Historie Aus den Erinnerungen eines Fernaufklärers Max Lagoda (geb. am 23.01.1920 in Hatte man die Morsezeichen verinnerlicht, Vaterfigur war, als ein Vorgesetzter. An Bord Bockum, gest. am 1. April 2016 im Alter wurde auf Schnelligkeit trainiert, sowohl Klar- spielte der Dienstgrad keine Rolle - im Ein- von 96 Jahren) beschäftigte sich bereits texte wie auch verschlüsselte Texte. Täglich - satz waren sie gleich. Bis der Marschbefehl in seiner Schulzeit mit dem Modellbau von stundenlang. Mit wöchentlichen Prüfungen, bei kam, wurde weiter trainiert, um nichts zu ver- Segelflugzeugen. Er überlebte 161 Fern- denen Fehler nicht erlaubt waren. gessen. Dies geschah auf der Do 17, die Max aufklärereinsätze. Der Krieg schien noch in weiter Ferne. Lagoda wie folgt beschreibt: „... Sie wurde Wie alle seines Alters war er „verrückt“ nach Sein erster Dienstgrad war Funker bei der auch der „fliegende Bleistift“ genannt. Die der Fliegerei. Aber bevor es zum Militär ge- Luftnachrichtentruppe, dennoch war es für ihn Maschine war schlank und hatte zwei Seiten- hen konnte, mußte jeder sein halbes Jahr schwer einen Ausbildungsplatz als Bordfun- leitwerke. Als Funkgerät war sie schon mit dem beim RAD in Lachen-Speyerdorf, Pfalz, ablei- ker zu ergattern. In der Luftnachrichtenschule FuG X ausgerüstet und hatte auf der Kurz- sten. Halle/Saale begann er einen Lehrgang, der in welle eine enorme Reichweite.“ Die militärische Laufbahn begann am Königgrätz/Tschechei am 31.8.1940 endete. Am 21.03.1941 begann für Max Lagoda der 14.4.1939 bei der 6./LN.Rgt.2 (6. Kompanie, Die ersten Übungsflüge begannen am Fronteinsatz - er spricht von einem Unglücks- Luftnachrichtenregiment 2) in Münster- 23.4.1940 auf Fw 58 Weihe, Ju 52 und Ju 86. tag. Von nun an gab es täglich dienstliche Flü- Gremmendorf unweit von Zuhause. Hier war Dabei wurde vor allem das Funken (Hören und ge, oftmals auch zwei am Tag mit Ziel Wei- er unter Gleichgesinnten. Alle wollten Flieger Geben), Navigation, Wetter- und Gerätekunde mar, Jena oder Gotha. werden. Neben dem militärischen Drill gab es sowie sonstiger Funkunterricht vermittelt. Hin- Als er auf Staffelkapitän Hptm. Klinkicht traf, auch theoretischen Unterricht. zu kamen die Q-Gruppen - dies sind wichtige fand dieser ihn so sympathisch, daß Max Max Lagoda fand Gefallen am Funken und Schlüssel, z.B. QAB= bin unterwegs, QTR= Lagoda von da an sein Bordfunker wurde. so ebnete sich sein Weg zum Bordfunker. Uhrzeit. Nach den ersten Nacht- und Schlecht- Es kam vor, daß Klinkicht Max Lagoda am wetterflügen merkten die ersten, daß es gar Zielort 20 Reichsmark in die Hand drückte und nicht so einfach war, Bordfunker zu werden. sich von ihm verabschiedete und am Montag Max Lagoda erwies sich als schneller und früh, 8.00 Uhr an der Maschine verabredete. fehlerfreier Funker, worauf er auch stolz war. Weiterhin standen Höhenflüge, Bildflüge Seine Ausbildung ging in der Fernaufklärer- oder gar taktische Aufklärung im Norden zur schule Gotha und in der Blindflugschule Wien- Ostsee oder in Richtung Osten oder Süden Aspern weiter bis zum 11.01.1941, an dem die an. Max Lagoda mußte oft die Besatzung Prüfung anstand auf FuG IIIa. Nach mit Bra- wechseln, an den Wochenenden stand er vour bestandener Prüfung ging es zur Ergän- Hptm Klinkicht zur Verfügung. So kam für ihn zungsaufklärungs-Gruppe (F) OB.d.L. (=Ober- keine Langeweile auf und mit 20 Reichsmark befehlshaber der ) Berlin-Döbritz. zusätzlich in der Tasche ging es ihm wesent- Hier erhielt Max Lagoda sein Fliegertätigkeits- lich besser als manch einem Landser. abzeichen als Bordfunker und Fliegerschütze. Die Zeit bei der Ergänzungseinheit Ober- Die Ob.d.L. war die Ergänzungseinheit für den befehlshaber Luftwaffe Döberitz erstreckte Fronteinsatz, d.h. fiel irgendwo eine Besatzung aus, kam Ersatz aus Berlin-Döbritz mit Marschbefehl zum Fronteinsatz. In Döberitz gesellte sich zu Max Lagoda und Walter Klink Oberleutnant Willi Geßner aus Leipzig, der - 1907 geboren - eher eine Die Q-Gruppen sind wichtige Schlüssel, z.B.: QRM = Beeinträchti- gung durch Störungen, verursacht durch andere Der Funkverkehr wird auf Schnelligkeit und Stationen. Fehlerfreiheit geübt, geübt, geübt....

„Präsentiert den Spaten!“ - zunächst geht es zum obligatorischen Dienst beim RAD.

Im Drillichanzug wird ein von der Küche ausgelöster Waldbrand gelöscht. Angst kennen die Jungs noch nicht. Erst später erfahren Max Lagoda und seine Kamera- den von den Munitionsbunkern in unmit- telbarer Nähe. Für diesen Einsatz bekommt er das Westwallabzeichen. Die Bodenfunkstelle.

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Drei Bordfunkerschüler: Gustav Pia, Leo Schmid, Max Lagoda Ltn Kropp und Walter Klink. sich von Flug Nr. 58 am 28.01.1941 bis zum und die Fahrbereitschaft der neuen Einheit - verbände flogen nur noch nachts Bombenan- Flug Nr. 76 am 02.05.1941. 2.(F)/Ob.d.L., Feldpost-Nummer L 14354, Luft- griffe. Für die Fernaufklärer, von denen meh- gaupostamt Paris - schickte sofort einen Pkw rere Staffeln um Paris angesiedelt waren, wur- Versetzung nach Paris-Orly zum Bahnhof heraus. Untergebracht war die de es schwieriger, Wirkunsbilder zu erfliegen zur 2.(F)/Ob.d.L. ganze Einheit in einem sehr geräumigen und sie mußten dafür immer weitere Strecken Am 47. Geburtstag seines Vaters (Erster Schloß in Athismont. Ein Nebehaus war dem zurücklegen. Von denen, die dann als vermißt Weltkriegs-Veteran mit EK II, Unteroffizier bei fliegenden Personal, wie Unteroffizieren, Feld- galten, wußte man nichts. den Pionieren), am 05.05.1941, war es dann webeln usw., vorbehalten. Die Engländer hatten ihr Abhörsystem so soweit. Das Geburtstagsgeschenk von Max Am nächsten Tag gab es eine Begrüßung dicht und gut ausgebaut, daß sie ein feindli- Lagoda war für die Zeit typisch - eine Geburts- und Belehrung durch den Staffelkapitän der ches Flugzeug anpeilen und die Position be- tagskarte, ein Brief und ein Foto, das selbst 2. Staffel, Hauptmann Pritzel. Wörtlich sagte stimmen konnten, sobald der Sender benutzt Eltern mit Stolz erfüllte, die den Sozialdemo- er: „Hier im Ausland ist vieles anders. Wir sind wurde. Der Funkverkehr wurde folglich auf den kraten nahe standen und nie in die Partei ein- für die Franzosen Feinde, aber wir verhalten Notfall beschränkt. Es wurde nur eine letzte traten, so wie die Lagodas. uns freundlich und korrekt“. Nachricht übermittelt oder der Angriff feindli- Noch am selben Tag mußten alle Dienst- Max Lagoda und seine Kameraden wuß- cher Jäger. Kam doch ein Aufklärer durch, sachen - Fliegerkombi, Kopfhaube, Kartenma- ten um die Verluste der letzten Zeit und die schickten die Engländer 80 bis 100 Jäger in terial, Knemeyer (Navigationsbesteck) - abge- Berichte über das Grauen des Kriegsalltags, die Luft, um ihn abzufangen. geben werden und es blieb nur der Privatbe- trugen nicht gerade dazu bei, sich auf die be- Die Nachtfliegerei per Blitzlicht steckte sitz, der sofort abgeschickt wurde. Am vorstehende Einsätze zu freuen. Aber nun gab noch in den Kinderschuhen und kam nur ge- 06.05.1941 ging es per Marschbefehl in Rich- es kein Zurück mehr. legentlich zum Einsatz. tung Frankreich, nach Paris per Bahn. In dieser ruhigen Wohnanlage in der Nähe Die Ob.d.L. Fernaufklärerstaffeln hatten Die Besatzung wurde zu Hptm. Klinkicht von Paris traf Max Lagoda viele Bekannte aus schon zu Friedenszeiten viele Aufklärungs- beordert. Es gab letzte Anweisungen für den seiner Ausbildungszeit wieder. Einige hatten flüge - auch in Zivil in großen Höhen - vor al- bevorstehenden Fronteinsatz. Der Flugzeug- bereits Fronterfahrung, EK II oder einige älte- lem in Polen, Tschechoslowakei, Rumänien, führer Leutnant Walter Froschauer, ein Öster- re sogar EK I, Spanienkreuz und Frontflug- allen Balkanstaaten und in der damaligen reicher aus Innsbruck, traf erst nach ein paar spange für Fernaufklärer. Er erfuhr, daß nicht UdSSR, getätigt, um für den kommenden Tagen Urlaub in Paris ein. Mit dem Beobach- nur fliegerisches Können sondern auch viel Krieg genügend Kartenmaterial zu haben. ter Feldwebel Alfred Pohl, einem Lübecker, Glück dazugehörte. Anfang bis Mitte Mai wa- Max Lagoda erfährt, daß Soldaten bei Be- machte sich Lagoda auf den Weg. Unterwegs ren die Verluste gerade bei den Einsätzen über fehlsverweigerung, vor ein Kriegsgericht ge- ließ er seine Privatsachen bei seinen Eltern. England sehr hoch - von vier Maschinen, die stellt wurden, und erlebte das sogar später In Paris nach scheinbar endloser Bahnfahrt nach England flogen um Wirkungsbilder zu selbst mit. angekommen, meldeten sie sich telefonisch machen, kehrten drei nicht zurück. Die Kampf- Chef der Einheit, Hptm. Pritzel, war gradli-

In Königgrätz 1940. In der Ju 52 am FuG 3a. Bordfunkerschüler.

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215, eine Ju 52 und ein Sportflugzeug, ein „Stieglitz“ - letzteres für die Flugzeugführer zur Übung und zum Kunstflug. Max Lagoda machte mit FF Heinemann am 13.05.1941 seinen ersten Flug - ein Werkstatt- flug nach einer erfolgten Reparatur. Dabei ging es bis auf 8.000 m Höhe. Beides - die Höhe und der Flugzeugtyp - waren für Max Lagoda neu. Das gab einen Vorgeschmack auf die Aufklärungseinsätze über England. Max Lagoda wurde zu Flügen über Flug- häfen, Seehäfen und zerstörte Ziele in den Rüstungszentren und zwischendurch zu Werk- statt- oder zu Überlandflügen mit jeweils wech- selnden Flugzeugführern, eingeteilt. Der 20.05.1941 konfrontierte Max Lagoda zum ersten Mal mit dem ganzen furchtbaren Ausmaß des Krieges. Er flog mit Ofw. Puls nach Cherbourg, wo eine Do 215 nach einem Fleindflug notgelandet war. Der Bordfunker, Sepp Lindorfer, war im Luftkampf gefallen, die anderen drei Besatzungsmitglieder waren schwer verletzt und vorerst nicht einsatzfähig. Sepp Lindorfer hatte man bereits aus der ha- varierten Maschine geborgen, als Max Lagoda und Ofw. Puls sie inspizierten. Der Innenraum der Do bot ein entsetzliches Bild voller Blut, Fleischfetzen am Funkgerät und Bordfunker- sitz, der Sitzfallschirm durchlöchert und blut- getränkt, die Stahlschutzplatten verbogen und ebenfalls durchlöchert. Die Außenhaut der Do von Einschußlöchern durchsiebt und es schien fast ein Wunder, daß sie noch bis Cherbourg gekommen war. Dieses Bild vor Augen ver- schlug Max Lagoda den Appetit und der Ein- satzbefehl am nächsten Tag ließ ihn regelrecht krank werden. Doch das alles half nichts - nun mußte er sich auch einreihen. Doch die „Neuen“, zu denen auch Max Fahrwerk einer Do 17 Z.Lagoda gehörte, wurden zunächst nur einge- Prüfung bestanden, Berlin 1941. nig, väterlich, vorbildlich und tapfer und ging teilt zur Vorbereitung. Dazu gehörte die Ma- Die Sauerstoffmasken wurden in ca. 3.000 m stets mit gutem Beispiel voran. Er machte es schine startklar zu machen, nachdem man Höhe angelegt. vor und seine Leute eiferten ihm nach. Die eine benannt hatte. Das Wetter bereitgelegt, Die Maschine hielt zunächst den Kurs weit schwersten Aufträge flog er selbst mit seiner der Kurs bestimmt und der Kompaßkurs und seitlich über das Ziel hinaus, um es dann aus Chefbesatzung, FF Ofw. Erwin Heinemann, BF die Flugzeit berechnet. Die Taktik - mußte fest- taktischen Gründen von der anderen Seite aus Ofw. Gerhard Hoppe und Bordschütze Fw. gelegt werden, d.h. wie das Ziel anzufliegen anzufliegen. Glasgow wurde in einer Höhe von Heinz Haus. Hptm. Pritzel selbst übernahm die wäre. Der erste Wart bremste die Maschine 7800 m angeflogen. Ab einer Höhe von 6500 Funktion als Beobachter, der gleichzeitig der auf Vollast ab und mußte sein OK geben, der m bildeten sich verräterische Kondensstreifen, Kommandant der Maschine war. Bild- und Waffenwart, sowie der Funk- und der sowohl bei den Aufklärern, wie auch bei den Die Einheit verfügte über eigene Techni- Fallschirmwart mußten ebenfalls der Besat- Jägern. Diese Maschinen mit einer vierköpfi- ker und sogar eine Flugzeugwerft für jede Art zung melden, daß alles in Ordnung wäre. gen Besatzung waren für die Jäger eine leichte der Reparatur bis zum Motorwechsel. Es erging der Auftrag: „Vom Hafen und der Beute. Man mußte sich also mit den vorhan- Zur Verfügung standen Ju 88, einige Do Stadt Glasgow ein Wirkungsbild zu machen“. denen Bordwaffen und einigen Tricks wehren. Diesen übernahm der Chef Hptm. Pritzel mit Hptm. Pritzels Staffelmaschine wurde von Heinemann, Hoppe und Haus selber. Startzeit den Engländern schon beim Anflug entdeckt war 04.00 Uhr. Die Besatzung wurde geweckt, und durch Flak begrüßt. Die Flugplätze wur- bekam ein leichtes Frühstück und wurde zum den vorgewarnt - auch Glasgow - und erste Flugplatz gefahren. Sie legten Fallschirm und Jäger steigen auf. Es gelang Pritzel dennoch Schwimmweste an, überprüften nochmals alle sich, bei wolkenlosem Himmel dem Hafen zu Geräte und nahmen Kurs auf die Irische See.

Georg Schnell erstmals am Steuerknüppel.

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Das Staffelwappen (Anfang 1940 von Mj. Prager entworfen) der 2.(F)/Ob.d.L. (03.1940 - 27.01.1943), 2.(F)/100 (27.01.1943 - 26.03.1945), FAGr 3 (26.03.1945 - 12.04. 1945). • Kennung: VB+K_ (03.1940- 12.1941); T5+_M (01.1942-07.1942); T5+_K (07.1942 - 04.1945). • Staffelkapitäne: Mj. Die Ju 88 hatte 4 MG 15 an Bord, die über Feindgebiet immer entsichert und feuerbereit Wenz ab 01.1939; Mj. Prager ab 03.1940; waren. Ein MG befand sich in der Bodenlafette (Bola) an der Rumpfunterseite, das nach Hptm. Pritzel ab 05.1940; Hptm. Klett ab hinten schießen konnte. Dieses bediente Bordmechaniker Karl Lässig. Je eines rechts und 03.1943; Hptm. Hensel ab 04.1943; Hptm. links oben am Rumpf - eines wurde vom Bordfunker, eines vom Bordschützen oder Beob- Pöppler ab 10.1944; Mj. Schwartz ab achter bedient. Das war abhängig von der jeweiligen Lage, denn der Beobachter konnte 03.1945. • Auf der Insel England wird der auch noch eines nach vorne bedienen. Auf diesem Foto ist das Staffelwappen zu sehen. englische Löwe, dem vor Wut die Tränen runterlaufen, entdeckt und vom deutschen ßen. Die Jäger mußten nun abdrehen und die te der Besatzung am nächsten Tag eine na- Adler (= Fernaufklärer) fotografiert. • Das Ju 88 ziehen lassen, die über eine wesentlich mentliche Nennung der gesamten Besat- Staffelwappen befand sich auch auf den größere Reichweite verfügte. zung im Wehrmachtsbericht des O.K.W. Kotflügeln vorne links der Kraftfahrzeuge. Aber auch die Besatzung der Ju 88 mußte (Oberkommando der Wehrmacht) ein - damals den Rückflug kalkulieren. Der Weg nach Nor- auch eine hohe Auszeichnung: „Die Besat- nähern und einige Aufnahmen zu machen. An wegen war länger, so beschloß Pritzel Kurs zung eines Aufklärungsflugzeuges mit Haupt- einigen Stellen waren noch kleine Brände. Das Richtung Süden in respektvoller Entfernung mann Pritzel, Feldwebel Heinemann, Feldwe- plötzliche Verstummen der Flak zeigte an, daß von England aufzunehmen, um irgendwo an sich jetzt Jäger dem Aufklärer näherten. Die- der Küste zu landen. Per Funk wurde dies se waren gefährlicher als die Flak und der übermittelt. Der Flug blieb ereignislos bis kurz Auftrag mußte sofort abgebrochen werden. vor der holländischen Küste, wo ein Motor Die Ju 88 drehte nach Nordosten ab und zerschossen, der Bordfunker Hoppe und Flug- suchte das Weite, während die Jäger an ihr zeugführer Heinemann verletzt wurden. Letz- hingen. Sie gab per Funk JJJ und NO durch - terer konnte aber noch mit dem verbleiben- d.h. fliegen Richtung Osten von drei Jägern den Motor über die Wolken ziehen und nahe verfolgt. Durch Sturzflug wurde die Geschwin- der holländischen Insel Texel im seichten digkeit erhöht, aber die Höhe verlassen. Der Wasser notlanden. Der Auftrag war erfüllt und Kurs grob Richtung Norwegen wurde beibe- trotz der 150 Treffer an der Maschine blieb das halten bis sie über der Nordsee waren. Hier Bildgerät unbeschadet. Hptm. Pritzel selbst hatten sie bereits einige Treffer abbekommen, barg es und die Filmauswertung ergab Auf- aber es gelang keinem Jäger sie abzuschie- nahmen vom Hafen und der Stadt. Das brach- Caudron C 445, G2+NH.

Lagoda, Pohl, Lässig und Froschauer vor dem ersten Feindflug am 22.06.1941. Max Lagoda erinnert sich später: „Walter Froschauer hatte seine Mühle gut im Griff. Nur bei der Landung haperte es noch. Nach dem Aufsetzen sprang die Maschine immer mehrere Male rauf und runter. Wir ärgerten ihn dann und sagten in die Bordsprech- anlage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Don- nerstag usw., am Wochenende rollte die Maschine aus und die Erde hatte uns wie- der. Es war geschafft.“ Oberleutnant Froschauer schaffte zwar den Absprung von der Front und ins rückwär- tige Gebiet, aber bei seiner letzten Aufga- be, eine Ju 88 von Deutschland (Dessau) nach Odessa zu überführen, kollidierte er am 20.07.1944 (Attentat Stauffenberg) mit einem Berg. Beide Besatzungsmitglieder fanden den Tod.

4/16 5 Historie bel Hoppe und Unteroffizier Haus, zeichneten sich bei der Durchführung schwieriger Bildauf- klärung über England besonders aus.“ Da die „Neuen“ für solche Aufträge nicht in Frage kamen, meldete sich Max Lagoda zur Bodenfunkstelle, um zumindest nahe am Ge- schehen zu sein. Ab und an kam ein einzel- ner Buchstabe, z.B. „F“. Dies stand für „Bord- funker Fw. Fritsche, und man wußte so, daß diese Maschine noch weiterflog. Es wurde auch ein „dit“ gefunkt, das vom Boden mit „ditdit“ beantwortet wurde. Aber all das konn- te schon zu viel sein. Blieb jedoch das Signal aus, wuchsen die Sorgen. Max Lagoda schreibt später: Wer weiß, wieviel Maschinen nur für diesen einen Auftrag weggeblieben sind. In jeder Maschine, vier Mann Besatzung! Wenige Tage später wurden die Auf- klärungsflüge über England eingestellt und nach Osten per Bahn nach Insterburg in Ost- preußen verlegt. Max Lagoda wird Bordfunker auf einer Ju „Heckenspringen“: Eine Möglichkeit, den Feind nicht zum Schuß kommen zu lassen, ist 52 mit Fw. Groß als Flugzeugführer, der we- im Tiefflug über Land jede sich bietende Deckung auszunutzen. Am 07.07.1941 riß dabei gen seiner Untauglichkeit für Höhenflüge die die 80 m Schleppantenne bei der Verfolgung durch russische Jäger ab. Max Lagoda hatte Staffel verließ. Zum letzten Mal startete Max sie im 20-minütigem Luftkampf - eine Ewigkeit - gegen 10 bis 15 Feindflugzeuge völlig Lagoda in Paris-Orly am 05.06.1941. mit Ziel vergessen. Die Ju 88 erlitt dabei nur einen Durchschuß an der rechten Luftschraube. Berlin, der Versuchsstelle für Höhenflüge des Ob.d.L. Die ehemalige 4.(F)/Ob.d.L. wurde Ob.d.L. Dem Gruppenkommandeur Oberst nach ihrer Verlegung von Paris nach Kirkenes Rowehl unterstanden die 1., 2. und die 3.(F)/ in Nordnorwegen umbenannt in 1.(F)/124.

Am 12.07. erhielt die gesamte Besatzung das EK II vom Staffelkapitän der 2.(F)/ Ob.d.L. Hptm. Klaus Pritzel (* 8.4.1913, + 22.3.1974, RK am 15.10.1942). (Foto oben). Beim Luftkampf am 07.07.1941 hatte die Ju 88 am rechten Fahrwerk einen Durchschuß Am 29.07.1941 erhielt Max Lagoda seine im Laufrad abbekommen. Ein Durchschuß an der Luftschraube hatte keine Bedeutung bronzene Frontflugspange. Diese gab es für die Besatzung mit Flugzeugführer Walter Froschauer, der an jenem Tag sein fliegeri- für 12 direkte Feindeinsätze und 23 Front- sches Können unter Beweis stellen durfte. Nach der Landung in Helsinki (zurück nach flüge. Ein Feindflug war definiert durch ei- Insterburg war zu weit), kam schon einen Tag später eine Maschine mit einem neuen nen Start und eine Landung. Frontflüge Laufrad und 2 Fotokassetten. So konnte am nächsten Tag der Auftrag „Bahnüberwachung über 4 Stunden Flugzeit zählten doppelt, bis Leningrad, Kronstadt-Kriegshafen und alle Flugplätze fotografieren um Leningrad Flüge über 8 Stunden sogar 3-fach. Das war herum“ noch ausgeführt werden. immer ein Grund zum Feiern.

Eine nicht flugfähige I-16 „Rata“ dient als Fotokulisse. Der rote Stern in der rechten Tragfläche wurde schon herausgeschnitten. Auch der abgeschossene russische KW II weckt Interesse.

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Ju 88 der Staffel mit Abschußmarkierun- gen: 3 Jäger und 8 Sperrballone

Über Kronstadt (eine Leningrad vorgelagerte Insel) empfing am 07.07.1941 seine Ju 88 ein wahrer Hexenkessel von schwerer Flak, welche die dort vor Anker liegende russi- sche Ostseeflotte zu schützen hatte. Diese schweren Kreuzer, Zerstörer und das Traditionsschiff Maxim Gorki aus dem ersten Weltkrieg fielen später Stukas und Kampf- flugzeugen zum Opfer, die sie versenkten oder schwer beschädigten. Erste Feindflüge in Russland Am 21.06.1941 begann der Krieg mit In Insterburg bildete Max Lagoda mit Russland! Am ersten Tag gab es noch keine Froschauer, Pohl und Obergefreitem Karl Läs- Verluste, aber am zweiten Tag kehrte schon sig, der bei der Staffel als Kraftfahrer mit gu- eine nicht zurück. Auch Max Lagoda startete ter Ausbildung zum Bordmechaniker und zum Feindflug, der 245 Minuten dauerte, also Schütze zugeteilt wurde, die Besatzung einer etwas länger als vier Stunden, am zweiten Tag Ju 88. Es war allen bewußt, daß nur fliegen- mit Auftrag: Die Schiffsbewegungen in der Ost- des Personal und Bodenpersonal zusammen see zur Insel ÖseI und Dagö bis hinauf nach für Sicherheit sorgen konnten und so war man Reval zu kontrollieren, sowie alle Flughäfen ausgesprochen nett zueinander. In Oberfeld- und Seehäfen zu fotografieren. webel Werner Stenzel, der die Bodenfunkstelle Von da an wurden sie alle zwei Tage zum leitete, fanden sie eine Vaterfigur. Feindflug eingeteilt. Dazwischen wurde gefei-

Dann verließ er Raskopolje am Steuer seines Fi 156 Storch. Er ließ Generaloberst Keller (Chef Luftflotte 1) verlieh allen das EK I. sich selbst als Oberbefehlshaber das Fliegen nicht nehmen.

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Der „Arbeitsplatz“ des Bordfunkers.

365 Minuten (6 Stunden) dauerte, um vor al- lem Eisenbahnen, Flugplätze und Industrie- anlagen zu erkunden und fotografieren. Die Taktik ging dazu über, nur auf Höhenflüge zu setzen, da die große Höhe mehr Sicherheit und eine gute Sicht bei wolkenlosem Himmel von 80 - 100 km gewährte. In dieser Höhe Das technische Personal nebst Kraftfahrern hat sich für ein Gruppenfoto vor einer Ju 88 konnten Städte und Flugplätze gut erkannt der Staffel und einem Portalkran aufgestellt. werden, aber auch bewegte Ziele, fahrende Züge und startende Flugzeuge. Für Jäger war ert - vor allem Erfolge. Alkohol gab es mehr wurde der Abschuß als fünfter der Staffel in es schwer, schnell in solche Höhen aufzustei- als genügend und die Flieger verfügten über die Erfolgsliste aufgenommen. Bestätigt wur- gen. Sie hatten aber den Vorteil bei Sprit- einen Sold von 100,- Reichsmark plus Flieger- de er aber erst am 18.02.1942 vom Reichsmi- mangel auf eigenem Gebiet wieder landen zu zulage, die sie nicht ausgeben konnten. nister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der können. Alle Flüge führten Richtung Norden nach Luftwaffe! Die hohe Konzentration bei der Ausschau Leningrad und zum Ladogasee. Hinzu kamen „An 2. Aufklärungsgruppe Ob.d.L.! nach Jägern, das Schweigen an Bord und das Bahnaufklärung und die Rückmarschstraßen Der 2. Aufklärungsgruppe Ob.d.L. wird der Bewußtsein der ständigen Gefahr zerrte an der Russen. Mit dabei sind auch viele Stukas Abschuß einer 1-16 am 29.06.1941, 08.39 Uhr, den Nerven. Jede halbe Stunde mußte Max und andere Kampfflugzeuge. Auch Wirkungs- durch Gefreiten Lagoda, als fünfter Abschuß Lagoda Meldung bei der Funkstelle machen. bilder mußten erflogen werden. Dabei war der Staffel anerkannt. I. A. gez. Unterschrift. Das Zeichen wurde von der Bodenstelle wie- anfänglich das Wetter sehr gut. Für Aufklärer Für die Richtigkeit der Abschrift: Moltrecht, derholt, diese gab die Meldung an die Befehls- galt, nicht den Kampf zu suchen, sondern sich Oblt. u. Offz. z.b.V.“. stelle der Staffel weiter. Die Arbeit der Boden- bestmöglich zu verteidigen und sich „unsicht- Immer wieder erlebt Max Lagoda hautnah funker wurde immer tatkräftig von anderen Ka- bar“ zu machen, z.B. in Wolken verstecken. mit, wie Besatzungen, deren Mitglieder Freun- meraden unterstützt, denn sie waren es, die Dennoch waren sie sich der dauernden Ge- de oder gute Bekannte von ihm sind, nicht versuchten, alle Zufälligkeiten über Feind- fahr stets bewußt. Die Jäger waren wendiger, zurückkommen, oder schwer verletzt es doch gebiet auszuschalten. Die Bodenfunker wur- schneller und besser bewaffnet. Den Kampf noch bis zum Flugplatz zurückschaffen, um den auch zu den „Geburtstagsfeiern“ eingela- gewann meist derjenige, der den anderen zu- dort eine Bruchlandung nicht zu überleben, den und auch sonst immer großzügig bedacht. erst gesehen hat. Russische Jäger gingen oft oder bei der Notlandung gleich in jahrelange Am 30.07.1941 mußte erneut Richtung auf Abstand, wenn sie einen Feuerstoß vor Gefangenschaft geraten. Front verlegt werden, da die deutschen Trup- die Nase bekamen, den sprichwörtlichen Am Zielort erwarteten die Flieger nicht nur pen unmittelbar vor Leningrad lagen. Die Ein- Schuß vorn Bug. Auch die Leuchtspurmuniti- schwere Flak oder Jäger, sondern auch sätze der Staffel werden nun von Raskopolje on brachte einige Erfolge. Das höchste Ziel Sperrballone, die sich jedoch abschießen lie- (Feldflughafen zwischen Ostrow und Pleskau) der Aufklärer blieb die Erfüllung des Auftrags. ßen. Es kam auch vor, daß der Flug aufgrund geflogen. Max Lagoda machte von dort aus Für Feindflüge im Osten galten die gleichen einer dichten Wolkendecke nicht zum Erfolg 11 Feindflüge, meist 4-6 Stunden in alle Rich- Regeln wie für die Feindflüge nach England - führte und keine Aufnahmen gemacht werden tungen - im Süden bis Kalinin (Bahnstrecke kein Funk. Also wurde an Bord auch kaum konnten. Doch das Glück blieb ihm und sei- Leningrad-Moskau), im Osten bis nach gesprochen. ner Besatzung treu. Rybinsk-Jaroslawl und auch im Norden haupt- Beim vierten Feindflug am 29.06.1941 in Die Front verschiebt sich durch den deut- sächlich zur Eisenbahnlinie nach Murmansk. der Besatzung Froschauer, Pohl, Lässig, schen Vormarsch und Insterburg liegt bald zu Als am 15.09.1941 der Luftflottenchef, Lagoda kam es zu direktem Feindkontakt, als weit hinter ihr zurück, so daß am 10.07.1941 Gen.Oberst Keller die Staffel besuchte, nahm Jäger sie angriffen. Max Lagoda mußte auch die ganze Staffel nach Dünaburg verlegt. Die er Beförderungen und Auszeichnungen vor, an eines der seitlich am Rumpf befindlichen Aufträge gehen nun weit über Leningrad hin- teilte der Staffel aber auch mit, daß sie aus Bord-MG, so daß er gar keine Zeit hatte, JJJ aus bis zum Ladogasee zur Kontrolle des rus- dem Fronteinsatz im Norden herausgenom- zu funken. Er schoß einen Jäger ab, der di- sischen Nachschubs. In Richtung Süden ging men werden sollte. Trotz des Lobes seiner- rekt auf ihn zuhielt, und ihm gelang es sogar, es bis zum Ilmensee. Im flachen Gelände um seits für großartigen Einsatz und Pflichterfül- die Absturzstelle zu fotografieren. Dadurch Dünaburg sind bereits neue Flugplätze ent- lung, war die Bilanz ernüchternd. Zehn Ma- standen und teils sogar schinen mit ihren Besatzungen von je vier belegt. Mann waren vom Feindflug nicht zurückge- Das fliegende Per- kehrt - vermißt. Max Lagoda erinnert sich, daß sonal wurde in Privat- von ihnen nur noch die Angehörigen sprachen. haushalten unterge- Einzig in der Fliegermesse wurden Bilder bracht, die noch von im Postkartenformat von den Vermißten auf- der Zivilbevölkerung gehängt. bewohnt wurden, also mußten sie sich beneh- Zur Verleihung des EK I durch General- men. oberst Keller (Chef Luftflotte 1) erinnerte sich Von Dünaburg aus Max Lagoda: „Auch meine Angehörigen freu- machte Max Lagoda ten sich, nicht nur, daß ich diesen Frontein- drei Feindflüge weit hin- satz bis jetzt heil und gesund überstanden ter feindliche Linien, habe, sondern, daß ich diese hohe Auszeich- von denen einer sogar nung bei den Fliegern erhalten habe. Mein Vater war besonders stolz, denn er war ja auch Trockenrolle der Bild- einmal Soldat und er wußte es zu schätzen.“ stelle.

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110. Feindflug: Otto Deeg. v.l.n.r.: Fw Max Lagoda, Uffz. Otto Deeg, Max Lagodas (2.v.r) 110ter Flug. v.l.nr. Nenz, Heinemann, Lagoda Ltn. Bruno Wulff, OFw Wilhelm (Wastl) Eglinger und Sander. Mit E. Heinemann machte Max Lagoda noch weitere 14 Feindflüge.

Hptm Pritzel gratuliert Max Lagoda. Einsatz, vor allem auch zur Eisenbahn- und Nachschubüberwachung mit stetig steigender Verlustrate. Die russische Abwehr wurde von Tag zu Tag besser. Mittlerweile warteten die Jäger Der 1000. Blindflug der 2. Staffel ist natür- schon in unterschiedlichen Höhen auf die „Auf- lich wieder ein Grund zum Feiern. klärer vom Dienst“. Die große Höhe allein Auffrischung in Oldenburg brachte nicht mehr genügend Sicherheit, so mußte die Bewaffnung verbessert werden. Zu einem Auffrischungslehrgang verlegte „Unser Strahlemann!“ notiert Max Lagoda MG 42 ersetzten die MG 15 mit 150 Schuß- die Einheit zurück nach Deutschland. Das ver- in seinem Fotoalbum. Ofw. Karl Lässig schaffte den Besatzungen nach erheblichen nach dem 110. Feindflug. Trommeln. Der Bordschütze bekam in der Bola Verlusten eine Verschnaufpause von den ner- ein Zwillings-MG, das allerdings einen hohen venaufreibenden Frontflügen. Max Lagoda bis südlich Astrachan und zu den großen Städ- Munitionsverbrauch aufwies. Alle beweglichen und seine Besatzung überführten eine Ju 88 ten wie Stalingrad, Saratow und Kuybischew, Waffen mit Leuchtspurmunition hielten die nach Oldenburg. Hier sollte nun auch keine um Reihen- und Flächenbilder zu erstellen. Russen auf Abstand. Hinzu kam, daß die Be- Ruhe einkehren, denn Schlendrian macht eine Sechs bis sieben Ju 88 gingen täglich in den satzungen inzwischen mehr Erfahrung hatten Mannschaft nur schlechter. Also hieß es für Max Lagoda seinen Unteroffizierslehrgang nachholen, der bis Mitte Dezember 1941 ge- hen sollte. Allerdings war der Drill nun sehr viel humaner, denn die Ausbilder waren Ka- meraden. Das Abschiedsfest wurde ein „Fliegerfest der Superlative“, von dem noch nach dem Krieg gesprochen wurde. Süd-Ukraine Danach ging es Anfang 1942 nach Süd- rußland ans Schwarze Meer in die Süd-Ukrai- ne mit Ziel Nikolajew. Dort unterstanden sie als Ob. d. L.-Staffel direkt der . Im Norden Rußlands war die Luftflotte 1 unter Generaloberst Keller. Max Lagoda und seine Besatzung kamen per Bahn über die Tschechei, Ungarn, Rumä- nien bis in die südliche Ukraine. Die Halbinsel Krim und Sewastopol waren noch nicht in deutscher Hand, die Schlachten um Charkow, Kursk und Krim verzögerten die spätere große Offensive in Richtung Don- bogen und Wolga. Max Lagoda machte Fernaufklärungsflüge Der 110. für Lt Sander und Ofw Lässig. v.l.n.r.: Heinemann, Sander, Lässig, Lagoda

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Abgeschossener russischer Jagdbomber. Der rote Stern ist ein beliebtes Souvenier. Die Hintermannschaft: Wastl Eglinger und Max Lagoda (r.) zurückgezogen. Das betraf die Häfen Noworossisk, Tuapse, Sotschi, Suchum, Poti und Batum, letzterer nur 20 km vor der Tür- kei, wo sie sich im Notfall hätten internieren lassen können, statt in russische Gefangen- schaft zu gehen. Die Fernaufklärer lagen immer weit hinter der Front, damit sie über der Front schon die nötige Höhe erreichen konnten, um unerkannt darüber zu fliegen. Wären sie näher an der Front gewesen, hätten sie Kreise drehen müs- sen, um auf Höhe zu kommen. Andererseits waren hier so viele andere Truppen, daß der Platz knapp wurde. Sobald die Flak die Ju 88 als Ziel in ca. 8000 m Höhe erfaßt hatte und die ersten Schüsse abgegeben waren, verstellte der Flugzeugführer die Luftschrauben, dadurch gerieten die Horch- und Rechenmaschinen bei den Flakleitständen durcheinander. Sie trafen nicht mehr und die Ju 88 konnte in großer Höhe entkommen. Nach ca. 10 min. beruhig- in der Abwehr der oft sehr heftigen Angriffe aus dicken Baumstämmen vor der Küste te sich die Flak wieder. durch Jäger. Dennoch blieb die Angst. schwammen - auch wieder etwas neues - und Begegneten sie Jägern in großer Höhe, Die Ausstattung wurde im Winter um Fell- dort landen. Karl Lässig mußte aus seiner Bola wurde diese beibehalten, da es zu lange dau- bekleidung für die Flieger und Geräte zum aussteigen und sich dafür etwas umsehen. Die ern würde, sie wiederzuerlangen, und das Aufwärmen der Motoren erweitert. Auch Fahr- Besatzung - Flugzeugführer Walter Frosch- Feuer eröffnet. Der Flugzeugführer konnte in zeuge und Unterkünfte (z.B. in die Erde ein- auer, Beobachter Alfred Pohl, Karl Lässig und die Sonne abdrehen, so daß die Schützen aus gelassene Bunker für das Technische Perso- Max Lagoda - blieb bei diesem Einsatz bis auf der Sonne heraus auf die Jäger zielten. Man nal) wurden dem russischen Winter angepaßt, ein paar Flaktreffer unbeschadet. Obwohl sie konnte sich aber auch in den Wolken verstek- obwohl dieser verhältnismäßig milde ausfiel. bis zur Meldung, daß der Flugplatz frei war, ken, sofern welche da waren. Letztlich blieb Dennoch brachen viele Maschinen seitlich aus größte nervliche Anspannung erlebten, blieb nur über See abzudrehen, damit bekamen die bei der Landung, da der Schnee getaut und ihnen nicht viel Zeit darüber nachzudenken, Jäger zwar einen gewissen Erfolg, sie verjagt wieder gefroren war. Bei seinem ersten Feind- denn der nächste Feindflug stand an. zu haben, aber die Ju 88 nahmen ihren Kurs flug am 15.01.1942 in dieser Gegend flogen Um Nikolajew lagen etliche Kriegs- und wieder auf. Max Lagoda und seine Besatzung nur mit Schlachtschiffe versenkt im Hafen, ein großes Diese Strapazen tagtäglich durchzuhalten Schwimmwesten, wie schon gegen England. Schlachtschiff war im Rohbau. Die Kriegsschif- und nicht die Nerven zu verlieren war schon Der Flug vom 01.03.1942 blieb Max Lagoda fe der Russen hatten sich in die östlichen eine besondere Herausforderung. Drehte doch in besonderer Erinnerung. Mit dem Auftrag zur Kriegshäfen längs der Schwarzmeerküste einer durch, nannten sie es „abgeflogen“. Erkundung, ob der Flugplatz Feodosia von den Russen besetzt war, mußten sie im Tiefflug Eisige Kälte - die Motoren mußten vorge- wärmt werden. die Flak umgehen, die teilweise auf Flößen

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Eine 1000 kg-Bombe. Im späteren Verlauf des Krieges, als das Blatt sich wendete, muß- ten die Aufklärer auch Bomben mitnehmen und auf sich lohnenden Zielen abwerfen. Der Staffel-TO, Oblt. Tischendorf war zu- Richtung Tiflis und dann zum östlichsten gleich Flugzeugführer und verantwortlich für Punkt, Baku, der wegen der Ölquellen sehr das Technische Personal. Wie jeder Offizier begehrt war. Daher hatten die Russen einen hatte er eine weitere Funktion. Bei ihm liefen guten Flugmeldedienst aufgebaut. Auf dem täglich die Meldungen über einsatzbereite Rückweg über Machatschkala erreichten sie Maschinen ein, die dann an die Besatzungen sogar eine Höhe von 9200 m, in der sie sich weitergeleitet wurden. absolut sicher fühlten. Bis Jäger dorthin Heimaturlaub 1944. Max Lagoda sammelte Die Kennungen der Aufklärungsmaschinen kamen, verbrauchten sie sehr viel Sprit und die täglichen Zigaretten und die Schoka- des Ob.d.L. lauteten: T5+_K. Das K für zwei- es war für sie auch nicht einfach, den Gegner kola, um sie nach Hause zu schicken. te Staffel. Der fehlende Buchstabe wurde dann wiederzufinden, und die Flak hatte keine so aus dem ganzen ABC von der Besatzung er- hohe Reichweite. hatten sie nicht immer das Glück eine Maschi- gänzt, die diesen auch als Name der Maschi- Eine Maschine in solch großer Höhe zu flie- ne zu haben, die auf 9000 m klettern konnte. ne benutzten. gen, in der Sauerstoff knapp wird, und nach So mußte auch Max Lagoda Erfahrungen mit Dabei war die Leistung der Maschinen un- Abwurf der Dödel ihren Schwerpunkt verlagert, Einrad- und Bauchlandungen machen. Doch terschiedlich, so daß auch mit einigen eine war eine hervorragende fliegerische Leistung. viele seiner Kameraden kehrten nie mehr zu- ganz beachtliche Höhe von 9000 m erreicht In Baku, Machatschkala und Astrachan rück. werden konnte. Mit einer solchen, der „H“, flog kam es später zu ersten Begegnungen mit So weite Flüge mit Zusatztanks flogen nur Max Lagoda seinen 32. Einsatz, der genau 9 amerikanischen und englischen Jägern. Der erfahrene Besatzungen. Neulinge bekamen Stunden dauern sollte. Anstatt Bomben hatte Rückflug führte Richtung Nordwest auf leichtere Aufgaben und flogen immer zu zweit sie zwei große Dödel mit je 900 Litern zusätz- Grossny, Pjatigorsk, Mineralnye-Wody, mit zwei erfahrenen Besatzungsmitgliedern. lichem Kraftstoff. Wenn die Dödel leergeflogen Armawir, nach Rostow am Don zur Eisenbahn- Nach der Landung wurde immer zuerst das waren, wurden sie abgeworfen. Dieser Flug linie, die zum südlichen Kaukasus führte. Al- Bildmaterial mit einem Kraftfahrzeug der Bild- führte bis zu den Kriegshäfen Sotschi, les Orte, an denen große Mengen Kriegsma- stelle abgeholt. Nach der Meldung an die Luft- Suchum, Poti und Batum (hier im Anflug wur- terial umgesetzt wurden. Von diesen Städten flotte kam der 1. Wart, um festzustellen, ob den die Dödel abgeworfen), durch einen Sperr- aus flogen sie später Einsätze in Richtung Te- die Maschine noch einsatzbereit war. gürtel von Flak, weiter zur Eisenbahnlinie in heran, Bagdad, Mossul, bis Basra und hier Je 4 h Flugzeit bekamen die Flieger 1 Ta-

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O.Lt. Ertels 110. Feindflug: v.l.: H. Wiesner, Ertel, Geißler, Lagoda. Mit Ertel und Geiß- ler machte Max Lagoda vier Feindflüge über fünf Stunden. Den 110. Feindflug machten Ertel und Ofw. Geisler mit Bord- funker Uffz. Heinz Breitlauch, Bordschütze und Mechaniker Uffz. Hermann Wiesner, der später in der 2.(F)/Ob.d.L. als erster den 250. Frontflug erreichte. Dafür bekam Wiesner die Frontflugspange in Gold mit Anhänger und alle vier das Deutsche Kreuz in Gold, eine hohe Auszeichnung. Oblt. Johann Ertel war als Beobachter und Kommandant sehr zielstrebig, ohne arro- gant zu sein. Er war durch den Altersun- terschied von 8 Jahren für den Rest der Be- satzung eine Vaterfigur, die Ruhe ausstrahl- te. Als Bildoffizier der Staffel unterstand ihm die gesamte Bildstelle. Er trug die Verant- wortung für alles anfallende Bildmaterial gegenüber dem Luftflottenchef General- oberst von Richthofen. Zu seinem 50. Feindeinsatz am 26.06.1942 übergab ihm Staffelkapitän Hptm. Pritzel ein Buchgeschenk mit einer Widmung. Nur acht Tage später machte Max Lagoda mit FF Willi Brustmann nach einem Flaktreffer im rechten fel Schokakola, Zigaretten, Milch, Weißbrot pflichtung für weitere sieben Jahre und einem Fahrgestell seine erste Einradlandung mit und und morgens ein Ei Sonderverpflegung. Max Gehalt, das auf ein heimatliches Konto lief. Er am 12.07.1942 mit Froschauer ebenfalls nach Lagoda war immer in erster Reihe, wenn es ließ als ältester Sohn seinen Eltern freie Ver- Flaktreffern eine Bauchlandung, nachdem ein darum ging abends Budenzauber zu organi- fügung darüber. Das war durchaus bei allen Motor infolge Flaktreffers brannte und der sieren, der die Besatzungen vom Grübeln ab- Familien üblich seinerzeit. Auftrag abgebrochen werden mußte. Sie kehr- halten sollte. Nach der langen Abwesenheit war natür- ten um und flogen nach Mariupol. Im Lande- Am 15.03.1942 erreichte Max Lagoda mit lich viel passiert. Leider auch wieder Verluste anflug wurde das Kabinendach abgeworfen. seiner Besatzung den 60. Frontflug und er- von Kameraden, die zu Freunden geworden Walter Froschauer und Alfred Pohl fielen da- hielt die silberne Frontflugspange. Damit wur- waren. Darunter auch ein Freund von Walter nach lange aus. Eine Maschine kam aus den sie als bewährte Besatzung eingestuft und Froschauer, der mit einer Ju 52 bei schlech- Poltawa, um sie abzuholen. Solche „Überland- verdienten sich einen 4-wöchigen Urlaub in ei- tem Wetter im Blindflug gegen einen Berg flüge“ machten die Neulinge. Allerdings wa- nem Luftwaffenerholungsheim in Abbazia/ geflogen war, und deshalb vor ein Kriegsge- ren in den vorangegangenen 3 Wochen so Norditalien, dem 5-Sterne Hotel „Regina“, den richt sollte, geriet nur kurz bevor es soweit war, viele Maschinen ausgefallen, daß sie kurz sie zusammen mit einer weiteren Besatzung in russische Gefangenschaft. vorm Flugzeugmangel waren. und zehn verdienten Männern vom techni- Für die verlorene Ju 52 kam kein Ersatz, Neue Flugzeuge wurden direkt aus Dessau schen Personal antraten. Danach gab es 2 da alle Transportflugzeuge in den Kessel- Richtung Front überführt. Max Lagoda und Willi Wochen Heimaturlaub, den sie nun „als „schik- schlachten eingesetzt wurden. Brustmann fiel die Aufgabe zu, eine dieser ke Flieger“, behangen mit Orden und Ehren- Maschinen aus Uman abzuholen. Die Maschi- zeichen“ antraten. Flieger und Marinean- Das Blatt wendet sich ne wollte aber nicht abheben und blieb mit dem gehörige wurden daheim immer mit viel Stolz Die Dienststelle der Luftflotte 4 verlegte in Fahrwerk an einem Schotterhaufen am Ende bedacht, was Max Lagoda dem einfachen nördlicher Richtung nach Poltawa. Max Lagoda der Startbahn hängen und hob mit einem Landser gegenüber als ungerecht empfand, mit seiner Besatzung startete zum Feindflug in Hüpfer endlich ab. Das Fahrwerk war aber be- da sie, trotz hoher Verluste - von einem Feind- Nikolajew und landete in Poltawa, von wo aus schädigt und zwang sie nach nur 65 min Flug flug zurück - bei der Staffel eine gewisse Ruhe er 18 Einsätze flog. Hier sollte für ihn im Zuge am Zielort wieder zu einer Bauchlandung, die fanden. der Sommeroffensive die Hölle losbrechen. Bald dritte in drei Wochen. Willi Brustmann handel- Mittlerweile zum Unteroffizier befördert, verloren die Deutschen die Lufthoheit. te sich den Spitznamen „Bruchpilot“ ein. wurde Max Lagoda Berufssoldat mit einer Ver-

Hptm. Pritzel wird vom 110. Feindflug abgeholt, Mariupol 1942.

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Max Lagoda notierte in seinem Fotoalbum: „Bisher ist noch kein Flugzeug oben geblie- Einradlandung ben!!“

Die Fotos der Bauchlandungen und der Bei der Verlegung nach Mariupol waren von Schrottberg zeugen von der Material- der Besatzung nur noch Max Lagoda und Karl schlacht, während die Propaganda die Be- Lässig übrig, die schon als echte „alte Hasen“ völkerung im Glauben ließ, deutsche Flug- galten und dadurch sehr begehrte „Mitflieger“ zeuge seien unverwüstlich. wurden. Hptm Pritzel hatte immer mehr mit der plett, die am 18.08.1942 zum 62. Feindflug für Staffelführung zu tun und sein Bordfunker, Max Lagoda mit Ziel Basra am Persischen Golf Cheffunker Ofw. Gerhard Hoppe ging als Aus- startete. Alles war wie gewohnt, als ca. 30 min bilder in die Heimat zurück. Auch er hatte der Flugzeit von Mossul entfernt der verschlüssel- DKiG. te Befehl „Auftrag sofort abbrechen, fliegen Sie Max Lagoda und Karl Lässig bekamen mit Ersatzauftrag!“ eintraf und der Kurs Richtung Ofw. Erwin Heinemann einen sehr hoch qua- Teheran geändert werden mußte Richtung lifizierten Flugzeugführer für 25 Feindeinsätze. Bahnstrecke Täbris - Teheran. Mittlerweile war die Krim in deutscher Hand Es blieb ereignislos bis Heinemann über und im Donbogen tobten große Panzerschlach- Baku eine „Zeltstadt“ entdeckte. Sie flogen ten. Aus der Luft konnte Max Lagoda die abge- eine 360o Vollkreiskurve. Nun wurden sie von schossenen Panzer erkennen, dabei waren der Flak entdeckt und Jäger stiegen auf. Die nicht nur russische, sondern auch deutsche, Zelte dienten als Tarnung für allerlei Kriegs- von denen viele wieder instandgesetzt wurden. gerät. Sie entkamen unbeschadet, fanden Noch war die Wehrmacht am Vormarsch aber auf dem weiteren Rückflug große Ölbe- bis Stalingrad und im Süden bis in den Kau- hälter, regen Zugverkehr und Tanker und Schif- kasus hinein. fe mit großem Tiefgang. Über Machatskala brach die Hölle los. Flakgranaten explodier- Vom Kaukasus bis nach ten in ihrer Höhe, denn kurz zuvor hatten deut- Stalingrad sche Kampfgeschwader Hafen- und Die Besatzung der Ju 88 T5+DK bildetete Bahnhofsgebiet bombardiert. Diese Gegend sich aus Beobachter und Kommandant Olt. diente den Alliierten zum Abladen von Kriegs- Ertel, Flugzeugführer Ofw. Erwin Heinemann, material. Die Entfernung war gut gewählt, da der lange Zeit bei Staffelkapitän Hptm. Pritzel die Kampfgeschwader an anderen Frontab- FF war und schon viele Einsätze über Eng- schnitten gebunden waren, und Fernkampf- lang hinter sich hatte. Heinemann wurde am gab es noch nicht. 14.05.1941 im Wehrmachtsbericht genannt. In diesem Kampfgebiet gesellten sich zu Auf Heimaturlaub beeindruckte Max Mit Max Lagoda und Bordschütze Karl Läs- den russischen Jägern auch englische, die Lagoda mit seinen Auszeichnungen. Über sig, der auch die Frontflugspange für Aufklä- gemeinsam zu großen Verlusten bei den Auf- die Angst, die immer mitflog, schwieg er. rer in Silber hatte, war die Besatzung kom- klärern geführt hatten. Auf diesem Flug gab

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es keine Treffer, bis auf ein paar Flaksplitter Immer wieder Treffersuche nach einer Be- im Rumpf und Seitenleitwerk, die nach zwei gegnung mit russischer Flak. Diese war Tagen behoben waren. nicht nur hoch motiviert, sondern auch gut Ab Grossny gingen sie in den Sinkflug, um ausgebildet. neben der Rollbahn gut sichtbar heimzu- fliegen. Das diente zur moralischen Unterstüt- unter Beschuß durch die herangerückten Rus- zung der Infanterie. Nach 8 h 3 min landeten sen. Der Platz verfiel beim Rückzug in Cha- sie. Dieser Flug zählte 3-fach für die goldene os. Zelte der Feldpost und für die Verwunde- Frontflugspange, die 8 Tage später Staffelka- ten, sowie Flugzeuge brannten, kollidierten pitän Hptm. Pritzel überreicht wurde. beim Start, Granateinschüsse und Löcher in Max Lagoda erinnerte sich gern an diesen der Start- und Landebahn. Eine Besatzung Flug, da er trotz der Kriegsgeschehnisse den mußte ihr Flugzeug liegen lassen, da sich kei- Blick für diese faszinierende Landschaft be- ner darum kümmern konnte, und per LKW auf wahrt hatte. den Weg machen. Max Lagoda und seine Be- Nach der Landung erfuhren sie auch den satzung nahmen noch ihren 1. Wart mit und Grund des Ausweichauftrages: Ein schwerer schafften es trotz Schneetreibens zu starten. Sandsturm und schlechtes Wetter. Bei der Staffel wohlbehalten angekommen, Ruhetage wurden gestrichen und jeder zu feierten sie Weihnachten in vermeintlicher Si- niker und Schütze in einem nicht näher ge- täglichen Feindflügen eingeteilt, da die Verlu- cherheit und Rudi Kies und Max Lagoda wur- nannten Flugboot mit achtköpfiger Besatzung ste größer wurden und neues Personal nicht den zum Feldwebel befördert, während rings- Geleitzüge auf dem Atlantik. Obwohl Max immer sofort verfügbar war. Die Staffel mußte um Rückzugschaos herrschte. 1943 wurden Lagoda die meisten Feindflüge vorweisen ständig verlegen. erste Feindflüge, die kaum noch über 4 Stun- konnte, mußte er bleiben. Bald waren außer September 1942 bekamen sie einen neuen den gingen, von Rostow aus geflogen. Die ihm kaum noch „alte Hasen“ da. Die Führung Beobachter, Offiziersanwärter Unteroffizier Karl täglichen Veränderungen der Front mußten geht an den wenig erfahrenen Hptm. Lutz Licher, der sehr ehrgeizig und ebenfalls front- genauestens und im Tiefflug dokumentiert Hensel, der als Staffelkapitän viele Flüge mit erfahren war. Dennoch hörte er auf den Rat der werden. Anfang Januar kommen Walter Max Lagoda machte. Aber eine feste Besat- „alten“ Besatzung und spielte sich nicht als Froschauer und Alfred Pohl wieder zur Besat- zung war nicht in Sicht. Kommandant auf. So integrierte er sich schnell zung. Weiterhin nehmen die Aufklärer Bom- Kurze Zeit später lernt er den Leutnant Bru- und sie freundeten sich an, was sich vor allem ben mit. Als die Einheit zurück nach Mariupol no Wulff an, der dann zu Max Lagodas letzter im Raum Stalingrad bewähren sollte. Die Linie verlegte, fanden Max Lagoda und seine Ka- fester Besatzung gehören sollte. Dazu kamen wurde zwischen großem Donbogen und Wol- meraden überall Zerstörung vor. ein fronterfahrener Beobachter aus Stalingrad, ga (Stalingrad) von Rumänen und Italienern Die Russen drängen die Wehrmacht immer Oberfeldwebel Wilhelm „Wastel“ Eglinger und gehalten. Die Deutschen hatten diese Einhei- weiter zurück. 1943 ist das Jahr der großen Uffz. Otto Deeg als Bordmechaniker und ten nur schlecht ausgerüstet. Das sollte sich Panzerschlachten: Charkow - Kursk - Schütze. bald rächen, denn die Front begann zu brök- Belgorod. Die Verluste nehmen immer mehr Max Lagoda hatte zu dem Zeitpunkt 121 keln und das Blatt sich zu wenden. Stalingrad zu. Max Lagoda mußte alle paar Tage eine Feindeinsätze, die als 209 Frontflüge gewer- wird eingeschlossen. Schlechtes Wetter macht neue Besatzung einfliegen. Seine alte Besat- tet, ihm die bronzene, silberne und die golde- Einsätze der Aufklärer riskant und sie bekom- zung zerfiel, als Froschauer und Pohl endgül- ne Frontflugspange für Aufklärer brachten. Er men es zunehmend mit englischen und ameri- tig abberufen werden. Alfred Pohl wurde Aus- hatte auch den Krimschild bekommen und den kanischen Flugzeugtypen zu tun. bilder und Karl Lässig suchte als Bordmecha- Ehrenpokal für besondere Leistungen im Luft- Erwin Heinemann bekam eine neue Besat- zung und kam von einem Feindflug nicht mehr zurück. Max Lagodas neuer Flugzeugführer wurde Unteroffizier Rudi Kies, Finanzbeamter aus Breslau, der die Prüfungen mit sehr gut bestanden hatte. Die Staffel verlegte gerade rechtzeitig zu- rück aus dem Kaukasus, bevor schlechtes Wetter das Fliegen ganz und gar unmöglich machte. Hptm. Pritzel wurde nun durch Hptm. Klette ersetzt, der von der 1.(F)/123 aus Athen kam, die über Ägypten, Libanon, Libyen und Palästina im Einsatz war. Obwohl sie mit Ju 86 R-1 ausgerüstet waren und ebenfalls in großen Höhen von über 13000 m operierten, waren die Verluste der 1.(F)/123 sehr hoch. Nicht nur das Kommando änderte sich son- dern auch der Name von 2.(F)/Ob.d.L. in 2.(F)/ 100. Rückzug Einen Tag vor Heiligabend 1942 in Als Heimaturlaub anstand, flog Karl Licher die Ju 88 von Rußland bis nach Oldenburg, Tazinskaja geriet die Einheit von Max Lagoda wo sie grundüberholt wurde.

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Funktionsleiter und ein Teil vom fliegenden Personal, Saporoshje, 1943. Aufklärer und Wetterflieger umlernen. Schwie- Max Lagoda machte immer viele Bilder, schickte sie nach Hause, wo sie von seinem rig wurde es auch zunehmend, da die Rus- Vater entwickelt und vervielfältigt wurden. Er machte so viele Abzüge, wie Personen auf sen immer mehr Lufthoheit hatte. dem Bild waren. Dies bedurfte der Genehmigung von Pritzel. Man wurde großzügiger. Bruno, Wilhelm (Wastl), Max und Otto ma- chen in der „Ludwig“ T5+LK wieder ihre Ein- sätze. Nachts wurde nun ihre Ruhe oft durch russische Bomberangriffe gestört, später ka- men sie auch am Tage. Als sie von der Ritter- kreuzverleihung an Pritzel - inzwischen Major - hörten, kannte diesen kaum noch jemand persönlich, da in den letzten Monaten so viele Neuzugänge zu verzeichnen gewesen waren. Das Fliegen wurde gefährlicher. Es gab keine Flüge mehr ohne Flaktreffer und am Boden liegende Soldaten schossen ebenfalls erfolgreich auf die Flugzeuge. Beobachtungen wurden per Meldehülse, die einen Schweif nachzogen, über deutschen Gefechtsständen abgeworfen. Die Einrad- und Einmotoren-

krieg, der ihm bei einem Urlaub nach Hause Unter der Winterkombination trug man geschickt wurde. Inzwischen hatte der Krieg auch noch Pelzbekleidung, als die Tempe- auch die Heimat erreicht. Verpflegung wurde raturen kurz vor Weihnachten 1942 immer knapp und mit Bombenangriffen war zu rech- weiter fielen. nen. Die Daheimgebliebenen wollten gerne zung mit ihrer generalüberholten T5+CK nach alles über die Fronterlebnisse von Max Lagoda Saporoshje, wo es sofort wieder zum Einsatz wissen, aber was es wirklich bedeutete, in gro- ging. Als „alter Hase“ bekam Max Lagoda die ßer Höhe zu fliegen, die tägliche Angst oder Aufgabe der Wehrbetreuung für das fliegen- die vielen Besatzungen, die lapidar nur ver- de Personal. Das hieß, er mußte sich um die mißt wurden, konnte er nur einmal seinem Freizeitgestaltung kümmern. Vater anvertrauen. Anfang Mai 1943 kam eine ganze Einheit Nach dem Urlaub ging es für die Besat- Wettererkundung hinzu. Das bedeutete für die

Treffer im Höhenleitwerk, 20.12.1942. Rudi Kies schaffte trotzdem eine Notlandung. Als das Wetter im Herbst 1942 immer schlechter wurde, nahmen die Besatzun- gen auch je 2 Bomben mit, die sie auf loh- nende Ziele abwarfen. Der Flugbetrieb wur- de durch hohe Minustemperaturen und Schneefall stark beeinträchtigt. Motoren sprangen gar nicht an oder fingen Feuer, als man es mit etwas anderem als dem ei- Aufgrund des schlechten Wetters werden Frontflüge nur noch in der näheren Umge- nen Wärmegerät, das zur Verfügung stand, bung im Tiefflug durchgeführt. Dabei werden auch Meldehülsen abgeworfen, für die sich versuchte. Oft sorgten aber auch vereiste die Kommandeure abends oft bedankten. Tragflächen für einen Absturz.

4/16 15 Historie landungen wurden häufiger. Immer wieder mußten Feindflüge abgebrochen werden, weil die Maschine technisch nicht in Ordnung war. Max Lagodas Besatzung wird schon Feigheit unterstellt. Als sich die Pannen häuften, sank auch das gegenseitige Vertrauen. Gerüchte von sogenannten nazitreuen „Kommissaren“, die heimlich eingeschleust werden sollten, tru- gen auch nicht gerade dazu bei die Kamerad- schaft wieder zu verbessern. Max Lagoda und seine Besatzung wurden mißtrauisch „Neuen“ gegenüber. Am 09.07.1943 1943 absolvierte Max Lagoda seinem 250. Feindflug. Dafür gab es die goldene Frontflugspange mit Anhänger. Diese hohe Stufe hatten außer ihm nur zwei vor ihm erreicht: 1. Oberfeldwebel Kestermann von der Wettererkundungsstaffel Westa 76; 2. Feldwebel Hermann Wiesner, Bordmechaniker in der Besatzung Ertel, Geißler und Breitlauch. Bei seinem 259. Frontflug am 21.07.1943 legte Bruno Wulff wieder einmal nach einem Flaktreffer im linken Motor in 6500 m Höhe mit dem verbleibenden Motor eine vorbildliche Einmotorenlandung hin.

Andere hatten nicht das Glück. Paul Schule in Erfuhrt, der er weiterhin unterstand, In der Luftnachrichtenschule Bindersleben Plaswich mit 106 Frontflügen, der als Spieß zum Wehrertüchtigungs-Lager nach Burg wurde auch am Funkgerät FuG X ausgebil- Bordfunker ausbildete, wollte unbedingt noch Vogelsang in der Eifel, um 15-17-jährige Hitler- det. Dies befand sich auch in vielen Ein- die fehlenden vier Frontflüge für die Frontflug- jungen vormilitärisch auszubilden. Als die In- satzmaschinen. spange in Gold absolvieren. Von seinem 107. vasion geglückt war, wurde Personal für die gen Kameraden und hielt bis zum Schluß Kon- Feindflug kam er nicht zurück. Nach dem Krieg Reichsverteidigung gebraucht. Dann erlebte takt zu ihnen. erfuhr Max Lagoda, daß nicht alle Vermißten er den aussichtslosen und sinnlosen Einsatz auch gestorben waren, einige durchlebten von Kindern gegen die überlegenen Kampf- schlimme Verhöre und kamen ins Gefängnis flieger der Alliierten. Er konnte seine Jungen oder zur Zwangsarbeit. retten, indem er ihnen erklärte, es sei alles Als Ersatz für Paul Plaswich kam Max vorbei und Widerstand sinnlos. Sie sollten ein- Lagoda nach einem Ringtausch an die Luft- fach gehen. Beim Versuch zu Fuß mit ge- nachrichtenschule 5 nach Erfurt-Bindersleben, fälschten Dokumenten nach Hause zu kom- die schon Personalschwierigkeiten hatte. Bis men, wurde Max Lagoda bei einer Kontrolle zu seiner endgültigen Versetzung blieben noch aufgegriffen und geriet in Gefangenschaft, aus zwei Wochen mit etlichen Flügen, meist Werk- der er schon bald entlassen wurde. statt- oder Kontrollflüge. Nach dem Krieg suchte er seine ehemali- Er verließ seine Einheit am 11.08.1943 mit einer Ju 52 und war froh nicht mit der Bahn fahren zu müsse. Auf seiner neuen Dienststel- le erwartete ihn das DKiG, das lt. Staffelkapi- tän Hptm. Hensel längst überfällig war. Diese wurde ihm später in seiner neuen Dienststelle feierlich überreicht. Die Bilanz jenen Tages war, daß im Süden Russlands von Januar 1942 bis 10.8.43, 28 Maschinen vom Feind- flug nicht zurückkehrten, einige so beschädigt waren, daß sie beim Landeversuch 100% Bruch machten. Durch Feindbeschuß waren weitere Tote und Verletzte zu beklagen. Feldwebel Max Lagoda trat am 11.08.1943 seine Stelle als Bordfunkerlehrer in der Luft- nachrichtenschule 5, Erfurt-Bindersleben, 2./ B.A.K. (Bordfunker Ausbildungskompanie 2) an. Er mußte sich erst wieder in die Theorie einfinden, doch das gelang ihm gut, und un- terrichtete Hören, Geben, Navigation und Gerätekunde. Im März 1944 kam Max Lagoda von der

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Am 09.07.1943 erfliegt sich Max Lagoda mit dem 250. Feindflug die goldenen Frontflug- spange für Fernaufklärer. v.l.n.r.: Otto Deeg, Max Lagoda mit Staffelabzeichen, Bruno Wulff, Wilhelm (Wastl) Eglinger, Saporoshje vor der Ju 88 T5+JK. Die Blumen und die Abbildung des Staffelabzeichens hatte Max Lagoda von Staffelkapitän, Hptm. Hensel, mit dem er etliche Feindeinsätze geflogen hatte, mit seinen Glückwünschen entgegengenommen.

Max Lagoda verläßt Rußland und die 2.(F)/ 100 am 11.08.1943 nach 154 Feindflügen mit 260 bestätigten Frontflügen. os-Verlag erschienen ist. Über Max Lagoda ist im Internet nicht viel zu finden. Daher ist es ein Glücksfall, auf ausführliche Erinnerungen aus erster Hand zurückgreifen zu können. dg Ein ganz herzlicher Dank an Rolf Zaugg (B-17 Museum) für die Überlassung von Max Lagodas Fotoalben in digitalisierter Form. Lei- der ist der persönliche Kontakt mit Max Lagoda, den Herr Zaugg in die Wege geleitet hatte, durch das plötzliche Ableben von Max Lagoda nicht mehr zustande gekommen. Im Helios-Verlag erschienen: Ein Blick in die Vergangenheit. Kriegser- innerungen eines Fernaufklärers aus Russland und dem Orient. 188 Seiten, fest gebunden, 170 Bilder, 6 Karten 21 x 29,7 cm 34,90 EURO

02.08.1943, Saporoshje, die 2.(F)/100 er- fliegt den 2500. Feindflug. v.l.: FF Ofw. Rösler, Staffelkapitän und Beobachter Hptm. Hensel, BF Uffz. Malscha und BS Uffz. Uhlmann. Von diesem Ereignis erfuhr Max Lagoda in einem Brief von seinem ehemaligen Staffelkapitän Hptm. Hensel. Der Kontakt zu seiner Staffel brach vorerst nicht ab. Wer mehr über seine Einsätze oder auch das „Leben“ an Bord oder zwischen den Flü- gen, sowie seine Zeit als Lehrer und später mit der HJ in der Reichsverteidigung lesen möchte, dem sei das Buch von ihm „Ein Blick in die Vergangenheit“ empfohlen, das im Heli- Bei seinem letzten Flug wünschte sich Max Lagoda, den Dnjepr-Staudamm (Elektrizi- tätswerk) in Saporoshje anzufliegen. Dies sollten seine letzten Fotoaufnahmen in Russland sein. Spritmangel gab es noch nicht. Mehrmals im Tiefflug umrundeten sie den Staudamm, der von den Russen beim Rückzug zerstört wurde, von den Deut- schen wieder aufgebaut und beim Rückzug wieder gesprengt.

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