Von Carola Nach Detlef
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SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst Johann Friedrich Cotta Verleger, Hotelier und Unternehmer Autorin: Ruth Jakoby Redaktion: Anja Brockert Regie: Maria Ohmer Sendung: Donnerstag, 19. November 2009, 8.30 Uhr, SWR 2 Wissen Wiederholung: Donnerstag, 27.01.2011, 8.30 Uhr, SWR 2 Wissen _________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-6030 Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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O-Ton 01 Fischer Ich denke, dass der Cotta-Verlag ein Anlass ist, um 350 Jahre Gelehrtenrepublik, Gelehrten-Geschichte, Literaturgeschichte einfach zusammenzufassen. Zitator: Bernhard Fischer, Cotta- Forscher. Regie: Musik Ansage: Johann Friedrich Cotta – Verleger, Hotelier und Unternehmer. Eine Sendung von Ruth Jakoby. Zitator: Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf, Herr der Herrschaft Plettenberg, Hipfelbeuren, Hohenkammer und Giesing, königlich bayerischer Kammerherr, königlich preußischer geheimer Hofrat, Abgeordneter der Ritterschaft im Schwarzwalde, Vizepräsident der württembergischen Kammer der Abgeordneten ... (Regie: langsam ausblenden) Ritter des Civil-Verdienstordens der bayerischen Krone … und so weiter, und so weiter ... Sprecherin: Der Cotta-Verlag feiert in diesem Jahr seinen 350. Geburtstag. Er war … O-Ton 02 Fischer … als Kombination von Medienkonzern und Literaturverlag unter Johann Friedrich Cotta so etwas wie die Kombination von Bertelsmann und Suhrkamp. Regie: Musik wegblenden Sprecherin: 3 Johann Friedrich Cotta, geboren 1764, gestorben 1832, war das Kind einer Epoche, die Chancen bot wie kaum eine andere. Und Cotta erkannte seine Chancen und nutzte sie. Freiheit war das Thema seiner Zeit. Erstmals war die Bevormundung durch Kirche und Könige gebannt, dafür hatten die Aufklärung und die Französische Revolution gesorgt. Cotta hatte eine breite Ausbildung, war Jurist und Mathematiker, was ihm sicher half, sein großes Verlagsimperium aufzubauen und den Überblick über seine zahlreichen Wirtschaftsunternehmen zu behalten. Technische Neuheiten faszinierten ihn. Sein Freund Schiller erhielt von ihm einmal einen Blitzableiter als Geschenk. Er war ein Liberaler im besten Sinne des Wortes: Er setzte sich für Gedankenfreiheit, Pressefreiheit und unternehmerische Freiheit ein. Ein klassischer Selfmade-man. Geist und Geld waren für ihn kein Widerspruch, sondern nur zwei Seiten einer Medaille. O-Ton 03 Mojem Was hier liegt, ist gewissermaßen das Gründungsdokument des Cotta-Verlages. Es ist das Gesuch von Johann Georg der Erste Cotta um das Tübinger Bürgerrecht. Er hatte eine Buchhändlerswitwe, die des Johann Philibert Brunn, geheiratet und bat um das akademische Bürgerrecht, um die Nachfoge Brunns in Tübingen anzutreten. Mit diesem Aufnahmegesuch, das bald positiv beschieden wurde, beginnt die Geschichte des Cotta- Verlags. Sprecherin: Helmut Mojem leitet im Marbacher Literaturarchiv die Cotta-Abteilung. [Aus diesem 350 Jahre alten Verlagsarchiv, das Dokumente, Briefe und Aufzeichnungen aus dem Geschäftsverkehr mit Goethe und Schiller, Heinrich Heine, Alexander von Humboldt und vielen anderen aufbewahrt, ist das Deutsche Literaturarchiv hervorgegangen.] Der Cotta-Verlag war ein Universalverlag. Es gab in seiner Blütezeit im 19. Jahrhundert keinen Bereich des menschlichen Wissens, zu dem er nicht Bücher oder Zeitschriften auf den Markt brachte. Von der Theologie zur Technologie, von der Jurisprudenz bis hin zur Forstwirtschaft. Zum Programm gehörten unterhaltsame und einfühlsame Damenalmanache ebenso wie die damals beste Tageszeitung des deutschsprachigen Raumes, die „Neueste Weltkunde“, die später in „Allgemeine Zeitung“ umbenannt wurde.] O-Ton 04 Fischer Was könnte man dem an die Seite setzen? Von der medialen Vielfalt war es wohl so eine Art Bertelsmann-Verlag. Was jedoch den Cotta-Verlag berühmt gemacht hat, das ist die Literatur, die Klassiker, das ist dann so eine Art Suhrkamp-Verlag. Sprecherin: Bernhard Fischer ist Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar. Zuvor hat er sich viele Jahre in Marbach mit dem Cotta-Verlag befasst. Zunächst deutete nichts darauf hin, dass dem Verlag unter Johann Friedrich Cotta eine Blütezeit beschert werden sollte. Der junge Mann musste tief in die Tasche greifen, um den kleinen Betrieb von seinem Vater zu übernehmen. Er investierte einen kleinen Lotteriegewinn, machte einen Berg Schulden und lief in den Anfängen aus Sparsamkeit schon mal zu Fuß von Tübingen zur Buchmesse nach Leipzig. O-Ton 05 Fischer 4 In Tübingen fing’s an, mit einem Studium, er studierte die Rechte, dann bot ihm der Vater an, den Buchladen und Verlag zu übernehmen, das hat er dann gekauft – das war das Jahr 1787. Eigentlich wollte er anderes machen zunächst. Dann wurde er doch nur Verleger – der größte halt. Atmo 2: Geläute Stiftskirche Sprecherin: Auch der Tübinger Journalist Hans Joachim Lang hat sich mit Johann Friedrich Cotta befasst und über seine Tätigkeit als Zeitungsverleger ein Buch veröffentlicht. Hans Joachim Lang führt uns ins Tübinger Zentrum, zur Stiftskirche: Atmo 2: Geläute Stiftskirche noch einmal hoch O-Ton 06 Lang Wir sehen heute zwei sehr schön restaurierte Häuser, die in etwa auch den Zustand wiedergeben, wie er zu Zeiten Cottas gewesen war – das eine Haus ist zweistöckig, das andere dreistöckig, das war eigentlich das Zentrum des Cottaschen Imperiums ... hier hat Cotta gewohnt, hier war die Buchhandlung. (…) Atmo 2 Geläute (Kreuzblende) Atmo 3 Schritte Treppe Cotta-Haus O-Ton 07 Lang Es war ein heruntergekommenes Geschäft, seine Brüder hatten zunächst versucht, dieses Geschäft flott zu machen, aber sie hatten das eher mit linker Hand getan. Erst mit Cotta ist der eigentliche Aufschwung zu verzeichnen. Musik Zitator: Ich war bei Cotta, dem ich meinen Empfehlungs- und Kreditbrief übergab. Ich glaubte meinen Augen nicht, als ich nach der Cottaschen Buchhandlung fragte und man mich in ein Lädchen wies, wo ich mich fast schämte einzutreten; so winzig, so eng, so schmucklos habe ich neue Bücher noch nie wohnen sehen, alte wohl! Und noch dazu ist dies der Ort, wo Schiller und Goethe recht eigentlich zuhause sind, von wo sie ausgehen. Der eine emsig beschäftigte, und dennoch gutmütig aufmerksame Diener, den ich traf, lächelte über meine Befremdung, und geleitete mich, da ich den Herrn Doktor sprechen wollte, zwei schmale Stiegen hinauf. Sprecherin: So berichtet der Journalist Karl Varnhagen von Ense im Jahr 1808. Musik Sprecherin: 5 In dem spitzgiebeligen Fachwerkhaus führt eine solide Holztreppe nach oben. Die Wohnungen sind vermietet, im Erdgeschoss befand sich lange Zeit eine Buchhandlung – ganz in der Tradition Cottas. Erst vor kurzem eröffnete hier ein Münzkabinett. Atmo Treppe Cotta-Haus Zitator Hinauf in ein enges Stübchen, wo es aber doch etwas elegant aussah, sogar ein Sofa breitete sich hinter einem Tische, das einzige bis jetzt, das ich in Tübingen zu sehen bekomme, denn Studenten und Professoren haben so schwelgerische Gewohnheiten nicht. Cotta trat ein, ein hagerer Mann, lebhaft, geschmeidig in eckigen Manieren, in schwäbischer Gemächlichkeit rasch, er war prompt, artig, und meinen Wünschen zuvorkommend, hatte aber viel zu tun, daher ich ihn bald wieder verließ. (Karl Varnhagen von Ense, nach Lieselotte Lohrer: Cotta in Tübingen, Tübinger Kataloge 4, 1959. S. 29) Sprecherin: Varnhagen von Ense schildert hier eine typische Szene, denn Johann Friedrich Cotta hatte immer viel zu tun. Er war stets „in Eile“ – mit diesen Worten unterschrieb er Tausende von Briefen, die er im Laufe seines Lebens verfasste. Geschäftsbriefe, die kaum persönliche Spuren aufweisen. Für Privates war keine Zeit. Der blasse, hagere Mann mit den feinen Zügen, der hohen Stirn und den gütigen Augen – so zeigt ihn ein Portrait des Malers Karl Jakob Theodor Leybold aus dem Jahre 1824 – kannte keine Muße. Er dirigierte eine rasch anwachsende Holding, wie wir heute sagen würden. Eine wahre Herkulesarbeit, denn den technischen Komfort unserer Zeit gab es damals noch nicht. Cotta hetzte in der Kutsche von Tübingen nach Stuttgart, von Stuttgart nach Berlin, von dort nach Leipzig, München und Wien. Überall hatte er zu tun, überall war er gefragt. Der rasende Schwabe – ein Geschäftsmann, der