Zurück in Deutschland, hört er Ge- schichte in München bei Eric Voegelin. Es ist der Suche nach Parabeln zur Entstehung des Faschismus. Lange vor ’68 gilt der junge Heimkehrer aus den USA „Alleingang verhindern“ als Fixpunkt einer aufmüpfigen Uni-Szene, die in Schwabinger Schwemmen dialek- Der Vorschlag, in statt des Holocaust-Mahnmals tisch aufrüstet – Debattierer messen sich, ein Museum zu errichten, verärgert Experten und Bauherren. indem sie wortreich für das Gegenteil ih- rer Überzeugung eintreten. or gut zehn Jahren lud eine tung. Folgerichtig verlangt Lea Rosh, Naumann, bester Redner und seines West-Berliner Bürgerinitiative Naumann möge sich mit dem Förder- „dramatisch zerfurchten Gesichts am Kla- Vunter Führung der Journalistin kreis und Berlin ins Benehmen setzen, vier“ wegen Mädchenschwarm, gründet Lea Rosh erstmals zu einer öffentlichen bevor er unausgegorene Ideen in die eine Zeitung, die als pro-kommunistisch ver- Diskussion über den Bau eines „Denk- Welt setze. „Ein Alleingang des Bun- dächtigt und verboten wird. Er geht auf die mals für die ermordeten Juden Euro- des“, sagt auch der Chef der Berliner Straße und promoviert über Karl Kraus. pas“ ein. Die Zahl der Vorschläge für Senatskanzlei, Volker Kähne, „muß Er wird Journalist bei „Zeit“ und SPIE- ein solches Mahnmal, die seitdem er- verhindert werden.“ GEL und später Rowohlt-Chef in Ham- sonnen und publiziert wurden, dürfte Die drei Auslober hatten nach zwei burg, schlägt Rad und läßt Federn als Ver- inzwischen die 600 überschritten aufwendigen künstlerischen Wett- leger in New York. Im Sommer 1998 sitzt er haben. bewerben und drei Kolloquien den Ent- wurf von Richard Serra und Peter Ei- senman favorisiert, doch eine Ent- scheidung vertagt. Geht es aber nach Naumann, soll jetzt aus dem geplan- ten Mahnmal ein Museum mit Biblio- thek, Forschungs- und Ausstellungs- stätte werden, garniert mit einem „Gar- ten des Spiels und der Besinnung“. Zur Finanzierung des multifunk- tionalen Museums, meint der künftige Staatsminister, könne ein Teil des 20000 Quadratmeter großen Grundstücks ver- kauft werden.Wie dann der bunte Mix auf einem verkleinerten Areal am Brandenburger Tor untergebracht wer- den soll, weiß auch er wohl noch nicht. Ignatz Bubis, der dafür sorgte, daß Helmut Kohl das bundeseigene Grund- stück südlich des Brandenburger Tores für das Mahnmal zur Verfügung stellte, findet Naumanns radikale Umwid- mung abwegig. „Ein Museum“, sagt der Präsident des Zentralrats der deutschen Juden, „ist doch kein Mahnmal und kann es auch nicht ersetzen.“

REUTERS „Wie sich der Vorschlag in die be- Mahnmal-Entwurf von Peter Eisenman: „Widerstand leisten, auch in der Regierung“ reits bestehende Erinnerungslandschaft einfügen könnte“, ist Michaele Schrey- am Maschsee in Hannover einem Zigar- Vergangene Woche präsentierte der er, der Vorsitzenden der grünen Frak- renraucher gegenüber, der Kanzler wer- designierte Staatsminister für Kultur, tion im Berliner Abgeordnetenhaus, den will und einen Kulturminister braucht. , einen neuen Vor- rätselhaft. Mit dem Haus der Wannsee- Naumann weiß, mit wem er es zu tun hat. schlag, und seitdem ist die Verwirrung Konferenz, demnächst der „Topogra- 1988, im Arbeitsgerichtsprozeß zwischen in der hochkomplizierten Debatte phie des Terrors“ und dem Jüdischen dem Rowohlt-Verlag und Freimut Duve, hat komplett. Museum besitzt die Hauptstadt drei er als Verlagschef und Beklagter den SPD- War man in langer Diskussion dahin profilierte wissenschaftliche Institutio- Politiker und Anwalt Gerhard Schröder ken- gelangt, daß der Bund, das Land Berlin nen, die über den Holocaust arbeiten nengelernt. Damals sprach er keck: „Sie sind und der Förderkreis von Lea Rosh als und aufklären. Hinzu kommen noch Oppositionsführer. Ein Mann, der gewinnen gleichberechtigte Finanziers und Bau- das Centrum Judaicum und das Zen- will. Dies hier ist für Sie eine verlorene Sa- herren das Denkmal errichten sollen, trum für Antisemitismusforschung. che.“ Abwarten, erwiderte Schröder. Am hat der Kulturbeauftragte jetzt „mit „Hätte Herr Naumann gewußt, was Ende stand ein Vergleich. voller Rückendeckung des Kanzlers“ es in Berlin bereits alles gibt“, vermu- Zehn Jahre später einigt man sich erneut ein Konzept entwickelt, das im Bun- tet Kähne, „hätte er sein Konzept mo- – Naumann macht Kultur im Kanzleramt. destag diskutiert, abgestimmt und dann difiziert.“ Der Senatskanzlei-Chef ist Braucht einer Nähe zur Macht, der Sät- realisiert werden soll. sich zudem sicher, daß Naumanns Vor- ze aus dem Sakko-Ärmel schüttelt wie: Die mit dem Mahnmal befaßten Ver- schlag nicht der letzte in der Dauer- „Intelligenz ist kein Datum, das verfällt“? treter des Landes Berlin und des För- debatte gewesen ist. Einer, der im besten Sinn der Aufklärung derkreises erfuhren davon aus der Zei- Michael Sontheimer von Zweifeln befallen ist und als Grund- stimmung „depressive Zuversicht“ angibt?

52/1998 31