Der Bumerangeffekt. Die Kunst Der Aborigines Australiens Vom 19
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MEG Ethnografisches Museum Genf Pressemitteilung 4 mai 2017 Der Bumerangeffekt. Die Kunst der Aborigines Australiens Vom 19. Mai 2017 bis 7. Januar 2018 Ausstellungseröffnung am 18. Mai 2017 um 18 Uhr Weisse Wände, Neonleuchtschrift, verfeinerte Linienführung: «Der Bumerangeffekt. Die Kunst der Aborigines Australiens» - die neue Ausstellung des Genfer MEG-Museums empfängt ihre Besucher wie eine Art zeitgenössische Kunstgalerie. Das MEG zeigt dabei eine seiner schönsten Kollektionen und bringt uns das vielfältige australische Kulturerbe nahe. Innerhalb der Ausstellung erfährt man, dass seit dem 18. Jahrhundert Versuche unternommen worden waren, die Kultur der Aborigines auszulöschen, und wie dann der ursprüngliche Plan zum genauen Gegenteil geführt hat. Als James Cook 1770 in Australien an Land geht, bezeichnet er das Land als «Niemandsland» (Terra nullius), weil er dort keinerlei staatliche Herrschaft anerkennt. Damit rechtfertigt man später die Kolonisierung der Insel und die grenzenlose Enteignung ihrer Bewohner und Bewohnerinnen, die ein ganzes Mosaik von Stammesgruppen bilden und dort seit 60 000 Jahren leben. Sie fühlen sich auch heute noch auf sowohl unsichtbare wie sichtbare Weise mit dem Land verbunden, und zwar dank einer als Traumzeit bekannten Weltanschauung (Dreaming oder Dreamtime). Diese mythologischen Erzählungen berichten über die Entstehung des Universums und über die Gleichgewicht und Harmonie fördernde Beziehung zwischen allen dort lebenden Wesen. Es wird erzählt, dass in sehr alter Zeit die Schwestern Djan’kawu die Landschaft bevölkert haben, indem sie den Lebewesen und den Orten Namen gaben. Anschliessend legten sie sich neben die Wurzeln einer Pandanuspalme, um sakrale Objekte auf die Welt zu bringen. Es wird berichtet, dass ein Haifisch namens Mäna den Stamm Dätiwuy und dessen Land gestaltet hat. Man sagt, dass man den Mund der Wandjina nicht malen darf, weil sie Regenmacher sind und die Regenbogenschlange deren Lippen versiegelt hat, denn malte man ihn, würde es von da an unaufhörlich regnen. Weiters ist davon die Rede, dass eben diese Schlange in Wasserlöchern lebt und über die kostbarste Lebensquelle Wache hält. Neben Gebrauchsgegenständen und Waffen (Bumerang, Schleudern, Keulen, Speere, Schilde) und den zum Tausch zwischen Gemeinschaften hergestellten Objekten (graviertes Perlmutt, Nachrichtenstäbe) werden in der Ausstellung des MEG «Der Bumerangeffekt. Die Kunst der Aborigines Australiens» Werke gezeigt, welche diese mythologischen Erzählungen veranschaulichen. Unter den Exponaten sind vor allem zwei geschnitzte Baumstämme zu nennen, die Grabstätten und zeremonielle Orte gekennzeichnet haben. Solche in den Museen sehr selten vorhandene Ausstellungsstücke zu zeigen, ist kein leichtes Unterfangen: diese von Siedlern entwurzelten Monumente hatten rituelle Bedeutung und beweisen, dass die Kultur der Aborigines plangemäss zerstört wurde. Damit kommt die Ausstellung darauf zu sprechen, wie das MEG dank der Australien-Sammlungen im Laufe der Zeit einzigartige Bedeutung erlangte. Im Jahre 1963 schicken die Yolngu des Arnhemlandes im Norden Australiens an das australische Parlament eine auf einem Stück Baumrinde verfasste Petition, die einen Text sowie traditionelle Gemälde enthält. Sie versuchen damit, ihre Bodenrechte zurückzugewinnen. Diese Geste führt zu einer Wende der Entscheidungsprozesse und die Aborigines erlangen zum ersten Mal ihr Land wieder zurück und auch politische Rechte. Seit den 1970er-Jahren stellen die Aborigines-Künstler ihre Gemälde mit Akrylfarben her. Die berühmten Motive der «Punkte-Malerei» (dot painting) sind Symbole, um die sakralen Zeichen zu verbergen. Sie sind in erster Linie abstrakt und beschreiben Episoden aus ihren mythologischen Erzählungen. Diese Werke haben sehr schnell weltweite Anerkennung gefunden und haben heute eine bedeutende politische Tragweite. Sie sind aus dem Kampf der Aborigines um die Anerkennung ihrer Kultur und ihrer Rechte nicht wegzudenken. 2 In den Städten gibt es seit Ende der 1980er-Jahre eine Kunstrichtung, die manchmal als «Urban Aboriginal Art» bezeichnet wird. Alle diese Künstler betrachten sich ganz einfach als zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen und stellen gleichzeitig ihre aborigine Identität deutlich in den Vordergrund. Der Künstler Brook Andrew, der im Rahmen dieser Ausstellung vom MEG zu einer Künstlerresidenz eingeladen wurde, ist einer von ihnen. Seine Auftritte und Arbeiten bieten Gelegenheit, durch Zusammenarbeit zwischen dem MEG und gewissen autochthonen Gemeinschaften einen wichtigen anthropologischen Dialog herzustellen. Wie aber sehen Aborigines-Künstler die musealen Arbeitspraktiken, die ihre Kultur in den Mittelpunkt stellen? Brook Andrew gibt uns Antwort, wobei er seinen eigenen Blick auf die Kultur und Geschichte der ersten Einwohner und Einwohnerinnen Australiens richtet. Er erläutert unter anderem die Frage nach den geheimen und sakralen Objekten und lässt dabei bekannte autochthone Persönlichkeiten zu Wort kommen. Michael Cooks Antwort hingegen bezieht sich auf die Unterdrückung seines Volkes, womit er in erster Linie die Gestohlenen Generationen (stolen generations) meint. Es handelt sich um jene Aborigines-Kinder, die ihren Familien entrissen und in Zentren untergebracht wurden, sodass sie keinerlei Zugang mehr zu ihrer traditionellen Kultur hatten. Im Rahmen des Ghostnet Art-Projekts, das in der Ausstellung des MEG auf monumentale Weise präsentiert wird, stellen die Insulaner in der Torres-Strasse Meerestiere aus Resten von Fischernetzen her, die sie im Meer finden. Die autochthonen Künstler sammeln entlang der australischen Küsten diese «Geisternetze» (ghost nets), die eine Plage für das Ökosystem des Meeres sind. Sie verwerten sie neu, indem sie daraus beeindruckende Bildwerke aus schillernden Farben herstellen und damit die Leute auf die Bedrohung aufmerksam machen, die diese Abfälle darstellen. Die Kunst dient also einem ökologischen Zweck. Auch diesmal kooperierte das MEG wieder mit den autochthonen Gemeinschaften, um diese Ausstellung zu organisieren. Dies beweist, dass das Museum bereit ist, den Forderungen der Aborigines und der Insulaner der Torres-Strasse entgegenzukommen, wenn es darum geht, deren Kultur ausserhalb ihres Landes zu präsentieren. Genauso wie der Bumerang an seinen Ausgangsort zurückkehrt, kommt in der Ausstellung «Der Bumerangeffekt. Die Kunst der Aborigines Australiens» die einheimische Bevölkerung erneut zu Wort, womit zwischen den Objekten, ihren Geschichten und den Gesellschaften, aus denen sie stammen, eine Verbindung hergestellt wird. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dient Kunst auch dazu, Forderungen geltend zu machen und einen politischen Kampf zu führen. Mittels allgemeiner Verleumdung war versucht worden, die Aborigines in die heutige australische Kultur zu integrieren und sie ihr anzupassen, wobei die althergebrachten Familienbindungen zerstört wurden. Das hat ihnen so sehr zugesetzt, dass sie nun – ähnlich wie es eben bei einem Bumerangwurf der Fall ist - ihre Identität, ihre Forderungen und eine beispiellose Kreativität in den Vordergrund gestellt haben. Insbesondere Aborigines-Künstler haben sich mit ihren Werken durchaus nicht an vorgeschriebene Modelle gehalten. Sie haben es verstanden, die neuen plastischen Ausdrucksmittel ihres ursprünglichen Zweckes zu entfremden, um ihre Forderungen einen Schritt weiter zu bringen. Szenografie SZENOGRAFIE Die Szenografie dieser Ausstellung wurde von den aus der französischsprachigen Schweiz gebürtigen Designern Adrien Rovero und Béatrice Durandard (Adrien Rovero Studio, Renens) gestaltet. Deren Inszenierung versetzt das Publikum direkt in die Ausstellung rund um die aborigine Kunst Australiens. Sie hält sich dabei an die Massstäbe der zeitgenössischen Kunst: weisse Wände, Neonleuchtschrift und eindeutig bestimmtes Raumvolumen. Die Architektur ist dem Objekt in dem Masse untergeordnet, dass sie sich bis auf ihre verfeinerten Linien zurückzieht. Die Bühnenbildner weisen damit darauf hin, dass in der Kunst der Aborigines keinerlei Unterschied zwischen ethnografischem Objekt und Kunstwerk gemacht wird. Sie verwenden nämlich ein und dieselbe Sprache, um ihre vielfachen Beziehungen zum Dreaming, zum Land, zu den Zeremonien und auch zu den althergebrachten Gesetzen zum Ausdruck zu bringen. In der Ausstellung kommt man gleich zu Anfang in einen weissen, mit Neonleuchten am Plafond durchstrukturierten Raum. Dann entdeckt man eine Reihe weisser, leerer Bilderschienen ohne ein einziges Objekt. Diese Inszenierung ist eine Neuinterpretation des Terra Nullius-Rechtsprinzips («Land, das niemandem gehört »). Damit rechtfertigten die Briten die Kolonialisierung auf Kosten der autochthonen Gemeinschaften, die schon seit mehr als 60 000 Jahren in Australien angesiedelt waren. Hinter diesen Bilderleisten gibt es Vitrinen voller Objekte, Fotografien und Kunstwerke. Das entspricht der Sichtweise der Aborigines, die der unsrigen diametral entgegengesetzt ist. Je länger die Besucher in der Ausstellung verweilen, desto bessser verstehen sie, wie komplex sowohl die Kultur als auch die Traditionen der Aborigines sind. Zwei Visionen, eine koloniale und eine autochthone Vision stehen in diesem ersten Ausstellungsraum einander gegenüber. Sie stehen zwischen den Begriffen voll und leer. Wie in einer Porträtgalerie des ausgehenden 19. Jahrhunderts werden die Vitrinen zu einer Gemäldereihe, die den zweiten Teil strukturiert. Jedes Gemälde zeigt einen Sammler, der einen Beitrag 3 zur Australiensammlung des MEG geleistet hat. Mit der Auswahl der Sammelobjekte