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Sendung vom 16.11.2006, 20.15 Uhr

Lea Rosh Publizistin im Gespräch mit Christoph Lindenmeyer

Lindenmeyer: Willkommen zum alpha-forum, meine Damen und Herren. Heute lernen Sie eine große und erfolgreiche Fernsehpublizistin kennen, eine Persönlichkeit, die sich immer wieder engagiert für das Gewissen und gegen das Vergessen. Herzlich willkommen, Lea Rosh. Gerade vor dieser Sendung habe ich erfahren, dass Sie im Förderverein des neuen Potsdamer Theaters sind, das im Jahr 2006 mit einer Uraufführung eröffnet wurde. Rosh: Mit fünf Premieren! Es waren fünf Premieren. Lindenmeyer: Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung unseres Gesprächs jedoch ist erst eine dieser Premieren gelaufen. Viele weitere werden aber noch kommen in diesem Jahr. Das ist ein wunderschönes Theater und Sie treiben privat das Geld dafür ein. Jetzt frage ich aber nicht, wie viel Geld fehlt, sondern ich frage Sie, wie oft Sie ins Theater gehen. Rosh: Ich gehe sehr viel ins Theater. Ins Hans-Otto-Theater gehe ich regelmäßig seit ungefähr einem Dreivierteljahr, seitdem Uwe Laufenberg dort Intendant ist. Aber ich bin in natürlich auch bis dahin schon sehr, sehr viel ins Theater gegangen: ins Deutsche Theater, in die Kammerspiele, ins Maxim Gorki Theater, wo ich sechs Jahre lang den Förderverein geführt und geleitet habe. Die Aufgabe von solchen Fördervereinen besteht darin, sich mäzenatisch zu engagieren für das Theater, denn der Staat – das sage ich den Leuten immer wieder – kann unsere Hochkultur nicht mehr finanzieren. Wir müssen also schon selbst dazu beitragen, wenn wir ins Theater oder in die Oper gehen wollen. Ich gehe in Berlin natürlich auch sehr viel in die Opernhäuser. Ich hatte mir jedenfalls vorgenommen, auch am Hans-Otto- Theater diese Aufgabe wieder zu übernehmen. Ich bin dann gewählt worden und habe heute einen Vorstand, der wunderbar mitarbeitet; ich hatte aus dem Gorki Theater welche mitgenommen. Aber es sind natürlich auch "echte" Potsdamer mit dabei. Ja, es macht schon Spaß, in diesem neuen Haus tätig zu sein. Lindenmeyer: Sie haben in Ihrem ganzen publizistischen Leben vor allem einem Medium gedient, nämlich dem Fernsehen, dem Sie sich quasi verschrieben haben. Auf die einzelnen Stationen werden wir sicherlich noch zu sprechen kommen. Sie denken auch sehr stark optisch, wie ich weiß: Mit Heide Simonis, der früheren Ministerpräsidentin, teilen Sie offensichtlich den Wunsch nach auffälligem Schmuck. Wer von Ihnen beiden besitzt eigentlich mehr Schmuck? Rosh: Ich habe schon sehr viele Ohrringe, aber gut, Kette und Ohrringe zusammen zu tragen, das ist nicht so gut, darum trage ich heute nur eine Kette. Hm, ich weiß nicht, ich habe in der Tat eine ganze Menge Ohrringe, aber Ringe trage ich nicht so viel wie sie. Ich habe das jedenfalls noch nie ausgerechnet oder nachgeprüft. Aber ich trage tatsächlich gerne Schmuck: Das kleidet einen gut, macht einen frisch, denn nur schwarz angezogen zu sein, ist mir einfach zu dunkel. Und so kommt eben heute über die Halskette z. B. ein helles Grün mit dazu. Lindenmeyer: Kommen wir zu den Dingen, die einen Menschen auch schmücken, zum eigenen Namen, zum Familiennamen, zum Vornamen. Kritiker haben Ihnen immer wieder vorgehalten, dass Sie zu den verschiedenen Namen, die Sie hatten, nämlich Edith, Renate und Ursula – das waren Ihre Taufnamen –, den Namen Lea zusätzlich angenommen haben. Sie haben Ihnen unterstellt, das sei aus ganz besonderen taktischen Motiven geschehen. Was sagen Sie zu diesen Kritikern? Rosh: Diese Unterstellung geht ja viel weiter. Diese Leute sagen nämlich, ich hätte meinen Nachnamen hebräisiert. Mein Nachname wird geschrieben R, o, s, h. Das ist der Name meines christlichen Vaters, und zwar immer schon gewesen. Dass "Rosh" ein hebräisches Wort ist und "der Kopf" heißt, haben weder mein Vater noch ich damals bei meiner Geburt gewusst. Das ist also ganz eindeutig der Name, unter dem ich geboren wurde, getauft wurde usw. Den Namen Lea hat mir mal ein Freund verpasst. Wir sind damals nach Bayreuth gefahren und dort fragte er mich: "Findest du eigentlich den Namen Edith so schön?" Ich antwortete ihm: "Na ja, das ist eine Patentante von mir." Er meinte dann aber, er hätte einen schöneren Namen für mich, nämlich Lea. Ich antwortete ihm: "Ja, so ein Name mit e und a, das ist ein schöner Name." Und so kam ich zu meinem neuen Vornamen. Aber wissen Sie, es hatte natürlich mit dem Denkmal zu tun, dass die Leute gesagt haben: "Sie nimmt sich jetzt einen jüdischen Vornamen!" Dabei ist doch "Edith" auch ein jüdischer Name. Bei Sarah Kirsch hingegen regt sich keiner auf, dabei heißt auch sie nicht Sarah. Ich habe das am Anfang jedenfalls eher mit Amüsement quittiert, bis es mir zu bunt wurde und dann musste das selbst der "Spiegel" korrigieren, dem ich meinen Taufschein vorlegte. Interessanterweise hat mir der "Spiegel" daraufhin geschrieben, sie würden sich dafür entschuldigen, das so oft falsch geschrieben zu haben, aber ich hätte ja auch lange Zeit nicht protestiert dagegen. Ich habe den "Spiegel" wissen lassen: Wenn man gegen alle Falschmeldungen vom "Spiegel" vorgehen würde, dann müsste man sich eine eigene Rechtsanwaltskanzlei nur dafür halten. Das hat sich aber mittlerweile beruhigt, die Leute haben das begriffen. Ich habe mir jedenfalls erlaubt, mir den Namen Lea zuzulegen. Aber mein Nachname Rosh ist in der Tat mein Name, unter dem ich auf die Welt gekommen bin. Lindenmeyer: Sie haben auch nie verschwiegen, dass Sie in einer evangelisch orientierten Familie aufgewachsen sind, dass Sie dann aber mit 18 Jahren dieser Kirche den Rücken gekehrt haben. Rosh: Ich war schon ein bisschen älter, denn ich habe zu diesem Zeitpunkt bereits studiert. Ich habe jedenfalls ungefähr ab meinem 18. Lebensjahr so langsam begriffen, was eigentlich passiert war in unserer Familie. Meine Mutter war, im Nazi-Jargon, eine so genannte Halbjüdin. Darüber hat sie nie gerne geredet. Sie hat nie gerne darüber geredet, was ihr und der Familie alles widerfahren ist. Ich musste ihr das alles Stück für Stück quasi entlocken. Lindenmeyer: War sie eine klassische Vertreterin der "schweigenden Generation"? Rosh: Ach nein, meine Mutter hatte einfach viele Sorgen. Wissen Sie, mein Vater ist in Polen umgekommen. Er war Pazifist, wurde aber dennoch zur Wehrmacht eingezogen und hat dann auch sein Leben dabei verloren. Ich weiß noch, wie wir im Dezember 1944 an einem Bahnhof außerhalb , wohin wir evakuiert waren, standen und meine Mutter weinte, als mein Vater zurück an die Front musste. Wir vier Kinder – aufgereiht wie die Orgelpfeifen – haben natürlich auch geheult. Meine Mutter sagte zu ihm: "Komm, bleib hier, ich versteck dich!" Aber mein Vater sagte: "Wenn sie mich bei dir erwischen, dann stellen sie mich, dich und unsere Kinder an die Wand! Das hat keinen Sinn!" Mein Vater starb also im Krieg und meine Mutter mit vier Kindern blieb zurück: Wir hatten nichts zu essen, nichts zu beißen. Meine Mutter musste uns vier Kinder alleine erziehen und durchbringen. Aber es hat sie sicherlich auch noch lange verletzt, dass man sie – da war ich selbst sogar mit dabei, ich habe mich allerdings erst hinterher daran erinnert, weil ich ja noch sehr klein gewesen bin – eines Tages auf dem Markt unglaublich verletzte. Eine Marktfrau hatte nämlich zu ihr gesagt: "Dir Judensau verkaufe ich nichts!" Ich habe dann natürlich sofort meine Mutter gefragt, was das denn sei, eine "Judensau". Sie meinte aber nur: "Sei ruhig! Das erzähl ich dir später!" Sie hatte also auch Angst. Sie ist ja auch in der Tat denunziert worden und auch mein Vater war bereits denunziert worden. Aber wir hatten bei uns in Berlin halt doch auch Leute – ich bin in Schmargendorf groß geworden –, die meine Mutter geschützt haben, die gesagt haben: "Frau Rosh, da ist wieder was im Busch gegen Sie! Ich besorge Ihnen eine Evakuierung!" Aus dem Grund waren wir dann tatsächlich vier Mal evakuiert. Auf jeden Fall war das eine Zeit, die für meine Mutter offenbar sehr, sehr belastend gewesen ist. Insofern hat sie darüber nicht gerne gesprochen. Ich habe ihr das alles erst hinterher wirklich Stück für Stück entreißen müssen und dann hat sie eben auch darüber erzählt. Letztlich ist das eben auch unsere Familiengeschichte, die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits: Dieser Teil der Familie, der jüdische Teil, ist umgekommen. Mein Großvater stammte aus der berühmten Familie Gerson: Das war ein riesengroßes Konfektionsunternehmen in Berlin. Mein Großvater war allerdings selbst Opernsänger: Er war quasi ausgeschert aus der Familientradition. Mein Großvater war, wie ich glaube, ein sehr kluger Mann. Er hatte in den zwanziger Jahren ein Engagement an der Metropolitan Opera gehabt: Er war also fünf Jahre in New York gewesen. Als er dann nach Deutschland zurückkam, las er "Mein Kampf". Das war, wie mir meine Mutter später erzählte, 1926! Er sagte dann zu meiner Mutter - meine Mutter hatte gerade meinen Vater geheiratet, während mein Großvater selbst mit einer zweiten Frau verheiratet war, weil seine erste Ehefrau, die Mutter meiner Mutter, gestorben war: "Ich habe für uns vier die Auswanderungspapiere nach Amerika besorgt!" Meine Mutter fragte: "Warum?" "Der bringt uns alle um!" "Wer?" "Adolf Hitler!" "Wieso?" Er sagte dann zu ihr: "Du brauchst das nur zu lesen, das steht alles in 'Mein Kampf' drin! Er wird uns alle umbringen! Und deswegen werden wir vier alle auswandern!" Meine Mutter antwortete ihm dann mit diesem klassischen Satz, den die Juden, die sich für etwas Besseres hielten als die osteuropäischen Juden, damals so gut wie immer sagten: "Aber uns doch nicht! Vielleicht die osteuropäischen Juden, aber uns wird er doch nicht umbringen!" Mein Großvater war sich jedoch sicher: "Er wird uns alle umbringen! Hier steht es!" Daraufhin hat er seine Brüder gewarnt und deren Söhne. Keiner hat ihm geglaubt: Sie sind alle umgekommen. Lindenmeyer: Wie ja ganz viele, die "Mein Kampf" zu Hause stehen hatten, das damals jeder zur Hochzeit geschenkt bekommen hat, zwangsweise. Rosh: Das war erst sehr viel später. 1926 war das noch keineswegs der Fall. Lindenmeyer: Aber auch später hat das niemand ernst genommen und gelesen. Frau Rosh, Sie beschreiben eine Traumatisierung in Ihrer Kindheit, Sie beschreiben eine Marginalisierung. Wie gehen Sie denn als inzwischen älter gewordener Mensch damit um, wenn Sie sich bestimmten Vorhaltungen gegenübersehen? Die Zeitschrift "tip" in Berlin hat Sie zur "peinlichsten Person in Berlin" gekürt; Sie werden als "Holocaust- Kassandra" bezeichnet usw. Schmerzen Sie solche Angriffe oder gehen Sie locker damit um? Rosh: Solche Sachen wie von dieser Zeitschrift muss man ja nicht ernst nehmen; die machen dort jedes Jahr solchen Quatsch und da geht es eben z. B. auch um den peinlichsten Berliner. Da folgen nach mir noch weitere 99 Leute. Die Person unmittelbar nach mir war Klaus Wowereit. Das muss man nicht so ernst nehmen. Wenn ich "Holocaust-Kassandra" genannt wurde: Was soll das schon heißen? Das ist doch einfach nur ein törichter Angriff. Darüber hinaus hatten wir Auseinandersetzungen, die wirklich ernst zu nehmen waren. Diese Angriffe kamen von Leuten, die mir übel genommen haben, dass ich mich als Nicht-Jüdin für dieses Denkmal eingesetzt habe. Ich bin nämlich nie zum Judentum konvertiert. Ich bin damals aus der protestantischen Kirche ausgetreten und habe dem Pfarrer, als er mich fragte, warum ich das mache, gesagt: "Weil ihr nichts getan habt zur Rettung der Juden!" Weil also die Kirche als Institution nichts getan hat – weder die protestantische noch die katholische Kirche – bin ich aus der Kirche ausgetreten und seitdem überzeugte Atheistin. Aber ich habe mich mit diesem Vorhaben dann natürlich zwischen die Stühle gesetzt. Die einen haben gesagt: "Die ist ja Jüdin. Da ist es ja kein Wunder, dass sie so etwas macht!" Und die anderen haben gesagt: "Die ist noch nicht einmal Jüdin. Es ist doch unglaublich, dass die sich da einmischt!" Das waren Anfeindungen, die mir Dan Diner einmal wunderbar erklärt hat, denn ich selbst bin da gar nicht draufgekommen: Das waren also Anfeindungen, die aus dieser Ecke gekommen sind, die ... Lindenmeyer: Aber warum haben Sie sich, wenn ich hier an dieser Stelle nachfragen darf, in Ihrer Bindung an die evangelische Kirche nicht z. B. an Figuren wie Dietrich Bonhoeffer orientiert? Oder im Hinblick auf die katholische Kirche an Figuren wie Pater Rupert Mayer und ähnlichen? Rosh: Warum? Weil das die Ausnahmen waren! Lindenmeyer: Es gab ja auch noch die Bekennende Kirche. Rosh: Die Kirchen als Institutionen haben nichts gemacht, um die Ermordung der europäischen Juden zu verhindern – weder die protestantische noch die katholische Kirche. Im Hinblick auf die katholische Kirche müssen Sie doch nur einmal an das Konkordat denken: Da wäre ja wirklich gewesen, um etwas zu machen. Nein, die Kirchen haben sich nicht für die Rettung der Juden eingesetzt. Die einzige Kirchengemeinschaft in Europa, die das getan hat, war die bulgarische orthodoxe Kirche. Vertreter dieser Kirche habe ich einmal gefragt, warum sie das damals gemacht haben: "Ihr wart die einzige Kirchengemeinde in Europa, die so gehandelt hat!" Sie haben mich am Anfang gar nicht verstanden, sie haben nicht verstanden, worauf ich mit meiner Frage zielte. Sie sagten mir dann nämlich: "Wir sind immer für unsere Minderheiten eingetreten!" Und das sage ich auch heute den Vertretern der Kirchen bei uns. In Bulgarien war es nämlich so: Auch die bulgarischen Juden sollten 1943 deportiert werden. Die bulgarische Kirchenführung ist wirklich zu den Juden gegangen, die bereits auf den Bahnsteigen standen, und hat gesagt: "Wir werden gegen eure Deportierung protestieren beim Zaren!" Denn die Bulgaren hatten damals ja noch einen Zaren an der Spitze des Staates. Sie sagten noch: "Wenn wir Erfolg haben, dann kommt ihr frei. Wenn wir erfolglos sein sollten, dann gehen wir mit euch in die Züge! Und zwar in vollem Ornat! Wir werden mit euch in die Gaskammern von Treblinka gehen!" Dorthin sollten nämlich die bulgarischen Juden geschickt werden. Was geschah? Der Zar hat nicht gewagt, die Juden zu deportieren. Das waren immerhin 48000 Menschen. Sie sind alle gerettet worden! Sie sind aufs Land evakuiert worden und das war beileibe kein Zuckerschlecken: Zwei Jahre lang 30 Menschen in einem Raum. Aber Sie sind nicht vergast worden! Das ist es, was ich den Kirchen hier übel genommen habe. Nein, "übel genommen" ist das falsche Wort: Es war ein Verbrechen, dass sie sich nicht für die Juden eingesetzt haben. Im Gegenteil, es gibt Berichte darüber, dass viele in den Kirchen sehr erleichtert darüber waren, dass die Andersgläubigen nun endlich weg kamen. In einer solchen Kirchengemeinschaft habe ich nichts zu suchen. Lindenmeyer: Niemand muss Jude sein, um sich zu engagieren für ein jüdisches Erinnerungsdenkmal im Zentrum Berlins, in Berlin-Mitte. Sie haben sich dafür engagiert, Sie haben viele Jahre gekämpft für diese Holocaust- Gedenkstätte, wenn ich sie mal in dieser Kurzform so bezeichnen darf. Sie wollen etwas Ähnliches auch in Frankfurt am Main vorantreiben. Rosh: In Frankfurt? Lindenmeyer: Ich habe das so gelesen. Rosh: Nein, auch das ist wieder einmal falsch. Lindenmeyer: Gut, wir sprechen hier ja klare Worte. Es ist daher ganz wichtig, dass Sie das sagen und klarstellen. Zurück zu den Anfängen in Berlin. Was waren denn im Rückblick die größten Widerstände bei der Realisierung dieser Gedenkstätte? Rosh: Ganz am Anfang bin ich mit meiner Stellvertreterin losgezogen, um die Honoratioren von Berlin zu überzeugen. Denn für uns war ganz klar: "Für so eine Gedenkstätte muss doch eigentlich jeder sein! Das ist doch so gut wie sicher. Und in drei, vier Jahren wird das gebaut werden können... Lindenmeyer: Warum eigentlich? Es gibt in Berlin ja eine ganze Reihe an Gedenkstätten. Da gibt es die Erinnerung an den Widerstand im Bendlerblock, da gibt es die Gedenkstätte in Plötzensee ... Rosh: Es gibt keine Gedenkstätte für die ermordeten europäischen Juden. Wir haben Gedenkstätten für die Berliner Juden, das stimmt. Aber es gab bis dahin nichts, was an die Gesamtheit der ermordeten europäischen Juden erinnert. Genau das hatte ich damals mit Eberhard Jäckel in Yad Vashem besprochen, als er mir das vorschlug, als er mir sagte, wir müssten für die ermordeten europäischen Juden ein Denkmal errichten. Es gab und gibt bis auf unser Denkmal nichts Vergleichbares in Deutschland. Wir haben daher gesagt: "Wir müssen den europäischen ermordeten Juden ein Denkmal errichten!" Die deutschen Juden machten zweieinhalb Prozent von der Gesamtzahl der ermordeten europäischen Juden aus, zweieinhalb Prozent von sechs Millionen ermordeter Juden insgesamt. Deswegen haben wir gesagt, dass wir ein Denkmal für die europäischen Juden machen werden. Lindenmeyer: Lassen Sie mich etwas fragen, das ich immer wieder höre, gerade im Hinblick auf das Denkmal in Berlin, gerade im Hinblick auf dieses große Feld nicht weit weg vom Pariser Platz in der Nähe des Brandenburger Tors und in der Nachbarschaft der neuen amerikanischen Botschaft: Weshalb werden eigentlich die Opfer nach ihrer Ermordung noch einmal geteilt? Warum gibt es eigene Denkmäler für ermordete Frauen nicht-jüdischen Glaubens, eigene Denkmäler für ermordete homosexuelle Menschen, für ermordete Sinti und Roma? Sind denn die Opfer nachträglich wirklich noch teilbar? Rosh: Wir teilen ja nicht die Opfer, sondern wir bilden das ab, was in der Geschichte passiert ist. Die jüdischen Opfer waren die größte Opfergruppe mit sechs Millionen ermordeter Menschen. Wer Jude oder Jüdin war, hatte keine Chance, der Vernichtung zu entkommen. Das war einfach nicht möglich: Sie sind in Polen in den Vernichtungsstationen umgebracht worden – nicht in den Konzentrationslagern, denn Konzentrationslager hat es auf deutschem Boden gegeben. Dort sind die Gegner konzentriert worden. Die Juden jedoch sind Hunderte und manchmal sogar Tausende von Kilometern von ihren Wohnorten weg in die Vernichtungslager nach Polen transportiert worden. Dort in Polen gab es sechs eigens dafür eingerichtete Vernichtungsstätten. Das, was ich hier nur andeuten konnte, war ein einmaliger Vorgang in der Weltgeschichte. Wir sagten jedenfalls: Dafür wird man wohl ein eigenes Denkmal errichten dürfen. Denn klar ist ja wohl auch Folgendes: Wenn es Hitler nicht gelungen wäre, die Juden aus ihren jeweiligen Volksgemeinschaften sozusagen herauszulösen und sie ihrer Wurzeln zu berauben – sie zu diffamieren und zu deportieren –, wenn dies also Hitler mit den Juden nicht gelungen wäre, dann wären die anderen Opfergruppen auch nicht Opfergruppen geworden, denn die Vernichtung der Juden war das "Herzstück" der Vernichtungspolitik Hitlers und seiner Leute. Es ist daher einfach unspezifisch, alle Opfer auf ein Denkmal zu packen und ihrer sozusagen im Huckepackverfahren zu gedenken nach dem Motto, damit wäre dann die Geschichte endlich entsorgt. Nein, das geht nicht! Wir haben daher immer gesagt, wir wollen in diesem Denkmal die Geschichte der Vernichtung der europäischen Juden erzählen. Aber wir wollen, dass auch die Geschichte der Ermordung der - im Sprachgebrauch der Nazis - "Zigeuner" erzählt wird. Man muss also sehr wohl auch begreifen, worin das Besondere der Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma lag. Warum sind die Homosexuellen verfolgt worden? Warum sind die Euthanasieopfer Opfer geworden? Es geht also um je eigenes Gedenken, um den jeweiligen Opfergruppen wirklich gerecht zu werden. Lindenmeyer: Es geschieht damit also keine Dislozierung der Trauerarbeit, um das mal mit Mitscherlich zu sagen. Rosh: Nein, das hat damit nichts zu tun. Ich sage immer: Man muss doch begreifen, warum bestimmte Menschen Opfer wurden! Man muss die Vernichtungspolitik von Hitler und seinen Helfern begreifen! Denn immer nur zu sagen, "Im Grab sind alle gleich!" –, das ist einfach zu banal. So können wir mit der Geschichte nicht umgehen. Man muss stattdessen Geschichte genau erzählen, man muss genau wissen, was passiert ist. Man muss schon wissen, dass von den 50000 Homosexuellen 20000 in Konzentrationslager kamen, die anderen Gott sei Dank nicht – und von diesen anderen haben dann glücklicherweise die meisten überlebt. Warum? Weil sie eben nicht für die Vernichtungslager Treblinka, Belzec oder Sobibor bestimmt waren. Man muss schon genau mit Geschichte umgehen, sonst lernen wir nichts aus der Geschichte. Lindenmeyer: Nun erleben Sie in Berlin die Touristen: Es gibt viele Besucher, die zu dieser Gedenkstätte kommen. Wie vital ist diese Trauerarbeit im Sinne einer Bewältigung, im Sinne eines Verständnisses dieser historischen Fakten? Rosh: Um gleich noch einen weiteren Einwand vorwegzunehmen: Ich habe gar nichts dagegen, wenn da ab und zu ein paar kleine Jungs bei den Stelen Versteckt spielen. Ich finde es nicht so gut, wenn sie da herumturnen. Ich gehe dann hin und diese Kinder sind auch immer sehr lieb, wenn man mit ihnen spricht. Ich sage immer: "Schaut mal, euer Großpapa oder eure Großmama liegen ja auch auf einem Friedhof. Das hier ist eine Gedenkstätte für Ermordete und deswegen sollt ihr damit achtsam und respektvoll umgehen." Und dann lassen sie das auch. Darüber hinaus spreche ich natürlich viel mit den Menschen, wenn sie da durch die Stelen wandern. Ich habe auch nichts dagegen, wenn sie sich auf die niedrigen Stelen draufsetzen. Man darf da sitzen! Das ist ja kein wirklicher Friedhof und selbst wenn, auch im Friedhof kann man sich niedersetzen ... Lindenmeyer: Es gibt ja auch Friedhöfe in Hawaii, auf denen ganze Familien Picknick halten, um die Verstorbenen mit einzubinden. Rosh: Eben; ich auch nichts dagegen, wenn da Leute müde sind und sich hinsetzen und etwas trinken oder ihre Stullenpakete auspacken. Das Gelände darf natürlich nicht missbraucht werden, aber das machen die Menschen, die zu uns kommen, auch gar nicht. Und dann gibt es ja da unten jetzt auch den "Ort der Information": Er ist klein, hat vier Räume und einen langen Gang für die Geschichte von 1933 bis 1945, die da in Bildern und mit Schrifttafeln erzählt wird. Nach diesem Gang kommt dann der erste Raum. In diesem Raum gibt es ein Fries, auf dem alle Länder zu sehen sind, die vom Judenmord der Nazis betroffen waren – einschließlich der jeweiligen Opferzahlen. Es ist sehr interessant zu sehen, aus welchen Ländern wie viele Menschen Opfer wurden. Und dann gibt es im Fußboden Testimonials, also in den Fußboden eingelassene kurze Zitate aus Briefen, aus Tagebüchern usw. Es sind vor allem sehr viele junge Leute, die in diesen "Ort der Information" gehen: Da ist es ganz still. Die Menschen lesen das und ich habe dort unten dabei viele Menschen weinen sehen. Und auch ich, die ich seit 30 Jahren über dieses Thema arbeite und wirklich viele Dokumente, Briefe und Tagebücher kenne, muss dort ab und zu weinen, z. B. als ich von einem zwölfjährigen Mädchen – im Zug auf dem Weg nach Belzec – diese Worte las, die sie auf ein Stückchen Papier gekritzelt hat: "Lieber Papa, ich würde so gerne weiterleben, aber man lässt uns nicht. Ich weiß, dass wir nach Belzec kommen, wir werden in Gruben geschmissen werden. Und sie schmeißen auch die, die noch leben, in die Gruben. Hilf mir, ich würde dich so gerne wiedersehen. Ich werde dich aber nicht wiedersehen." Wissen Sie, das muss man erst einmal lesen und das lesen die Leute und dann begreifen sie so langsam, was damals war. Das war uns wichtig und darauf kommt es uns an: dass das alles auch emotional erfahrbar ist. Das kann man nicht machen, indem man auch die anderen Opfergruppen mit hineinpackt. Die Menschen, die dort stehen und das lesen, sind so betroffen und so still! Danach geht es in den nächsten Raum, das ist der "Raum der Schicksale". Dort werden 15 Familien aus Europa dargestellt. Man schaut dabei diesen Leuten wirklich ins Gesicht, denn da gibt es Familienphotos usw. Es gibt auch kleine Familien, sofern sie damals schon Filme gedreht haben in diesen Familien. Dort sieht man also diese ausgelöschten Familien. Und danach gibt es den "Raum der Namen", für den wir noch Geld sammeln. Den Abschluss bildet der "Raum der Orte": Dort sieht man, wo in Polen die Vernichtungsstationen waren, wo die großen Erschießungsaktionen stattfanden usw. Das ist schreckliche Information, aber sie gehört eben dazu. Lindenmeyer: Wenn man in Prag in der Altstadt, in der Josefstadt, die jüdischen Synagogen besucht, dann entdeckt man dort die Inschriften der Namen jener jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die umgebracht worden sind im Holocaust. Sie hatten Schwierigkeiten, alle Namen zu bekommen, die dort dokumentiert werden sollten. Welche Vorbehalte gab es denn gegenüber einer der ersten Ideen, dort so viele Namen wie möglich zu dokumentieren? Rosh: Mir hat einmal jemand gesagt, wenn die Namen seiner Eltern dort dokumentiert würden, dann wäre ihm das nicht recht. Wir hatten ja am Anfang beim ersten Wettbewerb eine riesengroße Namensplatte, die Platz hatte für sechs Millionen Vor- und Nachnamen. Lindenmeyer: Ähnlich wie in Washington das Vietnam Memorial. Rosh: Ich habe gar nicht gedacht, dass man auf diesem Platz – er ist 20000 Quadratmeter groß – Platz hat für sechs Millionen Vor- und Nachnamen. Aber das wäre alles gegangen. Mir hat jedenfalls jemand vor einiger Zeit gesagt: Wenn man dort den Namen seiner Eltern lesen könnte, würde man wissen, dass auch er Jude ist. Das war aber z. B. jemand, von dem jeder weiß, dass er Jude ist. Das war also ein Einwand, den ich gar nicht nachvollziehen konnte. Nein, wir hatten deshalb Schwierigkeiten mit dieser Tafel, weil es einfach keine sechs Millionen erforschter Namen gibt; nicht deswegen, weil diese Menschen nicht ermordet worden wären, sondern weil die Deutschen nicht überall Buch geführt haben. In Polen sind die Menschen an den Erschießungsgruben aus den Lastwagen gejagt worden und es wurde ihnen noch ein Tritt verpasst, damit sie noch schneller zu ihrer eigenen Erschießung laufen – da ist nicht Buch geführt worden von den Deutschen. Yad Vashem, wo seit Jahrzehnten die Namen und die Schicksale gesammelt werden, verfügte damals über 3,2 Millionen Namen. Eberhard Jäckel und ich – von Eberhard Jäckel stammt die Idee zu diesem Denkmal, ich habe es dann durchgesetzt und mit ausgeführt, aber Eberhard Jäckel ist immer mit dabei geblieben – sind ja auch nach Yad Vashem gefahren und haben dort den Leuten gesagt: "Bitte, gebt uns die Namen!" Es wurde uns aber geantwortet: "Nein, ihr bekommt diese Namen nicht!" Wir fragten natürlich nach: "Warum nicht?" Es wurde uns gesagt, dass die Leute erstens nach Israel kommen sollen, nach Yad Vashem kommen sollen, um dort diese Namen zu lesen. Daraufhin haben wir gesagt: "Es gibt aber so und so viele Menschen, vor allem Osteuropäer, die nicht nach Israel fahren. Wir wollen jedoch, dass auch sie die Namen ihrer ermordeten Angehörigen lesen können." Der zweite Einwand von Yad Vashem war jedoch viel gravierender, denn er lautete: "Wir, die Opfer, können doch nicht euch, den Tätern," – gemeint ist hier immer das Volk in der Verallgemeinerung – "die Namen unserer Ermordeten geben. Das werdet ihr doch einsehen." Das war nur sehr schwer zu entkräften. Dann hatten wir aber Glück, denn Eberhard Jäckel wurde 70 Jahre alt und es gab in Yad Vashem drei Tage lang ein großes Symposion für diesen deutschen Historiker. So etwas hatte es davor in Yad Vashem noch nicht gegeben. Ich bin mitgefahren und habe zu ihm gesagt: "Eberhard, ich bin so stolz auf dich und dass die das für dich machen! Aber wenn die das machen, dann gibt es doch hinterher bestimmt ... Lindenmeyer: Damit war also ein kleiner "Geheimauftrag" verbunden. Rosh: Nein, ich habe ihm nur gesagt, dass es da hinterher doch bestimmt einen kleinen privaten Abschlussempfang geben wird: "Da werden wir dann noch einmal fragen!" Dort habe ich dann gesagt: "Wenn ihr schon so etwas für Jäckel macht, was wirklich wunderbar ist, dann müsst ihr uns doch auch diese 3,2 Millionen Namen überlassen. Wir wollen ja nur, dass sie in Berlin nachzulesen sind." Und die haben wir dann auch tatsächlich bekommen. Sie befinden sich nun im "Raum der Namen" unten im "Ort der Information". Man kann sich dort mit Yad Vashem verlinken, dann bekommt man alle Namen. Uns als Förderkreis ist es sehr wichtig, dass wir in diesem "Raum der Namen" Folgendes machen werden. Auf dessen vier Wände werden alle Vor- und Nachnamen in großer Schrift projiziert, mitsamt dem Geburts- und Sterbedatum. Danach dann kommt jeweils 20 Sekunden in Deutsch und 20 Sekunden in Englisch die Todesgeschichte des Opfers. Mit dem von uns gesammelten Geld – wir haben dieses Geld in Deutschland von Deutschland bekommen, ein paar größere, aber auch viele kleine Spenden – haben wir bisher auf diese Weise 5000 Schicksale versammelt, die man sehen und hören kann. Wir sammeln weiter Geld und hoffen, dass wir oder diejenigen, die nach uns kommen werden, eines Tages in der Lage sein werden, alle 3,2 Millionen Namen und Schicksale zu benennen. Denn jeder Mensch hat einen Namen – ein berühmtes Wort - und wir wollen den Juden ihren Namen zurückgeben. Lindenmeyer: Sie beschreiben sehr beeindruckend das Prinzip, die Grundhaltung für die Konzeption dieses Denkmals, dieser Gedenkstätte. Es geht darum, eine Anschaulichkeit herzustellen für diese "Banalität des Bösen", die eigentlich unbeschreiblich ist und kaum dargestellt werden kann. Deshalb verblüffte es auch sehr in der Öffentlichkeit, dass Sie dann dieser Holocaust- Gedenkstätte ein zufälliges Fundstück von einem ermordeten Menschen beigeben wollten, das Sie gefunden hatten. Das war diese Geschichte mit dem Zahn, die quer durch die Presse ging. Was war da Ihr Motiv, um fast so etwas wie eine Art Devotionalie dort beizusetzen. Rosh: Ich finde bis heute, dass das eigentlich sehr nachvollziehbar war. Wir waren in Belzec zu Dreharbeiten: Jäckel, ein Kamerateam und ich. Dort haben wir im Sand Zähne gesehen. Die polnische Begleiterin hat gesagt: "Seht mal, da sind Zähne." Sie hat einen solchen Zahn aufgehoben und den habe ich dann in die Hand genommen. Ich habe noch gesehen, dass andere Leute mit ihren Schuhen achtlos über diese Stelle gelaufen sind. Ich konnte diesen Zahn nicht mehr zurücklegen. Damit wieder jemand darüber läuft? Ich habe ihn also in die Hand genommen und behalten. Abends waren wir im Hotel, Jäckel weinte, ich weinte, denn das sind ja sehr aufwühlende Erlebnisse. Ich sagte zu ihm: "Eberhard, wir werden ihnen dieses Denkmal errichten! Wir werden auch ihm hier" – ich meinte den Menschen, zu dem dieser Zahn früher gehört hat – "dieses Denkmal errichten!" Ich habe also diesen Zahn mitgenommen. Von der jüdischen Religion verstehe ich fast gar nichts, wir, also Jäckel und ich, haben uns das dann aber später zusammen ausgedacht und gesagt: Es wäre doch gut, wenn wir diesen Zahn in unserem Denkmal bestatten könnten, wenn wir ihn in eine der Stelen geben könnten. Wir hatten das auch mit einem Rabbiner besprochen. Wissen Sie, das Geschrei hinterher wurde vor allem von fünf Leuten angestimmt, die immer gegen uns waren, die immer gegen dieses Denkmal gewesen waren. Es waren auch prominente jüdische Vertreter mit dabei. Aber das Ganze ist dann natürlich auch hochgezogen worden. Auf jeden Fall war das keine Grabschändung, denn ich habe diesen Zahn ja nicht aus einem Grab geholt: Das war einfach nur eine Stelle auf dem Gelände in Belzec, wo wir diesen Zahn gefunden haben. Wir sind dann hinterher zurück nach Belzec gefahren, weil wir damit natürlich niemanden kränken wollten. Wir haben uns dafür noch einmal mit einem Rabbiner besprochen. Er hat zu uns gesagt: "Eigentlich wäre die Versenkung in einer Stele sehr gut gewesen." Aber wir haben diesen Zahn dann doch in Belzec im Sand versenkt. Mit uns ist damals auch Alexander Brenner mitgefahren, der frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin. Es waren also auch sehr viele Juden auf unserer Seite, d. h. es haben nicht alle Juden dieses Vorhaben als so schrecklich empfunden. Aber wie das halt so ist, wenn so eine Sache mal in der Presse gelandet ist: Einer schreibt vom anderen ab und dann wird das Ganze eine aufgebauschte Geschichte. Auch Brenner sagte, er hätte das nicht sehr gut gefunden. Wir hatten Brenner nicht eingeweiht: Wir hatten einige Menschen eingeweiht, aber vielleicht doch nicht genug. Trotzdem hat Brenner gesagt: "Komm, wir fahren zurück und bringen diesen Zahn wieder nach Belzec!" Und genau das haben wir dann auch gemacht. Lindenmeyer: Ich würde jetzt gerne zu Ihrer eigenen Biographie, zu ihrem Leben zurückkommen. Sie haben Geschichte, Soziologie und Publizistik an der Freien Universität in Berlin studiert. Welchen Berufswunsch hatten Sie damals? Wollten Sie immer schon Journalistin werden? Rosh: Zwischendurch habe ich auch mal Schauspielunterricht genommen. Denn mein Großvater war ja Opernsänger gewesen und meine älteste Schwester wollte ebenfalls Schauspielerin werden. Ich dachte, dieser Beruf müsste doch sehr schön sein. Ich habe dann auch sogar von Hilde Körber Privatunterricht bekommen, und das, obwohl ich kein Geld hatte, d. h. sie hat mich umsonst unterrichtet, weil sie mich so begabt fand. Lindenmeyer: Was wäre denn Ihr Rollenfach gewesen? Rosh: Drama natürlich! Lindenmeyer: Sie wären also nicht zur Oper gegangen? Rosh: Nein, nein. Ich wollte ans Theater. Ich habe zwar auch ein bisschen Gesangsunterricht genommen und meine Gesangslehrerin meinte sogar, ich könnte sehr schön singen. Nein, ich wollte Schauspielerin werden. Aber mich hat die Geschichte, wirklich im wahrsten Sinne des Wortes die Geschichte, immer wieder eingeholt. Mich hat Geschichte überhaupt interessiert, aber die Weimarer Republik und das Dritte Reich haben mich ganz besonders interessiert – und die Verfolgung der Juden. Ich fand immer, dass das das größte deutsche Verbrechen gewesen ist: Darüber kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Also habe ich Geschichte studiert und wollte von da an tatsächlich Journalistin werden. Ich dachte mir damals: "Das, was ich tun kann, um eine Wiederholung dieser Geschichte zu vermeiden, werde ich versuchen zu tun!" Hinterher habe ich mir überlegt, dass dafür die Politik wahrscheinlich die bessere Möglichkeit gewesen wäre. Aber ich hatte nun einmal diesen Weg eingeschlagen, denn ich fand, ich kann einigermaßen gut schreiben und sprechen. Lindenmeyer: Sie haben dann zunächst einmal Radio gemacht, und zwar beim RIAS, diesem legendären "Rundfunk im amerikanischen Sektor" in Berlin. Später waren Sie dann beim SFB, also beim "", und haben dort Modesendungen moderiert. Rosh: Ja, und sogar wahnsinnig gerne. Ich bin ja den schönen Seiten des Lebens nun wirklich nicht abgeneigt. Ich kaufe sehr gerne Kleider, Mäntel, Schuhe und ziehe mich gerne auch modisch an. Früher habe ich das manchmal gemacht, wenn ich Ärger hatte oder wenn ich meine schlechte Laune bekämpfen wollte. Heute lasse ich das jedoch bleiben. Nein, ich habe diese Modesendungen wirklich gerne gemacht. Aber es waren ja nicht nur Modesendungen, die ich damals gemacht habe. Stattdessen habe ich damals Berlin quasi als Produktionsstandort mit verkauft. Die Mode war ja ein ganz wichtiger Faktor im Wirtschaftsleben Berlins. Wir hatten damals eine Dreiviertelstunde Sendezeit: Dabei ging es ungefähr in der Hälfte der Zeit um Modenschauen und in der anderen Hälfte habe ich Interviews gemacht mit Verkäufern, mit Einkäufern usw. Der Wirtschaftsstandort Berlin war also in dieser Sendung immer auch mit vertreten. Lindenmeyer: Dann kam der Wechsel in den Norden, nach Hamburg. Sie haben beim Norddeutschen Rundfunk im Fernsehen das "Frauenforum" konzipiert und präsentiert. In dieser Zeit damals gab es in der ARD allenthalben Redaktionen, die man jedoch nicht direkt "Frauenfunk", sondern integrativer "Familienfunk" nannte. Wie war das mit Ihrem "Frauenforum"? Was passierte dort? Rosh: Das war eben nicht im "Frauenfunk" oder im "Familienfunk" angesiedelt, sondern bei Merseburger und damit in der Politik. Merseburger hat damals Luc Jochimsen, diese von mir sehr geschätzte Kollegin, und mich zu sich gerufen. Das war im Jahr 1975, also im "Jahr der Frau". Er sagte zu uns: "Wollt ihr nicht ein Frauenforum machen?" Wir haben natürlich sofort ja gesagt. Und das hat uns ein Mann angeboten! Eine Frau in diesem Sender kam nicht auf diese Idee! Luc und ich haben dann zusammen dieses "Frauenforum" konzipiert. Lindenmeyer: Peter Merseburger als "Emanze"? Rosh: Er ist ein kluger Mann. Lindenmeyer: Was waren denn Ihre Themen in diesem "Frauenforum"? Rosh: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Bildung, also die Frage, ob Frauen studieren sollen, können, müssen usw. Wir behandelten die Themen, die damals in diesem "Jahr der Frau" angestoßen worden waren. Wir hatten dabei ein Zweiteilung: Luc hat immer den feministischen Strang vertreten, ich nicht, denn ich bin keine Feministin gewesen. Ich habe immer gesagt: "Die Gesellschaft teilt sich nicht nach Frau und Mann, sondern nach Kapitalbesitz und Nicht-Kapitalbesitz!" So hatten wir in dieser Sendung immer beide Positionen wunderbar vertreten und konnten damit die Frauen insgesamt wunderbar bedienen. Das war sehr gut. Lindenmeyer: Ich nenne jetzt zwei Publizistinnen und würde gerne wissen, welche Ihnen näher steht; die eine ist Alice Schwarzer, die andere die soeben verstorbene Oriana Fallaci, die mit ihren letzten Werken ganz besonders umstritten war. Welche Art Journalismus liegt Ihnen denn näher, eher die von Alice Schwarzer oder die von Oriana Fallaci? Rosh: Weder - noch. Ich bin ja meinen eigenen Weg gegangen. Fallaci hat wunderbare Interviews gemacht und Bücher geschrieben. Ich habe bisher nur zweieinhalb Bücher geschrieben. Aber ich will mich immer noch hinsetzen und ein Buch über mich, mein Leben und das Denkmal schreiben und warum und wieso alles so war, wie es gewesen ist. Denn ich denke, das kann einfach niemand so gut erzählen wie ich selbst: Ich war halt von Anfang an mit dabei. Und ich habe darüber hinaus sehr viele Fernsehproduktionen gemacht, was Alice z. B. gar nicht gemacht hat. Lindenmeyer: Sie haben soeben wohl ganz bewusst "über mich, mein Leben und das Denkmal" gesagt. Sie könnten das ja auch umdrehen. Rosh: Nein, das ginge nicht. Lindenmeyer: Warum ginge das nicht? Rosh: Das habe ich schon gemacht. Und das Gleiche will ich nicht noch einmal machen. Lindenmeyer: Sie wollen also eher eine Autobiographie schreiben. Rosh: Ja, und die Leute sagen immer zu mir: "Aber mach nicht nur das Denkmal. Mach auch das Denkmal, aber mach nicht nur das! Denn das hast du ja schon einmal gemacht und deswegen wollen die Leute nicht ausschließlich das lesen. Also beschreib überhaupt dein Leben." Sie hatten mich vorhin ja auch mal danach gefragt: Die Wurzel für mein Engagement ist eben auch in meiner Kindheit zu suchen, in den Geschichten und Erfahrungen, die mir meine Mutter vermittelt hat. Auch mein Vater, der im Krieg umgekommen ist, spielt hierbei eine Rolle. Das alles hat damit zu tun und deswegen wird das alles in diesem Buch mit vorkommen. Lindenmeyer: Sie wechselten später dann zu "Kennzeichen D" und damit zu Hanns- Werner Schwarze, einem großartigen Journalisten. Rosh: Ja, das stimmt. Lindenmeyer: Sie haben darüber hinaus noch viele, viele weitere Stationen beim Fernsehen durchlaufen, die ich hier im Einzelnen gar nicht alle aufzählen möchte. Aber "" will ich doch erwähnen, diese legendäre Talksendung bei Radio Bremen. Sie waren immer vorne mit dabei, immer sehr engagiert: zwar nicht als Feministin, aber als eine sehr engagierte Kommentatorin und Moderatorin. Hanns Joachim Friedrichs hat einmal von Journalisten gefordert, sie sollten Abstand halten gegenüber Person und Sache, sie sollten sich mit nichts gemein machen. Wie sind Sie umgegangen mit einem solchen Satz, mit einer solchen Forderung, zwar überall dabei sein zu müssen, aber nirgendwo dazugehören zu dürfen? Rosh: Ich kann gar nicht anders als mich engagieren. Sie haben ja gerade "Kennzeichen D" angesprochen. Für diese Sendung habe ich ja ganz, ganz viele Filme gemacht. Ohne Engagement für das Thema wäre das nicht gegangen. Friedrichs meinte mit seinem Diktum ja auch eher, man müsse als Journalist Abstand zu den Personen halten, man dürfe sich nicht mit den Personen identifizieren, denn sonst könnte man keine vernünftigen Berichte mehr machen über sie. Wir hatten damals einen solchen Fall. Hinterher haben wir uns angefreundet und deshalb kann ich das auch alles so erzählen. Dieser Mann wurde völlig grundlos verdächtigt, er hätte für die "Stasi" gearbeitet. Eines Morgens um fünf Uhr kam die Polizei zu ihm und holte ihn und seine Frau von zu Hause ab. Ich las das in der Zeitung. Damals war ich noch nicht mit ihm befreundet: Das war der erste Präsident der Freien Universität in Berlin. Ich habe ihn dann angerufen und zu ihm gesagt: "Hören Sie mal, Herr Kreibich, ich kann mir das von Ihnen gar nicht vorstellen! Ich möchte Ihnen daher gerne helfen und einen Film über Sie machen." Er fand das natürlich auch gut. Ich ging also zu Hanns-Werner Schwarze, zu diesem wunderbaren Lehrer, und habe zu ihm gesagt: "Hanns-Werner, ich mache über Kreibich einen Film!" Er antwortete mir aber: "Nein, du machst über drei Leute einen Film, über einen aus der CDU, über einen aus FDP und dann eben auch noch über einen aus der SPD. So musst das machen!" Mir lag das natürlich sehr nahe mit Kreibich, aber ich habe dann tatsächlich die anderen mit einbezogen. So habe ich gelernt, mich in einer Sache zu engagieren, denn sonst hätte ich ja diesen Film gar nicht machen können, denn ich fand es wirklich unerhört, was man mit dem Ehepaar Kreibich angestellt hatte. Aber ich habe dann doch auch versucht, die Distanz mit einzubauen. Da habe ich von Schwarze viel gelernt. Aber ohne persönliches Engagement konnte ich nie arbeiten, nie! Lindenmeyer: Das heißt, die Ausgewogenheit, unterschiedliche Meinungen gelten zu lassen, unterschiedliche Profile deutlich zu machen in so einer Sendung, ist für Sie unverzichtbar. Dies haben Sie auch gemacht in einer Sendung, mit der Sie ebenfalls sehr bekannt geworden sind. Das war nämlich die Sendung "Freitagnacht" im Fernsehen des Senders Freies Berlin. Rosh: Ja, das war meine liebste und schönste Sendung. Lindenmeyer: Dort haben Sie noch in der Zeit der Existenz der real existierenden Deutschen Demokratischen Republik auch DDR-Funktionäre zu Wort kommen lassen. Wie war denn die Reaktion darauf? Rosh: Das war eine vor allem in Ostdeutschland und in Ostberlin hoch gepriesene Sendung. Selbst heute passiert es mir noch, dass mich die Leute darauf ansprechen. Bei der Eröffnung des Hans-Otto-Theaters vor kurzem kamen auch Leute zu mir und sagten: "Diese Sendung 'Freitagnacht' haben wir uns immer angeguckt!" Und das, obwohl wir diese Sendung nur ein Jahr lang gemacht haben. Wir haben damals jedenfalls auch DDR-Funktionäre eingeladen. Ich hoffe, ich habe damals alle Gäste immer fair behandelt. Der einzige, der sich mal über mich beschwert hat, war Walser. Er meinte, ich hätte ihn nicht genug gegen Angriffe in Schutz genommen. Die hohen Funktionäre aus der DDR haben wir jedenfalls fair, aber kritisch behandelt – wir haben also sehr wohl den von Ihnen vorhin geforderten Abstand eingehalten. Das waren Sendungen, die bei der Bevölkerung in der DDR wirklich ganz toll ankamen. Am allermeisten hat die Menschen in der DDR begeistert, dass ich angeblich kein Blatt vor den Mund genommen habe und keine Angst hatte. Natürlich hatte ich keine Angst, wir im Westen mussten ja auch keine Angst haben; aber für diejenigen, die im Osten immer Angst haben mussten, war es herrlich zu sehen, dass ich einem ostdeutschen Politiker auch mal in die Parade gefahren bin und zu ihm gesagt habe: "Nein, das hatte ich Sie doch gar nicht gefragt. Antworten Sie doch bitte auf meine Frage!" Das fanden die wirklich toll. Insofern hatten wir ein ganz hohes Ansehen und bekamen auch sehr viel Post. Es haben sich dann auch Leute aus Leipzig zu uns geschlichen, als das eigentlich noch gar nicht möglich gewesen ist, und saßen zu meinem großen Entzücken plötzlich mit in der Sendung. Ja, das war eine ganz wunderbare und erfüllte Zeit. Ich habe im Ganzen dreieinhalb oder vier Jahre diese Sendung "Freitagnacht" gemacht, aber es waren nur insgesamt eineinhalb Jahre, dass wir dabei auch Gäste aus dem Osten hatten wie z. B. den Heiner Müller, die Ruth Berghaus usw. Das waren wirklich ganz enge, dichte eineinhalb Jahre. Lindenmeyer: Sie waren für den Norddeutschen Rundfunk auch Funkhausdirektorin in Hannover, also im Landesfunkhaus. Wenn Sie heute ein junger Journalist, eine junge Journalistin fragt, ob man diesen Mut im Journalismus lernen kann, was würden Sie dann antworten? Rosh: Den Mut lernen? Lindenmeyer: Oder muss er von Anfang an bereits da sein? Rosh: Ich denke immer, wir Journalisten müssen gar nicht so mutig sein. Was passiert uns denn schon groß? Was ist mir denn jemals mit meinem so genannten Mut passiert? Gut, mich haben einige Leute nicht so gemocht. Und man versperrt sich damit vielleicht so manchen Schritt auf einer möglichen Karriereleiter. Aber ich hätte mit der Schere im Kopf nie arbeiten können und auch nie arbeiten wollen. Und deswegen würde ich zu jungen Kolleginnen und Kollegen immer sagen: "Geh dir nach, geh dir und deinem Gewissen nach! Daran gibt es nichts zu deuteln! Lass dich nicht durch irgendetwas bestechen, durch kein Versprechen usw.!" Lindenmeyer: Auch nicht durch Bequemlichkeit. Rosh: Schon gar nicht dadurch, das stimmt. Lindenmeyer: Das heißt aber, um das abzukürzen: Sie setzen damit auf die Urteilsfähigkeit des Publikums. In vielen Medien gewinnt man jedoch den Eindruck, dass deren Macher der Ansicht sind, man könnte bestimmte Dinge den Leuten nicht zumuten. Und deswegen werden die Sachen heute ein bisschen flotter verpackt, ein bisschen leichter verpackt, und dann gibt es nicht nur solche Sachen wie easy listening, sondern auch easy viewing usw. Henry Nannen hat einmal gesagt: "Wer sein Publikum unterschätzt, wird Schiffbruch erleiden." Rosh: Ich habe das Publikum nie unterschätzt. Wissen Sie, ich habe mich auch auf alle meine Sendungen sehr gründlich vorbereitet, denn ich finde, das bin ich den Leuten schuldig. Und die Leute, die bei mir zugucken, sind doch nicht doof! Wie sollte das also gehen, sich nicht vorzubereiten und dann eine Zweistundensendung wie "Freitagnacht" zu machen? Nein, nein, das war schon immer sehr viel Arbeit. Ich hatte auch niemals Fernsehzuschauer, die das nicht gut gefunden hätten. Ich finde, das Publikum darf man in der Tat nicht unterschätzen, bzw. man muss sich das Publikum gelegentlich auch mal ein bisschen heranerziehen: Man muss den Leuten also sehr wohl etwas abfordern. Lindenmeyer: Arbeiten Sie heute noch publizistisch, abgesehen von der Planung für dieses Buch oder einen Kommentar hier oder dort? Rosh: Ich betreibe in Berlin einen Salon; gerade gestern hatten wir wieder einen mit Lothar Bisky, André Brie und Oscar Lafontaine. Es ging um die Frage: "Gibt es in Deutschland demnächst eine linke Partei? Oder gibt es in Deutschland demnächst keine linke Partei?" Ich hatte aber auch schon Erika Steinbach mit dem Thema der Vertriebenenfrage zu Gast. Sie sehen also, ich mache da durchaus noch politische Sachen. Ich hatte auch schon Henryk M. Broder mit seinem neuen Buch zu Gast. Auch Herr Michael Schindhelm, der die drei Opernhäuser in Berlin leitet, war bei mir. Daneben habe ich noch den Förderkreis, das Hans-Otto-Theater... Lindenmeyer: Verraten Sie uns doch die Antwort: Gibt es demnächst eine linke Partei in Deutschland? Rosh: Natürlich sagen alle drei, dass sie kommen wird. André Brie ist dabei jedoch am nachdenklichsten und ein bisschen resigniert. Aber alle drei sagen natürlich, dass es demnächst eine linke Partei geben wird: Sie werden sich im Juni 2007 auf einem gemeinsamen Kongress zusammenschließen. Ich habe ihnen gesagt, wenn sie damit aufhören, sich in der Öffentlichkeit zu streiten, dann wäre das gut für sie, wenn sie eine linke Partei gründen wollen. Aber es wird diese linke Partei geben, das ist sehr sicher. Lindenmeyer: Wird es eine rechtsradikale Partei geben? Rosh: Wir haben ja schon drei! Lindenmeyer: Ich meine, wird es eine rechtsradikale Partei im Deutschen Bundestag geben? Rosh: Wenn alle so weitermachen, dann bekommen die Rechten weiter Zulauf: Das ist etwas Schreckliches, das ist etwas Furchtbares. In Berlin sitzen sie ja leider in fünf Bezirksparlamenten mit drin. Gott sei Dank sitzen sie nicht im Abgeordnetenhaus. Aber es gibt sie mittlerweile in zwei Landesparlamenten: Das ist schon schrecklich genug. Daran müssen wir Demokratinnen und Demokraten jedenfalls wirklich sehr, sehr hart arbeiten. Das mache ich übrigens auch. Ich mache nämlich mit meinem Büro auch eine Lehrerfortbildung über Rechtsradikalismus unter Jugendlichen. Wir versuchen dabei, den Lehrern Konzepte an die Hand zu geben, wie sie damit umgehen können. Lindenmeyer: Sie arbeiten sehr viel, Sie lassen nicht gerne los. Was wollen Sie in Ihrem Leben eigentlich noch gerne lernen? Rosh: Lernen? Ich würde gerne Wirtschaft studieren und Musik studieren und Klavierunterricht nehmen und mein Buch schreiben und daneben alles andere wie bisher weitermachen. Da ich aber glaube, dass ich das alles wohl nicht schaffen werde, weil mir dazu einfach die Zeit nicht reicht, werde ich mich – neben all dem, was ich aufgezählt habe und was ich weitermachen werde – vielleicht darauf beschränken, wenigstens wieder Klavierunterricht zu nehmen und Italienisch zu lernen. Denn ich würde einfach zu gerne Italienisch können. Lindenmeyer: Warum? Rosh: Ich fahre einfach sehr, sehr gerne nach Italien. Lindenmeyer: Es war mir eine große Freude mit Ihnen zu sprechen. Frau Rosh, ich danke Ihnen sehr herzlich. Meine Damen und Herren, das war heute im alpha- forum Lea Rosh, die große Fernsehpublizistin, die umstrittene Kämpferin für die Holocaust-Gedenkstätte in Berlin. Der korrekte Name lautet... Rosh: Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Lindenmeyer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Rosh, vielen Dank für dieses Gespräch.

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