Das Gesellschaftsbild in amerikanischen „domestic sitcoms“ am Beispiel der drei Serien „Bill Cosby Show“, „“ und „Eine schrecklich nette Familie“

Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium der Freien Universität Berlin

vorgelegt von

Frank Schlegel

Berlin, 9. April 2001 1

Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG...... 2

2 ZUM STAND DER FORSCHUNG...... 5

3 DOMESTIC SITCOM: GENRE-DEFINITION ...... 11

3.1 Definition: „Situation Comedy“ ...... 11

3.2 Die „domestic sitcom“ - Definition und Rollenstruktur...... 17

4 KOMIKTHEORIEN...... 20

5 DIE GESCHICHTE DER „DOMESTIC SITCOM“...... 28

5.1 Vorgänger der „domestic sitcom“...... 28

5.2 Darstellung von Familien- und Gesellschaftsbild in der Geschichte der Sitcom...... 29 5.2.1 Die 50er Jahre ...... 31 5.2.2 Die 60er Jahre ...... 32 5.2.3 Die 70er Jahre ...... 34 5.2.4 Die 80er Jahre ...... 38

6 UNTERSUCHUNG DREIER AUSGEWÄHLTER SITCOMS...... 42

6.1 Die „Bill Cosby Show“ ...... 42 6.1.1 Allgemeine Informationen ...... 42 6.1.2 Die Komik der Vaterfigur: Cliff Huxtable...... 45 6.1.3 Die Komik der Mutterfigur: Clair Huxtable...... 52 6.1.4 Die Komik der Kinder...... 57 6.1.5 Komik und Familienbild ...... 59

6.2 „Roseanne“...... 67 6.2.1 Allgemeine Informationen ...... 67 6.2.2 Die Komik der Vaterfigur: ...... 71 6.2.3 Die Komik der Mutterfigur: Roseanne Conner...... 77 6.2.4 Die Komik der Kinder...... 83 6.2.5 Komik und Familienbild ...... 84

6.3 „Eine schrecklich nette Familie“...... 91 6.3.1 Allgemeine Informationen ...... 91 6.3.2 Die Komik der Vaterfigur: Al Bundy ...... 95 6.3.3 Die Komik der Mutterfigur: Peggy Bundy...... 98 6.3.4 Die Komik der Kinder...... 101 6.3.5 Komik und Familienbild ...... 105

6.4 Vergleich...... 109

7 SCHLUSS ...... 114

LITERATUR...... 117

ANHANG: ...... 120 2

1 Einleitung

Im US-amerikanischen Fernsehen beherrschen Comedy-Serien bereits seit der Frühzeit des Mediums, Anfang der 50er Jahre, den Bildschirm. In den 70er waren sogar acht von ihnen unter den zehn meist gesehenen Sendungen1, und bis heute sind sie noch immer als wichtiger Bestandteil der kommerziellen Fernsehunterhaltung auf den besten Sende- plätzen zu finden. 2 Mit dem Aufkommen des Privatfernsehens in Deutschland in den 80er Jahren hielt das Genre auch hierzulande Einzug. Mittlerweile hat sich auch in Deutschland langsam eine Fernsehindustrie entwickelt, die neue Comedy-Konzepte entwickelt. Nach wie vor wird aber auch das deutschen Fernsehprogramm von Comedy-Serien amerikanischer Pro- duktion dominiert. Zu den ersten Comedies, die in den 80er Jahren in Deutschland zu sehen waren, gehör- ten Familienserien wie „Hilfe, wir werden erwachsen!“ („Family Ties“), „Golden Girls“ („The Golden Girls“), „Wer ist hier der Boss?“ („Who’s the Boss?“) und die in dieser Arbeit näher betrachtete „Bill Cosby Show“ („Cosby Show“). Wenig später kamen so erfolgreiche Serien wie „Roseanne“ oder „Eine schrecklich nette Familie („Married ... With Children“) dazu, die auch von dem Boom der Privatsender Anfang der 90er Jahre profitierten und bis heute in regelmäßigen Abständen an unterschiedlichen Sendeplätzen zu sehen sind.

Versucht man der Frage auf den Grund zu gehen, was das Genre der Comedy-Serie so beliebt macht, stößt man zuerst auf ihre ureigenste Eigenschaft, die Komik, und ihr kon- stantes Bestreben, die Bedürfnisse ihres Publikums nach Unterhaltung zu befriedigen. 3 Da es sich bei den Protagonisten der meisten Sitcoms um Familienmitglieder handelt, ist es jedoch besonders interessant, zu untersuchen, wieviel Komik von den einzelnen Charakteren ausgeht, und ob sie über die bloße Unterhaltung hinaus durch das Lachen des Publikums in ihrem Rollenverhalten innerhalb der Familie bestätigt oder abgelehnt

1 Vgl. Susan Horowitz, Sitcom Domesticus: A Species Endangered by Social Change. In: Horace Newcomb (Hrsg.), Television. The Critical view, , Oxford 1986 (2), 1987 (4), 106. 2 Vgl. Darrell Y. Hamamoto, Nervous Laughter: Television Situation Comedy and Liberal Democratic Ideology, New York 1989, 1. 3 Vgl. Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik in ausgewählten amerikanischen Comedyserien. Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium, Hamburg 1996, 1. 3 werden, inwieweit also durch die Komik ein bestimmtes Verständnis von Familien- und letztlich auch Gesellschaftsrollen vermittelt wird. Diese Frage ist umso bedeutungsvoller hinsichtlich der Tatsache, dass die Fernseh-Co- medy zu den beliebtesten Fernsehformaten gehört und dass das Fernsehen als Massen- medium die größtmögliche Verbreitung der Komik bietet.4 Ella Taylor bemerkte über das Verhältnis des Fernsehens zur Familie: „The ubiquity of television and its intensely domestic character make it an ideal narrative form in which to observe changing ideas about family. It is watched by a vast number of people in their homes; its advertizing is geared to both: the parts and the whole of the family unit.“ 5 In der Forschung wird immer wieder auf die Familie als kleinste soziale Gruppe und die Beziehung des privaten Haushalts zu der gesamten Gesellschaft Bezug genommen. 6 So fällt Taylor etwa ein heftig geführter intellektuellen Diskurs über die Betrachtung der Familie – wenn nicht als Quelle, so doch – als zentralen Austragungsort von sozialen Konflikten auf.7 Dabei geht es unter anderem um die Frage, inwieweit sich gesell- schaftliche Veränderungen im Familienalltag widerspiegeln, zum Beispiel durch einen Anstieg der Scheidungsraten seit dem Ende der 60er Jahre, Zweitehen, Alleinerziehende Eltern oder Single-Haushalte. Die Form der Komödie ist dabei, wie Neale und Krutnik es bemerken, seit Aristoteles das angemessenste Genre, um dieses Alltagsleben zu repräsentieren. 8 Sinclair Goodland sieht in der Fernseh-Comedy sowohl eine Reflexion der Wirklichkeit als auch einen ei- genen Teil von ihr, wenn sagt, sie sei beides: einerseits „expressive aspect of culture, reflecting our perception of contrasted social norms and values“ und andererseits „in- strumental aspect of culture, one dimension in a complex social construction of rea- lity“.9 Weiter bezeichnet er die Comedy als ein soziologisches Phänomen, und als eine Institution, von der er sagt, sie „contrasts social norms and values in conditions of pu- blic performance.“10 Als eine solche soziale Institution gibt sie Rollenmuster vor. Diese Rollen werden definiert durch symbolische Interaktionen. So ist zum Beispiel das La- chen des Fernsehzuschauers über eine von ihrem Rollenverhalten abweichende Figur

4 Vgl. Sinclair Goodland, On the Social Significance of Television Situation Comedy. In: C.W.E. Bigsby (Hrsg.) Approaches to Popular Culture. London 1976, 216. 5 Ella Taylor, Prime Time Families, University of Califormia, Berkeley 1989, 1. 6 Vgl. Mary Beth Haralovich, Sitcoms and Suburbs. Positioning the 1950s Homemaker. In: Quarterly Review of Film and Video, New York 1989, 11/1, 62. 7 Taylor, 5. 8 Steven Neale/ Frank Krutnik, Popular Film and Television Comedy, London 1990, 11. 9 Goodland, 213. 4 die symbolische Interaktion mit einem fiktiven sozialen Umfeld. Aus diesem Grund eignet sich das Comedy-Genre besonders gut, soziale Normen und Werte zu definieren mit Hilfe von komischen Rollen, die von diesen Normen abweichen. Goodland zitiert hierzu H.D. Duncan: „A social order defines itself through disorder as well as order. Impropriety sets limits; they begin the moment of negation where the positive content of a role ends. Without such limits a role cannot take form.“11 Im Folgenden soll anhand der drei „domestic sitcoms“ „Bill Cosby Show“, „Roseanne“ und „Eine schrecklich nette Familie“ heraus gearbeitet werden, was an den einzelnen Familienmitgliedern als komisch dargestellt wird und auf welche Weise durch das La- chen des Publikums ein bestimmtes Familien- und Gesellschaftsbild vermittelt werden soll. Hierzu werden von allen drei Familien-Sitcoms jeweils zehn Beispiel-Folgen in ih- rer deutschen Synchronfassung näher betrachtet und auf die Verteilung der Publikums- lacher auf die einzelnen Seriencharaktere untersucht. Dabei ist anzumerken, dass diese Lacher von einer extra Tonspur kommen und von den Produzenten nachbearbeitet wur- den. Sie spiegeln also nur ein subjektives Bild dessen wieder, wovon die Macher glaubten, dass es das Publikum komisch fände – abgesehen davon, dass es eine objek- tive Komik nicht gibt. Auf die Verwendung der Lacher wird an späterer Stelle noch nä- her eingegangen. Bevor die drei Serien betrachtet und miteinander verglichen werden, soll jedoch zu- nächst das Seriengenre der „situation comedy“ – kurz: Sitcom – sowie deren Unter- gruppe der „domestic sitcom“, also der Familien-Sitcom, definiert werden. Anschlie- ßend wird in einem allgemeinen theoretischen Teil auf die Komik in Sitcoms eingegan- gen, sowie auf deren Erscheinungsformen, Zweck und Wirkung Bezug genommen, be- vor sich ein weiteres Kapitel mit den Vorläufern der Sitcom und mit der Geschichte der Comedy-Serien im Fernsehen von den Anfängen bis in die 80er Jahre befasst. Zuerst folgt jedoch einen Überblick über die zu diesem Thema erschienene Literatur.

10 Goodland, 216. 11 H.D. Duncan, Communication and Social Order, New York 1962, S. 281; vgl. a. Goodland, 221. 5

2 Zum Stand der Forschung

Der großen Popularität, die das Sitcom-Genre seit den 50er Jahren in den USA und seit zwei Jahrzehnten auch in Deutschland genießt, steht eine noch immer eher marginale wissenschaftliche Auseinandersetzung gegenüber. Außerdem ist bemerkenswert, dass sich vergleichsweise wenig deutschsprachige Literatur zu diesem Thema findet und man vorwiegend auf englischsprachige, US-amerikanische Autoren zurückgreifen muss. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der längeren Tradition der Sitcom Produktion in den USA und England und der noch immer vorherrschenden Dominanz amerikanischer Comedy-Serien auf dem deutschen Fernsehmarkt gegenüber deutschen Serien. Auch in der deutschen Forschungsliteratur herrscht deshalb die Behandlung von Serien amerika- nischer Produktionen vor. Dabei handelt es sich vorwiegend um Aufsätze, die weniger in film- und fernsehwissenschaftlichen Zeitungen zu finden sind als im Bereich der So- ziologie oder der Massenkommunikationsforschung unter den Stichworten Humor, Ideologie oder Programmpolitik.12

Zu den frühesten umfassenden Abhandlungen über das Genre der Sitcom zählt die viel zitierte Monographie von Horace Newcomb aus dem Jahre 1974, in der er die Unter- scheidung zwischen zwei Formen der Comedy-Serie vornimmt: der „situation comedy“ auf der einen Seite und dem sanfteren, häuslicheren Subgenre, der „domestic co- medy“.13 Neun Jahre später, im Jahre 1984, veröffentlichte David Marc seine Monographie zum historischen Kontext der Fernseh-Comedy, in der er die Unterschiede der Situation Co- medy und der langen literarischen Tradition der Komödie untersucht und zu dem Schluss kommt, das „Ende der Comedy“ sei erreicht. Die Sitcom, so seine Erkenntnis, habe alle anderen Formen der Comedy aus der „Prime Time“ des Fernsehens ver- drängt.14 Im Vergleich zur konventionellen Komödie, die seiner Ansicht nach immer die

12 Vgl. Annette Brauerhoch, What's the Difference? Adaptionen amerikanischer Situation Comedies im deutschen Fernsehen. In: Irmela Schneider (Hrsg.), Serien-Welten. Strukturen US- amerikanischer Serien aus vier Jahrzehnten. Opladen 1995, 195. Vgl. a. Witthoefft, 4ff. 13 Horace Newcomb, TV: The Most Popular Art. Garden City, New York 1974. 14 David Grote, The End of Comedy. The Sit-Com and the Comedic Tradition, Hamden/ Conn. 1983, 173. 6 kulturellen Hoffnungen in der westlichen Gesellschaft ausgedrückt hat, habe die neue Fernseh-Comedy keine Hoffnung außer der, dass die Dinge nicht schlechter werden. 15 Darrell Y. Hamamoto stellt in seinem 1989 erschienenen umfangreichen Überblick über die amerikanische „situation comedy“ dar, wie sich die öffentliche Auffassung in kultu- reller und politischer Hinsicht vom Ende der 40er bis zu den 80er Jahren geändert hat und wie sich Ideale, Vorurteile und Ideologien der Mehrheit der amerikanischen Bevöl- kerung in der Sitcom widerspiegeln, die er als die „most popular American art form“ bezeichnet. Dabei nimmt er unter anderem auch Bezug auf die Darstellung eines meist idealisierten Familienlebens in den 80er Jahren. 16 Auch Steven Neale und Frank Krutnik, die sich in ihrer Arbeit aus dem Jahre 1990 mit Formen und Funktionsweisen von Komik in Sitcoms auseinandersetzen, vertreten den Standpunkt, dass diese Serien ein wesentlicher Bestandteil des „Prime-Time“-Fernseh- programms sind, und auch wenn die Handlung manchmal von der Lebenssituation der „Durchschnittsfamilie“ abweicht, ist sie doch für jeden lesbar.17 Eine deutschsprachige Autorin, deren Forschungsergebnisse auch für die vorliegende Arbeit von großem Interesse waren, ist Brigitte Witthoefft, die sich in ihrer Examensar- beit aus dem Jahre 1996 ebenfalls mit dem theoretischen Bereich der Formen und Funktionsweisen von Komik in Comedy-Serien befasst hat und dabei versucht hat, Theorien und Erkenntnisse der Komikforschung auf die Beispiele der drei Serien „Gol- den Girls“, „Bill Cosby Show“ und „Eine schrecklich nette Familie“ anzuwenden. Da- bei hat sie anhand von jeweils zehn Folgen der Serien die durch die Lacher vom Band markierten komischen Ereignisse quantitativ und qualitativ untersucht, um herauszuar- beiten, wie Komik funktioniert und welche Inhalte und Techniken in Comedy-Serien eingesetzt werden. 18 Eine relativ aktuelle deutschsprachige Arbeit hat die Medienwissenschaftlerin und Fern- sehautorin Daniela Holzer 1999 veröffentlicht, in der sie sich allerdings vorwiegend mit der Entwicklung der immer zahlreicher werdenden Sitcoms deutscher Produktion be- schäftigt, im ersten Teil aber auch einen zusammenfassenden Überblick über Definition

15 Grote, 174. 16 Darrell Y. Hamamoto, Nervous Laughter: Television Situation Comedy and Liberal Democratic Ideology, New York 1989. 17 Steven Neale/ Frank Krutnik, Popular Film and Television Comedy, London 1990. 18 Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik in ausgewählten amerikanischen Comedyserien, Hamburg 1996. 7 des Genres, historische Vorgänger und Produktionsweisen der US-amerikanischen Vor- gänger bietet.19 Vier weitere themenübergreifende Monographien sind an dieser Stelle noch zu nenne: der medienhistorische Abriss von Steven D. Stark aus dem Jahre 1997 über fünf Jahr- zehnte amerikanischer Geschichte der Fernsehserien, deren Produktionsweisen, Inhalte und Wirkungen, 20 außerdem die etwas ältere Arbeit von Hal Himmelstein über die der Sitcom zugrundeliegenden Mythen aus dem Jahre 1984. Himmelstein vertritt darin un- ter anderem die These, dass Comedy immer an Zeit und Ort gebunden ist, und sich an die jeweiligen Lebensbedingungen einer Gesellschaft richtet, in der sie produziert wird, und dass sie sowohl eine widerspiegelnde als auch eine formende Wirkung auf die Ge- sellschaft hat.21 David Marc ist in seinem 1989 erschienenen Überblick über Formen der Fernseh-Co- medy unter anderem auch der Auffassung, dass Sitcoms von Vertrautheit, Identifikation und Bestätigung populärer Auffassungen abhängt 22, und Ella Taylor beobachtet im sel- ben Jahr die gesellschaftlichen Veränderungen und den Wechsel von Familienbildern in der US-amerikanischen Gesellschaft. Die Aufgabe des Fernsehens sieht auch sie dabei eher in einer Reflexion der Sorgen und Wünsche der Fernsehzuschauer als in einer Wiedergabe der wirklichen Lebensbedingungen. 23

Bei den verschiedenen Aufsätzen, die über das Thema Sitcom erschienen sind, gibt es zunächst einmal eine Gruppe, die sich mit der geschichtlichen Entwicklung des Genres beschäftigen. So befasst sich Jack Gladden 1976 mit den historischen Vorgängern der Fernseh-Sitcom in der Zeitung. 24 Lawrence E. Mintz geht 1985 in seinem historischen Überblick über die Programmgeschichte des Fernsehens auf die Entwicklung des Gen- res ein, wobei der Schwerpunkt, in Anknüpfung an Grote und Newcomb, auf der Be- schreibung der formalen und inhaltlichen Genremerkmale liegt. Mintz kommt dabei zu dem Schluss, dass – da Comedy-Serien oft mehrdeutige oder widersprüchliche Bot- schaften transportieren – eine Analyse des Serientextes möglichst breit angelegt sein sollte und „an awareness of the meaning of formula, convention, premise, episode-

19 Daniela Holzer, Die deutsche Sitcom, Bergisch-Gladbach 1999. 20 Steven D. Stark, Glued to the Set. The 60 Television Shows and Events That Made Us Who We Are Today, New York 1997. 21 Hal Himmelstein, Television, Myth and the American Mind, New York 1984. 22 David Marc, Comic Visions: Television Comedy and American Culture, Boston 1989. 23 Taylor, 153. 8 theme, characterization, and both verbal and visual imagery“ umfassen muss.25 Zu den Arbeiten über die einzelnen Entwicklungsphasen des Genres gehört nicht zuletzt auch die Arbeit Patricia Mellencamps aus dem Jahre 1986, die sich mit den in den 50er Jah- ren von Lucille Ball und Gracie Allen verkörperten Frauenfiguren in den Serien „I Love Lucy“ und „The Burns and Allen Show“ beschäftigt.26

Mehrere Aufsätze behandeln auch ausschließlich die einzelnen Geschlechter. und Fa- milienrollen der Charaktere in Sitcoms. Andrea Press und Terry Strathman untersuchen zum Beispiel 1993 die Präsentation von Frauen in den einzelnen historischen Phasen der Sitcom27, und auch Heike Kühn befasst sich ein Jahr später mit dem Frauenbild in Comedy-Serien. 28 Mit der Vaterrolle im Fernsehen und deren Veränderung bis hin zu einem „Antipatriarchalismus“ und dem Beginn eines „Pseudofeminismus“ befassen sich die Untersuchungen von Mark Crispin Miller aus dem Jahre 198629; June M. Frazer und Timothy C. Frazer vergleichen in ihrem Aufsatz von 1993 die beiden Serien „Father knows best“ (1954-1963) und die „Bill Cosby Show“ unter anderem in Bezug auf Ge- schlechterklischees und stellen sich die Frage, ob diese Serien ein realistisches Bild ei- ner Familie oder eher ein Idealbild abgeben. 30 Sowohl mit Geschlechterrollen als auch mit dem Auftreten von Charakteren aus unterschiedlichen sozialen Schichten befasst sich der Aufsatz von John Carlos Rowe aus dem Jahr 1990, der dabei den Zeitraum zwischen 1950 und 1980 betrachtet hat.31

24 Jack Gladden, Archie Bunker meets Mr. Spoopendyke. Nineteenth Century Prototypes for Domestic Situation Comedy. In: Journal of Popular Culture, 10/1, 1976. 25 Lawrence E. Mintz, Situation Comedy. In: Brian G. Rose (Hrsg.), TV Genres. A Handbook and Reference Guide. Westport/ Conn. und London 1985, 121. 26 Patricia Mellencamp, Situation comedy, feminism and Freud. Discourses of Gracie and Lucy. In: Tanja Modleski (Hrsg.) u.a., Studies in Entertainment. Critical Approaches to Mass Culture, Bloomington/ Ind. 1986, S. 80-95. 27 Andrea Press/ Terry Strathman, Work, Family and Social Class in Television Images of Women. Prime-Time Television and the Construction of Postfeminism. In: Women and Language, 1993 (Herbst), 16/2, S. 7-15. 28 Heike Kühn, Eine internationale Frauensache. Sitcoms und andere Konserven. In: medium, zeitschrift für hörfunk, fernsehen, film, presse, 1994, 24 (spezial), S. 63-66. 29 Mark Crispin Miller, Deride and conquer, In: T. Gitlin (Hrsg.), Watching television, New York 1986, S. 183-228. 30 June M. Frazer/ Timothy C. Frazer, „Father Knows Best“ and „The Cosby Show“. Nostalgia and the Sitcom Tradition. In: Journal of Popular Culture, 1993, 27/3, S. 163-172. 31 John Carlos Rowe, Metavideo. Fictionality and Mass Culture in a Postmodern Economy. In: Patrick O'Donnell (Hrsg.)/ Robert Con Davis (Hrsg.), Intertextuality and Contemporary American Fiction, Baltimore 1989, S. 214-235. 9

Über die Darstellung von Gesellschaft in Comedy-Serien und die Wirkung von Fern- sehprogrammen auf die Gesellschaft finden sich eine ganze Anzahl von Aufsätzen. Ronald Berman weist 1987 auf den Gegenwartsbezug des Fernsehens hin, und bemerkt, dass Fernsehen immer ein Spiegel dessen ist, was das Publikum sehen will, oder wovon die Produzenten denken, dass es das sehen will. Die Sitcom behandele zwar soziale Ge- sichtspunkte, jedoch ohne eine Aussage daraus abzuleiten. 32 In Bezug auf die Untersuchung von Gesellschafts- und Geschlechterrollen ist vor allem Richard Butsch, der 1992 das Auftreten der verschiedenen sozialen Schichten in der Fernseh-Sitcom betrachtet. Dabei beobachtet er unter anderem die quantitative Vertei- lung von Arbeiter- und Mittelschicht-Charakteren und konzentriert sich auf die Frage, wie Geschlechterrollen benutzt werden, um gegensätzliche Bilder der sozialen Schich- ten zu konstruieren. 33 Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu erwähnen sind unter anderem der Aufsatz von Annette Brauerhoch, die 1995 die Schwierigkeit deutscher Serien-Adaptionen von ame- rikanischen Originalen beschreibt, und in diesem Zusammenhang den Erfolg einer Sit- com von der jeweiligen gesellschaftlichen Realität abhängig macht34, sowie die Arbeit von Susan Horowitz aus dem Jahre 1984, die die damalige Krise der „situation comedy“ mit den Anpassungsproblemen der Comedy-Serien an die sich verändernden Familien- strukturen in der Realität der Fernsehzuschauer erklärt.35 John Bryant behandelt in einer frühen Arbeit von 1978 ebenfalls das soziale Umfeld von Sitcom-Charakteren36, Sinclair Goodland beschäftigt sich bereits zwei Jahre zuvor mit der Frage, welche Analyseansätze der gesellschaftlichen Bedeutung von Comedy- Serien am ehesten gerecht werden37, und Judine Mayerle befasst sich 1991 anhand einer Fallstudie der Sitcom „Roseanne“ mit der Arbeiterklasse-Serie.38

32 Ronald Berman, How Television Sees Its Audience. A Look at the Looking Glass. Newbury Park u.a. 1987, 27. 33 Richard Butsch, Class and Gender in Four Decades of Television Situation Comedy: Plus ça Change ... In: Critical Studies in Mass Communication, 1992, 9/4, S. 387-399. 34 Annette Brauerhoch, What's the Difference? Adaptionen amerikanischer Situation Comedies im deutschen Fernsehen. In: Irmela Schneider (Hrsg.), Serien-Welten. Strukturen US-amerikanischer Serien aus vier Jahrzehnten. Opladen 1995, S. 195-210. 35 Susan Horowitz, Sitcom Domesticus: A Species Endangered by Social Change. In: Horace Newcomb (Hrsg.), Television. The Critical view, New York, Oxford 1986 (2), 1987 (4), S. 106-111. 36 John Bryant, Emma, Lucy and the American Situation Comedy of Manners. In: Journal of Popular Culture, 1979, 13/2, S. 248-256. 37 Sinclair Goodland, On the Social Significance of Television Situation Comedy. In: C.W.E. Bigsby (Hrsg.) Approaches to Popular Culture. London 1976, S. 213-225. 38 Judine Mayerle, „Roseanne“ - How Did You Get Inside My House? A Case Study of a Hit Blue- Collar Situation Comedy. In: Journal of Popular Culture, 1991, 24/4, S. 71-88. 10

Zuletzt seien hier noch einige Arbeiten aufgeführt, die sich mit der Analyse einzelner Sitcoms befassen, wie Reinhard Mohrs kurzer deutschsprachiger Aufsatz von 1994 über die Serie „Eine schrecklich nette Familie“39 oder Dave Berkmans Arbeit ein Jahr zuvor über die drei Serien „Eine schrecklich nette Familie“, „Roseanne“ und „Die Simpsons“, die seiner Meinung nach alle drei „das Gesicht und die Natur des Fernsehens verändert haben“ – vor allem in Bezug auf eine realistischere Darstellung von Geschlechterbezie- hungen und wirtschaftlichen Verhältnissen. 40 Die „Bill Cosby Show“ wird in einem Aufsatz von Bishetta D. Merritt (1991) unter anderem in Hinblick auf die Darstellung von Schwarzen im Fernsehen betrachtet und außerdem dort als die Wiederbelebung der „situation comedy“ in den 80er Jahren bezeichnet.41 Für die Recherche zu einzelnen Se- rien Folgen ist schließlich auch das Internet sehr gut geeignet, wo sich zum Teil recht ausführliche Episodenführer und umfassende Überblicke finden.

39 Reinhard Mohr, „Al Bundy, übernehmen Sie“. Anmerkungen zu einer schrecklich netten Familienserie. In: medium, zeitschrift für hörfunk, fernsehen, film, presse, 1994, 24 (spezial), S. 73- 75. 40 Dave Berkman, Sitcom Reality. In: Television Quarterly, 1993, 26/4, S. 63-69. 41 Bishetta D. Merritt, Bill Cosby: TV Auteur? In: Journal of Popular Culture, 1991, 24/4, S. 89- 102. 11

3 Domestic Sitcom: Genre-Definition

Bevor in dieser Arbeit drei „domestic sitcoms“ näher betrachtet werden, soll kurz auf die Definition dieses Genrebegriffs eingegangen werden. Während Horace Newcomb die „domestic comedy“ als Parallelform der „situation comedy“ 42 bezeichnet, die Fern- seh-Comedy also in zwei von einander unabhängige Kategorien unterteilt, wird in der Forschung allgemein die eine, die „domestic comedy“ oder „domestic sitcom“, als fa- miliärere Untergruppe bezeichnet, die strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem größeren Sammelbegriff „Sitcom“ oder „situation comedy“ besitzt.43 Neben der „domestic comedy“ zählen verschiedene Forscher weitere unterschiedliche Unterteilungen auf. So nennt John Bryant insgesamt elf Programmtypen, die der „situa- tion comedy“ unterzuordnen sind: „domestic“, „man-woman“, „parent-child“, „single man“, „single woman“, „professional/military“, „ethnic“, „fantasy“, „town hall“ (Sit- coms die auf nachbarschaftlichen Beziehungen basieren) und „parodies“.44 Rick Mitz, der die „domestic sitcom“ verkürzt als „domcom“ bezeichnet, zählt neben ihr noch sechs weitere verwandte Kategorien auf: „kidcoms“, „couplecoms“, „SciFicoms“, „corncoms“, „ethnicoms“ und „carrercoms“.45 An dieser Stelle soll zunächst einmal versucht werden, den Oberbegriff „situation co- medy“, oder „Sitcom“, näher zu definieren.

3.1 Definition: „Situation Comedy“

Formal lässt sich die Sitcom vielleicht am besten beschreiben als ein Fernsehformat mit zyklisch strukturierten Einzelepisoden, in denen meist stereotypisierte, wiedererkenn- bare Figuren in bühnenartig angelegten Handlungsräumen und komischen Situationen und Dialogen interagieren. 46 Die Dauer einer solchen Episode umfasst zwischen 22 und 30 Minuten, je nach dem, wie lange sie von Werbeblöcken unterbrochen wird. Ursprünglich wurden die Folgen in

42 Newcomb, 27. 43 Vgl. Mintz, Situation Comedy, 116. 44 John Bryant, A Checklist of American Situation Comedy. In: American Humor: An Interdisciplinary Newsletter 5, Nr. 2 (Herbst 1978), S. 14ff. 45 Vgl. Mintz, Situation Comedy, 116. 46 Vgl. Witthoefft, 15. 12 den USA wöchentlich ausgestrahlt. In der Sendepraxis der bundesdeutschen Privatsen- der hat sich allerdings ein (werk-)täglicher Zyklus durchgesetzt.47

In der Guinness Television Encyclopedia findet sich folgende Kurzbeschreibung des Genres: „Situation comedy, humorous, episodic series of programmes in which a well defined cast of characters, confined in one location or set of circumstances, respond predictably to new events.“48 Diese Definition weist bereits auf ein wichtiges Wesensmerkmal der Sitcom hin, das entscheidend zur Komik beträgt: der Seriencharakter des Genres gebietet es, dass in den einzelnen Episoden ein fester Stamm von Charakteren immer wieder auftritt, der auf immer neue Situationen mit mehr oder weniger komischen, charaktertypischen Verhal- tensweisen für den Fernsehzuschauer vorhersehbar reagiert. Im Zentrum der „situation comedy“ stehen also nicht so sehr, wie der Name des Genres nahezulegen scheint, die Situation selbst, sondern vielmehr die Charaktere oder Hauptfiguren, die sich in dieser befinden. Auch die New York Times Encyclopedia of Television begründet den Begriff „situa- tion“ in diesem Zusammenhang mit der Tatsache, dass es die Episodenhandlung ist, die das komödiantische Talent des Darstellers aktiviert.49 David Grote führt den Namen „situation comedy“ auf zwei Tatsachen zurück: Erstens sieht auch er die Komik als ein Resultat aus der Kombination zwischen einem vertrauten Charakter und einer in jeder Episode neuen Situation. Dabei kann diese Si- tuation einerseits selbst komisch sein, also bestimmte Ereignisse beinhalten, die bei an- deren ebenso komisch wären. Andererseits kann die Komik auch durch den Konflikt entstehen zwischen dem typischen Verhalten einer Figur und einer Situation, die viel- leicht für jeden anderen völlig gewöhnlich und normal ist. In Familienserien wäre dies

47 Während hierzulande die einzelnen Episoden in den Privatsendern nur einmal innerhalb einer 25-bis 30-minütigen Sendeleiste, etwa nach der Hälfte, durch einen Werbeblock unterbrochen werden – die Serien, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt werden, bleiben werbefrei – sind im US-amerikanischen Fernsehen bis zu drei Werbeunterbrechungen die Praxis. Das Format sieht dann folgendermaßen aus: Nach dem Vorspann, in dem die Serie und ihre Schauspieler vorgestellt werden, folgt der erste Werbeblock. Dann kommt die eigentliche Handlung, die von einem zweiten Werbeblock unterbrochen wird. Am Schluss folgt nach einer dritten Werbeunterbrechung der sogenannte „tag“, eine kurze Schluss-Szene, die an die Serienhandlung angehängt wird, die aber keinen Einfluss mehr auf den Plot hat, sowie der Abspann. Vgl. Rick Mitz, The Great TV Sitcom Book, New York 1988, 3. Vgl. a. Holzer, 13 sowie Neale/ Krutnik, 233. 48 Jeff Evans, The Guinness Television Encyclopedia, Enfield 1995, 479. 49 Vgl. Holzer, 11. 13 zum Beispiel das Verhalten von Kindern gegenüber Phänomen der Erwachsenenwelt, das in seiner gelegentlichen Naivität teilweise unangemessen und deshalb für einen er- wachsenen Betrachter komisch erscheint. Außerdem betrachtet Grote zweitens die jeweilige Serie im ganzen als eine Situation, in der sich die Charaktere befinden. Diese Ausgangssituation, die am Anfang und Ende je- der einzelnen Episode gleich ist, stellt nach Grotes Ansicht ein wichtigeres Fundament der meisten Serien dar, als die Ereignisse, die dazwischen liegen, oder die Charaktere und deren Handlungen. 50 Auch Horace Newcomb beschäftigt sich mit der Frage, wie „Situation“ definiert werden kann. In dem vorliegenden Kontext bezeichnet er sie als eine weit gefasste Rahmen- handlung von Ereignissen, „the special funny ‚thing‘ that is happening this week to a special set of characters. The characteres will appear at the same time the following week in another funny situation.“51 Neben dieser auf die einzelnen Episoden be- schränkten Definition macht aber auch er, wie Grote, den „Situations“-Begriff an einer zweiten Bedeutung fest: nämlich als Ausgangssituation, die sich gemeinsam mit den beiden weiteren Elementen „complication“ und „confusion“ zu einer Komödienhand- lung zusammenfügt.52 Diese zerfällt demnach in vier grundlegende Teile. Erstens: Die Etablierung der „situation“. Zweitens: „complication“, die Störung der Ausgangssitua- tion, die sobald wie möglich nach der Etablierung eintritt und mit der die Episoden- handlung beginnt. Drittens: „confusion“, das was Newcomb als den Kern dessen be- zeichnet, was an der „situation comedy“ komisch ist, also die Aktion, die seitens der Charaktere auf die Störung der Ausgangsposition erfolgt. Viertens: die Auflösung des Konflikts und die Wiederherstellung der Ausgangssituation53, oder wie es Neale und Krutnik ausdrücken: der Prozess der „destabilization – restabilization“.54 Das komödientypische Merkmal des „happy ending“ ist nach Newcombs Ansicht ein wichtiger Bestandteil für die Popularität des Sitcom-Genres. Nicht nur die Tatsache, dass es unterhaltsam ist, macht seinen Reiz aus, sondern das Publikum weiß vor allem auch, es wird immer eine Lösung gefunden, und „everything always comes out all right“.55

50 Grote, 60. 51 Newcomb, 31. 52 ders., 32. 53 ders., 39. 54 Neale/ Krutnik, 234. 55 Newcomb, 40f. Vgl. a. Witthoefft, 12. 14

Im Gegensatz zum klassischen Komödiendrama unterscheidet sich der Plot in den Sit- com-Episoden darin, dass er weder eine Weiterentwicklung der Charaktere noch der Ausgangssituation beschreibt. Getreu den Gesetzen der Serie folgend beschreibt die Handlung der Sitcom keine ein Linie von A nach B sondern einen Kreis, der am Ende der Episode wieder an dem Punkt geschlossen wird, an dem die Folge gestartet ist.56

Eine weitere Definition der Sitcom präsentiert Lawrence E. Mintz:“A sitcom is a half- hour series focused on episodes involving recurring characters within the same pre- mise. That is, each week we encounter the same people in essentially the same setting. The episodes are finite; what happens in a given episode is generally closed off, ex- plained reconsealed, solved at the end of the half hour.“57 Dadurch dass die Verhaltensweisen der Charaktere stets gleich sind und somit vorher- sehbar für das Publikum, wird eine Vertrautheit gegenüber den Fernsehzuschauern ge- schaffen, was auf diese Weise vermutlich mit zur Beliebtheit einer Serie beiträgt. Die oftmals stereotypisierten Wesensmerkmale der Hauptfiguren basieren auf ritualisiertem Humor, der sich für gewöhnlich solcher Mittel bedient wie running gags, physischer und gestischer Komik sowie „one-liners“, also: pointierte knappe Antworten und Kom- mentare, die einen Lacher hervorrufen sollen. 58 Newcomb, der, wie bereits erwähnt, den Charakteren eine bedeutende Rolle in der Sit- com zuspricht, betrachtet sie sowohl als Ausgangspunkt als auch als Ziel des Humors. Dabei tun sie lediglich das, was sie immer tun und was sie immer tun werden. 59 Darüber hinaus gebietet es die Komödiensituation, dass die Hauptfiguren niemals in ernsthaften Schwierigkeiten stecken, die sich nachhaltig auf ihr Leben auswirken. Stress als Reaktion auf die gestörte Ordnung wird nie als bedrohlich, sondern immer als ko- misch dargestellt.60 Berman stellt außerdem fest, dass die Charaktere in Sitcoms, ähnlich zu denen in Sei- fenopern oder Kriminalserien, meistens keine identifizierbare politische Einstellung

56 Vgl. Grote, 66 sowie Witthoefft, 11. Vgl. a. Jane Feuer, Genre Study and Television. In: Robert Clyde Allen (Hrsg.), Channels of Discourse. Television and contemporary criticism, Chapel Hill/ NC 1987, 120. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, bei denen sich die Episodenhandlung über zwei oder sogar drei Folgen erstreckt. So kommen beispielsweise bei „Eine schrecklich nette Familie“ 16 Zweiteiler und sogar zwei Dreiteiler vor. Am Ende wird die Handlung aber wie bei den Einzelepisoden wieder abgeschlossen. 57 Mintz, Situation Comedy, 115. 58 Vgl. Himmelstein, 115. 59 Newcomb, 34. 60 ders., 35. 15 oder religiöse Ausrichtung besitzen. Natürlich gibt es in dieser Hinsicht mehrere Aus- nahmen61, aber im Allgemeinen dreht es sich unter den Sitcom-Charakteren um zwi- schenmenschliche Probleme, die jedem Fernsehzuschauer bekannt und vertraut sind. Diese weitestgehende Abkehr von der realen Außenwelt zu einer fiktiven Serienwelt ist natürlich vor allem dem Anliegen der Sitcom geschuldet, ein möglichst breites Publi- kum zu erreichen und möglichst zeitlos zu sein. 62 Dass die Sitcom sich dabei thematisch meist auf die zwei für das Publikum vertrauten Basisbereiche Arbeit und Heim konzentriert, erlaubt obendrein das Filmen in Innen- räumen mit Video und verstärkt damit noch die Illusion von Vertrautheit.63 Abgesehen von den wesentlich kostengünstigeren Produktionsbedingungen, die eine Studiokulisse mit wenigen verschiedenen Schauplätzen und die Technik der Videoaufzeichnung im Vergleich zur Kinoproduktion hat, ist das Fernsehmedium auch besser geeignet für fa- miliäre, intime Szenen. 64 Die Handlungsorte beschränken sich auf drei bis vier feste Kulissen. So steht beispiels- weise im Mittelpunkt der „domestic sitcoms“ fast immer die stark standardisierte, idealtypische „television version of the American living-dining-kitchen complex“.65 Die Studioaufnahmen werden mit „stock shots“, z.B. „establishing shots“ wie der Außen- aufnahme des Hauses, in dem die Familienhandlung stattfindet, zu Beginn einzelner Szenen, angereichert.66 Seit der Serie „I Love Lucy“ in den 50er Jahren hat sich in der Sitcom-Produktion die Drei-Kamera-Technik durchgesetzt, wobei je eine Kamera für halbtotale oder halbnahe – manchmal auch amerikanische – Einstellungen sowie für Nahaufnahmen der spre- chenden Personen verwendet wird.67 Die Kamerafahrten und -schwenks werden nur sehr minimal eingesetzt. So besitzt auch die Kameraführung wenig Gemeinsamkeiten mit Kinoproduktionen und unterstützt eher den Bühnencharakter, der auf die Ursprünge

61 So basiert etwa in den beiden 90er-Jahre-Serien „Seinfeld“ und „The Nanny“ („Die Nanny“) ein Teil der Komik auf der jüdischen Identität der Hauptcharaktere. Die deutsche Sitcom „Ein Herz und eine Seele“ lebt gerade von den politischen Vorurteilen des reaktionär-konservativ eingestellten „Ekel“ Alfred Tetzlaff zur Zeit der 70er Jahre. 62 Vgl. Berman, 10. 63 Vgl. Brauerhoch, 199. 64 Vgl. David Konstan, The Premises of Comedy. Functions of Dramatic Space in an Ancient and Modern Form. In: Journal of Popular Film and and Television, 15/4, 1988 (Winter), 181. 65 Newcomb, 30. 66 Vgl. Witthoefft, 14. 67 dies., 13. 16 der Sitcom in der Theaterkomödie sowie der Solo-Stand-Up-Comedy hinweist - auch wenn die Sitcom als ein Standardformat für das Fernsehen verstanden wird.68 Zu dem Theaterbühnencharakter gehört auch, dass bei der klassischen Sitcom-Produk- tion in der Regel vor einem Live-Publikum aufgezeichnet wurde, was nicht zuletzt ein lebendigeres Spiel der Darsteller zum Ergebnis hat.69 Diese Praxis wurde auch bei den in dieser Arbeit betrachteten Sitcoms „Bill Cosby Show“, „Roseanne“ und „Eine schrecklich nette Familie“ angewendet. Am Beispiel von „Roseanne“ sah die typische Arbeitswoche, in der jeweils eine Folge gedreht wurde, etwa folgendermaßen aus: die ersten drei Tage bestanden aus dem Proben des Textes inklusive Improvisationen der Schauspieler und Einrichten des Bühnenbildes, am vierten Tag wurden die Kameraein- stellungen festgelegt und am fünften Tag fand die Aufnahme mit Publikum statt, wobei die Reaktionen und das Gelächter des Publikums mit aufgezeichnet wurden. 70 Dieses im Hintergrund zu hörende Lachen des Publikums haftet dem Genre der Sitcom mittlerweile wie ein Markenzeichen an – wenn auch nicht immer darauf zurückgegrif- fen wurde. So wurde in der Antikriegs-Sitcom, M*A*S*H, die an Außenschauplätzen gedreht wurde, in zahlreichen Folgen auf das Beimischen von künstlichen Lachern ver- zichtet. Auch die Zeichentrickserie „The Simpsons“, und zahlreiche Sitcoms deutscher Produktion, die oftmals außerhalb einer eigens dafür hergerichteten Studiokulisse mit nur einer Filmkamera aufgenommen werden, verzichten völlig darauf. Auch war die Reaktion des Studiopublikums der unterschiedlichsten Manipulationen unterworfen. Die Zuschauer wurden in der Regel mit Applausschildern dazu angehalten an den „richtigen Stellen“ zu lachen. Außerdem wurde die Tonspur nach der Aufnahme noch einmal abgemischt und um fehlende Reaktionen ergänzt („sweetened“).71

Neben seiner Aufgabe, das Fernsehpublikum an den Stellen zum Lachen zu animieren, die von den Produzenten als komisch erachtet werden, stellt dieses für die Sitcom typi- sche Phänomen des „canned laughter“, des Lachens „aus der Konserve“, auch einen

68 Vgl. Newcomb, 26f. 69 Vgl. Holzer, 15. 70 Vgl. Himmelstein, 116. 71 Vgl. Mitz, 15 sowie Marc, Comic Visions, 11. Vor allem bei der Synchronisation importierter Sitcoms für den deutschen Markt stellt sich das Problem, dass die Publikumsreaktionen auf den selben Tonspuren wie die Stimmen der Darsteller liegen, und es nicht möglich ist, sie einfach zu übernehmen und unter die synchronisierte Fassung zu legen. Daher muss die akustische Resonanz des Auditoriums von Lachkonserven imitiert werden, wodurch zwangsläufig die Authentizität der Originalaufnahmen verlorengeht. So erscheinen etwa kurze Pausen, die von den Schauspielern eingelegt werden, um das Lachen des 17 wichtigen Kontrollmechanismus der Reaktionen des „Musterpublikums“72 im Studio dar, an dem stellvertretend die Komödienhandlung getestet wird. Dabei wird dieses Studiopublikum gewissermaßen „an der kurzen Leine gehalten“: Die Zuschauer könn- ten zum Beispiel niemals durch Buhrufe ihre echte Abneigung artikulieren, wenn es die Produzenten nicht wollen. 73 Allerdings muss diese Form der Manipulation auch nicht überschätzt werden. Immerhin wird die Beliebtheit einer Fernsehserie nicht anhand der Anzahl der Lacher gemessen, sondern anhand der Einschaltquoten. 74 Dennoch sollen die Tonband-Lacher natürlich gerade auf diesen Publikumserfolg hinarbeiten, indem sie einen künstlichen Gruppenkonsens erzeugen und gleichzeitig die Wahrnehmung der (intendierten) Komik fördern sollen. 75

3.2 Die „domestic sitcom“ - Definition und Rollenstruktur

Entsprechend der Sitcom-Definition ist die „domestic sitcom“ eine untergeordnete Form der Sitcom in der, wie Butsch es beschreibt, „the main characters are members of a fa- mily and in which the major portion of action is among family members, usually in the home (categorized as protraying a working-class, middle-class or wealthy family“, wo- bei die berufliche Tätigkeit des Familienoberhaupts als Indikator der jeweiligen sozialen Klasse dient.76 Grundlegende Eigenschaften der „domestic sitcom“ sind also: dass die Gruppe der wiederkehrenden Charaktere zumindest eine Mutter oder einen Vater, meist jedoch beides, und für gewöhnlich ein oder mehrere Kinder beinhalten77, und dass sich die für gewöhnlich simple Handlung zum größten Teil in einer häuslichen Umgebung abspielt.78 Innerhalb dieser Familienstruktur, die das Stammpersonal als serielle Konstante zu- sammenhält, folgen die Hauptfiguren meist stark überzeichneten, Rollenmustern der Gruppe79, die allerdings von Familie zu Familie unterschiedlich sein können, wie bei der Betrachtung der drei Beispiel-Serien in dieser Arbeit noch zu sehen sein wird. In der

Studiopublikums abflauen zu lassen, in der deutschen Synchronfassung als unmotiviertes Ausharren, vermeintlicher Texthänger oder schlechtes Timing. Vgl. hierzu Holzer, 16. 72 Vgl. Marc, Comic Visions, 23. 73 ders., 11. 74 ders., 23. 75 Vgl. Witthoefft, 15. 76 Vgl. Butsch, 388. 77 Vgl. Gladden, 167. 78 ders., 174. 18

Regel beziehen sie sich jedoch auf traditionelle Rollen- und Wertvorstellungen, die sie entweder mehr oder weniger erfüllen. Die Rolle des Vaters ist demnach die des Mittelpunktes der Familie. Er ist Anführer, Versorger und Hauptentscheidungsträger.80 In der Komödientradition ist er außerdem derjenige der als moralische Instanz die beiden jungen liebenden Hauptfiguren davon abhält, zu einander zu kommen - was ihnen letztlich allerdings doch gelingt. Die Ko- mödienhandlung stellt daher grundsätzlich eine Bedrohung seiner Machtposition und Autorität dar. 81 Die Mutter der Familie hat dagegen traditionell eher die Aufgabe, für das leibliche Wohl im Haus zu sorgen. Sie ist nicht diejenige, die die Entscheidungen trifft, die sie jedoch mittelbar beeinflusst. Ihre Weisheit und Überlegenheit besteht darin, dass sie dem Vater den Eindruck vermittelt, er sei der Weisere und Überlegene.82 Die Kinder sind am meisten damit beschäftigt, die Probleme des Erwachsen-Werdens zu bewältigen und sind dabei auf die Hilfe und Anleitung der Eltern angewiesen. Kleinere Kinder werden oft als nicht ernst zu nehmende Wesen dargestellt, die die Welt mit ihren eige- nen naiven Augen sehen und deren unreife Bemerkungen oft Grundlage von Komik sind.83 Zwar sind sie von den Eltern abhängig, doch lehnen sie sich permanent gegen sie auf, ohne allerdings ernsthaft deren Autorität zu untergraben. 84

Die gleichbleibende Grundsituation der Fernseh-Sitcom wird vor allem wegen der Kin- der in den „domestic sitcoms“ mit dem Fortbestehen der Serie immer wieder modifi- ziert, aufgrund der Tatsache, dass die Kinder älter werden, von der Schule aufs College gehen, ausziehen oder heiraten und selbst Kinder kriegen. 85 Der größte Teil der Handlung und Plots in der „domestic sitcom“ beschäftigt sich mit Situationen die jedem Fernsehzuschauer alltäglich erscheinen, und die sich auf „das

79 Vgl. Witthoefft, 13. 80 Vgl. Newcomb, 48f. 81 Vgl. Grote, 27. 82 Vgl. Newcomb, 48f. 83 ders., 48f. 84 Vgl. Grote, 32. 85 Natürlich ist eine solche Modifikation der Grundsituation nicht auf die Familiensitcoms beschränkt. So wechselt z.B. auch Mary Richards, die Hauptfigur in der „Mary Tyler Moore Show“ (1970-77) im Laufe der Serienspielzeiten ihre Wohnung. (Vgl. Neale/ Krutnik, 235) Allerdings wird sie in Familienserien schon allein durch das äußerliche Reifen der Kinderdarsteller im Laufe der mehrjährigen Spielzeiten notwendig. 19 wahre Leben“ beziehen sollen. 86 Das Familienleben ist der Schauplatz der komischen Ereignisse, die Familienprobleme sind Motoren der Komödienhandlung. Dabei ist die Narration funktional der Komik untergeordnet. Die Komik stellt das wich- tigste Charaktermerkmal dar,87 das Narrative ist in der „situation comedy“, wie Patricia Mellencamp es ausdrückt, „only the merest overlay, perhaps an excuse“.88 Weder der Inhalt der Handlung noch die narrative Struktur sind von sich aus komisch. Sie dienen lediglich dafür, den Zuschauer mit einem gewissen Maß an Hintergrundwis- sen über die bestehende Situation zu versorgen. Auf dieser Grundlage wird die Komik aus zwei Hauptkomponenten entwickelt: Das ist als erstes verbaler und physischer Hu- mor, der unabhängig von der narrativen Entwicklung aber meist nicht ohne das er- wähnte Hintergrundwissen funktioniert, aus der jeweiligen unmittelbaren Situation hervorgeht, und von Adams als „the genuine situation comedy“ bezeichnet wird.89 Als zweites entsteht ein Teil der Komik durch den entsprechenden Einsatz der techni- schen Mittel des Fernsehens wie Kameraposition, die Wahl des Ausschnitts oder Kame- raschnitte. Die komischen Konflikte basieren im wesentlichen auf menschlichen Fehl- tritten, Versagen, Ungeschicklichkeit oder Enttäuschung, 90 wobei diese Fehltritte in der „domestic sitcom“ mehr als in der übrigen Sitcom im Bereich der zwischenmenschli- chen Interaktion stattfinden. 91

86 Vgl. Gladden, 168. 87 Vgl. Witthoefft, 12. 88 Mellencamp, 91. 89 John Adams, Yes, Prime Minister. „The Ministerial Broadcast“ (Jonathan Lynn and Antony Jay). Social reality and comic realism in popular television drama. In: George W. Brandt (Hrsg.), British Television Drama in the 1980s, Cambridge/ UP 1993, 69. 90 Vgl. Adams, 69. 91 Vgl. Newcomb, 52. 20

4 Komiktheorien

Das nun folgende Kapitel beschäftigt sich mit Theorien zur Wirkung und Funktion von Komik in der Situation Comedy. Dabei geht es weniger um einen allumfassenden Über- blick über sämtliche Komiktheorien. Vielmehr wird weiterhin der Frage nachgegangen, inwieweit die Komik bei der Darstellung eines bestimmten Gesellschafts-, Familien- und Geschlechterrollenbildes in Comedy-Serien mitwirkt und was die Komik an ihnen ausmacht. Zunächst muss jedoch definiert werden, was genau unter dem Begriff Komik zu verste- hen ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Komik in Comedy-Serien erstens immer eine von den Produzenten konstruierte, intendierte Komik ist, und dass sie zweitens nicht zwingend mit der Reaktion des Lachens zusammenhängt. Das Lachen kann einerseits andere, nicht komische physische und psychische Einflüsse haben, ist also kein zuverlässiger Indikator für Komik. Andererseits kann auch ein komischer Akt das gewünschte Ziel, Lachen zu erzeugen, verfehlen. Aus diesem Grund bietet es sich an, für die Komik in Sitcoms eine Arbeitsdefinition von Brigitte Witthoefft zu über- nehmen, die diese in Anlehnung an Attardos Sprechakttheorie aufgestellt hat. Demnach ist ein Text dann als „komisch“ zu bezeichnen, wenn die Wirkungen, die der Sprecher beim Hörer hervorzurufen beabsichtigt (dessen „perlokutionärer Effekt“) Lachen ist.92 Über den Einsatz künstlicher „Konserven“-Lacher in Comedy-Serien zum Zweck der Markierung einer von den Produzenten intendierten Komik für den Zuschauer wurde in dieser Arbeit an anderer Stelle ja bereits eingegangen.

Dem Lachen, das durch die Komik hervorgerufen werden soll - und im günstigsten Fall auch wird –, misst die Komiktheorie aber eine weitaus höhere Bedeutung zu, als die der bloßen Unterhaltung und Belustigung des Zuschauers. Zunächst einmal lassen sich die komiktheoretischen Ansätze in „kognitive“ und „Wirkungstheorien“ unterteilen. Die „kognitiven Komiktheorien“ befassen sich mit dem Prozess der Informationsverar- beitung, der mentalen Operation des Aufnehmens, Speicherns und Vergleichens von In- formationen. Sie stellen die Frage nach der Beschaffenheit der komischen Situation oder des komischen Ereignisses und kommen zu dem Schluss, dass Komik hervorgeru- fen wird durch die Wahrnehmung von nicht miteinander zu vereinbarenden Kontrasten und Inkongruenzen, entweder rein formal oder als inhaltliche Abweichung von einer

92 Witthoefft, 18. 21

Norm oder Regel. 93 Abstraktes und Reales müssen dabei zueinander in irgendeiner, wenn auch ungewöhnlichen Beziehung stehen. Der Psychoanalytiker Sigmund Freud bezeichnete dieses Phänomen als Unifizierung, also die Herstellung neuer unerwarteter Einheiten und Zusammenhänge aus eigentlich nicht zusammengehörenden Elemen- ten. 94 Die zweite angeführte Kategorie der Komiktheorien, die „Wirkungstheorien“, beschäf- tigt sich mit den Wirkungsweisen, Motiven und Funktionen der Komik. In Bezug auf die sozialen Wirkungsweisen und Motive grenzt Freud beispielsweise den tendenziösen, feindseligen oder obszönen Witz vom tendenzlosen, harmlosen Witz ab. Während der tendenziöse Witz die Funktion erfüllt, Lust aus sexuellen und aggressiven Trieben zu gewinnen, erzeugt der tendenzlose Witz zwar Wohlgefallen, aber fast niemals plötzliche Ausbrüche von Gelächter, die den tendenziösen Witz so unwiderstehlich machen. 95

Verfolgt man weiter die Frage nach der Komik – also nach dem, was komisch ist, von dem jeweiligen Rezipienten als komisch empfunden wird oder empfunden werden soll – so gelangt man zum sozialen Aspekt der Komik und des Lachens: Es wird immer das als komisch empfunden, was nicht mit den eigenen individuellen und sozial-kulturellen Vorstellungen und Maßstäben übereinstimmt.96 Henri Bergson hat bereits im Jahre 1900 in seinem mittlerweile zu den Standardwerken der Komiktheorie gehörenden Essay über das Lachen bemerkt, dass „das Lachen immer das Lachen einer Gruppe“ ist.97 Verlacht wird das was von der jeweils gesellschaftlich akzeptierten Norm abweicht. Innerhalb einer bestimmten Gruppe muss also ein Konsens herrschen über Werte und Normen. Diese werden definiert durch ihren Bezug zu der Normabweichung. 98 Die Reaktion auf das was als komisch empfunden wird, ist eine Form Kritik zu üben und gleichermaßen Aggressionen abzureagieren. Stärkstes Motiv

93 Witthoefft, 20. 94 Vgl. Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, Frankfurt/M. 1992, 82. 95 Vgl. Freud, 110. Die Besonderheit am Begriff des Witzes, wie er in Freuds Terminologie gebraucht wird, im Vergleich zum gesamten Feld der Komik ist, dass der Witz zielgerichtet ist, also dass er für sein Zustandekommen neben Sprecher und Zuhörer als drittes ein Zielobjekt benötigt. Tendenziöse Bemerkungen von Charakteren untereinander sind ein wichtiger Bestandteil für die Komik in Sitcoms. Vgl. a. Witthoefft, 25. 96 Vgl. Witthoefft, 23. 97Henri Bergson, Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen, Zürich 1972, 15. 98 Goodland, 223. 22 des Lachens ist ein Gefühl der Überlegenheit durch ein Auslachen des vermeintlich oder wirklich Unterlegenen, der den Normen nicht entspricht.99

Auch in Fernseh-Sitcoms wird eine von der Gesellschaft bestimmte Realität gezeigt.100 Dabei zeigt die Comedy nicht die Wirklichkeit, wie sie wirklich ist, sondern wie sie sein könnte, immer in Bezug auf die gesellschaftliche Realität der Zuschauer.101 Das Komi- sche repräsentiert dabei immer eine zeitweiliges Aussetzen dieser Realität oder eine Störung, in der die gängigen Normen umgestoßen werden. 102 Diese Normen differieren von Gruppe zu Gruppe, zwischen den gesellschaftlichen Klassen und historischen Peri- oden. 103 Insofern sind auch Witze, genauso wie andere komische Ereignisse, immer ein Ausdruck der sozialen Situation, der Lebensbedingungen und der Zeitperiode, in denen sie auftreten. 104 Komik ist immer subjektiv und abhängig vom Betrachter, der sich in den entsprechen- den sozio-kulturellen Lebensbedingungen befindet und in diesem Kontext die Komik erst als solche wahrnimmt.105 Genauso wie die Komik, also die Frage, wer über was lacht, ein Hinweis auf den nationalen und kulturellen Charakter und Zeitgeist ist, so sehr hängt die Fernseh-Comedy auch von diesen Faktoren und von deren kontinuierlicher Veränderung ab. So dauern sogar die erfolgreichsten Comedy-Serien meist nicht länger als sieben Jahre.106 Patrick Zabalbeascoa bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeiten, des Übersetzens von Comedy-Serien in eine andere Sprache (zum Beispiel amerikani- sche Serien ins Deutsche), wobei er feststellt, dass auch der Erfolg einer solchen Über- setzung von den vorherrschenden soziokulturellen Konventionen der jeweiligen Zeit abhängt. Er unterscheidet sechs Witz-Typen. Erstens: der „international joke“, bei dem der komische Effekt unabhängig ist von Wortspielen oder Kenntnis der Kultur des Ur- sprungslandes; zweitens: der „national-culture-and-institutions joke“, bei dem man beim Übersetzen neue nationale und kulturelle oder institutionale Bezüge herstellen muss; drittens: der „national-sense-of-humor-joke“ – manche Nationalitäten können zum Bei-

99 Vgl. Witthoefft 26f. 100 Vgl. Goodland, 223. 101 Vgl. Himmelstein, 115. 102 Vgl. Goodland, 223. 103 Vgl. Neale/ Krutnik, 67. 104 Vgl. Goodland, 222 sowieHimmelstein, 113. 105 Vgl. Witthoefft, 17. 106 Vgl. Taylor, 4. 23 spiel über sich selbst lachen, andere bevorzugen es vielleicht, Witze auf Kosten anderer zu machen; viertens: der „language-dependent joke“, der nur dann leicht übersetzbar ist, wenn die beiden Sprachen miteinander eng verwandt sind; fünftens: der „visual joke“, der überhaupt nicht auf Sprachwitz aufbaut und schließlich sechstens: der „complex joke“, eine Kombination aus mehreren verschiedenen Witztypen. 107 Was allerdings trotz der verschiedenen Erscheinungsformen des Komischen allen so- zialen und kulturellen Gruppen gleich ist, ist die Tatsache, dass sie über das Unge- wohnte und Fremde lachen. 108 Neale und Krutnik zählen insgesamt vier wichtige Be- standteile der Komik auf, die immer wiederkehren: das Überraschende, das Unange- messene, das Ungleiche und die Übertreibung. 109 Dass amerikanische Comedy-Serien auch auf dem deutschen Markt „funktionieren“ und erfolgreich laufen ist vermutlich unter anderem auf die Tatsache zurückzuführen, dass deutsche und amerikanische Fernsehzuschauer ein ähnliches kulturelles Umfeld besit- zen, und dass die deutsche Fernsehsozialisation obendrein seit Jahrzehnten stark von amerikanischen Produkten dominiert wird.110 Die Komik der Normabweichung hängt bei der Comedy in der Regel stark von den Charakteren ab, die diese Normabweichung begehen und deshalb komisch wirken. Diese Charaktere werden in der Regel stereotypisiert und als dem Rezipienten unterle- gen dargestellt. Andy Medhurst bemerkt sogar, dass ohne eine solche Stereotypisierung gar keine Komik möglich wäre: „Jokes need an object, a butt a victim. (...) Comedy can never be inoffensive. Attack and hostility are built into its very structure.“111 Dies widerspricht zwar ein wenig der Unterteilung in den tendenziösen und tendenzlo- sen Witz Sigmund Freuds, der durchaus von einer Existenz einer „inoffensiven“ Art von Komik ausgeht. Dennoch bildet die Gruppe der aggressiven, zielgerichteten Witze und Bemerkungen einzelner Figuren, die auf die Unzulänglichkeiten anderer Charaktere an-

107 Patrick Zabalbeascoa, Factors in dubbing Television Comedy. In: Perspectives. Studies in Translatology, 1994, 97. 108 Vgl. Witthoefft, 23. 109 Neale/ Krutnik, 3. 110 So schlug beispielsweise auch ein Versuch des Fernsehsenders RTL fehl, Anfang der 90er Jahre ein deutsches Remake von „Eine schrecklich nette Familie“ mit dem Titel: „Hilfe, meine Familie spinnt“ zu drehen. Hier erwiesen sich die Hoffnungen des Senders, nationalspezifische Adaptionen würden die deutschen Zuschauer noch stärker an ein Produkt binden, als ein Trugschluss. Vgl. Brauerhoch, 197. 111 Andy Medhurst, Introduction. In: Therese Daniels (Hrsg.)/ Jane Gerson (Hrsg.), The colour black. Black Images in British Television. Part One: Laughing Matters. Situation Comedies, London 1990, 21. 24 spielen, einen entscheidenden, wenn nicht sogar den größten Teil der verbalen Komik in Sitcom-Serien. 112 Die Komik der Charaktere in der Comedy setzt sich, wie John Adams bemerkt, aus zwei Komponenten zusammen: erstens der Figur, wie sie im Drehbuch angelegt ist, und zweitens dem Darsteller dieser Figur. Entscheidend für die komische Darstellung ist hierbei ein Spannungsverhältnis zwischen Handlung (also dem was geschieht) und der Gestik (dem, wie es geschieht), wobei die Gestik den Vorrang hat. Adams bezieht sich dabei auch auf die Komiktheorie Bergsons, der die Komik ebenfalls eher in Gesten als in Handlungsabläufen sieht.113 Über die Gestik hinaus nennt Hal Himmelstein drei verschiedene Strategien der Cha- rakterkomik, die für die Sitcom bedeutend sind. Am meisten gebräuchlich ist dabei wohl die sogenannte „mimetic strategy“, bei der der Charakter ähnlich intelligent ist, wie das Publikum, also gewissermaßen „einer von ihnen“ ist, wie es beispielsweise bei „Roseanne“ der Fall ist. Einige Comedy-Serien bedienen sich dagegen der Komikstra- tegie der „irony“, wobei der zentrale Charakter intellektuell dem Publikum unterlegen ist, weniger Kontrolle besitzt und meist die Rolle des Verlierers bedient, wie etwa Al Bundy in „Eine schrecklich nette Familie“. Gelegentlich weisen Comedies auch eine dritte Strategie auf, die sogenannte „leader-centered strategy“, bei der der Protagonist, wie etwa Cliff Huxtable in der „Bill Cosby Show“, zwar ein überlegener Charakter ist, der sich aber in seiner Rolle als Familienvater ähnlichen Aufgaben stellen muss wie die Väter im Fernsehpublikum.114 Annette Brauerhoch stellt dagegen die Bedeutung von Mimik, Gestik und Körperspra- che für die Komik eher in Frage, angesichts eines Genres, in dem die Figuren keine ausgearbeiteten „rounded“ Charaktere abgeben, sondern nur „Durchlauferhitzer“ für Sprachwitz darstellen. Dennoch räumt sie in Hinblick auf deutsche „Remakes“ ameri- kanischer Serien - wie es zum Beispiel bei der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ geschehen ist - ein, dass die Figuren einer erfolgreichen amerikanischen Comedy-Serie nicht ohne weiteres durch deutsche Schauspieler ersetzt werden können, um denselben Effekt zu erreichen. 115

112 Vgl. Witthoefft, I-IX. 113 Adams, 75. 114 Himmelstein, 116 f. 115 Brauerhoch, 200f. 25

Ein weiteres komisches Element in Comedy-Serien besteht in der Serienstruktur selbst. Dabei ist die Komik in einen größeren Zusammenhang eingebunden, dessen „zentrales Gestaltungsprinzip“, wie Brigitte Witthoefft es beschreibt, „die Variation eines Sche- mas“ ist.116 Das Komische ist dabei ein konstantes Strukturmerkmal, das die Zuschau- ererwartungen regelmäßig und zuverlässig bedienen muss. Diese Erwartungen werden durch bestimmte Handlungsmuster der Serienfiguren immer wieder bestätigt. Durch die Wiederholung entsteht eine Prognostizierbarkeit der von den Serienfiguren erwarteten Handlungsmuster, was nicht zuletzt wiederum ein Überlegenheitsgefühl beim Zu- schauer auslöst – vor allem bei regelmäßigen Zuschauern, die über ein höheres Maß an seriellem Vorwissen verfügen. 117 Auch Bergson nennt als eine der drei klassischen Methoden, der Humorentwicklung in komischen Situationen neben der Umkehrung und der doppelten Bedeutung die Wiederholung als grundlegendes Element. Diese ist in der Sitcom aber weitaus mehr als nur ein Mittel der Komik, sondern außerdem ein Beweis für Kontinuität und Stabilität der Serie.118 Und nur aufgrund der Tatsache, dass die Serienfiguren – egal welches Missgeschick ih- nen in einer Episode auch widerfährt – am Ende scheinbar unbeschadet aus der Folge herausgehen, um sich in der nächsten Episode wieder neuen Herausforderungen zu stellen, also nur, weil sie gewissermaßen völlig „unverwüstlich“ erscheinen, können sich auch wiederholt aggressive Triebe und Überlegenheitsgefühle bei Publikum ein- stellen, und das Mitleid ausgeklammert werden, das so hinderlich ist für die Komik.119 Aufgrund der Serialität von Comedy-Shows beinhaltet das Komische in Sitcoms also nicht nur immer eine Abweichung von dem Gewohnten („transgression of the fami- liar“), sondern wie Neale und Krutnik es bezeichnen, auch eine Gewöhnung an die Ab- weichung („familiarisation of the transgression“).120 Das narrative Element des „Happy Ends“ bezeichnen Neale und Krutnik neben dem ebenfalls regelmäßig auftretenden Motiv des Scheiterns und der Eigenschaft, durch Gags und Witze Lacher hervorzurufen als eines der Hauptkriterien der Komik, das in den meisten Erscheinungsformen narrativer Komik mit den anderen Konventionen ko- existiert. Dagegen ließe sich die Bemerkung Grotes stellen, dass gerade das Happy End das am

116Witthoefft, 111. 117 dies., 112 f. 118 Vgl. Grote, 98/99. 119 Vgl. Witthoefft, 118 sowie Bergson, 14. 120 Neale/ Krutnik, 93. 26 wenigsten realistische Ende ist und damit der Darstellung einer gewissen Realität in der Sitcom zuwiderläuft; resultiert doch der überwiegende Teil des Humors und der Komik in der Sitcom seiner Ansicht nach aus Dingen und Ereignissen die für das Publikum vertraut und Teil des Alltags sind.121

Wegen ihrer oben erwähnten sozialen Funktion wird der Komik in Comedy-Serien häu- fig auch eine systemaffirmative Wirkung zugesprochen. Dass das für die Sitcom typi- sche Phänomen des „canned laughter“, also die von den Produzenten nachbearbeiteten Publikumslacher, durch das somit konstruierte und von Millionen Fernsehzuschauern geteilte Gemeinschaftsgefühl eine stabilisierende Funktion für die Fernsehserie als Pro- dukt besitzt, wurde bereits an anderer Stelle in dieser Arbeit erwähnt.122 Diese systemstabilisierende Eigenschaft lässt sich jedoch auch in politischer Hinsicht übertragen. Das Komische repräsentiert immer das, was die machthabenden Elemente einer Gesellschaft als „abweichend“ ansehen – dazu gehört natürlich auch klassenspezi- fisches Verhalten, Sprache und Lebensstil.123 Die Norm von denen etwaige Fehltritte abweichen, entsprechen der allgemeinen Auffassung von einer bourgeoisen Familien- einheit.124 Die Familie des Mittelstandes steht in der „domestic sitcom“ als ein Modell von Stabilität und „Normalität“.125 So sprechen Neale und Krutnik der Comedy durch- aus reaktionäre Eigenschaften zu, wenn sie sagen: „If comedy has been seen as inherently „subversive“ because it involves breaking aesthetic and ideological conventions, it has also to be seen as reactionary, because it involves the use of cultural stereotypes.“ 126

Auch Andy Medhurst spricht der Komik eine gewisse politische Eigenschaft zu: „Comedy is, to put it mildly, political. If you want to understand the preconceptions and power structures of a society or social group, there are few better ways than by studying what it laughs at. Comedy is about power: there are those who laugh and those who are laughed at.“127

Hal Himmelstein schreibt vor allem der häufig gebrauchten „mimetic strategy“ in der Sitcom eine systemstabilisierende Aufgabe zu, da sie dazu benutzt wird, „to create the

121 Vgl. Grote, 50. 122 Vgl. Brauerhoch, 198f. 123 Vgl. Neale/ Krutnik, 4, 85/86. 124 dies., 237. 125 dies., 239. 126 dies., 82. 127 Medhurst, 15. 27 impression that typical behaviours and values are being reflected“ - da sie also domi- nierende traditionelle Wertvorstellungen bestätigt und verstärkt und damit ein elementa- rer Mechanismus zur Sozialisation der Fernsehzuschauer ist.128

128 Himmelstein, 117. 28

5 Die Geschichte der „domestic sitcom“

5.1 Vorgänger der „domestic sitcom“

Die direkten Vorläufer der Familien-Sitcom waren die amerikanischen Radio-Sitcoms der 40er Jahre. In den ersten Jahren der Ferseh-Sitcoms zwischen 1949 und 1951 gab es sogar Serien, die vom Radio ins Fernsehen übernommen wurden, wie zum Beispiel „The Goldbergs“, The Life of Riley“, „The Aldrich Family“, „Amos ‘n‘ Andy“ oder „The Burns and Allen Show“.129 Aber die Einflüsse liegen noch weiter zurück. So kommen unter anderem die Darsteller der letztgenannten Show ursprünglich vom Bühnen-Bereich des Vaudeville und Music Hall, der nicht nur die Radio-Shows, sondern auch die späteren Ferseh-Sitcoms ent- scheidend geprägt hat.130 Als die literarischen „Urahnen“ der Sitcom gelten die wöchentliche Sketche in amerika- nischen Zeitungen aus den 70/80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Diese zeigten zum er- sten Mal feste Charaktere in ihrer gewohnten Umgebung und erreichten damit über die Groschenblätter ein Massenpublikum in den USA. 131 Sie wiesen bereits grundlegende Elemente der „domestic sitcom“ auf: wiedererkennbare Familienmitglieder – ein Ehe- paar und meistens auch Kinder -, eine häusliche Kulisse, einen einfachen Plot, der die drei Bestandteile Konflikt, Aktion und Lösung beinhaltete.132

Zu weiteren Vorgängern der Familien-Sitcom zählten Comiczeichnungen wie „The Nebbs“ und „Blondie“, die in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Sketche ablö- sten, sowie serielle Kinoproduktionen, die in der Stummfilm- und frühen Tonfilmzeit entstanden, bevor in den 50er Jahren das Fernsehen als Massenmedium aufkam. 133

129 Vgl. Mintz, Situation Comedy, 108. 130 Vgl. Mellencamp, 87 sowie Witthoefft, 4. 131 Vgl. Witthoefft, 4 sowieGladden, 168ff. 132 Die beiden bekanntesten Beispiele dieser wöchentliche Sketche waren wohl die Geschichten über „Mr. and Mrs. Browser“ des Detroiter Zeitungsjournalisten Charles Bertrant Lewis, die vermutlich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in der „Detroit Free Press“ erschienen, sowie die Erzählungen von „Mr. and Mrs. Spoopendyke“ des Autors Stanley Huntley, die zum ersten Mal 1879 in der Sonntagsausgabe des „ Daily Eagle“ gedruckt wurden. In beiden Fällen ging es um bürgerliche Ehepaare aus angesehenem Hause, deren permanenter Streit und Konflikte mit einander einen wesentlichen Teil der Handlung ausmachten. Die Plots kreisten um Situationen, mit denen der Leser vertraut war, die Komik entstand zum größten Teil aus den verbalen Äußerungen der Protagonisten. Vgl. Gladden, 177. 133 Vgl. Witthoefft, 4. 29

5.2 Darstellung von Familien- und Gesellschaftsbild in der Geschichte der Sitcom

Die traditionelle Darstellung der Familienrollen in „domestic sitcoms“ ist abhängig da- von, welcher sozialen Schicht die Familie angehört. So fällt bei Serienfamilien aus der Arbeiterklassen auf, dass es meistens der Vater ist, der das Hauptobjekt des Humors ist, der in eine komische Situation gerät. Die Frau ist für gewöhnlich diejenige, die ihn aus dieser Situation wieder herausholt. Meist wird der Charakter des Arbeiterklasse-Vaters als ungeschickt, unreif, dumm oder zumindest unerfahren und emotional dargestellt – Eigenschaften, die ansonsten eher Kindern zugesprochen werden. Die Mütter in Arbei- terklasse-Familien werden in der Regel weitaus intelligenter, rationaler, verantwor- tungsbewusster und weiser dargestellt. Die Väter aus der Arbeiterklasse wirken komi- scher, weil sie ihrer durch die - von der Mittelschicht dominierten Gesellschaft - aufer- legten Männerrolle des „breadwinners“, also des Brötchenverdieners ihrer Familie, nicht zur Genüge nachkommen. 134 Der Status der Familie als der Grundeinheit des sozialen Lebens im städtischen indu- striellen Amerika, ist also stark abhängig vom Idividuum des Vaters. Ist er beruflich er- folgreich, verdankt ihm also die Familie einen gewissen Wohlstand, dann ist auch die Familie sozial höher gestellt. Hat er keinen Erfolg, so schlägt sich das auf die Familie nieder, von der er selbst auch wenig Respekt erwarten kann. 135 In Mittelschicht-Familien nehmen die Väter eher die Rolle des weisen Patriarchen ein, und werden selten als lächerlich dargestellt. Dieser Part kommt eher den Kindern der Familie zu. Auch die Ehefrau und Mutter in Serienfamilien der Mittelschicht ist meist ihrem Mann unterlegen, erfüllt aber dennoch eine unterstützende Funktion und formiert zusammen mit dem Familienvater ein Team von, wie Butsch es nennt, „Super-Eltern“, die ihren Kindern aus Problemsituationen helfen und ihnen den Weg weisen. 136 Diese Darstellungsweise von Familien-, Geschlechter- und Gesellschaftsrollen hat sich bis in die 80er Jahre in der Familien-Sitcom gehalten, und immerhin dreißig Serien über Mittelklassefamilien wurden für fünf oder mehr Spielzeiten produziert.137 Insgesamt wird in der Forschung immer wieder hervorgehoben, dass in der Geschichte der „domestic sitcom“ die Arbeiterklasse-Familie durchgehend unter-repräsentiert ist.138

134 Vgl. Butsch, 391. 135 Vgl. Hamamoto, 17. 136 Butsch, 391. 137 ders., 394. 30

Butsch und Glennon kamen bei einer Untersuchung des Auftretens der verschiedenen sozialen Klassen in den Familien-Sitcoms zwischen 1946 und 1978 auf einen überwie- genden Anteil von Mittelschicht-Familien in Höhe von 63,5 %, verglichen mit einem Anteil von nur 28,8% in der amerikanischen Bevölkerung. Als Erklärung für diese Vorherrschaft der Mittelschicht-Protagonisten nennt Butsch die Tatsache, dass der berufliche und finanzielle Erfolg, wie er bei den Mittelklassefamilien anzutreffen ist, die erwartete Norm ist, von der der „versagende“ Arbeiterklasse-Cha- rakter die Abweichung darstellt, wobei er als verantwortlich für sein eigenes Versagen dargestellt wird: „A fictional world in which success is so pervasive makes success the expected norm. When success is confined predominantly to middle-class series, and failure to the working class, the failing working-class men are thereby labeled deviants who are responsible for their own failure.“139

Angesichts der Tatsache, dass bourgeoise Familienmitglieder insgesamt eher mit „un- komischen“ Attributen belegt werden, wenn sie als besonnene, gerechte und eloquente Menschen dargestellt werden, was ganz im Gegensatz steht zu der Porträtierung der Angehörigen der Unterschicht als laut, emotional, und in ihrer Lebensentwicklung eher statisch140, könnte man sich die Frage stellen, warum die Comedy-Serien dennoch von den Mittelklasse dominiert werden und nicht von der „komischeren“ normabweichen- den Arbeiterklasse. Es kann nur vermutet werden, dass die Autoren und Produzenten dem kaufkräftigeren Publikum, das über den Konsum der in den Werbepausen bewor- benen Produkte die Serien letztendlich finanziert auch eine Fernsehwelt schaffen woll- ten, die ihnen von ihrem Alltag her vertraut war, beziehungsweise zumindest ihren Wertvorstellungen entsprach. Im Laufe der Geschichte der Sitcom änderte sich dieses Verhältnis auch ein wenig. Butsch zählt insgesamt drei Perioden auf, in denen die Zahl der Serien mit Arbeiter- klasse-Protagonisten anstieg: Zuerst Mitte der 50er Jahre, als das Fernsehen noch Serien übernahm, die es im Radio schon gab, („I Remember Mama“, „Life of Riley“) und mit ihnen die Möglichkeiten des neuen Medium auslotete; als zweites in den frühen 70ern, als vor allem der Fernsehsender CBS und der Comedy-Produzent Norman Lear („All in the Family“, „Good Times“, „Sanford and Son“) versuchte von einem ländlichen älteren

138 Vgl. Richard Butsch/ Linda M. Glennon, Social Class. Frequency Trends in Domestic Situation Comedy, 1946-1978. In: Journal of broadcasting, 1983, 27/1, 77. 139 Butsch, 390. 140 Vgl. Marc, Comic Visions, 144. 31

Publikum zu jüngeren Zuschauern, die hauptsächlich in der Stadt lebten, zu wech- seln. 141

Der dritte Höhepunkt fand in den späten 80ern statt („Roseanne“, „The Simpsons“) als die bisher uneingeschränkte Vormachtstellung der drei großen Fernsehgesellschaften ins Wanken geriet und sie in Konkurrenz zu den sich etablierenden Kabelnetzen treten mussten. Die Publikumsquote der Fernsehzuschauer zur „Prime Time“ sank im Laufe des Jahrzehnts von 90 auf 70 Prozent.142 Neue Sendekonzepte wurden benötigt, und so gab man den Arbeiterklasse-Familienserien („Roseanne“, „The Simpsons“, „Eine schrecklich nette Familie“) eine Chance.143 Dennoch blieben die Mittelschicht-Serien stets in der Überzahl.

5.2.1 Die 50er Jahre

Am stärksten waren die stereotypen Geschlechterdarstellungen in den 50er Jahren ver- treten. Familienoberhäupter der Arbeiterklasse wurden porträtiert als dumm aber lie- benswert. Sie sorgten zwar für ihre Familie aber waren in fast allen Dingen inkompe- tenter als die Frauen. Bekannte Serien waren „The Life of Riley“, „The Honeymooners“ und „I Remember Mama“.144 Allerdings dominierten bereits in den 50er Jahren die Fa- milien-Sitcoms mit Mittelschicht-Protagonisten. 145 Die bekanntesten Serien waren „I Love Lucy“, „Father knows best“, „Leave it to Beaver“, sowie die bereits oben er- wähnte „Burns and Allen Show“ und andere. Die männlichen Hauptfiguren wurden als selbstsichere, erfolgreiche Familienväter dargestellt, die von ihren Frauen und Kindern verehrt wurden. 146 Diese „breadwinner“-Ästhetik, nach der der Vater für das Einkommen der Familie sorgt und die Mutter sich um den Haushalt und das seelische Wohl der Kinder kümmert, ent- sprang auch der gesellschaftlichen Wirklichkeit der 50er Jahre, in der berufstätige Män-

141 In den 60er Jahren beherrschte eine große Anzahl sogenannter „corncoms“, „rural comedies“ oder „rustic comedies“ die Fernsehlandschaft – Sitcoms in bäuerlich provinziellem Stil. Die bekanntesten von ihnen, die fast ausschließlich von Paul Henning produziert wurden, waren „The Beverly Hillbillies“, „Green Acres“ und „Petticoat Junction“. Vgl. Witthoefft, 7. 142 Vgl. Holzer, 56. 143 Butsch, 389. 144 Vgl. Butsch, 391. 145 Vgl. Butsch/Glennon, 81. 146 Vgl. Butsch 395. 32 ner gegenüber Frauen den Arbeitsmarkt dominierten. 147 Das dargestellte Bild einer harmonischen Familie entsprach allerdings weniger der Realität einer Zeit, in der die Scheidungsrate bereits immer weiter anstieg. 148 Eine Serie, die sich gegen die bestehenden „Mittelschicht-Normen“ von Serien wie „Father knows best“ oder „Leave it to Beaver“ auflehnte, war die Comedy „I Love Lucy“, die auch gleichzeitig die erfolgreichste Familien-Sitcom ihrer Zeit war. Sie ran- gierte als erste Serie drei Jahre nacheinander auf Platz 1 der Rangliste für die Zuschau- erquoten und blieb während ihrer gesamten Laufzeit von sechs Jahren (1951-1957) im- mer unter den ersten drei Plätzen. 149 Vielleicht ist dieser Erfolg dadurch zu erklären, dass die Protagonistin Lucy (Lucille Ball), die ihren Gatten Desi Ricardo (Desi Arnaz) stets mit beharrlichen Versuchen kon- frontierte, aus der Alltagsroutine und der traditionellen Rollenverteilung der Ge- schlechter auszubrechen, stellvertretend stand für eine Generation von Frauen, die sich in ihrem weiblichen Emanzipationsstreben unterdrückt sahen. Die Frauen, die in den Jahren des Krieges auf sich alleine gestellt waren und ihre Selbständigkeit behauptet hatten, sollten sich nun, als die Männer wieder das Regiment übernommen hatten, den traditionellen Rollenmustern fügen. 150 Press und Strathman charakterisieren die Serie „I Love Lucy“ zusammen mit der Ar- beiterklasseserie „The Honeymooners“ als Erscheinung einer „prä-feministischen“ Be- wegung im Fernsehen, also Anzeichen emanzipatorischer Tendenzen vor der großen Feminismus-Welle Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Beide Serien zeichnen sich durch die Darstellung einer gewissen Frauensolidarität aus, mit der sich die weiblichen Hauptfiguren gegenüber der Männerwelt behaupten. Auf der anderen Seite wird jedoch auch dort die heterosexuelle Lebenspartnerschaft und die Unzerrüttbarkeit des Famili- enbunds nie in Frage gestellt.151

5.2.2 Die 60er Jahre

Die vorherrschende Rolle der Mittelschichtfamilien in Comedy-Serien setzte sich im darauffolgenden Jahrzehnt fort. In den 60er Jahren gab es nur eine Sitcom, die in einer Arbeiterfamilie spielte: Die Serie „Die Feuersteins“ („The Flintstones“), die Butsch als

147 Vgl. Hamamoto, 33. 148 Vgl. Bryant, Emma ..., 252. 149 Vgl. Stark, 35 sowie Holzer, 44. 150 Vgl. Holzer, 46f. 33 eine Zeichentrickversion der 50er-Jahre-Serien „The Life of Riley“ und „The Honey- mooners“ bezeichnete, trieb in ihrer Darstellung die Annäherung der Vaterfigur Fred zum Verhalten eines Kleinkindes auf die Spitze.152 Erfolgreiche Mittelschicht-Serien, die das amerikanische Fernsehen der 60er Jahre re- gierten waren „The Dick Van Dyke Show“, „Petticoat Junction“, „Bewitched“, „Green Acres“, „The Donna Reed Show“, „My Three Sons“ und „Family Affair“, wobei die Familien der letzten drei Serien am ehesten das klassische Bild der ruhigen, rationalen „Super-Eltern“ übermittelten. 153 Im Laufe der 60er Jahre unterzog sich die Darstellung des Familienlebens im Fernsehen aber einer Wandlung. Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts suchte man nach Alternativen zu der üblichen Kernfamilie, auch in Hinblick auf die Realitäten die sich im Alltagsleben der Fernsehzuschauer entwickelt hatten. 154 In den Shows wurden nicht mehr nur intakte Familien, sondern immer mehr auch al- leinerziehende Elternteile gezeigt. Die meisten Serien drehten sich dabei um alleiner- ziehende Väter – was wiederum nicht ganz dem Verhältnis in der Wirklichkeit ent- sprach: Die Mehrheit der alleinerziehenden Elternteile zu dieser Zeit in den USA waren nämlich Frauen. 155 Alles in allem wurden die 60er Jahre in den USA von zwei Sitcom-Arten geprägt. Die eine stellte das Vorbild des harmonischen Familienlebens mit seinen traditionell abge- steckten Rollenmustern dar, eine andere Richtung behandelt eher fantastische Themen und diente damit eskapistischen Bedürfnissen der Zeit.156 In Serien wie „Bewitched“ („Verliebt in eine Hexe“) und „I Dream of Jeannie“ („Be- zaubernde Jeannie“) spielten zwei Frauen die übernatürlichen Hauptfiguren einer Hexe und eines weiblichen Flaschengeistes, die aufgrund ihrer magischen Fähigkeiten über ein die Männerwelt bedrohendes Machtpotential verfügten. Dadurch, dass sie als „nicht von dieser Welt“ präsentiert wurden, konnten sie die patriarchale Rollenverteilung und die damit einher gehenden Wertvorstellungen ad absurdum führen, ohne Anstoß zu er- regen. Außerdem sollten die phantastischen Serien, die David Marc auch als „magicom“ charakterisierte,157 laut Wolff die Fernsehzuschauer von dem in den 60er Jahren immer

151 Press/ Strathman, 7ff. 152 Butsch, 392. 153 Vgl. Butsch, 395. 154 Vgl. John Carlos Rowe, 223. 155 Vgl. Grote, 73. 156 Jürgen Wolff, Sitcom – Ein Handbuch für Autoren, Köln 1997, 16. Vgl. Holzer, 47. 157 Vgl. Stark, 154. 34 weiter auseinander klaffenden Verhältnis zwischen Ost und West und der stetig anwachsenden nuklearen Bedrohung ablenken. 158 Das Bild der Frauen in der Sitcom war einem ständigen Wandel unterzogen. Wechselte die Hausfrau von der humorvollen Rebellin, wie es „Gracie“ oder „Lucy“ in den 50er Jahren verkörperten, Anfang der 60er zu einer genügsamen, verständnisvollen Hausfee, wie zum Beispiel Laura Petrie (gespielt von Mary Tyler Moore) in der „Dick van Dyke Show“,159 so wurde dieses Bild Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre erneut modifiziert und von dem in dieser Zeit aufkommenden Feminismus geprägt. Mit ihm einher ging im Fernsehen ein gewisser Antipatriarchalismus.160 Die Autorität des Vaters, der sich noch in den 50ern gleichermaßen als Richter und Re- gent seiner Familie zeigte, bröckelte allmählich. Seine Vormachtstellung, auch in der Mittelschichtfamilie, war bedroht – und das wahrscheinlich weniger durch einen reellen gesellschaftlichen Machtgewinn der Frauen, als durch den Einfluss der werbetreibenden Wirtschaft, die das weibliche Fernsehpublikum als potentielle Konsumenten zu schät- zen lernte.161

5.2.3 Die 70er Jahre

In den frühen 70er Jahren war die Degradierung des Vaters als Familienpatriarch vollkommen. Vor allem in den Serien, die Unterschichtfamilien darstellten, wurde der Vater weiterhin als komische Figur dargestellt. Aber vor dem Hintergrund der voran- schreitenden Frauenbewegung erschien eine Schwächung des männlichen Familien- oberhaupts nun auch zusätzlich als politisch korrekt.162 Die erste Arbeiterklasse-Sitcom die nach der Absetzung der Zeichentrickserie „The Flintstones“ im Jahre 1966 neu auf die US-amerikanischen Bildschirme kam war die Serie „All in the Family“. Diese von Erfolgsautor Norman Lear im Jahre 1971 erstmals produzierte Serie, die zwei Jahre später Wolfgang Menge zu der deutschen Fernse- hadaption „Ein Herz und eine Seele“ mit der zum Star gewordenen Hauptfigur „Ekel- “Alfred Tetzlaff inspirierte, und die ihrerseits eine Überarbeitung der britischen Serie

158 Jürgen Wolff, Sitcom – Ein Handbuch für Autoren, Köln 1997, 16. 159 Vgl. Mellencamp, 81 sowie John Carlos Rowe, 220. 160 Vgl. Miller, 196. 161 ders., 201. Heute lassen die Werbeblöcke zwischen den Familiensitcoms keinen Zweifel daran, dass diese Serien zu achzig Prozent auf ein weibliches Publikum zwischen 25 und 40 abzielen. Die restlichen 20 Prozent entfallen auf Kinder und Teenager. Vgl. Kühn. 63 162 Vgl. Miller, 203. 35

„Till Death Do Us Part“ war, wurde über zwölf Jahre produziert und erreichte sogar für den Sendezeitraum der ersten fünf Jahre die Spitze der Quotencharts.163 Archie Bunker, die Vaterfigur in „All in the Family“, wird dort dargestellt als ein launi- scher, bornierter Charakter, dessen meist von Vorurteilen geprägte Ansichten genauso unlogisch wie unumstößlich sind. Produzent Lear verfolgte mit dieser Darstellung einer lächerlichen Vaterfigur unter anderem das Ziel, dass die Zuschauer ihre eigenen Vorur- teile zu politischen, religiösen und gesellschaftliche Problemen in Frage stellten. Er führte mit dieser und anderen Serien bisher tabuisierte Probleme des Alltagslebens in die Sitcom ein, wie Geldnot, Rassismus oder Abtreibung. Der Erfolg bei den Zuschau- ern lieferte den Beweis, dass das amerikanische Fernsehpublikum durchaus bereit für diese Themen war. Im Gegensatz zu den Arbeiterklasse-Sitcoms der 50er und 60er Jahre war die Ge- schlechterverteilung bei den Bunkers allerdings nicht so gegensätzlich. Obwohl der Charakter des Vaters offensichtlich dem Publikum die Möglichkeit gab, dessen Verhal- ten zu Verlachen, wurde die Mutterfigur der Edith Bunker ihm gegenüber keineswegs als überlegen dargestellt. Sie war, anders als ihre weiblichen Vorgängerinnen aus der Unterschicht, weitaus unsicherer und zögerlicher in ihrer Kritik an ihrem Mann Ar- chie.164

Dieser Trend wurde Ende der 70er/ Anfang der 80er vertieft und auch auf die Familien der Mittelschicht übertragen. Die Eltern büßten insgesamt einen Großteil ihrer Weisheit und Autorität ein, sie wurden mehr und mehr als Tölpel, als Objekte des Humors darge- stellt. Die Kinder waren es, die ihren Eltern etwas beibrachten, sei es in Fragen der Se- xualität oder persönlicher Wertvorstellungen. Die Eltern des gebildeten Mittelstandes, die lange Zeit der Garant für einen stabilen Familienverbund in der Fernseh-Comedy waren, hatten plötzlich die Kontrolle über ihr eigenes Leben und ihre Familien verloren. Mit diesem plötzlichen Wandel in der Darstellung der Fernsehfamilien reagierte die Familien-Sitcom wiederum auf die Veränderung der Rolle der Familie im Alltag vieler Fernsehzuschauer. 165 Ella Taylor sieht die 70er Jahre geprägt vom verblassenden Traum des gemeinsamen Zusammenlebens, das bis dahin „a haven in a heartless world“ dargestellt hat.166 Die

163 Vgl. Holzer, 51. 164 Vgl. Butsch, 393. 165 Vgl. Himmelstein 118. 166 Taylor, 153. 36

Fernsehfamilie wurde zum Forum der Artikulation sozialer Konflikte. Aus diesem Grund handelten auch die meisten der Serien von gestörten, zerbrochenen oder neu ge- ordneten Familien. 167 Auch Bryant sieht in den Comedy-Serien der 70er mit ihren zerfallenden Familienver- bänden und auch Rassenkonflikten eine realistischere Darstellung und genauere Refle- xion der amerikanischen Gesellschaft, im Gegensatz zu den belehrenden und konformi- stischen Serien der 50er und 60er Jahre.168 David Marc bezeichnet die 70er Jahre aber auch als das „goldene Zeitalter“, die Blütezeit der Entwicklung neuer Sitcom-Konzepte außerhalb der Familien-Sitcoms.169 Einhergehend mit dem neuen „Fernseh-Feminismus“170, der zweiten Welle der femini- stischen Bewegung in den späten 60ern und frühen 70ern, war es nun auch möglich, Frauen in völlig neuen Rollen darzustellen. Alleinstehende Frauen tauchten auf und be- kamen mehr und mehr Titelrollen. Weibliche Hauptfiguren wurden am Arbeitsplatz dargestellt, die Familie war nicht mehr der einzige Ort, auf den sich das Sitcomleben konzentrierte, obwohl Familie und Arbeit in den Serien auch oft miteinander kombiniert wurde und Familienserien noch immer dominierten. Das Fernsehen berücksichtigte immer mehr auch feministische Belange. 171 Durch den wachsenden Einfluss der Frauenbewegung in den späten 60er, frühen 70er Jahren und die Trennung von Arbeit und Familienleben wurde auch in der Sitcom eine unterschwellige Kritik an dem bisher vorherrschenden patriarchalen System geübt.172 Bereits zu Beginn des Jahrzehnts, am 19. September 1970 startete mit „Mary Tyler Moore“ eine Comedyserie auf den amerikanischen Bildschirmen, die die völlig neue, selbstbewusstere Rolle der Frauen in der Arbeitswelt darstellte. Mary Tyler Moore spielte dort die Hauptfigur Mary Richards, eine etwa 30-jährige alleinstehende Frau, die als Produktionsassistentin (und später sogar als Produzentin) bei der Nachrichtenshow eines Fernsehsenders in Minneapolis arbeitete. Diese neue Frauenrolle kann wohl als die erste in einer Sitcom gelten, die ein derart hohes Maß an Eigenverantwortung über- nahm und auch in der Lage war, ihnen männlichen Kollegen die Stirn zu bieten. 173

167 dies., 65. 168 Bryant, Emma ..., 253. 169 Marc, Comic Visions, 143. 170 Press/ Strathman, 9. 171 dies., 10. 172 Vgl. Taylor, 84. 173 Vgl. Holzer, 51. 37

Anders als in anderen Sitcoms, etwa in den von Norman Lear produzierten Serien „All in the Family“ oder „Maude“174 wurde Marys Figur nicht durch offensichtliche Schwä- chen ins Lächerliche gezogen. Sie verkörperte die unabhängige Frau der 70er Jahre, das Vorbild einer Karrierefrau, der es nichts ausmachte, alleine und ohne Familie zu leben, die aber dennoch fähig war Liebe zu geben. Ihre Kollegen fungierten für sie und auch für den Fernsehzuschauer als eine Art „Ersatz-“ oder „Pseudo-Familie“.175 Was Serien wie „Mary Tyler Moore“ und „Maude“ allerdings gemeinsam hatten, war der Versuch ihre weiblichen Protagonistinnen möglichst nah an der Wirklichkeit anzulegen und sie nicht zu verklären. 176 Weitere erfolgreiche Familiensitcoms der 70er Jahre, die zum Teil im deutschen Fern- sehen gar nicht liefen oder nur in geringem Umfang in Pay-TV-Kanälen, waren unter anderem „The Brady Bunch“ (1969-74), um einen alleinerziehenden Witwer mit drei Söhnen, die Mutter dreier Töchter heiratet, „Happy Days“ (1974-84), eine Serie die eine gewisse nostalgische Sehnsucht nach den 50er Jahren widerspiegelt, wie sie Ende der 70er, Anfang der 80er in manchen Serien aufkam und sich nicht zuletzt auch in der „Bill Cosby Show“ bemerkbar machte, „Sanford and Son“ (1972-1977), eine Adaption auf die englische Serienvorlage „Steptoe and Son“ aus den 60ern, die Norman Lear auf die schwarze Familie eines Schrotthändlers in einem Ghetto in Los Angeles übertragen hatte, sowie „The Jeffersons“ (1975-1985), die ebenfalls von Norman Lear als Nachfolgeserie, als sogenanntes „Spin-off“, über das schwarze Nachbarehepaar aus „All in the Family“ produziert wurde. In den USA galt sie zu ihrer Zeit als die erfolgreichste afroamerikanische Serie, in Deutschland war sie allerdings bisher nur im Pay-TV zu sehen. 177 Bemerkenswert bei den Jeffersons ist, dass auch dort der Ehemann mit komischen At- tributen versehen wurde, wie es in den Arbeiterklasse-Serien der 50er, 60er Jahre üblich war, obwohl der Charakter des George Jefferson keine klassische Arbeiterfigur im Sinne der nicht-selbständigen Beschäftigung war. Er wurde als sehr erfolgreicher Ge- schäftsführer einer sieben Filialen umfassenden Ladenkette einer chemischen Reinigung

174 Eine Serie um eine intelligente, selbstbewusste Frau um die fünfzig (gespielt von Beatrice Arthur, die in den 80er Jahren bekannt wurde als Dorothy in der Serie „Golden Girls“), die jedoch stets mit den Problemen des Alters zu kämpfen hatte. 175 Press/ Strathman, 9/10. 176 Vgl. Holzer, 52. 177 Vgl. Martin Beitz, The Jeffersons – Episodenführer, http://informatik.uni- bremen.de/~tokra/jeffersons.htm, Stand: 11.08.1999] 38 gezeigt.178 Eine Erklärung, warum er in der Familie doch als komische Figur fungierte, könnte aber vielleicht die Tatsache sein, dass er Farbiger war und von einem überwie- gend weißen Publikum noch immer als Außenseiter und somit als „würdiger“ Träger komischer Eigenschaften gesehen wurde.179

5.2.4 Die 80er Jahre

Anfang der 80er Jahre erlebte die Sitcom eine leichte Flaute. Während die Comedy- Shows in der Spielzeit 1978/79 noch neun der zehn obersten Ränge im US-Fernsehen ausfüllten, waren 1983 zwar noch insgesamt zehn in den obersten 20, aber nur noch fünf davon in den „Top Ten“. Die Gründe dafür sieht Mintz unter anderem in der Tatsa- che, dass mehrere alte Serien eingestellt wurden, und neue Produktionen fehlten, die hätten nachrücken und neue Ideen präsentierten können. Im Bereich der Zweitauswer- tung durch andere Sender und als Exportartikel waren Sitcoms dagegen immer noch das quantitativ vorherrschende Format.180 Serien aus den 50er, 60er Jahren, wie „Father knows best“ (1954-60), „Leave it to Beaver“ (1957-63), „The Donna Reed Show“ (1958-66), die das traditionelle Leben der Kernfamilie abbildeten, erfreuten sich wieder größerer Beliebtheit. Wiederholungen dieser drei Sitcoms wurden in den 80ern mindestens zweimal pro Tag auf ver- schiedenen Fernsehsendern gezeigt. David Marc sieht in dieser Erscheinung ein „ro- mantic folkish yearning for a return to a stable, divorcefree two-parent household“181, also eine verklärte Sehnsucht nach einer Zeit, in der die amerikanische Familie noch in Ordnung zu sein schien. Auch Ella Taylor erkennt in den neuen „domestic sitcoms“ der 80er Jahre eine Tendenz zurück zur Familie und zu fundamentalen Familienwerten, der bedingt wurde durch eine allgemeine Angst vor dem völligen Zerfall der Familie von innen sowie auf der an- deren Seite vor den starken Einflüssen der Außenwelt - vor allem des Fernsehens -, die immer mehr die Eltern als Erziehungsautoritäten abzulösen drohten. 182 Holzer und Wolff sehen am Beginn der 80er Jahre außerdem, gegenüber dem sozio- realistischen Bezug der Serien in den 70er Jahren, eine zunehmende Lustlosigkeit hin- sichtlich kritischer Stoffe und ihrer „schulmeisterlichen Unterhaltung“. Dieser Über-

178 ders. 179 Vgl. Butsch, 396. 180 Vgl. Mintz, Situation Comedy, 107. 181 Marc, Comic Visions, 43. 39 druss war bedingt durch den wachsenden Wohlstand der Zeit, in der sich unter Präsident Reagan eine konservative Nostalgie breit machte.183 Neben der „Bill Cosby Show“ setzte sich die Sitcom „Family Ties“ durch, beides Serien in traditioneller Machart, die dem alten harmonischen Familienideal verpflichtet waren. Aber auch Serien wie „Who’s the Boss?“ (unter dem Titel „Wer ist hier der Boss?“ eine für das deutsche Publikum bekanntere Serie), „Growing Pains“ („Unser Lautes Heim“), „Benson“, „Gimme a Break“, „“, „Kate and Allie“, „The Hogan Family“, „The Wonder Years“und „Empty Nest“ ließen die Tradition der „Super-Eltern“ wieder aufleben. 184 In den 80er Jahren kam die Sitcom größtenteils wieder davon ab alleinstehende Men- schen, vor allem Frauen wie Mary Richards in „Mary Tyler Moore“ oder Maude, zu zeigen. 185 Die Mütter wurden wieder vermehrt im Haushalt gezeigt, aber ihre Darstel- lungen waren nicht die gleichen, wie in den 50er und 60er Jahren, wo die Frauen auf eine berufliche Karriere verzichteten, um sich ganz der Hausarbeit und der Kinderbe- treuung zu widmen. In den 80er Jahren versuchten die Sitcom-Mütter eher Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Butsch zählte mit 22 Serien insgesamt 30% aller Sit- coms, in denen arbeitende Ehefrauen und Mütter auftraten. 186 Ein Gegenbeispiel, das die Tradition der alleinerziehenden Elternteile in den 80er Jahren fortführte ist die Serie „Wer ist hier der Boss?“, in der ein Vater mit seiner Teen- ager-Tochter als Haushälter in das Haus einer erfolgreichen Werbemanagerin zieht, die ihrerseits alleinerziehende Mutter eines Sohnes ist. Die gesellschaftlichen Realität in den USA zu dieser Zeit wies unter den alleinerziehenden Eltern knapp sechsmal so viele Frauen wie Männer auf.187 Insofern wirkte schon ein Vater, der diesem Trend zuwider lief und obendrein auch noch die gesellschaftlich eher den Frauen zugedachte Rolle des Haushälters übernimmt, per se exotisch und bot umso mehr eine Grundlage für Komik.

Das Jahrzehnt, das Press und Strathman als die Zeit der „postfeministischen“ Familien- programme im Fernsehen bezeichneten, war geprägt von „Super-Frauen“,188 die nicht nur die Doppelbelastung von Karriere und Familie meisterten, sondern dabei auch noch

182 Vgl. Taylor, 165 sowieMiller, 199. 183 Vgl. Holzer, 56f.; vgl. a. Wolff, 17 sowie Stark, 255. 184 Vgl. Butsch, 396. 185 Vgl. Marc, Comic Visions, 166. 186 Butsch, 390. 187 Vgl. Stark, 343. 188 Vgl. Hamamoto, 132. 40 größtenteils sehr feminin und attraktiv waren, wie Angela Bower in „Wer ist hier der Boss?“ oder Clair Huxtable in der „Bill Cosby Show“.189 Nur in den Serien der Arbeiterklasse, wie etwa „Roseanne“ bestand noch immer das alte matriarchale Frauenbild, der Mutter, die sämtlichen femininen Konventionen trotzte. Worin sich aber beide, Arbeiterklasse- und Mittelschichtfrauen der nach Press und Strathman „postfeministischen“ Comedy-Serien der 80er Jahre glichen, war der völlige Verzicht darauf, sich unter ihresgleichen zu verbünden und sich gegen die Männerwelt aufzulehnen. 190 Wenn auch die Frauen der 80er Jahre selbstbewusster erschienen, lehnten sich die „postfeministischen Werte“ vieler Sendungen wieder stark an die 50er und die dortigen weiblichen Familienrollen an. 191 Mark Crispin Miller bezeichnete dies auch als den Be- ginn eines „Pseudo-Feminismus“ im Fernsehen, bei dem die Frau zu den „pseudopatri- archalen“ Fantasien der 50er zwar ihrem Mann weit überlegen war, ihm aber immer noch im Haus „diente“.192 Auf der anderen Seite bemerkte Miller aber auch, dass der Vater, nicht nur in der Ar- beiterklassefamilie, immer mehr an Ansehen verlor. Die einzigen Vaterfiguren, die nicht lächerlich wirkten, waren die, die ihren eigenen Status herunterspielten und sich somit teilweise auf die Stufe ihrer Kinder stellten, so dass es nicht leicht war, sie zu un- terwandern. 193 Ein Beispiel dafür wird im folgenden Kapitel anhand der Figur von Cliff Huxtable in der „Bill Cosby Show“ betrachtet. Im Gegensatz zum Anfang der 80er Jahre wurde in der zweiten Hälfte die Wohlstands- gesellschaft wieder in ihre wirtschaftlichen Schranken verwiesen. Finanzielle Nöte be- stimmten den Alltag deutlich mit und diese Desillusionierung schlug sich auch im Fern- sehen in Form von Serien wie „Roseanne“ oder „ Eine schrecklich nette Familie“ nie- der.194

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Familien-Sitcom, die einst für eine intakte Zu- schauerfamilie konzipiert war, sich im Laufe der Jahrzehnte den Realitäten ihres Fern- sehpublikums und dessen veränderten Familienstrukturen angepasst hat. Die formalen und inhaltlichen Veränderungen fasst Susan Horwitz zum Beispiel so zusammen: „How

189 Vgl. Press/ Strathman, 10f. 190 dies., 12. 191 dies., 10] 192 Vgl. Miller, 202f. 193 ders., 204f. 41 life has changed from the days when the family watched television together is reflected in the evolution of the sitcom: it has gotten grittier in its style and bolder in its themes since the sweet, innocent days of I Love Lucy.“ 195 Auch Rowe erkannte in der Sitcom der 80er Jahre eine neue Art des Realismus, den er als „postmodern realism“ bezeichnet, und der auf das sich verändernde Leben seiner Zuschauer eingeht.196 Allerdings muss das Wort Realismus in Hinblick auf fiktive Fernsehunter- haltung immer mit Vorsicht betrachtet werden. Ella Taylor sieht Fernsehnarration bei- spielsweise eher als einen Kommentar auf das was den Zuschauer bewegt, und nicht als eine wirkliche Reflexion des realen Lebens.197 Dass die drei in dieser Arbeit näher betrachteten Serien jeweils einen unterschiedlichen Realitätsbezug besitzen, wird die nun folgende nähere Betrachtung ihrer Komik zeigen.

194 Holzer, 60. 195 Horowitz, 107. 196 Vgl. John Carlos Rowe, 217. 197 Vgl. Taylor, 153.] 42

6 Untersuchung dreier ausgewählter Sitcoms

6.1 Die „Bill Cosby Show“

6.1.1 Allgemeine Informationen

Als Bill Cosby Anfang der 80er Jahre zusammen mit seinen Produzenten Marcy Carsey und Tom Werner das Konzept seiner „Cosby Show“ ausgearbeitet hatte, einer Sitcom über eine schwarze Mittelschichtfamilie in New York, war die Fernsehindustrie zuerst nicht sehr daran interessiert. Die Fernsehsender ABC und CBS erteilten der Idee sofort eine Absage. Der Grund für die Ablehnung lag darin, dass Sitcoms zu dieser Zeit im Fernsehen nicht mehr gefragt waren. Die „situation comedy“ im Fernsehen befand sich in einer Sackgasse. Vorherrschende Comedy-Serien, wie beispielsweise „M*A*S*H“ (CBS, 1972-83)198, waren keine Familien-Sitcoms. Zudem eigneten sich auch die „tra- ditionellen“ Sitcoms der 70er Jahre (wie „All in the Family“, CBS, 1971-83 oder „Mary Tyler Moore Show“, CBS, 1970-77) nicht mehr als Vorbild, weil sie inhaltlich zu libe- ral waren für ein Amerika, das sich geradewegs in die konservative Nostalgie der Rea- gan-Jahre bewegte.199

Nicht zuletzt war auch die Welt der „heilen Familie“ (wie beispielsweise in der Serie „Leave it to Beaver“, CBS/ ABC, 1957-63) seit Jahren überholt. Scheidungsraten gin- gen in die Höhe und die Frauen waren nicht mehr ausschließlich für die Hausarbeit zu- ständig, sondern wurden unabhängiger und emanzipierten sich von Heim und Herd200. Seit den frühen 60er Jahren hatten deshalb viele Sitcoms nicht mehr den heimischen Familienverbund als Kulisse, sondern spielten am Arbeitsplatz („Mary Tyler Moore Show“, CBS 1971-83), auf einer einsamen Insel („Gilligans Island“, 1964-68) oder unter alternativen Familienverhältnissen, in denen z.B. der Vater die Kinder allein aufzog („My Three Sons“, ABC/ CBS, 1960-72, „Diff'rent Strokes“, NBC, seit 1978).

Mit der „Cosby Show“ (NBC 1984-92) kehrte die „domestic sitcom“ zurück, und das Genre erfuhr eine ungeahnte Renaissance201. Innerhalb von drei Jahren nach der Pre- miere der Serie waren sieben Plätze der Fernseh-“Top-Ten“ von Sitcoms besetzt.202

198 M*A*S*H ist eine Anti-Kriegs-Serie um einen amerikanischen Feldarzt im Korea-Krieg, die von Kritikern die neue Genrebezeichnung „dramedy“, eine Mischung zwischen Drama und Comedy, einbrachte; s.a. Steven D. Stark, Glued to the Set. The 60 Television Shows and Events That Made Us Who We Are Today, New York 1997, 279. 199 Vgl. hierzu Stark, 342. 200 ders., 342. 201 ders., 340. 202 In den frühen achtziger Jahren waren Sitcoms fast aus den Ranglisten der Fernsehsendungen verschwunden; 1983/84 - eine Spielzeit vor Cosbys Premiere - war nur eine Sitcom in den Top-Ten 43

Aber Cosbys Familien-Sitcom, die bald als eine der beliebtesten Fernsehsendungen aller Zeiten galt, diente aufgrund ihrer zahlreichen Nachahmer nicht nur der Wiederbelebung der Sitcom insgesamt, sondern verhalf ihrem Sender NBC auch dazu, zum erstenmal in dreißig Jahren auf Platz eins der Quotenlisten zu kommen203. Für vier Jahre ihrer acht- jährigen Dauer behauptete die „Bill Cosby Show“ diesen ersten Platz der Ranglisten. In ihren Spitzenzeiten in der Saison 1986/87 erzielte sie Einschaltquoten von bis zu 34,9 Prozent204. Pro Woche erreichte sie 38,8 Millionen Zuschauer und wurde damit von mehr Menschen gesehen als jede andere Sitcom in der Geschichte des Fernsehens. Die Serie erhielt drei Emmys, bescherte NBC Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Dol- lar und ließ Cosbys Vermögen auf 300 Millionen Dollar anwachsen205. Die „Bill Cosby Show“ fand bei Angehörigen aller Altersklassen, Schichten und Haut- farben gleichermaßen Zuspruch, und selbst außerhalb der USA, im Südafrika vor der Nelson-Mandela-Ära, war die schwarze Huxtable-Familie beliebt206. In Deutschland wurde die „Cosby Show“ Ende der 80er Jahre unter dem Titel „Bill Cosbys Familienbande“ zum erstenmal im Vorabendprogramm des ZDF ausgestrahlt. Dabei wurde der ursprüngliche wöchentliche Senderhythmus, den die Serie bereits in den USA hatte, beibehalten. Anfang 1996 übernahm der Privatsender Pro 7 die Sendung unter dem Titel „Bill Cosby Show“207 und strahlte zunächst täglich um 18.30 Uhr eine Folge und im Vormittagsprogramm des nächsten Tages die Wiederholung aus. Seit ei- nigen Jahren wird die Serie dort innerhalb von „Blöcken“ mehrerer aufeinanderfolgen- der Comedy-Serien gezeigt208. Die Tatsache, dass die Programmverantwortlichen von Pro 7 die Serie über eine so lange Zeit auf einem relativ prominenten Sendeplatz belassen haben, lässt wohl nicht vertreten („Kate & Allie“, Platz 8), Cosby kehrte diesen Trend um und hatte zahlreiche Nachfolger. Vgl. David Marc/ Robert J. Thompson, Prime Time, Prime Movers. From I Love Lucy to L.A. Law - America's Greatest TV Shows and the People who created them, Boston u.a. 1992, 103. 203 Vgl. Bishetta D. Merritt, Bill Cosby: TV Auteur? In: Journal of Popular Culture, 1991, 24/4, 94. 204 Zahlen laut David Marc: 1986/7: 34,9 %; 1987/8: 27,8 %; ...; 1989/90: 23,1 %. Vgl. Marc, Comic Visions, 177. 205 Vermutlich inklusive seiner Gagen für Fernsehwerbespots. Vgl. Witthoefft, 35. 206 Stark, 340. 207 Der deutsche Titel „Bill Cosby Show“ soll auch im weiteren Verlauf der Arbeit anstelle des ursprünglichen amerikanischen Titels „The Cosby Show“ verwendet werden, da hier ebenso wie bei den beiden anderen Serien ausschließlich die deutschen Synchronfassungen betrachtet werden. Der Titel ist nicht zu verwechseln mit der Comedyserie „The Bill Cosby Show“, in der Cosby von 1969 bis 1971 Sonntagabends auf NBC einen High-School-Sportlehrer spielte und die auch im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. 208 Diese Sendepraxis des sogenannten „blocking“ ist bis heute im amerikanischen Fernsehen üblich und wurde von den deutschen Privatsendern übernommen. Anfang 1999 lief die „Bill Cosby Show“ auf Pro 7 nach den Familienserien „Die Simpsons“, „Eine schrecklich nette Familie“ und „Alle unter einem Dach“. In den USA sendete NBC sie zuerst donnerstags um 20 Uhr als „Lead In“, also als Eröffnung eines Comedyblocks, gefolgt von der Serie „A Different World“ mit Lisa Bonet (Denise Huxtable), und der Kneipen-Comedy „“, die in den Spielzeiten 1989/90 und 1990/91 die Nielsen-Ranglisten anführte. Vgl., Witthoefft, 35. 44 zuletzt darauf schließen, dass sich die „Bill Cosby Show“ auch in Deutschland einer großen Beliebtheit beim Fernsehpublikum erfreut. Der große Erfolg der Serie bei verschiedenen Schichten der Bevölkerung ist auch be- merkenswert in Hinblick auf die Tatsache, dass Bill Cosbys ursprüngliche Idee darin bestand, die Serie im Arbeitermilieu spielen zu lassen. Dieses Konzept, das für den Charakter des Vaters den Beruf des Pförtners und für die Mutter die Beschäftigung als Bauarbeiterin vorsah, wurde jedoch von allen drei großen Fernsehstationen ABC, CBS und NBC abgelehnt 209. Marcy Carsey und Tom Werner, zwei ehemalige NBC-Mitar- beiter, die in die unabhängige Produktion gewechselt waren, erarbeiteten das neue Seri- enkonzept einer erfolgreichen schwarzen Doppelverdienerfamilie der oberen Mittel- schicht um den Frauenarzt Cliff Huxtable (Bill Cosby), seine als Anwältin tätige Ehe- frau Clair (Phylicia Ayers-Allen, später: Rashad) und ihre fünf Kinder Sondra (Sabrina LeBeauf), Denise (Lisa Bonet), Theo (Malcolm-Jamal Warner), Vanessa (Tempestt Bledsoe) und Rudy (Keshia Knight-Pulliam, die erst in einer späteren Staffel als jüng- stes Kind hinzukam). Als NBC zusagte, sicherte sich Cosby vertragliche Mitspracherechte von Drehort bis zur moralischen Botschaft der Drehbücher210. Die Serienfamilie der Huxtables lebt in einem geschmackvoll eingerichteten Haus in New York. Aber obwohl sie das - wenn auch idealisierte - Bild einer Familie repräsen- tiert, die „es geschafft hat“, die also durch das Doppelverdiener-Ehepaar Cliff und Clair zu der wirtschaftlich wohlhabenderen Schicht gehört, zeigen sie keinerlei neureiche Allüren. Statt in einem Nobelviertel der Upper-Eastside steht ihr Townhouse in Broo- klyn, einem überwiegend von Schwarzen und Angehörigen der Arbeiterschicht fre- quentierten Stadtbezirk. So wird schon mit dem äußeren Erscheinungsbild der Serie eine Brücke geschlagen zwischen dem Lebensstil der werbewirtschaftlich interessanten Zuschauergruppe - also Angehörigen von Doppelverdienerfamilien, die sich über ihr Einkommen keine Sorgen zu machen brauchen - und schwarzen Fernsehzuschauern, de- ren Lebensstandard in der Regel niedriger ist. Die Welt innerhalb der vier Wände der Huxtables wirkt wie eine Seite aus einem Hoch- glanzmagazin oder wie ein Fernsehwerbespot. Die Zimmer sind sauber und ordentlich (bis auf das von Sohn Theo, das von Cliff als „der Raum“ bezeichnet wird, „in dem die Klamotten dem Untergang geweiht sind“), wirken aber dennoch nicht steril, sondern wohnlich und warm. Auf den teilweise wertvoll wirkenden Möbeln im Wohnzimmer liegen die Bücher sorgsam übereinandergestapelt, der Kühlschrank in der Küche ist stets reichhaltig gefüllt, so dass sich die Kinder jederzeit bequem einen Imbiss zuberei-

209 Vgl. Darrell Y. Hamamoto, Nervous Laughter: Television Situation Comedy and Liberal Democratic Ideology, New York 1989, 136. 210 Vgl. Witthoefft, 35. 45 ten können. An den Wandhaken hängen blitzende Pfannen, und in der Küchenspüle ist keine Spur von schmutzigem Abwasch zu finden. Die Charaktere sind auch zu Hause stets korrekt gekleidet: die weiblichen Familienmit- glieder sind gut frisiert und tragen (bis auf die kleinste Tochter Rudy) Make-up, als ha- ben sie jeden Moment vor auszugehen. Alle Kinder der Huxtables sind - soweit man das vom heutigen Standpunkt beurteilen kann - gemäß der Jugendmode der Zeit gekleidet. Cliff besitzt als Familienvater mit seinen Poloshirts oder Baumwollpullis mit Hemdkra- gen ein eher konservatives aber dennoch nicht unmodisches Äußeres, seine Frau Clair ist meist in Hosenanzügen oder Kostümen zu sehen, deren legere Eleganz des öfteren von Freunden der Familie gelobt wird. Alles in allem vermag das Bilderbuch-Ambiente der Huxtables einen eben solchen Reiz auf den Zuschauer auszuüben, wie die Komik der Serie.

6.1.2 Die Komik der Vaterfigur: Cliff Huxtable

Schon der Titel der „Bill Cosby Show“ verrät, dass es sich hierbei weniger um eine En- sembleserie handelt (wie etwa die Sitcoms „Cheers“ oder „Golden Girls“, die ebenfalls sehr erfolgreich im deutschen Fernsehen waren und sind), sondern dass ein Hauptdar- steller im Zentrum der Sendung steht. Damit steht die Serie in der Tradition früherer mehr oder weniger erfolgreicher star-orientierter Comedy-Serien wie „The Burns and Allen Show“ (CBS, 1950-58, mit den beiden in den 50er Jahren berühmten Stand-up- Komikern George Burns und Gracie Allen), „The Bob Newhart Show“ (CBS, 1972-78) oder „The Dick van Dyke Show“ (CBS, 1961-66)211. Auch , die vor ihrer Serie „Roseanne“ schon durch Solo-Comedy-Programme bekannt wurde, folgt dieser Linie. Bill Cosby begann seine Karriere als Stand-up-Komiker in den frühen 60er Jahren und hatte bald regelmäßige Fernsehauftritte in der NBC-Variety-Comedy „The Tonight Show“. Neben seiner ersten Titelrolle in der Comedy-Serie „The Bill Cosby Show“ (1969-71) war er in den eher erfolglosen Variety-Shows „The New Bill Cosby Show“ (1972-73) und „Cos“ (1976) zu sehen. Populär wurde Bill Cosby außerdem durch zahl- reiche Werbespots (unter anderem für Coca Cola und Ford)212. Die Tatsache dass der Komiker Bill Cosby auch in der hier betrachteten „Bill Cosby Show“ die zentrale Figur darstellt - und als eine solche auch von den Produzenten an- gelegt ist -, ist der Hauptgrund dafür, dass von der Rolle des Familienvaters Cliff Huxtable wesentlich mehr Komik ausgeht als von allen übrigen Charakteren dieser Se- rie.

211 dies., 37. 212 Vgl. Stark, 342. 46

Brigitte Witthoefft hat anhand von zehn Beispiel-Serien die auf der Tonebene auftreten- den Lacher der Publikums gezählt und sie den auftretenden Personen zugeordnet. Dem- nach fallen 46,9 Prozent, also knapp die Hälfte aller komischen - beziehungsweise der als komisch konzipierten und durch die Lacher angezeigten - Ereignisse auf die Figur Cliff Huxtables213. Ein großer Teil davon besteht aus physischer Komik: Cliff rollt mit den Augen, zieht die Brauen hoch, kneift die Lippen zusammen, verzieht die Mundwinkel - Cosby-typi- sche Grimassen, mit denen er meist wortlos, aber dennoch vielsagend das Verhalten der anderen Figuren kommentiert. Mimisch und gestisch begibt er sich häufig auf das Niveau eines Kleinkindes, in dem er mit den Armen fuchtelt, mit dem Bauch wackelt oder herum zappelt. Durch seine kind- liche Spontaneität verkörpert er die Parodie eines euphorischen kleinen Jungen. So tän- zelt er ausgelassen durch die Küche, während er seiner Familie stolz einen neu erwor- benen Entsafter präsentiert. Oder er läuft pfeifend und singend durch das Haus, sieges- sicher, dass er die Geburtstagsüberraschung erraten wird, die seine Familie für ihn vor- bereitet hat. Meist setzt er seine physische Komik aber auch in Gegenwart seiner Kinder ein, um deren Verhalten zu imitieren - ohne jedoch dabei verletzend zu wirken. Oft ha- ben solche Situationen nicht unmittelbar etwas mit der Handlung der jeweiligen Serien- folge zu tun, sondern werden extra geschaffen, um diese Komik in Szene zu setzen. Als Theo beispielsweise minutenlang vor dem offenen Kühlschrank steht, stellt Cliff sich hinter ihn und nimmt dieselbe betrachtende Haltung an, bevor er ihm auf seine Weise erklärt, dass man den Kühlschrank nicht so lange auflassen soll. Neben der Mimik und Gestik entsteht die Komik von Cliff außerdem aus ironischen oder zynischen Äußerungen, die sich meist gegen die Kinder und deren Verfehlungen richten. Dabei behält er jedoch stets ein schelmisches Lächeln auf den Lippen, so dass auch die Kinder - wie das Publikum - über ihre Fehler lachen können und sie dadurch letztlich einsehen. Auf diese Weise erklärt er dem zunächst uneinsichtigen Theo in der Folge „Elektro-Spielzeug“, was für eine Stromverschwendung ein offener Kühlschrank darstellt:

213 Vgl. Witthoefft, 37. 47

(Amerikanische Einstellung. Theo steht vor dem offenen Kühlschrank.) (Nahaufnahme. Cliff blickt verwundert. LACHER. Kameraschwenk. Cliff geht in Richtung Kühlschrank und beugt sich vor.)

Cliff: Äh, ist die Klimaanlage kaputt?

(Amerikanische. Theo, noch immer gebeugt vor dem Kühlschrank, dreht kurz den Kopf zu seinem Vater um)

Theo: Nein.

(Nahaufnahme Cliff)

Cliff: Ist dir heiß?(LACHER)

(Amerikanische. Theo dreht abermals den Kopf.)

Theo: Nein.

(Halbnah. Theo und Cliff. Cliff tritt von hinten ganz nah an seinen Sohn heran und schaut ebenfalls in den Kühlschrank. LACHER) (Nahaufnahme Theo und Cliff vor dem Kühlschrank. Theo dreht zweimal seinen Kopf zu seinem Vater um.)

Theo: Suchst Du etwas da drin, Dad? Cliff: Suchst Du denn irgendwas? (LACHER) Theo: Ja, was zu essen.

(Halbnah. Theo und Cliff. Cliff richtet sich auf, geht um seinen Sohn herum und schließt die Kühlschranktür. Leichter Kameraschwenk nach links.)

Cliff: Ah, ich verstehe. Dann bist Du das gewesen. Theo: Was?

(Nahaufnahme Cliff)

Cliff: Na, ich hab‘ doch dieses Dankschreiben von der Elektrizitätsgesellschaft gekriegt, wegen unserer astronomischen Stromrechnung.

(LACHER. Nahaufnahme. Theo schlägt schmunzelnd die Augen nieder.) (Nahaufnahme Cliff.)

Cliff: Und stell dir vor, gestern hat es bei uns an der Tür geklingelt. Ich hab‘ auf- gemacht und da standen zwei Pinguine draußen. (LACHER) Ja, und sie wollten von mir wissen, wann du endlich nach Hause kommst und wieder den Kühlschrankinhalt anstarrst. (LACHER)

Als Cliff seinem Sohn außerdem den scherzhaften Vorschlag macht, ein Foto vom Inne- ren des Kühlschrankes aufzuhängen, das Theo sich dann so lange ansehen kann, bis er sich etwas passendes zu essen ausgesucht hat, sieht Theo seinen Fehler ein und wieder- 48 holt, als er bei der nächsten Gelegenheit den Kühlschrank aufmacht, den Slogan Cliffs „Keine Pinguine!“, was durch den verwunderten Gesichtsausdruck der uneingeweihten Denise einen weiteren komischen Effekt erzeugt. Sowohl die physische Komik als auch die ironischen Bemerkungen Cliffs entstehen in der Regel als Reaktion auf die Episodensituationen und werden selten initiativ einge- setzt. Häufigstes Ziel der Verbalattacken Cliffs gegen die Kinder, mit denen der Vater stets die didaktische Absicht verfolgt, die Kinder auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, ist Theo. Etwa genauso häufig wie gegen den einzigen Sohn richtet sich die Komik Cliffs allerdings gegen seine Frau214. Die Komik gegen Clair besteht jedoch ausschließlich aus spielerischen, scherzhaften Äußerungen, welche die Gleichberechtigung und die Harmonie zwischen den beiden - augenscheinlich noch immer ineinander verliebten - Eheleuten verdeutlichen soll. An- ders als bei den Kindern benutzt Cliff seine Bemerkungen gegenüber Clair selten, um sie zu maßregeln, und wenn er das tut, dann hat sie stets ein Argument entgegenzuset- zen. Am Ende der Folge „Wer schön sein will, muss leiden“ verlangt er zum Beispiel, dass sie sich wegen ihres unfreundlichen Verhaltens ihm gegenüber entschuldigen soll. Sie tut das auch, aber erst nach einem kurzen Flirt mit ihm und erst, als sie es schließ- lich selbst will. Nach Brigitte Witthoefft lassen sich für die Figur des Cliff Huxtable zwei Arten der ag- gressiven, also zielgerichteten Komik unterscheiden. Die erste Form besteht in den harmlosen Neckereien zwischen ihm und seiner Frau, die immer im Umfeld von Har- monie und gegenseitiger Zuneigung stattfinden und in der Regel durch eine versöhnli- che und liebevolle Geste oder Lachen beider Interaktionspartner als harmlos gekenn- zeichnet sind. In der Folge „Wer schön sein will, muss leiden“ veranstalten Cliff und Clair beispielsweise einen privaten Konkurrenzkampf, wer von beiden beim Candle- light-Dinner anlässlich des Jahrestages seines Heiratsantrages eleganter aussehen wird. Als Clair sich den Zeh bricht und ihr Fuß nicht mehr in den Ausgehschuh passt, betritt Cliff das Schlafzimmer mit einem siegessicheren Lächeln. Daraufhin muss auch Clair schmunzeln - der Sieg im Wettbewerb und sogar der eingegipste Zeh sind bedeutungs- los im Vergleich zu einer konstanten Harmonie der beiden Eheleute. Die zweite Form der aggressiven Komik besteht in deren Verwendung als Mittel der so- zialen Kontrolle. Diese wird fast ausschließlich gegenüber den Kindern - vor allem ge- genüber Theo - verwendet. Da das Image der Serie direkte verbale Aggression oder physische Gewalt als Erziehungsmittel nicht zulassen, geschieht Erziehung immer auf humorvolle Weise215.

214 Witthoefft stellt anhand von zehn untersuchten Folgen fest, daß Clair und Theo mit jeweils acht Lachern die mit Abstand häufigsten Ziele der aggressiven Komik Cliffs sind; s. Witthoefft, Tabelle 5, S. I. 215 Vgl. Witthoefft, 44. 49

In beiden Formen, der Komik gegenüber Clair sowie gegenüber den Kindern, wird jede Art von potentieller Aggressivität sofort als Scherz markiert und durch Lachen der je- weiligen Beteiligten relativiert, ohne dass jedoch die Aussage dieses Scherzes - insbe- sondere das Erziehungsziel - verlorengeht. So nehmen die Kinder stets die jeweilige di- daktische Aussage des väterlichen Kommentars ernst und sehen ihre Fehler am Ende ein. In der Folge „Der erste Schultag“ beklagt sich Theo bei seinem Vater über seine neue Mathelehrerin, die er für besonders streng hält. Cliff versucht, seinen Sohn mit ironischen Kommentaren und Mimik davon zu überzeugen, dass dieser etwas falsche Vorstellungen von der Schule und vom Lernen hat. Aber erst bei der Schlusspointe der Szene weicht Theo von seinem ursprünglichen Standpunkt ab.

(Halbtotale. Cliff und Theo am Küchentisch) Theo: Die ganzen Sommerferien habe ich mich vor etwas gefürchtet. Und heute ist es passiert. (Theo setzt sich hin. Cliff sitzt ihm regungslos gegenüber. LACHER.) (Nahaufnahme. Cliff hebt erwartungsvoll die Augenbrauen. LACHER.) Cliff: (nach einer Pause) Was? Theo: (Nahaufnahme Theo.) Ich hab Miss Westlake in Mathe gekriegt. Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Und du wolltest Miss Westlake nicht? Theo: (Nahaufnahme Theo.) Nein!! Sie ist die schlimmste Lehrerin in der ganzen Schule. Alle hassen sie. Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Ja, aber was ist denn so schlimm an ihr? Theo: (Nahaufnahme Theo.) Zum Beispiel nimmt sie doch mit Vorliebe die Leute dran, die sich gar nicht gemeldet haben. Cliff: (Nahaufnahme Cliff, setzt sich in gespieltem Erstaunen auf. LACHER. Blickt fassungslos zur Seite. LACHER. Nahaufnahme Theo.) Du willst mir doch wohl nicht erzählen, (Nahaufnahme Cliff.) dass diese Frau, nur weil es sich um ihre Klasse handelt, ohne nachzudenken irgendeinen Schüler auf- ruft, ganz gleich, ob er sich gemeldet hat oder nicht?! (LACHER) Theo: Doch!! (Nahaufnahme Theo.) Und dann, wenn es klingelt und sie gerade dabei ist, etwas zu erklären, darf man erst dann die Klasse verlassen, wenn sie fertig ist. Cliff: (Nahaufnahme Cliff, zieht die Augenbrauen zusammen. LACHER.) Das ist doch nicht dein Ernst!! (Nahaufnahme Theo.) Du meinst also, (Nahauf- nahme Cliff) die Stunde ist schon seit einiger Zeit vorbei, und nur weil diese Dame noch nicht mit ihren Erklärungen fertig ist, müsst ihr alle dasitzen und zuhören?! (LACHER) Theo: (Nahaufnahme Theo, mit Nachdruck) Ja!! Cliff: (Nahaufnahme Cliff, rollt mit den Augen, legt den Kopf schief.) Hhm. (LACHER. Nahaufnahme Theo, nickt zustimmend. Nahaufnahme Cliff.) Ja, wieso ist denn eine solche Person überhaupt noch an der Schule? Theo: (Nahaufnahme Theo, verschwörerisch:) Ich wette, die Alte weiß irgendet- was über den Direktor. (LACHER.) Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Habt ihr etwa auch Hausaufgaben gekriegt? Theo: (Nahaufnahme Theo.) Dad, du wirst es nicht fassen. Es war doch heute der erste Schultag, und morgen schreiben wir schon einen Test. Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Das heißt, heute wirst Du wenig Freizeit haben. Theo: (Nahaufnahme Theo.) Das kannst Du glauben. 50

Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Ich fürchte, ich muss etwas unternehmen. Etwas dra- stisches. Theo: (Nahaufnahme Theo, erwartungsvoll:) Und was? Cliff: (Nahaufnahme Cliff.) Ich werde morgen in der Schule anrufen und die Se- kretärin fragen, ob ich diese Miss Westlake sprechen kann. Theo: (Nahaufnahme Theo, in freudiger Erwartung:) Und was wirst du ihr sagen? Cliff: Ich werde sie fragen, ob sie dich nicht adoptieren möchte. (LACHER) (Nahaufnahme Theo, schlägt die Hand vor das Gesicht.) (Halbnah. Kameraschwenk nach rechts. Zoom auf Cliff, steht schmunzelnd auf und geht durch die Tür ins Wohnzimmer.)

Aber die Komik von Cliff Huxtable zielt nicht nur auf seine Kinder, sondern des öfteren auch auf seine Frau ab. Dennoch ist sie selten sexistisch. Witze, die Frauen zur Ziel- scheibe männlichen Humors machen - und die einen wichtigen Bestandteil der domestic sitcoms seit ihrer Entstehung darstellen216 - kommen in der „Bill Cosby Show“ so gut wie nie vor. Wenn sexualspezifische Äußerungen, auftauchen, dann geschieht das aus- schließlich in Form von harmlosen Anspielungen217. Diese dienen erstens als Möglich- keit der Solidarisierung Cliffs mit anderen Männern in einer Welt immer selbstbewuss- ter werdender Frauen. So verfällt er etwa in ein breites zustimmendes Grinsen als Elvin - Sondras Freund und späterer Ehemann - ihm augenzwinkernd sagt: „Sie wissen doch, wie Frauen sind.“218 Zweitens können auf diese Weise auch die in dieser Serie transportierten Moralvorstel- lungen in Bezug auf das Sexualverhalten propagiert werden. Als Cliffs jüngste Tochter Rudy in der Folge „Gäste zur Nacht“ sechs Spielkameradinnen und den Nachbarjungen Peter zum Übernachten ins Haus einlädt, nimmt Cliff Peter als „einzigen Mann mit sie- ben weiblichen Wesen“ zur Seite und legt ihm nahe, bei ihm und nicht bei den Mädchen im Zimmer zu schlafen. Die Komik dieser Szene resultiert daraus, dass Kinder im Vor- schulalter für gewöhnlich noch nicht an sexuelle Beziehungen denken, dass also Cliffs Sorge, es könne „etwas passieren“, völlig unbegründet ist. Hinter dem Deckmantel die- ser Komik lässt sich aber Cliffs Einstellung und damit auch unterschwellig eine Ma- xime der Serie erkennen, dass sexuelle Beziehungen vor der Ehe nicht moralisch ver- tretbar sind. Cliff kennt seine Frau Clair schon seit seiner Jugend. Wie in der Folge „Wer schön sein will, muss leiden“ deutlich wird, hat er schon damals vorgehabt, sie zu heiraten, und er hat ihr so viele Anträge gemacht, dass sie berichtet, sie habe „nicht an- gefangen zu zählen, bevor du fünfzehn warst“. Trotz der vielen Jahre haben die beiden offensichtlich noch immer ein gut funktionie- rendes Sexualleben, was ebenfalls nur durch Anspielungen und Gesten verdeutlicht

216 Vgl. June M. Frazer/ Timothy C. Frazer, „Father Knows Best“ and „The Cosby Show“. Nostalgia and the Sitcom Tradition. In: Journal of Popular Culture, 1993, 27/3, 172. 217 Vgl. Witthoefft, 42. 218 Frazer/ Frazer, 170. 51 wird. In der Folge „Der erste Schultag“ erzählt Clair ihrem Mann, dass sie sobald sie die Kinder in die Schule gebracht hat, zurück nach Hause komme und mit ihm den ersten Schultag „feiern“ wolle. Als Cliff ihr erklärt, dass er in seine Praxis muss, wo er eine neue Patientin erwartet, eröffnet sie ihm, indem sie sich lasziv im Türrahmen räkelt, sie sei diese neue Patientin, die sich unter falschen Namen einen Termin habe geben lassen. Diese freudige Botschaft kommentiert Cliff mit einem kurzen aber eindeutigen Schwung seines Beckens, bevor er sich auf den Weg die Treppe hinauf zum Schlaf- zimmer macht.

Bemerkenswert in der scheinbar gleichberechtigten Ehe von Cliff und Clair Huxtable ist die Tatsache, dass dem Vater dennoch die althergebrachte Rolle des Familienober- hauptes zukommt. Obwohl beide Eheleute gleichermaßen berufstätig sind - wobei beide allerdings ein erstaunlich hohes Maß an Zeit für ihre Kinder aufbringen können -, und obwohl beide etwa genauso oft - beziehungsweise trotz eines permanent gepflegten Hauses genauso selten - bei der Hausarbeit zu beobachten sind, scheint Cliff Huxtable nach alter Sitcom-Tradition die Funktion des „breadwinners“, des Familienernährers, für sich allein gepachtet zu haben. Er ist derjenige, zu dem die Kinder kommen, um ihn um Erlaubnis zu fragen. Er trifft die meisten Entscheidungen, und er scheint als einziger die Familienkasse zu verwalten. Als Theo, sein einziger männlicher Verbündeter in der Familie, ihm Clairs Geburtstagsüberraschung verraten soll, versucht ihn Cliff damit zu überreden, dass, wenn er mit sechzehn ein Auto haben möchte, sein Vater der einzige wäre, der ihm eins kaufen könnte. Eine Bemerkung, die angesichts des etwa gleich ho- hen Einkommens der Mutter absurd ist. Neben seiner Rolle als Familienpatriarch, füllt er aber auch einen großen Teil des in der Sitcom- und Familientradition originär weiblichen Aufgabenbereiches der Kindeserzie- hung aus. Zwar geht auch Clair auf ihre Kinder und deren große und kleine Sorgen ein, den größeren und effektiveren Teil der Erziehungsarbeit leistet jedoch Cliff, der bei Gelegenheit neben den eigenen, auch noch die Kinder anderer Eltern erzieht, wenn er zum Beispiel die kleinen Übernachtungsgäste von Rudy nicht nur mit zahlreichen Spielen unterhält, sondern ihnen nebenbei auch die Tischmanieren beibringt. Ein Grund, warum Vater Huxtable derjenige ist, der seinen Kindern regelmäßiger die täglichen Lektionen des Großwerdens beibringt, liegt wahrscheinlich auch darin, dass er häufiger zu Hause anzutreffen ist als seine Frau. Seine Arztpraxis befindet sich direkt im Keller unter dem Wohnhaus der Huxtables. Clair dagegen ist in mehreren Folgen zu sehen, wie sie erst später als ihr Mann von der Arbeit aus der Stadt kommt, oder wie sie abends noch einmal zu einem wichtigen Termin muss. In dieser ironischen Umkehrung der Geschlechterrollen, also der partiellen Übernahme von weiblichen Rollenklischees durch die Vaterfigur und umgekehrt, sehen Press und Strathmann eine 80er-Jahre-Version der Darstellung des Mittelklassepatriarchats. Die 52 aus dieser Abweichung von der Norm resultierende Komik dient demnach dazu, die immer noch existenten patriarchalischen Familienstrukturen zu rechtfertigen219. Auch Ella Taylor erkennt eine stetige unterschwellige autoritäre Tendenz in der Figur Cliff Huxtables, dessen erstaunlicher Charme die subtile Drohung überspielt: „Father knows best“ - Vaters Wort gilt. Der knuddelige übergroße Schuljunge ist erst der amü- sierte Betrachter und dann das Orakel. Er lässt es seine Kinder wissen, wenn sie etwas unpassendes gesagt oder getan haben, und er gibt seiner Frau zu verstehen, wenn ihre Unabhängigkeit zu aufmüpfig wird. Somit praktiziert Cliff Huxtable eine - wenn auch moderne - Politik der Führungsstärke.220

6.1.3 Die Komik der Mutterfigur: Clair Huxtable

Was die Häufigkeit der Komik der Serienfiguren angeht, belegt die Figur der Clair Huxtable den zweiten Platz, wenn sie dabei auch weit hinter ihrem Mann Cliff zurück- liegt. Brigitte Witthoefft hat in ihren betrachteten Serienfolgen 13,2 Prozent aller Lacher der Mutter zugeordnet. Der große Unterschied zwischen Cliff und Clair besteht zum größten Teil wohl darin dass die Figur der Clair nicht per se komisch ist. Im Gegensatz zu Cliff tritt bei ihr zum Beispiel kaum physische Komik auf. Das liegt vermutlich zum einen daran, dass Bill Cosby in seiner Rolle als Cliff Huxtable die Hauptperson in der Serie ist und seine ihm eigene mimische und gestische Komik nicht durch die anderen Darsteller überflügelt werden darf. Zum anderen ist aber auch die Figur der Clair Huxtable als die ernsthaftere, eher ver- nunftbetonte Ehepartnerin angelegt. Sie ist die schöne, intelligente Frau an der Seite ei- nes erfolgreichen Mannes, ihr tadelloses Äußeres wird des öfteren von Freunden der Familie oder anderen externen Figuren - aber auch in der Folge „Wer schön sein will muss leiden“ von ihren Kindern - bewundert und gelobt, sie eignet sich also nicht für jenen komischen Frauentyp, der entweder durch Dummheit oder Hässlichkeit von sich aus zum Lachen anregt. Die Komik von Clair Huxtable beschränkt sich größtenteils auf ironische und zynische Äußerungen. Dabei richten sich diese weniger als bei ihrem Mann gegen die Kinder. Mit den Problemen des Großwerdens, die ihre fünf Kinder pla- gen, geht Clair ernsthafter und behutsamer um als ihr Mann. Nur selten lässt sie in eini- gen Bemerkungen erkennen, dass auch für sie die Kinder nicht immer eine reine Freude, sondern auch eine Plage bedeuten können. Als Cliff sie in der Folge „Der erste Schul- tag“ darauf hinweist, dass die Kinder nach den großen Ferien endlich wieder in die Schule gehen, ruft sie erfreut aus: „Wir kriegen das Haus wieder.“ Dieser kurze hu- morvolle Angriff gegen die Kinder geschieht jedoch wohlweislich in deren Abwesen-

219 Vgl. Andrea Press/ Terry Strathman, Work, Family and Social Class in Television Images of Women. Prime-Time Television and the Construction of Postfeminism. In: Women and Language, 1993 (Fall), 16/2, 13. 220 Ella Taylor, Prime Time Families, University of Califormia, Berkeley 1989, 162. 53 heit und nur unter vier Augen mit ihrem Ehemann. Außerdem wird die Bemerkung so- fort wieder von ihr relativiert. Als Cliff vorschlägt, die Kinder so schnell wie möglich aus dem Haus zu schicken, erinnert sie ihn daran, es seien „ja immerhin unsere Kin- der“, und man könne sie nicht so aus dem Haus jagen, ohne ihnen das Frühstück zu machen. Daraufhin wird auch Cliff in Bezug auf die Kinder wieder ernsthaft und die Komik der Szene verlagert sich nun auf den scherzhaften Streit der beiden Eheleute, wer das Frühstück macht und wer die - im Gegensatz dazu weitaus schwierigere - Auf- gabe erledigt, die Kinder zu wecken. Mehr noch als ihr Mann Cliff zeigt sich Clair verständnisvoller für die Bedürfnisse der Kinder und versucht darauf einzugehen. In dieser Hinsicht verkörpert sie einen Teil des traditionellen Hausfrauen-Muttertyps der idealisierten Fernsehfamilie, der im Schatten der Autorität des Patriarchen für den Familienfrieden sorgt und sich für das Wohlbefin- den der einzelnen Familienglieder verantwortlich fühlt. Als die kleine Rudy heimlich und wider das ausdrückliche Verbot von Cliff dessen neuen Entsafter ausprobieren will, und damit auf dem Küchenfußboden eine mittlere Katastrophe anrichtet, nimmt Clair sie zuerst ins Gebet, erklärt ihr die Gefahren von elektrischen Haushaltsgeräten und bekräftigt noch einmal das von ihrem Mann ausge- sprochene (und von ihr bedingungslos unterstützte) Verbot. Dennoch bekundet sie ihr Verständnis dafür, dass Rudy aus Angst vor einer Strafe versucht hat, die Tat zu ver- heimlichen, und sie sichert ihrer Tochter die trotz allem ungebrochene Zuneigung zu. Anschließend ordnet sie Rudy gegenüber an, dass sie auch Cliff das Unglück zu beich- ten habe, der schließlich als Familienoberhaupt die Aufgabe hat, die Strafe zu verhän- gen. Nicht ohne seinerseits zuvor seiner Tochter seine ungetrübte Liebe zu versichern und mit einem Kuss und einer Umarmung zu besiegeln, verhängt er in humorvoll ge- spielt richterlichem Ton, jedoch mit ebensoviel Nachdruck, das „Urteil“, die Küche sauberzuwischen, das die Tochter nun um so freiwilliger und erleichterter annimmt. Wenn Clair und Cliff sich auch beide gleichberechtigt um die Kindeserziehung küm- mern, so überlässt Clair ihrem Mann doch die endgültige Entscheidung und das letzte Wort. Vor den Kindern gibt es keinen Streit um den Erziehungsstil des anderen, kein Kompe- tenzgerangel oder Machtkämpfe. Wenn Clair in dieser Hinsicht Kritik an Cliff übt, so tut sie das unter vier Augen. So auch in der vorliegenden Szene, wo sie, als Rudy durch die Küchentür abgegangen ist, das humorvolle Gerichtsspiel, das Cliff begonnen hat, weiterführt. Als Rechtsanwältin - die sie im beruflichen Leben ja tatsächlich ist - tritt sie für ihre „Mandantin“ Rudy ein und gibt zu bedenken, dass auch Cliff nicht ganz unbe- teiligt an dem Missgeschick in der Küche ist, hatte er doch seinen neuen Entsafter offen und für das Kind zugänglich auf der Küchenanrichte stehengelassen. Cliff gibt klein bei und ersucht seine Frau, die jetzt auch in die Rolle der Richterin geschlüpft ist, mit Lieb- kosungen um Gnade. Ist Cliff auch die Respektsperson, der „Herr im Haus“, der die 54

Entscheidungen trifft und der Familie sagt, wo es langgeht, so kommt Clair die Rolle des kritischen Korrektivs im Hintergrund zu, das Schwachstellen des Patriarchen auf- zeigt und damit dessen Unantastbarkeit aufhebt. Zwar billigt sie ihrem Mann die Funk- tion des Richters über die Kinder zu; über ihn selbst zu richten, ist jedoch ihr alleiniges Privileg221.

Der größte Teil der aggressiven, zielgerichteten Komik Clairs richtet sich gegen Cliff, und umgekehrt wird die meiste Komik, die auf Kosten Cliffs geht, von Clair produziert. Brigitte Witthoefft zählt in zehn Beispiel-Folgen insgesamt elf von Clair produzierte Lacher, bei denen Cliff das Objekt der Komik ist222. Gegen die einzelnen Kinder oder andere Personen sind es zusammengerechnet nur neun Lacher, also entschieden weniger pro Person. Auch Cliff wird außer von Clair nur insgesamt fünfmal zur Zielscheibe fremder Komik gemacht, davon dreimal von den Kindern und zweimal von außenste- henden Figuren. Diese Zahlen bestätigen die These, dass es die Hauptaufgabe von Clairs Komik ist, Kritik an ihrem Mann zu üben und dass Clair dieser Aufgabe im Ge- gensatz zu anderen Familienmitgliedern auch am häufigsten nachkommt. Mit ironischen Bemerkungen weist sie auf Schwächen und Unzulänglichkeiten des Vaters hin, und zeigt auf, dass auch die Person die in der Familie den höchsten Respekt genießt, nicht vollkommen ist. Diese Schwächen sind jedoch nie wirklich gravierend und stellen allen- falls liebenswerte Eigenheiten Cliffs dar. Ihre Kritik übt Clair dabei zum Beispiel unter vier Augen, wenn sie ihren Mann in seine Schranken weist, weil er es mit seiner Eitelkeit mal wieder übertreibt. Als er zum Bei- spiel in der Episode „Geburtstag mit verbundenen Augen“ behauptet, die Sängerin Lena Horn, die von der Familie eigens zu seinem Geburtstag engagiert wurde, hätte den gan- zen Abend nur Augen für ihn gehabt, antwortet sie kurz mit einem Lächeln: „Cliff, halt die Klappe“.

221 Ein Beispiel, bei dem Clair einen etwas größeren Anteil an der Erziehung der Kinder hat, ist eine ähnliche Szene der Folge „Das Wohnzimmergericht tagt“, die etwa zwei Jahre später gedreht wurde. Dort verklagt Clair als Anwältin in einer gespielten Gerichtssituation im Wohnzimmer der Huxtables ihren Sohn Theo, weil er vor seinen Eltern verleugnet hat, daß er und sein Freund William aus dem Football-Team geflogen sind. Hier wird nahezu die gesamte Erziehungsarbeit, nämlich, ihrem Sohn beizubringen, künftig die Wahrheit zu sagen, von Clair allein bestritten. Cliff, der bei der Wohnzimmer-Gerichtsverhandlung in die Nebenrolle des Gerichtsdieners schlüpft, macht sich dagegen mit einigen ironischen Bemerkungen über das Engagement seiner Frau lustig, das, wie die Szene zeigt, nur zum Teil von Erfolg gekrönt ist. Am Ende sieht zwar Theo sein Fehlverhalten ein, die übrigen anwesenden Kinder Vanessa und Rudy Huxtable sowie Rudys zwei Freunde und der ebenfalls anwesende William, an die sich die didaktische Botschaft gleichermaßen gerichtet hat, haben entweder nicht zugehört oder sie nicht verstanden. Clairs Bemühungen auf dem Gebiet der Didaktik waren also auch hier ineffektiver als die von ihrem Ehemann Cliff, und durch ihren übersteigerten Aufwand wirken sie komisch. Am Ende ist es nicht Clair sondern Cliff, den Theos Freund William respektvoll bittet, seinen Eltern nichts von seinem Rausschmiß aus dem Football-Team zu verraten. 222 Vgl. Witthoefft, Anhang, I. 55

In „Enrique der Schweiger“ verspottet sie ihn, weil er sämtliche Speisen auf einmal probiert, die ihm seine Patientinnen von der Schwangerschaftsberatungsgruppe zum Dank mitgegeben haben. Als er zu seiner Entschuldigung sagt, er müsse schließlich den Damen sagen, wie es geschmeckt hat, wenn sie ihn fragen, streichelt sie nur mit der Hand über seinen Bauch und bemerkt: „Wenn sie Augen im Kopf haben, sehen sie es.“ Aber auch in Gegenwart von anderen spielt Clair ihre Überlegenheit gegenüber Cliff aus. So beherrscht sie zum Beispiel im Gegensatz zu ihm die spanische Sprache. Als er in derselben Folge seinen Freunden stolz das fremde Gericht nennt, das ihm seine spa- nische Patientin mitgebracht hat, bricht sie in schallendes Gelächter aus und übersetzt ihm daraufhin, er würde „Reis mit Schuhen“ essen. Cliff überspielt daraufhin seinen kleinen Lapsus humorvoll und lässt sich von seiner Frau gerne aufklären. Seine Autori- tät als Familienvater ist zu sehr gesichert, als dass er sich mit seiner Frau auf Macht- kämpfe einlassen müsste, die nur auf Kosten der innerfamiliären Harmonie gehen wür- den. Auch gegenüber den Kindern lässt Clair gelegentlich Bemerkungen gegen ihren Mann fallen, die an seinem Bild als perfektem Ehemann und Vater etwas zu rütteln versuchen. Dabei handelt es sich jedoch jeweils um kurze pointierte Einwürfe, auf die seitens der Kinder auch nicht weiter eingegangen wird, die also an deren Verhältnis zu Cliff als Re- spektsperson nichts zu ändern scheinen. Als die zweitjüngste Tochter Vanessa in der Episode „Von Tür zu Tür“ Schwierigkeiten hat, ihrer ersten großen Liebe die Zunei- gung zu zeigen, erzählt ihr Clair eine Geschichte aus ihrer Schulzeit, als sie sich eben- falls nicht getraut hat, ihren Traumtyp im Schwimmbad anzusprechen. „Auf diese Art landete ich bei deinem Vater“, resümiert sie. In der Episode „Elektro-Spielzeug“ verspottet sie Cliff, der mit seinem neuen Entsafter ein weiteres Küchengerät erworben hat, das nach einmaligem Benutzen nutzlos in der Ecke stehen wird, und sie weist ihren Sohn Theo mit ironischem Unterton an, schon einmal einen Platz auf dem „Küchengeräte-Friedhof“ in der unteren Schrankschublade freizuräumen.

Trotz der scheinbaren Gleichberechtigung der beiden Ehepartner Cliff und Clair scheint sich Cliffs Engagement in der Küche auf spontane Spielereien zu beschränken. Clair trägt immer noch die Verantwortung für die Küche. Obwohl sie als berufstätige Frau nicht dem typischen Bild der Hausfrau und Mutter der 50er-Jahre-Serie entspricht, de- ren Haupt-Aufgabenfeld sich auf Kochen, Saubermachen und Kindererziehung be- schränkt, werden auch durch sie die Geschlechterklischees aufrechterhalten223. Wenn Cliff in der Küche ist, hat es immer etwas komisches, verspieltes, und das gibt seiner Frau nicht selten Anlass zum Spott.

223 Vgl. Frazer/Frazer, 166f. 56

Zwar ist auch Cliff bereit, beizeiten für seine Frau zu kochen, wenn sie spät von der Ar- beit nach Hause kommt. Allerdings entspricht dies nicht der Gewohnheit, ist immer noch etwas besonderes und reicht - wie in der Episode „Cliff der Kuppler“ - immer noch für eine ironische Bemerkung Clairs über seine Kochkünste.

Clair: Ich habe im Büro ein paar Akten durchzuarbeiten. Aber zum Essen bin ich wieder zurück. Cliff: Oh, na dann koch‘ ich doch was für dich. Clair: Das würdest du für mich tun? Cliff: Du weißt doch, wie gern ich das mache. Clair: Und was gibt es? Cliff: Ich weiß es noch nicht so genau. Clair: Gibt es denn etwas, das ich erkennen kann?

Clair Huxtable verkörpert nach Press und Strathman einen postfeministischen Frauen- typ, das heißt sie ist zugleich Hausfrau, Mutter und erfolgreich im Beruf. Zu kritisieren ist dabei die Tatsache, dass mit dieser Illustration bestätigt wird, dass sich die Form der Familie nicht weiter ändern muss, um sich arbeitenden Müttern anzupassen. Bemer- kenswert ist dabei, dass Clair fast nie bei der Ausübung ihres Berufs zu sehen ist. Es gibt bei den Huxtables keine sichtbaren Konflikte zwischen Familie und Arbeit, berufli- che Pflichten wirken sich nicht auf die eheliche Beziehung aus.224 Dennoch ist Clair eine Karrierefrau und selbsterklärte Feministin, eine Haltung, die bisweilen auch von ihren älteren Töchtern Sondra und Denise übernommen wird.225 In der Episode „Cliff der Kuppler“ wird ihre Einstellung zu Rollenverteilung und Gleich- berechtigung besonders deutlich, als sie gegenüber Elvin, Sondras Freund und späterem Ehemann, ein flammendes Plädoyer für den Feminismus hält. Hier kommt Elvin eine komische Rolle zu, der sich in seinem veralteten Rollenverständnis wundert, warum Clair ihm und Cliff eine Tasse Kaffee bringen will, wo sie doch als moderne Frau ihrem Mann angeblich nicht „dient“.

Clair: Hör zu, ich bin nicht hier, um zu dienen. Auch nicht Dr. Huxtable. O.K.?! (...) Und ich bediene auch nicht wie in einem Restaurant. Ich tue nichts weiter als ihm eine Tasse Kaffee zu bringen. So wie er mir heute morgen eine gebracht hat. Und daraus, junger Mann, besteht normalerweise das, was man Ehe nennt. Es ist ein Geben und Nehmen. Fifty-fifty. Und wenn du das nicht auf die Reihe kriegst und deine Macho-Allüren nicht ablegst, wirst Du es nie erleben, dass dir irgend jemand irgend etwas irgendwohin bringt. Niemals!

Cliff, der während der Rede enerviert die Hand vor das Gesicht gehalten hat, wendet sich, nachdem Clair in die Küche gegangen ist, an den kleinlauten Elvin mit den Wor-

224 Vgl. Press/Strathman, 13 sowie Frazer/Frazer, 167. 225 Vgl. Frazer/Frazer, 164. 57 ten: „Elvin, wenn sie den Kaffee hereinbringt, würde ich an deiner Stelle keinen Schluck trinken.“ Auf diese Weise schafft Cliff einerseits einen komischen und erleichternden Abschluss für die etwas ins Ernste umgekippte Szene. Andererseits symbolisiert er damit eine ge- wisse männliche Solidarität, die sich dem - durch Clairs Rede als etwas überzogen dar- gestellten - weiblichen Feminismus entgegenstellt. Die Frauen dürfen zwar sagen, was sie denken, aber sie werden nicht ernst genommen. Am Ende ist es doch der Mann, der Familienvater, der das letzte Wort hat.226 Insofern dienen auch die kritischen Bemerkungen Clairs gegenüber Cliff nie dazu, ihn als Familienoberhaupt zu demontieren. Clair lehnt sich damit nie gegen die bestehenden Familienstrukturen auf. Dadurch dass ihre Kommentare meist nur kleine menschliche Schwächen ihres Mannes aufdecken und dem Verlachen preisgeben, erfüllen sie viel- mehr eine Ventilfunktion - insbesondere für die Frauen, Kinder und Jugendlichen unter den Fernsehzuschauern, die die Probleme eines allzu autoritären Ehemannes und Vaters nur zu gut kennen. Letztlich wirkt gerade das Verlachen dieser kleinen Schwächen des Vaters versöhnlich in Bezug auf die Figur des Familienoberhaupts und bestätigt somit die bestehenden pa- triarchalischen Familienstrukturen in der Serie. Mit ihren komischen Bemerkungen ge- genüber Cliff scheint Clair letztlich sagen zu wollen: Vater hat zwar auch seine Fehler, aber meistens hat er recht.

6.1.4 Die Komik der Kinder

Unter den Familienmitgliedern der Huxtables sind die fünf Kinder diejenigen Charak- tere, von denen am wenigsten Komik ausgeht. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass sie ähnlich wie die Figur Clairs und im Gegensatz zu Cliff nicht von sich aus ko- misch angelegt sind. Ihre Komik entsteht fast ausschließlich aus deren Bemerkungen oder deren Verhalten und begründet sich dabei zumeist aus einer kindlichen bzw. ju- gendlichen Naivität. Bei den beiden ältesten Kindern Sondra und Denise lassen sich überhaupt keine kon- stanten komischen Eigenschaften feststellen. Komik entsteht eher bei den Angehörigen der jüngeren Altersgruppen - mit deren für Jugendliche und Kinder klischeehaften Ver- haltensweisen. Theo und Vanessa decken dabei - in den früheren Staffeln noch mehr als in den späteren Folgen - die Pubertäts- und Teenagerzeit ab und entwickeln ihre Komik aus den Sorgen und Nöten dieser Altersgruppe, wie zum Beispiel der ersten Liebe, Zwängen der Mode- trends oder materielle Abhängigkeit von den Eltern.

226 dies., 170. 58

Von allen Kindern der Huxtable-Familie kommt der Figur Theos am meisten Komik zu. Brigitte Witthoefft ordnet ihm in den von ihr betrachteten Folgen rund zehn Prozent al- ler gezählten Lacher zu. 227 Wenn überhaupt, so sind bei Theo als einzigem Kind komi- sche Charaktermerkmale zu erkennen. Er wirkt häufig ein wenig begriffsstutzig, einge- bildet und gilt als das unordentlichste und nachlässigste Familienmitglied. Bemerkens- wert dabei ist die Tatsache, dass er neben Cliff der einzige männliche Charakter in der Familie ist,228 was angesichts seiner komischen Eigenschaften gerade bei den weibli- chen Fernsehzuschauern Anlass für ein Überlegenheitsgefühl bieten kann. So zum Bei- spiel in der Episode „Geburtstag mit verbundenen Augen“ als sich die Frauen gegen ihn solidarisieren und auch ihm das Geburtstagsgeschenk nicht verraten, in der Sorge, Cliff könnte ihm dieses Geheimnis in einem Gespräch „unter Männern“ entlocken - was die- ser auch versucht. Eine ganz andere Art von Komik bedient der Charakter der kleinen Rudy, die Ella Taylor als „the absolute epitome of cheeky and cute Americana“ 229 bezeichnet. Sie stellt die klassische Kinderfigur dar, die aufgrund ihrer Naivität zahlreiche Möglichkei- ten für die Entwicklung von komischen Szenen bietet.230 Die Komik Rudys beschränkt sich jedoch auf harmlose komische Äußerungen mit nai- vem Inhalt oder auf bestimmte Verhaltensweisen, die aufgrund ihrer kindlichen Unge- schicklichkeit zum Lachen anregen. So ist die Situation, in der sie mit Hilfe des Entsaf- ters die Küche unter Wasser setzt und aus Angst vor dem technischen Ungetüm in ihr Zimmer flüchtet genauso komisch wie ihre großen braunen Knopfaugen, mit denen sie ihren Vater anschließend um Verzeihung bittet. Als die Familie den Großeltern zum Hochzeitstag eine Schiffsreise nach Europa schenken will, schärft Cliff den Kindern ein den beiden nichts vorher zu verraten. Natürlich ist es Rudy, die in Gegenwart der Groß- eltern herausplatzt: „Daddy lässt euch Schiffchen fahren.“. Auf einen ermahnenden Blick der Eltern fügt sie hinzu: „Ich habe nicht Europa gesagt.“ Wenn auch die Kinder teilweise komische Verhaltensweisen an den Tag legen und mit ihren kleinen Problemen nicht selten eine ganze Episodenhandlung bestimmen, wenn auch Theo teilweise etwas einfältig wirkt oder Vanessa Anwandlungen von Eitelkeit zeigt, so sind doch alle Figuren nie als völlig komisch, dumm oder narzisstisch konzi- piert - wie es etwa bei den Familienmitgliedern bei „Eine schreckliche nette Familie“ der Fall ist.

227 Vgl. Witthoefft, 38. 228 Sieht man einmal vom nur marginal auftretenden Großvater ab. 229 Taylor, 57. 230 Die Figur der Rudy wird erst später in die Huxtable-Familie eingeführt, in den ersten Folgen der Serie ist sie noch nicht dabei. In den späteren Staffeln wiederum, in denen sie als Lieferantin der naiven Komik zu alt ist, wird diese Funktion von der Figur der Olivia, der Tochter von Denises Ehemann, übernommen. Vgl. Witthoefft, 40. 59

Bei den Kindern der „Bill Cosby Show“ überwiegen durchweg für das Familienleben positive Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Gehorsam und Intelligenz. Am Ende der Episodenhandlung sind ihre kleinen Fehltritte wieder korrigiert und der Familienfrieden ist wieder hergestellt.

6.1.5 Komik und Familienbild

Betrachtet man Komik von Serienfiguren als das Resultat der Abweichung von gesell- schaftlich akzeptierten Normvorstellungen, also den Kontrast zwischen einem vom Zu- schauer erwarteten „normalen“ Verhalten und dem tatsächlichen eintreffenden, uner- warteten, dann vereinen die Huxtables zunächst einmal weniger Komik in sich. Für eine Comedy-Serie sind die einzelnen Charaktere, verglichen mit anderen Serien, wenig überzeichnet, auf stereotype Rollenmuster wird weitgehend verzichtet. Die Huxtables sind scheinbar eine vollkommen normale, „realistische“ Mittelschichtfamilie der neo- konservativen Reagan-Ära, die in der Tradition der „domestic comedies“ der 50er Jahre konservative Wertvorstellungen vertritt und ausschließlich aus moralisch guten und lie- benswerten Menschen besteht.231 Um die Komik der Serie zu erklären, reichen also die komischen Eigenschaften der Fi- guren noch nicht aus. Die Charaktere stellen ein idealisiertes Bild einer Familie dar und erfüllen damit - wie die gesamte Serie - eine Modellfunktion, sie sollen dem Zuschauer zeigen, „how to live correctly“,232 wie man sich also den gesellschaftlichen Normen entsprechend angemessen verhält. Dies lässt jedoch eine andere Form von Komik zu, die sich weniger auf Abweichungen von gesellschaftlichen Erwartungen, sondern auf Abweichungen von familieninternen Normvorstellungen und dem grundsätzlich guten Verhalten der Figuren zurückführen lässt. Diese Art von Komik ist also weniger an den Charakteren festgemacht, sondern be- schränkt sich auf einzelne Episoden mit deren zyklischer Plot-Struktur. Außerdem un- terstützt sie das didaktische Konzept der Serie.233 Dadurch, dass der zentrale Charakter der Serie ein im Showbusiness bereits etablierter Star ist, folgt die „Bill Cosby Show“ der Sitcom-Tradition der 50er Jahre (wie z.B. die Serie „I love Lucy“). Diese Hauptfigur wird in ein gewöhnliches, sogar betont banales Umfeld gesetzt. Narration und Komik ergeben sich aus den für die Person typischen Reaktionen auf eigentlich ganz alltägliche aber dennoch von den Normen leicht abwei- chende Situationen. 234

231 Vgl. Witthoefft, 38/39. 232 Ronald Berman, How Television Sees Its Audience. A Look at the Looking Glass. Newbury Park u.a. 1987, 25. 233 Vgl. Witthoefft, 40. 234 Vgl. Marc/ Thompson, 99. 60

Die Narration der einzelnen Episoden wird in der Regel nicht durch äußere Ereignisse motiviert, die die Ordnung der Familien- und Serienwelt stören, sondern fast immer ist es eins der Kinder, das gegen die von den Eltern aufgestellten Regeln verstößt, oder durch sein egoistisches Verhalten eine Bedrohung für die häusliche Harmonie darstellt. Zwar werden einzelne Episodenhandlungen auch durch die Eltern motiviert - in diesen Fällen meist durch Cliff Huxtable, der in der Folge „Wer schön sein, will muss leiden“ den ehelichen Schönheitswettbewerb ausruft -, am Ende sind es jedoch immer die El- tern, die aufgrund ihrer Lebenserfahrung die Störung beseitigen und die familiäre Ord- nung wieder herstellen. Die Regelverstöße und Abweichungen der einzelnen Figuren - vor allem der Kinder - von den familiären Normen bergen die Grundlage für zweierlei Arten von Komik. Zum einen stellen sie eine Inkongruenz zu dem ansonsten durch den Zuschauer grundsätzlich als vorbildlich wahrgenommenen Verhalten der Familienmitglieder dar. Zum anderen bieten sie Grundlage und Motivation für die komischen Reaktionen Cliff Huxtables, die die hohe Anzahl der durch seine Figur hervorgerufenen Lacher erklären. Cliff kom- mentiert mit seiner Mimik, Gestik oder zynischen Bemerkungen - weitaus häufiger als seine Frau - die Normabweichungen der Kinder, wie etwa Lügen, Ausreden oder kleine Überheblichkeiten und gibt sie dadurch dem Verlachen preis. Somit dient das Lachen des Fernsehpublikums im Sinne Bergsons als Korrektiv. Der Zuschauer identifiziert sich mit dem Kritik übenden Charakter und entwickelt ein Überlegenheitsgefühl gegen- über dem sich falsch verhaltenden Familienmitglied.235 Ein solcher Effekt stellt sich nicht nur bei den Kommentaren Cliffs in Bezug auf seine Kinder ein, sondern auch bei der zeitweiligen Kritik Clairs am Fehlverhalten ihres Mannes. Setzt man voraus, dass Komik - vor allem in Fernsehserien - zum größten Teil nach dem Gesichtspunkt produ- ziert wird, wer als Fernsehzuschauer worüber lacht und wer letztlich auch als Ziel- gruppe für die zwischen geschalteten Werbeblöcke angesprochen werden soll - die ent- scheidende Überlebensgrundlage solcher Serien -, so richtet sich die letztere Form von Komik wohl am ehesten an ein quantitativ nicht zu verachtendes und nicht erst in den 80er Jahren immer selbstbewusster werdendes weibliches Publikum. Diesem wird auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, die noch immer bestehenden patriarchalischen Strukturen zu verlachen, ohne sie jedoch dadurch zu demontieren, zu schädigen und ohne dem männlichen Publikum zu nahe zu treten. Berman sieht einen weiteren Aspekt der Komik in der „Bill Cosby Show“ in den An- strengungen, die der Vater mit vergleichsweise wenig Erfolg unternimmt, um die über- steigerten Wünsche und Begehrlichkeiten der Kinder abzulehnen. Auch auf diese Weise lässt sich die didaktische Aussage der Serie erkennen, dass man sich z.B. in Beschei- denheit üben soll und dass jugendlicher Übermut falsch ist. Negativer Begleitumstand

235 Henri Bergson, Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen, Zürich 1972, 17-23. Vgl. a. Witthoefft, 41. 61 dabei: Gleichzeitig stellt sie sich damit zum Teil aber auch gegen den Fortschritt. Die traditionellen Ansichten der Eltern werden als unbedingt richtig dargestellt.236 Die Komik wird - nicht zuletzt durch die exponierte Stellung der Vaterfigur und ihres Darstellers Bill Cosby - stets aus der Sicht der Eltern präsentiert. Immer wieder lässt Cliff ironische Bemerkungen gegen seine Kinder fallen, die zwar scherzhaft gemeint sind, die jedoch trotz aller familiären Harmonie auch die Plagen des Elternseins ver- deutlichen. In der Episode „Verknallt bis über beide Ohren“ wird er von Denises Klas- senkameradin über sein Familienleben interviewt und gefragt, welche Aktivitäten er und seine Frau lieber ohne die Kinder machen. „Alle“ lautet seine lakonische Replik darauf. Weiter befragt, ob er irgendwelche Vorkehrungen getroffen habe, für den Fall, dass er und seine Frau plötzlich sterben würden, antwortet er: „Wir nehmen die Kinder mit.“ Kritiker bemängeln an der „Bill Cosby Show“ - trotz einer weitaus liebenswerteren Sicht auf das Familienleben als sie etwa in der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ zu erleben ist -, dass ihr ein wirkliches Interesse an den Belangen der Kinder fehlt. Steven D. Stark bescheinigt Bill Cosby eine „somewhat jaundiced view of the joys of paren- ting“.237 Während die Figur des Pädagogen in Komödien häufig als ignoranter und gefühlloser Pedant der Lächerlichkeit preisgegeben wird, kommt der Erziehungsperson in dieser Sitcom - wie auch in anderen Familienserien – Respekt und sogar fast Verehrung zu. Cliff Huxtable wird nie aufgrund seiner Erziehungsmethoden verlacht. Er wird als freundlicher und sensibler Lehrer dargestellt, warm und verständnisvoll, zu dem die Schüler freiwillig gehen, um sich einen Rat zu holen. Dabei ist jedoch bei weitem nicht allwissend oder vollkommen und hat auch seine Schwächen. Aber gerade seine Rolle des „nice guy“ macht ihn für viele Fernsehzuschauer bewundernswert.238 Die elterliche Perspektive der „Bill Cosby Show“ wird auch in der Darstellung der klei- nen Alltäglichkeiten, der „small moments“,239 deutlich, aus denen sich die typischen Handlungsstränge entwickeln, die sich mit dem Problem der Kindererziehung und des Ratgebens befassen, wenn es zum Beispiel um die erste Verabredung geht, um Liebes- kummer, Hausaufgaben oder „the thin line between making a legitimate fashion state- ment and, heaven forfend, gaucheness.“240 Insofern repliziert die „Bill Cosby Show“ wiederum die alte Formel der 50er Jahre da- durch, dass hinter den zahlreichen Lachern meist eine Moral, ein didaktisches Anliegen

236 Vgl. Berman, 25. 237 Nach Stark hebt sich die Serie in dieser Hinsicht vom Zeitgeist der Fünfziger ab. Die „Bill Cosby Show“ passte sich demnach in den achtziger Jahren den veränderten Lebensumständen des riesigen „Baby-Boom“-Publikums an, das nun selbst Kinder hatte und plötzlich eine andere Meinung von elterlicher Autorität Eltern hatte. Vgl. Stark, 343. 238 Vgl. David Grote, The End of Comedy. The Sit-Com and the Comedic Tradition, Hamden/Conn. 1983, 91. 239 Stark, 344. 240 Marc, Comic Visions, 182. 62 versteckt ist241 - abgesehen von der naiven Slapstick-Komik, die ebenfalls ein Marken- zeichen Cosbys ist. Entgegen einem Großteil ihrer Vorgänger kommt die „Bill Cosby Show“ jedoch ohne die für die Standard-Sitcom typischen Gag-Salven und Handlungsmuster aus. Zahlrei- che Kritiker bescheinigen der Serie sogar einen noch nie dagewesenen „Realismus“.242 Zwar ist die „Bill Cosby Show“ bei weitem nicht die erste sitcom, die - wenn auch in idealisierter Form - das Familienleben abbildet, doch wurde sie damit in den 80er Jahren zu einem Wegbereiter eines in dieser Zeit neu auflebenden Trends zu Familie und Privatleben im Fernsehen. 243 Dennoch wird ihr gleichermaßen vorgeworfen, sie sei ein „throwback to the morality of an earlier era, some nostalgia as it once was or at least was idealized“.244 Frazer und Frazer vergleichen die „Bill Cosby Show“ mit der in den USA der 50er/60er Jahre sehr berühmten Sitcom „Father knows best“, in der ebenfalls das traditionelle Bild der „nor- malen“ intakten Kernfamilie (Vater, Mutter, Kind (-er)) demonstriert wird - wenn auch die Frauenrollen in der Cosby Show weitaus selbständiger angelegt sind. Aber ange- sichts der veränderten Familienrealitäten in der Zwischenzeit in Amerika (wie dem An- stieg der Scheidungsraten) und der Re-Definition von „Familie“ wie sie in Single-Sit- coms („Kate & Allie“, „Wer ist hier der Boss?“) geschieht, liegt der Schwachpunkt der „Bill Cosby Show“ darin, dass sie hinderlich auf eine gesunde, neu aufkommende plu- ralistische Betrachtungsweise der Familie wirken kann. 245 Ein weiterer Aspekt, der von zahlreichen Kritikern bemerkt wurde, ist die Tatsache dass die „Bill Cosby Show“ zwar eine schwarze Familie abbildet, aber die Rasse scheinbar keine Rolle spielt. Weder ist die Hautfarbe der Cosbys ein Gegenstand der Komik in der Serie, noch wird sie an irgendeiner Stelle explizit erwähnt. Die „Bill Cosby Show“ ver- meidet sowohl die rassebezogene Selbstironie schwarzer Fersehfamilien vorangegange- ner Serien (wie z.B. „The Jeffersons“ oder „Good Times“) als auch andere stereotype Merkmale wie soziale Isolierung, Gewalt, Neigung zu Konflikten, wie sie bei schwar- zen Fernsehfamilien der 70er Jahre zu beobachten war.246 Eine Analyse des „Center for Media and Public Affairs“, in der amerikanische Fernseh- programme von 1955 bis 1986 untersucht wurden, ergab, dass 94 Prozent aller weißen Charaktere sich aus gebildeten Berufstätigen rekrutierte, 50 Prozent aller Schwarzen dagegen aus High-School-Abbrechern bestand.247

241 Vgl. Stark, 343. 242 Mark Crispin Miller, Deride and conquer, In: T. Gitlin (Hg.), Watching television, New York 1986, 209. 243 Vgl. Stark, 344. 244 Frazer/Frazer, 171. 245 dies., 164. 246 Vgl. Merritt, 94. 247 Vgl. Stark, 345. 63

Die „Bill Cosby Show“ bewegte sich mit ihrer gebildeten und wohlhabenden schwarzen Protagonistenfamilie genau entgegen diesen Trend, und sah sich dadurch der Kritik ausgesetzt, völlig unpolitisch zu sein. Kritiker bemängelten, Cosby porträtiere die Schwarzen zu sehr wie Weiße, er entwerfe eine Realität, die nicht der Wirklichkeit ent- spreche und die ein Kompliment an die Reagan-Bush-Jahre sei.248 Dass die soziale Realität der schwarzen Fernsehzuschauer meist anders aussah, kritisiert auch Darrell Hamamoto, wenn er sagt: „While the Cosby Show might possibly have been an accurate portrayal of those black professionals who had broken through ethnic barriers, it was only fantasy for the many more members of the black underclass who would only dream of the material comfort and security enjoyed by their brood.“249 Andy Medhurst sucht nach dem Anliegen einer solchen Darstellung der Familie, indem sie die Frage aufwirft, ob die bourgeoisen Huxtables eine naturgetreue Darstellung von schwarzem Familienleben sein sollen, ob sie ein Modell darstellen, das man - insbeson- dere der schwarze Fernsehzuschauer - anstreben soll, oder ob sie demonstrieren wollen, wie tolerant das weiße Sitcom-Amerika ist, dass es sich - zumindest gegenüber netten - schwarzen Familien öffnet? Medhursts Meinung nach sind die Huxtables zu nett und die Komik zu wenig offensiv.250 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, brauchen Witze eine Zielscheibe, ein Opfer, das leicht erkennbar für das Publikum sein muss. Die Ge- schicklichkeit an guter politischer Comedy liege darin, die richtigen Zielscheiben zu finden. 251 Bill Cosby hatte mit seiner Sitcom aber nicht zuletzt dadurch Erfolg, dass er in Bezug auf die Hautfarbe, auf Stereotypen verzichtete und die Figuren so normal wie möglich hielt.252 Cosby selbst bekannte sich in einem Interview zu seiner Unfähigkeit, Komik aufgrund solcher Klischeevorstellungen zu erzeugen: „It would have been wonderful if I had been able to bring on children in the familiy who had drug problems and make that funny, or had a daughter get pregnant out of wedlock and make that funny, or have Dr. Huxtable having two or three nurses on the side and make adultery funny. But I just could not deal with the humor in those situations.“ 253 Dadurch, dass Cosby trotz seines „farbenblinden Humors“254 seine Show so erfolgreich machte, war er vielleicht politischer und integrativer als es vordergründig den Anschein hatte. Er nahm letztlich den Farbigen den Zwang, sich politisch mit ihrer Hautfarbe aus-

248 ebda. 249 Hamamoto, 137. 250 Vgl. Andy Medhurst, Introduction, in: Therese Daniels (Hrsg.)/ Jane Gerson (Hrsg.), The colour black. Black Images in British Television. Part One: Laughing Matters. Situation Comedies, London 1990, 20. 251 Vgl. Medhurst, 21. 252 Vgl. Merritt, 99. 253 Stark, 345. 254 Merrit, 98. 64 einanderzusetzen und gab ihnen die Freiheit, „normal“ und unpolitisch zu sein, so wie die meisten Amerikaner.255 Glaubt man Cosbys Äußerungen aus dem Jahre 1985, so war das auch seine Absicht: „I don't think you can bring the races together by joking about the differences between them, I'd rather talk about the similarities, about what's universal about their experien- ces.“256 Nicht umsonst ließ Bill Cosby, um rassistische Klischees zu vermeiden, sämtliche Drehbücher seiner Serie von dem Psychiater und Harvard-Professor Alain Poussaint überprüfen, der die Gefahr im Fernsehen unter anderem darin sah dass es allzu oft bei weißen Kindern den Eindruck erwecke, „all black children are comedians who conform to racial stereotypes.“257 Insofern stellen für die Befürworter von Cosbys unpolitischer Komik, wie etwa Mitz, Hautfarbe und Rasse gerade dadurch, dass sie nicht explizit thematisiert werden einen Hauptbestandteil der Serie dar: „The fact that they were black was beside the point - which was exactly the point.“258 Vielmehr als schwarze Rassenklischees vermittelt die „Bill Cosby Show“ rassenüber- greifende Werte wie Familienzusammengehörigkeit, komfortables Leben, Individuali- tät, Lachen über jugendliches Missgeschick das durch erwachsene Weisheit in die rich- tigen Bahnen gelenkt wird.259 Gerade dies macht die Attraktivität der Serie für ein so breites Publikum aus. Ibelema erkennt in der „Bill Cosby Show“ ein anscheinend geeignetes Beispiel der „re- flective-projective-mirror theory“. Demnach kann der Zuschauer seine Vorstellungen vom perfekten harmonischen Familienleben in die Familie der Huxtables hinein proji- zieren. 260 Dies beantwortet auch die weiter oben formulierte Frage Medhursts nach dem Anliegen der Familiendarstellung in der „Bill Cosby Show“. Der Reiz der „Bill Cosby Show“ basiert also in erster Linie nicht darauf, dass sie eine schwarze Familie zeigt, die den Zuschauer zum Lachen bringt, sondern dass sie von ei- ner Familie erzählt, die „es geschafft hat“,261 oder wie Bill Cosby es formulierte: „To say that they are not black enough is a denial of the American dream and the American way of life. My point is that this is an American family (...) and if you want to live like they do, and you are willing to work, the opportunity is there.“262

255 Vgl. Stark, 345. 256 Merritt, 93. 257 Hamamoto, 136. Vgl. a. Taylor, 163 sowie Witthoefft, 36. 258 Mitz, 357. Vgl. a. Stark, 344 sowie Witthoefft, 36. 259 Vgl. Minabere Ibelema, Identity Crisis. The African Connection in African American Sitcom Characters. In: Diane Raymond (Hrsg.), Sexual politics in popular culture, Bowling Green/ Ohio 1990, 128. 260 ebda. 261 Vgl. Berman, 8. 262 Mitz, 359. Vgl. a. Witthoefft, 36f. 65

Ähnlich wie das Ausklammern der Rassenthematik wird das Fehlen jeglicher sozialer und finanzieller Probleme der Huxtables kritisiert. Frazer und Frazer bemängeln, dass der Wohlstand dieser Familie den Eindruck vermittelt, dass die „repräsentative“ ameri- kanische Familie wohlhabend und mittelständisch ist und frei von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die bei vielen der Zuschauer den Alltag bestimmen - egal ob weiß oder schwarz. 263 Die Außenwelt wird von der heilen Familienwelt weitestgehend ausgeschlossen. Ein- flüsse von außen wie z.B. Drogenproblematik oder veraltete Rollenverhältnisse, in de- nen Männer eine weniger liberale Einstellung zu Frauen haben, als das in der Huxtable- Familie der Fall ist, werden entweder von den Familienmitgliedern gar nicht angenom- men oder werden durch die in der Familie bestehenden Normen (meist vermittelt durch den Vater Cliff) sehr schnell und spielerisch wieder abgewiesen, wobei gegebenenfalls nicht nur die eigenen Kinder der Huxtables zu einem Leben gemäß diesen Normen er- zogen werden, sondern auch der außerfamiliäre Verursacher einer Normverletzung, der meist aus dem Freundeskreis eines der Kinder stammt.264 Angesichts des völligen Ausklammerns von politischen und sozialen Problemen in der Familienserie, in der die einzige Politik darin zu bestehen scheint, nett zu anderen Leu- ten zu sein, vor allem zu seinen Verwandten, 265 stellen Frazer und Frazer die Frage nach der grundsätzlichen Funktion der Sitcom. In erster Linie soll sie unterhalten und zum Lachen bringen. Die Frage, in wieweit sie dabei realistisch sein kann und trotzdem noch komisch wirkt, wirft ihrer Auffassung nach ein weiteres Problem auf: Wenn die Serie erziehend wirken will, und im Fall der Bill Cosby Show ist das augenscheinlich der Fall, 266 erzielt sie dann einen besseren edukativen Effekt, indem sie die harte so- ziale Realität abbildet und die Charaktere präsentiert, die dadurch gestärkt werden, dass sie mit ihr umzugehen verstehen, oder indem die Serie das zu erstrebende Idealbild ei- ner Familie zeigt, in der es solche Probleme nicht gibt?267 Der edukative Effekt, den die Serie auf das Publikum ausübt kann selbstverständlich nur schwer ermittelt werden. Tatsache ist jedoch dass die „Bill Cosby Show“ aufgrund ihrer

263 Vgl. Frazer/Frazer, 165. Diese Kritik ist umso bemerkenswerter wenn man bedenkt, daß Cosbys ursprüngliche Idee es war, die Familie im Arbeitermilieu spielen zu lassen. Vgl. Mayerle, 86. 264 So gibt es eine Folge, in der die Huxtable-Eltern einen Joint in Theos Schulbuch finden. Es stellt sich heraus, daß dieser nicht Theo sondern dessen Freund gehört. Die Huxtables laden den Freund zu sich nach Hause ein, und nach einem Nachmittag bei den Huxtables ändert er sein Verhalten gegenüber Drogen. Vgl. Frazer/Frazer, 165. 265 Vgl. Taylor, 163. 266 Bill Cosby hat seinen Doktortitel in „Education“ an der University of Massachusetts gemacht. Der Namenszug „Dr. William H. Cosby Jr., Ed. D.“ erscheint regelmäßig im Vorspann der „Bill Cosby Show“. Außerdem hat er bereits für das Kinderprogramm gearbeitet (z.B. mit der Cartoon- Serie: „The Cosby Kids“). Vgl. Marc/Thompson, 101. 267 Vgl. Frazer, 165. 66

Universalität - Familienbeziehungen und -probleme sind wohl den Fernsehzuschauern aller Bevölkerungsschichten gleichermaßen bekannt - ein hohes Identifikationspotential für ein breites Fernsehpublikum hat. Kinder und Eltern können sich in die Charaktere hineinversetzen, alle Charaktere sind gleichermaßen intelligent, sensibel und haben kleine menschliche Schwächen, über die man herzhaft lachen kann. 268 Zudem präsentiert die „Bill Cosby Show“ eine traditionelle Familie mit traditionellen Werten und scheint beziehungsweise schien damit genau die Wünsche und Sehnsüchte des amerikanischen Fernsehpublikums zu befriedigen. Dennoch war die Serie auf der anderen Seite auch fortschrittlich, indem sie sich durch die Abbildung eines Doppelver- diener-Ehepaars den neuen realen Lebensumständen seiner Zuschauer annäherte - wenn auch in idealisierter Form.269 Der Harvard-Psychiater Robert Coles sieht in der Sendung sogar eine gewisse „pasto- rale Qualität“: „I hear white working class families quoting 'The Cosby Show' as though it were the last church sermon they heard“.270 In Bezug auf die Publikumswir- kung einer solch populären Sendung stellt Ella Taylor fest: Wenn es stimmt, dass be- liebte Fernsehsendungen am ehesten vorherrschende Ideen transportieren, dann ist in der „Bill Cosby Show“ als eine solche Idee die der intakten Familie zu sehen. 271 Da dies offensichtlich die einzige Kernaussage der „Bill Cosby Show“ ist, mit der sie sich bis heute stetiger Beliebtheit erfreut, kann man feststellen, dass die Serie genauso zeitlos wie regressiv ist. Dadurch, dass ein mehr oder weniger traditionelles Familien- bild propagiert wird, stellt sich die Show völlig gegen soziale Veränderungen. Ob an- dere Familien-Sitcoms in dieser Hinsicht revolutionärer sind, wird sich im Folgenden zeigen.

268 Vgl. Merritt, 97. 269 Vgl. Stark, 343. 270 Merritt, 97. 271 Taylor, 160. 67

6.2 „Roseanne“

6.2.1 Allgemeine Informationen

Mit „Roseanne“ brachte das Produzententeam Marcy Carsey und Tom Werner nach der „Bill Cosby Show“ und der Serie „A Different World“ ihre dritte Sitcom heraus. Die er- ste Folge von „Roseanne“ wurde am 18. Oktober 1988 im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt.272 Der Fernsehsender ABC setzte die Serie gleich zu Anfang auf einen der besten Sende- plätze am Dienstagabend zwischen den Serien „Who is the boss?“ („Wer ist hier der Boss?“) und „Moonlightning“. Nachdem die Serie zunächst auf sechs Episoden be- grenzt war, waren die Programmverantwortlichen schon nach der ersten Folge mit den Einschaltquoten so zufrieden, dass sie für die Spielzeit 1988/89 bereits 13 Episoden an- forderten. 24 Folgen wurden es dann insgesamt, die in der ersten Staffel ausgestrahlt wurden. 273 Insgesamt neun Staffeln, bis 1997, überdauerte die Serie. Bereits in der ersten Spielzeit landete „Roseanne“ auf Platz zwei der Einschaltquotencharts.274 Ein Jahr später hatte sie mit etwa 36 Millionen Zuschauern pro Woche sogar die „Bill Cosby Show“ vom Spitzenplatz verdrängt.275 Seit 1990 ist „Roseanne“ auch im deutschen Fernsehen zu sehen. Und auch hier ist sie sehr erfolgreich: der Fersehsender Pro 7 strahlt ihre Folgen bis heute in regelmäßigen Abständen wochentags auf prominenten Nachmittagssendeplätzen aus – auch dort im Umfeld weiterer bekannter Comedy-Serien, wie unter anderem der „Bill Cosby Show“ und „Eine schrecklich nette Familie“. Roseanne galt bald als die am meisten gefeierte erstplatzierte Fernseh-Show mit einer Frau in der Hauptrolle seit der Fernsehserie „I Love Lucy“.276 Die Leser der Zeitschrift „People Weekly“ wählten die Hauptfigur Roseanne Barr (später: Arnold) am Ende der zweiten Spielzeit als beliebtesten weiblichen Fernsehstar.277 Mit „Roseanne“ folgten die beiden Produzenten Casey und Werner dem erfolgreichen Konzept der „Bill Cosby

272 Marc/ Thompson, 100. Vgl. a. Himmelstein, 134. 273 Vgl. Mayerle, 73. 274 Vgl. Stark, 351. 275 ebda. Vgl. a. Kathleen K. Rowe, Roseanne: Unruly Woman as Domestic Goddess. In: Screen 31,4 (Winter 1990), 409. 276 Vgl. Stark, 351. 277 Vgl. Kathleen K. Rowe, 409. 68

Show“, indem sie auch hier auf eine alte Sitcom-Technik zurückgriffen, die in den 50er Jahren aufkam: ein bekannter Star, der einen komischen Charakter verkörpert, ist die Hauptfigur der Serie. Dieser Hauptcharakter wird in eine gewöhnlich-familiäre Umgebung gesetzt. Handlungsstränge und Komik entstehen aus der eigentümlichen, typischen Reaktion dieser ungewöhnlich gewöhnlichen Figur auf eine endlose Serie von wiedererkennbaren Lebenssituationen. 278 Mit Roseanne Barr fanden Casey und Werner einen solchen Star. Zwar war sie jünger und anfangs unbekannter als Bill Cosby. Dennoch konnte sie zu Beginn der Serie im Jahre 1988 bereits auf sieben Jahre Erfahrung als Stand-up-Komikerin zurückblicken. Während dieser Karriere hatte sie in ihren Comedy-Shows einen Frauentyp kreiert, der zum Teil auf ihren eigenen Lebenserfahrungen basierte279: eine sarkastische Hausfrau und Mutter von eher geringer Schulbildung, die sich mit der Doppelbelastung Beruf und Familie konfrontiert sieht.280 Ein ähnliches Konzept hatten sich Casey und Werner für ihre neue Sitcom ausgedacht: eine Comedy-Serie um eine berufstätige Frau aus der Arbeiterklasse. Bei der Recherche für die Serie interviewte der Drehbuch-Autor Matt Williams, der auch schon an der „Bill Cosby Show“ mitgearbeitet hatte, etwa 50 Frauen auf der Suche nach einem Frau- entyp für die Sitcom, die Anfangs noch „Life and Stuff“ heißen sollte. Dabei fiel ihm die Lebenseinstellung auf, mit der die Frauen ihrer Mehrfachbelastung begegneten, ihre Kinder großzuziehen, meist ganztägig zu arbeiten, den Haushalt zu machen, ihren Freundinnen Beistand zu leisten und die eigenen Familienprobleme in den Griff zu be- kommen. Dabei legten sie größtenteils eine Art stoischen Fatalismus an den Tag, der sie die Widrigkeiten des Lebens mit dem nötigen Humor nehmen ließ - etwa nach dem Motto: „Well, hell, it can`t get any worse. So what are you going to do but laugh?“ 281 Dieses Konzept passte wie angegossen auf Roseanne Barr und den von ihr entwickelten komischen Frauencharakter. Williams sah eine Fernsehshow mit ihr und merkte, dass sie nicht nur komisch war, sondern dass sie auch etwas zu sagen hatte, dass sie einen „strong feminist point of view“ mit einbrachte.282 Und nicht nur vor der Kamera, son- dern auch hinter den Kulissen übte die dominante Hauptdarstellerin Roseanne Barr bald großen Einfluss auf die Produktion der Serie aus. Nicht zuletzt war es ihr Vorschlag,

278 Vgl. Marc/ Thompson, 99. 279 Vgl. Mayerle, 72ff. 280 Vgl. Marc, Comic Visions, 196f. 281 Vgl. Mayerle, 72. 282 ebda. 69 dass die Familienmutter um die sich die Serie drehte, berufstätig sein und drei Kinder haben sollte – einen Jungen und zwei Mädchen. 283 Roseanne Barr spiegelte damit gleichzeitig den wachsenden Einfluss von Frauen in der Produktion von „Prime-Time“- Fernsehprogrammen wider.284 Zeitweise übte sie harte Kritik am Drehbuch, denn als geistige Mutter des Roseanne-Charakters bestand sie darauf, dass Sprache und Aktionen so sind, wie sie sie konzipiert hatte.285 So dominierte die Persönlichkeit der Hauptdar- stellerin ähnlich wie in der „Bill Cosby Show“ auch bei „Roseanne“ Stil und Inhalt der Serie. Und nicht nur das: Roseanne Barr übte in dieser Hinsicht eine bald despotische Kontrolle aus, und setzte sich sogar zum Teil über die Entscheidungen der beiden Pro- duzenten Carsey und Werner hinweg. 286 Konflikte mit Regisseurin Ellen Falcon führten im Dezember 1988 sogar zum Aus- scheiden Falcons.287 Am Ende der Staffel verließ auch Produzent Gayle Maffeo die Se- rie.288 Selbst der Erfinder der Serie, Matt Williams, und sein Kollege Jeff Harris quit- tierten ihren Dienst als Executive Producers, nachdem sie sich mit dem Star gestritten hatten. Weil es sich bei der Familie von Roseanne, anders als bei Bill Cosby, um eine Arbeiter- familie handelte, wies das Konzept der Serie im Vergleich zur „Bill Cosby Show“ so- wohl äußerlich als auch von der Story Unterschiede auf. Matt Williams wollte schon die Kulisse der Serie gebraucht und verwohnt aussehen lassen. Hier griff er auch auf die Er- fahrungen zurück, die er beim Entwerfen für die „Bill Cosby Show“ gesammelt hatte: Dass nämlich der Schlüssel zu einer erfolgreichen Fernsehserie eine gewisse Form von „audience identification“ ist.289 Schon Bill Cosby wollte für seine Show eine Woh- nungseinrichtung, mit der sich die Fernsehzuschauer zu Hause so sehr identifizieren konnten, dass sie sich fragten: „Wie sind die vom Fernsehen in mein Haus gekom- men.“290

283 ebda. 284 Vgl. Mayerle, 71. 285 dies., 75. 286 Vgl. D. Marc/Thompson, 105. 287 Vgl. Mayerle, 76. 288 dies., 84. 289 Die Tatsache, dass es sich bei der Familie, mit der sich das Publikum identifizieren soll, um eine Arbeiterklassefamilie handelt, zeigt, dass die Fernsehzuschauer der Unterschicht von dem Produzenten immer mehr berücksichtigt und als kaufkräftige Zielgruppe der Werbebotschaften akzeptiert wurden. 290 Vgl. Mayerle, 72/73. 70

So achtete man auch bei der Ausstattung „Roseannes“ auf die weitestgehend realistische Darstellung eines proletarischen Haushalts.291 Im Gegensatz zu dem Heim den Cosbys weist das Haus der Conners eine permanente Unordnung auf. In der Küchenspüle sta- pelt sich der Abwasch, die durchgesessene Wohnzimmercouch ist mit einer Flicken- decke überhängt, und die Kühlschranktür ist übersäht mit Zetteln, Aufklebern, Fotos und Kinderzeichnungen. Ein Großteil des Kulissenmobiliars wurde direkt aus dem Ver- sandhauskatalog bestellt, genau so, wie es die Conners in Wirklichkeit wahrscheinlich auch gemacht hätten. 292 Die Kleidung der Darsteller wirkt eher ärmlich. Roseanne ist meist in legeren Trai- ningshosen und weiten T-Shirts der Größe XXL zu sehen, ihr Mann Dan trägt mit Vor- liebe Holzfällerhemden und Blue Jeans und auch die Kinder sind eher einfach als mo- disch gekleidet. Das Bestreben der Serie nach einer besonders realitätsnahen Darstellung des Familien- lebens spiegelt sich auch in der Interaktion der Charaktere, zum Beispiel in den oft brü- chigen und umgangssprachlichen Dialogen wider, die nicht zuletzt dadurch eine ge- wisse Komik erhalten. Die Charaktere der Serie waren nicht von vornherein im Dreh- buch völlig festgelegt. Als die Schauspieler im März 1988 gecastet wurden, wussten weder sie noch die Autoren, wie die Figuren aussehen sollten. Man entschloss sich, al- les natürlich und improvisativ entwickeln zu lassen. 293 Das entworfene Set erlaubt dem Regisseur drei bis vier Kameras einzusetzen, die ab- wechselnd das Wohnzimmer, die Küche, das Schlafzimmer, die Zimmer der Kinder aber auch andere Szenen außerhalb des Hauses der Conners, wie zum Beispiel die Wohnung von Roseannes Schwester Jackie, ihrer Mutter oder das Schnellrestaurant, in dem Roseanne arbeitet, filmen konnten. Durch diese Produktionsmethode des Einsatzes mehrerer Videokameras, die im übrigen für die neuere Sitcom-Produktion üblich ist, wurde es den Schauspielern ermöglicht, vor der Kamera mehr zu improvisieren und ei- nen natürlicheren Schauspielstil zu entwickeln, der nicht zuletzt auch der Komik der Se- rie zugute kommt.294

291 Diese Auffassung von Realismus ist natürlich mit Vorsicht zu genießen. Selbstverständlich ist die Wohnung sowie die Handlung bei Cosby und bei Roseanne jeweils eine idealisierte beziehungsweise schablonisierte Darstellung der Realität. Die Identifikation geschieht also wohl gerade aufgrund der überspitzten, pointisierten und damit komischen Darstellung des alltäglichen Lebens. Der wahre Alltag wäre niemals so komisch. 292 Vgl. Mayerle, 73. 293 ebda. 294 Vgl. Mayerle, 74. 71

6.2.2 Die Komik der Vaterfigur: Dan Conner

Die Figur des Dan Conner ist ohne Zweifel nach dessen Ehefrau Roseanne die zweite Hauptfigur der Serie. Das betrifft vor allem auch die Komik, die die Vaterfigur in sich vereint. Bei zehn betrachteten Serien konnten von 888 Lachern 168 Dan zugeordnet werden. Das sind zwar weitaus weniger als der Titelfigur Roseanne zukommen, den- noch gehen – wenn man es an den Lachern misst – immer noch knapp zwanzig Prozent der Komik der Serie von Dan aus. Das liegt natürlich zu einem großen Teil daran, dass mit ein Schauspieler ausgesucht wurde, der ähnlich wie Roseanne Barr in Sachen Comedy kein unbeschriebenes Blatt war und sich als Komiker und Film- schauspieler bereits einen Namen gemacht hat. Barr und Goodman verstanden es auch, in den Proben der einzelnen Episoden komische Abläufe und Textzeilen zu improvisie- ren, die dann ins Drehbuch übernommen wurden. Wie bei Roseanne Barr so sind es auch bei John Goodman das Minenspiel und be- stimmte Ausdrucksweisen, mit der er bestimmte Textpassagen wiedergibt, die zur Ko- mik beitragen. Als er zum Beispiel in der Folge „Nur eines bleibt übrig“ von seinem Sohn DJ gefragt wird, ob er Roseanne nicht befehlen kann, ihnen beiden noch etwas Kuchen aus der Küche zu bringen, verzieht er ironisch das Gesicht zu der gemeinsten Tyrannen-Grimasse und fordert mit verstellter, gespielt herrischer Stimme seine Frau auf, den Kuchen zu bringen, ohne freilich je daran zu glauben, dass sie dieser Aufforde- rung nachkommen würde. Als Roseanne die kläglichen Versuche Dans auch noch mit einem Lachen quittiert, steht er selbst auf, um zum Kühlschrank zu gehen. Dan Conner ist längst nicht das was man den „Herrn im Hause“ nennen könnte. Ihm kommt auch bei weitem nicht die klassische Vaterrolle des „breadwinners“ zu. Als ur- sprünglicher Bauarbeiter ist er von Anfang an unregelmäßig beschäftigt und ergreift später die Gelegenheit, einen Motorradladen in der Heimatstadt der Conners, Lanford im US- Bundesstaat Illinois, aufzubauen. Doch auch als Chef erweist er sich als denkbar ungeeignet, weil ihm jede Autorität fehlt. Als er in der Folge „Ein wahrer Horrortrip“ einen seiner Angestellten, der sich am morgen krank gemeldet hat, abends putzmunter in der Kneipe wieder trifft, gelingt es ihm nicht, ihn zur Rede zu stellen und ihm zu kündigen. Stattdessen lässt er sich von dem Mitarbeiter, der Dans Versuch „hart durch- zugreifen“ offensichtlich nicht im geringsten ernst nimmt, beschwichtigen und zu einem Bier einladen. 72

Auch in der Familie ist Dan Conner eher das, was ein Kritiker den „daddy of dysfunc- tion“ 295 nennt. Er ist viel zu phlegmatisch und unbeholfen als dass er zu einer Respekts- person taugen würde. Er wird dargestellt als ein Vater, der sich gerne vor Familienkon- flikten drückt und am liebsten mit allen Problemen in Ruhe gelassen werden will. Schon allein seine Versuche, sich mit einer Ausrede aus der Affäre zu ziehen wirken, mitunter sehr komisch. Als beispielsweise in der Folge „Die Mutterplage“ Roseanne und Jackie sich gegen ihre Mutter verschwören und ihr offenbaren, dass sie sie nicht mehr in dem Schnellrestaurant „Lunch-Box“ arbeiten lassen wollen, das sie zu dritt betreiben, steht Dan, der zufällig ebenfalls in der Küche der Conners ist, vor dem Konflikt, entweder seiner Frau und seiner Schwägerin zuzustimmen oder die Schwiegermutter in Schutz zu nehmen. Nachdem er zum Gelächter des Publikums verlegen die Augen verdreht und sich wie ein Pennäler mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt hat, rennt er eilig aus dem Zimmer mit dem absurden Vorwand: „Ich weiß nicht mehr, welche Farbe unser Haus hat.“ In der Episode „Geheime Gelüste“ stöbern Dan und Roseanne – auf Roseannes Initia- tive wohl gemerkt – im Zimmer ihres Sohnes DJ herum und finden einen Katalog für Damenunterwäsche. Als der Junge die beiden in seinem Zimmer ertappt, stehen die El- tern beide wie angewurzelt da. Roseanne sieht sich hilfesuchend nach Dan um, und an- statt ehrlich auf seinen Sohn zuzugehen, fällt Dan nichts besseres ein, als sich ins Ge- sicht zu schlagen, mit den Augen zu blinzeln und so zu tun, als sei er gerade vom Schlafwandeln aufgewacht. Der dadurch entstehende Lacheffekt wird noch durch seine anschließende naive Frage an Roseanne verstärkt, ob DJ „es geglaubt“ hätte. Schon allein äußerlich lässt die korpulente Gestalt John Goodmans die Figur Dan Con- ner als einen gemütlichen, harmlosen Tolpatsch erscheinen. Dans Bewegungen sind oft tapsig wie die eines großen Kindes, dazu blickt er schafsnäsig drein, wenn er ihn eine der Aufgaben des Familienlebens mental überfordert, oder zieht einen Schmollmund wenn es beispielsweise zu Ehren des Besuchs ihrer studierenden Tochter Darlene statt seines Lieblingsessens vegetarische Lasagne gibt. Zwar ist die Vaterfigur Dan Conner als komischer Charakter kein Einzelfall. Traditio- nell wird die Autorität der Vätern in Sitcoms immer ein wenig kritisch in Frage gestellt, wobei sie bei Arbeiterklasse-Vätern fast gänzlich aberkannt wird.296 Allerdings versucht

295 Vgl. Stark, 354. 296 ders., 355. 73

Dan auch gar nicht erst, seine Autorität auszuspielen. Ihm ist völlig bewusst, wer von beiden Elternteilen in der Familie die Fäden in der Hand hat, und er geht auch gern hu- morvoll damit um, indem er es zum Beispiel in der Folge „Nur eines bleibt übrig“ iro- nisch auf die Spitze treibt und seine Frau Roseanne fragt: „Wie geht´s mir heute, Schatz?“ Auch wenn Roseanne immer wieder versucht, Dan in die traditionelle Männerrolle des „Familienhäuptlings“ zu drängen, so geschieht das meist in Momenten, in denen Dan für sie eine unangenehme Pflicht erfüllen soll. Und auch hier stößt sie immer wieder auf Widerstand. Als in „Nur eines bleibt übrig“ Darlene aus dem elterlichen Haus in eine Studenten- wohnung zieht, drängt Roseanne ihren Mann, der Tochter zu verbieten, sich statt von ihren Eltern von ihrem Freund David zu der neuen Wohnung fahren zu lassen. Auf ihr Argument: „Ich dachte, du bist der Mann in diesem Haus“, antwortet Dan nur: „Das dachtest Du doch nie“, was wiederum mit einem Lacher des Publikums bestätigt wird. Anders als andere Serienväter, wie beispielsweise Bill Cosby, kann Dan aber mitunter auch aggressiv gegenüber seinen Kindern werden, wenn er keinen anderen Weg sieht, den Familienfrieden wiederherzustellen. Als er in der selben Episode wenig später Darlene klarmachen will dass ihr Verhalten ihrer Mutter gegenüber kränkend war, tritt er zur Überraschung der Zuschauer mit aller Kraft gegen das Sofa, auf dem seine Tochter liegt. Diese Form der physischen Aggression kann vor dem Fernsehpublikum vermutlich nur dadurch gerechtfertigt werden, dass Dan einen eher niedrigeren Bil- dungsstand besitzt, und dass es sich bei den Conners um eine Familie der Arbeiterklasse handelt. Bei dem Arzt Bill Cosby beispielsweise wäre es wohl niemals glaubwürdig gewesen, wenn er seine Hand gegen die Kinder erhoben hätte. Aber auch bei Dan hält sein Gefühlsausbruch weder lange an, noch erzielt er neben den Lachern des Publikum irgendeinen weiteren Effekt. Darlene behauptet ihren Willen gegenüber ihrem Vater und beschwert sich, wieso Roseanne „ihr Leid nicht an jemand anderem auslässt“. So- fort wird aus dem aggressiven Dan wieder der harmlose Kuschelbär, der resignierend sein Gesicht in der Hand vergräbt und jammert: „Keine Sorge, das wird sie ... (Lacher)“. Dan weiß, dass er der letzte ist, der seinen Willen in der Familie durchsetzen kann. Dennoch schafft er es anschließend in einem feinfühligen Gespräch, Darlene zu überre- den, dass sie doch mit ihren Eltern anstatt mit David in ihre neue Wohnung fährt, nicht ihm zuliebe, sondern für Roseanne. 74

Hier stellt Dan Conner eine Umkehrung der typischen patriarchischen Vaterfigur dar. Er wirkt verständnisvoller und liebevoller gegenüber den Kindern als andere Väter, und er scheint deshalb auf seine Weise auch respektiert zu werden. 297 Betrachtet man die Verteilung der Lacher in den zehn Beispiel-Folgen, so wird ihm of- fenbar mehr Respekt seitens der Kinder zuteil als seiner Frau. Roseanne ist 21 Mal das Objekt der komischen Äußerungen der Kinder,298 wogegen Dan nur zweimal von einem der Kinder verspottet wird. Ihm kommt eher die Rolle des Kommunikators zu, die in anderen Familien, wie etwa bei den Cosbys, eher die Mutter einnimmt. Dennoch ist er seiner Aufgabe, die Kinder zu erziehen nicht gewachsen. Letztendlich machen sie doch, was sie wollen. Welche Schwierigkeiten er beispielsweise hat, mit seinem Sohn DJ über Sexualität zu sprechen, wird in einer Szene der Episode „Geheime Gelüste“ deutlich, die außerdem auf eine komische Weise mit der nicht nur in amerikanischen Vorstadtfamilien immer noch verbreiteten Tabuisierung des Themas Masturbation spielt. Nachdem Dan und Ro- seanne in DJs Zimmer die Hefte mit den freizügig bekleideten Frauen gefunden haben, sucht Dan seinen Sohn im Hobbykeller auf, um ihm seinen Standpunkt dazu zu erklä- ren:

(Halbtotale; Hobbykeller; DJ sitzt auf einem Drehstuhl; spielt mit dem Gameboy; Dan kommt zur Tür rein.)

Dan: (übertrieben jovial) Hey! (bleibt für einige Sekunden regungslos in der Tür stehen, LACHER, geht dann auf DJ zu) Lass Dich bitte nicht von mir stören ich wollte nur ... irgendwas suchen. (LACHER. Dan findet auf einem Tisch einen Hammer und hält ihn hoch.) Ah. Hier. (LACHER) (Keine Reaktion von DJ Dan geht wieder in Richtung Tür, dreht sich nach wenigen Schritten noch mal um.) Hey, Deedge. (Nahaufnahme Dan) Ich glaube, du und ich, wir sollten mal ernsthaft miteinander sprechen. ... Ich weiß nur nicht, wie ich damit an... ich meine damit am besten ... naja, ich will damit sagen ... äh, dass ... was ich damit sagen will ist ... (Nahaufnahme DJ; der fragend aufschaut; Nahauf- nahme Dan) Gibt es vielleicht irgend etwas, das du mich fragen möchtest?

(Nahaufnahme DJ) DJ: Nein.

297 Vgl. Butsch, 394. 298 In diesem Fall wird Darlenes Freund David auch zu den „Kindern“ gezählt. Die Conners nehmen ihn in einer der Staffeln wie einen Sohn in ihrem Hause auf, nachdem er von seiner gewalttätigen Mutter misshandelt wurde. 75

(Nahaufnahme Dan) Dan: Gut. Gut. Wirklich gut. (LACHER. Dan hebt kapitulierend die Arme, dreht sich wieder in Richtung Tür legt den Hammer in einem Regal ab, bleibt dann im Hinausgehen mit dem Rücken zur Kamera stehen und hält sich am Regal fest, Dreht sich dann abermals um) Nein, So geht das nicht DJ! (Läuft eiligen Schrittes wieder auf DJ zu; Halbtotale; Dan nimmt sich einen Hok- ker und setzt sich seinem Sohn gegenüber) Hör zu. (Halbnah. Dan und DJ) Ich weiß das ist jetzt ne peinliche Situation für Dich. Und das einzige, was ich dir sagen will ist, ... das was du gemacht hast, ... das gehört nun mal zum Erwachsenwerden.

(Nahaufnahme DJ) DJ: Also, du bist stolz auf mich? (LACHER)

(Nahaufnahme Dan) Dan: (stutzt einen Moment, dann eilig) Oh, ja. Aber nicht deswegen. (LACHER) ... Äh, ich wollte sagen, ich bin nicht böse auf dich, denn was du gemacht hast, macht eigentlich jeder.

(Nahaufnahme DJ) DJ: Wirklich? (LACHER)

(Nahaufnahme Dan) Dan: (lacht erleichtert) Ja.

(Halbtotale beide) DJ: O.K. Dan: O.K.

(Dan gibt DJ einen Klaps auf den Schenkel, steht auf, nimmt den Hocker und geht in Richtung Tür. Nahaufnahme DJ) DJ: Machst du es auch?

(Halbtotale. Dan, bleibt auf dem Weg nach draußen, den Stuhl in der Hand mit dem Rücken zur Kamera stehen. LACHER. Dan dreht sich langsam um, hält verlegen den Hocker vor den Unterleib) Dan: Ich hab dir ja gesagt, es macht eigentlich jeder. (Will sich wieder umdrehen)

(Nahaufnahme DJ) DJ: Machst du es oft. (LACHER)

(Nahaufnahme Dan) Dan: (lacht peinlich berührt; gespielt amüsiert) Hör zu DJ. Das wirklich Komi- sche daran ist, (ernster) obwohl es o.k. ist und jeder es macht und eigentlich nichts dabei ist, ... (Kamera öffnet sich zur Amerikanischen Einstellung auf beide; Dan beugt sich mit verschwörerischer Mine zu DJ hinunter, legt den Finger auf den Mund) 76

... spricht man niemals darüber, verstehst du?

(LACHER; Dan lächelt aufmunternd, geht dann halb rückwärts mit dem Hocker in der Hand aus der Tür)

Im Hinblick auf die Sexualmoral vertreten die Conners, insbesondere Dan, eine eher konservative Auffassung, indem sie Sex vor der Ehe verurteilen. Als sie in der Episode „David gegen Goliath“ erfahren, dass Darlene heimlich mit ihrem Freund David ge- schlafen hat, setzt Dan David zunächst vor die Tür. Dass Dans Entscheidungen in seiner Rolle als vermeintlicher „Herr des Hauses“ allerdings wenig nachhaltig sind, zeigt sich auch hier wieder: nicht zuletzt durch Roseannes Mitwirken hinter dem Rücken Dans kann David wenig später wieder einziehen. Dans Verhalten bietet außerdem genügend Anlass zum Spott seitens Darlene, die das Thema Sex etwas freizügiger handhabt als ihre Eltern. Das Sexualleben zwischen den Eheleuten Dan und Roseanne Conner gestaltet sich nicht als reines Vergnügen, stellt mitunter einen Kraftakt dar und verkommt somit selbst zur Lachnummer. Zur Komik trägt schon allein das korpulente Äußere der beiden Ehepart- ner bei, die alles andere als sexuell attraktiv sind. Als Roseanne in „Schwanger zu zweit“ mit aller Macht Nachwuchs bekommen will, wird ihr Mann Dan nach einem genauem Zeitplan „zur Brust genommen“ - allerdings auch nach wochenlangen Anläufen ohne Erfolg. Dan tut pflichtbewusst sein Bestes und, nachdem er dem „Fruchtbarkeitskalender“ einmal wieder entnommen hat, dass er seiner Frau „heute abend zu Willen sein“ muss, stellt er sich in Pose und beginnt sich mit den Händen lasziv über den Körper zu streichen, was allerdings alles andere als verführe- risch wirkt und auch von Dan selbst durch ironische Mimik und die Ankündigung „Die Verführung – erster Teil“ komisch gebrochen wird. Dan weiß sehr wohl um seine kör- perlichen Unzulänglichkeiten, und die Fähigkeit, selbst darüber zu spotten ist eine der Besonderheiten der Komik sowohl bei Dan als auch – noch weitaus mehr - bei Rose- anne. Allein bei Dan lassen sich in zehn Folgen sieben Lacher zählen, die von ihm selbst auf seine Kosten produziert werden. Bei Roseanne sind es sogar 15 Lacher. In erster Linie richten sich die ironischen Bemerkungen der beiden Eheleute aber ge- geneinander. Die meisten der in der Serie mit Lachern quittierten komischen Bemer- kungen gehen von Roseanne gegen Dan (38 mal) oder von Dan gegen Roseanne (23 mal). Roseannes Kritik an ihrem Ehemann richtet sich oft gegen dessen mangelndes 77

Durchsetzungsvermögen und sein unattraktives Äußeres („Manchmal finde sogar i c h Dan nicht attraktiv.“). Dans Anlass für komische Bemerkungen sind oft die Ausbrüche von Roseannes impul- sivem Wesen und ihre ständigen Versuche, Macht auf die einzelnen Familienmitglieder auszuüben. Dennoch harmonieren die beiden auf ihre Weise gerade aufgrund der ge- genseitigen Ergänzung von Dans Nachgiebigkeit und seiner ganz und gar „unmännli- chen“ Vaterrolle und Roseannes herrischem Auftreten. Durch diese Harmonie wird letztlich auch in dieser Serie der für eine Familien-Sitcom so typische und unerlässliche Familienzusammenhalt bestätigt und propagiert. Auch wenn Dan meist nur passiv zum Familienfrieden beiträgt, wie er es in der Episode „Nur eins bleibt übrig“ auf den Punkt bringt. Als er Darlene nicht überzeugen kann, sich von ihren Eltern fahren zu lassen, verbirgt er – als eine wiederum „typisch männliche“ Reaktion – seine wahren Gefühle, und lenkt ein: „Dann sauf ich mir eben einen an und sehe Fußball. Ich bin flexibel.“

6.2.3 Die Komik der Mutterfigur: Roseanne Conner

Dass in der Serie „Roseanne“ die Mutter die zentrale Figur darstellt, liegt schon allein auf Grund des Serientitels und der Besetzung mit Roseanne Barr als Star und Zugpferd der Sendung auf der Hand. Dass die Mutter Roseanne, anders als die meisten Serien- mütter vor oder nach ihr, die Rolle des Familienoberhauptes einnahm ist die eigentliche Besonderheit der Serie.299 Im Gegensatz zu Dan ist sie von Anfang an diejenige, die ein geregeltes Einkommen mit nach Hause bringt – und gleichzeitig noch den Haushalt macht. Zu Beginn der Serie arbeiten sie und ihre jüngere Schwester Jackie bei Wellman Plastics. 1989 wäscht Roseanne Haare und macht sauber in einem Schönheitssalon. Eine Staffel später wird sie Bedienung in der „Lobo-Lounge“. Jackie wird Polizistin.300 Schon allein diese Darstellung der berufstätigen Frauen spiegelt die unterschwellige feministische Tendenz der Serie wider, die nicht zuletzt auch durch die Hauptdarstelle- rin selbst geprägt wurde. Roseanne betont bewußt in der Serie ihre weibliche Solidarität in dem sie ihren Kollegen aufzeigt, wie furchtbar die Männer in Beziehungen sind und dass Dan ihr seit Jahrzehnten nicht mehr im Haushalt geholfen hat.301

299 Vgl. Stark, 354. 300 Vgl. Himmelstein, 134. 301 Vgl. Stark, 354. 78

Ohnehin wird die Arbeiterklassefamilie, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, im all- gemeinen stereotyp als „matriarchal“ betrachtet, im Gegensatz zu den „patriarchalen“ oder „egalitären“ Porträts von Mittelklassefamilien. 302 Ihren Drehbuchautoren hat Roseanne einmal gesagt. „The world is run by women, con- trary to what you believe. Especially the family, especially the working-class family.“303 Roseannes Feminismus schlägt sich auch in ihrer Komik nieder. Patricia Mellencamp billigt ihr zum Beispiel das Wagnis zu, sich als Frau weiter als ihre Vorgängerinnen und weibliche Serien-Protagonistinnen (wie etwa Lucille Ball oder Gracy Allen in den 50er- Jahre-Serien „I Love Lucy“ und „The Burns and Allen Show“) auf das von Männern besetzte Terrain des „tendenziösen Witzes“ vorzuwagen304, also der Witzform, die nach Freud nicht harmlos ist und dem Selbstzweck dient, sondern auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist und eine bestimmte Reaktion bei dem Hörer auslösen soll.305 In diesem Fall sind das Ziel offensichtlich die Männer selbst, und die Reaktion ist eine Solidarisie- rung der Zuschauerinnen mit Roseanne. Steven D. Stark sieht in Roseanne den „archetype of ‘the unruly woman‘„, also die Ur- form des Frauentyps der „Widerspenstigen“, die für den weibliche Komik eine gewisse „phallische Aggression“ übernommen hat, der bisher traditionell nur mit männlichem Humor in Zusammenhang gebracht wurde.306 Auch Kathleen K. Rowe billigt Roseanne die Symbole der traditionellen Frauenfigur der „unruly woman“ zu, mit denen sie die Diskrepanz aufzeigen will zwischen den Idealen der Neuen Linken und der Frauenbewegung der späten 60er und frühen 70er auf der einen Seite und der Alltagswirklichkeit des Lebens in einer Arbeiterklassefamilie zwei Jahrzehnte später auf der anderen Seite.307 Schon äußerlich entspricht Roseanne ganz dem Klischee dieser „unruly woman“, die oft mit übertriebenen oder umgekehrten sexuellen Attributen belegt werden, also: zu aus- schweifend, zu fett, zu laut, zu alt, zu schmutzig, zu triebhaft oder nicht triebhaft genug für die Norm der konventionellen Geschlechterrepräsentation. Die für eine „normale“ Frau übertriebene Leibesfülle Roseannes mag mitunter Assoziationen wecken zu weite- ren nach konservativen Gesichtspunkten „unweiblichen“ Eigenschaften wie Maßlosig-

302 Vgl. Press/ Strathman, 9. 303 Vgl. Stark, 354. 304 Mellencamp, 80-94. Vgl. a. Kathleen K. Rowe, 409. 305 Freud, 104. 306 Stark, 352. 307 Kathleen K. Rowe, 409. 79 keit und einem vorlauten Mundwerk308 - alles Attribute die auch auf den C h a r a k t e r von Roseanne zutreffen. Roseanne zieht also nicht nur die Lacher auf ihre Seite und schafft Solidarität zu den Hausfrauen der 80er und 90er Jahre, sondern sie schreckt auf der anderen Seite auch ab, provoziert und wird selbst zum Objekt des Gelächters derer, die ihr Verhalten und Auf- treten als für eine Frau nicht adäquat halten. 309 Man könnte sogar soweit gehen und, wie Kathleen K. Rowe, vermuten, dass Roseannes Erfolg gerade darin bestand, dass sie die „Merkmale der Weiblichkeit“, also das Ideal- bild der „true womanhood“, der perfekten Hausfrau, Ehefrau und Mutter hervorhebt, indem sie sie ins Gegenteil umkehrt.310 Roseanne verbindet ihr korpulentes und meist sehr saloppes Äußeres auch mit einer ent- sprechenden Darstellungsweise: sie räkelt sich, schlurft lustlos durch die Bühnendeko- ration oder lässt sich schlaff auf das flickenbesetzte Sofa in der Mitte des Wohnzimmers plumpsen. Auch ihre Aussprache ist eher lässig, ihre Sätze manchmal (auch in der deut- schen Synchronfassung) unvollständig. Nicht selten erhebt sich ihre Stimme, sie lacht laut auf, kreischt oder jammert in einem nasalen weinerlichen Ton. 311 In ihrem Buch „Roseanne: My life as a woman“ beschrieb Roseanne 1989 ihre Mission. Sie erklärte ihr Ziel: „... to break every social norm ... and see that it is laughed at. I chuckle with glee if I know I have offended someone, because the people I intend to in- sult offend me horribly.“ 312 Insofern stellt Roseannes antikonventionelles Auftreten nicht nur eine Rebellion gegen den Codex der Geschlechterrollen dar, sondern auch der sozialen Klassen. Sie stellt sich gegen ein weiteres Vorurteil, das gerade in der bürgerlichen und patriarchalischen Ge- sellschaft vorherrscht und das dicke Frauen als geschlechtslose Muttertiere charakteri- siert, die ohne Selbstbewusstsein ihrer einzigen Bestimmung nachgehen, die Kinder aufzuziehen. 313 Roseanne demonstriert, dass sie zwar sexuell nicht besonders attraktiv ist, dass sie aber dennoch liebend gern mit ihrem Mann schläft.314 Obwohl sie nachlässig und schlampig

308 dies., 410. 309 ebda. 310 Kathleen K. Rowe, 413. 311 ebda. 312 Roseanne Barr, Roseanne: My life as a woman, 1989. Vgl. Rowe, 414. 313 Vgl. Jeremy G. Butler, Redesigning Discourse: Feminism, the Sitcom and Designing Women. In: Journal of Film and Video, 1993, 45/1, 16. 314 Vgl. Kühn, 66. 80 wirkt, ist sie es, die den Haushalt in Ordnung hält und den Abwasch macht – auch wenn sie offenkundig dazu keine Lust hat. Zwar gibt sie sich alle Mühe, sich gegen das Idealbild der „perfekten Hausfrau“ zu stellen, dennoch fügt sie sich ihrer traditionellen Hausfrauenrolle. Obgleich sie perma- nent gegen ihren Ehemann und die Kinder wettert, liebt sie ihre Familie und das Famili- enleben. Sie macht ihrer Tochter Darlene eine riesengroße Szene, als diese das Eltern- haus verlässt, um auf das College zu gehen. Als Roseanne nach einem Streit mit Dan selbst die Sachen packt und zu ihrer Schwester zieht, kommt sie kurz darauf schon wie- der zurück.315 Press und Strathman sehen in Roseannes Verhältnis zum Familienleben Merkmale eines Postfeminismus, der sich ihrer Darstellung nach vom Feminismus der 70er Jahre vor allem dadurch unterscheidet, dass er den traditionellen Familienverbund an sich nicht mehr kritisiert. In der postfeministischen Welt scheint das althergebrachte Famili- enleben mit der feministischen Frau zu koexistieren. 316 Roseanne wird nicht nur als Familienmutter und Hausfrau zu Hause gezeigt, sondern ist auch oft bei der Arbeit zu sehen, wo sie ebenfalls wieder eine sehr dominante Rolle spielt und sich mit ihren Kolleginnen und Mitarbeiterinnen gegen das männliche Ma- chodenken und den alltäglichen Sexismus solidarisiert. Dabei kann sie mitunter sexisti- scher sein, als die Männer selbst. Selbst in einem Mutter-/Tochter-Gespräch mit Darlene in der Episode „Nur eins bleibt übrig“ versucht sie, ihre Meinung über die Männer, in einen mütterlichen Rat verpackt, anzubringen. Als Darlene ihr gesteht, dass es ihr schwerfällt, so einfach mit ihrem Freund Schluss zu machen, mit dem sie immerhin schon geschlafen hat, erklärt Rose- anne: „Für die Menschen gehören Liebe und Sex ganz einfach zusammen.“ Und nach kurzem Überlegen: „Außer für Männer.“ In der Folge „Die Mutterplage“ macht sie sogar in Gegenwart von Dan keinen Hehl daraus, was sie von den Männern und deren oberflächlichen Einstellung zum Sex hält. Als ihre Schwester Jackie nach einem Rendezvous eine Liebesnacht mit Dans Freund und Arbeitskollegen Fred hatte, malt sie sich Dan gegenüber aus, wie Fred ihm sein Liebesabenteuer erzählt hat:

315 Vgl. Kathleen K. Rowe, 418. 316 Press/ Strathman, 13. 81

(Halbtotale Dan und Roseanne) Roseanne: Heute früh ist er sicher so stolz wie ein Spanier in die Werkstatt marschiert und hat gesagt: (rollt die Augen, imitiert eine Männerstimme) „Ey ich habe sie flach gelegt!“ (LACHER) Und dann ... (Nahaufnahme Roseanne) Dann fingen all die anderen Affen an zu johlen: (wieder mit verstellter Stimme) „Ey, Wahnsinn!! (gibt einem imaginären Gegenüber „fünf“ mit der Hand) Wack wack!!“ (LACHER) (Halbtotale Dan und Roseanne) Dann haben sie sich in den Schritt gegriffen und gefeiert, weil einer von ihnen ´ne heiße Nacht hatte. (LACHER)

Als sich wenig später herausstellt, dass die Nacht Fred weitaus mehr bedeutet hat als Roseanne annahm, und es Jackie ist, die damit lediglich sexuelle und keine emotionalen Interessen verfolgt hat, dreht Roseanne den Spieß um und wird selbst zum Macho. Mit tiefer Stimme sagt sie: „Wahnsinn, Mann.“ und gibt Jackie „fünf“.

Zwar wird Roseanne als „starke Frau“ dargestellt, die neben dem Haushalt noch einem eigenen Beruf nachgeht, dennoch ist der Job Roseannes im Schnell-Imbiss lange nicht so ausfüllend und herausfordernd wie es etwa der Anwaltsberuf für „Bill Cosbys“ Clair Huxtable ist. Roseanne verrichtet ihre Arbeit eher lustlos, schimpft mit den Re- staurantgästen und Kollegen, und wenn sie nach Hause kommt, ist sie völlig geschafft. Dennoch hat sie es geschafft, mit der „Lanford Luchbox“ ihr eigenes Geschäft aufzu- bauen. Dieser Hauch des amerikanischen Traums, „es mit eigener Kraft zu schaffen“, bringt eine Note Optimismus und Leichtigkeit in den Hausfrauenzynismus der Serie.317 Die kritische Darstellung der Arbeit in Kontrast zu dem eher traditionellen Portrait des Familienverbands in dieser Serie ist nach Press und Strathman ein wichtiger Bestandteil der postfeministischen Ideologie.318 Postfeministische Darstellungen zeigen Frauen, die für wenig Geld in mittelklassigen Jobs arbeiten und heben gleichermaßen die traditio- nelle Mutterrolle der Frau in der Kernfamilie hervor.319 Roseanne hat nichts, was Serienmütter für gewöhnlich haben müssen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie bewusst mit der Tendenz des Fernsehens bricht, die traditionellen weiblichen Qualitäten bei der Darstellung von Frauen und Müttern zu betonen. Sie ent- spricht, wie Heike Kühn feststellt, weder dem Klischee der munteren Dicken, noch ist sie für den „mollig-bis-dick-aber-chic“-Charme der Frauenzeitschriften zu haben. Wenn

317 Vgl. Marc, Comic Visions, 196. 318 Press/Strathman, 13. 319 dies., 14. 82 sie frustriert ist, setzt sie sich mit einer Schachtel Pralinen auf die Couch und macht keinen Hehl daraus, wie Kummerspeck entsteht.320 Press und Strathman bezeichnen Roseannes Frauendarstellung außerdem als eine neue, durch das Medium Fernsehen romantisierte Form einer Arbeiterklasse-Matriarchin. Sie streitet sich mit ihrem Ehemann, brüllt ihre Kinder an und kontrolliert ihre Familie.321 Was sie dabei so ungeheuer sympathisch macht, ist die Tatsache, dass sie sich sowohl ihrer fehlenden weiblichen Vorzüge als auch ihres tyrannischen Charakters durchaus selbst bewusst ist und diese nicht selten mit selbstironischen Bemerkungen kommen- tiert. Als Jackie in der Folge „Harmonie mit Blitz und Donner“ nicht von Fred in der Lunchbox gesehen werden will, versteckt sie sich in der Küche und bittet Roseanne, sie nicht zu verraten. Ihre Schwester, die sie mit Fred zusammenbringen will, lässt das Ver- steck dennoch auffliegen und als Jackie zerknirscht hinter der Küchentür hervorkommt, bemerkt Roseanne nur: „Wir haben beide gewusst, dass ich so etwas tue.“ Weil ihr Sohn DJ sie in der selben Episode belogen, die Schule geschwänzt und auf dem Entschuldigungszettel ihre Unterschrift gefälscht hat, denkt sich Roseanne einen perfiden Racheplan aus, um ihn zu demütigen. Sie bringt ihn persönlich zur Schule und zwar in einer Garderobe, die ihr schlampiges Äußeres noch karikiert: mit einer rustika- len Latzhose, einem unmöglichen bunten Hemd und einem Strohhut. Zu guter Letzt be- schmiert sie sich die Lippen, begleitet vom Gelächter des Publikums, mit einem extra breiten roten Lippenstift mit dem Kommentar: „Für das Küsschen zum Abschied.“ Diese Selbstentstellung Roseannes ist sichtlich die größte Strafe für DJ und damit der größte Triumph für sie selbst. Diese Form von Selbstironie und Mut zur Hässlichkeit, die nicht nur von Roseanne, sondern auch von Dan gepflegt werden, gehören zu einem wichtigen Bestandteil der Komik der Serie. Was Roseanne außerdem auszeichnet, zumindest in den früheren Staffeln, ist die Nei- gung ihre Kinder zu unterdrücken. Sie erhob das „verbal child-bashing“, wie es Stark bezeichnete, zu einer Kunstform. Ein Grund weshalb die Serie in den ländlichen Ge- bieten der US-Südstaaten, wo noch mehr Wert auf die traditionelle Mutterrolle gelegt wurde, nicht so sehr beliebt war.322

320 Kühn, 66. 321 Vgl. Press/ Strathman, 10. 322 Stark, 354. 83

6.2.4 Die Komik der Kinder

Im Gegensatz zu den Huxtables, wo die Kinder, obwohl gelegentlich schwierig, doch im großen und ganzen eine Freude für ihre Eltern sind und sich fast von alleine erzie- hen, sind Roseannes und Dans Kinder genau das Gegenteil: laut und nervig, faul, selbst- süchtig – kurzum eine Qual.323 Rein äußerlich betrachtet weisen die Conner-Kinder - wie die Huxtables - keine komi- schen Attribute auf. Optisch wirken sie eher normal und fast schon wie Adoptivkinder von Roseanne und Dan. Auf diese Weise ist das komische Äußere der Eltern natürlich wirkungsvoller. Einzig und allein der jüngste von ihnen, DJ, besitzt durch sein Pausbak- kengesicht eine gewisse äußere Komik, die jedoch im Laufe der Staffeln auch nachläßt, als er zu einem schlanken jungen Mann heranwächst. Die älteste Tochter Beckie ist mit ihren blonden Haaren und dem Puppengesicht sogar eher Schönheit und Blickfang und kann in Bezug auf die Komik eher völlig vernachlässigt werden. 324 Diejenige, die von den Kindern die meiste Komik produziert, ist die mittlere Tochter Darlene. Mit 85 von insgesamt 888 entfallen sogar knapp 10 Prozent der Lacher der ganzen Serie auf sie. Die häufigsten Objekte ihrer zielgerichteten Komik sind ihre bei- den größten Streitpartner: ihre Mutter Roseanne (mit 15 Lachern) und ihr Bruder DJ (13 Lacher). Während es zwischen Darlene und DJ die üblichen Rangeleien unter Geschwi- stern sind, die die Komik hervorrufen, sowie Darlenes ständige Versuche ihren jüngeren Bruder zu unterdrücken, dem in der Serie die typische Rolle des naiven Nesthäkchens zukommt,325 so kommt es bei Darlene und Roseanne nicht selten zu Machtkämpfen zwischen Mutter und Tochter. Darlene bringt ihrer Mutter alles andere als Respekt ent- gegen, und mit ihrer sarkastischen Art macht sie Roseanne häufig auf ihre Unzuläng- lichkeiten aufmerksam, wie zum Beispiel im Bereich der Kindererziehung. In der Epi- sode „Die großen Fluchten“ animiert ein kritischer Kommentar Darlenes Roseanne so- gar zu einer typisch selbstironischen Bemerkung. Im Beisein ihrer Schwester Jackie fragt sie Darlene, ob sie glaubt, Roseanne genieße es, ihre Kinder zu bestrafen. Darlene bejaht diese Frage unter dem Lachen des Publikums. Woraufhin sich Roseanne zu Jak- kie wendet mit den Worten: „Siehst Du, Jackie. Du musst immer deinen Kindern erklä- ren, wieso Du sie bestrafst. (Lacher)“

323 Vgl. Mayerle, 82 sowie Stark, 354. 324 Zwar tritt sie in den betrachteten zehn Folgen ohnehin kaum auf, weil sie mit ihrem Mann zusammenlebt und nicht mehr regelmäßig im Haus der Conners verkehrt. Dennoch entfällt auch in den Folgen, in denen sie mitspielt, nur ein verschwindend kleiner Teil der Lacher auf sie. 325 Siehe Rudy in der „Bill Cosby Show“. 84

Waren bereits in der „Bill Cosby Show“ die Kinder häufig die Objekte elterlichen Hu- mors, der aus der Perspektive des geplagten Erziehungsberechtigten entstand und vor allem die Eltern unter den Fernsehzuschauern miteinander solidarisierte, so wird dieser Humor in der Serie „Roseanne“ noch auf die Spitze getrieben. Roseanne macht keinen Hehl daraus, dass sie es liebt, ihre Kinder zu unterdrücken und zu kontrollieren, und dass die Möglichkeit, Macht auf ihre Familie auszuüben die einzige Freude zu sein scheint, die ihr als Hausfrau und Mutter noch geblieben ist. Doch trotz Roseannes kleiner Bosheiten gegenüber ihren Kindern wird immer auch auf die Serienkompatibilität geachtet. Denn während schlechte - weil lieblose - Mütter nicht mit der Familien-Sitcom vereinbar sind zeigt Roseanne dass ein bisschen Bosheit doch geht, solang die Familienmitglieder nicht ernsthaft darunter leiden. 326 Die schroffe Art, die Roseanne beizeiten an den Tag legt, kann man durchaus als revo- lutionär bezeichnen. Stark sieht den großen Erfolg Roseannes beim Publikum in den USA unter anderem auch an der großen Zahl der Angehörigen der Baby-Boom-Genera- tion, die beim Aufkommen der Serie selbst bereits Eltern waren und über die Spitzen gegen die Kinder am besten Lachen konnten. 327

6.2.5 Komik und Familienbild

Ebenfalls revolutionär - oder zumindest neu - für eine Familien-Sitcom waren be- stimmte Themen, die bei Roseanne immer wieder auftauchten und aus denen sich ein Teil der Komik der Serie entwickelte. Dazu gehörte zunächst einmal die Thematisie- rung der Sexualität der Kinder. DJ wird bei der Masturbation erwischt, Darlene schläft heimlich mit ihrem Freund - all dies wurde in Vorgängerserien ausgespart, obwohl Um- fragen zufolge in den 80er Jahren drei Viertel aller Teenager bereits Geschlechtsverkehr hatten, bevor sie die High-School abgeschlossen hatten. 328 Roseanne und Dan müssen diese Realität, wenn auch resignierend akzeptieren, nachdem sie vergebliche Versuche unternommen haben, ihre Kinder in dieser Hinsicht zu beeinflussen. Aber die Erziehung durch die Eltern hat weitaus weniger Einfluss, als sie bei vorangegangenen Serien, wie etwa der „Bill Cosby Show“ hatte. Auch in dieser Hinsicht ist „Roseanne“ neu und vor

326 Vgl. Marc, Comic Visions, 199 sowie Himmelstein, 134. 327 Stark, 355 f. 328 Vgl. Dave Berkman, Sitcom Reality. In: Television Quarterly, 1993, 26/4, 65 f. 85 allem näher an der Realität. Berkman gesteht der Serie sogar „the most true to life mo- ments in the history of American television“ zu. 329 Ebenfalls zur realitätsnahen Darstellung der Serie trägt die Tatsache bei, dass sich die Familienmitglieder genauso benehmen, wie fast jeder der Fernsehzuschauer. Die Kinder lümmeln sich auf dem Sofa herum, Roseanne läuft beizeiten in Unterwäsche durch das Wohnzimmer. Berkman stellt diese Darstellung dem gegenüber, was in vorangegange- nen Fernsehserien schon über der Peinlichkeitsgrenze lag. 330 Solche „realistischen“ Darstellungen der Familie waren in Fernsehserien bisher noch nicht zu beobachten, na- türlich wird, wenn dem Fernsehzuschauer auf diese Weise eine Karikatur seiner selbst ins Wohnzimmer geliefert wird auch ein bewusst kalkulierter Lacheffekt erzielt. Der Fernsehkritiker Les Brown sieht ebenfalls einen großen Teil des Erfolges der Serie in diesem ehrlichen Porträt einer Familie, die „imperfect, unglamourous and somewhat vulgar” ist.331 Nah an der Realität ist auch die Darstellung der wirtschaftlichen Situation der Conners. In der Geschichte der Fernseh-Sitcoms waren die ökonomische Belange der Familie nie ein Thema. Die meisten Sitcom-Familien gehörten ohnehin der Mittelschicht an. Das lag zu einem Teil daran, dass der Wohlstand dieser Mittelschicht für den Fernsehzu- schauer leicht als Identifikations- oder Projektionsfläche dienen kann. Schließlich lebt die werbetreibende Wirtschaft, die letztlich die Programme finanziert, von der Sehn- sucht des Fernsehzuschauers nach Wohlstand und Konsum, die er dadurch stillt, dass er die in den Werbepausen angebotenen Produkte kauft.332 Auch hier leistete „Roseanne“ einen bemerkenswerten Fortschritt. Neben der sozialen Klassenzugehörigkeit wird auch immer wieder die feministische Tendenz als einer der Hauptdiskurse des Familienlebens bei „Roseanne“ genannt.333 Glaubt man verschiedenen Pressestimmen, so erfuhren die späten 80er Jahre das Aufkommen eines „neuen goldenen Zeitalters” der weiblichen Komik und eine „Femi- nisierung” des Fernsehens. Serien wie „Roseanne“, „Murphy Brown“ und „Designing Women“, präsentierten eine neue Frauenperspektive in der Fernseh-Comedy, oder wie

329 Vgl. Berkman, 66. 330 ebda. 331 Himmelstein, 134. Vgl. a. Mayerle, 71. 332 Vgl. Stark, 353 sowie Berkman, 67. 333 Vgl. Kathleen K. Rowe, 409. 86 es ein Kritiker der amerikanischen Zeitschrift „TV Guide“ formulirte: „TV (was) finally getting the female experience right”334 Dennoch ist auch in dieser Hinsicht die Serie „Roseanne“ eine Neuheit. Zwar macht die Titelheldin nie einen Hehl daraus, das ihr Leben als Ehefrau, Hausfrau und Mutter alles andere als angenehm ist und versucht ihre alleinstehende Schwester Jackie immer wie- der davon zu überzeugen, dass das Leben auch ohne Männer lebenswert sein kann, den- noch versucht weder sie noch ein anderes Familienmitglied in der Serie, den Familien- verband ernsthaft zu zerstören. Darstellungen selbstbewusster, feministischer Frauen gab es schon in den 70er Jahren, wie zum Beispiel in der „Mary Tyler Moore Show“ (CBS, 1970-77). Doch war dort die Protagonistin Mary Richards (Mary Tyler Moore) zwar beruflich erfolgreich, hatte aber genau wie die Hauptfiguren in den 80er-Jahre-Serien „Murphy Brown“ (CBS, 1988-98) und „Designing Women“ (CBS, 1986-93) kein intaktes Familienleben. Mary Richards, die Produzentin einer Nachrichten-Fernsehshow, verkörperte privat eine junge alleinstehende Frau. Murphy Brown (Candice Bergen), ebenfalls erfolgreich im Fernsehjournalismus als Starreporterin der Nachrichtenshow „FYI“ in Washington D.C. tätig, war alleinerziehende Mutter, und die Serie „Designing Women“, die unter dem Titel „Mann muss nicht sein“ relativ erfolglos Anfang der 90er Jahre im deutschen Fernsehen lief, handelt von vier Frauen, die eine Dekorations und Malerfirma in Atlanta/ Georgia betreiben. Hier ist es vor allen der Charakter der Delta Burke (Suzanne Sugarbaker), die mit ihrem Alleinsein zufrieden ist und Heirat und Kinderkriegen expli- zit verachtet: „Why do they think you must be married and a mother? I don`t mind being alone; I'm very self-sufficient.“335 Durch ihr übergewichtiges Äußeres (ähnlich wie Roseanne) bedient Delta Burke allerdings (anders als Roseanne) genau das weitver- breitete Klischee von der geschlechtslosen Dicken. Übergewicht scheint außerdem ein Merkmal der sexuellen Gleichberechtigung zu sein. Zwar waren Roseanne und Dan Conner nicht die ersten Arbeiterklasse-Protagonisten in der Fernsehcomedy, allerdings war bei den Vorgängern ausschließlich der Mann über- gewichtig. 336

334 Butler, 14. 335 ders., 15. 336 Marc/ Thompson, 104. 87

Aber gerade diese „chubby compatibility“, wie sie ein Kritiker der Washington Post einmal genannt hat, diese gemeinsame Pummeligkeit von Dan und Roseanne erzeugt eine gewisse Harmonie zwischen den beiden, die Freude macht, sie zu beobachten. 337 Die Storylines von „Roseanne“ konzentrieren sich meist auf das Auflehnen der „kleinen Leute“ der Arbeiterklasse. Allerdings wirken die Protagonisten hier nicht hilflos gegen- über den sozialen Realitäten, wie es etwa bei den Bundys in „Eine schrecklich nette Familie“ der Fall ist, sondern sie zeichnen sich durch eine gewisse Bauernschläue aus, mit der sie überlegen wirken gegenüber dem was die „upper-class“ ist, oder vorgibt zu sein. 338 So ist es ihnen beispielsweise nicht zu peinlich in einem „feinen“ Restaurant ei- nen Essens-Gutschein einzulösen. Als die Tischanweiserin den beiden freundlich ihre Bedienung vorstellt mit den Worten: „Das ist Charles. Er ist ihr Ober“, erwidert Rose- anne: „Hallo, Charles. Das ist Dan, und ich bin Roseanne. Und wir sind Ihre Kunden.“ 339In der Folge „Ein wahrer Horror-Trip“ begrüßt sie die Bedienung einer Kneipe mit den Worten: „Oh, hallo. Wir sind vom schwedischen Bikini-Team. Wo ist unser Frei- bier?“ Die „Anderen“, gegen die sich die Conners meist auflehnen, sind neben den „Reichen“ - oder wie sie sie nennen: „yuppies“ - auch Institutionen wie das Finanzamt oder die Schulbehörde.340 Trotz ihres Auftretens stehen die Conners eher für eine Rückkehr zu einer netteren, freundlicheren und gemäßigteren Art von Sitcom. Sie repräsentieren sozusagen Harm- losigkeit in einem schmutzigen Äußeren. Niemand kann sich von ihnen politisch oder religiös angegriffen fühlen. Roseanne präsentiert ein viel positiveres Image des Arbei- terklasse-Amerikaners, als es zum Beispiel die Bundys tun. Das liegt unter anderem daran, dass die Serie „Roseanne“ auf einem der drei großen TV-Sender ausgestrahlt wurde, die alle mit der Zeit bemerkt hatten, wie wichtig es wurde, auch die Arbeiter- klasse als Bevölkerungs- und Konsumentenschicht anzusprechen. 341 Natürlich gratuliert sich die Fernsehindustrie alle zehn Jahre aufs neue, die Arbeiter- klasse wiederentdeckt zu haben. Und egal ob „The Life of Riley” oder „All in the Fa- mily”, diese „revolutionären” Sendungen waren alle fast gleich. Wie Roseanne waren sie eher Komödien, was ihre scharfen Kanten abrundete. Die liebenswerten Hauptfigu- ren waren übergewichtig: im Fersehen war je fetter der Charakter, desto niedriger das

337 Vgl. Himmelstein, 134. 338 ebda. 339 ebda. 340 Vgl. Himmelstein, 134 sowie Stark, 354. 341 Vgl. Himmelstein, 135. 88

Einkommen. Die Häuser waren unordentlich. Anders als die Mittelklasse- Charaktere hassten Roseanne und Archie Bunker ihre Jobs. Dennoch kam Roseanne in der Abbil- dung dieser Leute der Wirklichkeit näher als die meisten anderen - wahrscheinlich nicht zuletzt, weil ihre Darstellerin selbst aus der Arbeiterschicht kam. Roseanne Barr soll früher sogar einmal in einer Wagenburg gewohnt haben. 342 Aber auch wenn die Serie „Roseanne“ besser als andere Serien die Enttäuschung der Arbeiterklasse über die traditionelle Institution widerspiegelt, so bestätigt sie doch auch immer auf der anderen Seite die traditionelle Institution der Familie und steht damit wieder in der Serien-Tradition der „suburban middle-landscape comedy“, wie sie Him- melstein bezeichnet,343 mit der im Fernsehen das Leben in den US-amerikanischen Vororten idealisiert wurde, der Welt zwischen der Wildnis der Natur und dem Chaos der Großstadt, in der noch der Zusammenhalt der Familie intakt war.344 Zwar zeigte „Roseanne“ als eine modernere Form dieser Comedy-Gattung schon mehr Missstände auf als ihre Vorgänger-Serien, im großen und ganzen ist sie aber doch wie alle anderen Serien unpolitisch. 345 Dennoch versuchte „Roseanne“, zumindest eine Art sozio-ökomonischen Eskapismus zu vermeiden, wie er beispielsweise bei „Eine schrecklich nette Familie“ vorherrschte. Dort werden mit verbaler Komik die sozialen und ökonömischen Probleme versucht zu trivialisieren. Bei „Roseanne“ wird kein Hehl daraus gemacht, dass die Conners nicht lange ohne zwei Gehaltsabrechnungen aus- kommen können. 346 Als Roseannes Schwangerschaftstest sich als positiv herausstellt, sagt Dan beispielsweise: „We‘re no yuppies. We‘re supposed to have babies, when we‘re young and stupid.“347 Obwohl „Roseanne“ vom selben Team wie die „Bill Cosby Show“ entwickelt wurde, hatte die beiden Serien neben der Tatsache, dass es sich um Familienserien mit einem Comedy-Star als Hauptperson handelt, nichts weiter gemeinsam. Während es die Be- sonderheit der „Bill Cosby Show“ war, statt einer weißen Mittelklasse-Familie eine schwarze Mittelklasse-Familie abzubilden, zeichnete sich Roseanne dadurch aus, statt einer weißen Mittelklasse-Familie eine weiße Arbeiterklasse-Familie zu zeigen. 348

342 Vgl. Stark, 354. 343 Vgl. Himmelstein, 135. 344 dies., 123. 345 Vgl. Himmelstein, 137f. 346 Vgl. Marc, Comic Visions, 195. 347 Vgl. Stark, 353. 348 Vgl. Marc/ Thompson, 104. 89

Die „Bill Cosby Show“ stellte 1984 eine Rückkehr zum intakten, wenn auch sehr ver- klärt dargestellten Familienverband dar. „Roseanne“ brachte die „situation comedy“ stärker in die Lebensrealität der Zuschauer, durch realistischere Situationen, Dialoge und Kulissen. Obwohl natürlich nicht alle Zuschauer dem Arbeitermilieu entstammten, waren die Probleme des Lebens Ende der 80er Jahre mit Schulden, mehreren Kindern und drohender Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten – und letztlich auch in Deutschland – bestens bekannt.349 Steven D. Stark sieht Roseanne außerdem als Emporkömmling einer neuen Form von Fernsehkomik: dem sogenannten „trash TV“. Das war eine Sammlung billig produzier- ter tagsüber laufender „video verité“-Shows, deren Reiz darin bestand, dass sie durch Beleidigung der Gäste und inszenierter Streitigkeiten und Zänke schockierten. 350 Roseanne brachte Elemente dieser Fernsehform in das populäre Fernsehprogramm. Die unterschwellige Aggression, die zum Teil hohe Lautstärke, die gegenseitigen Beleidi- gungen, unattraktive Personen, die sich unflätig verhalten, und nicht zuletzt die bloße Körperfülle des Stars lassen sich als Charakteristika des „trash TV“ ansehen. 351 Dennoch besitzt die Serie auch wiederum Bestandteile einer traditionellen Familienserie und weist damit wieder Gemeinsamkeiten zu „Bill Cosby Show“ auf. Die Conner-Familie besitzt die gleiche Fähigkeit zur Liebe und zum Zusammengehö- rigkeitsgefühl wie die Huxtables. Zwar sind Roseanne und Dan weitaus vulgärer, aber sie lieben sich genauso352. Obwohl die konzeptionelle Entwicklung und Produktion von „Roseanne” typisch ist für die meisten Prime-Time-Sitcom-Serien, unterscheidet sich „Roseanne“ bei näherem Hinsehen aber sowohl verbal als auch visuell grundlegend von ihren Vorgängern. 353 Zusammen mit „Eine schrecklich nette Familie“ und der Zeichentrick-Sitcom „The Simpsons“ wird „Roseanne“ sogar nachgesagt, das Gesicht der Fernseh-Sitcom verän- dert zu haben. 354 Das ist umso bemerkenswerter, da die „Situation Comedy“ als Genre nicht so viele Möglichkeiten hat, innovativ zu sein, wie andere Serienformen. Das Publikum hat be- stimmte Erwartungen. So muss, was immer die „Situation” herbeigeführt hat, am Ende aufgelöst werden, und die alte Ordnung wieder hergestellt werden. Außerdem hängt die

349 Vgl. Mayerle, 83 f. sowie Stark, 353. 350 Stark, 351. 351 ders., 356. 352 Vgl. Marc/ Thompson, 105. 353 vgl. Mayerle, 82. 90

Komik davon ab, dass das Publikum sich von der Aktion distanziert. „Roseanne“ wollte diese Distanz zumindest zum Teil abbauen. Wie Drehbuchautor und Produzent Matt Williams es ausdrückte, sollte die Serie die Zuschauer einladen, „to come around and sit around the sticky kitchen table.” 355

354 Berkman, 63/64. 355 Mayerle, 82. 91

6.3 „Eine schrecklich nette Familie“

6.3.1 Allgemeine Informationen

Die Serie „Eine schrecklich nette Familie“ startete unter dem Titel „Married...with children“ am 5. April 1987 auf dem kleineren US-amerikanischen Privatsender FOX. Nach anfänglich niedrigen Zuschauerzahlen wurde sie während ihrer Laufzeit zum meist gesehenen Programm der damals gerade etablierten . Sie war sogar die erste Sendung auf FOX, die in den „Nielsen-Ratings“, einen zweistel- ligen Platz belegte und nach einem anfänglichen Platz 142 im November 1988 sogar bis auf Platz 10 kam. 356 Insgesamt elf Staffeln der Serie wurden von 1987 bis 1997 produziert und anfangs als Prime-Time-Serie sonntags um 20.30 Uhr gesendet. War die Serie in Bezug auf die Ge- samt-Zuschauerzahlen auch bei weitem nicht so erfolgreich wie die „Bill Cosby Show“ oder „Roseanne“, so sprach sie doch ein jüngeres Zielpublikum zwischen 18 und 35 Jahren an, an dem auch die werbetreibende Wirtschaft verstärkt interessiert war.357 Produziert wurde „Married...with children“ von den ehemaligen Autoren solcher Co- medy-Serien wie „Happy Days“, „LaVerne & Shirley“ und „The Jeffersons“, Ron Lea- vitt und Michael M. Moye. Diese konzipierten die Serie von Beginn an als Anti-Serie zu Sitcoms wie der „Bill Cosby Show“ und zum Mythos der glücklichen und erfolgrei- chen Serienfamilie.358 Darin bestand auch gleichzeitig für FOX eine Gelegenheit, sich als vierter kommerziel- ler Sender neben NBC, CBS und ABC auf dem US-amerikanischen Fernsehmarkt zu profilieren. Als sich der Fernsehsender 1986 etablierte, waren die Sitcom-Renner der Nation und der Saison die „Bill Cosby Show“ und „Roseanne“ - beides Serien, die ein mehr oder weniger harmonisches Familienbild widerspiegelten, die man zumindest auf- grund der Charaktere mit ihren amüsanten menschlichen Schwächen als „Sitcoms mit Herz“ bezeichnen konnte.359 Dem wollten die Produzenten Leavitt und Moye ein bewusstes Gegenprogramm gegen- übersetzen. Moye, dessen Inspiration zu der Serie nach eigenen Angaben aus einem tie- fen Hass gegen Sitcoms (wie z.B. „Family Ties“) entsprang, die im weitesten Sinne eine heile Welt widerspiegelten, wird 1989 zitiert: „We’d see commercials for all these

356 Vgl. Himmelstein, 132. Vgl. a. Witthoefft, 76f. sowie Brauerhoch, 202. 357 Vgl. Witthoefft, 76f.. Vgl.a, Brauerhoch, 202 sowie Berkman, 65. 358 Vgl. Witthoefft, 77. 92 shows, where people would hug all the time. And we thought, Jesus Christ, isn’t there a show where a married couple can not always say „I love you“ every five minutes?“360 Die Serie „Eine schrecklich nette Familie“ weist daher weitaus „anarchistischere“ Grundströmungen auf. 361 Sie ist alles andere als die idealisierte „suburban domestic comedy“, sondern zeigt eine streitsüchtige Familie in einem ungepflegten Haushalt.362 Die Pilotsendung von „Married...with children“ wurde sogar unter dem Arbeitstitel „Not the Cosby Show“ produziert.363 Rein äußerlich mutet das Setting wie das einer typischen Familien-Sitcom an. Die Bun- dys wohnen in einem Einfamilienhaus am Stadtrand von Chicago. Ein Großteil des fa- miliären Lebens spielt sich im heimischen Wohnzimmer ab, in dessen Mitte das typi- sche Sitcom-Sofa steht. An das Wohnzimmer schließt sich die Küche an und auf der anderen Seite befindet sich die Haustür, so dass die Studio-Kameras ohne Kulissenum- bauten und Szenenwechsel das Geschehen im Wohnzimmer, in der Küche oder am Ess- tisch filmen können und zugleich die Charaktere einfangen, die das Haus betreten be- ziehungsweise verlassen. Die Wohnzimmereinrichtung ist allerdings alles andere als das, was man gemütlich und geschmackvoll nennen könnte. Die Wände im Hintergrund sind zum Teil mit bräunli- cher Tapete versehen oder bestehen aus braunen Backsteinen, die Möbel erwecken den Eindruck, als stammen sie vom Sperrmüll oder zumindest aus einem Second-Hand-La- den. Vor dem durchgesessenen Sofa mit dem beige-braunen Blümchenmuster läuft re- gelmäßig der Fernseher, der Ess-Tisch neben der Küche wird nur in den seltensten Fäl- len zur Nahrungsaufnahme genutzt, wenn die Familie mal wieder ein kurzfristiger Fi- nanzsegen ereilt. Im Kühlschrank herrscht, im Gegensatz zu den Haushalten anderer Familienserien, permanente Leere, und der Backofen dient nicht seinem eigentlichen Zweck, sondern wird nur gelegentlich von einem Familienmitglied dazu benutzt, um etwas zu Essen vor den anderen zu verstecken. Waren die Huxtables in der „Bill Cosby Show“ eine schwarze Mittelstands-Familie, die „es geschafft hatten“, so werden die Bundys in „Eine schrecklich nette Familie“ von Anfang an als völlige Versager gekennzeichnet.

359 Vgl. Brauerhoch, 201. 360 Simms, 1989. Vgl. Brauerhoch, 202. 361 Vgl. Mohr, 73. 362 Vgl. Himmelstein, 132. 363 Vgl. Marc, Comic Visions, 191 sowie Mohr, 73. 93

Der Kern der Serienfamilie besteht aus vier Charakteren: dem Familienvater und er- folglosen Schuhverkäufer Al Bundy (Ed O‘Neill), seiner arbeitslosen Frau Peggy (Ka- tey Sagal), mit der er – so wird es in der ersten Folge erklärt - seit 15 Jahren verheiratet ist, und den Kindern Kelly (Christina Applegate, 15 Jahre alt bei Serienstart) und Bud (David Faustino, 11).364 Fünfter Mitbewohner im Haus der Bundys ist der Familienhund Buck, ein Promena- denmischling, der beizeiten durch eine Stimme aus dem Off die Aktionen der Menschen aus seiner „Hunde-Sicht“ kommentiert.365

Weitere regelmäßig auftauchende Randcharaktere der Serie sind die Nachbarin Marcy (Amanda Bearse) und ihre beiden aufeinanderfolgenden Ehemänner Steve Rhodes (Da- vid Garrison, 1987-1990) und Jefferson D‘Arcy (Ted McGinley, 1991-1997), deren Familienleben das komplette Gegenteil von dem der Bundys ist. Marcy ist kinderlos, als Bankangestellte beruflich erfolgreich und heiratet nach der Trennung von ihrem Ehe- mann ein zweites Mal.366 Die finanziellen Verhältnisse der Bundys werden bereits im Vorspann der Serie ver- sinnbildlicht: In einer Sequenz sitzt Al Bundy auf der Couch im Wohnzimmer, und

364 Den Familiennamen „Bundy“ leiteten Leavitt and Moye übrigens von King Kong Bundy ab, einem ihrer Lieblings-Profi-Wrestling-Kämpfer. Vgl. Himmelstein, 133. 365 Buck wird gegen Ende der zehnten und vorletzten Staffel durch den kleineren Hund „Lucky“ ersetzt, nachdem die Bundys in der 212. Folge Bucks Beerdigung gefeiert haben. Weitere Familienmitglieder, die kurzzeitig mit im Haus wohnen sind Peggys Neffe namens Sieben und die Mutter Peggys. Sieben (Shane Sweet), dessen Alter ungefähr auf sechs Jahre geschätzt werden kann, ist der (sechste!) Sohn von Pegs Cousin Zemus (gespielt von dem Komiker Bobcat Goldthwait) und dessen Frau Ida Mae Wanker (Linda Blair), der von diesen in der ersten Folge der siebten Staffel („Die magische Sieben“) den Bundys als zusätzlicher Esser untergeschoben wird und während der gesamten Spielzeit in zwölf von 26 Folgen mitspielt. Da er jedoch auch während seiner Auftritte in Bezug auf die Komik der Serie nur eine Randfigur darstellt, bleibt er in dieser Arbeit weitgehend unbeachtet. Die Mutter von Peggy, die bezeichnenderweise nie im Bild zu sehen ist, sondern von der der Zuschauer nur durch Erzählungen der übrigen Charaktere erfährt, dass sie so unmenschlich fett ist, dass man sie mit einem Flaschenzug auf einen Pkw-Anhänger verfrachten muss, um mit ihr zu verreisen, quartiert sich zu Beginn der zehnten Staffel nach einem Streit mit ihrem Ehemann in Buds Zimmer ein, der darauf in den Keller zieht. Nachdem Als Schwiegermutter, die mit ihrer Familie in rustikalen Verhältnissen in Milwaukee wohnt, bereits in der ersten Staffel der Serie eingeführt wird, taucht sie in insgesamt sechs Folgen als Mitbewohnerin der Bundys auf. Dabei beschränken sich ihre komischen Auftritte auf ihre Stimme aus dem Off (im Original gesprochen von Kathleen Freeman), einen Schattenumriss ihres Körpers oder auf von rieselndem Putz begleitetes Rumpeln, wenn sie sich im ersten Stock den Flur entlangbewegt. 366 Steve und Marcy Rhodes beginnen die Serie als frisch verheiratetes Ehepaar, das Dank ihrer Jobs bei der Bank ein doppeltes Einkommen nach Hause bringt. Al, der ständig neue zum Scheitern verurteilte Versuche startet, an das schnelle Geld zu kommen, bringt Steve eines Tages dazu, bei der Bank einen Kredit zu genehmigen, den er nicht zurückzahlen kann. Steve verliert seine Stelle und entschließt sich nach Monaten der Arbeitslosigkeit und Depression, Marcy zu verlassen und als Ranger im Yosemite-Nationalpark ein neues Leben zu beginnen. Wenig später trifft Marcy Jefferson auf einem feuchtfröhlichen Bänker-Seminar, und als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist sie mit ihm verheiratet. Vgl. Himmelstein, 133 sowie Witthoefft, 77. 94 nacheinander wird er von den Familienmitgliedern um Geld angebettelt. Missmutig gibt er jedem einen Schein: zuerst Sohn Bud, dann Tochter Kelly und seiner Frau Peggy. Den letzten Schein holt sich der Hund ab, so dass für Al selbst nicht mehr viel übrig bleibt.367

Nach anfänglichen Schwierigkeiten der Serie läuft „Eine schrecklich nette Familie“ in- zwischen in fünfzig Ländern der Welt. Und das obwohl ein großer Teil der Komik der Serie ohne eine gewisse Kenntnis der amerikanischen Medienlandschaft nicht leicht verständlich ist, weil der Humor teilweise von intertextuellen Referenzen auf amerika- nische Populärkultur der letzten dreißig Jahre und direkten Anspielungn auf „heile“ Vorläufer der Sitcom-Tradition lebt.368 Dennoch entwickelte sich die Serie in Deutschland bald vom Geheimtip zur Kultse- rie.369 Vom Kölner Sender RTL zunächst fünfmal wöchentlich auf Nacht-Sendeplätze gesetzt, lief sie im deutschen Fernsehen inzwischen auch regelmäßig im Vorabendprogramm auf Pro7. Mohr sieht die Stärke der Serie gerade in dem Konzept, „das eine grundsätzliche Un- versönlichkeit des Lebens, Hass, Gemeinheit, Schwäche, Niedrigkeiten und Banalitäten aller Art präsentiert, als wäre es die Konfektauswahl einer Pralinenschachtel.“370 Nicht zuletzt sei die Sendung deshalb zur Kultserie geworden, „weil sie eine Kardinaltugend der Sitcom, die Essenz von Satire immer wieder variiert: eine aggressive Schärfe in den Dialogen und Szenen, bei denen nicht von vornherein auf das augenzwinkernde Einver-

367 Diese Einleitung wurde im Laufe der elf Staffeln insgesamt viermal neu gedreht, in erster Linie wohl um den verschiedenen Lebensabschnitte der heranwachsenden Kinder und dem Wechsel der Hunde zu genügen. 368 Vgl. Brauerhoch, 202. So bezog sich die Komik mitunter auf amerikanische Serien, Personen, Dinge oder Ereignisse, die trotz des Einzugs des Privatfernsehens in der deutschen Medienlandschaft und damit einer größeren Verbreitung von Bestandteilen us-amerikanischer Fersehproduktion in Deutschland weniger bekannt waren. Die deutsche Übersetzung unterlag in dieser Hinsicht im Laufe der Staffeln einem Wandel. In den frühen Folgen wurde versucht, unbekannte Namen und Titel durch hier Bekannte zu ersetzen (z.B. wurde ein amerikanischer Serientitel durch „Die Schwarzwaldklinik“ ersetzt). Nach und nach wurde dies aufgegeben, auf Kosten der Lesbarkeit zahlreicher Witze für die meisten deutschsprachigen Zuschauer. Ein Beispiel ist Steves Bestreben in Folge 320 (”Der Held der modernen Welt”) eine 99-Cent-Münze einzuführen, da der Nachkomma-Betrag von Waren im Supermarkt oft dieser Summe entspricht. Al hat jedoch den Einwand, dass darauf noch die Mehrwertsteuer geschlagen wird. Für Europäer ist dieser Einwand kaum nachvollziehbar, da in Europa im Gegensatz zu den USA die Mehrwertsteuer bereits im an den Waren angebrachten Preis enthalten ist. 369 Wobei der Fernsehsender RTL, der die Serie als erster in Deutschland ausstrahlte diesen Kult künstlich forciert wenn nicht sogar mit diversen Werbeprodukten und Fan-Artikeln überhaupt ins Leben gerufen haben dürfte. Vgl. Witthoefft, 77. 370 Vgl. Mohr, 74. 95 ständnis mit dem Publikum gesetzt wird, das alles sei ja gar nicht ernst, gar nicht böse gemeint.“371

6.3.2 Die Komik der Vaterfigur: Al Bundy

Die Vaterfigur des Al Bundy ist bereits in Hinblick auf die Zuordnung der komischen Ereignisse - ähnlich wie etwa Cliff Huxtable in der „Bill Cosby Show“ - die Hauptfigur der Serie. Bei insgesamt 1422 gezählten Lachern in zehn Episoden wurden 525, also 36,9 Prozent, seiner Figur zugeordnet. Auf Frau Peggy mit der zweitgrößten Anzahl entfielen nur 15,8 Prozent der Lacher.372 Gleichzeitig unterscheidet sich Al Bundy zu Cliff Huxtable darin, dass er einer der wenigen Sitcom-Väter ist, für die sich der „Ame- rikanische Traum“ nicht erfüllt hat, sondern eher in die andere Richtung umgekehrt hat.373 Aus einem erfolgreichen High-School-Football-Spieler, der bis zu vier „Touch- downs“ in einem Spiel schaffte, wurde ein erfolgloser Schuhverkäufer. Gegen seinen ursprünglichen Willen heiratete er Peg, seine Schulfreundin, und bekam zwei Kinder, die er ebenfalls nie wollte und die ihm nicht einmal die Spur des Respekts entgegen- bringen, der anderen Familienväter in vorangegangenen Serien zuteil wurde. Al erntet von seiner Familie nur Hohn und Spott und wird obendrein zum bloßen Geldgeber de- gradiert und ausgebeutet. Das misslungene Leben Als und sein Versagen im Beruf, worauf er selbst sowie auch seine Familienmitglieder in spitzen Bemerkungen auf seine Kosten immer wieder referieren, sind ein wesentlicher Bestandteil der verbalen Komik der Serie. Al ist jedoch damit kein positiver Antiheld zu den glücklichen, erfolgreichen Sitcom- Vätern, wie Bill Cosby, sondern er verkörpert eher eine ausgesprochen negative Figur, deren Komik sich vor allem auf das Überlegenheitsgefühl des Zuschauers begründet.374 David Marc sieht eine Übereinstimmung zwischen seinem fehlenden beruflichen Er- folg, seiner geringen Intelligenz und dem Mangel an jeglichem ethischem Gefühl.375 Damit unterscheidet Al sich auch von traditionellen Arbeiterklasse-Charakteren wie etwa Roseanne, die zwar ungebildet aber dennoch liebenswert sind.376

371 Vgl. Mohr, 73. 372 Witthoefft, 79. 373 ebda. 374 Vgl. Witthoefft, 80. 375 David Marc, Comic Visions, 191. 376 Vgl. Butsch, 393. 96

Al Bundy ist ein „organisierter“ Chauvinist, der sich mit seinen Freunden vom „NO MA’AM“-Club in Nacktbars herumtreibt und „Tittenmagazine“ studiert, und dessen größtes Feindbild „fette Weiber“ und Ehefrauen sind, die seiner Meinung nach „den ganzen Tag Pralinenpackungen mit den Zähnen aufreißen“ („Die Nacktbar“). Zudem ist er ein Geizhals, der sich, wenn er tatsächlich mal kurzfristig zu Geld kommt, zum gön- nerhaften Angeber entwickelt. Er ist ein Sexmuffel, der am liebsten mit einer Hand in der Hose vorm Fernseher sitzt, ein griesgrämiger, aggressiver Unsympath und ein Ver- sager in jeder Hinsicht. Gleichzeitig hält er sich aber in maßloser Selbstüberschätzung für einen unwiderstehlichen Frauenhelden und ein respekteinflößendes Familienober- haupt.377 Außer diesen inhaltlichen Inkongruenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit und dem Überlegenheitsgefühl, das Al Bundy beim Zuschauer dadurch auslöst, wirkt als weiterer komischer Faktor auch der permanente Verstoß gegen alle gesellschaftlichen Normen und Sitcom-Konventionen der Hygiene und Körperpflege. Allerdings sind diese Abweichungen zum einen extrem überzeichnet und zum anderen ausschließlich auf den verbalen Bereich beschränkt, um das Fiktive zu betonen, die Komik auszulösen und nicht beim Zuschauer die blanke Abscheu hervorzurufen. 378 Genauso überzogen ungepflegt wie Al, auf dessen Mundgeruch und Schweißfüße gele- gentlich Bezug genommen wird,379 ist auch das Familienauto der Bundys. Als sie es in der Folge „Schatz, ich habe den Dodge geschrumpft“ in die Wagenwaschanlage fahren, erkennen sie es hinterher nicht mehr wieder, weil nach langer Zeit seine ursprüngliche rote Farbe wieder zum Vorschein gekommen ist. Sein eigenes undelikates Leben fasst Al Bundy in der Folge „Schuhgeschäft mit Aus- sicht“ zusammen als er sich mit dem Fitnesslehrer in Kellys Sportstudio vergleicht, der sehr zu seinem Leidwesen weitaus größeren Erfolg beim weiblichem Geschlecht hat: „Was hat er denn, was ich nicht habe? Beide sind wir Männer in der Blüte unseres Le- bens. Er hat nur noch nicht die Last mit einem lausigen Weib, wertlosen Kindern, einer Prostata wie einer Melone – und was das schlimmste ist: ich verkaufe Frauenschuhe.“ Trotz dieses Schicksals und daraus resultierender gelegentlicher resignativer Stoßseuf- zer ist Al jedoch niemals wirklich am Boden zerstört, sondern er ist schon aufgrund der

377 Vgl. Witthoefft, 80. 378 ebda. 379 Vgl. Himmelstein, 133. 97

Serienlogik ein Stehaufmännchen. Er ist bereits abgehärtet gegen die zum Teil grotes- ken Enttäuschungen und Zumutungen, die er immer wieder erlebt.380 Längst hat er es aufgegeben, von seiner Frau zu erwarten, dass sie ihm ein Abendessen zubereitet, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt.

Neben der verbalen Komik trägt ähnlich wie bei der „Bill Cosby Show“ auch ein großer Teil physischer Komik zum Lacherfolg der Serie bei. Und ähnlich wie Cliff Huxtable ist auch Al Bundy als „Familienoberhaupt“ derjenige, der sie hauptsächlich hervor- ruft.381 Mimik und Gestik sind insbesondere bei Al (Ed O’Neill) stärker überzogen und stereo- typisierter als bei anderen Serien, was auf die besonderen Bemühungen der Macher der Serie, schließen lassen könnte, einen möglichst großen komischen Effekt zu erzielen. Charakteristisch neben der häufig wiederkehrenden Geste der Hand am Hosenbund und der schmerzverzerrten Mimik, beispielsweise wenn Peg ihn seiner ehelichen Pflichten gemahnt, sind seine zahlreichen physischen Missgeschicke. Er bekommt einen elektri- schen Schlag, als er Kellys Schutzweste gegen sexuelle Belästigungen berührt, ist zu sehen, als er auf der Suche nach seinem Dodge zu Fuß durch die Auto-Waschanlage geht und mit Heißwachs überzogen wieder herauskommt, oder stürzt aus dem Fenster und ist am Ende der Folge „Schuhgeschäft mit Aussicht“ im Rollstuhl und komplett in Gips einbandagiert. Analog zur verbalen Charakterisierung als Versager und Opfer wird Al also auch phy- sisch als Verlierer dargestellt. Durch bis ins groteske gehende Übertreibung wird jedoch anstelle des Mitleids Distanz und damit ein komischer Effekt erzeugt. Durch die vorge- fertigten künstlichen Lacher des Studiopublikums wird der Fernsehzuschauer ebenfalls auf den komischen Kontext der Situation hingewiesen. Was immer als komisch gekenn- zeichnet wird, kann das Fernsehpublikum auf diese Weise auch als komisch werten.

In Bezug auf ihr Sexualleben folgen Al und seine Frau Peggy bei weitem nicht den gän- gigen Geschlechterrollen, sondern kehren die typischen Rollenklischees, nach denen der Mann immer „will“ und die Frau immer Migräne hat, ins komplette Gegenteil um. Al ist regelrecht angewidert von dem Gedanken, mit seiner Frau zu schlafen, und er hat sich regelmäßig gegen ihre ständigen Angebote zu wehren. Als sie beispielsweise in der

380 Vgl. Mohr, 74. 381 Vgl. Witthoefft, 93. 98

Doppelfolge „Die Kreuzfahrt“ frustriert ist, weil der Friseur ihr die Haare ruiniert hat, fordert sie ihren Mann auf: „Schlaf mit mir.“ Al daraufhin: „Wieso?! I c h habe deine Frisur nicht verpfuscht.“ In dieser Umkehr gängiger Sexualklischees sieht Mohr durch- aus ein Strukturprinzip der Serie.382 Genauso erfolglos wie Al Bundy im Beruf ist, und so unfähig wie er als Ehemann in der Beziehung zu seiner Frau ist, so sehr versagt er in der Ernährung und Erziehung seiner beiden Kinder. Mitunter wirkt er sogar naiver und unselbständiger als seine Sprösslinge die ihm gegenüber nicht zuletzt deshalb längst jeden Rest von Respekt abgesprochen haben. 383 Als Al und Peggy auf der Kreuzfahrt in Seenot geraten, macht sich Kelly, die mit ihrem Bruder Bud zu Hause geblieben ist, Sorgen um ihre Zukunft: „Oh mein Gott. Was ma- chen wir jetzt. Wer gibt uns was zu essen. Und wie bezahlen wir die Hypothek. Unser Leben ist ab jetzt ... ganz genau wie vorher.“ Anders als andere Serienväter interessiert sich Al nicht wirklich für die Probleme seiner Kinder – diese rechnen auch nicht wirklich damit, einen guten „väterlichen“ Rat zu be- kommen. Das zeigt sich zum Beispiel in der Folge „Schuhgeschäft mit Aussicht“, als Sohn Bud seinen Vater wirklich einmal um Hilfe bittet:

Al: Wie mein Vater immer zu sagen pflegte, wenn ich mit m e i n e n Problemen zu ihm kam ... Bud: „Raus hier?“ (LACHER) Al: Nein, er sagte: „Ich verlasse dich und deine Mutter wegen dieser Nutte.“ (LACHER)

6.3.3 Die Komik der Mutterfigur: Peggy Bundy

Ähnlich wie Al ist auch die Figur der Mutter Peggy Bundy mit stark überzeichneten, stereotypen Eigenschaften und Verhaltensweisen besetzt, die aufgrund der Abweichung von der Norm und des Überlegenheitsgefühls, dass sie beim Zuschauer auslösen, zur Komik der Serie beitragen sollen. 384 Rein optisch betrachtet stellt sie gewissermaßen eine Karikatur des vorherrschenden Frauenbilds dar. Merkmale, die eine Frau für gewöhnlich attraktiv machen, werden bei ihr übertrieben. Ihre roten Haare sind unnatürlich hoch auftoupiert, sie ist zu stark ge-

382 Vgl. Mohr, 75. 383 ebda. 99 schminkt, ihre viel zu hohen Absätze verleihen ihr einen trippelnden Gang, der eines der Charaktermerkmale ihrer physischen Komik ist. Ihre Hosen und Pullover sind zu eng, was ihren Busen, Taille und Hüfte überbetont.385 Auch inhaltlich ist ihr Charakter der komplette Gegenentwurf zum Klischee der „typischen“ Hausfrauen- und Mutterrolle. Sie kocht nicht, putzt nicht und verrichtet auch sonst keine Hausarbeit. Ihr Platz ist nicht die Küche sondern die Fernsehcouch, der Schönheitssalon oder die Shopping-Mall.386 Zwar kann man diese rigorose Ablehnung der ihr zugewiesenen Familienrolle auch als eine emanzipatorische Tendenz werten, dennoch ist Peggy Bundy alles andere als eine selbständige, emanzipierte Frau. Sie hat keinen Beruf, der sie zeitlich so einspannen könnte, dass sie sich nicht um die Hausarbeit und die Familie kümmern könnte. Sie tut es einfach nicht, weil sie keine Lust dazu hat. Peggy Bundy wird als eine negative, lä- cherliche Figur dargestellt, die sich durch Faulheit, Egoismus und asoziales Verhalten auszeichnet.387 In Bezug auf die Erziehung der Kinder versagt sie genauso wie ihr Mann. In der Folge „Schuhgeschäft mit Aussicht“ ist ihr sogar ihre Daily-Talkshow „Oprah“ wichtiger als die Probleme ihres Sohnes Bud, der gerade seinen Job verloren hat:

(Halbnah. Peggy sitzt auf dem Sofa und sieht fern. Neben ihr: eine Packung Chips.) (Nahaufnahme. Bud kommt zur Haustür rein. In Anzug und gelöster Krawatte. Schwenk nach links.)

Bud: (niedergeschlagen) Mom, schalt‘ Oprah ne Sekunde aus. Ich muss dich was fragen. (AUFTRITTSAPPLAUS VOM PUBLIKUM)

(Halbnah. Peggy starrt gebannt auf den Fernseher ohne zu reagieren.) (Amerikanische. Schwenk nach links. Bud geht auf das Sofa zu und setzt sich ne- ben seine Mutter. Leichter Zoom auf Nah. Peggy und Bud auf der Couch.) Bud: Mom? (Peggy reagiert noch immer nicht. LACHER. Bud schnippt mit dem Finger) Liebling! (LACHER) Peggy: (Peggys Gesicht erhellt sich.) Ja, bereit! (erkennt Bud und lässt die Mund- winkel wieder sinken. LACHER.) Lass den Blödsinn.

Bud: Mom, heute ging alles schief. Und jetzt möchte ich einen mütterlichen Rat von dir.

384 Vgl. Witthoefft, 80. 385 dies., 81. 386 ebda. Vgl. a. Himmelstein, 133. 387 Vgl. Witthoefft, 81. 100

Peg: Ach, halt die Klappe. (LACHER.) (mit weinerlicher Stimme:) Oprah hat heute in ihrer Show Mütter, die ihre bedauernswerten Söhne im Stich lassen. (LACHER.)

Diese mitunter sehr primitive Form der direkten Gegenüberstellung von Gesagtem und Realität – Peggy kümmert sich zwar nicht um ihren Sohn, regt sich aber über die Ra- benmütter im Fernsehen auf – gehört ebenfalls zu den gängigen Stilmitteln zur Erzeu- gung von Komik in der Serie „Eine schrecklich nette Familie“. Ein weiteres Comedy- Element ist die drastische, ins Groteske gehende Überzeichnung von stereotypen Ver- haltens- und Charaktermerkmalen, die bei Peggy vor allem auf ihrem gesteigerten Se- xualtrieb beruhen. Sitzt sie in der betrachteten Szene anfangs regungslos vor dem Fern- seher, so gerät sie beim Stichwort „Liebling“ reflexartig in Bewegung. In ihrem übersteigerten und permanent unstillbaren sexuellen Verlangen liegen auch ihre ständigen Annäherungsversuche ihrem Ehemann gegenüber begründet. Mit wahrer Liebe zu ihrem Gatten hat das nichts zu tun. Was Peggy und ihren Mann vereint, ist ne- ben einem völlig verpfuschten Leben das Gefühl einer gegenseitigen innigen Hassliebe, und sie werden nicht müde dieser auf der verbalen Ebene immer wieder Ausdruck zu verleihen. Meist beziehen sie sich in ihren aggressiven-zynischen Bemerkungen gegen den jeweiligen Partner auf den sexuell-zotigen Bereich. Peggy kritisiert Als fehlende Qualifikationen als Liebhaber, Al schießt regelmäßig gegen Pegs Triebhaftigkeit, die diese mitunter auch mittels technischer Geräte in den Griff zu bekommen versucht. Als die Familie etwa in der Folge „Schatz, ich habe den Dodge geschrumpft“ gemein- sam nach der vermeintlich in der Waschanlage verlorengegangenen Familienkutsche fahndet, stößt Al den Seufzer in Richtung Peggy aus: „Peg was ist das mit Dir? Du wechselst glatt sechs kleine Batterien im Dunkeln, aber ein zwei Tonnen schweres Auto findest Du am hellichten Tag nicht.“ Doch auch Peg ist nie um eine Antwort verlegen: „Reden wir jetzt lieber nicht davon, wer was in der Dunkelheit nicht findet.“ Brigitte Witthoefft hat in zehn Beispielfolgen die Ereignisse der aggressiv-sexuellen Komik (also der zielgerichteten Komik mit sexuellen Inhalten) betrachtet. Demnach entsteht mit 16 von 65 Fällen die meisten komischen Ereignisse, wenn Peggy abschät- zige Bemerkungen gegen Al macht.388 Diese Bemerkungen sind nicht wie bei Clair und Cliff Huxtable gut gemeinte Kritik mit der die Ehefrau ihren Mann dazu bringen will. sein Fehlverhalten einzusehen und zu ändern, sondern hier ist die Kritik rein destruktiv und hat ausschließlich den Lacherfolg beim Publikum als Ziel.

388 Vgl. Witthoefft, VII. 101

Das völlige Gegenmodell zu dem Frauenbild, was über Peggy Bundy transportiert wird, ist die Nachbarin der Bundys Marcy, was nicht bedeutet dass sie keine komischen At- tribute hat. Ihr beruflicher Erfolg und ihre finanzielle Unabhängigkeit wird durch ein eher unweibliches Äußeres und eine gewisse kurzhaarige Sprödheit dargestellt. Sie hat mit beiden Ehemännern, mit denen sie im Laufe der Staffeln verheiratet ist, keine Kin- der. Das Sexualleben mit ihrem ersten Mann zeichnet sich zum Teil durch bizarre sado- masochistische Spielchen aus, was auch diese Form der Beziehung einem distanzierten Verlachen durch den Zuschauer ausliefert. Marcys zweiter Ehemann Jefferson stellt wiederum eine Umkehrung gängiger Rollenklischees dar: er geht in der Regel keinem Broterwerb nach, ist Hausmann und Marcys Lustobjekt und lässt sich von ihr aushalten. Während Peggy von dem Schuhverkäufer-Gehalt ihres Ehemanns abhängt – obgleich sie die völlige Kontrolle über die Familienfinanzen hat und diese Position mit Vorliebe zu ihren Gunsten ausnutzt –, muss Marcy aufpassen, das sie ihr eigenes Geld ausgibt, bevor es Jefferson tut. („Die Kreuzfahrt I“) Die umgekehrte Rollenverteilung wird auch in einer Szene in „Liebling, ich habe den Dodge geschrumpft“ deutlich, als Marcy ihrem Mann sehr zum Leidwesen Jeffersons einen Putzjob in der Autowaschanlage besorgt mit der Begründung: „Ich habe es satt, wenn ich abends nach Hause komme, nach einem schweren Tag, und du als einziges sagst: ‚Schatz, rate mal, wer heute bei Ophra war.‘ Dann könnte ich glatt mit Peggy verheiratet sein.“

6.3.4 Die Komik der Kinder

Die Charaktere der beiden Kinder, Kelly und Bud Bundy, sind zwar weniger ausdiffe- renziert als die der beiden Eltern, dennoch sind auch sie beide hauptsächlich mit ste- reotypisierten komischen Eigenschaften besetzt. Am auffälligsten ist, dass sie in sexu- eller Hinsicht weitaus frühreifer sind als andere Serienkinder. Während in der „Bill Cosby Show“ Sexualität unter Teenagern und außerehelicher Geschlechtsverkehr völlig ausgeklammert wird und bei Roseanne die Masturbation des pubertierenden Sohnes und der heimliche Beischlaf der geschlechtsreifen Tochter mit ihrem Freund zwar angespro- chen aber als Problem für die Eltern dargestellt wird, gehört bei den Bundy-Kindern der ausgeprägte Sexualtrieb und sexuelle Aktivität zu den Hauptcharaktermerkmalen. Diese werden von den Familienmitgliedern als gegeben hingenommen, insofern als keiner in der Familie versucht, etwas daran zu ändern, und sind für das Publikum, das sich von 102 derart überzeichnet dargestellten Charakteren distanziert, ein wesentlicher Bestandteil der Komik der Kinder. Ähnlich wie die Normverletzungen Als hinsichtlich der Körper- pflege und Hygiene werden auch diese Aspekte ausschließlich verbal behandelt, um die nötige Distanz zu wahren. Kelly ist die klassische Figur der „dumb blonde“. Ihre längst erwachte sexuelle Unab- hängigkeit zeigt sich schon rein äußerlich durch ihre blonde Mähne und ihre knappen Kleider, während ihr Geist noch im Vorschulalter stehengeblieben zu sein scheint.389 Die Komik der „Dumpfbacke“390 der Familie, resultiert zum einen aus naiven Bemer- kungen. Witthoefft sieht in dieser Kategorie mit 52 von 80 dummen Äußerungen sogar eine deutliche Häufung in der Serienfigur Kellys.391 Ihre sexuelle Freizügigkeit bietet eine weitere komische Angriffsfläche. Kelly gibt sich gewissermaßen alle Mühe den Ruf einer unverbesserlichen Schlampe zu verteidigen und hat auch großen Erfolg damit.392 Dadurch ist sie vor allem den zynischen Anfein- dungen ihres Bruders Bud ausgesetzt. Dieser hat weitaus weniger Erfolg beim anderen Geschlecht, wenn auch seine Versuche in diese Richtung unermüdlich erscheinen. Obwohl er der einzige Intelligente in der Familie ist, in der siebten Staffel erhält er so- gar ein Stipendium, um aufs College zu gehen, ist er als das jüngste Mitglied der Fuß- abtreter in der chaotischen Familienhierarchie der Bundys, und, weil er den geringsten Schaden anrichtet zugleich die am wenigsten komische Figur in der Familie.393 Dennoch hat er den überzogenen Chauvinismus gepaart mit Selbstüberschätzung seines Vaters geerbt, teilt sich mit ihm dessen „Tittenmagazine“, giert den „Tussis“ hinterher, findet aber die treueste „Begleiterin“ in seiner aufblasbaren Sex-Gummipuppe. Obwohl diese in den Staffeln sieben bis neun insgesamt sogar sechs mal im Bild zu sehen ist, wird sie doch nie in Aktion gezeigt, sondern funktioniert ausschließlich als komische Anspielung auf Buds unausgefülltes Sexualleben. So sieht man in der Episode „Regie: Al Bundy“ einen Ausschnitt eines selbstgedrehten Kurzfilms von Al und Kelly über die Erfindung von Schuhen. In einer Sequenz läuft Al anstatt mit Schuhen mit zwei Gum- mipuppen an den Füßen herum, die er sich offensichtlich aus Buds „Requisitenfundus“ beschafft hat. Dieser ruft daraufhin weinend aus: „He, das sind meine Frauen!“

389 Vgl. Mohr, 75. 390 So wird sie von ihrem Vater Al in der deutschen Übersetzung häufig angeredet. 391 Witthoefft, 89. 392 Vgl. David Marc, Comic Visions, 191. 393 Vgl. Mohr, 75 sowie Butsch, 394. 103

Optische Tabuverletzungen werden in der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ immer im Zusammenhang mit komischen oder grotesken Situationen gezeigt oder durch feind- selige, zynische Bemerkungen der anderen Figuren deutlich als abweichendes Verhalten gekennzeichnet.394 Auffällig bei den beiden Kindern Bud und Kelly ist die Häufigkeit der aggressiv-sexu- ellen Anspielungen gegeneinander. In zehn Beispiel-Folgen wurden allein 11 solcher zielgerichteter Äußerungen mit sexuellem Inhalt von Bud gegen Kelly gezählt – nur fünf weniger als die „Spitzenreiter“ Peg und Al. Umgekehrt äußert sich Kelly immerhin noch in sechs Fällen abfällig über Bud.395 Diese gegenseitigen sexuell-aggressiven Frotzeleien betreiben die beiden Kinder so- wohl wenn sie unter sich sind, als auch in Gegenwart der Eltern, die das Treiben ihrer Kinder meist bis auf einige verwunderte Blicke unkommentiert lassen, wie eine Szene aus der Folge „Regie: Al Bundy“ zeigt.

(Amerikanische Einstellung, Kelly kommt mit einer Filmkamera auf einem Stativ zur Tür herein.) Kelly: Hallo, Leute. (AUFTRITTSAPPLAUS. Kameraschwenk nach links, leichter Zoom. Kelly stellt das Stativ ab.) Ratet mal, was wir gerade tun in der Larry-Storch-Schauspielschule. (LACHER)

(Nahaufnahme Bud und Peggy auf der Couch) Bud: Ihr übt zunächst mal auf der horizontalen Leinwand? (LACHER)

(Nahaufnahme Kelly und die Kamera) Kelly: (abschätzig:) Oh, Bud da bist du. Ich hab draußen keine Abluft von Gum- mifrauen mitgekriegt. (LACHER) (begeistert:) Jedenfalls hat Larry uns einen Riesen-Auftrag gegeben: Ich darf einen Film drehen!

(Nahaufnahme Bud und Peggy auf der Couch) Bud: Hm. Und erscheint „Bevorzuge Französisch“ irgendwo im Titel? (LACHER. Bud dreht sich triumphierend zu Peg um, die blickt ihn strafend an.)

(Nahaufnahme Kelly und die Kamera) Kelly: Schwänzt Du nicht deinen abendlichen Spaziergang im Regenmantel oder so was? (LACHER)

(Nahaufnahme Bud und Peggy. Bud wendet sich erst gelangweilt ab. Guckt dann auf die Uhr und erschrickt. LACHER.)

394 Vgl. Witthoefft, 82. 395 dies., VII. Vgl. a. Himmelstein, 133. 104

(Nahaufnahme Kelly) Kelly: Also noch mal. Larry sagt, es ist genauso gut, wenn man dahinter ist wie davor. (LACHER)

(Nahaufnahme Bud und Peggy) Bud: (angewidert) Blödsinn! (LACHER)

(Nahaufnahme Kelly) Kelly: Er meint die Kamera!! (LACHER)

Aber die beiden Kinder sind nicht nur Objekte ihrer gegenseitigen zynischen Bemer- kungen. –Ähnlich wie in den anderen Serien sind sie auch dem Spott der Eltern, vor al- lem Al Bundy, ausgesetzt. Mit dem Unterschied, dass dieser Spott wesentlich aggressi- ver ausfällt als in den anderen betrachteten Sitcoms. Haben die Eltern in der „Bill Cosby Show“ und bei „Roseanne“ vorwiegend untereinander die Schwierigkeiten der Kin- dererziehung beklagt, so macht Al Bundy nicht selten auch in Gegenwart der Kinder keinen Hehl daraus, das er sich gut ein Leben ohne sie vorstellen könnte. Weitaus häu- figer als in den anderen beiden Serien beruht diese Abneigung zwischen Vater und Kin- dern auf Gegenseitigkeit. Auch die beiden Sprösslinge bekunden ihre Abneigung gegen ihren Vater – vor allem gegen dessen Unfähigkeit als „Brötchenverdiener“ seine Familie zu ernähren - mit gele- gentlichen aggressiven Äußerungen auf seine Kosten. Sowohl bei Bud als auch bei Kelly wurden in zehn Folgen insgesamt jeweils sechs solcher Bemerkungen gezählt. Zwar ist dies im Vergleich zur Gesamtzahl der Lacher keine große Zahl. Im Vergleich zur „Bill Cosby Show“, wo vergleichbare Ereignisse völlig tabu sind und zur Serie „Ro- seanne“, wo kleine Boshaftigkeiten stets von einem gewissen Maß an Zuneigung be- gleitet werden, wird das gänzlich respektlose Verhältnis der Bundys zu ihrem Vater deutlich. In der Folge „Regie: Al Bundy“ beklagt sich Al darüber, dass es ein konkurrierender Kollege geschafft hat, in dem Fachblatt der Schuhverkäuferinnung „Schuhnachrichten“ abgebildet zu sein: „Ich sollte da drin sein und er hier als euer Daddy.“ (LACHER) Darauf hin dreht sich Bud zu seiner Mutter um und fragt vorsichtig: „Ließe sich das denn irgendwie einrichten, Mom?“ (LACHER) 105

6.3.5 Komik und Familienbild

Das Familienbild der Bundys unterscheidet sich insofern von anderen Familienserien, als die Familienmitglieder in allen an sie herangetragenen Rollenerwartungen versagt haben. Sie verbindet nicht das warmherzige Zusammengehörigkeitsgefühl des familiä- ren Miteinanders, sondern eine gegenseitige Verachtung, der Drang, jedes noch so kleine Glücksgefühl des anderen zu zerstören, 396 und der gemeinsame Misserfolg, der sie auf Schritt und Tritt verfolgt und sie als „wahre Bundys“ auszeichnet. Die einzige Rechtfertigung, warum die vier Mitglieder noch gemeinsam unter einem Dach wohnen scheint die finanzielle Abhängigkeit der Familie vom Vater zu sein, der gleichwohl die materiellen Bedürfnisse seiner Frau und seiner beiden Kinder nur unbe- friedigend erfüllen kann. Das Familiensofa in der Mitte des Wohnzimmers ist das Zen- trum und gleichermaßen Sinnbild des unbeweglichen Lebens der Familie. Die Kernfa- milie als Keimzelle der bürgerlichen Gesellschaft und Basis von Sicherheit und Harmo- nie in der „domestic sitcom“ wird in der Serie zur ökonomischen Zweckgemeinschaft und gleichzeitig zur Quelle des komischen Konflikts.397 Diese Komik entsteht vor allem durch die Absurdität des Dargestellten. Damit ist, wie Mohr es ausführt, nicht schwarzes Existenzialistentheater à la Beckett gemeint, sondern: das Böse wird zur Boshaftigkeit sublimiert, dem immer wieder liebenswerte Schwächen zur Seite springen. Nichts tut wirklich weh, denn alles ist virtuell.398 Ein Großteil der Komik der vier Hauptfiguren entsteht durch eine Reihe hochkonzen- trierter negativer Eigenschaften und Verhaltensmuster, die stark von den gesellschaftli- chen Werten und Normvorstellungen abweichen. Alle Figuren sind stark stereotypisiert und ihre Handlungen durch das in jeder Serie gleiche Verhalten in hohem Maße vorhersehbar. Dadurch dass sie zwar einerseits als Versager dargestellt werden, andererseits aber negative Verhaltensweisen wie Aggres- sivität oder permanente Tabubrüche aufweisen, tritt beim Publikum an die Stelle des Mitleids Schadenfreude und Überlegenheitsgefühl. Das macht es dem Publikum leicht, diese Familie aus einer Distanz heraus zu verlachen. 399 Zu solchen Tabubrüchen und Normverletzungen gehören vor allem egoistische und materialistische Verhaltensweisen, Verletzung hygienischer Normen und eine bis an die

396 Vgl. Witthoefft, 77. 397 dies. , 83. Vgl. a. Mohr, 74f. 398 Vgl. Mohr, 74. 399 Vgl. Witthoefft, 78. 106

Grenze des Erträglichen ausgereizte Vulgarität. Diese Verstöße gegen die Norm werden allerdings fast ausschließlich verbal behandelt. Auffällig ist ebenfalls, dass es in der Bundy-Familie keine Aggressionshierarchie gibt. Zwar ist die Figur des Al Bundy der größte Verlierer der Familie, und stellt somit auch die größte Zielscheibe der aggressiven Bemerkungen seiner Frau, seiner Kinder und nicht selten auch der Nachbarin Marcy dar. Im Gegensatz zu anderen Familienserien schießt in der „Schrecklich netten Familie“ aber jeder gegen jeden. Während in der „Bill Cosby Show“ die Komik stark auf die Hauptfigur zugeschnitten ist, hat man es bei der „Schrecklich netten Familie“ eher mit einer Mischung aus diesem Modell und dem Modell der Ensembleserie zu tun, in der jede Figur eine spezielle Funktion erfüllt.400 Dies lässt sich, wie Witthoefft es tut, mit dem Serienkonzept erklären, das darauf be- ruht, dass sich die Figuren gegenseitig lächerlich machen und korrigieren. Und das kann nur dann funktionieren, wenn die Konflikte nicht einseitig entschieden werden, sondern offen gehalten werden. 401 Organisiert wird dieses Gegeneinander zumeist in Gesprächsabschnitten, in denen zwei Dialogpartner abwechselnd versuchen, die Angriffe und Gehässigkeiten des jeweils an- deren durch eine weitere spitze Bemerkung in Form einer „Punchline“ zu überbieten. Die vier Hauptpaare, in denen das geschieht sind Al und Peggy, Kelly und Bud, Al und Marcy sowie Marcy und ihr jeweiliger Ehemann. Durch solche Gesprächssequenzen entsteht eine enorme Verdichtung der Komik, was zu einer möglichst großen Triebbe- friedigung beim Zuschauer und somit zum größtmöglichen Lacherfolg der Serie führen soll. Häufig bestehen diese Dialoge aus elliptischen Äußerungen und Anspielungen auf die komische Grundsituation der Serie, das eigene Schicksal der einzelnen Figuren und die negativen Eigenschaften der jeweils anderen Familienmitglieder, so dass die Komik noch wirkungsvoller für diejenigen Zuschauer ist, die über eine Kenntnis der Serie ver- fügen und mit den Handlungsmustern der Serienfiguren vertraut sind.402 Aggressive, zynische Äußerungen werden unter anderem auch hinter dem Rücken der betreffenden Person gemacht, was die unharmonische, resignative Grundsituation der Serie unterstreicht, in der gar nicht versucht wird, grundlegende Probleme zu

400 dies., 97. 401 dies., 85f. 402 dies., 90. 107 diskutieren oder zu lösen. 403 Der Zuschauer hat die Möglichkeit, sowohl über die Inhalte der Bemerkungen als auch aus einer überlegenen Position über die Unfähigkeit zur Konfliktbewältigung der Familienmitglieder zu lachen. Inhaltlich gibt es verschiedene Konfliktthemen, die regelmäßig wiederkehren, wie das fehlende Geld, die ausgeprägte sexuelle Aktivität der Kinder und die weniger ausgeprägte bei den Eltern. 404

Eine weitere große Rolle in Bezug auf die Lacher in der Serie spielt die Situationsko- mik. Auch dort gibt es immer wiederkehrende Themen, wie der chronisch leere Kühlschrank, in dem sich nie mehr als zwei Sachen befinden (z.B. eine leere Milchpackung und eine Alufolie, die ein Eigenleben führt), Peggys Versuche, ihren Mann mit den verschieden- sten Tricks zum Sex zu bewegen oder Buds vergebliche Versuche, Erfolg bei den „Tus- sis“ zu haben. 405 Dass die Serie auf einen möglichst großen Lacherfolg beim Publikum abzielt, zeigt auch der Einsatz weiterer verschiedener komischer Techniken, wie etwa Wissensdiskrepan- zen zwischen den Figuren und dem Publikum, Inkongruenzen zwischen dem eigenen Handeln zum Handeln anderer Figuren, unter anderem durch überraschende Auftritte bestimmter Figuren. Bemerkenswert bei der Serie ist auch der häufige Einsatz filmi- scher Mittel wie kommentierende Schrifteinblendungen, Montage, subjektive Kamera oder Aufbruch der filmischen Illusion durch direkte Kommentare oder Blicke in die Kamera.406 Auf der akustischen Ebene tragen unterschiedliche Tonquellen zur Komik bei, wie zum Beispiel die kommentierende Off-Stimme des Hundes Buck sowie Nachrichtenmeldun- gen oder Werbespots im Fernsehen, die die Handlung der jeweiligen Szene unterstrei- chen, oder ihr zuwiderlaufen. Auch die Komik durch physische Missgeschicke, vor allem die bis an die Schmerz- grenze gehenden Ungeschicklichkeiten von Al Bundy, spielen eine große Rolle bei der Erzeugung der Lacher in der Serie. Das Gesetz der Serie gebietet es allerdings, dass alle Figuren die kleinen und großen Unfälle, so schmerzhaft sie auch sein mögen, jederzeit

403 dies., 87. 404 Vgl. Himmelstein, 133. 405 Vgl. Witthoefft, 93. 406 ebda. 108 unbeschadet überstehen und zu Beginn der nächsten Episode wieder gesund sind und bereit, neue Missgeschicke zu erdulden. 407 Zwei große Elemente dominieren die Komik der Serie: zum einen die völlige Über- zeichnung, zum anderen die permanenten sexuellen Anspielungen. 408 Dennoch bricht die Serie nicht alle Tabus des Humors. So werden zum Beispiel zwei große „No-Nos“ ausgeklammert, die von der amerikanischen Fernsehgesellschaft dieser Zeit nicht erlaubt wären, und sich deshalb nicht für Komik eignen: Zum einen ist das die Thematisierung von Abtreibung, zum anderen Hinweise auf körperlichen Kontakt zwischen Homosexuellen. 409 Auch die sexuellen Aktivitäten der Teenager bleiben im Falle von Kelly ausschließlich auf die verbale Ebene beschränkt, im Falle von Bud, ähnlich wie bei den Eltern, gibt es lediglich stark überzogene optische Anspielungen, wie beispielsweise ein zerrissenes Oberhemd oder ein mit Lippenstift übersähtes Ge- sicht. Dass der Humor der „Schrecklich netten Familie“ auch seine Grenzen hat, zeigt auch die erste Folge der 1988er Staffel, bei der sich der Fernsehsender „Fox“ – trotz ständig steigender Einschaltqouten – anfangs weigerte, sie auszustrahlen. Die Bundys und die Rhodes‘ fahren darin gemeinsam zum Campen, als Peggy, Kelly und Marcy zur glei- chen Zeit ihre Periode bekommen. Die Episode wurde später doch ausgestrahlt, aller- dings mit zahlreichen Drehbuchänderungen. Eine weitere Episode der Staffel, in der Al und Peg beim Sex in einem Stundenhotel mit einer Videokamera gefilmt werden, wurde gestrichen und nie gezeigt. 410 Nicht selten erregte die Serie auch den Protest traditionalistischer Fersehzuschauer. So beschwerte sich eine Mutter aus Michigan im Fernsehen und in der New York Times, weil sie mit ihrer achtjährigen Tochter, die sie noch nicht aufgeklärt hatte, eine Folge gesehen hatte, in der von Peggys „Affäre“ mit ihrem Vibrator die Rede war.411

407 Vgl. Witthoefft, 94. 408 Vgl. David Marc, Comic Visions, 192. 409 Vgl. Berkman, 65. 410 Vgl. Himmelstein, 133. 411 Vgl. Berman, 64. 109

6.4 Vergleich

Vergleicht man alle drei in dieser Arbeit betrachteten Serien in Hinblick auf den Bezug zum Alltag der Zuschauer vor dem Fernsehschirm, kann man sagen, dass die Serie „Eine schrecklich nette Familie“ trotz ihrer überzogenen Komik zusammen mit „Rose- anne“ näher an der Familienrealität der 80er/90er Jahre war, als die „Bill Cosby Show“. Hal Himmelstein ordnet beide Serien zusammen mit der Zeichentrickserie „Die Simp- sons“ in eine neuere Kategorie der „suburban middle-landscape comedies“ ein, die eine Welt widerspiegeln, die entschieden anders war als die der Sitcoms in den 50er/60er Jahren. Themen wie Sex bei Teenagern, wirtschaftliche Probleme, Schwierigkeiten der Eltern, sich bei ihren selbständiger gewordenen Kindern Gehör zu verschaffen, mar- kierten eine Öffnung hin zu völlig neuen Möglichkeiten der Familien-Sitcom.412 Die neue Serienwirklichkeit hatte sich abgekehrt vom Wunschbild des „Amerikanischen Traumes“, wie es noch in der „Bill Cosby Show“ vorherrschte. Die Familieneinheit lö- ste sich immer mehr auf. Die kleine Gruppe der - sehr beliebten - zeitgenössischen „su- burban-middle landscape comedies“ bildeten diese Wirklichkeit ab. Dafür wandten sie völlig unterschiedliche ästhetische Formen, oder Strategien an: während die Charaktere bei „Roseanne“ intelligenter wirken und sich eher als Identifikationsfiguren für die Zu- schauer eignen, verfolgt „Eine schrecklich nette Familie“ eine eher ironische Strategie, die ein permanentes Verlachen der Familie zuließ.413

Aber auch die komische Grundsituation der „Schrecklich netten Familie“ bewegt sich immer hart an der Realität. Die Wirklichkeit wird zwar überspitzt und verzerrt darge- stellt, wird dabei aber nie außer Sichtweite gelassen. 414Mit anderen Worten: Die Bun- dys sind nicht einfach nur eine Fantasiefamilie, wie es eher etwa die Huxtables in der „Bill Cosby Show“ sind, sondern sie sind das Zerrbild einer amerikanischen Familie – und zugleich eine Persiflage auf die Fernsehfamilien amerikanischer Comedy-Serien, mit der sie die Werte und Normen einer 40-jährigen Sitcom-Tradition umkehrt. Das Innovative der Serie besteht nach Ansicht von Brigitte Witthoefft darin, dass sie sich einerseits sehr erfolgreich in der Tradition des Genres der Situation Comedy be- wegt und deren Genremerkmale aufgreift, diese andererseits aber immer wieder durch

412 Vgl. Berkman, 63. 413 Vgl. Himmelstein, 137. 414 Vgl. Mohr, 74 sowieWitthoefft, 83. 110 parodistische Elemente unterläuft und mit einer radikalen Umkehr ihrer Werte und Normen verbindet.415

Auch David Marc bemerkt, dass die Serie „Eine schrecklich nette Familie“ sich weniger über den Amerikanischen Traum an sich lustig macht, sondern über ein halbes Jahrhun- dert seiner Darstellung in Serien wie „Leave it to Beaver“, „The Brady Bunch“ oder die „Bill Cosby Show“.416 Der Miterfinder der Bundys Ron Leavitt brachte es so auf den Punkt: „We’d always hated the typical family on television. It just makes us sick, basi- cally.“417 Die Kritikerin Lisa Kennedy schreibt in der Zeitschrift Village Voice 1990 über die Se- rie: „The Bundys do not pretend to represent either a „real” family or the ideal one: they are a funhouse mirror of a household unit that is itself the first and foremost pro- duct of the tube.”418 Eine Umkehrung und Verzerrung der typischen Fernsehfamilie bei den Bundys sieht auch Butsch. Der Kontrast besteht für ihn nicht zwischen den einzelnen Familienmit- gliedern, sondern zwischen der Bundy-Familie und der Gesamtheit aller anderen TV- Familien. Noch bedeutsamer als die Umkehrung von Geschlechterrollen ist die Tatsche, dass dem erfolgreichen Mittelschicht-Vater ein Versager mit geringem Einkommen ge- genübergestellt wird.419 Die idealisierten gesellschaftlichen und sitcom-internen Normvorstellungen vom guten und sozialverträglichen Handeln in einer harmonischen, solidarischen Familiengemein- schaft werden in der „Schrecklich netten Familie“ umgekehrt und durch eine auf Feind- seligkeit, Egoismus und Verachtung beruhenden Grundsituation abgelöst.420 Sowohl bei dieser Serie als auch bei „Roseanne“ wird die patriarchal-hierarchisch ge- prägte Familienstruktur, wie sie in der Sitcom der 70er Jahre und davor üblich war durch eine offenere Sichtweise in Bezug auf Autoritäten, in der Frauen den Familien-

415 Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der von Norman Lear produzierten Sitcom „All in the Family“, die bereits in den siebziger Jahren einen radikalen Gegenentwurf zur idyllischen Familienwelt der domestic sitcom bildete. In Deutschland gab es in den 70er Jahre mit Wolfgang Menges „Ein Herz und eine Seele“, einer Adaption von „All in the Family“, einen deutschen Versuch, gegen derartige Familienkonzepte zu verstoßen. Vgl. Witthoefft, 77. 416 David Marc, Comic Visions, 192, 417Himmelstein, 134. 418 Lisa Kennedy, Village Voice 35, 10. April 1990, S. 37; zit in: Brauerhoch, 202f. 419 Butsch, 393. 420 Vgl. Witthoefft, 97. 111 vätern gleich- oder sogar höhergestellt sind und in der Kinder mitunter selbständiger und vernünftiger erscheinen als ihre eigenen Eltern. 421

Ein Vergleich der drei hier betrachteten Comedy-Serien in Bezug auf die Häufigkeit der Lacher lässt bereits tendenziell erkennen, dass die Macher der „Schrecklich netten Fa- milie“ eine besondere komische Grundsituation erzeugen wollten. Während bei der „Bill Cosby Show“ in zehn Folgen 838 Lacher und bei „Roseanne“ 888 Lacher gezählt wurden, sind es in der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ mit 1422 Lachern deutlich mehr.422 Ein weiterer Unterschied zu anderen Serienfamilien besteht darin, das die „Schrecklich nette Familie“ über keine positive Figur verfügt, vor deren Hintergrund die Abweichun- gen und Normverletzungen der anderen Serienfiguren komisch erscheinen. In der „Bill Cosby Show“ zum Beispiel besteht im Gegensatz dazu eine „harmonische” Grundsituation, auf deren Grundlage unterschiedliche Arten von Abweichungen und in- haltlichen Inkongruenzen als komisch wahrgenommen werden. 423 Während die Vaterfigur Cliff Huxtable in der „Bill Cosby Show“ den Familienpädago- gen darstellt, der die Verfehlungen und Abweichungen der Kinder als erfolgreiche Re- spektsperson korrigiert und mit zynischen Bemerkungen dem Verlachen preisgibt, und die Mutterfigur bei „Roseanne“ die „starke Frau“ ist, die trotz dieser schweren Aufgabe ihre Menschlichkeit und ihren Witz nicht verloren hat, eignen sich die unterschiedlichen Verhaltensmuster der Bundys weniger zur Identifikation als zur Abgrenzung. Eine Kor- rektur der negativen Verhaltensweisen erfolgt dadurch, dass sich die vier Familienmit- glieder gegenseitig verspotten. 424 Auch die Nebenfiguren in der Serie, insbesondere Marcy und ihre Männer, bieten kei- nen positiven Gegenentwurf zu den Bundys. Die gesellschaftlichen Normen der Welt außerhalb der familiären vier Wände werden also ebenso in Frage gestellt und lächer- lich gemacht. 425 Denise J. Kervin bezeichnet das Vergnügen an dieser Sitcom als ambivalent, weil die Serie neben den Bundys auch ihre eigene Zielgruppe, die der jungen erfolgreichen,

421 Vgl. David Marc, Comic Visions, 191. 422 Witthoefft, 98. 423 dies., 96f. 424 dies., 82. 425 dies., 84. 112 durch die Nachbarn Steve und Marcy Rhodes repräsentierten Zuschauer lächerlich macht.426 Die „Bill Cosby Show“ verzichtet auf solcherlei Stereotypisierungen und Inkongruen- zen zu gesellschaftlichen Normvorstellungen - um den Preis der fehlenden Komik. Die Figuren waren von den Machern der Serie so konzipiert, besonders realistisch zu wirken – auch wenn das Leben der Cosbys bei weitem nicht der Lebensrealität der meisten Fernsehzuschauer entsprach. Die „Schrecklich nette Familie“ baut dagegen mit ihren Tabubrüchen und Normverletzungen und komischen Stereotypisierungen gerade eine komische Distanz auf, indem sie ihre Fiktionalität betont.427 Dennoch ist diese ironische Überzeichnung in „Eine schrecklich nette Familie“ immer wieder Angriffspunkt für zahlreiche Kritiker. David Marc wirft der Serie vor, die so- zialen und Probleme von wirtschaftlich schlechter gestellten Familien durch die Art der Darstellung zu verharmlosen, wenn er sagt „The verbal slapstick of „Married ... With Children“ has the effect of trivializing the social issues it raises.“ Die oft zitierte und offensichtliche Unfähigkeit des „breadwinners“ stimme in keiner Weise überein mit dem zutiefst bourgeoisen, konsum-orientierten Lebensstil der Familie. Trotz fehlendem College-Abschluss oder ererbten Wohlstand scheinen die Bundys doch weitestgehend immun gegen die Gefahr, nur eine Gehaltszahlung vom finanziellen Ruin entfernt zu sein, wie es weite Kreise des Publikums erleben. 428 Dennoch ist die Tatsache, dass die Serie unter anderem auch bei einem solchen Publi- kum große Beliebtheit erlangt hat, ein Zeichen, dass sie den Zuschauern ein Modell ei- ner Familie bietet, der gegenüber man sich überlegen fühlen kann, weil es ihnen immer noch schlechter geht als einem selbst, und die andererseits ein leichtes Lebensgefühl vermitteln, weil sie aus jeder Situation unbeschadet wieder herauskommen. Auch Hal Himmelstein bezeichnet die Darstellung der Arbeiterklasse als Clowns höchst problematisch. Zwar habe sich Bundy-Erfinder Ron Leavitt an der Darstellung der „ty- pical family“ der frühen „suburban-middle-landscape-comedy“ gestoßen und einen ab- soluten Gegenentwurf kreiert. Seine 180-Grad-Wendung sei jedoch genau so eine un- realistische und völlig inakzeptable Stereotypisierung. 429 Die „suburban-middle-land-

426 Denise J. Kervin, Ambivalent Pleasure from „Married ... with Children“. In: Horace Newcomb, Television. The Critical View. (5). 212-223. Vgl. a. Witthoefft, 9. 427 Vgl. Witthoefft, 98. 428 Vgl.David Marc, Comic Visions, 195. 429 Himmelstein, 134. 113 scape-comedy“ sei, obwohl sie gelegentlich das Gegenteil behauptet, völlig entpoliti- siert.430 Dazu lässt sich sagen, und das räumt auch Himmelstein ein, dass es sich hierbei immer noch um eine Komödie handelt, die naturgemäß überhaupt nicht die Absicht hat, direkte Kritik an der Gesellschaft zu üben. Soziale Gesichtspunkte bleiben auf die Darstellung der alltäglichen Irritationen des Familienlebens beschränkt und werden nicht auf die Gesellschaft übertragen. 431

430 ebda. 431 Himmelstein, 132. 114

7 Schluss

Auf der Suche nach der Frage, worüber in der „domestic sitcom“ hauptsächlich gelacht wird – beziehungsweise: worüber nach Intention der Produzenten gelacht werden soll – stößt man auf ein Paradox: Obwohl die Sitcom keinen politischen Anspruch hat, ist sie doch - vor allem die „domestic sitcom“, um die es in dieser Arbeit hauptsächlich ging – politischer als es auf den ersten Blick scheint. Dabei will sie nichts an der Gesellschaft verändern – im Gegenteil: Ihr Grundsatz be- steht darin, dass alles so bleibt wie es ist. Allein die Seriencharakteristik gebietet es schon, dass es innerhalb einer Sitcom-Folge keine grundlegenden Veränderungen der

Charactere oder der Ausgangssituation gibt.432 Insofern unterscheiden sich die Comedy- Serien im Fernsehen auch grundlegend von der klassischen Komödie, die nach einer Entwicklung der Situation und der Charaktere drängt, oder, wie es bei Mintz beschrie- ben wird, die „implicitly urges the necessity and value of social change“.433 Die Fernsehcomedy ist schon aus wirtschaftlichen Gründen in ihrer politischen Aussage ambivalent, bezieht keine klare Stellung und folgt, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen, der festen Grundregel: „Don’t divide the audience.“434 Eine kommerziell erfolgreiche Sitcom zeichnet sich dadurch aus, dass sie für jede Ziel- gruppe komische Deutungsweisen bereithält.435 Zwar werden in der Sitcom gelegentlich auch – und zwar meistens von Seiten der El- ternfiguren – bestimmte Meinungen zu gesellschaftlichen Themen geäußert, wie etwa der Monolog von Clair Huxtable in der Cosby-Folge „Cliff der Kuppler“ über die Gleichberechtigung der beiden Ehepartner, dennoch laufen solche Szenen meist Gefahr, zu ernsthaft und schulmeisterlich zu werden, und so muss ihr Statement kurz darauf iro- nisch gebrochen werden. Das Lachen der Zuschauer ist die Erfolgsgarantie der Sitcom. Und dieses Lachen basiert – abgesehen von Elementen vordergründiger Situationskomik – auf den im Publikum bereits vorhandenen Vorstellungen bestimmter Geschlechter-, Familien- und gesell- schaftlicher Rollen. Die „domestic sitcom“ offenbart die Vorurteile, Ideale und Ideolo-

432 Vgl. Grote, 105 u. 152. 433 Mintz, Situation Comedy, 118. 434 Vgl. Himmelstein, 159. 435 Vgl. Butler, 24. 115 gien, die die meisten US-amerikanischen – und darüber hinaus auch die deutschen – Fernsehzuschauer teilen, indem sie diese abbildet.436 Dabei ist es egal, welche der drei von Himmelstein angeführten Komikstrategien, sie bemüht: ob die „leader centered strategy“, wie in der „Bill Cosby Show“, in der eine Vaterfigur die Normabweichungen der anderen Familienmitglieder korrigiert, und deren besonderer Reiz darin besteht, dass diese Leit-Figur ein Farbiger ist; ob die „mimetic strategy“, wie bei „Roseanne“, in der die Hauptfigur gerade aufgrund ihrer kleinen Schwächen zu einer sympathischen Identifikationsfigur taugt, obwohl sie als Angehö- rige der Arbeiterklasse alle negativen Klischees dieser Schicht bedient; oder die Strate- gie der „ irony“, mit der die Bundy-Familie in „Eine schrecklich nette Familie“ so über- zogen negativ dargestellt werden, dass dem Zuschauer nichts anderes übrig bleibt, als sich mit einem Gefühl der Überlegenheit zu distanzieren. – In allen drei Fällen werden von einer bourgeoisen Gesellschaft aufgestellte Normen und Werte vermittelt und be- stätigt und im Dienste der Komik fast sämtliche Rassen-, Klassen- und Geschlechterkli- schees bedient.437 Die Rolle des Vaters als Ernährer und moralische Instanz der Familie und der Part der Ehefrau als die „gute Seele“ des Hauses und Rückhalt des Mannes hinter den Kulissen, wird entweder als positives Beispiel, wie in der „Bill Cosby Show“, offensichtlich zur Schau gestellt, oder, wie bei „Roseanne“ und „Eine schrecklich nette Familie“, komisch umgekehrt. Wenn sich auch die Frauen gelegentlich, wie Clair Huxtable gegen das Macho-Denken der Männer auflehnen, oder sich sogar gegen die Männerwelt solidarisieren, wie Rose- anne,438 sie ändern nichts an ihrer bestehenden Situation. Die Gefahr der Sitcom, sich gänzlich gegen fortschrittliche Tendenzen zu stellen, bietet durchaus Anlass zu Kritik. So wird sie nicht nur von der bestehenden gesellschaftlichen Realität, die sie abbildet, beeinflusst, sondern sie übt umgekehrt auch ihrerseits Einfluss auf die Wirklichkeit aus, in dem sie ihre Strukturen stärkt439 – oder, wie Himmelstein das Verhältnis der Fernseh-Comedy zur Realität beschreibt: „it both reflects and sha- pes.“440

436 Vgl. Hamamoto, 1f. 437 Vgl. Neale/ Krutnik, 236. 438 Eine interessante Umkehrung ist übrigens der „NO-MA’AM-Club“, mit dem Al Bundy und seine Männerfreunde gegen die Frauenwelt protestieren. 439 Vgl. Grote, 173. 440 Himmelstein, 119. 116

Das Lachen des Fernsehpublikums ist eine Bestätigung dieser Realität und besiegelt gewissermaßen das Einverständnis zwischen Rezipienten und Produzenten bezüglich dessen, was die Norm ist und was davon abweicht. Lacht der Zuschauer vor dem heimi- schen Fernseher, dann ist das gleichzeitig eine symbolische soziale Interaktion mit einer fiktiven Gruppe, der Gesellschaft die diese Normen vorgibt.441 Neben der Eigenschaft der Komik und dem vordergründigen Aspekt der Unterhaltung und Lustbefriedigung des Publikums erfüllt die „domestic sitcom“ außerdem eine Sehn- sucht der Zuschauer nach Harmonie des Publikums, indem sie die Unzerstörbarkeit der Familienbande propagiert. Wird das Familienleben auch von Chaos, Streit und Dishar- monien geprägt, wie es etwa bei den „Bundys“ der Fall ist, so gebietet es auch hier die Serienstruktur, dass sie am Ende immer zusammen bleiben. 442 Diese verlässliche Bestätigung traditioneller Familienwerte, angesichts längst weitge- hend veränderter Strukturen im Privatleben der Fernsehzuschauer, ist ein weiterer Be- standteil des reaktionären Charakters der „domestic sitcom“. Die Fernseh-Comedy kann nicht revolutionieren, sie muss affirmativ sein, denn letztlich ist sie nichts weiter, als eine kommerzielle Veranstaltung, die es sich nicht leisten kann, die vor den Kopf zu stoßen, von denen sie lebt – die Zuschauer.

441 Vgl. Goodland, 223. 442 Vgl. Press/ Strathman, 9; Newcomb, 55; John Carlos Rowe, 226; Mintz, Situation Comedy, 118. 117

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Patrick Zabalbeascoa, Factors in dubbing Television Comedy. In: Perspectives. Studies in Translatology, 1994, 1, S. 89-99. 120

Anhang:

Verzeichnis der in dieser Arbeit betrachteten Folgen der „Bill Cosby Show“ (Nr., deutscher Titel (amerik. Titel), Staffel/ Folge, Spielzeit der US-Erstausstrahlung)

1.) Gäste zur Nacht (Slumber Party) I/22, 1984-85. Regie: Jay Sandrich, Buch: Carmen Finestra

2.) Enrique der Schweiger (Mr. Quiet), I/23, 1984-85. Regie: Jay Sandrich, Buch: Emily Tracy

3.) Geburtstag mit verbundenen Augen (Cliff's Birthday), I/24, 1984-85. Regie: Jay Sandrich, Buch: Elliot Shoneman & John Markus

4.) Der erste Schultag (First Day Of School), II/25, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: John Markus & Elliot Shoneman

5.) Elektro-Spielzeug (The Juicer), II/26, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: Matt Willaims

6.) Ein ganz besonderer Nachtisch (Happy Anniversary), II/27, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: Elliot Shoneman

7.) Cliff der Kuppler (Cliff In Love), II/28, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: John Markus

8.) Verknallt bis über beide Ohren (Theo And The Older Woman), II/29, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: Carmen Finestra

9.) Von Tür zu Tür (Halloween), II/30, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: Elliot Shoneman

10.) Wer schön sein will, muss leiden (Clair's Toe), II/35, 1985-86. Regie: Jay Sandrich, Buch: Matt Williams

(Quelle: Die Bill Cosby Show, Episodenführer, Stand: 25.03.1999, 196 von 197 Episoden mit Inhaltsangabe, Guide von Martin Beitz, Inhaltsangaben von Pro Sieben Online übernommen, oder selbstgeschrieben (mab), Credits aus dem Guide von D. Fingerman, gefunden unter: www.informatik.uni-bremen.de/~tokra/cosby.htm) 121

Verzeichnis der in dieser Arbeit betrachteten Folgen der Serie „Roseanne“ (Nr., deutscher Titel (amerik. Titel), Staffel/ Folge, Spielzeit der US-Erstausstrahlung )

1.) Nur eines bleibt übrig (Two Down, One to Go), VI/1, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 14. September 1993 (123) Buch: Amy Sherman, Regie: Philip Charles MacKenzie

2.) Die Mutterplage (The Mommy's Curse), VI/2, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 21. September 1993 (124) Buch: Eric Gilliand, Regie: Philip C. MacKenzie

3.) Harmonie mit Blitz und Donner (Party Politics), VI/3, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 28. September 1993 (125) Buch: Miriam Trogdon, Regie: Philip C. MacKenzie

4.) Ein wahrer Horror-Trip (A Stash from the Past), VI/4, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 05. Oktober 1993 (126) Buch: Kevin Abbott, Regie: Philip C. MacKenzie

5.) Schwanger zu zweit (Be My Baby), VI/5, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 19. Oktober 1993 (127) Buch: Rob Ulin, Regie: Philip C. MacKenzie

6.) Geheime Gelüste (Homeward Bound), VI/7, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 02. November 1993 (129) Buch: Michael Borkow, Regie: Philip Charles MacKenzie

7.) Eifersucht ist aller Dramen Anfang (Guilt by Imagination), VI/8, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 09. November 1993 (130) Buch: Lois Bromfield, Regie: Philip C. MacKenzie

8.) Reumütig oder schwermütig? (Homecoming), VI/9, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 16. November 1993 (131) Buch: Sid Youngers, Regie: Gail Mancuso

9.) David gegen Goliath (David vs. Goliath), VI/15, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 01. Februar 1994 (137) Buch: Steve Pepoon, Regie: Philip C. MacKenzie

10.) Die großen Fluchten (Everyone Comes to Jackie's), VI/16, 1993-94. ABC-Erstausstrahlung: 08. Februar 1994 (138) Buch: Betsy Borns & Mike Gandolfi, Regie: Philip C. MacKenzie

(Quelle: http://online.prevezanos.com/roseanne/episoden/) 122

Verzeichnis der betrachteten Folgen der Serie „Eine schrecklich nette Familie“: (Nr., deutscher Titel (amerik. Titel), Staffel/ Folge, Spielzeit der US-Erstausstrahlung )

1.) Die Nacktbar (The Naked and the Dead, but mostly the Naked), IX/12, 1994-95. FOX-Erstausstrahlung: 08. Januar 1995 Buch: Michael G. Moye / Regie: Sam W. Orender

2.) Schatz, ich habe den Dodge geschrumpft (Get the Dodge out of Hell), IX/17, 1994-95. FOX-Erstausstrahlung: 5. Februar 1995 Buch: Larry Jacobson / Regie: Gerry Cohen

3.) Die Kreuzfahrt I (Ship Happens – part 1), IX/19, 1994-95. FOX-Erstausstrahlung: 19. Februar 1995 Buch: Michele Wolff / Regie: Gerry Cohen

4) Die Kreuzfahrt II (Ship Happens – part 2), IX/20, 1994-95. FOX-Erstausstrahlung: 26. Februar 1995 Buch: Katherine Green / Regie: Gerry Cohen

5) Regie: Al Bundy (Pump Fiction), IX/25, 1994-95. FOX-Erstausstrahlung: 30. April 1995 Buch: Kim Weiskopf und David Castro / Regie: Gerry Cohen

6) Ein Dodge für Japan (Turning Japanese), X/20, 1995-96. FOX-Erstausstrahlung: 17. März 1996 Buch: Fran E. Kaufer / Regie: Sam W. Orender

7) Schuhgeschäft mit Aussicht (A shoe room with a view), X/01, 1995-96. FOX-Erstausstrahlung: 24. September 1995 Buch: Richard Gurman und Stacie Lipp / Regie: Gerry Cohen

8) Das Wundermittel (How bleen was my Kelly), X/05, 1995-96. FOX-Erstausstrahlung: 15. Oktober 1995 Buch: Daniel O'Keefe / Regie: Amanda Bearse

9) Blond und blonder (Blonde and Blonder), X/08, 1995-96. FOX-Erstausstrahlung: 5. November 1995 Buch: Stacie Lipp und Richard Gurman / Regie: Gerry Cohen

10) Am Rande des Wahnsinns (Love conquers Al) X/13, 1995-96. FOX-Erstausstrahlung: 10. Dezember 1995 Buch: Paul Corrigan und Brad Walsh / Regie: Amanda Bearse

(Quelle: Eine schrecklich nette Familie (Married ... with Children), Programm-Guide von Dean Adams. Deutsche Passagen von Andreas Carl. Stand: Januar 1998, gefunden unter http://privat.schlund.de/bundyology/) 123

Tabelle 1: Verteilung der Lacher auf die Serienfiguren in der „Bill Cosby Show“

Anzahl der Lacher Cliff Clair Sondra Denise Theo Vanessa Rudy ande- nicht zu- Summe in zehn Episoden re zuordnen Gesamtzahl der 393 111 11 12 88 28 34 142 19 838 Lacher Anteil der gesamten 46,9 13,2 1,3 1,4 10,5 3,3 4,1 16,9 2,3 ~ 100 Lacher (in Prozent)

(Nach Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik an ausgewählten amerikanischen Comedyserien, S. 38)

Tabelle 2: Inhalte verbaler Komik in der „Bill Cosby Show“

Anzahl der Lacher Cliff Clair Sondra Denise Theo Vanessa Rudy andere Summe in zehn Episoden der Lacher aggressive Komik: Ziele: Cliff - 11 2 - 1 - - 2 16 Clair 8 ------1 9 Sondra 1 4 ------5 Denise - - - - - 1 1 - 2 Theo 8 2 - - - 4 3 1 18 Vanessa - - - - 2 - - - 2 Rudy 1 ------1 andere 11 3 - - 4 - - - 18

Summe der Lacher 29 20 2 - 7 5 4 4 71 aggressiv-sexuelle Komik: Ziele: Cliff ------1 1 Clair 2 ------2 Sondra ------Denise ------Theo ------Vanessa ------Rudy ------andere ------

Summe der Lacher 2 ------1 3

(Nach Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik an ausgewählten amerikanischen Comedyserien, S. I) 124

Tabelle 3: Verteilung der Lacher auf die Serienfiguren in der Serie „Roseanne“

Anzahl der Lacher in zehn Episoden Rose- Dan Jackie Dar- DJ David Mutter Fred Beckie ande- Sum- anne lene re me Gesamtzahl 381 168 114 85 44 44 16 16 5 15 888 der Lacher Anteil der 42,0 18,9 12,8 9,6 5,0 5,0 1,8 1,8 0,6 1,7 ~100 gesamten Lacher (in Prozent)

Tabelle 4: Subjekte und Objekte verbaler Komik in der Serie „Roseanne“

Anzahl Rose- Dan Jackie Dar- DJ David Mutter Fred Beckie andere o.Z. ges. der Lacher anne lene in zehn Episoden Objekt® / Subjekt ¯ Rosean 15 38 17 19 8 11 20 11 2 6 234 381 Dan 23 7 2 3 4 0 1 2 0 4 122 168 Jackie 7 1 1 0 0 2 2 1 0 1 99 114 Darlene 15 2 1 0 13 4 0 0 5 1 44 85 DJ 3 0 0 3 0 1 0 0 0 0 37 44 David 3 0 0 2 0 0 0 0 0 0 39 44 Mutter 5 0 1 0 0 0 0 0 0 0 10 16 Fred 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 12 16 Beckie 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 3 5 andere 1 4 0 0 0 0 0 0 0 0 10 15 74 54 23 27 25 18 23 14 7 13 610 888

Tabelle 5: Verteilung der Lacher auf die Figuren der Serie „Eine schrecklich nette Familie“

Anzahl der Lacher Al Peggy Kelly Bud Marcy Steve Jeffer- andere nicht Sum- son zu- me zuord- nen Gesamtzahl der 525 225 187 120 109 40 37 150 29 1422 Lacher Anteil der 36,9 15,8 13,2 8,4 7,7 2,81) 2,62) 10,5 2,0 ~100 gesamten Lacher (in Prozent) 1) Steve erhielt in fünf Episoden, in denen er mitspielte, 6,1% der gesamten Lacher dieser Episoden 2) Jefferson erhielt in den sechs Episoden, in denen er mitspielte, 4,1% der gesamten Lacher dieser Episoden

(Nach Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik an ausgewählten amerikanischen Comedyserien, S. 79) 125

Tabelle 6: Inhalte verbaler Komik in der Serie „Eine schrecklich nette Familie”

Anzahl der Lacher in Al Peggy Kelly Bud Marcy Steve Jeffer- andere Summe d. zehn Episoden son Lacher aggressive Komik: Ziele:

Al 1 42 6 6 15 6 1 10 87 Peggy 55 1 3 - 5 - - 1 65 Kelly 9 4 - 12 1 - - 1 27 Bud 2 1 25 - - - - 4 32 Marcy 12 1 1 - - 10 1 - 25 Steve 2 - 1 - 7 - - - 10 Jefferson 2 - - - 6 2 - - 10 andere 19 - 5 1 5 - - 5 35 Summe der Lacher 102 49 41 19 39 18 2 21 291 aggressiv-sexuelle Komik: Ziele:

Al - 16 - 1 7 - - 2 26 Peggy 6 ------6 Kelly 1 2 - 11 - - - - 14 Bud - - 6 1 - - - 4 11 Marcy 3 - - - - 1 - - 4 Steve ------Jefferson - - - - 1 - - 1 2 andere - 1 - - - - - 1 2 Summe der Lacher 10 19 6 13 8 1 - 8 65 (Nach Brigitte Witthoefft, Formen und Funktionsweisen von Komik an ausgewählten amerikanischen Comedyserien, S. VII)