SPD-Ortsverein Wiesbaden-Nord
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Wir im Norden 2014 SPD-Ortsverein Wiesbaden-Nord Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, zum 21. Mal erscheint nun unser Kalender „Wir im Norden“ und zum zweiten Mal darf ich Sie als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Wiesbaden-Nord herzlich zum Lesen einladen. Diesmal steht die Stadtentwicklung der Landeshauptstadt Wiesbaden im Vordergrund. Und da gibt es viel Spannendes zu erzählen: Ganz besonders über die Verirrungen während der Nachkriegszeit durch die May’schen Planun - gen, bis in die Gegenwart mit den Erfolgen auch sozialdemokratischer Stadtentwicklungspolitik. Wir spannen den Bogen vom Nachkriegschaos bis hin zu einem Ausblick darauf, was Stadtent - wicklung in der Zukunft bedeuten kann, ja bedeuten muss. An dieser Stelle danke ich allen Autoren für ihre Beiträge herzlich – ganz besonders den Redak - teuren, die die diesjährige Ausgabe wieder möglich gemacht haben: Jürgen Geisler, Thomas Weichel, Heinz-Lothar Todemann (Astro), Annette Czech, Rolf Hegemann und Frank Hercher. Erinnern möchte ich an unseren lieben Genossen Wolfgang, „Wolli“ Herber, der im Jahr 2013 seiner schweren Erkrankung erlegen ist. Erstmals wird im Kalender 2014 kein Artikel von ihm er - scheinen – dabei hätte ihn die diesjährige Ausgabe, mit ihren Themen sicher begeistert. Wir widmen Ihm in Gedenken diese Ausgabe unseres Kalenders 2014. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich viel Freude bei der Lektüre und einige, vielleicht überraschende, Erkenntnisse durch die Beiträge in unserem Kalender. Ihr Marc Paffenholz Vorsitzender der SPD Wiesbaden-Nord Wiesbaden - moderne Metropole des kleinen Musterstaats Nassau m Anfang war Napoleon.“ Die - Kaiser Napo - der Architekt des 1810 eingeweihten ser fundamentale Satz des leon, Gemälde alten Kurhauses, fast hundert Jahre Historikers Thomas Nipperdey von Jacques- das glänzende Zentrum der Wiesba - Aam Beginn seiner bedeutenden Louis David, Öl dener Gesellscha+skur, des Erbprin - „Deutschen Geschichte 1800 – auf Holz, 1807, zenpalais’ und des für Jahrzehnte 1866“ gilt auch für den phänomena - Paris, Ins6tut größten und exklusivsten Kurhotels len Aufs=eg Wiesbadens im 19. Jahr - de France, der Stadt, des im Bombenhagel 1945 hundert. Fonda6on zerstörten Grandhotels „Vier Jahres - 1800 war Wiesbaden ein kleines Dosne-Thiers. zeiten.“ Ackerbürgerstädtchen mit heißen waltung gab, kümmerte sich die her - Herzoglich nassauische Baubeamte Quellen und 2.500 Einwohnern. zogliche Landesregierung, und in waren auch die Architekten der üb - 1900 war Wiesbaden eine glanzvolle ihrem Au+rag vor allem der nas - rigen architektonischen Wahrzei - „Weltkurstadt“ mit 100.000 Einwoh - sauische Bauinspektor Chris=an Zais, chen der Stadt, der Marktkirche (Karl nern und rund 200.000 Kurgästen. auch um die Stadtplanung in unserer Boos), der Bonifa=uskirche, der Rus - Auslöser dieses Aufs=egs war in den Stadt und die Entwicklung des Kur - sischen Kirche auf dem Neroberg Jahren 1803/1806 die Gründung des wesens. und der Synagoge auf dem Michels - Herzogtums Nassau im Zuge der na - Zais verdanken wir den Innenstadt- berg (alle drei: Philipp Hoffmann). Grundriss des „Historischen Fünf - Nur das in der nassauischen Haupt - Modernes Schulsystem ecks“: Wilhelmstraße, Taunusstraße, stadt auch benö=gte Stadtschloss poleonischen territorialen Flurberei - Röderstraße, Schwalbacher Straße wurde von einem auswär=gen Archi - nigung in Europa. Nassau galt und Rheinstraße und den neuen Kur - tekten geplant, Georg Moller, auch zeitweise als „der kleine Muster - bezirk am Kureck, mit Kurhaus und einem Baubeamten, aber im Dienste staat“ des großen gesellscha+lichen Kolonnaden und dem heu=gen „Kai - des Großherzogs von Hessen-Darm - Modernisierungsschubs nach der ser-Friedrich-Platz“. Zais war auch stadt. Jörg Jordan französischen Revolu=on, als dessen Wegbereiter sich Napoleon ver - stand. Beispielsweise entstand hier zuerst in Deutschland ein konfessi - onsneutrales öffentliches Schulsys - tem und ein flächendeckender staatlicher Gesundheitsdienst für alle Bürgerinnen und Bürger. Nassau war seit 1814 auch das erste deutsche Land mit einer Verfassung mit bürgerlichen Freiheitsrechten und einer darin verankerten Selbst - beschränkung der poli=schen Macht des Herrschers. Wiesbadens Entwicklung erhielt ent - scheidende Wachstumsimpulse als Hauptstadt dieses neuen Kleinstaats von Napoleons Gnaden. Da es da - Das “Historische Fünfeck”. Waagerecht oben die Wilhelmstraße mit Kurhaus (Cursaal). mals keine kommunale Selbstver - Fotos: Archiv Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Wiesbaden so schnell zu einer bedeutenden Weltkurstadt, dass ein neues Kurhaus notwendig wurde, um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden. Friedrich von Thiersch, durch den Bau des Münchener Jus6zpalastes und seinen Entwurf für den Berliner Reichstag berühmt geworden, wurde 1902 mit dem Neubau beau%ragt. 1907 wurde das prunkvolle, an gleicher Stelle und in vergleichbarem S6l des alten errichtete neue Kurhaus in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Foto: Astrofoto Wir im Norden - 2014 Hunger und Wohnungsnot prägen die Nachkriegsjahre iesbaden, so wird immer wieder kolpor=ert, sei vom Zweiten Weltkrieg kaum Wgetroffen worden. Gemessen an Frankfurt, Mainz oder auch Darm - stadt waren die Zerstörungen rela=v gering, für sich genommen war je - doch die alte Weltkurstadt schwer getroffen. Tausende ha>en in den Bomben - nächten ihr Leben verloren. Von 16.000 Gebäuden waren 1.550 völlig vernichtet, 1.041 schwer und 1.572 mi>elschwer beschädigt – und 8.886 leicht. Nach unseren heu=gen Maßstäben waren auch die mi>el - schwer beschädigten unbewohnbar. Eine weitere schwere Belastung waren die umfangreichen Beschlag - 1947 - Schlangestehen in der Nerostraße vor der Metzgerei Schütz. nahmungen der Amerikaner, die Milderung der allgegenwär=gen Not Abtransport der Trümmer jener Häu - Wiesbaden als einen ihrer Verwal - galt es zugleich, den Einfluss der ser, die nicht wieder hergestellt wer - tungsstandorte auserkoren ha>en. überall noch in der Verwaltung tä= - den konnten. Die unvorstellbare Mi>elfris=g führte dies allerdings gen Na=onalsozialisten zu begren - Menge von 600.000 Kubikmeter zen. Trümmer wurde aus Wiesbaden und Herkulesaufgabe Zu den Kriegsfolgen gehörten auch Kastell abgefahren, zu einem großen dazu, dass die Stadt die Hauptstadt die Millionen von Flüchtlingen, die in Teil mit der zwölf Kilometer langen des neu geschaffenen Staates Hes - den nächsten Jahren nach Westen sen wurde. strömten. Menschen, „Vertriebene“ Trümmerabtransport In den letzten Wochen des Krieges genannt, die o+ trauma=siert, auch „Trümmerbahn“. Wenn möglich, brachen auch die Versorgungssys - in Wiesbaden nach einer Zukun+ wurden die Steine wiederverwertet, teme zusammen. Noch vor Kriegs - suchten. Bereits im Juli 1945 wurde der Rest vor allem bei Schierstein zur ende ernannten die Amerikaner Aufschü>ung verwendet. Während Georg Krücke zum Oberbürgermeis - Wohnraum schaffen die völlig zerstörten Teile der Innen - ter, hierbei griffen sie wie vielerorts das städ=sche Wiederau%auamt ge - stadt rund um die Webergasse zu - auf die alten bürgerlichen Eliten der gründet – mit dem ganz einfachen, nächst für die Wiederbebauung Weimarer Zeit zurück. Als seinen ers - aber schwierigen Ziel, die Stadt we - gesperrt wurden, entstanden bereits ten Mitarbeiter ernannte er den frü - nigstens wieder „bewohnbar“ zu die ersten Bauten von Gemeinnützi - heren sozialdemokra=schen Stadtrat machen. gen Gesellscha+en und Selbsthilfe - Philipp Holl zum Dezernenten für Zunächst richtete sich das Hauptau - organisa=on ab 1946/47 im Personal und Fürsorge. Holl stand genmerk auf die Wiederherstellung Kohlheck und in der Siedlung „Mär - eine Herkulesaufgabe bevor – neben beschädigter Wohnung und auf den chenland“. Thomas Weichel „Verschiebebahnhof“ der Trümmerbahn auf dem Luisenplatz. Fotos: Stadtarchiv/Willi Rudolph Wir im Norden - 2014 teile Parkfeld, Klarenthal und Schel - mengraben. Klarenthal zum Beispiel Wiesbaden und Ernst May zeichnet sich durch gestaffelte Bau - Noch in den Zwanzigerjahren Kultur. Um die Innenstadt sollten, weise am Hang, großzügige Grünflä - des letzten Jahrhunderts be - voneinander getrennt, Industriege - chen und Spielplätze, Fernheizwerk standen die Innenstädte der biete und in Grüngürtel eingebe>et, sowie eine Verkehrsführung mit we - Ameisten Großstädte aus übervölker - reine Wohnstädte entstehen. nigen Durchgangsstraßen aus. Öf - ten Quar=eren mit engen Gassen Der Architekt und Stadtplaner Ernst fentliche Einrichtungen und nicht und Hinterhöfen ohne Sonnenlicht. May wirkte zunächst von 1925 bis zuletzt der Wald sind fußläufig, o+ Stadtnahe und innerstäd=sche In - Viele Lebensstationen ohne Straßenquerung, erreichbar. dustrie verpestete mit ihren gi+igen Dies sichert gerade Kindern viel Selb - Abgasen die Lu+. Planlose Erweite - 1930 in Frankfurt als Baustadtrat. Im ständigkeit. Die Bandbreite vom Ein - rungen der Stadt vernichteten die oben beschriebenen Geist wurden in familienhaus bis zur Geschoss- letzten Reste des erreichbaren seiner Amtszeit, unter Mitwirkung wohnung im sozialen Wohnungsbau Grüns. Über Bäder verfügten die weiterer namha+er Architekten, sollte eine ausgewogene Einwohner - Wohnungen dort in der Regel nicht unter anderem mehrere Neubauge - struktur sichern. Eine hohe Zahl von biete mit insgesamt 15.000 Woh - nungen errichtet. Die Projekte unter Trabantenstädte dem Arbeits=tel „Neues Frankfurt“ Bewohnern der ersten Stunde, die werden heute als herausragende bis heute dort leben, zeigt, dass das Beispiele der klassischen Moderne Konzept funk=oniert. mit der Weißenhofsiedlung in Stu>