: AKTIONEN ZUM HISTORISCHEN GEDENKEN Novemberrevolution in Thüringen

Seit drei Jahren erinnert das Thüringen bestand 1918 aus Stefan Wolf und der Bundes- FES-Landesbüro Thüringen acht Staaten und einem preuß- tagsabgeordnete Carsten an die Weimarer Nationalver- ischen Regierungsbezirk. Die Schneider würdigten den Ein- sammlung von 1919, die dem revolutionären Arbeiter- und satz der Männer und Frauen, Soldatenräte mussten also die besonnen und weitgehend acht Fürsten zur Abdankung ohne Gewalt eine neue Ordnung bringen. herbeigeführt und damit den Der erste Fürst, der abdankte, Ersten Weltkrieg beendet war der Großherzog von hatten. Sachsen-Weimar-Eisenach. Am Sonntag, dem 9. November Der sozialdemokratische Reichs- wurde die Revolution selbst tagsabgeordnete August nachgespielt. Zwei Teams Baudert hatte ihn überzeugt, fuhren mit der Bahn von einer dass dies die beste Maßnahme Residenzstadt zur nächsten und war, um Blutvergießen zu ver- hielten auf den Bahnhöfen hindern. kleine Kundgebungen ab. Ein In einer szenischen Dar- ersten demokratischen Staat in Das Gedenkwochenende be- Faltblatt, zu Hunderten verteilt, stellung wurde nach- gespielt, wie der Deutschland seinen Namen gab. gann also am 8. November mit informierte über die Ereignisse, sozialdemokratische So auch anlässlich des neun- einer Veranstaltung vor dem wie sie 1918 in den jeweiligen Reichstagsabgeordnete August Baudert den zigsten Jahrestages der Revo- Gelben Schloß in Weimar, wo Städten tatsächlich abgelaufen Großherzog Wilhelm Ernst zur Abdankung lution des 9. November 1918, Baudert genau neunzig Jahre waren. So konnten viele Men- gebracht hatte. die die Voraussetzung für die- zuvor zu einer großen Volksver- schen angesprochen werden, sen demokratischen Neubeginn sammlung gesprochen hatte. die sonst durch politische darstellte. Weimars Oberbürgermeister Bildung kaum erreicht werden.

+ + + F E S + + + KU RZ G EFASST + + + FES + + + KURZ

+ + + Es war Sonntag, der 9. November, 11.00 Uhr Nationalverständnis. Die Linie, der wir Bürgerinnen in München und nahezu 500 vom BayernForum und Bürger dabei folgen, führt nicht vom Hohenzol- eingeladene Besucher eilten mit hohen Erwartungen lernschloss zum Reichstag, sondern vom Hambacher an die Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin Fest zum Berliner Haus der Kulturen!“ + + + ins Audimax der Ludwig-Maximilians-Universität. Gesine Schwan + + + Die Diskriminierung der Juden begann lange widmete sich in vor der Antisemitismuskampagne der Natio- ihrer Rede dem nalsozialisten. Im neunzehnten Jahrhundert durften in der deut- jüdische Mediziner lediglich als Sekundärärzte schen Geschich- arbeiten und verdienten weniger als ein Hausdiener, te bedeutsamen erklärte der Diplompädagoge Heinz Kapp in seinem Datum des 9. Vortrag zur Rolle der Juden in der deutschen November: „Wir Revolution. Dies erklärt auch deren rege Beteiligung brauchen ein an dem Versuch, diese Missstände zu beseitigen. Die republikanisch- Veranstaltung wurde vom Fritz-Erler-Forum in Karls- es, ein selbst- ruhe gemeinsam mit dem Forum Ludwig Marum bewusst-zivilge- organisiert. + + + sellschaftliches

FES INFO 4 / 2 0 0 8 27

6 5 . MÜNSTEREIFELER LITERATURGESPRÄCH Das Rätsel des Glaubens

Dass Glaube Berge versetzen eifeler Literaturgesprächs im Todesurteils in Ägypten schil- kann, ist eine uralte und bis Herbst. Felicitas Hoppe schil- dert Christoph Peters in seinem heute in unseren Alltag hinein- dert in ihrem Roman „Johan- Roman „Ein Zimmer im Haus reichende Volksweisheit. Wenn na“, wie die historische Jeanne des Krieges“. In Lukas Bärfuss’ Einzelne im Namen ihres d’Arc, das Leben einer jungen Erfolgsstück „Der Bus“ entführt Glaubens handeln, kann das Wissenschaftlerin heute prä- eine junge Frau in religiöser Bewunderung, aber auch gend, in unsere Gegenwart Verzückung einen Bus zur Schrecken auslösen. Die Heilige hinein ragt. Den Dialog eines schwarzen Madonna nach und der Terrorist: in diesem deutschen Djihadisten mit dem Tschenstochau und reißt die Spannungsfeld bewegten sich Deutschen Botschafter in Kairo Reisegesellschaft buchstäblich die Texte des 65. Münster- vor der Vollstreckung des in den Abgrund.

+ + + F E S + + + K U R Z GEFA SST + + + FES + + + KURZ GEFASS T + + + FES

) + + + Thema der den Brückenpfeilern der Remagener Brücke. Zur t d i e deutsch-niederlän- Männerwelt des Kriegshandwerks standen Gespräch H - g n i dischen Begeg- und Lesung mit Julia Franck (Bild) im Kontrast, deren r e H

: nungswoche mit mit dem Deutschen Buchpreis 2007 ausgezeichneter o t o

F Germanistikstuden- Roman „Die Mittagsfrau“ schonungslos die Schrecken ( ten aus Leiden und des Krieges für Frauen und Kinder schildert. + + + Niederlandisten aus Berlin und Köln + + + Was bewegt Sportler, die zu den olym- war in diesem pischen Spielen fahren? Diese Frage stand im Herbst, wie sich der Mittelpunkt des 7. Hamburger Nachwuchsge- Zweite Weltkrieg in sprächs des Julius-Leber-Forums im Oktober mit der Literatur und im Gedenken spiegelt. Im Zentrum den beiden Goldmedaillengewinnern Hinrich der Tagung standen drei historische Orte: die Romeike und Phillip Witte. Für sie ist die Teilnahme nationalsozialistische Ordensburg Vogelsang, als an den Spielen vor allem ein hochkonzentrierter Stätte der Kriegsvorbereitung, dann die Reste des in Job. Für das, worüber sich kritische Zuschauer Bad Münstereifel gelegenen Führerhauptquartiers Gedanken machen, wie etwa die Frage der Men- „Felsennest“ und schließlich das Friedensmuseum in schenrechte, blieb höchstens am Rande Zeit. + + +

„Archiv für Sozialgeschichte“ online! Das historische Flaggschiff der international anerkannten ge- Band 2008 ist dem Thema FES, das „Archiv für Sozialge- schichtswissenschaftlichen „Dekolonisation: Prozesse und schichte“, macht einen wich- Fachzeitschriften. Die Zeit- Verflechtungen 1945-1990“ tigen Schritt in eine noch grö- schrift widmet sich der neue- gewidmet, in dem sich die Au- ßere Öffentlichkeit: Ab 2009 ren Gesellschaftsgeschichte toren mit Emanzipationspro- stehen der Forschung und der Deutschlands, Europas und zessen in den „neuen Staaten“ Öffentlichkeit die Jahrgänge Nordamerikas. Jeder Band und ehemaligen Kolonial- 1961 bis heute (rund 35.000 enthält etwa zehn bis fünfzehn reichen auseinandersetzen. Seiten) online zur Verfügung. Aufsätze, die die Ergebnisse Das seit 1961 jährlich erschei– der neuesten Forschung zu nende „Archiv für Sozialge- einem bestimmten Rahmen- MEHR ZUM THEMA schichte“ ist eine der großen, thema präsentieren. Der neue www.fes.de/afs

4 / 2 0 0 8 INFO FES 28 SCHWERPUNKT

Aktuelle Veröffentlichungen der FES Im Schatten der Finanzmarktkrise SEIT SE P TE MBER 2 0 0 8 S P IT ZTE SIC H D IE FI NA NZMA RKT KRISE DRA MA - TISC H ZU. Obwohl sich die FES schon seit längerem mit den Problemen der globalen Kapitalmärkte und ihrer Steuerung beschäftigte, war der massive Wirtschaftseinbruch Anlass, die schon vorhandenen und laufenden Arbeiten zu bündeln.

zur globalen Regu- United Nations Financing for lierung wie jüngst Development Office, teilnah- am 13.11.2008 in men. Ziel aller Aktivitäten ist New York unter Be- es, über die laufenden Entwick- teiligung von Nobel- lungen zu informieren, Hinter- preisträger Joseph gründe und Zusammenhänge Stiglitz und Poul zu analysieren und Konzepte Rasmussen über für eine Überwindung der Kri- Länderberichte aus se zu diskutieren, die sich am aller Welt und Ana- sozialen Ausgleich orientieren. lysen zur Rolle Euro- Das Finanzsystem muss zurück pas bis zu nationalen zu einer Rolle finden, die der Aktivitäten. Am realen Wirtschaft dient. Der Seit Oktober erschienen drei 4.12. fand eine Podiumsdiskus- Staat bzw. die Staatengemein- WISO-direkt zur Finanzmarkt- sion des Managerkreises über schaft sind nun gefragt, die krise. Michael Dauderstädt Ansätze zur Finanzmarktregu- Märkte neu zu ordnen und Un- zeigte in seinem Papier „Die lierung statt, an der Staatssek- gleichgewichte zu korrigieren. globale Finanzmarktkrise. Kein retär Dr. Axel Nawrath aus Fall für Sparpolitik“, wie die dem Bundesfinanzministerium, Diese Papiere und viele mehr sind auf wachsenden globalen Ungleich- das geschäftsführende Mitglied dem neuen Portal der Friedrich-Ebert- gewichte von Einkommen und des Deutschen Sparkassen- Stiftung zur Finanzmarktkrise Ersparnissen die Krise herauf- und Giroverbandes Dr. Karl-Pe- (www.fes.de/ inhalt/ Dokumente_2008/Fi- beschworen und dass eine Lö- ter Schackmann-Fallis und Ma- nanzkrise_FES.pdf) zu finden, das direkt sung nur durch eine neue Ver- nuel Montes, Chief of Policy von der Startseite aus zugänglich ist. teilung möglich ist. Adalbert Analysis and Development des Winkler gibt die Schuld vor al- „Private Profite stimmen nicht überein mit sozialen Notwendig- lem der falschen amerikani- keiten“, so die Botschaft des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph schen Finanzsektorpolitik, Stiglitz bei einem Expertentreffen der FES-New York und der Ini- während er die Geldpolitik ent- tiative for Policy Dialogue der Columbia-Universität. Dieses Tref- lastet. Thomas Jorberg fordert fen, das Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte erarbeite- eine radikale Reform der Regu- te, fand zwei Tage vor dem G-20-Gipfel in Washington statt. Drei lierung, die besonders riskante zentrale Forderungen wurden von Finanzmarktprodukte ohne den Vertretern von Bankenaufsichts- Wert für die Realwirtschaft ver- behörden, Finanzinstitutionen, Aka- bietet. demikern, Politikern den G-20-Dele- Innerhalb der FES koordiniert gationen übermittelt: 1. Alle Staaten ein abteilungsübergreifendes sollten gemeinsam ein umfassendes Thementeam die Aktivitäten. Rettungspaket beschließen. 2. Die Fi- Sie reichen von Konferenzen nanzmärkte müssen neu reguliert werden. 3. Es müssen die Grundlagen für eine neue internationale Finanz- FES INFO 4 / 2 0 0 8 architektur geschaffen werden. 29

PODIUMSDISKUSSION IN GENF ÜBER DIE ZUKUNFT DER WTO Wie könnte die Weltwirtschaftsordnung aussehen?

Sie waren nicht in der Lage, beiden Nichtregierungsorgani- ren Beschäftigungswirkungen die aktuellen Krisen vorherzu- sationen CUTS International hin zu untersuchen. sagen, effektiv auf sie zu rea- und Evian Group im Rahmen Der WTO-Botschafter von gieren, geschweige denn sie des WTO Public Forums am 25. Bangladesh, Dr. Debapriya zu verhindern. Gerade in einer September eine Podiumsdis- Bhattacharya, betonte: „Trotz Zeit, in der multilaterale Lö- kussion zur Frage „Welche Zu- des Rückschlags in den Ver- sungen unausweichlich gewor- kunft hat das Weltwirtschafts- handlungen der Doha-Runde den sind, sehen sich die wich- system – und welche Rolle wird die WTO weiterhin eine tigsten weltwirtschaftlichen spielt die WTO?“ wichtige Rolle spielen. Aller- Institutionen, d. h. die Welthan- James Howard vom Internatio- dings darf die Organisation delsorganisation (WTO), der nalen Gewerkschaftsbund prä- nicht mit zusätzlichen Aufga- Internationale Währungsfonds sentierte einen Zehn-Punkte- ben überfrachtet werden, für (IWF) und die Weltbank, mit Plan, wie die Kooperation zwi- die sie keine Kompetenz be- einem gewaltigen Legitimitäts- schen der Internationalen sitzt, wie Klimawandel, Ener- defizit konfrontiert. Die Nah- Arbeitsorganisation (IAO) und gie, Menschenrechte oder Sozi- rungsmittel-, Energie- und Fi- der WTO intensiviert werden alstandards.“ Die WTO riskiere nanzkrise haben verdeutlicht, könnte. Er bezog sich auf die jedoch, so das Gegenargument, dass das Weltwirtschaftssystem im Juni 2008 verabschiedete irrelevant zu werden, wenn sie unter immensem Reformdruck Erklärung, durch welche die sich diesen neuen Themenge- steht. IAO unter anderem ein klares bieten verschließe. Das FES-Büro Genf organisier- Mandat erhalten hat, Handels- te in Zusammenarbeit mit den und Finanzmarktpolitik auf de-

FORSCHUNGSPROJEKT FÜR EIN SOZIALES UND WOHLHABENDES DEUTSCHLAND Zukunft 2020

Die Befunde der sog. „Prekari- jekte dienen der Identifizierung schaftliche Werteorientierun- atsstudie“ (Gero Neugebauer: wirtschaftspolitischer Strate- gen im internationalen Ver- Politische Milieus in Deutsch- gien und Maßnahmen, die zur gleich, Wiso-Diskurs Bonn: land. Die Studie der Friedrich- Erreichung dieses Ziels not- Friedrich-Ebert-Stiftung, 2008) Ebert-Stiftung, Dietz Verlag wendig sind: • Ein Ländervergleich von Wohl- 2007) waren im Herbst 2007 • Ein Projekt zu Werten und standsindikatoren soll prüfen, Anlass, das Zukunftsprojekt Normen im internationalen inwieweit Länder (vorwiegend der FES ins Leben zu rufen. Vergleich hat gezeigt, dass in aus dem OECD-Raum) nicht Darin werden Strategien und den wichtigsten OECD-Ländern nur nach traditionellen Kriteri- Politiken erarbeitet und in die die Bevölkerung hohe Erwar- en (z. B. BIP/Kopf) erfolgreich gesellschaftspolitische Debatte tungen an soziale Gerechtigkeit sind, sondern auch unter Be- eingebracht, die es ermögli- und den Wohlfahrtsstaat hat, rücksichtigung von Beschäfti- chen sollen, bis zum Jahr 2020 von dem sie eine Korrektur der gung, Verteilung, Verbraucher- ein soziales und wohlhabendes Marktergebnisse wünscht (Bo- schutz und Nachhaltigkeit. Deutschland zu erreichen. do Lippl: Klare Mehrheiten für • Ein Teilprojekt hat die Verschiedene Forschungspro- den Wohlfahrtsstaat: gesell- Wachstumsprozesse ausge-

4 / 2 0 0 8 INFO FES 30 SCHWERPUNKT

wählter Länder (USA, Frank- Investitionen in die Qualifizie- massiven Investitionen in Bil- reich, UK, Niederlande und rung und eine effiziente Expan- dung, offensiver Verteilungspo- Schweden) genauer analysiert sion des Dienstleistungssektors litik und Maßnahmen zur und mit Deutschland vergli- sind notwendig, um auf einen Nachfragestabilisierung liefert chen. Dabei wurde deutlich, höheren Wachstumspfad zu ein relativ hohes Wachstum mit dass Deutschland sich vor al- kommen. niedriger Arbeitslosigkeit und lem durch ein niedriges Pro- • Einen derartigen Wachstums- sozialem Ausgleich auf schwe- duktivitätswachstum gekoppelt pfad im Rahmen verschiedener dischem Niveau. mit einer schwachen Binnen- Szenarien für Deutschland si- nachfrage von anderen Län- muliert ein weiteres Teilpro- MEHR ZUM THEMA dern unterscheidet. Verstärkte jekt. Das beste Szenario mit www.fes.de/zukunft2020/

NEUER TITEL IN DER REIHE „LESEBÜCHER DER SOZIALEN DEMOKRATIE“ Wissen, wohin man will John Meynard Keynes – ein Na- tik berufen, die auf den Werten mokratie. Mit diesem jungen me, der derzeit wieder in aller Freiheit, Gerechtigkeit und So- Qualifizierungs- und Bera- Munde ist. Sein Ansatz einer lidarität gründet? Im Buch tungsprojekt möchte die Politi- antizyklischen, nachfrageorien- werden wichtige Wirtschafts- sche Akademie der FES einen tierten Wirtschaftspolitik erlebt theorien erläutert, Wirtschafts- Rahmen bieten, um Stand- aktuell national und internatio- ordnungen beschrieben, zent- punkte und Orientierungen zu nal in Gestalt verschiedener rale Werte und Orientierungen klären. Das Symbol der Akade- Konjunkturprogramme eine bestimmt. Der Anspruch der mie für Soziale Demokratie ist neue Renaissance. Lesebuch-Reihe ist es, theore- ein Kompass. Denn nur wer Nicht zuletzt deswegen macht tisch fundiert, aber in knapper weiß, wohin er will, wird auch der Blick auf das Denken und und verständlicher Form eine andere für seine Ideen begeis- Wirken des britischen Ökono- solide Einführung zu den gro- tern und seine Ziele erreichen men einen wichtigen Teil im ßen Linien und Kontroversen können. neuesten Band der Reihe der der einzelnen Politikfelder zu „Lesebücher der Sozialen De- geben. Neben einer klaren DAS NEUE BUCH mokratie“ aus. Das Lesebuch Sprache bemüht sie sich daher „Wirtschaft und Soziale Demo- auch um klares Design und die Der Band „Wirtschaft und So- kratie“ stellt die Frage, wie ei- grafische Aufbereitung der ziale Demokratie“ ist ab Feb- ne moderne, wertgebundene theoretischen Inhalte. ruar 2009 verfügbar. Wirtschaftspolitik gelingen Die „Lesebücher der Sozialen Volltext: www.fes-soziale-de- kann. Auf welche Theorien Demokratie“ sind ein Angebot mokratie.de kann sich eine Wirtschaftspoli- der Akademie für Soziale De-

Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales, gab sich bei seinem Vortrag in Leipzig opti- mistisch für die Entwicklung Deutschlands auch in Zeiten der internationalen Finanzmarktkrise.

Egal, welche Wirtschaftsformen in China, Russland (Foto: G. Waldek) oder den USA vorherrschten, der deutsche Weg der sozialen Marktwirtschaft müsse verteidigt werden. Als wichtigen Baustein für das Erreichen von Vollbe- schäftigung führte Scholz eine effektivere Bildungs- politik an. Jährlich würden 80.000 junge Leute die Schule ohne Abschluss verlassen. „Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen“, so Scholz.

FES INFO 4 / 2 0 0 8 31 „Frische Ideen für die Politik“ Interview mit der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Andrea Nahles über die wirtschafts- und sozialpolitischen Angebote der FES

FES: Basierend auf der Analyse wirtschafts- und NAHLES: „Ich bin sehr regelmäßig bei Veranstal- sozialpolitischer Entwicklungen zielt die Arbeit tungen der FES zu arbeitsmarkt- und sozialpoliti- der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik da- schen Fragen, in diesem Jahr bestimmt bei min- rauf ab, Lösungsansätze zu erarbeiten, zu disku- destens sieben, acht Terminen. Das ist für mich tieren und voranzutreiben. Dies findet im Dialog interessant, weil sie mir die Gelegenheit geben, zwischen Politik, Wissenschaft, Verbänden und meine Vorstellungen vor einem fachlich sehr ver- Praxis statt. Ein richtiger Ansatz? sierten Publikum darzustellen, vor allem aber auch zur Diskussion zu stellen. Nur, wenn man NAHLES: „Der Dialog ist wichtig, weil Politikent- ein Feedback bekommt, Nachfragen und auch Kri- wicklung nicht im luftleeren Raum stattfinden tik, dann kann man die eigenen Positionen wei- kann. Forschungsergebnisse der Wissenschaft, terentwickeln. Manchmal bringt einen Kritik zum wie sie die FES im Bereich der Wirtschafts- und Nachdenken, ob eigene Positionen in allen Details Sozialpolitik in Publikationen und Veranstaltun- richtig sind. Manchmal bestärkt sie einen aber gen präsentiert, sind wichtige Anregungen für po- auch in der eigenen Meinung, wenn man merkt, dass der Kritiker wirklich ganz anders tickt als man selbst. Beides ist wertvoll. (...) Wenn man nicht bereit ist, Fachleuten aus verschiedenen Be- reichen zuzuhören, kann man keine fachlich gute Politik machen.“

FES: Nutzen Sie die Publikationen der FES, wie z. B. die Publikationsreihen: „WISO direkt“ und „WISO Diskurs“?

NAHLES: „Wenn Publikationen von der FES kom- litische Konzepte. Zusätzlich helfen Praxiserfah- men, weiß ich schon mal, dass die Qualität stimmt: rungen aus einzelnen Branchen und Betrieben es geht um aktuelle Fragen, die Autoren kennen denn sie ermöglichen einen „reality check“ unse- die politische Debatte. Kurz: Es lohnt sich, da rein- rer Vorstellungen. zuschauen. Ich gebe zu, dass bei meinem Arbeits- Die Entscheidungen muss am Ende die Politik tref- pensum Kurzpapiere sehr hilfreich sind, um sich fen. Es hilft aber, vorher unterschiedliche Exper- schnell einen Überblick zu verschaffen. Aber wenn tisen gelesen und mit verschiedenen Experten da- ich mich einem Thema intensiv widme, dann will rüber diskutiert zu haben. Diskussionen sind wich- ich es ganz genau wissen und lese auch die dicke- tig: Gerade, wenn man sich am Tisch erst mal nicht ren Papiere. Daraus ist dann manchmal eine ein- einig ist, erkennt man meist die entscheidenden zelne Zahl oder ein bestimmter empirischer Be- Fragen. So entstehen frische Ideen für unsere Po- fund wertvoll, oder ich finde eine bestimmte Idee litik.“ anregend. Manchmal ist aber auch ein ganzes Konzept überzeugend. Dann bin ich froh, wenn die FES: In Fachkonferenzen werden Themen umfas- FES zur Studie noch eine Gesprächsrunde macht send und aus unterschiedlichen Perspektiven be- und mir die Gelegenheit gibt, mit dem Autor der handelt. Hat das eine Bedeutung für Sie und Ihre Studie und anderen zu diskutieren.“ Arbeit?

4 / 2 0 0 8 INFO FES 32 SCHWERPUNKT

THESEN ZUR EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALPOLITIK Europa sozialer Denken

Der europäische Wirtschafts- Die FES hat Thesen zur euro- sowie einer stabilisierenden raum zeichnet sich durch kon- päischen Wirtschafts- und So- Geldpolitik ab. tinuierlich fortschreitende öko- zialpolitik formuliert, die den • Jede europäische Wirt- nomische Integration aus, die Bedarf für eine wirtschaftspoli- schafts- und Sozialpolitik steht zunehmend auch die Sozialpo- tische Koordinierung unter- vor der Herausforderung, ihre litik der EU-Mitgliedsstaaten mauern: Wirkung auf und in den unter- beeinflusst. Die globale Finanz- schiedlichen nationalen Model- marktkrise unterstreicht noch • Die Lissabon-Agenda ist die len von Wohlfahrtsstaatlichkeit einmal, dass die EU eine ver- zentrale Strategie für Wachs- gleichermaßen zu berücksichti- stärkte wirtschaftspolitische tum und Beschäftigung in Eu- gen. Sie muss insbesondere die ropa und setzt auf die Wissens- unterschiedlichen Entwick- gesellschaft und die Steigerung lungsstadien der alten und neu- der Produktivität. Bislang bleibt en Mitgliedsstaaten in Betracht sie hinter ihren Zielen zurück, ziehen und nationale Wachs- dabei sind diese nur durch eine tums- und Beschäftigungspoli- signifikante Steigerung der tiken respektieren, sofern sie Produktivität in Europa er- den Vorstellungen eines fairen reichbar. Dazu sind Arbeitneh- Wettbewerbs in Europa ent- merbeteiligung und Mitbestim- sprechen. Wirtschaftliche Kon- mung, höhere Investitionen in vergenz, Vollbeschäftigung und Ausbildung und Bildung und europaweite Solidarität sollten höhere Kapitalintensität von die Ziele und Werte einer sozial elementarer Bedeutung. Das gerechten Union sein. Ein zu sozioökonomische Umfeld muss schaffendes Europäisches Wirt- Mehr Schutz für die Koordinierung braucht, um den durch eine Ausgewogenheit schafts- und Sozialmodell be- Bürger: die soziale Dimension der Wirt- Herausforderungen einer glo- aus Nachfragestärkung und wahrt sozialstaatliche Eigen- schaftsintegration balisierten Weltwirtschaft adä- der Optimierung von Angebots- heiten und sichert sie mit ei- muss ins Zentrum des Handelns rücken. (Foto: quat zu begegnen. Die aktuel- bedingungen produktive Kapi- nem wohlfahrtsstaatlichen EU Audiovisual Library) len Debatten um ein europäi- talakkumulation fördern. Mindestmaß in der gesamten sches Konjunkturpaket könn- • Insbesondere im Euroraum Union ab. ten mit den Weg ebnen für sind die nationalen wirtschafts- • Die Mitgliedstaaten haben an- mehr strukturierte Koopera- und sozialpolitischen Spielräu- gesichts des durch die Binnen- tion, die deutlich Grundvor- me durch verschiedene Rah- marktintegration bedingten aussetzung für europaweites menabkommen eingeengt. Die Drucks mehr an Kontrolle über Wachstum und Beschäftigung bisherigen Regelungen, beste- nationale Sozialpolitik verloren ist. Gleichzeitig muss die sozia- hend aus den Maastricht-Krite- als der EU tatsächlich zuge- le Dimension der Wirtschaftsin- rien und der Geld- und Zinspo- wachsen ist. In der Mehrebe- tegration ins Zentrum gemein- litik der EZB, sollten durch eine nenpolitik der EU spielt die So- samen Handelns rücken. Wett- Koordinierung der Fiskal- und zialpolitik bislang eine unterge- bewerbsfähigkeit und Wohl- Lohnpolitik ergänzt werden. ordnete Rolle. Daher sollten fahrtsanspruch können zusam- Die Erreichung von Vollbe- der sozialpolitische Spielraum men gedacht werden und eine schäftigung in Europa hängt der Mitgliedsstaaten gestärkt europäische Politik sollte da- entscheidend von einer stärke- sowie Teile der Sozialpolitik in- rauf hinwirken, beide Ziele ren makroökonomischen und tegriert werden. Die soziale Ge- miteinander zu vereinen. tarifpolitischen Koordinierung staltung Europas sollte aber

FES INFO 4 / 2 0 0 8 33

nicht auf die Vereinheitlichung unter anderem einen Wachs- rung am Shareholder Value nationaler sozialpolitischer In- tumsfonds zur Aktivierung verhindert Investitionen und stitutionen abzielen. Europäi- technologischen und industriel- Realkapitalbildung und somit sche Rahmenrichtlinien sollten len Fortschritts einrichten. Wachstum und Beschäftigung. dem Schutz nationaler sozial- • Die internationalen Finanz- • Die zunehmende Einseitigkeit politischer Errungenschaften märkte müssen neu geordnet der Binnenmarktvollendung wie beispielsweise der öffentli- werden. Der europäischen Ebe- gefährdet das europäische In- chen Daseinsvorsorge dienen. ne kommt dabei eine wichtige tegrationsprojekt als Ganzes. • Der zu beobachtende Steuer- Rolle zu. Die Regulierung der Jeder weitere Integrations- wettbewerb in Europa erfor- Finanzmarktakteure in Europa schritt sollte deshalb der Idee dert Anpassungen bei der Fi- steht in keinem adäquaten Ver- des „Sozialen Europa“ folgen nanzierung der Sozialstaaten hältnis zu den potenziellen Ri- und unter einem verbindlichen und führt zu einer Verschie- siken, die vom Anlageverhalten Sozialmonitoring stehen. Dieses bung der Steuerlast hin zu Ar- und den Finanzinstrumenten Monitoring sollte sich aus drei beitseinkommen und Ver- für den europäischen Wirt- Elementen zusammensetzen: brauchssteuern. Die Finanzie- schaftsraum ausgehen. Durch dem Setzen von sozialen und rungsbasis für nationale eine risikogetreue Kapitalun- ökologischen Mindeststan- Sozialpolitik sollte gerecht ge- terlegungspflicht, die Erhöhung dards, der Einführung von So- staltet und gesichert sein, wes- von Transparenz beim Investi- zialverträglichkeitsprüfungen, halb die Steuerpolitik zuneh- tionsverhalten der Finanz- die EU-Politiken und Gesetze mend harmonisiert werden marktakteure sowie einen effi- auf ihre sozialen Auswirkungen sollte. Die Harmonisierung zienten Informationsaustausch hin bewerten, und der Weiter- steht nicht im Widerspruch zur der nationalen Finanzdienst- entwicklung der unverbindli- nationalstaatlichen und ge- leistungsaufsichtsbehörden chen „Offenen Methode der rechten Gestaltung der Steuer- durch die Schaffung einer eu- Koordinierung“ durch die Ein- politik, sondern ist – im Gegen- ropäischen Allfinanzaufsicht führung von verbindlichen In- teil – ihre Voraussetzung. Mit- sollten die europäischen Fi- dikatoren einschließlich Sankti- telfristig sollte die Europäische nanzmärkte zu einem stabili- ons- und Anreizmechanismen. Union über eigene Finanzie- sierenden Faktor einer produk- rungsquellen durch eine euro- tivitätsorientierten europäi- päische Körperschaftssteuer schen Wirtschaft gemacht verfügen. Daraus müsste sie werden. Die einseitige Orientie-

Publikationen der Internationalen Politikanalyse zu diesen Themen (2008) • Andrej Stuchlík, Christian Kellermann: Europa [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05449.pdf] auf dem Weg zur Sozialen Union? Die Sozial- • Stefan Collignon: Vorwärts mit Europa. Für ei- agenda der EU im Kontext europäischer Sozial- ne demokratische und progressive Reform der staatlichkeit (September 2008) [http://libra- Lissabon-Strategie (April 2008) ry.fes.de/pdf-files/id/ipa/05707-20080916.pdf] [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05293.pdf] • Christian Kellermann: Europe's Leverage in • Arbeitskreis Europa: Europäische Finanz- Financial Market Regulation (September 2008) märkte – Tanker oder Nussschale? (April 2008) [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05712.pdf] [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05309- • Arbeitskreis Europa: Leitlinien für einen refor- 20080416.pdf] mierten EU-Haushalt (September 2008) • Jörn Griesse, Christian Kellermann: Was [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05639.pdf] kommt nach dem Dollar? (April 2008) • Thomas von der Vring: Droht eine europäische [http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05248.pdf] Lohnsenkungsspirale? (Juli 2008)

4 / 2 0 0 8 INFO FES 34 SCHWERPUNKT

STUDIE ÜBER SOZIALE AUSGRENZUNG UND ERWERBSLOSIGKEIT Kein Patentrezept, kein Königsweg

Eine international vergleichen- die im internationalen Ver- Nichterwerbstätigkeit gibt z. B. de Studie, die der Gesprächs- gleich als arbeitsmarktpoli- aufgrund von Krankheit, Er- kreis Arbeit und Qualifizierung tisch erfolgreich gelten. werbsunfähigkeit, Vorruhe- in Auftrag gegeben hat, gibt Neben dem Wirtschaftswachs- stand oder wegen der Teilnah- Aufschluss über die Arbeits- tum gelten die Arbeitslosen- me an arbeitsmarktpolitischen marktbilanz von zehn Ländern, quoten und der Beschäfti- Maßnahmen. Die Zahl der gungsstand als wichtige Mess- Menschen, die aus diesen latte für erfolgreiche Politik. Gründen nicht erwerbstätig Deutschland galt in Hinblick sind, übersteigt in vielen Län- auf den Abbau der Arbeitslo- dern deutlich die der Erwerbs- sigkeit als weniger erfolgreich. losen. In den skandinavischen Län- Die Studie wurde von Dr. Wer- dern, in den Niederlanden, ner Eichhorst, Institut zur Zu- aber auch in den angelsächsi- kunft der Arbeit (IZA), Bonn, schen Ländern konnte die Ar- und Regina Konle-Seidl, Insti- beitslosigkeit deutlich reduziert tut für Arbeitsmarkt- und Be- werden. Mittlerweile zeigt sich, rufsforschung (IAB), Nürnberg, dass es weder ein Patentrezept verfasst. zum Abbau der Arbeitslosigkeit noch einen Königsweg zu mehr DIE STUDIE Beschäftigung gibt. Es zeigt sich aber auch, dass es in die- www.fes.de/wiso/sets/s_aq_publ.htm sen Ländern viele Formen der

+ + + F E S + + + KURZ GE FASST + + + FE S + + + KURZ GEFASST + + + FES

+ + + Die Ursachen und insbesondere die gesamt- + + + Bis heute fehlt ein stimmiges System zur gesellschaftlichen Folgen der wachsenden Ein- Steuerung der Arbeitsmigration nach Deutsch- kommens- und Vermögensunterschiede durch- land, kritisierte Dr. Steffen Angenendt, der wäh- leuchtete eine Veranstaltung in Berlin: „Zuneh- rend der Fachkonferenz am 15. September ein für mende Einkommens- und Vermögens- die FES erstelltes Gutachten präsentierte. Auch unterschiede: Der Preis für mehr Effizienz und das Zuwanderungsgesetz von 2005 habe keine we- Wohlstand?“. Dabei wurden Möglichkeiten aufge- sentlichen Verbesserungen gebracht. Angesichts zeigt, wie der zunehmenden Schieflage mit Hilfe der demographischen Entwicklung, der Globalisie- der Steuerpolitik, der Bildungspolitik, der Sozial- rung und des wirtschaftlichen Wandels hin zu wis- und Beschäftigungspolitik oder mit Hilfe von Min- sens- und forschungsintensiven Industrien und destlöhnen entgegengesteuert werden kann. Prof. Dienstleistungen ist mittel- und langfristig mit ei- Dr. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissen- nem zunehmenden Bedarf an Fachkräften zu schaftszentrums, belegte: Wer arm ist, ist auch arm rechnen. Zur Deckung des langfristigen Bedarfs an Chancen, z. B. bei Bildung und beim Zugang schlägt Angenendt die Einführung eines Punkte- zum Arbeitsmarkt. Und Prof. Dr. Karl Lauterbach, systems vor, wie es bereits in klassischen Einwan- MdB, veranschaulichte eindringlich: Armut macht derungsländern angewandt wird. Anhand festge- krank. Arme Menschen haben ein höheres Ge- legter Kriterien wie Bildungsabschlüssen, Berufs- sundheitsrisiko und eine geringere Lebenserwar- erfahrung, Deutschkenntnissen und Alter könnten tung als wohlhabendere Menschen. + + + die Bewerber ausgewählt werden. + + +

Das Gutachten: www.fes.de/wiso/sets/s_migr_publ.html

FES INFO 35

IDEENWERKSTATT SOZIALSTAAT WEITERDENKEN Fördern und fordern – von Dänemark lernen?

Unter dem Stichwort „Flexicu- dung seitens der Arbeitssu- formieren. Nur wenn die Ver- rity“ wurde in Dänemark eine chenden. Der „Erfinder“ der braucher Vertrauen in ihre Zu- erfolgreiche Arbeitsmarktpoli- Flexicurity, der ehemalige dä- kunft hätten, würden sie, wie tik eingeführt, dank derer die nische Ministerpräsident Poul in Dänemark, durch ihr Kauf- Arbeitslosigkeit im Nachbar- Nyrup Rasmussen, war im No- verhalten einen Beitrag zur land sehr gering ist. Flexicurity vember zu Gast beim Landes- binnenwirtschaftlichen Ent- beinhaltet eine höhere Flexibi- büro Sachsen-Anhalt der FES wicklung leisten können, so lität z. B. beim Arbeitsplatz- in Magdeburg, um bei der „Ide- Rasmussen. In Deutschland da- wechsel, mit einer hohen enwerkstatt Sozialstaat weiter- gegen führe die hohe Unsicher- Grundsicherung. Verbunden denken – Flexibel, befristet, heit unter den Beschäftigten zu mit der hohen und langen Zah- prekär – Der Wandel am Ar- einer wachsenden Sparquote, lung von Arbeitslosengeld ist beitsmarkt zwischen Chance die der Überwindung der aktu- dabei die Forderung nach einer und Bedrohung“ über die däni- ellen Wirtschaftskrise entge- konstanten Fort- und Weiterbil- sche Arbeitsmarktpolitik zu in- gensteht.

FACHKONFERENZ ZUR INDUSTRIEPOLITIK IN DEN NEUEN BUNDESLÄNDERN Lehren der Vergangenheit

Die Bilanz der industriepoli- den Einwohnerzahlen ange- Rohstoffmärkten einstellen. Dr. tischen Förderung in Ost- passt hätten, stellte Bullerjahn Gerhard Heimpold vom IWH deutschland nach 1990 fällt fest. Er plädierte dafür, mit den Halle/Salle sieht darin aller- gemischt aus. Während einige Ost-West-Vergleichen aufzuhö- dings auch eine Chance, denn Regionen noch immer an den ren und stattdessen mit dem der Osten habe hohe Innovati- Folgen der massiven Deindust- Austausch von Fachkräften die onskraft durch die intensive rialisierung leiden, etablierten internationale Wettbewerbsfä- Forschung an den Hochschulen sich anderswo Kerne einer higkeit ganz Deutschlands vo- und die externen Forschungs- wettbewerbsfähigen Wirt- ranzubringen. Daher müsse einrichtungen. Eine andere Op- schaftsstruktur. verstärkt in Forschung und tion biete sich den neuen Län- Im Rahmen einer Fachkonfe- Entwicklung investiert werden. dern nach Meinung von Klaas renz der Stabsabteilung der Hans Eichel, ehemaliger Bun- Hübner, Vize-Fraktionschef der FES zogen am 29. Oktober ne- desfinanzminister, sieht den SPD, auch nicht, denn die etab- ben Jens Bullerjahn, dem Fi- Bedarf einer Reindustrialisie- lierten Märkte werden da blei- nanzminister des Landes Sach- rungspolitik. Schon viel eher ben, wo sie sind. Insofern müss- sen-Anhalt, Landtags- und hätte auch im Westen umge- ten Unternehmer neue Märkte Bundestagsabgeordnete sowie dacht werden müssen, um die aufbauen, um Wertschöpfung in Vertreter aus Wissenschaft und Weichen für die Zukunft zu der eigenen Region zu schaffen. Wirtschaft eine industriepoliti- stellen, sagte er. Die industrie- Angesichts der jüngsten PISA- sche Bilanz. Die neuen Länder politische Förderung in Ost- Ergebnisse scheinen die neuen seien die ersten, die ihre Ver- deutschland muss in Zukunft Bundesländer auf einem guten waltung bereits an die sinken- mit weniger Geld auskommen Weg zu sein.

) und sich auf n

e MEHR ZUM THEMA s n Veränderun- Zogen eine industrie- e Z politische Bilanz: Jens : gen auf den www.fes.de/stabsabteilung/ o t Bullerjahn und Hans o F ( Energie- und „Moderne Industriepolitik“ Eichel.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 36 SCHWERPUNKT

PODIUMSDISKUSSION ÜBER DIE NEUEN WIRTSCHAFTSMÄCHTE CHINA UND INDIEN Chance oder Bedrohung für deutsche Wirtschaft

China und Indien sind dabei, zu worten darauf suchte die FES vor dem Aufstieg Japans, am globalen „Wirtschaftsmächten“ in einer Reihe von öffentlichen Ende konnte man feststellen, aufzusteigen. Gestützt auf hohe Podiumsdiskussionen in Berlin dass alle davon profitierten. Wachstumsraten konnten beide und Stuttgart sowie in Hinter- Für Walter Riester, ehemaliger Länder ihren Anteil am Welt- grundgesprächen mit politi- Bundesarbeitsminister, ist die handel deutlich steigern und schen Entscheidungsträgern. Integration von China und Indi- dadurch Entwicklungserfolge Eingeladen waren dazu auch en schon allein aufgrund der erzielen, die mit einer deutli- führende Wirtschafts- und So- Größe der beiden Länder ohne chen Reduzierung der Armut zialexperten aus China und In- Alternative: „In China und Indi- dien. Sowohl en leben 40 % der Weltbevölke- die Gäste aus rung. Wenn diese nun am glo- China und Indi- balen Wachstumsprozess teil- en als auch die haben, dann liegt darin eine deutschen Red- große Chance für die Entwick- ner waren lung der Menschheit.“ übereinstim- Dennoch wollte auch keiner mend der Mei- der Redner die damit verbun- nung, dass ge- denen Herausforderungen rade in den Be- kleinreden. In Stuttgart, wo ei- reichen Handel ne Vielzahl klein- und mittel- und Investitio- ständischer Unternehmer unter nen die Chan- den Zuhörern waren, spielte cen des wirt- die Frage nach dem Schutz einhergingen. China hat sich schaftlichen Aufstiegs überwie- geistigen Eigentums eine große als „Werkbank der Weltwirt- gen. Der wirtschaftspolitische Rolle. In Berlin wurden die schaft“ eine feste Position ge- Sprecher der SPD-Landtags- Schwächen internationaler In- schaffen, ebenso wie Indien als fraktion in Baden-Württem- stitutionen kritisiert, welche globaler IT-Dienstleister. berg, Rainer Prewo, warnte da- zur politischen Steuerung der In den arrivierten Industrielän- vor, in Feindbilder zu verfallen. Globalisierung eigentlich drin- dern weckt dieser wirtschaftli- Früher habe man Angst gehabt gend vonnöten wären. che Aufstieg aber zunehmend + + + F ES + + + K UR Z GE FASST + + + FES + + + auch Besorgnis. China und In- dien werden verstärkt als Riva- + + + Normalerweise treffen sich hier Handelsminister und Bot- len im Wettbewerb um die An- schafter, um über Handelsabkommen zu schachern. Am 27. Novem- teile am globalen Wohlstand ber jedoch stellte sich Pascal Lamy, Generaldirektor der Welthan- wahrgenommen. Doch wie delsorganisation (WTO), in dem für seine Geheimabsprachen be- groß ist das Potential der neu- rühmt-berüchtigten Sitzungssaal („Green Room“) den Fragen von en asiatischen Wirtschafts- 17 Journalisten. Die Journalisten aus asiatischen und afrikanischen mächte wirklich? Ist ihr Ent- Entwicklungsländern nahmen an einem Informationsseminar des wicklungserfolg notwendiger- Genfer FES-Büros zu „Welthandel und nachhaltiger Entwick- weise eine Bedrohung für lung“ teil. Auf dem Programm standen auch Gespräche mit Vertre- unseren Wohlstand oder kann tern von OXFAM International und dem Internationalen Gewerk- nicht gerade eine erfolgreiche schaftsbund. Darüber hinaus präsentierten die UN-Sonderorgani- Exportnation wie Deutschland sationen UNCTAD und IAO die Querverbindung ihrer Arbeits- davon auch profitieren? Ant- bereiche mit dem Welthandel und der WTO. + + +

FES INFO 4 / 2 0 0 8 37

ARBEITSKREIS MITTELSTAND DER FES Gesucht: eine neue Mittelstandspolitik

Mehrere wissenschaftliche Stu- Trotz der Entmystifizierung des men, gibt es bereits seit länge- dien der letzten Jahre haben „Jobmotors Mittelstand“, hat rem. Ergänzt werden muss die- mit einem vielzitierten Trugbild der Mittelstand mit seinen 3,6 se Diskussion um Ansätze zur aufgeräumt: Der vermeintliche Mio. Unternehmungen eine be- Nachhaltigkeit. So sollten bei- Jobmotor „Mittelstand“ exis- sondere arbeitsmarktpolitische spielsweise zukünftig alle mit- tiert überhaupt nicht. Das zent- Bedeutung in Deutschland. telstandspolitischen Maßnah- rale Ergebnis dieser Untersu- In den kleinen und mittleren men verbindlich mit einer Eva- chungen besagt, dass in mittel- Unternehmungen sind rund 16 luation versehen werden, die ständischen Unternehmen Millionen Arbeitnehmer be- sicherstellt, dass erfolgreiche zwar überproportional viele schäftigt. Der Mittelstand bietet Konzepte identifiziert und be- Arbeitsplätze geschaffen, aber darüber hinaus über 80 % aller wertet werden. auch überproportional viele ab- Ausbildungsplätze. gebaut werden, während Groß- Die Widerlegung der Annahme MEHR ZUM THEMA betriebe dagegen sowohl bei vom Jobmotor bietet die Chan- In der Reihe WISO direkt: der Schaffung als auch beim ce, sich der Diskussion um Er- • Mittelstandsförderung auf dem Prüfstand: Abbau von Arbeitsplätzen ge- folgskriterien für die Unterstüt- Erfolgskriterien gesucht ringere Werte aufweisen als es zung kleiner und mittlerer Un- http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05824.pdf ihrem Beschäftigungsanteil ternehmen zu stellen. • Arbeitnehmerbeteiligung im Mittelstand entspräche. Ansätze, wie beispielsweise ei- zwischen Patriarchat und Mitbestimmung Mit der Tragweite und den ne wirksamere Branchendiver- http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05638.pdf Konsequenzen dieser Befunde sifizierung der Förderprogram- • Verantwortungsvolles unternehmerisches befasste sich der Arbeitskreis me oder eine stärkere Ausrich- Handeln: Familienunternehmen als Vorbild Mittelstand der FES im Rah- tung auf innovative oder http://library.fes.de/pdf-files/wiso/04963.pdf men eines Expertengesprächs. schnell wachsende Unterneh-

Frage an Prof. Dr. Wolfgang Gerstlberger, Stiftungslehrstuhl für Innovationsmanagement und Mittelstandsforschung, Internationales Hochschulinstitut Zittau, Vertrauensdozent und ehemaliger Stipendiat der FES

FES: Wie sieht Ihre Vision einer fortschrittlichen leme verringert werden müssten. Kernelemente Mittelstandspolitik aus? eines solchen integrativen Ansatzes sollten sein: W.G.: Kleine und mittlere Unternehmen sind häu- • Belebung der öffentlichen Investitionstätigkeit fig einerseits wirtschaftlich und in sozialer Hinsicht und Verankerung von Mittelstandsklauseln im sehr viel stärker mit ihren Beschäftigten und Kun- öffentlichen Vergaberecht; den sowie ihrem Standort und ihrer Region ver- • Vereinfachung des Steuerrechts und Ausbau bunden als Großunternehmen. Andererseits sind der steuerlichen Förderung von Investitionen für eine dünne Eigenkapitaldecke, ein eher unter- Unternehmens- und Beschäftigungswachstum durchschnittliches finanzielles Rating und ver- von KMU; gleichsweise geringe Ressourcen für die Entwick- • Erhalt mittelstandsorientierter Kreditinstitute; lung neuer Produkte charakteristisch für viele • Modernisierung des gesamten Bildungssystems; KMU. Eine fortschrittliche Mittelstandspolitik • Bündelung der zersplitterten Förderlandschaft muss bei diesen Besonderheiten ansetzen. Das be- von EU, Bund und Ländern und deutet, dass die regionale Verbundenheit dieser • Förderung mittelstandsgemäßer Formen der Unternehmen durch Staat und Kommunen aktiv Tarifvertragsgestaltung sowie Mitbestimmung gefördert sowie ihre typischen Finanzierungsprob- auch unterhalb des Niveaus von Betriebsräten.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 38 SCHWERPUNKT

NEUES THESENPAPIER DES MANAGERKREISES Arbeitswelt 2030

Die Agenda 2010 hat zweifellos qualifizierten Arbeitnehmern, lung, längere Lebensarbeitszeit positive Wirkungen entfaltet. gleichzeitig wird die Nachfrage und bedarfsgerechte Zuwande- Aber ihre Langzeitfolgen für nach wenig qualifizierten Ar- rung. den Arbeitsmarkt werden nur beitskräften weiter zurückge- Dieser Wandel der Arbeitswelt durchschlagen, wenn sie mit hen. Ein zweiter Megatrend stellt auch die Gewerkschaften weiteren Ideen angereichert wird als „Organisatorische Re- vor Herausforderungen. Deren und von zusätzlichen Instru- volution“ beschrieben: Kunden künftige Rolle war dann auch menten begleitet wird. Auf die- wollen Produkte, die sie von einer der Hauptdiskussions- ser Grundlage kommen die Au- anderen Kunden unterschei- punkte bei der öffentlichen toren eines Thesenpapiers des den; diese Bedürfnisse lassen Präsentation und Diskussion Managerkreises „Arbeitswelt sich mit standardisierter Mas- des Thesenpapiers am 15. Ok- 2030“ zu dem Schluss, dass Ar- senproduktion nicht mehr be- tober im Deutschen Institut für beitsmarktreformen eine Not- friedigen. Schließlich wird als Wirtschaftsforschung. Als Ge- wendigkeit und permanente dritter Megatrend die Indivi- sprächspartner waren dort ins- Aufgabe der Politik sind. dualisierung und Flexibilisie- besondere Michael Vassiliades Auf 20 Seiten analysieren die rung beschrieben. von der Industriegewerkschaft Autoren die Megatrends der In dem Thesenpapier entwer- Bergbau Chemie Energie und Arbeitswelt: Zuallererst stellen fen die Autoren strategische Dr. Reinhard Göhner vom Bund Alterung und Schrumpfung der Problemlösungen, die auf diese der Arbeitgeber zur Diskussion Bevölkerung die Wirtschaft vor Megatrends schon heute rea- auf dem Podium eingeladen. Herausforderungen. Es besteht gieren: Lebenslanges Lernen, Das Papier gibt es unter das Risiko eines Mangels an Geburtenzuwachs, Gleichstel- www.managerkreis.de

Als der Managerkreis der FES gemeinsam mit dem Fritz-Erler- Forum die Vortragsveranstaltung mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in Stuttgart plante, war noch nicht abzusehen, welche Dramatik die Entwicklung an den Finanzmärkten welt- weit nehmen sollte. Ein zweiter, größerer Saal im Landesmuse- um Stuttgart musste hinzugemietet werden, um Platz für die 600 Teilnehmer zu haben. In seiner Rede stellte Bundesminister Steinbrück die aktuelle Lage plastisch dar und scheute nicht vor Kritik an den Investmentbankern. Jahrelang seien das deutsche Universalbankensystem, das Bausparwesen und die hohe Spar- quote als langweilig und antiquiert betrachtet worden. Er selbst habe sich davon zu sehr beeinflussen lassen, so Steinbrück (Foto: Mierendorf) selbstkritisch.

Um den Dialog mit den Gewerkschaften zu in- den die Perspektiven einer nachhaltigen In- tensivieren, wurde im Rahmen des Manager- dustriepolitik, die Veränderungen der Gewerk- kreises als neues Format der Gewerkschaftsdia- schaftslandschaft in Deutschland sowie einfa- log etabliert. Hauptgesprächspartner während che Arbeit und Mindestlohn. der Auftaktveranstaltung waren Hubertus (Foto: Zensen) Schmoldt, Vorsitzender der IG BCE, und Mi- chael Guggemos, der den IG Metall-Vorsitzen- den Berthold Huber vertrat. Behandelt wur-

FES INFO 4 / 2 0 0 8 39

Kritischer Mahner und Warner

Der neue Sprecher des Managerkreises der FES, Karl Kauermann, machte in seiner Karrie- re als Sparkassenvorstand und Vorstand der Hessisch-thüringischen Landesbank Station. 1998 wechselte der Diplom-Volkswirt in die Volksbanken-Gruppe, wo er den Vorstands- vorsitz der Grundkreditbank und ein Jahr später den Vorstandsvorsitz der Berliner Volks- bank übernahm. Seit Mitte 2006 führt Karl Kauermann die auf Gewerbeimmobilien spe- zialisierte K.M.T. AG. Seit Juni 2008 ist er Sprecher des Managerkreises der FES.

FES: Sie haben im Juni das Amt als Sprecher des kreis verwendet. In dieser Funktion, als ein kriti- Managerkreises übernommen. Ihr Vorgänger, Ul- scher Wirtschaftsrat der SPD, möchte ich den rich Pfeiffer, war dem Managerkreis seit dessen Kreis gerne auch in Zukunft fortführen. Die sozi- Gründung eng verbunden. Was nehmen Sie von Ih- aldemokratische Grundüberzeugung muss in die- rem Vorgänger mit? sem Dialog in gleichem Maße deutlich werden wie die häufig kritischen Empfehlungen und Ratschlä- K. K.: Im Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stif- ge, gerade um diesen kritischen Beiträgen auch tung ist es gelungen, einen Kreis von 1200 Unter- Gehör und Wirkung zu verschaffen. nehmern und Managern zu organisieren, die in Thesenpapieren, öffentlichen Diskussionen und FES: Der Managerkreis forderte in der Vergan- Hintergrundgesprächen ihre Sichtweisen und ih- genheit unter anderem ein höheres Reformtempo. Das kam in den SPD-Reihen nicht immer gut an. Wie schätzen sie die derzeitige Wirtschaftskom- petenz der SPD ein?

K. K.: Gerade in der gegenwärtigen Situation hat die SPD auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Wirtschaftskompetenz gewonnen. Peer Stein- brück ist der klar erkennbare Krisenmanager in den gegenwärtig schwierigen Zeiten. Hier können wir unterstützend wirken und werden auch ge- (Foto: Bollhorst) hört. Mit dem Seeheimer Kreis haben wir uns in ren Rat vortragen. Der Managerkreis konnte sich den vergangenen Wochen und Monaten auf wirt- seit seiner Gründung 1991 so einen Ruf als öko- schaftspolitische Positionen geeinigt, die im Rah- nomisch versierter Ratgeber, aber auch kritischer men der Seeheimer Herbsttagung im November Mahner und Warner erwerben. Er wird vielfach – auch öffentlich vorgestellt und diskutiert wurden. und wie ich denke zurecht – als „ordnungspoliti- An anderer Stelle ist es für den Managerkreis sches Gewissen der SPD“ wahrgenommen. schwieriger. Wir wollen wirtschaftlichen Sachver- Diese Positionierung des Managerkreises als ein stand einbringen, sollten dabei aber nicht oberleh- kritischer „Wirtschaftsrat der SPD“ ist zu einem rerhaft daherkommen. Wir versuchen deshalb, großen Teil der Erfolg von Ulrich Pfeiffer, der dem im Hintergrund Gespräche mit allen Gruppierun- Kreis seit nun 17 Jahren als Sprecher vorstand. gen der Partei, also auch mit der Parteilinken, zu führen. Eine erste Klausurtagung des Vorstandes FES: Was haben Sie sich als Sprecher des Mana- des Managerkreises mit den Sprechern der Parla- gerkreises vorgenommen? mentarischen Linken fand bereits statt – sie war spannend und nach meiner Beobachtung für bei- K. K.: Ich habe die Charakterisierung „ordnungs- de Seiten lohnenswert. politisches Gewissen der SPD“ für den Manager-

4 / 2 0 0 8 INFO FES 40 SCHWERPUNKT

IM FOKUS: PRIVATISIERUNG ÖFFENTLICHER DIENSTLEISTUNGEN Schlägt das Pendel zurück?

Das massive aktive Eingreifen Anschluss- und Benutzungs- • Jenseits der Privatisierung der OECD-Staaten in das zwangs häufig interessante oder der Trägerschaft durch Marktgeschehen angesichts der Renditemöglichkeiten für pri- einzelne Kommunen existieren strukturellen Bankenkrise vates Kapital. vielfältige alternative Organi- könnte eine abrupte wirt- Der Arbeitskreis Dienstleistun- sations- und Finanzierungs- schaftspolitische Trendwende gen, getragen von der FES und modelle, wie z.B. interkommu- ankündigen. In den 1980er der Dienstleistungsgewerk- nale Zusammenschlüsse und Jahren sind staatliche Formen schaft ver.di, hat das Thema ei- Netzwerke oder gemischtwirt- der Organisation wirtschaftli- ner möglichen Renaissance des schaftliche Unternehmen. cher und gesellschaftlicher Ak- Staates mit einer seit Novem- • Die Zukunft des Modells tivitäten weltweit politisch aus ber 2008 laufenden Veranstal- Stadtwerke kann nur gesichert der Mode gekommen. Die Im- tungsreihe aufgegriffen. Die werden, wenn es gelingt, Be- pulse dafür waren vielfältig: Entscheidung um mehr Staat sonderheiten des deutschen zunehmende wirtschaftliche oder mehr Markt bei der öf- Prinzips der „kommunalen Probleme der realsozialisti- fentlichen Daseinsvorsorge darf Selbstverwaltung“ zu erhalten schen Staaten, Globalisierung, sich nach Ansicht der Arbeits- (z.B. Quersubventionierung Skandale um öffentliche und kreismitglieder nicht nur auf zwischen Energieversorgung genossenschaftliche Unterneh- betriebswirtschaftliche Renta- und ÖPNV). men sowie die Entstehung neu- bilitätskriterien stützen. • Die eigenen Potentiale für Or- er sozialer Bewegungen und Das erste Expertengespräch ganisations- und Personalent- Bürgerinitiativen. Auch in der Reihe „Mehr Qualität durch wicklung sowie Innovationsma- deutschen Kommunen wurden Privatisierung? – Innovative nagement, um sich auf (mehr) seit Mitte der 1980er Jahre Tei- Konzepte für öffentliche Dienst- Wettbewerb einzustellen, müs- le des kommunalen Tafelsilbers leistungen“ fand am 27. No- sen von vielen Stadtwerken privatisiert. Den Schwerpunkt vember in Berlin statt. Es stand besser genutzt werden. bildeten dabei Ver- und Entsor- unter dem Titel „Vom öffentli- gungsbetriebe. Besonders chen Versorger zum Akteur im MEHR ZUM THEMA Stadtwerke boten aufgrund ih- ‚freien' Energiemarkt?“. Die www.fes.de/wi- res Umsatzvolumens sowie des wesentliche Ergebnisse sind: so/sets/s_dienst.htm

Gespräch über die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen mit Klaus Barthel, MdB und Mitglied im Arbeitskreis Dienstleistungen

FES: Wie kann angesichts des Drucks private oder teilprivatisierte Leis- europäischer Regelungen und deren tungserbringer „auf dem Markt“ sind, Einwirkungen in Angelegenheiten unterliegen sie den Wettbewerbsre- kommunaler Daseinsvorsorge das geln. Sprich: Maßstab wird über die verfassungsmäßige Recht der kom- Gewinnerzielung privater Anteilseig- munalen Selbstverwaltung erhalten ner die betriebswirtschaftliche Renta- werden? bilität aller Leistungsanbieter. Markt K. B.: Zunächst müssen wir selbst be- und Wettbewerb prägen dann den je- greifen, dass kommunale Selbstver- weiligen Sektor insgesamt. Man waltung und Daseinsvorsorge unmit- schaue auf Post, Telekom, Kranken- telbar zusammengehören. (...) Sobald häuser und Nahverkehr.

FES INFO 4 / 2 0 0 8 41

FES: Sind Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) fentlichen Daseinsvorsorge und öffentlicher Unter- und andere Formen der Teilprivatisierung als Alter- nehmen zu beginnen. (...) nativen zur materiellen bzw. vollständigen Privatisie- Auch ÖPP können die grundlegenden Haushalts- und rung anzusehen? Investitionsprobleme der deutschen Kommunen nicht K. B.: Nach den Erfahrungen, die wir bisher in der lösen. Im Zuge der derzeitigen akuten Krisenbekämp- Bundesrepublik mit Privatisierungen und Öffentlich- fung brauchen wir eine mittel- und langfristig ange- Privaten-Partnerschaften gemacht haben, lohnt es legte staatliche Offensive für die längst überfällige Mo- sich zum einen trotz punktueller Erfolge, eine neue dernisierung der öffentlichen Infrastruktur und grundsätzliche Diskussion über die Zukunft der öf- Dienstleistungen.

FES-LANDESBÜRO HESSEN ZUR ZUKUNFT DER AUTOMOBILINDUSTRIE Ökologie als Schlüssel in der Krise?

„Wie lässt sich Mobilität erhal- tige Entwicklungen verschla- ten und gleichzeitig ökologisch fen“, kritisierte Klaus Franz, gestalten?“, lautete die Kern- Gesamtbetriebsrat der Adam frage, die das FES-Landesbüro Opel AG, ergänzte aber optimis- Hessen in den Opelvillen in Rüs- tischer, dass die derzeitige Krise selsheim diskutieren wollte. der Automobilindustrie die „Können alternative Antriebs- Chance darstelle, endlich öko- formen vielleicht auch den nomische und ökologische Inte- schwankenden Autobauer Opel ressen zu verbinden. „Am Ende retten?“, war so auch unausge- werde die Umstellung auf neue sprochene Frage des Abends. Antriebsformen nicht über die „Deutschland, Europa und die Liebe zur Natur, sondern über „Mit dieser Veranstaltung hat die Friedrich-Ebert-Stiftung einmal mehr ihr gutes Gefühl für Themen und Timing bewiesen“, lobte der Landtagsabge- USA haben bereits heute wich- den Geldbeutel entschieden. ordnete Thorsten Schäfer-Gümbel.

PODIUMSDISKUSSION ÜBER ÖKOLOGISCHE INDUSTRIEPOLITIK IN BERLIN Weltweites Schaufenster für grüne Technologien

Mit brandneuen Zahlen einer so nah beieinander gelegen, einführen wird. Und der Bund Studie von Roland Berger Stra- weil der wettbewerbsfähigste reichte Berlin an diesem Abend tegy Consultants konnte Mat- Standort der Zukunft derjenige die Hand: „Berlin ist unser thias Machnig, Staatssekretär sein wird, der der energieeffizi- Schaufenster. Wenn wir hier ei- im Bundesumweltministerium, enteste und der ressourceneffi- ne Plattform schaffen könnten auf der Podiumsdiskussion der zienteste ist“, so Machnig. im Zusammenspiel von Bund FES und des rbb-Inforadio be- Berlin besinnt sich mehr und und Land, dann wäre das für eindrucken: Deutschland hat mehr auf seine industriellen den Standort Berlin gut. Es wä- im Bereich der grünen Techno- Wurzeln und sieht in einer öko- re auch für die Industrie, über logien ein Weltmarktvolumen logisch ausgerichteten Indust- die wir gerade diskutieren, eine von 1,4 Billionen mit einer rie- und Stadtentwicklung gro- hervorragende Plattform, um Prognose von 3,1 Billionen für ße Potenziale. Frank Jahnke, sich international präsentieren das Jahr 2020. „Noch nie in der MdA und wirtschaftspolitischer zu können“, so der Staatssekre- Geschichte der Menschheit ha- Sprecher der SPD, versicherte, tär. ben ökonomische Entwicklung dass Berlin in Kürze das neue und ökologische Notwendigkeit Kompetenzfeld Energietechnik

4 / 2 0 0 8 INFO FES 42 SCHWERPUNKT

Der Kocheler Kreis für Wirtschaftspolitik

Der Kocheler Kreis für Wirtschaftspolitik der FES sollte, da diese (prozyklische) Politik infolge ihrer ist ein Forum der Begegnung von Wissenschaft- Rückwirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung lern und Praktikern zum Zwecke der wirtschafts- und die Steuereinnahmen nicht zu einer Verrin- politischen Beratung. Es handelt sich um einen gerung, sondern zu einem weiteren Anstieg des lockeren Zusammenschluss von Vertretern uni- Staatsdefizits führen würde. versitärer und außeruniversitärer Forschungsein- Im Hinblick auf die gegenwärtige Wirtschaftskri- richtungen, der Bundes- und Landespolitik, der se sind aus makroökonomischer Sicht erhebliche Gewerkschaften und Unternehmensverbände so- und rasch wirkende gesamtwirtschaftliche Stabi- wie der staatlichen Verwaltung. Seine Mitglieder lisierungsmaßnahmen von Seiten des Staates ge- haben es sich zur Aufgabe gemacht, aktuelle und boten. Darüber hinaus sollten bei der Neugestal- grundsätzliche Fragen aus dem Bereich der Wirt- tung der weltweiten Finanzmarktregulierung schafts- und Finanzpolitik mit Experten aus dem auch die makroökonomischen Ursachen der Kri- In- und Ausland zu erörtern und wirtschaftspoli- se stärker berücksichtigt werden, beispielsweise tische Handlungsoptionen aufzuzeigen. die zunehmende Ungleichheit von Einkommen Als wesentliche Ergebnisse vergangener Tagun- und Vermögen sowie die großen globalen Un- gen kann beispielsweise gelten, dass der Staat in gleichgewichte in Form von Leistungsbilanzüber- Phasen eines wirtschaftlichen Abschwungs nicht schüssen und -defiziten. aktiv einen ausgeglichenen Haushalt anstreben Weitere Informationen: www.fes.de/wiso

DER FES-ARBEITSKREIS ARBEIT-BETRIEB-POLITIK Qualifizierte Mitbestimmung

Flexibilisierungs- und Innovati- eine zukunftsweisende Interes- Der Bundestagsabgeordnete onsprozesse, Auslagerungen senvertretung vorgelegt. Das Josip Juratovic hob dabei aber und die Öffnung von Tarifver- Ziel sind gestärkte Mitbestim- hervor, dass unter der heutigen trägen beanspruchen zuneh- mungsrechte und verbesserte regierungspolitischen Konstel- mend die Gestaltungs- und Arbeitsbedingungen der Be- lation die Durchsetzung be- Schutzfunktionen der Betriebs- triebsräte. Arbeitgebervertre- triebsverfassungsrechtlicher räte. Sie sind gefordert, an ter plädieren dagegen für den Reformen wenig wahrschein- strategischen Unternehmens- Abbau rechtlicher Fesseln und lich ist. entscheidungen mitzuwirken. erwarten mehr flexible, freiwil- Gleichzeitig zerbricht die be- lige Aushandlungen. triebliche Sozialstruktur in Auf einer Fachveranstaltung MEHR ZUM THEMA Stamm- und Randbelegschaf- des FES-Arbeitskreises Arbeit- www.fes.de/wiso/sets/ ten, in Teilzeitbeschäftigte und Betrieb-Politik am 25. Novem- s_abp_vera.htm befristet Beschäftigte, Leihar- ber im Mendelsohn-Bau der beitnehmer und werkvertragli- Berliner IG Metall wurde die Publikation „Entscheidend ist che Auftragnehmer. Diese Ent- Fragestellung überprüft, ob Be- im Betrieb“: qualifizierte Mit- wicklungen verändern tiefgrei- triebsräte in der Globalisierung bestimmung als Herausforde- fend die deutsche Mitbestim- von Wirtschaft und Arbeitsbe- rung für Gewerkschaften und mungsarchitektur und die be- ziehungen mit hinreichenden Politik; Gutachten, erstellt von triebliche Interessenorganisati- Rechten, Ressourcen und Ka- Manfred Wannöffel im Auftrag on. Der Deutsche Gewerk- pazitäten ausgestattet sind und der FES schaftsbund hat bereits unter- wie die Betriebsverfassung http://library.fes.de/pdf-files/ schiedliche Empfehlungen für weiterzuentwickeln wäre. wiso/05450-20080626.pdf

FES INFO 4 / 2 0 0 8 43

Tagung über die Rechte der Verbraucher Plädoyer für Sammelklagen

WÄ H R END DI E WI RTS C H AFT DAS RECH TLI CH E SC HUT Z NIV E AU VON V E RB R AUCH ERN I N D EU TSCH LAN D EHER ALS Ü BER REGULIERT ANSIEHT, sind Verbraucherschützer und viele Rechtsexperten überzeugt, dass der geltende Rechts- schutz für Verbraucher durchaus verbesserungsbedürftig sei.

Im Fokus der Tagung „Über- der Verbraucherzentrale Nord- schützt oder rechtlos? – Die rhein-Westfalen, wie auch Eve- Rechte der Verbraucher“, die lyne Gebhard, MdEP, setzten am 9. September in Köln statt- sich auf der Veranstaltung da- fand, standen die kollektiven her insbesondere für die Zulas- Verbraucherrechte wie Sam- sung von bisher in Deutschland mel- oder Verbandsklagen so- nicht praktizierten Sammel- wie die Verbraucherrechtshar- oder Gruppenklagen ein, bei monisierung auf EU-Ebene. denen viele Geschädigte ihre Mit dem Aushebeln von Ver- Rechte in einem einzigen Ver- braucherrechten oder der Aus- fahren geltend machen kön- nutzung von gesetzlichen Lü- nen. Sie befinden sich dabei im cken, sei es in Form unseriöser Einklang sowohl mit der EU- Praktiken, sei es durch unzu- Verbraucherkommissarin als lässige Vertragsklauseln oder auch mit der für einen fairen durch unlautere Werbeaktio- Wettbewerb zuständigen EU- nen, lasse sich viel Geld verdie- Wettbewerbskommissarin. nen. Denn der Verbraucher hat Für den Verbraucher wird die häufig nur einen geringen indi- Rechtslage aber auch wegen viduellen Schaden und damit des zunehmenden grenzüber- verbundenen Ersatzanspruch, schreitenden Konsums – insbe- für den sich der Klageweg nicht sondere über das Internet – im- Harmonisierung Gefahr laufen lohnt bzw. unverhältnismäßige mer schwieriger. Die Veranstal- könnte, hinter seinen bisheri- (finanzielle) Risiken mit sich tung befasste sich daher auch gen Stand zurückzufallen. bringt. Andererseits entsteht mit der Frage, wie eine sinnvol- jedoch in der Masse ein beacht- le und effektive Rechtsharmo- PUBLIKATION ZUM THEMA licher Schaden und ungerecht- nisierung im Verbraucherrecht fertigter Wettbewerbsvorteil, auf EU-Ebene erfolgen kann. Überschützt oder rechtlos?: Die Rechte der Verbraucher; der dem Anbieter einen großen Hierbei wurden aus Kreisen Markus Caspers; WISO direkt Gewinn beschert. Daher man- der deutschen Wirtschaft Zwei- http://library.fes.de/pdf- gele es an kollektiven Rechten, fel sowohl an der Zuständigkeit files/wiso/05770.pdf mit denen die Verbraucher ihre der EU als auch am Bedarf für Reisen in Bus, Bahn und Rechte auch durchsetzen könn- solche Regelungen angemeldet. Flugzeug: ein Fall für die ten. Verbraucherschützer äußerten Verkehrspolitik! / Otmar Lell; Verbraucherschützer wie Prof. dagegen die Sorge, dass WISO direkt Jürgen Kessler, Vorsitzender Deutschland mit seinen relativ http://library.fes.de/pdf- files/wiso/05822.pdf der Verbraucherzentrale Ber- hohen Verbraucherschutzstan- lin, und Klaus Müller, Vorstand dards bei einer europaweiten

4 / 2 0 0 8 INFO FES 44 SCHWERPUNKT

Mehr Schutz für die Konsumenten

Als Wirtschaftspolitik von der Nachfrageseite her mation und mehr Verbraucherrechte wird der versteht die FES das Thema Verbraucherpolitik. Wettbewerb zwischen den Anbietern verbessert, Zwischen den Vertretern der Anbieterinteressen indem der ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteil und denen der Verbraucherinteressen herrscht von unseriösen Anbietern gegenüber seriösen An- ein gravierendes Macht- und Einflussgefälle. Da- bietern abgebaut wird. durch ist auch der Wettbewerb auf den Märkten Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe für Güter und Dienstleistungen beeinträchtigt. Ziel und beschränkt sich nicht nur auf die Bereiche Er- des FES-Gesprächskreises „Verbraucherpolitik“ nährung und Gesundheit, sondern muss auch in ist es daher, dieses Gefälle abzubauen, die Interes- allen weiteren Politikbereichen (Finanzdienstleis- sen von Verbraucherinnen und Verbrauchern ge- tungen, Bauen, Wohnen, Energie, Umwelt, Ver- genüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kehr, Medien, Telekommunikation, Post, sonstige unterstützen und den Stellenwert von Verbrau- Rechts- und Wirtschaftsfragen) – auf nationaler cherpolitik – anhaltend – zu erhöhen. und internationaler Ebene – institutionell veran- Verbraucherpolitik ist von diesem Verständnis her kert, finanziell gestärkt und darüber hinaus sinn- eine aktive, auf die Nachfrageseite des Marktes voll vernetzt werden. zielende Gestaltungsaufgabe, um gesamtgesell- In verschiedenen Veranstaltungen und Publikatio- schaftliche Ziele zu erreichen. Sie beinhaltet nicht nen wurden die Fahr- und Fluggastrechte, kol- nur eine defensive Schutzfunktion für den einzel- lektive Verbraucherrechte wie Verbands-, Sam- nen Konsumenten. Aktive Verbraucherpolitik ist mel- oder Gruppenklagen sowie die Verbraucher- vielmehr ein Anreiz für Produktverbesserung und rechtsharmonisierung auf EU-Ebene behandelt. Innovation. Durch verbesserte Verbraucherinfor-

GESPRÄCHSKREIS VERBRAUCHERPOLITIK ÜBER NACHHALTIGE KAUFENTSCHEIDUNGEN Beim Konsum Klima und Ressourcen schonen

Mit jeder Kaufentscheidung für Nach Bernhard Pötter, Autor Gerd Lottsiepen, verkehrspoliti- ein klimafreundlich und sozial- des Buches „König Kunde rui- scher Sprecher des Verkehrs- verträglich hergestelltes Pro- niert sein Land“ versagt der clubs Deutschland (VCD), sieht

dukt, mit jeder Entscheidung Verbraucher jedoch jämmer- im CO2-Grenzwert das wich- für umweltfreundliche Trans- lich, wenn es gilt, mit dem Ein- tigste politische Instrument im portalternativen, mit jeder Ent- kaufswagen Politik zu machen. Bereich Klimaschutz im Ver- scheidung für Finanzanlagen Obwohl er durch seine Kon- kehr. Die VCD-Autoumweltliste nach sozial-ökologischen Krite- sumausgaben über gewaltige zeige, dass es reichlich Pkw ge- rien können Verbraucherinnen Macht verfüge, nutze er diese be, die unter den von der EU- und Verbraucher zur Vermei- nicht für den Schutz von Klima Kommission vorgeschlagenen dung von Treibhausgas-Emis- und Ressourcen: Nur ein gerin- Grenzwerten liegen. Die deut- sionen beitragen und helfen, ger Anteil der Haushalte be- sche Autoindustrie, die Bun- den Verbrauch natürlicher Res- zieht Öko-Strom, kauft vorwie- desregierung und Kreise der sourcen zu reduzieren. gend Bio-Lebensmittel oder be- IG Metall verzögerten jedoch „Durch Konsum Klima und vorzugt spritsparende Autos. die notwendige Anpassung. Ressourcen schonen – Was Dennoch könne der Verbrau- Zu einem nachhaltigen Lebens- kann der Verbraucher tun, was cher nicht der erste Adressat stil gehört auch ein bewusster muss die Wirtschaft leisten?“, von effektivem Klimaschutz und verantwortungsvoller Um- fragte der Gesprächskreis Ver- sein, so Pötter. Denn er bewege gang mit Geld. Für Thomas braucherpolitik am 21. Oktober sich in einem Rahmen, den Po- Jorberg, Vorstandssprecher der bei einer Tagung in Wuppertal. litik und Wirtschaft vorgeben. GLS Bank, bieten nachhaltige

FES INFO 4 / 2 0 0 8 45

Geldanlagen Alternativen zu bedeute: Investitionen aus- Investitionen mit klarem real- den Risiken des herkömmli- schließlich in ökologische, so- wirtschaftlichen Bezug. chen Finanzsystems. Eine ver- ziale und kulturelle Unterneh- Für Swenja Schulze, MdL, ver- antwortungsvolle Geldanlage men, Projekte und Initiativen; braucherpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, ist klar, dass mehr Transparenz im Wirtschaftsgeschehen die Kon- sumenten in die Lage versetzt, zwischen nachhaltigen und we- niger nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen zu unter- scheiden. PUBLIKATION ZUM THEMA Ethik – ein neuer Luxusartikel?: verantwort- licher Konsum in Politik und Gesellschaft; Otmar Lell; WISO direkt; http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05919.pdf

KONFERENZ ZUR AGRARPOLITIK DER EUROPÄISCHEN UNION Landwirtschaft ohne Subventionen?

Die Agrarpolitik der EU steht gaben am EU-Gesamtbudget Bundestagsfraktion. Ziel müsse wegen hoher Subventionen im- wurde bereits drastisch zurück- es vielmehr sein, zusätzliche mer wieder in der Kritik. Für gefahren. Ein grundlegender oder komplementäre Einkom- das Haushaltsjahr 2007 wurden Finanzierungsumbau ist für die mensquellen zu fördern. Diese rund 43 Mrd. Euro für Agrar- Zeit nach 2013 geplant. Förderung könne z.B. durch ei- marktmaßnahmen und Direkt- Die Referenten der EU-Kom- ne Honorierung der Leistungen zahlungen sowie rund 12 Mrd. mission, des Bauernverbandes der Landwirtschaft beim Schutz Euro für die ländliche Entwick- und aus der Politik waren sich der natürlichen Ressourcen und lungspolitik veranschlagt. Das einig darin, dass die europäi- bei der Pflege der Kulturland- sind rund 43 % des EU-Haus- sche Agrarpolitik auch für die schaft erfolgen. Parallel zur Än- halts. Zeit nach 2013 mit Hilfe staatli- derung der Förderpolitik haben Ist die hohe Subventionierung cher Mittel ihre Agrarwirtschaft sich auch die Rahmenbedin- der Landwirtschaft quasi ein lenken und stützen muss. Die gungen für die Landwirtschaft „Naturgesetz“ oder ist eine dafür zur Verfügung gestellten verändert: Die europäische Landwirtschaft auch vorstell- Mittel werden aber weiter redu- Land- und Ernährungswirt- bar, die sich am Markt orientie- ziert und umgeschichtet wer- schaft könne weltweit Qualitäts- ren muss und ohne staatliche den. Die sogenannte zweite führer und Spezialitätenführer Hilfen auskommt? Diese Frage Säule der Gemeinsamen Agrar- werden, meinte Udo Hemmer- stand im Mittelpunkt einer Kon- politik, die ländliche Entwick- ling vom Deutschen Bauernver- ferenz am 10. November in lung, wird eine immer stärkere band. Allerdings müssten die in Berlin: „Auf dem Weg zu einer Bedeutung erhalten. „Agrarpo- der EU im Vergleich zum Welt- Landwirtschaft ohne Subventio- litik darf sich nicht mehr aus- markt höheren Standards im nen?“ schließlich als Klientelpolitik Umwelt-, Verbraucher-, Tier- Die EU-Landwirtschaftspolitik definieren“, meinte Wilhelm und Naturschutz bei den WTO- hat durchaus auf die Kritik rea- Priesmeier, MdB, stellv. agrar- Verhandlungen international giert: Der Anteil der Agraraus- politischer Sprecher der SPD- verankert werden.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 46 INTERNATIONAL

NATIONALE REALITÄTEN – EUROPÄISCHE STRATEGIEN Europas Leuchtkraft

Frank-Walter Steinmei- Ohne Leidenschaft wird ein ge- Oktober im Schloss Cecilienhof Bulgariens) teil. Bundesaußen- er warb in der von Matthias Platzeck mo- meinsames Europa nicht mög- in Potsdam organisiert wurde. minister Frank-Walter Stein- derierten Potsdamer lich sein, so die erste Erkennt- An der Veranstaltung nahmen meier betonte, dass in einer Veranstaltung „Unser Soziales Europa“ für die nis der Konferenz „Unser So- u. a. Politikerinnen und Politi- „Zeit der Wende“ die EU ihre Zusammenarbeit der Sozialdemokraten in ziales Europa: Nationale Re- ker aus Deutschland und aus Stärke und „Leuchtkraft“ de- der Mitte Europas von alitäten – Europäische Strate- Mittel- und Südosteuropa wie monstrieren könne. Gerade Polen bis Bulgarien. (Foto: Unger) gien“, die von der FES Anfang Frank-Walter Steinmeier, Hu- jetzt müsse die Wirtschaft eine bertus Heil, soziale und ökologische Dimen- Matthias sion bekommen. Die Diskutan- Platzeck, Oli- ten waren sich abschließend ei- ver Dulic (ser- nig, dass es keine europaweit bischer Um- einheitlichen Sozialsysteme ge- weltminister), ben könne. Vielmehr gehe es Edi Rama darum, grundlegende Bereiche (Bürgermeis- der Sozialpolitik überall so aus- ter von Tirana) zugestalten, dass für alle Euro- und Meglena päer ein würdiges Leben mit Plugtschieva guter Arbeit und anständigem (stellvertreten- Lohn realisierbar sei. de Minister- präsidentin

ERÖFFNUNGSREDE VON EU-KOMMISSIONSPRÄSIDENT BARROSO Europäisches Netzwerk Politischer Stiftungen Politische Stiftungen – nach mokratisierungsprozessen her- und andererseits einen Infor- dem deutschen Modell „close to vor und erinnerte an die bei- mations- und Ausbildungsservi- but independent from political spielhafte Unterstützung der ce für seine Mitglieder zu bie- parties“ – spielen eine wesentli- FES beim Übergang von Dikta- ten. Die Friedrich-Ebert-Stif- che Rolle bei der Umsetzung tur zu Demokratie in seinem tung ist Gründungsmitglied des von Demokratieförderung, Ent- Heimatland Portugal. Netzwerkes und durch ihr Eu- wicklungszusammenarbeit und ENOP wurde bereits 2006 als ropabüro in Brüssel im ENOP- politischem Dialog – Ziele, die informelle, übergreifende Koo- Lenkungsausschuss vertreten. sich die EU auf ihre außenpoli- perationsstruktur politischer tische Agenda schreibt. Zu die- Stiftungen aus verschiedenen Manuel Barroso hob die Bedutung politischer Stiftungen bei Demokratisierungsprozessen hervor. sem Fazit kam EU-Kommissi- EU-Mitgliedstaaten gegründet. onspräsident José Manuel Bar- Ziel des Netzwerkes, das inzwi- roso bei seiner Eröffnungsrede schen über 50 politische Stif- anlässlich der offiziellen Vor- tungen aus über 20 EU-Mit- stellung des „Europäischen gliedsländern umfasst und mit Netzwerks Politischer Stift- einem Sekretariat in Brüssel ungen (ENOP)“ am 13. Novem- vertreten ist, ist es, einerseits ber in Brüssel. Barroso hob die die Kommunikation zwischen Rolle politischer Stiftungen politischen Stiftungen und den weltweit bei Reform- und De- EU-Institutionen zu verbessern

FES INFO 4 / 2 0 0 8 47

KONFERENZ ZUR WISSENSCHAFTSAUßENPOLITIK Wissenschaftshäuser im Ausland geplant

Für Willy Brandt waren Kultur Experten aus Wissenschaft und Mahnung des Präsidenten der und Bildung einst die „dritte Wirtschaft am 13. November. Europa-Universität Viadrina in Säule“ der Außenpolitik. In die- Im Mittelpunkt der Veranstal- Frankfurt/Oder, Günter Pleuger, ser Tradition bewegte sich auch tung des Berliner Forums für die deutsche Wissenschaftsau- Gernot Erler, Staatsminister im Wissenschaft und Innovation ßenpolitik könne stets nur so Auswärtigen Amt, der bei der stand der Plan des Auswärtigen gut sein, wie der Standort Konferenz „Wissenschaftsau- Amtes, sogenannte „Deutsche selbst: „Es wird kein hervorra- ßenpolitik – Deutschland als Wissenschaftshäuser“ im Aus- gender Wissenschaftler aus In- Skizzierte das Funda- Knotenpunkt im weltweiten land aufzubauen. Solche Wis- dien zu uns kommen, wenn er ment einer erfolgrei- Wissensnetzwerk“ eine „gute senschaftszentren sind als zent- seine Familie nicht mitbringen chen Außenpolitk: Statsminister Gernot Kultur- und Bildungsarbeit“ als rale Anlaufstellen für an kann.“ Erler. (Foto: Zensen) das „Fundament einer erfolg- Deutschland interessierte Stu- reichen Außenpolitik“ bezeich- denten, Wissenschaftler und nete. Seit Gründung der Bun- Wirtschaftsvertreter gedacht. desrepublik seien fast 700.000 Auch für innovative kleine und ausländische Studenten, Wis- mittlere Unternehmen werden senschaftler und Forscher nach die Wissenschaftshäuser vielfäl- Deutschland gekommen. tige Dienstleistungen erbringen. Über Strategien und Struktu- In einer Pilotphase sind Deut- ren, die geeignet sind, Deutsch- sche Wissenschaftshäuser in land zu einem für ausländische Moskau, Tokio und Neu Delhi Wissenschaftler attraktiven geplant. Dass es damit jedoch Land zu machen, diskutierten nicht getan ist, unterstreicht die

Deutsch-französische Dialoge Afrikapolitik besser koordinieren Forum zur Kommunalpolitik Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde Afrika Bildung, Integration, Altenpflege, soziale Dienste, in Europa in erster Linie unter entwicklungspoliti- Umwelt, Verkehr, Sicherheit: die Kommunen und schen Kriterien betrachtet. Heute ist Afrika für Eu- Regionen sind bei vielen gesellschaftlichen Prob- ropa in einer Vielzahl von Politikfeldern wichtig – lemen die erste und wichtigste Handlungsebene. von der Klima- über die Rohstoff- bis zur Sicher- Dies gilt für Deutschland wie für Frankreich, trotz heitspolitik. Angesichts dieser Entwicklung hat das der großen Unterschiede zwischen dem föderalen Pariser Büro der FES zusammen mit dem For- deutschen und dem zentralistischen französischen schungsinstitut CERI der Universität Science Po Verwaltungssystem. Grund genug für die FES-Pa- einen deutsch-französischen Gesprächskreis zur ris, in Zusammenarbeit mit der französischen Afrikapolitik ins Leben gerufen. An der Auftaktver- FNESR ein „Deutsch-französisches Forum zu anstaltung am 17. November nahmen in Paris die Kommunalpolitik“ zu gründen. Das Ziel dieses Fo- SPD-Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gme- rums ist es, den Teilnehmern – in erster Linie Kom- lin, Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter der munalpolitiker und Verwaltungsexperten – erfolg- Außen- und Verteidigungsministerien beider Län- reiche Strategien beider Länder bekannt zu ma- der teil. Sie diskutierten über die Ausbreitung des chen und ein gegenseitiges praxis- und islamistischen Terrorismus im Sahel und in Ostafri- problemorientiertes Lernen zu ermöglichen. Im ka, die Bilanz der EU-Interventionen im Kongo und Zentrum des ersten Treffens Ende September den Kampf gegen Piraterie am Horn von Afrika. stand das Thema Integrationspolitik.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 48 INTERNATIONAL

FES-Fachkonferenz über Biokraftstoffe Zwischen Klimawandel und Ernährungssicherheit BI S VOR K U RZEM GA LTEN B IOKRA FT S TOFFE ALS H OFFNUNG STRÄ GE R für eine „klimaschonende“ und langfristig verfügbare Energiequelle, die die umweltschädli- chen fossilen Brennstoffe ersetzen sollten. Doch nun sind sie in Kritik geraten und wer- den für den Anstieg der Lebensmittelpreise und des Hungers verantwortlich gemacht.

denn sie sehen darin neue Han- delshemmnisse des Nordens. Gegenwärtig sind Biokraftstoffe in erster Linie eine nationale Angelegenheit. Sowohl Brasili- en als auch Costa Rica und In- donesien verabschiedeten be- reits Regelungen zur Förde- rung eines ökologisch nach- haltigen Anbaus. Weitgehend vernachlässigt wird jedoch bis- her die soziale Dimension der Biokraftstoffproduktion. Zahl- Weil Brasilien heute weltweit Bisher steuern Biokraftstoffe reiche NGO kritisieren die der wichtigste Produzent von zwar nur ein Prozent zur welt- schlechten Arbeitsbedingungen Biokraftstoffen ist, hatte die weiten Energieversorgung bei, auf den Zuckerrohrplantagen FES zu einer internationalen aber die Nachfrage wächst ste- in Lateinamerika und fordern, Fachkonferenz Experten und tig. Allein die EU will bis 2020 dass Mittel und Wege gegen die Politiker aus Lateinamerika, voraussichtlich 20 % ihres Vernichtung von kleinbäuerli- Europa, den USA und Asien Energiebedarfs aus erneuerba- chen Betrieben gefunden wer- nach Rio de Janeiro eingeladen. rer Energie beziehen. Daher ist den müssen. Da Biokraftstoffe Die Frage, welche politischen die Forderung nach strikten ein international gehandeltes Weichenstellungen notwendig ökologischen und sozialen Pro- Gut sind, bedarf es dringend ei- sind, um Biokraftstoffe effizient duktionskriterien laut gewor- nes globalen Zertifizierungs- und nachhaltig bereitzustellen den, wie Marko Mühlstein, rasters, das den lückenhaften und damit sowohl Energie- als MdB und Mitglied des Umwelt- Zertifizierungsdschungel ablöst auch Ernährungssicherheit ausschusses erläuterte. Darauf und sowohl die ökologische als und Klimaschutz miteinander reagieren die Produzentenlän- auch soziale Nachhaltigkeit si- zu verzahnen, stand im Mittel- der in Lateinamerika allerdings chert, so eine der Schlussfolge- punkt der Veranstaltung. mit Skepsis und Unverständnis, rungen der Konferenz.

INTERNATIONALER HANDEL UND KLIMAWANDEL Teil des Problems oder der Lösung?

Über die Wechselwirkungen und Klimaexperten vom 3. bis Evian Group veranstaltete. Vor zwischen internationalem Han- 5. Oktober in Lausanne auf ei- dem Hintergrund der Warnun- del und Klimawandel diskutier- ner Konferenz, die die FES- gen vor den Folgen des Klima- ten 60 internationale Handels- Genf in Kooperation mit der wandels und der laufenden

FES INFO 4 / 2 0 0 8 49

Verhandlungen für ein Post- ten dabei gleichzeitig wirt- wicklungsländern lösen wird. Kyoto-Abkommen wollte die schaftliches Wachstum erzielen Letztere haben unterproportio- Konferenz einen Beitrag zum könnten, ist die Einführung sol- nal zum Klimawandel beigetra- Erfahrungsaustausch zwischen cher Technologien für Entwick- gen, sind jedoch überproportio- Entscheidungsträgern leisten. lungsländer immer noch zu nal von dessen Folgen wie Dür- Internationaler Handel führt kostspielig. Ein Vertreter aus re und Überschwemmungen durch die Produktion und den einem Entwicklungsland beton- betroffen. Mangelndes Vertrau- Transport von Gütern zu te: „Wenn die Wahl zwischen en zwischen den Industrie- und Schadstoffemissionen, die den Verhungern oder Verwendung Schwellenländern sei das Klimawandel beschleunigen. schmutziger Kohle besteht, ist Hauptproblem, um einen Kon- Auf der anderen Seite können die Entscheidung klar.“ sens sowohl im Handels- als der Handel mit umweltfreundli- Grundsätzlich wird der Erfolg auch im Klimabereich zu erzie- chen Technologien und die Sub- der Klimaverhandlungen, so die len, so die Stimmen einiger ventionierung von energiespa- einhellige Meinung auf der Teilnehmer. Hinzu komme eine renden Gütern langfristig dazu Konferenz, davon abhängen, ob mangelnde Kohärenz zwischen beitragen, Emissionen zu redu- man das Gerechtigkeitsproblem den internationalen Klima- und zieren. Während Industriestaa- zwischen Industrie- und Ent- Handelsregimen.

FES-VERANSTALTUNG ÜBER IDENTITÄTEN IM EUROMEDITERRANEN RAUM Albert Camus und das Mittelmeer „Die Sonne des Mittelmeers ist peration mit dem deutsch-alge- Partnerschaft auf eine neue für alle Menschen die gleiche“, rischen Kulturverein gefolgt, in Stufe gehoben werden. Heidrun schrieb der in Algerien gebore- deren Verlauf auch die Ausstel- Tempel, Beauftragte des Aus- ne Schriftsteller Albert Camus lung „Lebenstraum Algerien“ wärtigen Amtes für den Dialog und meinte damit einen grenz- mit Bildern der deutsch-algeri- der Kulturen, erinnerte daran, überschreitenden mediterra- schen Künstlerin Bettina Hei- dass zeitgleich mit dem Nobel- nen Kulturraum, in dem sich nen-Ayech im Berliner Haus unterschiedliche Traditionen der FES eröffnet wurde. mischen und Neues entstehen Deutlich wurde in allen Beiträ- lassen. Zeitlebens hielt der No- gen die Aktualität Camus', der belpreisträger von 1957 an sei- bereits Mitte der 50er Jahre ei- nem Selbstbild als Algerien- ne „Kultur des Mittelmeers“ franzose fest. Ideologien, Fana- gefordert hatte. 1995, 35 Jahre tismus und Gewalt setzte er das nach Camus' Tod, nahm mit Prinzip des Maßes entgegen. der Euromediterranen Partner- „La pensée de midi“ – „mittel- schaft (Barcelona-Prozess) ein meerisches Denken“ - nannte umfassender regionaler Ansatz er dieses philosophisch-politi- europäischer Mittelmeerpolitik sche Konzept in seinem Essay Gestalt an. Damit wurde zu- „Der Mensch in der Revolte“. gleich die Idee eines gemeinsa- preis für Albert Camus im Jah- Über das „mittelmeer- ische Denken“ disku- Ausgehend von Biografie und men euromediterranen Kultur- re 1957 die Römischen Verträ- tierten: (v.l.n.r.) Maïssa Werk Camus' beschäftigte sich raumes aufgegriffen und Kul- ge die Grundlage für die euro- Bey, Catherine Robert, Radouane Belakhdar die FES am 20. Oktober mit ak- tur als wichtiger Bestandteil päische Einigung gelegt hatten. (Moderation) und Heidrun Tempel tuellen Aspekten der Kulturbe- internationaler Entwicklungs- „Auch heute müssen wir wie- (Foto: Zensen) ziehungen und Identitäten im zusammenarbeit erkannt. Mit der Grenzen überschreiten“, euromediterranen Raum. Rund der in diesem Jahr geschaffe- sagte Heidrun Tempel mit Blick 280 Gäste waren der Einladung nen Union für das Mittelmeer auf die südlichen Mittelmee- zu dieser Veranstaltung in Koo- soll nun die Euromediterrane ranrainer.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 50 INTERNATIONAL

DEUTSCH-RUSSISCHES BEKENNTNIS ZUM SOZIALSTAAT Vergleichbare Grundbedingungen

„Entweder hat der Sozialstaat Auswirkungen auf die Men- sprächskreises stand. Obwohl eine Zukunft oder die Mensch- schen zu mildern. Dies gilt um- in Russland in Gestalt der heit hat keine“, spitzte ein so mehr in Ländern wie FNPR der mitgliederstärkste deutscher Experte in Moskau Deutschland und Russland, in Gewerkschaftsbund Europas den Konsens zu, der sich im denen der Staat eine traditio- beheimatet ist, kann er einen deutsch-russischen Gesprächs- nell starke Bedeutung in der nennenswerten Einfluss auf die kreis zur Sozialpolitik gebildet Sozialpolitik hat und sich eben- Arbeitsbedingungen kaum gel- hatte. In Moskau trafen sich so großen Erwartungen seitens tend machen. Auch das an sich auf Einladung der FES zum seiner Bürger ausgesetzt sieht. sehr restriktive russische Ar- ersten Mal Experten, Politiker Von diesen vergleichbaren beitsrecht wird in der Realität und Praktiker aus Deutschland Grundbedingungen für die So- je nach Sichtweise sehr liberal und Russland, um gemeinsam zialpolitik ausgehend gibt es ausgelegt oder schlicht zu zö- Lösungsmöglichkeiten für so- dennoch erhebliche Unter- gerlich umgesetzt. Den deut- ziale Probleme in beiden Län- schiede in den Möglichkeiten schen Vertretern kamen die dern zu suchen. Russlands und Deutschlands, Klagen der Gewerkschaftsver- Besonders hohe Anforderungen auf Krisen zu reagieren. treter hinsichtlich ihrer Ein- an den Sozialstaat werden in Dies betrifft im besonderen Ma- flussmöglichkeiten durchaus Zeiten wirtschaftlicher Krisen ße die Arbeitsmarktpolitik, die bekannt vor. gestellt, wenn es gilt, deren im Mittelpunkt des ersten Ge-

ZENTRALEUROPÄISCHE EXPERTENKONFERENZ IN PRAG Keine Alternative zum Dialog mit Russland

Zweifellos hat der militärische der Dominanz der Sowjetunion Polen, der Slowakei, der Tsche- Konflikt zwischen Russland entkommen waren, aus alten chischen Republik und und Georgien Anfang August Ängsten neue werden lassen. Deutschland. das Verhältnis der Europäi- Ausgangspunkt einer FES-Ex- Auf dem politischen Podium schen Union zu Russland in ne- pertenkonferenz über die Be- wurde Deutschland durch den Die Fäden sind ge- knüpft: Dialogforen gativer Weise geprägt und ge- ziehungen Zentraleuropas zu Stellvertretenden Vorsitzenden sorgen für den Aus- rade in den Ländern, die vor Russland war die Beobachtung des Auswärtigen Ausschusses, tausch mit russischen Gesprächspartnern. nicht einmal zwanzig Jahren zunehmender Differenzen zwi- Hans-Ulrich Klose, vertreten; schen den EU-Mitgliedsstaaten Tschechien durch den sozialde- in ihrer Russland-Politik – und mokratischen Vorsitzenden des dies besonders zwischen den Außenpolitischen Komitees des zentraleuropäischen neuen Parlaments, Jan Hamacek, so- Mitgliedsstaaten und Deutsch- wie den ehemaligen Botschaf- land, dem eine zu große Nähe ter in Russland, Jaroslav Bašta. zu Russland unterstellt wird. Klose machte das deutsche In- Eingeladen zu dieser Konfe- teresse an einer Einbindung renz, die Ende September im Russlands deutlich, wies aber Außenministerium in Prag die Vorhaltung des „Appease- stattfand, waren Experten von ments“ zurück: Die Vorstellung Politikberatungsinstituten aus sei falsch, dass man Russland

FES INFO 4 / 2 0 0 8 51

isolieren könnte; das Interesse Die EU und Russland seien na- der Slowakei, während die pol- der EU liege in der größtmögli- türliche Partner mit gegenseiti- nische Position, sich als „Wett- chen Integration Russlands. Er gen Interessen; man könne und bewerber Russlands“ und äußerte sich aber auch kritisch dürfe Russland nicht isolieren. „Schutzmacht“ der Länder im zu den innenpolitischen Ent- Unter den Experten gab es gro- Zwischenraum zu sehen, Ver- wicklungen in Russland, den ße Übereinstimmung in der wunderung hervorrief. Massive nationalistischen Ausrichtun- Einschätzung der politischen Gegensätze zeigten sich in der gen mit überzogenem Selbstbe- Entwicklung in Russland und Energie- und Klimapolitik. Dif- wusstsein. Die von den USA seiner aggressiven, geostrate- ferenzen zeigten sich auch in und der Mehrheit der zentral- gisch ausgerichteten Außenpo- der Sicherheitspolitik: Russland europäischen EU-Staaten pro- litik – aber auch deutliche und wird als aggressive Militärmacht pagierte NATO-Erweiterung große Differenzen hinsichtlich und Bedrohung besonders der bewertete Klose als derzeit möglicher politischer Strate- baltischen Staaten oder der nicht in deutschem Interesse. gien. Größere Dialogbereit- Ukraine wahrgenommen und Ähnlich wie Klose plädierte schaft zeigten neben Deutsch- mit der US-Raketenabwehr auch Hamacek für einen Part- land auch die Vertreter aus der wird die Hoffnung auf Sicher- nerschaftsdialog mit Russland: Tschechischen Republik und heitszugewinn verbunden.

SÜDKAUKASUS: GESPRÄCHSRUNDE ZUM KONFLIKT UM NAGORNO-KARABACH Hoffnung auf eine friedliche Lösung wächst

Die armenische Enklave Nagor- Anerkennung von Südossetien armenischen Hauptstadt Eri- no-Karabach in Aserbaidschan und Abchasien durch Russland wan, um die Ergebnisse des bildet einen der gefährlichsten auch zu einer Anerkennung Gipfeltreffens zu diskutieren. Konfliktherde der Welt. Nach von Nagorno-Karabach führen Die Mehrzahl der NGO-Vertre- einem Krieg zwischen Armeni- könnte. Im November unter- ter begrüßte den russischen en und Aserbaidschan um die nahm die russische Regierung, Vermittlungsversuch und die Vorherrschaft in Karabach die bislang als Schutzmacht Ar- Ergebnisse des Gipfeltreffens herrscht seit 1994 eine brüchi- meniens auftrat, überraschend und sahen darin Anlass zur ge Waffenruhe zwischen beiden einen Vermittlungsversuch. Auf Hoffnung auf eine friedliche Staaten. Anfang des Jahres Einladung Russlands trafen Lösung des Konflikts. 2008 hat es die schlimmsten sich der armenische und der Zusammenstöße zwischen Ar- aserbaidschanische Präsident Russland menien und Aserbaidschan seit in Moskau zur Unterzeichnung 1994 gegeben. Auch der Krieg einer gemeinsamen Erklärung, Russland Kaspisches Meer zwischen Georgien und Russ- in der sich die Staatschefs auf

land um die beiden separatisti- eine friedliche Beilegung des Georgien Tiflis schen Regionen Südossetien Konflikts im Einklang mit dem und Abchasien im August hat Völkerrecht verpflichten. die Spannungen kurzzeitig er- Zwei Tage nach der Unter- Aserbaidschan höht. Auf armenischer Seite zeichnung dieser so genannten Armenien Baku

wurde befürchtet, dass Aser- „Moskauer Erklärung“ organi- Eriwan Nagorno-Karabach (Berg-Karabach) baidschan versuchen könnte, sierte das Südkaukasus-Büro Karabach in einer schnellen der FES in Zusammenarbeit militärischen Offensive zu er- mit dem International Centre obern. In Aserbaidschan wurde for Human Development (ICHD) wiederum befürchtet, dass die ein Rundtischgespräch in der (Grafik: PUBLIX)

4 / 2 0 0 8 INFO FES 52 INTERNATIONAL

Aserbaidschan: Öl für eine nachhaltige Sozialpolitik?

Aserbaidschan wird in den kommenden 15 Jah- Aserbaidschanischen Komitee für Europäische In- ren bis zu 400 Milliarden US-Dollar aus dem Öl- tegration ein neues Projekt zu Öleinnahmen und export erwirtschaften. Die Gewinne aus dem Öl- Sozialpolitik ins Leben gerufen. Ziel des Projektes export bieten dem Land die Chance, seine wirt- ist es, eine öffentliche Diskussion über die Ausga- schaftliche Entwicklung zu beschleunigen, die benpolitik der Regierung zu initiieren und Mög- Infrastruktur zu modernisieren und den noch im- lichkeiten aufzuzeigen, wie die Einnahmen zur mer niedrigen Lebensstandard seiner Bürger zu Finanzierung sozialpolitischer Maßnahmen ver- erhöhen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass den wendet werden können. Im Rahmen des Projek- Einnahmen aus dem Ölgeschäft eine transparen- tes werden zunächst zwei Studien angefertigt, in te und ausgewogene Ausgabenpolitik der Regie- denen die bisherige Ausgabenpolitik der Regie- rung gegenübersteht. Dies ist derzeit nicht der rung kritisch bilanziert wird. Anschließend wer- Fall. Über die Verteilung der Öleinnahmen gibt es den in vier Expertengruppen verschiedene sozi- keine ausreichende öffentliche Debatte, die Kon- alpolitische Problemfelder beleuchtet und Strate- trollmöglichkeiten von Parlament, Opposition und gien und Finanzierungsmodelle für eine neue Zivilgesellschaft sind gering. Vor diesem Hinter- Sozialpolitik erarbeitet. grund hat die FES in Zusammenarbeit mit dem

Zeitzeuge der Ostpolitik

Erhard Eppler in den Räumen der Prager Karls- durch Annäherung“ durchaus auf Systemwandel Universität als Zeitzeugen hören zu können, war zielten. In Beiträgen von Diskussionsteilnehmern für die Teilnehmer einer internationalen Histori- wurde deutlich, dass dies auch von Vertretern des kerkonferenz vom „Prager Frühlings“ so gesehen wurde: So unter- 12. bis 15. Oktober strich František Cerny, ehemaliger tschechischer ein großes Erlebnis. Botschafter in Deutschland, dass es sich dabei um Eppler war 1968 im eine Bewegung gehandelt habe, die tief in der Be- Auftrag von Willy völkerung verankert war und sich für Demokra- Brandt und des da- tie, Freiheit, Öffnung nach innen und außen und maligen Fraktions- für eine neue Wirtschaftspolitik stark machte. vorsitzenden Helmut Der tschechische sozialdemokratische Europaab- Schmidt wiederholt geordnete Libor Roucek (im Bild rechts) zog eine nach Prag gekom- Linie zu aktuellen außenpolitischen Problemstel- men. Er machte im lungen wie dem Russland-Georgien-Konflikt oder Gespräch mit den historischen Experten klar, dass dem Verhältnis zum Iran und machte deutlich, Brandt und andere mit der Ostpolitik nicht nur dass das Prinzip „Wandel durch Annäherung“ „friedliche Koexistenz“ oder „Friedenspolitik“ auch heute noch praktische Relevanz besitze. verbanden, sondern mit dem Prinzip „Wandel

Weißrusslands Ex-Staatschef berichtet

In Weißrussland, das seit 1991 unabhängig ist, hat Schuschkewitsch konstatierte, dass der Westen kei- es seit 1996 keine freien Wahlen mehr gegeben. Das ne einheitliche Haltung gegenüber Weißrussland letzte demokratisch gewählte Parlament ist 1997 einnehme und von daher zu wenig Druck aufgebaut aufgelöst worden, so Stanislau Schuschkewitsch, werde. Das Land befinde sich in einer Diktatur. Seit erster Parlamentspräsident und Staatschef Weiß- 1996 gebe es keine Meinungsfreiheit und keine russlands nach der Unabhängigkeit am 3. Novem- Menschenrechte. Mit russischer Unterstützung hal- ber bei einer Podiumsveranstaltung in Leipzig. te sich das Regime unter Lukaschenko am Leben.

FES INFO 4 / 2 0 0 8 53

KONFERENZ SÜDOSTEUROPÄISCHER PARLAMENTARIER Mangelnder Wille zur Kooperation

„Keiner sollte auf den Anderen statt. Im Mittelpunkt standen gering“, stellte die Politikbera- zeigen und sagen, er hätte sei- die Rolle der Parlamente in terin Petra Bläss fest, die im ne Hausaufgaben nicht ge- Südosteuropa, die Frage der Auftrag der FES die Situation macht – wir müssen uns alle Beitrittsverhandlungen mit der der Volksvertretungen in Süd- fragen, warum wir mit Reform, EU und die Intensivierung der osteuropa analysiert. Die Parla- Integration und Erweiterung regionalen Kooperation. Aber mentarier in der Region klag- der EU nicht schon weiter sind die von der EU geforderte Zu- ten über ihr schlechtes Image – das gilt für die Länder in Süd- sammenarbeit zwischen den in der Öffentlichkeit, wo sie osteuropa ebenso wie für die Parlamenten funktioniert weit- nicht selten unter dem Gene- Mitgliedsländer der Europäi- aus weniger effizient als er- ralverdacht der Korruption ste- schen Union“, resümierte einer wünscht. Es fehle einfach der hen. Hidajet Biscevic, der Ge- der Parlamentarier zu Beginn politische Wille und die Ein- neralsekretär des Regionalen der Konferenz. Südosteuropa sicht, dass die Parlamente vom Kooperationsrates, mahnte in am Scheideweg zwischen Ei- regionalen Austausch profitie- Dubrovnik: „Wenn die Politiker gendynamik und Fremdbestim- ren, meinte Vladimir Dancev, auf dem Balkan nicht erken- mung – unter diesem Motto der in Sofia das „Regionale nen, dass sie ihre wirtschaftli- fand in Cavtat bei Dubrovnik Sekretariat für parlamentari- chen und sozialen Probleme lö- vom 2. bis 5. Oktober auf Initia- sche Zusammenarbeit in Süd- sen müssen, statt die Lösungen tive des Auswärtigen Amtes osteuropa“ leitet. politischer Fragen vorzuschie- und der FES die 10. Internatio- „Die Kontrollfunktion der Par- ben, dann läuft ihnen die Zeit nale Parlamentarierkonferenz lamente ist immer noch viel zu davon.“

DIALOGFORUM DER FES IN SARAJEVO Bosnien und Herzegowina: Gescheiterte Ehe?

Um darüber zu beraten, wie aber jeder sein eigenes Leben tiker auf, die hohen Lohnneben- Bosnien und Herzegowina stär- führe. Den überwiegend eth- kosten zu senken, für die Ein- ker als bisher von innen heraus nisch orientierten politischen dämmung der Schwarzarbeit als stabiler Staat aufgebaut Parteien stellte der Politologe zu sorgen und sich für mehr werden kann, waren am 12. Sacir Filandra ein schlechtes Einkommensgerechtigkeit zwi- November über 150 einflussrei- Zeugnis aus, da sie mehrheit- schen Öffentlichem Dienst und che Personen aus allen Teilen lich Bündnisse mit religiösen Privatsektor einzusetzen. des multiethnischen Landes ei- Akteuren eingegangen seien Darüber hinaus appellierten die ner Einladung der FES gefolgt. und deshalb religiösen Über- bosnischen Experten an die po- Der Politologe Slavo Kukic wies zeugungen Vorrang vor der litischen Verantwortlichen, sich auf die Notwendigkeit hin, die Aussöhnung der Volksgruppen entschiedener für die Stärkung faktische Teilung des Landes eingeräumt hätten. Sowohl von nationaler Strukturen und Insti- nach ethnischen Prinzipien zu der Gewerkschafts- als auch tutionen einzusetzen, um so die überwinden. Die jetzige Situati- von der Arbeitgeberseite wurde Eingliederung des Landes in eu- on der verschiedenen Volks- beklagt, dass im Friedensver- ropäische Strukturen zu er- gruppen des Landes könne als trag von Dayton soziale Min- leichtern. Alle Redebeiträge lie- „gescheiterte Ehe“ bezeichnet deststandards nur unzurei- ßen erkennen, dass der herr- werden, in der die Partner zwar chend berücksichtigt wurden. schenden Elite kein wirklicher unter einem Dach wohnen, Beide Seiten forderten die Poli- Reformwille zugetraut wird.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 54 INTERNATIONAL

BULGARIEN Kampfansage an die Korruption

Als eine der Ursachen für die Konferenz in Sofia über „Miss- sagte die bulgarische Justizmi-

Miklos Marschall, Di- Korruption in Bulgarien sieht bräuche beim Management der nisterin Miglena Tacheva. Kor- rektor für Europa und die stellvertretende Minister- EU-Fonds in Bulgarien“ identi- ruption gäbe es überall in der Zentralasien beim Sek- retariat von Transpa- präsidentin Bulgariens Megle- fizierte Miklos Marschall vom EU, Bulgarien sei nicht das ein- rency International in Berlin, und die stellver- na Plugtschieva die niedrigen Transparency International zige Land, das darunter leide, tretende Ministerpräsi- Gehälter im öffentlichen Sektor. Sekretariat in Berlin die in- meinte der Abteilungsleiter im dentin Meglena Plugt- schieva Während einer internationalen transparente Parteienfinanzie- Europäischen Amt für Betrugs- rung als ein weiteres wesentli- bekämpfung, Wolfgang Hetzer. ches Problem. Zu den vorgeschlagenen Pro- An der von der FES organisier- jekten der Korruptionsbekämp- ten Konferenz am 24. Septem- fung zählte u. a. die Einführung ber nahmen bulgarische Minis- von elektronischen Ausschrei- ter und Abgeordnete, Vertreter bungen für alle staatlichen Auf- der Zivilgesellschaft, Diploma- träge. Die Vertreter der Exeku- ten und internationale Gäste tive Bulgariens erklärten sich teil. Der Kampf gegen die Kor- bereit, bei der Umsetzung mit- ruption bedarf der vereinten zuwirken und die Zivilgesell- Kräfte der ganzen Gesellschaft, schaft einzubeziehen.

KONFERENZ IN PRAG ÜBER „PREKÄRE ARBEIT“ Gegen Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit

Ob sich flexible Arbeitsformen pflichteten sich die Gewerk- und Leiharbeiter als Gewerk- wie Zeit- oder Leiharbeit zu fai- schaften in einer Resolution, schaftsmitglieder zu gewinnen, ren und sozialen Bedingungen gemeinsam gegen Lohndum- um eine Spaltung der Arbeit- gestalten lassen, wollten Ver- ping durch den Missbrauch von nehmerschaft zu verhindern. treter der Metallergewerk- Zeit- und Leiharbeit und für fai- Auf der Konferenz wurde auch schaften aus Deutschland, Ös- re Arbeitsbedingungen sowohl beschlossen, die grenzüber- terreich, Slowenien, Ungarn, auf nationaler als auch auf eu- schreitende Zusammenarbeit Tschechien und der Slowakei ropäischer Ebene einzutreten. zwischen Gewerkschaften und auf einer von der FES unter- Die Gewerkschaften wollen betrieblichen Interessenvertre- stützten Konferenz im Oktober künftig verstärkt versuchen, tungen in Zeit- und Leiharbeits- in Prag herausfinden. prekär Beschäftigte wie Zeit- firmen zu vertiefen. Die Metall- und Elektroindust- + + + FE S + + + K UR Z GE FA SST + + + FES + + + rie gehört auch in den mittel- osteuropäischen Ländern zu + + + Das Auditorium der Mário-Soares-Stiftung war zu klein, um den intensivsten Nutzern von die große Zahl von Interessenten an der Konferenz über „Die Zu- Zeit- und Leiharbeit. Dabei kunft Europas“ zu fassen, die am 22. September in Lissabon statt- wird auch hier Zeit- oder Leih- fand. Die Veranstaltung wurde von der Vorsitzenden der FES Anke arbeit immer öfter eingesetzt, Fuchs und den Präsidenten der beiden beteiligten portugiesischen um Dauerarbeitsplätze in unsi- Stiftungen, Mário Soares (Mário-Soares-Stiftung) und António Vito- chere, schlecht bezahlte Be- rino (Res Publica) eröffnet. Die schäftigungen umzuwandeln. Hauptreferate hielten die Bera- Anlässlich der Konferenz ver- terin des portugiesischen Pre- mierministers, Maria João Rod- rigues, und der portugiesische

FES INFO 4 / 2 0 0 8 Verteidigungsminister, Nuno Se- veriano Teixeira. + + + 55

Irak 40.000 Beobachter für die Regionalwahlen

IMM ER WIE DER S EH EN S ICH D IE BÜ RGERI NN EN U ND BÜRGER DES IRA K mit neuen politischen Entwicklungen konfrontiert. So auch Ende Januar 2009, wenn zum zweiten Mal nach dem Irak-Krieg von 2003 Wahlen auf regionaler Ebene im Zweistromland abgehalten werden.

Anders nämlich als im Januar 2005, als die Wähler zuletzt ih- re Stimme abgeben konnten, werden diesmal vermutlich alle relevanten politischen Kräfte an der Abstimmung teilnehmen. In vielen Provinzen stellen erst- mals auch die Sunniten ihre Kandidaten zur Wahl. Verschie- dene Netzwerke von Nichtregie- rungsorganisationen sind seit Monaten damit beschäftigt, mehrere zehntausend Beobach- gistrierung neuer Wähler kri- Eine jordanische Organisation ter auf die Regionalwahlen vor- tisch beobachtet hatten. Darü- bildet weitere 20.000 Wahlbe- zubereiten. Dazu zählt auch das ber hinaus hatten ebenfalls obachter aus, so dass insgesamt „Iraqi Democratic Future Net- von IDFN ausgebildete Exper- 40.000 irakische Beobachter work“ (IDFN), dem insgesamt ten die Rolle der Medien analy- den Wahltag in den rund zwölf zivilgesellschaftliche siert. 30.000 Wahllokalen verfolgen Gruppen angehören. Mit Finan- Insgesamt organisiert IDFN werden. Die große Zahl einhei- zierung durch die Vereinten Na- mehr als 800 Trainingswork- mischer Beobachter ist umso tionen unterstützt die FES das shops, um die künftigen Beob- wichtiger, als wegen der nach Netzwerk seit November dabei, achter auf ihre Aufgabe vorzu- wie vor angespannten Sicher- erneut 10.000 Wahlbeobachter bereiten. Bisher fällt das Urteil heitslage erneut nur sehr weni- auszubilden. Im Frühjahr wa- der Wahlbeobachter insgesamt ge ausländische Wahlbeobach- ren bereits die ersten 10.000 positiv aus, die Arbeit der iraki- ter am 31. Januar im Land un- Beobachter trainiert worden, schen Wahlkommission wird terwegs sein werden. die im Juli und August die Re- überwiegend gelobt.

FES-EXPERTENTREFFEN „IRANISCH-ARABISCHE BEZIEHUNGEN“ Schritte zum Dialog

Wo liegen die Möglichkeiten zu mit der Arabischen Liga 25 Ex- hafte deutsche Teilnehmer wie mehr Kooperation zwischen perten führender arabischer Prof. Dr. Udo Steinbach, Phil- Iran und seinen arabischen Think Tanks und Forschungsin- lips-Universität Marburg, und Nachbarn? Unter dieser Frage- stitute sowie internationale Dr. Johannes Reissner, SWP stellung lud das Ägypten-Büro Gäste aus dem Irak, Jordanien Berlin, nach Kairo ein. Wäh- der FES in Zusammenarbeit und der Golf-Region und nam- rend eines zweitägigen Forums

4 / 2 0 0 8 INFO FES 56 INTERNATIONAL

Mitte November, an dem auch freie Zone zu etablieren, steht schenswert erachtet. Besonders zwei Vertreter der Iranischen die iranische Urananreicherung die europäischen Teilnehmer Botschaft in Kairo teilnahmen, entgegen. Auch die Unterstüt- wiesen mit Nachdruck auf die wurde das Thema aus einer zung irakischer Schiiten und Notwendigkeit eines regionalen arabisch-europäischen Per- radikaler islamistischer Bewe- Sicherheitssystems hin. Als spektive beleuchtet. gungen im Libanon und Palästi- größter Erfolg dieser Experten- Seit der iranischen Revolution na seitens Irans wird als massi- runde wurde die signalisierte 1979 und ihrem Expansions- ver Eingriff in die arabische In- iranische Bereitschaft bewertet, aufruf für die gesamte islami- teressensphäre wahrgenommen. an weiteren Treffen dieser Art sche Welt sind die politischen Dennoch, und besonders ange- teilzunehmen. Der Stabschef Beziehungen zwischen Iran und sichts der Tatsache, dass sich des Generalsekretärs der Ara- seinen arabischen Nachbarn die iranische Außenpolitik in bischen Liga, Hesham Yousef, angespannt. Trotz historischer, den letzten Jahren zusehend bekräftigte in seiner Abschluss- kultureller und religiöser Ver- als pragmatischer versteht, rede die Wichtigkeit eines Dia- bindungen gibt es entscheiden- wird die Etablierung eines aus- logs zwischen Iran und den de Differenzen. Dem erklärten balancierten, organisierten und arabischen Staaten und dessen Ziel arabischer Staaten, eine strategischen Dialogs unter Bedeutung für eine stabile Zu- von Massenvernichtungswaffen Einbeziehung Irans als wün- kunft der Region.

SYMPOSIUM: „IRAN, ISRAEL AND THE ARAB WORLD“ Verzerrte Wahrnehmungen?

Bereits eine erste Konferenz iranische Bevölkerung im re- weitgehend verbreitete negati- der FES-Israel hatte gezeigt, gionalen Vergleich nach Israel ve Haltung der meisten Iraner dass die iranische Gesellschaft über die meisten Internetzu- gegenüber dem Staat Israel in der israelischen Öffentlich- gänge verfügt und dass vor al- führte Cohen nicht auf Fakto- keit kaum differenziert wahr- lem die junge iranische Gene- ren wie Antisemitismus oder genommen wird, sondern vor ration aktiv und frei von Zenso- unterschiedliche religiöse allem Assoziationen der Bedro- ren in Online-Foren und Bloggs Standpunkte zurück, sondern hung hervorruft. Aber welche politisch kommuniziert. Außer- auf die politisch-nationale Ein- Ziele und Wünsche verfolgen dem wies er darauf hin, dass stellung der iranischen Mehr- vor allem junge Iraner tatsäch- der Bildungsgrad der irani- heit, welche Israel vor allem im lich, identifizieren sie sich schen Gesellschaft verglichen Kontext mit dem israelisch-pa- überhaupt mit ihrer Regierung mit arabischen Ländern über- lästinensischen Konflikt wahr- und welches Bild haben sie durchschnittlich hoch sei. Die nimmt. vom Staat Israel? Diese Fragen sollten zwei Forschungsarbei- + + + F ES + + + K UR Z GE FASST + + + FES + + + ten beantworten, mit deren Er- stellung die beiden renommier- + + + In Hebron, der Stadt, in der es immer wieder zu Auseinan- ten Wissenschaftlern Dr. Uzi dersetzungen zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern Rabi und Dr. Ronen A. Cohen kommt, ließ sich Dr. Rolf Mützenich, MdB und Mitglied im Auswär- beauftragt worden waren. Die tigen Ausschuss, von Vertretern der Temporary International Pre- Ergebnisse der beiden Paper sence (TIPH) über die aktuelle Lage informieren. Mützenich war wurde am 25. September auf auf Einladung der FES in die Palästinensischen Gebiete gekommen einem Symposium im Netanya und traf mit ranghohen Ver- Academic College vorgestellt. tretern der Fatah, der Paläs- Cohen stellte in seinem Beitrag tinensischen Autonomiebe- unter anderem fest, dass die hörde und weiteren wichti- gen Partnern der FES zusammen. + + +

FES INFO 4 / 2 0 0 8 57 HINTER DEN KULISSEN: AUSLANDSBÜROS STELLEN SICH VOR

DAS FES-BÜRO ISRAEL Sensibilität und Fingerspitzengefühl

Für das FES-Büro in Israel hat zen durch den Aufbau von Be- ne intensive und für alle Seiten das Jahr 2008 zwei Jubiläen ratungsnetzwerken. Eine ande- sehr emotionale Diskussion. gebracht: Der Staat Israel feier- re Arbeitslinie widmet sich der Nach den Assoziationen ge- te den 60. Jahrestag seiner Stärkung der israelischen Zivil- fragt, die sie mit Deutschland Gründung und die Vertretung gesellschaft. Wichtige Partner verbinden, gaben die israeli- der Friedrich-Ebert-Stiftung sind hier Organisationen der schen Jugendlichen überein- konnte auf ihr 30-jähriges Be- palästinensisch-arabischen stehen zurückblicken. Minderheit, die inzwischen be- Als die FES 1978 als erste deut- reits mehr als 20 % der 7,3 Mio. sche politische Stiftung ein Bü- Einwohner des Landes umfasst. ro in Tel Aviv eröffnete, waren Auch mit Vertretern der jüdi- die Reaktionen in der israeli- schen Immigranten aus der schen Öffentlichkeit sehr kont- ehemaligen Sowjetunion arbei- rovers. Aufgrund der furchtba- tet die FES zusammen. Wich- ren Erfahrungen des jüdischen tigster Partner bei der Förde- Volkes mit den Deutschen lehn- rung des sozialen Dialogs ist ten viele deutsches Engage- die Histadrut, aber auch mit ment in ihrem Land grundsätz- dem israelischen Arbeitgeber- lich ab. Infolgedessen agierten verband und mit Arbeitsgerich- die Mitarbeiter der ersten Stun- ten gibt es gemeinsame Aktivi- de teilweise anonym und stets täten. Trotz der inzwischen diskret. Die Arbeit beschränkte vertrauensvollen Kooperatio- sich auf die Kooperation mit nen mit einem sehr breiten der Arbeitspartei und mit dem Spektrum von Partnern aus stimmend an, dass für sie das Nicht nur lässig und leger: Das Team der Gewerkschaftsdachverband Politik, Wirtschaft, Zivilgesell- historische Erbe eindeutig im FES in Israel Histadrut. schaft, Medien und Forschung Vordergrund steht. So schwingt Im Jahre 2008 hat sich das Bild ist nach wie vor ein hohes Maß bei Begegnungen mit älteren deutlich gewandelt. Die Aktivi- an Sensibilität und Fingerspit- Deutschen immer die Frage täten der Stiftung sind längst zengefühl notwendig. mit: „War dieser Mensch viel- nicht mehr auf den deutsch-is- Herzliya, eine Stadt etwa zehn leicht an der Ermordung von raelischen Dialog beschränkt. Kilometer nördlich von Tel Aviv Juden beteiligt?“ Gleichzeitig Die Begleitung des Friedensdia- und heute das Herz der über- berichteten sie aber auch von logs zwischen Israel und seinen aus dynamischen israelischen den positiven Erlebnissen wäh- arabischen Nachbarn ist zu ei- Hightechindustrie, beherbergt rend ihrer Besuche im heutigen nem wichtigen Arbeitsbereich das FES-Büro mit seinen sechs Deutschland. Die Beziehung zu geworden. Mit ihrem regiona- festen Mitarbeiter/innen und Deutschland könnte heute als len Netzwerk und ihren vielfäl- stets zwei bis drei Praktikant/- freundschaftlich definiert wer- tigen Kontakten kann die FES innen. den, erklärt eine Teilnehmerin, unter schwierigen politischen Hier diskutierten z.B. Vertreter allerdings werde es sich auch Rahmenbedingungen eine Mitt- der Deutsch-Israelischen und in Zukunft immer um eine „be- lerrolle im Friedensprozess der Schweizerisch-Israelischen sondere Freundschaft“ han- spielen. Ein weiterer Schwer- Gesellschaft sowie junge Israe- deln, denn die deutsche Verant- punkt der Arbeit ist die Stär- lis u. a. über die Wahrnehmung wortung für eines der größten kung und Weiterentwicklung der deutsch-israelischen Bezie- Verbrechen der Menschheit israelisch-europäischer Allian- hungen. Es entwickelte sich ei- werde nie enden.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 58 INTERNATIONAL

FACHKONFERENZ DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG Bildungspolitik in Israel

Das Fundament der Erfolgsge- ehemaliger Schuldirektor und stellung von einem „Schmelz- schichte Israels – die Integrati- Fellow am Mandel Leadership tiegel“ nicht verwirklicht wer- on eines hohen Anteils von Im- Institute, sieht das israelische den konnte. migranten durch Bildungspoli- Schulwesen gegenwärtig an ei- In Israel wird der akademi- tik – wurde am 13. November ner Wegscheide. Im Gegensatz schen Ausbildung traditionell bei einer Fachkonferenz in Ko- zu dem „zionistischen Narra- ein hoher Stellenwert zuge- operation mit der Deutsch-Is- tiv“, das lange Zeit die israeli- schrieben. Die Zahl der Studie- raelischen Gesellschaft (DIG) sche Gesellschaft und das Bil- renden in Israel hat sich in den und der Hebrew University of dungssystem dominierte und vergangenen 60 Jahren ver- Jerusalem diskutiert. Prof. Ta- das der Umsetzung der Idee ei- hundertfacht. In einer zweiten mar Ariav vom Beit Berl Aca- nes „Schmelztiegels“ diente, Diskussionsrunde standen des- demic College, der größten au- würde gegenwärtig ein „Kampf halb Fragen nach dem Hoch- ßeruniversitären Bildungsein- der Narrative“ stattfinden. Die- schulsystem und seiner Finan- richtung Israels, wies darauf se Auseinandersetzung beruhe zierung sowie der Integration hin, dass die israelische Gesell- auf einem sich immer weiter der arabischen Minderheit im schaft eher auf dem Grundsatz ausdifferenzierenden System, Vordergrund. Die Referenten der Diversität durch Bildung das sich vom staatlichen Schul- äußerten ihre Erwartungen an als auf einem Ansatz der Integ- system entkoppelt. Deutlich die neue israelische Regierung, ration beruhe. Er machte auch wird dies an der Zunahme pri- die am 10. Februar 2009 ge- darauf aufmerksam, dass die vater Schulen, an getrennten wählt werden wird. Angemahnt Wertschätzung für Lehrer rapi- Bildungssystemen für säkulare wurden in der schulischen Bil- de sinke. Damit sinken auch die und religiöse Juden und der dung dringend nötige Refor- Anreize, Lehrer zu werden. Forderung der arabischen Min- men und eine Erhöhung des Gleichzeitig seien Privatisie- derheit nach Anerkennung ih- Budgets für die öffentlichen rungstendenzen im Bildungsbe- res Geschichtsbildes. Kizel Universitäten. reich festzustellen. Arie Kizel, machte deutlich, dass die Vor- + + + F E S + + + K U R Z GEFA SST + + + FES + + + KURZ GEFASS T + + + FES + + +

+ + + Die Bilanz der amerikanisch-europäi- + + + Die Situation der etwa 400.000 palästinen- schen Zusammenarbeit im Nahost-Friedenspro- sischen Flüchtlinge im Libanon stand im Mittel- zess in den letzten Jahren ist ernüchternd. Ziel ei- punkt einer Konferenz, die die FES am 5. Novem- nes Fachgesprächs mit Daniel Levy, Direktor der ber in Beirut gemeinsam mit der „Federation of Prospects for Peace Initiative of the Century Foun- Workers Liberation Front“ und der „Palestine Ge- dation sowie der Middle East Initiative of the New neral Federation of Trade Unions“ veranstaltete. In America Foundation, am 15. Oktober war es da- der libanesischen Gesellschaft ist umstritten, ob her, die Erfordernisse für eine erfolgreiche Be- den seit über 60 Jahren dort lebenden Palästinen- gleitung des Friedensprozesses zu diskutieren. sern mehr Rechte zugestanden werden sollten. Bri- Daniel Levy war Verhandlungsführer des Genfer sanz erhält die Debatte vor dem Hintergrund der Abkommens von 2003. Zuvor war er Mitglied des Frage nach dem zukünftigen Verbleib der palästi- israelischen Verhandlungsteams in Taba und als nensischen Flüchtlinge bei einer Einigung im israe- Berater für Jerusalem-Angelegenheiten im Büro lisch-palästinensischen Konflikt. Die Friedensini- des Ministerpräsidenten Barak tätig. In seinem tiative, die von der Arabischen Liga 2002 verab- Vortrag betonte er die Notwendigkeit eines um- schiedet wurde, bietet eine „gerechte Lösung der fassenden regionalen Ansatzes als unabdingbare Flüchtlingsfrage“ an. Dies könnte eine Einbürge- Voraussetzung für einen Erfolg. + + + rung im jeweiligen Gastland beinhalten. + + +

FES INFO 4 / 2 0 0 8 59

DEUTSCH-EUROPÄISCH-SYRISCHER DIALOG Wille zum Wandel

Durch seine geopolitische Lage schwerlich Schritt halten kön- genseitigen Respekts statt, in und sein historisches Selbstver- nen. Auf dem jüngsten Kongress der auch Kritik an der Verur- ständnis spielt Syrien in der der regierenden Baath-Partei teilung von Bürgerrechtlern Nahost-Region eine bedeutende wurde mit dem Programm der Raum fand. Rolle. Gemeinsame Grenzen Sozialen Marktwirtschaft ein Mit dem Assoziierungsabkom- mit der Türkei, Irak und Jorda- wirtschaftlicher Reformkurs men zwischen der EU und Syri- nien lässt die Regierung den eingeleitet. en, das noch immer der Unter- Blick in den Mittleren Osten Vor diesem Hintergrund trafen zeichnung harrt, besitzt die EU und die Golfregion richten. Die auf Einladung der FES vom 31. ein Instrument, um den Re- Ölressourcen gehen zur Neige, Oktober bis 2. November in Da- formprozess aktiv zu unterstüt- während die Bevölkerung maskus syrische, deutsche und zen, betonte Véronique de Key- wächst und viele Jugendliche europäische Entscheidungsträ- ser, Mitglied des Europaparla- auf den Arbeitsmarkt drängen. ger und Experten zusammen, ments. Vize-Premierminister Das Regime stellt unterdessen um über die Perspektiven des Abdullah Al Dardari unter- noch sozialistische Fünfjahres- Reformprozesses in Syrien zu strich den Willen Syriens zum pläne auf, die mit dem raschen diskutieren. Die Diskussion Wandel. wirtschaftlichen Wandel fand in einer Atmosphäre ge-

GEMEINSAME TAGUNG MIT DER STIFTUNG WISSENSCHAFT UND POLITIK Neues Libyen?

Hat Libyen seit dem Ende des Dr. Isabelle Werenfels von der rungswachs- UN-Embargos 2003 eine ent- Stiftung Wissenschaft und Poli- tum stellt scheidende Kehrtwende vollzo- tik am 11. November nach. die Rentenö- gen? Geht die außenpolitische Werenfels diagnostizierte eine konomie des und vor allem ökonomische Unzufriedenheit in der liby- Landes vor Öffnung des Landes auch mit schen Gesellschaft mit dem Le- große He- innenpolitischen Reformen ein- bensstandard, dem Gesund- rausforde- her? Diesen Fragen gingen Dr. heits- und Bildungssystem und rungen. Der Jamal Ali El-Barag, Botschafter der weit verbreiteten Korrupti- Notwendig- der Libysch-Arabischen Dscha- on. Die sinkende Ölförderung keit des mahirija in Deutschland und bei gleichzeitigem Bevölke- wirtschaftli- chen und politischen Wandels Gefragt nach Libyens + + + F E S + + + K U RZ GEFA SS T + + + FE S + + + Außenbeziehungen be- scheinen sich Teile der liby- tonte der Botschafter + + + Seit 20 Jahren setzt sich die FES in Tunesien für die Moder- schen Elite, u. a. repräsentiert insbesondere die Be- deutung der EU, zu nisierung der Gewerkschaften, die Stärkung der Zivilgesellschaft durch den Ghaddafi-Sohn Saif der er sich engere Be- ziehungen als bisher und die Entwicklung des gesellschaftspolitischen Dialogs ein. Die Islam, durchaus bewusst, so ih- wünscht. (Foto: Zensen) Modernisierung der Bildungsarbeit des Gewerkschaftsdachverban- re Einschätzung. des UGTT, der Aufbau des maghrebinischen Sozialforums als kol- Der Botschafter stimmte der lektive Ausdrucksform der organisierten Zivilgesellschaft und die Analyse in großen Teilen zu, Entstehung neuer Dialogplattformen wie das Forum International sah die Probleme aber vor al- der Wochenzeitschrift Réalités sind nur einige Beispiele für die blei- lem im jahrelangen Embargo bende Wirkung der FES-Aktivitäten. Grund genug für Staatsminis- begründet, welches Libyen weit ter Günter Gloser, die FES am 17. November während eines Emp- zurückgeworfen habe. fangs in Tunis zu beglückwünschen und dabei die Rolle der Zivilge- sellschaft für eine freiheitliche und demokratische Entwicklung zu

betonen. + + + 4 / 2 0 0 8 INFO FES 60 INTERNATIONAL

SICHERHEITSDIALOG AM HORN VON AFRIKA Jenseits verhärteter Fronten

Seit Jahrzehnten gehört das ten zwischen Äthiopien und dungsprozesse dringende Auf- Horn von Afrika zu den kon- Eritrea geben Anlass für einen gaben. Auch eine faire Ver- fliktträchtigsten Regionen auf regionalen Stellvertreterkrieg handlung der Nutzung des Nil- dem afrikanischen Kontinent. in dem gescheiterten Nachbar- Wassers ist ein überlebens- staat Somalia. wichtiges Thema für die zehn Gleichzeitig zö- Anrainer-Staaten und kann nur gern die Vereinten regional geregelt werden. Nationen, einzu- Die Büros der FES im Sudan, in greifen, um ein Äthiopien und Ägypten haben fragiles Friedens- es sich zur Aufgabe gemacht, abkommen zu der sicherheitspolitischen Dis- stützen. Die 2.500 kussion in der Region eine Mann starke Mis- Plattform zu geben – in Form sion der Afrikani- eines jährlichen Expertentref- schen Union ist fens, das Ende Oktober bereits hoffnungslos un- zum vierten Mal in Kairo statt- terbesetzt. Auch fand. Dieser so genannte „Kai- andere Herausfor- ro-Dialog“ hat sich mittlerweile Die Kriegsfraktionen im immer derungen prägen die Staaten zu einem etablierten Ereignis weiter zerfallenden Somalia des Horns: In Kenia, Sudan und entwickelt, das für seine offene bedrohen zunehmend den in- Äthiopien sind die gerechte In- und gleichzeitig vertrauliche ternationalen Schiffsverkehr im tegration verschiedener sozia- Diskussion – jenseits der ver- Golf von Aden. Nach wie vor ler Gruppen in staatliche Struk- härteten heimatlichen Fronten nicht gelöste Grenzstreitigkei- turen und politische Entschei- – geschätzt wird.

WESTAFRIKANISCHE SICHERHEITSEXPERTEN IN GENF Ohne Sicherheit keine Entwicklung Was ist „umfassende Sicher- chen Fällen „der Präsident nicht durchgeführt. In dessen Verlauf heitspolitik“? Parlamentarier, weiß, was sein Generalstabs- wurde auch klar, warum eine Journalisten, akademische Ex- chef macht“ – vor allem beim umfassende Sicherheitspolitik perten und Vertreter von Nicht- Waffenkauf, wo oftmals Korrup- in Afrika auch im Interesse Eu- regierungsorganisationen aus tion im Spiel ist. Das Genfer ropas liegt: Wo es keine Sicher- Westafrika waren vom 18. bis Programm diente in erster Linie heit gibt, gibt es auch keine Ent- 21. November in Genf und wur- dazu, das Bewusstsein für die wicklung – ein Teufelskreis, der den von den dort ansässigen si- „Einmischung“ von Parlamen- den Migrationsdruck von Millio- cherheitspolitischen Institutio- ten, Medien und der Zivilgesell- nen arbeitsloser junger Men- nen über die verschiedenen schaft in die Strukturen und Ab- schen verstärkt. Während einer Aspekte von Sicherheit unter- läufe bei Armee, Polizei und Ge- Podiumsdiskussion zeigte sich richtet. Gerade die demokrati- heimdiensten zu stärken. Das der frühere UN-Untergeneral- sche Kontrolle von Sicherheits- Programm wurde gemeinsam sekretär, Alvaro de Soto, relativ kräften ist in vielen westafrika- vom Genfer FES-Büro, dem re- pessimistisch, was die Konflikt- nischen Ländern ein großes gionalen FES-Sicherheitsprojekt lösungskapazitäten der interna- Problem, wo nach den Worten Westafrika und dem Genfer tionalen Gemeinschaft anbe- eines Genfer Experten in man- Zentrum für Sicherheitspolitik langt.

FES INFO 4 / 2 0 0 8 61

NIGERIA Die Zukunft deutsch-nigerianischer Beziehungen

Nigerias Hauptstadt Abuja stand Auftakt zur Woche der deutsch- im November 2008 ganz im Zei- nigerianischen Beziehungen ge- chen der deutsch-nigerianischen geben. Wissenschaftler und Po- Beziehungen. Vom 7. bis 9. No- litiker aus beiden Ländern emp- vember fand dort das vierte Af- fahlen auf der Konferenz, den rika-Forum im Rahmen der Ini- politischen Dialog beider Länder tiative „Partnerschaft mit Afri- vor allem in den Bereichen Re- ka“ von Bundespräsident Horst form globaler Institutionen, Si- Köhler statt. Wenige Tage zuvor cherheit und Frieden, Energie hatte das Nigeria-Büro der FES und Klimapolitik sowie der För- gemeinsam mit dem nigeriani- derung guter Regierungsführung vertreter der FES sowohl Bun- schen außenpolitischen Think deutlich zu intensivieren. Die despräsident Horst Köhler wie Tank Nigerian Institute for In- Empfehlungen wurden in einem auch dem nigerianischen Außen- ternational Affairs mit einer ge- Kommuniqué zusammengefasst, minister Chief Ojo Maduekwe meinsamen Veranstaltung den das wenig später vom Landes- persönlich übergeben wurde.

TANSANIA Der Kampf gegen die Korruption geht weiter

„Eine Führungskraft muss Teil Gründung eines „Leadership- Kampf gegen Korruption und der Gesellschaft sein, die sie re- Netzwerkes“. Warioba ermahn- setzt sich vehement für die präsentiert. Sie hat vor allem te die fast hundert jungen Füh- Schaffung einer moralisch und dieser Gesellschaft und den rungspersönlichkeiten, ihrer ethisch akzeptablen Führungs- Menschen zu dienen, und nicht Verantwortung gerecht zu wer- kultur ein. In der anschließen- in erster Linie der Organisation den. Der Ehrengast dankte der den Diskussion war man sich in der sie tätig ist“, dies forder- FES für die langjährige Unter- einig, dass der wohl wichtigste te der ehemalige Premier und stützung bei der Ausbildung Schritt zur Bekämpfung der erste Vizepräsident der Verei- von Führungsnachwuchs im Korruption die konsequente nigten Republik Tansania, Jo- „Young Leaders Training Pro- rechtsstaatliche Verfolgung von seph Sinde Warioba, in seiner gramme – YLTP“. Warioba gilt Straftaten sei. Festansprache anlässlich der in Tansania als „Institution“ im

Entwicklungszusammenarbeit effektiver gestalten

Vom 2. bis 4. September fand das dritte „High Le- arbeit zurückgegangen sind und es für NGOs, die vel Forum on Aid Effectiveness“ in Accra, Ghana in diesem Bereich tätig sind, zunehmend schwie- statt. Im Vorfeld der offiziellen Konferenz wurden riger wird, entsprechende Programme anzubie- auf einem zweitägigen Forum Strategien für die ten. Kritisiert wurde auch, dass die Instrumente 80 akkreditierten Vertreterinnen und Vertreter der Entwicklungszusammenarbeit immer kom- der Zivilgesellschaft erarbeitet, um die Konferenz- plexer und technischer werden, so dass die de- ergebnisse bestmöglich zu beeinflussen. An dem mokratische Kontrolle kaum mehr möglich ist. Workshop „Perspektiven aus Nord und Süd – die Auch die Vertreter der Zivilgesellschaft aus „Nord“ Auswirkungen der Paris Declaration auf die För- und „Süd“ müssten sich fragen, wie effektiv die Zu- derung von Geschlechtergerechtigkeit“ beteiligte sammenarbeit sei und inwieweit sie in Form tat- sich auch die FES. sächlicher Partnerschaften stattfinde. Es wurde deutlich, dass Maßnahmen zur Förde- rung der Geschlechtergerechtigkeit unter der

neuen Architektur der Entwicklungszusammen- 4 / 2 0 0 8 INFO FES 62 INTERNATIONAL

Sechste Sommeruniversität für junge Gewerkschafts- Jugendarbeitslosigkeit führer in Westafrika „G EWE R KS CH A FTEN SIN D IN MEIN EM BETRIE B V ÖLLIG Ü BERFLÜ S SI G “ , konstatiert der erfolgreiche beninische Unternehmer Christian Mondjanagni provokant.

Den jungen westafrikanischen gen die der Gewerkschaften nen und Gewerkschafter trafen Gewerkschafterinnen und Ge- und Regierung vertreten. Am zunächst auf einen Unterneh- werkschaftern fehlten einige Ende zäher Verhandlungen ei- mer und einen Vertreter der nigten sich die drei Parteien Arbeitsagentur Benins, um ihre auf einen Maßnahmenkatalog Thesen in der Diskussion zu zur Bekämpfung der Jugendar- testen. Um sich auch ein Bild beitslosigkeit in den fiktiven des informellen Sektors, in dem „Vereinigten Staaten von West- der Großteil der westafrikani- afrika“. schen Jugend beschäftigt ist, zu Zum sechsten Mal kamen in verschaffen, fuhren sie auf ei- diesem Jahr junge Gewerk- nen Markt und befragten Un- schaftsführer aus neun Län- ternehmer und Angestellte dern zusammen, um sich im über ihre alltäglichen Schwie- Rahmen von „Cotonou Social“ rigkeiten und ihre Wünsche für gemeinsam den großen He- die Zukunft. rausforderungen der westafri- In einer gemeinsamen Erklä- kanischen Gewerkschaftsbewe- rung zur Jugendarbeitslosigkeit gung zu stellen. Thema der in Westafrika forderten die jun- Teilnehmer der Som- Sekunden die Worte, bevor eine diesjährigen Sommeruniversi- gen Gewerkschafterinnen und meruniversiät befrag- ten die Beschäftigen lebhafte Auseinandersetzung tät war die Jugendarbeitslosig- Gewerkschafter abschließend auf einem Markt nach um sozialen und wirtschaftli- keit in Westafrika. Experten regionale Lösungen, um Arbeit ihren Wünschen für die Zukunft. chen Nutzen von Gewerkschaf- aus der Region stellten die Po- zu sozial verträglichen Bedin- ten entflammte. Einen Tag nach tentiale des westafrikanischen gungen für die Jugend zu er- ihrer hitzigen Debatte mit Mon- Arbeitsmarktes und die Aus- möglichen. Dabei hoben sie die djanagni hieß es für einen Teil wirkungen der Globalisierung Eigenverantwortung Jugendli- der Gruppe die Seiten wech- auf die Region vor. Nachdem cher hervor und sahen selbst- seln. Als Unternehmerinnen das theoretische Fundament ständige Beschäftigung und Un- und Unternehmer mussten sie geschaffen war, wurde das Ge- ternehmergeist als zentrale Ele- in einem Rollenspiel die Inte- lernte einem Praxistest unter- mente der Bekämpfung der ressen der Privatwirtschaft ge- zogen. Die Gewerkschafterin- Arbeitslosigkeit in der Region.

+ + + F E S + + + K URZ GEFA SST + + + FES + + + KU RZ G EFA SST + + + FES + + + Das seit vier Jahren etablierte „Youth Lea- Frauen und Männer aus politischen Parteien, Ge- dership Training Program“ (YLTP) der FES in Ma- werkschaften, Nichtregierungsorganisationen, dagaskar gehört zu den beliebtesten und bekann- dem Privatsektor und diversen Ministerien den testen Nachwuchsprogrammen für junge Verant- zehnmonatigen Kurs erfolgreich abschließen. Mit wortungsträger im Land. Während der drei- bis dem „Netzwerk der jungen Arbeitnehmer/innen“ fünftägigen monatlichen Module treffen die Teil- spricht die FES Madagaskar seit 2008 noch eine nehmenden mit politischen Verantwortungsträ- weitere Zielgruppe an: diejenigen, die sich für so- gern sowie nationalen und internationalen Exper- ziale Gerechtigkeit und die Rolle von Gewerkschaf- ten zusammen. Im Dezember konnten weitere 25 ten interessieren. Sechzehn Teilnehmer konnten erstmalig im Oktober den in Zusammenarbeit mit den madagassischen Gewerkschaften konzipierten

FES INFO 4 / 2 0 0 8 Lehrgang abschließen. + + + 63

WORKSHOP ÜBER SOZIALSTANDARDS IM TÜRKISCHEN TEXTILSEKTOR Made in Turkey

Der Textil- und Bekleidungs- zwei Millionen Beschäftigte ar- türkischen Textilsektor zu ana- sektor in der Türkei, der einen beiten in diesem Bereich, viele lysieren. Diskutiert wurde u. a. großen Teil zur Wirtschaftsleis- davon ohne Registrierung, Ver- auch die Einflussmöglichkeiten tung des Landes beiträgt, ist sicherung und Schutz. Vor die- der Betriebsräte in deutschen durch einen hohen Anteil infor- sem Hintergrund waren 35 tür- und schwedischen textilimpor- meller Arbeit geprägt. Etwa kische, deutsche und schwedi- tierenden Firmen, auf eine Ein- sche Teilnehme- haltung von Sozialstandards Was haben Frau G. aus Mülheim und Frau Sar- rinnen und Teil- hinzuwirken. Die türkischen ker aus Dhaka, Bangladesch, gemeinsam? Beide nehmer aus Ge- Teilnehmerinnen und Teilneh- arbeiten direkt oder indirekt für den Discounter werkschaften, mer erhielten so Einblicke in KiK und beide arbeiten zu sittenwidrigen Bedin- Nichtregierungs- Zuliefersysteme im Textilhan- gungen. KiK (Tengelmann) ist der siebtgrößte organisationen del, Arbeitsmarkt, Konsum- Textileinzelhändler in Deutschland. Diese Markt- und Unterneh- muster sowie gewerkschaftli- position macht es möglich, Preise zu drücken und men bei einem che Arbeit in Deutschland und immer mehr Verantwortung auf Lieferanten ab- Workshop der Schweden und konnten sich zuschieben. Die Leidtragenden sind die Näherin- FES am 13. und über eine mögliche Zusammen- nen in Bangladesch und die Verkäuferinnen hier. 14. Oktober in arbeit austauschen. Die Veran- „Arbeitskraft zum Discountpreis“ war deshalb Istanbul zusam- staltung bot darüber hinaus auch der Titel einer Veranstaltung, die das Refe- mengekommen, Gelegenheit für die verglei- rat Asien und Pazifik mit der Kampagne für sau- um Möglichkei- chende Analyse der Textilpro- bere Kleidung, dem Internationalen Frauenzent- ten der Durch- duktion in Indonesien, Sri Lan- rum Bonn, dem Marie-Schlei-Verein und der UN- setzung von Sozi- ka, Bangladesh und osteuropä- Millenniumskampagne in Bonn durchführte. alstandards im ischen Staaten.

SIMULATION MIT JUGENDLICHEN AUS PAKISTAN UND AFGHANISTAN Spiel des Vertrauens

Auf dem Grundstück der FES in ses Rollenspiel ist Bestandteil sern. Da die Rollen zufällig ver- Kabul: ein Team junger Afgha- einer Reihe von Austauschpro- teilt werden, gibt es afghani- nen erwartet voller Spannung grammen, die 2008 zwischen sche Jugendliche im pakistani- die Ankunft ihrer pakistani- pakistanischen und afghani- schen Team und umgekehrt. schen Counterparts. Seit einem schen Journalisten, Politikern Schnell bauen alle ein echtes Monat haben beide Seiten per und jungen Eliten stattgefun- Teamgefühl auf. Ein Teilneh- E-Mail kommunziert, um eine den haben. In den folgenden mer beschreibt seine Eindrü- Simulation vorzubereiten. Die- zwei Tagen wollen die jungen cke: „Es ist nicht leicht für Nachwuchskräf- mich. Ich präsentiere ein Land, Das Leben unter der Herrschaft der Taliban und te eine „Loya Jir- mit dem wir so viele Konflikte nach dem Umsturz schilderte der stellvertretende ga“ simulieren haben. Aber es ist unheimlich Botschafter Afghanistans in Deutschland, Dr. Ab- und spielerisch wertvoll und wichtig zu sehen, dul Rahman Zadrans, im Alten Rathaus in die Wirtschafts- dass wir gemeinsame Probleme Göttingen. Detlef Dzembritzki, Mitglied der Task beziehungen haben und diese durch verhan- Force Afghanistan des deutschen Bundestages, zwischen Afgha- deln und verstehen der ande- warb für ein weiteres Engagement Deutschlands nistan und Pa- ren Seite lösen können.“ im Aufbauprozess. Dr. Bernt Glatzer von der kistan verbes- Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft Afgha- nistan betonte, dass ein überstürzter Rückzug das

Land hilflos zurücklassen würde. 4 / 2 0 0 8 INFO FES 64 INTERNATIONAL

FES hilft bei Überwindung von Erdbebenfolgen in China Nach dem Beben

DA S S CHWE RE ERD BE BE N IN D ER SÜD WESTLI C HEN C HINESISCHEN PR OVINZ SIC HU AN am 12. Mai 2008 hat mit fast 100.000 Toten und über 300.000 Verletzten nicht nur große menschliche Opfer gefordert, sondern auch immensen materi- ellen Schaden verursacht. be sowie ei- des Schutzwalls durch Analy- ner nachhal- sen und Politikempfehlungen tigen Wasser- zu begleiten. Gemeinsam mit wirtschaft. der Freundschaftsgesellschaft Durch viele mit dem Ausland unterstützt Hersteller die FES die Arbeit einer 18- von Alumini- köpfigen Forschungsgruppe, um, Zement, die zum Auftakt des Projektes Salzchemie eine Bestandsaufnahme am und Silikon, Minjiang unternahm. Mithilfe die fast alle digitaler Fernabtastung wur- ihre Abwäs- den Fotos der Landschaft auf ser ungeklärt einer Strecke von 1.000 Kilo- in den Fluss metern im Erdbebengebiet er- Jede Hilfe zählt: Die Darüber hinaus ist der ökologi- leiten, hatte sich die Wasser- stellt, um so die Folgeschäden Schäden nach dem Erdbeben betreffen sche Schutzwall an den Ober- qualität des Minjiang-Flusses auf die Umweltsituation zu un- alle Bereiche der Re- läufen des Yangtze-Flusses be- beträchtlich verschlechtert. tersuchen. Darüber hinaus gion. trächtlich zerstört worden. Da- Das Erdbeben hat allerdings wurden durch Interviews Da- von besonders betroffen ist der auch viele der „dreckigen“ Be- ten über die vom Erdbeben Be- Minjiang-Fluss. Fast 80 % des triebe zerstört. Damit ist die troffenen erhoben. Schutzwalls, der in zehnjähri- Chance für einen nachhaltigen Eine von der FES organisierte ger Arbeit an diesem Fluss auf- Wiederaufbau des Ökoschutz- Studienreise nach Deutschland gebaut worden war, wurden walls gegeben. soll Anregungen für die Verbes- vernichtet. Dieser Wall besteht Eine Gruppe von fünf politikbe- serung der Wasserwirtschaft im Wesentlichen aus Auffors- ratenden Instituten verschiede- und des Gewässerschutzes lie- tung und dem Verbot von Ab- ner Universitäten in Sichuan fern, die dann in eine umfas- holzung, um die Bodenerosion und Chongqing hat sich zum sende Politikempfehlung an die zu reduzieren, und der Ansied- Ziel gesetzt, in den kommenden Sichuaner Provinzregierung lung umweltschonender Betrie- drei Jahren den Wiederaufbau einfließen werden.

Deutsch-chinesischer Menschenrechtsdialog Der IX. deutsch-chinesische Menschenrechtsdia- wurden vor mehr als 250 Studierenden der Pe- log der FES und der Chinesischen Stiftung für die kinger Polizeiakademie die Verfahrensweisen der Entwicklung der Menschenrechte sowie der Chi- Justiz diskutiert. Die individuellen und demokra- nesischen Gesellschaft für Internationale Verstän- tischen Freiheitsrechte waren Thema vor mehr als digung erlangte besondere Bedeutung dadurch, 100 Hochschulangehörigen der Fakultät für Kom- dass er zum ersten Mal nicht im geschlossenen Ex- munikation an der Tsinghua-Universität. Die Vor- pertenkreis, sondern in Form von Panelveran- sitzende des Bundestagsausschusses für Men- staltungen vor Dozenten und Studenten an zwei schenrechte, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, die Pekinger Hochschulen durchgeführt wurde. So Bundestagsabgeordneten Ute Kumpf und Chris- toph Strässer sowie Staatssekretär a. D. Hansjörg Geiger und das Ehrenmitglied des Europarates

FES INFO 4 / 2 0 0 8 Rudolf Bindig nahmen von deutscher Seite teil. 65

CHINA Bürgerbeteiligung auf dem Vormarsch

Die Bürgerbeteiligung an kom- Kommunalverwaltungen und fentlichen Entscheidungspro- munalen Entscheidungsprozes- Bürgermeisterämter sensibel zessen“ wurden bei einer zwei- sen reicht in Deutschland von auf Bürgerkritik und öffnen tägigen Veranstaltung der FES einfachen Befragungen oder sich für Beratung durch Betrof- und dem Rechtsamt der Stadt manchmal hitzigen Debatten fene. Kommunale Planungsbe- Shanghai kontrovers diskutiert. bei öffentlichen Anhörungen hörden geben frühzeitig die So sahen Angehörige der Pla- bis hin zu Zukunftswerkstätten vorgesehenen Routen für neue nungsbehörden die Planungs- oder Planungszellenverfahren. Buslinien bekannt oder legen qualität verwässert, wenn Bür- Ähnliches geschieht auch in die Pläne für Schulbauten aus. ger mit geringen Sachkenntnis- China. Während dort direkte Bei Anhörungen, per SMS oder sen beteiligt würden. Anderen Wahlen bei der Besetzung poli- auch auf speziell eingerichteten dagegen ging Bürgerbeteili- tischer Führungsämter keine Websites können Stellungnah- gung nicht weit genug, wenn Rolle spielen, nehmen seit etwa men abgegeben oder Verbesse- ein Bürgervotum nur Empfeh- einem Jahrzehnt vielerorts Mo- rungsvorschläge unterbreitet lungscharakter hat und Ver- delle direkter Bürgerbeteili- werden. Deutsche, europäische waltungen schließlich doch an- gung zu. Inzwischen reagieren und chinesische Erfahrungen ders entscheiden könnten. auch in China immer häufiger der „Bürgerbeteiligung bei öf-

MONGOLEI FES unterstützt Wahlrechtsreform

In der Mongolei mündeten die Kombination mit einer teuren und ein Verhältniswahlrecht Parlamentswahlen am 28. Juni Wahlkampffinanzierung durch einzuführen. Die politischen 2008 in gewaltsame Ausschrei- die Kandidaten selbst zu einer Voraussetzungen dafür sind tungen. Wegen des Wahlbe- engen Verbindung von Politik günstig, da beide eine große trugs seitens einer ganzen Rei- und geschäftlichen Interessen Koalition gebildet haben. he von Kandidaten und des geführt. Dies trug zu einer Dis- Auf Bitten des Staatspräsiden- komplizierten Wahlrechts kam kreditierung der parlamentari- ten Enkhbayar und in Zusam- es zu erheblichen Problemen schen Demokratie in der Mon- menarbeit mit dem Präsidial- bei der Stimmenauszählung. golei bei. Seither sind sich ins- amt unterstützt die FES die Re- Darüber hinaus hat das seit der besondere die beiden großen form des Wahlrechts durch ein demokratischen Wende Parteien MRVP und Demokrati- Gutachten des Wahlsystemex- 1989/90 in der Mongolei veran- sche Partei im Prinzip einig, perten Prof. Dr. Dieter Nohlen kerte Mehrheitswahlrecht in das Wahlsystem zu reformieren von der Universität Heidelberg.

Indische Young Leaders erkunden die EU

Indien ist eine schnell wachsende Nation: 51 % litikern, Wissenschaftlern und Fachleuten auszu- der Bevölkerung sind unter 25 Jahren und zwei tauschen. Im Herbst 2008 konnten sie bei einem Drittel unter 35 Jahren. Doch welche Perspektiven Studien- und Informationsprogramm in Brüssel haben junge Inderinnen und Inder? Das „Young ihre Sicht in Richtung Europa erweitern und sich Leaders Forum India“ der FES hat bereits 2006 mit den regionalen Integrationsprozessen der EU begonnen, jungen indischen Berufseinsteigern mit vertraut machen. Besonders Umwelt- und Han- gesellschaftspolitischem Engagement im Bereich delspolitik stießen auf großes Interesse. Journalismus, Universitätslehre und Marketing die Möglichkeit zu geben, sich mit deutschen Po-

4 / 2 0 0 8 INFO FES 66 HINTER DEN KULISSEN: AUSLANDSBÜROS STELLEN SICH VOR

DIE FES-VERTRETUNG IN JAKARTA/INDONESIEN Netzwerke,Zweitbürosund Mücken

Die Arbeit der FES in Jakarta im äußersten Westen Indonesi- de beansprucht, ist im Berufs- ist in mancherlei Hinsicht et- ens) bis Merauke (Stadt im äu- verkehr nicht unter 1½ Stun- was Besonderes. Nach Indien ßersten Osten Indonesiens) – den zu bewältigen. Die einzige und den USA ist Indonesien die versuchen wir zusammen mit wirkungsvolle Versicherung für drittgrößte Demokratie der unseren Partnern einen Bei- diese Situation sind erfahrene Welt. Die Natur und Eigenar- trag zur Entwicklung in Indo- Fahrer, ein gutes Navigations- nesien zu leisten. Um system und ein Auto mit gro- das zu ermöglichen, ßer Bodenfreiheit. Arbeit im bedarf es vor allen Auto gehört deshalb hier zum Dingen zweierlei: 1.) Alltag. Ob es das Schreiben von Motivierter und kom- Berichten, die Durchsicht der petenter Ortskräfte, Abrechnung oder die Vorbe- die 2.) wie die FES- sprechung eines Meetings ist: Spinnen in einem Der Dienstwagen ist das indo- Netzwerk von lokalen nesische Zweitbüro. Partnerorganisationen Das indonesische Hauptbüro in sitzen: im Bereich sozi- Jakarta liegt ein wenig abseits aldemokratischer Or- des Zentrums im Stadtteil Ke- ganisationen, im Be- mang in einem umgebauten Großes Land, große ten dieses großartigen Landes reich Gewerkschaften, im Be- Wohnhaus. Mit eigenem klei- Truppe: Das Team der FES in Indonesien. spiegeln sich in unserer tägli- reich Konfliktprävention und nem Seminarraum und einer chen Arbeit wieder. Es bräuch- Sicherheitssektorreform sowie kleinen überdachten Terrasse te eigentlich eine große Land- im Sonderprojekt in der Pro- bietet es die idealen Vorausset- karte mit leuchtenden Punkten, vinz Aceh. Zusätzlich zu diesen zungen für ganztägige Pla- um jederzeit den Überblick zu beiden Grundvoraussetzungen nungsrunden, regelmäßige haben, welcher der 17 Kolle- bedarf es dann natürlich einer Roundtables, Redaktionssit- gen gerade wo unterwegs ist. ganzen Reihe von Sekundärtu- zungen und die unerlässlichen Als Archipel mit 17.000 Inseln genden und Ressourcen, um Staff Meetings. Den schönen macht es uns Indonesien nicht dem Anspruch der FES gerecht Abschluss eines anstrengenden gerade leicht, unserem An- zu werden: ForEverSeminar. Veranstaltungstages bildet spruch gerecht zu werden, so- Die wichtigsten sind Geduld dann nicht selten das gemein- ziale Demokratie eben nicht zum einen und ein gut ausge- same Abendessen mit Partnern nur in der Hauptstadt zu för- statteter Dienstwagen zum an- und Kollegen auf der Terrasse; dern. „Dari Sabang sampai deren. Eine Strecke, die um 4 wenn da nur nicht diese Mü- Merauke“ – von Sabang (Insel Uhr morgens eine halbe Stun- cken wären …

INDONESIEN 40 Jahre FES vor Ort Der Monat Oktober hatte es für in Bali, in Yogyakarta und in zweiten Mal stattfindenden die FES in Indonesien in sich: Jakarta. Den Auftakt dieser ASEM-Arbeitsministerkonfe- Drei große Veranstaltungen mit Tour de Force machte eine renz (ASEM = Asia-Europe prominenter Beteiligung fan- Konferenz von europäischen Meeting) auf Bali. Vom 12. bis den innerhalb einer Woche an und asiatischen Gewerkschafts- zum 14. Oktober trafen sich drei verschiedenen Orten statt: vertretern im Vorfeld der zum hier Vertreter der Gewerk-

FES INFO 4 / 2 0 0 8 67

schaften, zum ASEM Trade aus Südostasien. Neben den in- zentrum genutzt, seit 1986 oh- Union Summit. Langfristiges donesischen Partnern nahmen ne finanzielle Förderung der Ziel dieser gemeinsamen Initia- Sozialdemokraten aus Australi- FES. Höhepunkt der Festver- tive der FES sowie der europäi- en, Fiji, Malaysia, den Philippi- anstaltung war die Rede des schen und asiatischen Gewerk- nen, Südkorea, Thailand und ehemaligen indonesischen Ar- schaftsverbände ist es, ein in- Timor Leste an der Konferenz beitsministers Awalloedin Dja- stitutionalisiertes Forum für teil. In deren Verlauf wurde er- min, der diese Kooperation im den Dialog der Regierungen mit neut deutlich, dass die Sozial- Jahre 1968 begann. den Sozialpartnern zu schaffen. demokratie in Asien noch weit Als Gäste aus Deutschland ha- An dem Forum nahmen neben davon entfernt ist, auf Augen- ben Dr. Ernst Kerbusch, ehe- den Vertretern der Gewerk- höhe an den nationalen politi- maliger Leiter der Internatio- schaften insgesamt 40 Regie- schen Prozessen und Entschei- nalen Abteilung der FES, und rungsvertreter teil, darunter dungen mitzuwirken. Doch ge- Dr. Bianca Kühl, Referatsleite- die Arbeitsminister aus China, rade das lebhafte Interesse und rin Internationales beim DGB, Frankreich, Indonesien, Japan, die engagierte Diskussion der an den Feierlichkeiten teilge- Niederlande, der Slowakei und Teilnehmer haben verdeutlicht, nommen. In Ihrer Rede nutzte Zypern sowie sechs Arbeitge- dass hier ein enormes Potential Kühl die Gelegenheit, um das bervertreter aus asiatischen vorhanden ist. Mandat des DGB für die Aus- und europäischen Ländern. Schließlich fand am 16. Okto- landsarbeit der FES zur Ge- Parallel zu der Konferenz auf ber die 40-Jahr-Feier der FES- werkschaftskooperation noch Bali trafen sich in Yogyakarta Indonesien in der mit Hilfe der einmal zu bestätigen. Kerbusch ab 13. Oktober auf Einladung FES in den 1970er Jahren er- leitete über zur Eröffnung der der FES Vertreter sozialdemo- bauten Heimvolkshochschule Ausstellung „Links und Frei“ – kratischer und progressiver YTKI in Jakarta statt. Bis heute die Geschichte der Sozialdemo- Parteien und Organisationen wird die YTKI als Fortbildungs- kratie in Deutschland.

THAILAND Kein Frieden ohne Dialog

Seit mehr als 100 Jahren gibt es fentlicher Dialog über konflikt- Netzwerk „Freunde der betrof- Spannungen und gewalttätige sensitive Berichterstattung und fenen Familien“ hat die FES en- Konflikte in den drei mehrheit- über die Rolle der Medien im gagierte Frauen aus allen Tei- lich muslimischen Grenzprovin- Konfliktgebiet gefördert werden len der südlichsten Region ein- zen Pattani, Yala und Narathi- soll. Außerdem strebt sie die geladen, um sich erstmals im wat. In den letzten vier Jahren Verbesserung des gesellschaftli- „Open Space“ und „Weltcafé“ sind über 3.500 Menschen Op- chen Dialogs bei der Suche auszutauschen. Viele Teilneh- fer der Gewalt geworden – Mus- nach gewaltfreien Lösungsan- merinnen sind seit Jahren mit lime wie auch Buddhisten. Die sätzen an. Besonderes Augen- Gewalt und einer Atmosphäre FES war schon vor der Eskala- merk wird dabei auf die Beteili- der Angst und des Misstrauens tion des Konfliktes in der Regi- gung von Frauen und Jugendli- konfrontiert. Die Frauen sind on engagiert. Seit Anfang 2008 chen gelegt. 77 muslimische engagiert dabei, ist das doch ei- führt sie ein Sonderprojekt und acht buddhistische Frauen ne der ersten Gelegenheiten durch, mit dessen Hilfe ein öf- finden sich in einem Hotel der überhaupt, sich mit Gleichge- thailändischen Pro- sinnten auszutauschen. Die Pa- vinzhauptstadt Pat- pierbögen, die am Ende des Ta-

tani ein. Gemeinsam ges die Wände bedecken, zeu- Erste Gelegenheit sich mit der lokalen Uni- gen von beeindruckendem mit Gleichgesinnten auszutauschen: Frauen versität und dem Engagement und Wissen. im Süden Thailands.

4 / 2 0 0 8 INFO FES 68 INTERNATIONAL

LATEINAMERIKA IN DER INTERNATIONALEN POLITIK Wachsende Bedeutung

Deutschland – wie auch Europa rale Interessenübereinstim- betonte Frank Schwabe, Be- – braucht strategische politi- mungen zwischen Deutschland richterstatter der SPD-Fraktion sche Partner zur Bewältigung und Lateinamerika liegen und für nationalen und internatio- der Herausforderungen in Zei- wie gemeinsame Strategien zur nalen Klimaschutz. ten globaler Krisen. Auf der Su- Bewältigung globaler Heraus- Kontroverse Auffassungen wur- che nach solch einem Partner forderungen entwickelt werden den in Handelsfragen deutlich, könnte Lateinamerika künftig können, veranstaltete die FES da die lateinamerikanischen stärker in das Interesse der in Brasilien nun zum ersten Regierungen selbstbewusst bei- deutschen Außenpolitik rü- Mal eine Strategiedebatte, an spielsweise ihre agrarpoliti- cken. Die Region hat sich in der auch Parlamentarier und schen Interessen verteidigen. den letzten zehn Jahren stark Gewerkschaftsvertreter aus Aber nicht nur auf Regierungs- gewandelt; die Demokratien Deutschland teilnahmen. ebene, sondern auch in den bi- sind konsolidiert, in vielen Län- Zentral wird künftig die neue lateralen Beziehungen der Par- dern regieren progressive Par- Bedeutung Lateinamerikas in teien und Gewerkschaften wird teien und insbesondere mit Fragen des globalen Klima- Lateinamerika neuentdeckt. Brasilien hat sich ein neuer, schutzes sein. Die Region ver- Sozialkapitel in Assoziierungs- selbstbewusster Global Player fügt über hohe Rohstoff- und abkommen, internationale auf der internationalen Bühne Umweltressourcen; sie ist Hei- Rahmenabkommen sowie die profiliert, der sich – ebenso wie mat der größten Wasservor- Kooperation in globalen Foren Deutschland und Europa – für kommen sowie Regenwaldflä- gelten als gemeinsame Ziele, ein multilaterales Ordnungs- chen und wichtige Produzentin wie Wolfgang Lutterbach, DGB- system stark macht. erneuerbarer Energien. „Ein Bereichsleiter für Internatio- Um einen neuen Blick auf La- vernünftiges Post-Kyoto-Proto- nale Gewerkschaftspolitik, be- teinamerika zu werfen und die koll ist daher nur in Kooperati- kräftigte. Frage zu diskutieren, wo zent- on mit Brasilien zu machen“,

Plattform zum Dialog von Regierungen und Gewerkschaften Nach fast zwei Jahrzehnten in der Defensive ha- Arbeitsgruppen, Seminaren und informellen Fo- ben Gewerkschaften in Lateinamerika in den letz- ren leisten die FES-Büros im südlichen Latein- ten Jahren politische Gestaltungsspielräume zu- amerika einen Beitrag dazu, den Dialog zwischen rückgewonnen. Mit dem Regierungsantritt der linken Regierungen und Gewerkschaftsbewegung von ihnen unterstützten Linksparteien begann für zu vertiefen. viele südamerikanische Gewerkschaften die nicht Ziel des Projekts Regionale Gewerkschaftspolitik einfache Aufgabe, mit den neuen Regierungen in ist, diesen Dialog auch auf länderübergreifender kritischer Solidarität zusammenzuarbeiten und Ebene zu ermöglichen. In diesem Kontext führte gleichzeitig wirksam die Interessen ihrer Basis zu das Projekt ein Regionalforum durch, bei dem sich vertreten. Auseinandersetzungen bleiben dabei vom 21. bis 22. Oktober in Montevideo hochran- nicht aus. Nichtsdestotrotz stellen der politische gige Regierungsmitglieder aus Argentinien, Bra- Wechsel und ihr privilegierter Zugang zu den Re- silien, Chile und Uruguay mit einer Gruppe füh- gierungen eine historische Chance für die süd- render Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter amerikanischen Gewerkschaften dar. Vor diesem aus elf Ländern trafen. Hintergrund schätzen sowohl die Partner aus dem Gewerkschafts- als auch aus dem parteipoliti- schen Spektrum die Rolle der FES. Im Rahmen von

FES INFO 4 / 2 0 0 8 69

KONFERENZ ÜBER POPULISMUS IN LATEINAMERIKA Neue Form der Demokratie?

Über die inflationäre Anwen- scharfe Beliebtheit, wenn es schen einem gemäßigten (z. B. dung der Begriffe Populist und um die politischen Entwicklun- Chile und Uruguay) und einen Populismus und Verzerrungen gen in Lateinamerika geht. radikalen Populismus (z. B. Ve- in deren Wahrnehmung disku- Doch was ist Populismus? nezuela). Der optimistische tierten Teilnehmer einer Konfe- Während die Verfechter des Blick in die Zukunft sieht eine renz, die vom Goethe-Institut, Konzeptes sich auf die ethymo- Koexistenz von Populismus und der FES und der Universität Ja- logische Bedeutung berufen Demokratie und möglicherwei- veriana am 28. und 29. Okto- und die Politik für das Volk un- se eine neue Form der Demo- ber in Bogotá organisiert wur- terstreichen, meinen die Kriti- kratie lateinamerikanischer de: „Populismen und Demokra- ker, dass populistische Politik Prägung. Die pessimistische tie in Lateinamerika“. nichts weiter als Rhetorik sei. Version hingegen prognosti- Nach den Populismusdebatten Nikolaus Werz, Professor für ziert eine Krise der populisti- der vergangenen drei Dekaden Politikwissenschaft an der Uni- schen Regierungen, die in viel- erfährt der Begriff seit einigen versität Rostock, betonte je- fältigen Konflikten resultieren Jahren eine breite, aber un- doch die Differenzierung zwi- werde.

+ + + F E S + + + K U RZ GEFA SS T + + + FES + + + KURZ G EFASST + + + FES

+ + + „Die Einführung von Gender Mainstrea- FES mit Journalisten, Gewerkschaftern und Mit- ming ist nicht nur ein wichtiger Aspekt, um unse- arbeitern mexikanischer Call-Center. Jordy Mi- re Gewerkschaft demokratischer zu gestalten, son- cheli, Experte von der Universität UAM Azcapotz- dern auch, um Mitglieder zu werben“, erläuterte alco, berichtete, dass derzeit allein in Mexiko- Francisco Hernández Juárez, der Vorsitzende des Stadt 200.000 Menschen in Call-Centern arbeiten. mexikanischen Dachverbandes Unión Nacional de Ein Call-Center-Mitarbeiter beschrieb die Verhält- Trabajadores (UNT), auf dessen 11. Jahreskon- nisse: „Wir hatten Tauben, Ratten und Kakerla- gress im Oktober 2008. Der Kongress übernahm ken im Büro, die Arbeitszeit war nicht geregelt. das Konzept des Gender Mainstreaming ohne Ge- Schließlich schlossen wir uns der Telefon-Gewerk- genstimme. Zusammen mit der FES arbeitet die schaft an und konnten so unsere Arbeitsbedingun- UNT seit 2007 an einem Gender-Mainstreaming- gen deutlich verbessern.“ + + + Pilotprojekt, das verschiedene Aspekte umfasst: Sensibilisierungsworkshops, Frauenförderungs- + + + Gewerkschafter in Guatemala sind an- programme, Vorschläge zur Vermeidung sexisti- dauernden Repressionen ausgesetzt. Ihr Leben scher Sprache in UNT-Dokumenten sowie die Ein- ist ständig in Gefahr, das Arbeitsrecht besteht nur führung von Gleichstellungsquoten. + + + auf dem Papier. Die letzten Jahre waren geprägt von zahlreichen Fällen von Bedrohungen, Angrif- + + + Günter Wallraff hat sich in Deutschland ei- fen, Entführungen und Attentaten. Aus diesem nen Namen gemacht, weil er Verstöße gegen Ar- Anlass hatte der Internationale Gewerkschafts- beitnehmerrechte, Ethik oder gegen das Straf- bund eine Delegation aus Guatemala nach Euro- recht demaskierte. Zuletzt recherchierte Wallraff pa eingeladen, um die europäischen Gewerk- in der „schönen neuen Arbeitswelt“ der Call- schaften, Regierungen und die Öffentlichkeit über Center. Davon berichtete er in Mexiko-Stadt am die gravierenden Verletzungen von Gewerk- 26. November während einer Veranstaltung der schaftsrechten und das Problem der Straflosig- keit in Guatemala aufmerksam zu machen. Die FES hat für die Gewerkschaftsdelegation ein Be- suchsprogramm in Berlin organisiert. + + +

4 / 2 0 0 8 INFO FES 70 PUBLIKATIONEN

Internationale Politikanalyse

Bungarten, Pia – Krieg um Südossetien: Analysen und Pespektiven Aufbruch bereit, in der Tradition gefangen, aus Hauptstädten der Welt, http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05776.pdf http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05791.pdf March, Luke – Parteien links der Sozialdemokratie in Europa: vom Džihic, Vedran; Kramer, Helmut – Der Kosovo nach der Marxismus zum Mainstream? Unabhängigkeit: hehre Ziele, enttäuschte Hoffnungen und die Rolle Perger, Werner A. – Der Populismus der Aufklärung: Obama und der internationalen Gemeinschaft die transatlantische Linke: wieder gehen und kämpfen lernen; Katsioulis, Christos – Europäische Außenpolitik auf dem Prüfstand: http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05792.pdf auf halber Strecke zum globalen Akteur? Stuchlik, Andrej; Kellermann, Christian – Europa auf dem Weg http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/05811.pdf zur sozialen Union?: Die Sozialagenda der EU im Kontext Krumm, Reinhard – Länderanalyse: das doppelte Russland: zum europäischer Sozialstaatlichkeit WISO-Diskurs Bofinger, Peter – Gerechtigkeit für Generationen – Eine gesamtwirt- Konle-Seidl, Regina; Eichhorst, Werner – Erwerbslosigkeit, schaftliche Perspektive Aktivierung und soziale Ausgrenzung – Deutschland im interna- Döring, Diether; Heinel, Jörg; Meinhardt, Volker; Michaelis, tionalen Vergleich Klaus; Schulte, Bernd; Stapf-Finé, Heinz; Thiede, Reinhold; Kraus, Katrin – Beschäftigungsfähigkeit oder Maximierung von Windhöve, Kerstin l; Zwiener, Rudolf – Erwerbstätigenversi- Beschäftigungsoptionen?: Ein Beitrag zur Diskussion um neue Leitlini- cherung – Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung en für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05779.pdf Lippl, Bodo – Klare Mehrheiten für den Wohlfahrtsstaat: gesell- Filsinger, Dieter – Bedingungen erfolgreicher Integration: Integra- schaftliche Wertorientierungen im internationalen Vergleich; Gut- tionsmonitoring und Evaluation; Gesprächskreis Migration und achten, http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05789.pdf Integration: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05767.pdf Marhold, Franz; Döring, Dieter; Gächter, Thomas – Deutschland Ganz, Walter; Burkart, Natalie – Dienstleistungsaktivitäten der auf dem Weg zur Erwerbstätigenversicherung – Hat die Organisation Europäischen Kommission jenseits der Dienstleistungsrichtlinie der Altersvorsorge der Schweiz und Österreichs für uns eine Vorbild- funktion? http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05803.pdf WISO direkt Caspers, Markus – Überschützt oder rechtlos?: Die Rechte der Ver- Lell, Otmar – Ethik – ein neuer Luxusartikel? Verantwortlicher Kon- braucher; http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05770.pdf sum in Politik und Gesellschaft Caspers, Markus – Auf dem Weg zu einer Landwirtschaft ohne Sub- Meier-Braun, Karl-Heinz – Migration, Wahlkämpfe und Medien ventionen? http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05761.pdf Dauderstädt, Michael – Die globale Finanzmarktkrise – kein Fall für Richter, Michael – Mittelstandsförderung auf dem Prüfstand: Sparpolitik; Erfolgskriterien gesucht http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05781.pdf http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05824.pdf Dauderstädt, Michael; Fischer, Michael – Eine Wachstums- Schroeder, Wolfgang; Burau, Benjamin Erik – Soziale Selbstver- strategie für Deutschland waltung und Sozialwahlen – Traditionsreiche Institutionen auch von Eichhorst, Werner; Konle-Seidl, Regina – Schon drinnen oder morgen? noch draußen? Soziale Ausgrenzung und Aktivierung im interna- Vanselow, Achim; Weinkopf, Claudia – Job-Wunder mit Neben- tionalen Vergleich wirkungen: Entwicklungen in der Leiharbeit http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05806.pdf http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05768.pdf Jorberg, Thomas – Ordnungspolitischer Vorrang für die Winkler, Adalbert – Geld- oder Finanzsektorpolitik: wer trägt die Finanzierung der Realwirtschaft Hauptschuld an der Finanzkrise? Lell, Otmar – Reisen in Bus, Bahn und Flugzeug: ein Fall für die http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05813.pdf Verkehrspolitik!http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05822.pdf Verschiedene Publikationen Alltag in der SBZ/DDR: Leben in einer Diktatur; XIX. Bautzen-Forum Decker, Oliver; Brähler, Elmar – Bewegung in der Mitte: rechts- der Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Leipzig, 15. und 16. Mai 2008; extreme Einstellungen in Deutschland 2008; mit einem Vergleich von Dokumentation 2002 bis 2008 und der Bundesländer /Forum Berlin Arbeitswelt 2030: Thesenpapier des Managerkreises der Friedrich- Fattmann, Rainer – Gewerkschaften ohne Grenzen – für ein sozia- Ebert-Stiftung / (Federführung) Florian Gerster; Stabsabteilung der les Europa: 50 Jahre europäische Gewerkschaftspolitik im Agrar- , Friedrich-Ebert-Stiftung Lebensmittel- und Tourismusbereich 1958 - 2008 Borgwardt, Angela – Teilhabe gestalten – Engagement fördern: Forum Soziale Demokratie: jung, politisch, sucht – das Hamburger Publikation zur Veranstaltungsreihe „Wege zu einem stärkeren Programm der SPD? / – (Policy – Politische Akademie; 23) gesellschaftlichen Zusammenhalt“, Projekt „Gesellschaftliche http://library.fes.de/pdf-files/akademie/05711.pdf Integration“, (Zukunft 2020) Frick, Hans-Jörg – Interkommunale Zusammenarbeit: Hand- Börnsen, Arne – Breitband fürs Land: flächendeckende Breitband- reichung für die Kommunalpolitik / KommunalAkad.; versorgung durch Nutzung von Rundfunkfrequenzen/Stabsabt. der http://library.fes.de/pdf-files/akademie/kommunal/05825.pdf Friedrich-Ebert-Stiftung Grobe, Antje – Nanomedizin – Chancen und Risiken: eine Analyse http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/05774.pdf der Potentiale, der Risiken und der ethisch-sozialen Fragestellungen Bürgerschaftliches Engagement der älteren Menschen um den Einsatz von Nanotechnologien und Nanomaterialien in der stärken: Weiterbildungsangebote für ältere Menschen in Berlin und Medizin: http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/05709.pdf Ostdeutschland / Forum Politik und Gesellschaft Hinze, Daniela (Hrsg.) – Für Freiheit & Menschenwürde 60 Jahre Darüber zu sprechen, ist unmöglich, darüber zu schweigen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte; Ref. Entwicklungspolitik verboten (Elie Wiesel): Dokumentation einer literarischen Matinee Höbsch, Julian – Im Schatten des Minaretts: Moscheebaukonflikte zum Holocaust-Gedenktag/ Gesprächskreis Politik und Geschichte im in Deutschland / Policy – Politische Akademie; 25: Karl-Marx-Haus; http://library.fes.de/pdf-files/kmh/05778.pdf http://library.fes.de/pdf-files/akademie/berlin/05728.pdf Die neue Klassengesellschaft? – Forum Soziale Demokratie. Policy Kraft, Hannelore – Die Rolle des Staates im 21. Jahrhundert / – Politische Akademie; 26 Bonner Dialog: http://library.fes.de/pdf-files/akademie/05702.pdf

FES INFO 4 / 2 0 0 8 71

Kurt-Schumacher-Akademie: Bilder, Dokumente und Notizen zur Revel, Arthur – Die deutsch-myanmarischen Beziehungen vor und Geschichte der Kurt-Schumacher-Akademie Bad Münstereifel nach 1988: viel verloren, wenig gewonnen? Müller, Torsten – Internationale Rahmenvereinbarungen – Chancen http://library.fes.de/pdf-files/iez/05777.pdf und Grenzen eines neuen Instruments globaler Gewerkschaftspolitik Wagber, Andreas (Red.); Domann, Sven – Politische Strafjustiz (Briefing papers / Globale Gewerkschaftspolitik); 1945 - 1989: der Gefängnisstandort Bützow als Gedenk- und Lernort http://library.fes.de/pdf-files/iez/05814.pdf (Reihe Geschichte Mecklenburg-Vorpommern; 14) Neue Medien in der Bildung: Dokumentation der Konferenz des Zimmermann, Rüdiger – Das gedruckte Gedächtnis der Netzwerk Bildung (Zukunft 2020) Arbeiterbewegung bewahren: die Geschichte der Bibliotheken der Ott, Kerstin – Lokale Zukunftspolitik: den demografischen Wandel deutschen Sozialdemokratie (Veröffentlichungen der Bibliothek der im Bürgerdialog gestalten / (Texte der KommunalAkademie; 3); Friedrich-Ebert-Stiftung; 11) http://library.fes.de/pdf-files/akademie/kommunal/05826.pdf Kurzberichte aus der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit Afrika Koch-Laugwitz,Ursula – Afghanistan „rüstet“sich für die kommen- Fandrych, Sabine – Die Afrikanische Union – auf dem Weg zu den den Wahlen: Präsidentenwahl 2009,Parlamentswahl2010? United States of Africa?Hintergrundinformationen Pham, Huong Giang – Parlamentswahl in Kambodscha: Status quo Kopsieker, Fritz – Die Rolle extermer Akteure bei der Bewältigung ante! / Pham Huong Giang der „Post Election Crisis“ in Kania; http://library.fes.de/pdf- Rodi , Vesna – Thailand in der Krise: der Kampf um Macht, Geld files/iez/05821.pdf und Demokratiec Oesterdiekhoff, Peter; Kleine Büning, Jan – Die erste parlamen- Schmidt, Axel – Traurige Tropen: Südostasien im Zeichen des tarische Wahl nach dem Bürgerkrieg in Angola: Modellwahl für einen Klimawandels Einparteien-Staat? Schott, Christina – Biodiesel aus Palmöl und nachhaltige Produktion Asien in Indonesien: ein Widerspruch in sich? Effner, Henning – Pakistan nach den Präsidentschaftswahlen: hat Das Zollpräferenzabkommen der EU mit Sri Lanka: vergeudete die Demokratie eine Chance? http://library.fes.de/pdf- Steuermillionen oder moderne Entwicklungspolitik? files/iez/05796.pdf http://library.fes.de/pdf-files/iez/05762.pdf Asien und Pazifik Lateinamerika und Karibik Feicht, Roland – Politische Krise in der Mongolei Langer, Michael – Eine neue Verfassung für Ecuador?: Eine Analyse Gey, Peter – Indien: Wachstumsschwäche und Inflation: ist der des Verfassungsentwurfs Boom zu Ende? Sassenfeld, Heinrich – Regional- und Kommunalwahlen in Vene- zuela: eine Quasi-Patt mit offenen Folgen Reihe „Dialogue on Globalisation“ Ajayi,Titilope – The UN, the AU and ECOWAS – A Triangle for Peace Rajagopalan, Rajesh – Nuclear Non-Proliferation: An Indian Per- and Security in West Africa?, Briefing Paper No. 11 spective; Briefing Paper 10, http://library.fes.de/pdf- http://library.fes.de/pdf-files/bueros/usa/05878.pdf files/iez/global/05793.pdf Müller, Torsten; Platzer, Hans-Wolfgang; Rüb, Stefan – Interna- Thakur, Ramesh; Boulden, Jane; Weiss, Thomas G. – Can the NPT tional Framework Agreements – Opportunities and Limitations of a Regime be fixed or should it be abandoned?; Occasional Paper 40, New Tool of Global Trade Union Policy; Global Trade Union Program, http://library.fes.de/pdf-files/iez/global/05760.pdf BRIEFING PAPERS, No. 8 Zugui, Goa – Constructive Intervention and Harmonious World. Rude, Christopher – The Global Financial Crisis: What Needs To Be China’s Evolving Outlook on Sovereignty in the Twenty-first Century; Done?,Briefing Paper 12-2008, FES New York Briefing Paper 12

Textbeiträge in dieser Ausgabe des FES-Info: Merin Abbass; Anna Abelmann-Brockmann; Erfried Adam; Beate Kathrin Meißner; Ralf Melzer; Anja Minnaert; Helmut Mörchen; Irina Bartoldus; Astrid Becker; Anna Bischof; Svenja Blanke; Tina Marie Blom; Mohr; Dietmar Molthagen; Henriette Müller; Marius Müller-Hennig; Gisela Hans Blumenthal; Heinz Bongartz; Ruth Brandherm; Max Brändle; von Mutius; Reinhard Naumann; Nicole Nestler; Kerstin Ott; Tobias Paul; Evamaria Brehm; Jochen Dahm; Oliver Dalichau; Katrin Dapp; Anja Werner Puschra; Daniel Reichart; Franziska Richter; Stefanie Ricken; Dargatz; Michael Dauderstädt; Knut Dethlefsen; Uta Dirksen; Cilia Ebert- Michael Roll; Ingrid Ross; Magda Schirm; Felix Schmidt; Horst Schmidt; Libeskind; Matthias Eisel; Samir Farah; Roland Feicht; Bernd Fiedler; Philipp Michael Schneider; Markus Schreyer; Franziska Schröter; Michael Schult- Fink; Michael Fischer; Sarah Ganter; Steffen Grammling; Rainer Gries; heiss; Alexander Schulz; Günther Schultze; Erwin Schweisshelm; Anne Anne Haller; Peter Häussler; Elmar Haug; Hannelore Hausmann; Mirko Seyfferth; Vladimír Špánik; Barbara Stiegler; Susanne Stollreiter; Sarah Hempel; Ralf Hexel; Marius Müller-Hennig; Ernst Hillebrand; Peter Hurrel- Tangen; Rudolf Traub-Merz; Peer Teschendorf; Urban Überschär; Britta brink; Heinz Albert Huthmacher; Matthias Jobelius; Martin Johr; Christian Utz; Winfried Veit; Achim Vogt; Jost Wagner; Ringo Wagner; Helmut Kellermann; Anna Kellner; Kathrine Kollenberg; Helmut Kurth; Nora Weber; Anja Wehler-Schöck; Martin Weinert; Frederic Werner; Lothar Langenbacher; Emil Lieser; Annette Lohmann; Gero Maass; Thomas Witte; Gaby Wittpohl; Lukas Zidella; Jana Zitzler Mättig; Simone Mayer; Katharina Meier; Veronika Meier; Marc Meinardus;

Impressum Redaktion: Peter Donaiski, Pressestelle Berlin Hiroshimastraße 17, D-10785 Berlin Herausgeber: Telefon: 030 269 35 - 7038 Friedrich-Ebert-Stiftung Telefax: 030 269 35 - 9244 Kommunikation und Grundsatzfragen Email: [email protected] D-53170 Bonn Godesberger Allee 149 Herstellung, Satz & Layout: Publix, Harald Eschenbach, Berlin D-53175 Bonn Re-Design: Wolfgang Rabe, Berlin Telefon: 0228 883-7031 / 7032 Druck: braunschweig druck GmbH, Braunschweig Titelfotos: Internet: Printed in , Januar 2009 www.fes.de Gedruckt auf 90 g matt gestrichen chlorfrei gebleicht Offset Email: [email protected] ISSN 0942-1351

4 / 2 0 0 8 INFO FES Friedrich-Ebert-Stiftung  D-53170 Bonn Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – G 42452

Serge Embacher / Susanne Lang Lern- und Arbeitsbuch Bürgergesellschaft

402 Seiten, Broschur 24,00 Euro ISBN 978-3-8012-0379-5

Neuerscheinung

Das neue Lern- und Arbeitsbuch zeigt die Leistungsfähigkeit des Konzepts Bürgergesellschaft an praktischen Anwendungsfällen. Der Band erläutert die Schnittstellen zu Staat und Wirtschaft und klärt auf über unterschiedliche politische Verwendungsweisen und Verwertungsinteressen. Vor allem aber will er zu bürgerschaftlichem Engagement befähigen und ermutigen.

Der Begriff „Bürgergesellschaft“ hat sich binnen weniger Jahre zu einem politischen Grundbegriff entwickelt. Was steckt dahinter? Ist die Bürgergesellschaft ein demo- kratischer Impuls „von unten“ gegen die „große“ Politik und einen übermächtigen Staat? Oder soll sie dem Abbau des Sozialstaats als Feigenblatt dienen? Sie hat von allem etwas: demokratische Erneuerung ebenso wie Partizipationsillusion, Modernisierung ebenso wie Entlastung des Sozialstaats. Und sie macht es denen, die sich in ihr zurechtfinden wollen, nicht leicht. Das Lern- und Arbeitsbuch Bürgergesellschaft empfiehlt sich als Begleiter und Wegweiser für engagierte Bürgerinnen und Bürger, die ihre eigene Rolle und deren Rah- menbedingungen besser verstehen wollen, um sich wirkungsvoll in ihre eigenen Ange- legenheiten einmischen zu können.

Susanne Lang geb. 1962, Dr. phil., Politikwissenschaftlerin; Politikberaterin an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissen- schaft im In- und Ausland; thematische Schwerpunkte: bürgerschaftliches Engagement, Zivilgesellschaft und Corporate Citizenship; Leiterin des CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland Serge Embacher geb. 1965, Dr. phil., Politikwissenschaftler und Publizist; wissenschaftliche Schwerpunkte: Demokratietheorie, Theorie der Öffentlichkeit, Macht- und Herrschaftssoziologie, Gouvernementalitätsstudien

Verlag J.H.W. Dietz Nachf. – Dreizehnmorgenweg 24 – 53175 Bonn – www.dietz-verlag.de