Borghild Holmsens Zweitem Bewerbungsschreiben Um Ein Staatliches Stipendium, Vergeben Vom Kirchen- Und Ausbildungsministeriums (KUD) 1898
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Holmsen, Borghild („Es wird darum gebeten zu berücksichtigen, dass ich no- ch kein Legat oder Stipendium hatte und dass ich, – mit Ausnahme von 3 Studienjahren am Leipziger Konservato- rium meinen Aufenthalt im Ausland allein durch das Un- terrichten in Musik und Sprachen ermöglichen konnte. – Es wäre daher für mich von äußerster Wichtigkeit, ein Jahr ausschließlich meiner Wirksamkeit als Komponis- tin widmen zu können.“) Aus Borghild Holmsens zweitem Bewerbungsschreiben um ein staatliches Stipendium, vergeben vom Kirchen- und Ausbildungsministeriums (KUD) 1898. Zitiert nach Dahm, 1987, S. 118. Profil Borghild Holmsen zählte zu einer Generation komponie- render Frauen, die um die Jahrhundertwende in Norwe- gen selbstbewusst als Komponistin an die Öffentlichkeit trat. Unverheiratet finanzierte sie sich durch eine beacht- liche Konzert- und Kompositionstätigkeit sowie durch die Erteilung von Klavierunterricht. In ihrer zweiten Le- benshälfte war sie darüber hinaus als Musikhistorikerin und Bibliothekarin wirksam. Orte und Länder Die in Kråkstad geborene Borghild Holmsen lebte in der norwegischen Hauptstadt Christiania und spätestens ab 1905 in Bergen, wo sie an der Musikakademie als Klavier- Borghild Holmsen pädagogin arbeitete und ab 1913 die Musiksammlung der Öffentlichen Bibliothek Bergen aufbaute. Ihr Ausbil- Borghild Holmsen dungsweg führte sie an das Leipziger Konservatorium und nach Berlin. Als Pianistin und Komponistin trat sie * 22. Oktober 1865 in Kråkstad (Kommune Ski in nicht nur in Norwegen und Deutschland, sondern auch Akershus), Norwegen in Schweden, Dänemark, England und den USA auf. Für † 4. Dezember 1938 in Bergen, Norwegen ihr Engagement auf dem Gebiet der Musikgeschichte wurde sie auf einem wissenschaftlichen Kongress in Rou- Komponistin, Pianistin, Klavierpädagogin, Journalistin, en als Officier d’Académie ausgezeichnet. Musikkritikerin, Bibliothekarin, Musikhistorikerin, Biografie Dozentin, Sprachlehrerin, Organisatorin Borghild Holmsen wurde am 22. Oktober 1865 auf „Hof „Det bedes bemerket at jeg aldrig har havt noget Legat el- Vevelstad“ bei Kråkstad (Ski) unweit des Oslofjords als ler Stipendium, og at jeg, – med Undtagelse af 3 Stu- Tochter eines vermögenden Großgrundbesitzers gebo- dieaar ved Leipzigerkonservatorium har muliggjort mit ren. Sie war das zweite von drei Kindern der Eheleute Ophold i Udlandet alene ved at undervise i Musik og Thorvald Holmsen (1832-1911) und Jacobine Ludovica Sprog. – Det vilde derfor være af den yderste Viktighed Holmsen, geborene Ellefsen (1833-1880). Schon im Kin- for mig, et Aar at kunne vie mig udelukkende til min Virk- desalter improvisierte Borghild Holmsen am heimischen somhed som Komponist“ Klavier und unternahm erste Kompositionsversuche. Als sie sieben Jahre alt war, verkaufte die Familie den Hof, um nach Christiania (heute Oslo) zu ziehen. In der nor- – 1 – Holmsen, Borghild wegischen Hauptstadt hatte Borghild Holmsen, begüns- stor Betydning for mig for et Aars Tid at kunne ofre mig tigt durch die finanzielle Situation der Familie, die Mög- udelukkende for Komposition uden Lærervirksomhed og lichkeit, eine musikalische Ausbildung bei den namhaf- andre Gjøremaal“ („Es wäre für mich von größter Bedeu- testen Musikpädagogen des Landes aufzunehmen. Kla- tung, mich für ein Jahr ausschließlich der Komposition vierunterricht erhielt sie bei Agathe Backer Grøndahl, ihr widmen zu können, ohne Unterrichten und andere Tätig- Lehrer in Theorie war Otto Winter-Hjelm. Die genauen keiten”, zitiert nach Dahm, 1987, S. 121f.). Insgesamt Zeiträume des Unterrichts sind nicht bekannt. Im Herb- acht Bewerbungsanträge aus dem Zeitraum von 1890 bis st 1886 begann Borghild Holmsen ein Musikstudium am 1906 scheiterten. Borghild Holmsen reiste dennoch nach Konservatorium in Leipzig. Zahlreiche Norwegerinnen Leipzig, wo sie sowohl als Pianistin als auch als Pädago- und Norweger hatten hier bereits studiert, u. a. Pauline gin in Erscheinung trat. Solberg, Edvard Grieg und Johan Svendsen. Holmsen er- hielt dort Unterricht u.a. von Oscar Paul (Musikwissen- Mehrfach machte sich Holmsen mit Konzertprogram- schaft), Carl Reinecke (Klavier und Ensemblespiel) und men bemerkbar, die ausschließlich aus eigenen Komposi- Salomon Jadassohn (Theorie und Komposition). Nach- tionen bestanden, so erstmals bei einer Matinee am 8. dem sie das Studium im Frühjahr 1889 beendet hatte, Dezember 1895 im „Blüthner-Saal“ in Leipzig, aber auch vervollständigte Holmsen ihre musikalische Ausbildung in ihrem Heimatland im Brødrene Hals Konsertlokale in in Berlin, wo sie vermutlich privat bei dem sehr begehr- Christiania im März 1898. Neben Liedern und Klavier- ten Kompositionslehrer Albert Becker studierte. Den Stu- werken stand ihre Violinsonate D-Dur op. 10 mit Gustav dienaufenthalt in Deutschland finanzierte sie sich durch Lange als Solist auf dem Programm. Sie selbst übernahm die Erteilung von Musik- und Sprachunterricht. In die- den Klavierpart. Außerdem ging sie gemeinsam mit dem sem Zeitraum entstanden bereits erste Kompositionen, Violinisten Arve Arvesen auf eine längere Konzert- die im Rahmen von studentischen Vortragsabenden zur tournee (vgl. Dahm, 1987, S. 118). 1904 organisierte sie – Aufführung kamen, so z.B. ihre Violinsonate in G-Dur. möglicherweise mit Blick auf ihre nächste Bewerbung Bei ihrem offiziellen Debütkonzert in ihrer Heimat im um ein Stipendium – einen Abend mit ausschließlich ei- Jahre 1890 in Brødrene Hals’ Konsertlokale in Christia- genen Kompositionen, was zu dieser Zeit in Norwegen nia stand die norwegische Erstaufführung eben dieser noch ein recht seltenes Konzertformat war. Hier wirkten Violinsonate im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es han- Karl Hagmann (Gesang), Harald Heide (Violine) und delt sich dabei um eine der ersten öffentlich aufgeführ- Nanne Storm (Klavier) mit (vgl. Dahm, 1987, S. 119). ten kammermusikalischen Kompositionen aus der Feder einer Frau, die in der Hauptstadt von der Musikkritik 1905 nahm Borghild Holmsen eine Stelle an der Torgrim wahrgenommen wurden. Castberg Musikakademie in Bergen an. Am 1. September desselben Jahres gegründet, war dies die erste institutio- In den darauffolgenden Jahren war Holmsen als Konzert- nalisierte Musikausbildungsstätte Bergens, aus der spä- pianistin aktiv, trat in Norwegen, Schweden, Dänemark, ter die noch heute bestehende Grieg-Akademie (ehemals Deutschland, England und in den Vereinigten Staaten das Musikkonservatorium Bergen) hervorging. Holmsen auf (vgl. Michelsen, 1979, S. 403). Auch während dieser verlagerte damit ihre Wirkungsstätte von der Hauptstadt Tätigkeit waren die Einnahmen aus ihrer pädagogischen in die Hansestadt Bergen, deren Musiklandschaft sie auf Arbeit unabdingbar. Ihr Bedürfnis, sich auf die Erweite- verschiedenen Feldern nachhaltig prägte. Sie unterrichte- rung ihrer Kompositionsfähigkeiten zu konzentrieren, äu- te zahlreiche StudentInnen, die nach der Ausbildung als ßerte sich in zahlreichen Bewerbungsversuchen um staat- BerufsmusikerInnen tätig waren, darunter Harald Sæve- liche Künstler- und Reisestipendien des Ministeriums rud. Vermutlich in diesem Zusammenhang begann sie für Kirche und Ausbildung (KUD). Aus einem Bewer- nun auch, musikwissenschaftliche Vorträge zu halten, bungsschreiben an das Stipendienkommitee (bestehend von denen 27 Manuskripte zu musikhistorischen The- aus Erika Lie Nissen, G. Röhn, Ole Olsen, Iver Holter, Ch- men im Archiv der Öffentlichen Bibliothek Bergen erhal- ristian Cappelen und Theodor Lammers, vgl. KUD ten sind. Sie zeugen von Holmsens Versuch, einen Über- Ed-0125) aus dem Jahr 1901 geht hervor, dass sie ihre er- blick über die norwegische und europäische Musikge- ste Orchesterkomposition, ein nicht näher spezifiziertes schichte zu geben. 1911 nahm Borghild Holmsen an ei- Vorspiel, vorlegte (vgl. Dahm, 1987, S. 118). Bei ihrer nem wissenschaftlichen Kongress in Rouen teil, bei dem siebten Bewerbung 1905 schrieb sie: „Det vilde være af sie über traditionelle norwegische Musik referierte. Für – 2 – Holmsen, Borghild ihre Verdienste auf dem Gebiet der Musik(geschichts)ver- schließlich Texte des norwegischen Dichters Vilhelm mittlung erhielt sie in Frankreich eine hohe Auszeich- Krag. Ihre Klavierstücke können als Natur- bzw. Stim- nung (Ordre des Palmes Académiques) und wurde zum mungsbilder beschrieben werden, die in ihrer harmoni- „Officier d‘Académie“ ernannt . Auch journalistisch betä- schen und melodischen Gestaltung ebenso einfallsreich tigte sie sich; sowohl unter ihrem eigenen Namen als wie vielseitig sind. Weitgespannte Akkorde, Chromatik, auch unter dem Pseudonym Musica entstanden zahlrei- überraschende Melodiewendungen und Harmoniewech- che Artikel und Rezensionen, u.a. für die Zeitungen „Ar- sel sowie Anklänge an die sogenannte norwegische Volks- beideren“, „Bergen Arbeiderblad“ und das Frauenmaga- musik sind charakteristisch für ihren Stil. Ihre Komposi- zin „Urd“. Sie schrieb Porträts u.a. über Gina Oselio, tionen für Violine und Klavier zeugen von einem hohen Fridtjof Backer-Grøndahl, Johan Halvorsen, Arve Arve- künstlerischen Anspruch, orientieren sich deutlich an sen und Ole Bull. Bedeutende Arbeit leistete Holmsen der Gattungsnorm und zielen auf besondere Klangwir- auch für die Öffentliche Bibliothek Bergen, deren musika- kung. lische Abteilung sie ab 1913 sichtete und systematisierte. Ein zweiter Aspekt, der bei der Beschäftigung mit Borg- hild Holmsen in den Vordergrund rückt, ist die Diskre- Auch wenn sie sich nicht ausschließlich auf das Kompo- panz, die sich aus ihrer Rolle als Frau und Komponistin nieren konzentrieren konnte, wie es mit Blick auf