Aus Den Erinnerungen Eines Fernaufklärers Max Lagoda (Geb
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Historie Aus den Erinnerungen eines Fernaufklärers Max Lagoda (geb. am 23.01.1920 in Hatte man die Morsezeichen verinnerlicht, Vaterfigur war, als ein Vorgesetzter. An Bord Bockum, gest. am 1. April 2016 im Alter wurde auf Schnelligkeit trainiert, sowohl Klar- spielte der Dienstgrad keine Rolle - im Ein- von 96 Jahren) beschäftigte sich bereits texte wie auch verschlüsselte Texte. Täglich - satz waren sie gleich. Bis der Marschbefehl in seiner Schulzeit mit dem Modellbau von stundenlang. Mit wöchentlichen Prüfungen, bei kam, wurde weiter trainiert, um nichts zu ver- Segelflugzeugen. Er überlebte 161 Fern- denen Fehler nicht erlaubt waren. gessen. Dies geschah auf der Do 17, die Max aufklärereinsätze. Der Krieg schien noch in weiter Ferne. Lagoda wie folgt beschreibt: „... Sie wurde Wie alle seines Alters war er „verrückt“ nach Sein erster Dienstgrad war Funker bei der auch der „fliegende Bleistift“ genannt. Die der Fliegerei. Aber bevor es zum Militär ge- Luftnachrichtentruppe, dennoch war es für ihn Maschine war schlank und hatte zwei Seiten- hen konnte, mußte jeder sein halbes Jahr schwer einen Ausbildungsplatz als Bordfun- leitwerke. Als Funkgerät war sie schon mit dem beim RAD in Lachen-Speyerdorf, Pfalz, ablei- ker zu ergattern. In der Luftnachrichtenschule FuG X ausgerüstet und hatte auf der Kurz- sten. Halle/Saale begann er einen Lehrgang, der in welle eine enorme Reichweite.“ Die militärische Laufbahn begann am Königgrätz/Tschechei am 31.8.1940 endete. Am 21.03.1941 begann für Max Lagoda der 14.4.1939 bei der 6./LN.Rgt.2 (6. Kompanie, Die ersten Übungsflüge begannen am Fronteinsatz - er spricht von einem Unglücks- Luftnachrichtenregiment 2) in Münster- 23.4.1940 auf Fw 58 Weihe, Ju 52 und Ju 86. tag. Von nun an gab es täglich dienstliche Flü- Gremmendorf unweit von Zuhause. Hier war Dabei wurde vor allem das Funken (Hören und ge, oftmals auch zwei am Tag mit Ziel Wei- er unter Gleichgesinnten. Alle wollten Flieger Geben), Navigation, Wetter- und Gerätekunde mar, Jena oder Gotha. werden. Neben dem militärischen Drill gab es sowie sonstiger Funkunterricht vermittelt. Hin- Als er auf Staffelkapitän Hptm. Klinkicht traf, auch theoretischen Unterricht. zu kamen die Q-Gruppen - dies sind wichtige fand dieser ihn so sympathisch, daß Max Max Lagoda fand Gefallen am Funken und Schlüssel, z.B. QAB= bin unterwegs, QTR= Lagoda von da an sein Bordfunker wurde. so ebnete sich sein Weg zum Bordfunker. Uhrzeit. Nach den ersten Nacht- und Schlecht- Es kam vor, daß Klinkicht Max Lagoda am wetterflügen merkten die ersten, daß es gar Zielort 20 Reichsmark in die Hand drückte und nicht so einfach war, Bordfunker zu werden. sich von ihm verabschiedete und am Montag Max Lagoda erwies sich als schneller und früh, 8.00 Uhr an der Maschine verabredete. fehlerfreier Funker, worauf er auch stolz war. Weiterhin standen Höhenflüge, Bildflüge Seine Ausbildung ging in der Fernaufklärer- oder gar taktische Aufklärung im Norden zur schule Gotha und in der Blindflugschule Wien- Ostsee oder in Richtung Osten oder Süden Aspern weiter bis zum 11.01.1941, an dem die an. Max Lagoda mußte oft die Besatzung Prüfung anstand auf FuG IIIa. Nach mit Bra- wechseln, an den Wochenenden stand er vour bestandener Prüfung ging es zur Ergän- Hptm Klinkicht zur Verfügung. So kam für ihn zungsaufklärungs-Gruppe (F) OB.d.L. (=Ober- keine Langeweile auf und mit 20 Reichsmark befehlshaber der Luftwaffe) Berlin-Döbritz. zusätzlich in der Tasche ging es ihm wesent- Hier erhielt Max Lagoda sein Fliegertätigkeits- lich besser als manch einem Landser. abzeichen als Bordfunker und Fliegerschütze. Die Zeit bei der Ergänzungseinheit Ober- Die Ob.d.L. war die Ergänzungseinheit für den befehlshaber Luftwaffe Döberitz erstreckte Fronteinsatz, d.h. fiel irgendwo eine Besatzung aus, kam Ersatz aus Berlin-Döbritz mit Marschbefehl zum Fronteinsatz. In Döberitz gesellte sich zu Max Lagoda und Walter Klink Oberleutnant Willi Geßner aus Leipzig, der - 1907 geboren - eher eine Die Q-Gruppen sind wichtige Schlüssel, z.B.: QRM = Beeinträchti- gung durch Störungen, verursacht durch andere Der Funkverkehr wird auf Schnelligkeit und Stationen. Fehlerfreiheit geübt, geübt, geübt.... „Präsentiert den Spaten!“ - zunächst geht es zum obligatorischen Dienst beim RAD. Im Drillichanzug wird ein von der Küche ausgelöster Waldbrand gelöscht. Angst kennen die Jungs noch nicht. Erst später erfahren Max Lagoda und seine Kamera- den von den Munitionsbunkern in unmit- telbarer Nähe. Für diesen Einsatz bekommt er das Westwallabzeichen. Die Bodenfunkstelle. 2 4/16 Historie Drei Bordfunkerschüler: Gustav Pia, Leo Schmid, Max Lagoda Ltn Kropp und Walter Klink. sich von Flug Nr. 58 am 28.01.1941 bis zum und die Fahrbereitschaft der neuen Einheit - verbände flogen nur noch nachts Bombenan- Flug Nr. 76 am 02.05.1941. 2.(F)/Ob.d.L., Feldpost-Nummer L 14354, Luft- griffe. Für die Fernaufklärer, von denen meh- gaupostamt Paris - schickte sofort einen Pkw rere Staffeln um Paris angesiedelt waren, wur- Versetzung nach Paris-Orly zum Bahnhof heraus. Untergebracht war die de es schwieriger, Wirkunsbilder zu erfliegen zur 2.(F)/Ob.d.L. ganze Einheit in einem sehr geräumigen und sie mußten dafür immer weitere Strecken Am 47. Geburtstag seines Vaters (Erster Schloß in Athismont. Ein Nebehaus war dem zurücklegen. Von denen, die dann als vermißt Weltkriegs-Veteran mit EK II, Unteroffizier bei fliegenden Personal, wie Unteroffizieren, Feld- galten, wußte man nichts. den Pionieren), am 05.05.1941, war es dann webeln usw., vorbehalten. Die Engländer hatten ihr Abhörsystem so soweit. Das Geburtstagsgeschenk von Max Am nächsten Tag gab es eine Begrüßung dicht und gut ausgebaut, daß sie ein feindli- Lagoda war für die Zeit typisch - eine Geburts- und Belehrung durch den Staffelkapitän der ches Flugzeug anpeilen und die Position be- tagskarte, ein Brief und ein Foto, das selbst 2. Staffel, Hauptmann Pritzel. Wörtlich sagte stimmen konnten, sobald der Sender benutzt Eltern mit Stolz erfüllte, die den Sozialdemo- er: „Hier im Ausland ist vieles anders. Wir sind wurde. Der Funkverkehr wurde folglich auf den kraten nahe standen und nie in die Partei ein- für die Franzosen Feinde, aber wir verhalten Notfall beschränkt. Es wurde nur eine letzte traten, so wie die Lagodas. uns freundlich und korrekt“. Nachricht übermittelt oder der Angriff feindli- Noch am selben Tag mußten alle Dienst- Max Lagoda und seine Kameraden wuß- cher Jäger. Kam doch ein Aufklärer durch, sachen - Fliegerkombi, Kopfhaube, Kartenma- ten um die Verluste der letzten Zeit und die schickten die Engländer 80 bis 100 Jäger in terial, Knemeyer (Navigationsbesteck) - abge- Berichte über das Grauen des Kriegsalltags, die Luft, um ihn abzufangen. geben werden und es blieb nur der Privatbe- trugen nicht gerade dazu bei, sich auf die be- Die Nachtfliegerei per Blitzlicht steckte sitz, der sofort abgeschickt wurde. Am vorstehende Einsätze zu freuen. Aber nun gab noch in den Kinderschuhen und kam nur ge- 06.05.1941 ging es per Marschbefehl in Rich- es kein Zurück mehr. legentlich zum Einsatz. tung Frankreich, nach Paris per Bahn. In dieser ruhigen Wohnanlage in der Nähe Die Ob.d.L. Fernaufklärerstaffeln hatten Die Besatzung wurde zu Hptm. Klinkicht von Paris traf Max Lagoda viele Bekannte aus schon zu Friedenszeiten viele Aufklärungs- beordert. Es gab letzte Anweisungen für den seiner Ausbildungszeit wieder. Einige hatten flüge - auch in Zivil in großen Höhen - vor al- bevorstehenden Fronteinsatz. Der Flugzeug- bereits Fronterfahrung, EK II oder einige älte- lem in Polen, Tschechoslowakei, Rumänien, führer Leutnant Walter Froschauer, ein Öster- re sogar EK I, Spanienkreuz und Frontflug- allen Balkanstaaten und in der damaligen reicher aus Innsbruck, traf erst nach ein paar spange für Fernaufklärer. Er erfuhr, daß nicht UdSSR, getätigt, um für den kommenden Tagen Urlaub in Paris ein. Mit dem Beobach- nur fliegerisches Können sondern auch viel Krieg genügend Kartenmaterial zu haben. ter Feldwebel Alfred Pohl, einem Lübecker, Glück dazugehörte. Anfang bis Mitte Mai wa- Max Lagoda erfährt, daß Soldaten bei Be- machte sich Lagoda auf den Weg. Unterwegs ren die Verluste gerade bei den Einsätzen über fehlsverweigerung, vor ein Kriegsgericht ge- ließ er seine Privatsachen bei seinen Eltern. England sehr hoch - von vier Maschinen, die stellt wurden, und erlebte das sogar später In Paris nach scheinbar endloser Bahnfahrt nach England flogen um Wirkungsbilder zu selbst mit. angekommen, meldeten sie sich telefonisch machen, kehrten drei nicht zurück. Die Kampf- Chef der Einheit, Hptm. Pritzel, war gradli- In Königgrätz 1940. In der Ju 52 am FuG 3a. Bordfunkerschüler. 4/16 3 Historie 215, eine Ju 52 und ein Sportflugzeug, ein „Stieglitz“ - letzteres für die Flugzeugführer zur Übung und zum Kunstflug. Max Lagoda machte mit FF Heinemann am 13.05.1941 seinen ersten Flug - ein Werkstatt- flug nach einer erfolgten Reparatur. Dabei ging es bis auf 8.000 m Höhe. Beides - die Höhe und der Flugzeugtyp - waren für Max Lagoda neu. Das gab einen Vorgeschmack auf die Aufklärungseinsätze über England. Max Lagoda wurde zu Flügen über Flug- häfen, Seehäfen und zerstörte Ziele in den Rüstungszentren und zwischendurch zu Werk- statt- oder zu Überlandflügen mit jeweils wech- selnden Flugzeugführern, eingeteilt. Der 20.05.1941 konfrontierte Max Lagoda zum ersten Mal mit dem ganzen furchtbaren Ausmaß des Krieges. Er flog mit Ofw. Puls nach Cherbourg, wo eine Do 215 nach einem Fleindflug notgelandet war. Der Bordfunker, Sepp Lindorfer, war im Luftkampf gefallen, die anderen drei Besatzungsmitglieder waren schwer verletzt und vorerst nicht einsatzfähig. Sepp Lindorfer hatte man bereits aus der ha- varierten Maschine geborgen, als Max Lagoda und Ofw. Puls sie inspizierten. Der Innenraum der Do bot ein entsetzliches Bild voller Blut, Fleischfetzen am Funkgerät und Bordfunker- sitz, der Sitzfallschirm durchlöchert und blut- getränkt, die Stahlschutzplatten verbogen und ebenfalls durchlöchert. Die Außenhaut der Do von Einschußlöchern durchsiebt und es schien fast ein Wunder, daß sie noch bis Cherbourg gekommen war. Dieses Bild vor Augen ver- schlug Max Lagoda den Appetit und der Ein- satzbefehl am nächsten Tag ließ ihn regelrecht krank werden. Doch das alles half nichts - nun mußte er sich auch einreihen.