Wir im Norden

2014

SPD-Ortsverein -Nord

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, zum 21. Mal erscheint nun unser Kalender „Wir im Norden“ und zum zweiten Mal darf ich Sie als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Wiesbaden-Nord herzlich zum Lesen einladen. Diesmal steht die Stadtentwicklung der Landeshauptstadt Wiesbaden im Vordergrund. Und da gibt es viel Spannendes zu erzählen:

Ganz besonders über die Verirrungen während der Nachkriegszeit durch die May’schen Planun - gen, bis in die Gegenwart mit den Erfolgen auch sozialdemokratischer Stadtentwicklungspolitik. Wir spannen den Bogen vom Nachkriegschaos bis hin zu einem Ausblick darauf, was Stadtent - wicklung in der Zukunft bedeuten kann, ja bedeuten muss.

An dieser Stelle danke ich allen Autoren für ihre Beiträge herzlich – ganz besonders den Redak - teuren, die die diesjährige Ausgabe wieder möglich gemacht haben: Jürgen Geisler, Thomas Weichel, Heinz-Lothar Todemann (Astro), Annette Czech, Rolf Hegemann und Frank Hercher.

Erinnern möchte ich an unseren lieben Genossen Wolfgang, „Wolli“ Herber, der im Jahr 2013 seiner schweren Erkrankung erlegen ist. Erstmals wird im Kalender 2014 kein Artikel von ihm er - scheinen – dabei hätte ihn die diesjährige Ausgabe, mit ihren Themen sicher begeistert.

Wir widmen Ihm in Gedenken diese Ausgabe unseres Kalenders 2014.

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich viel Freude bei der Lektüre und einige, vielleicht überraschende, Erkenntnisse durch die Beiträge in unserem Kalender.

Ihr

Marc Paffenholz Vorsitzender der SPD Wiesbaden-Nord Wiesbaden - moderne Metropole des kleinen Musterstaats Nassau m Anfang war Napoleon.“ Die - Kaiser Napo - der Architekt des 1810 eingeweihten ser fundamentale Satz des leon, Gemälde alten Kurhauses, fast hundert Jahre Historikers Thomas Nipperdey von Jacques- das glänzende Zentrum der Wiesba - Aam Beginn seiner bedeutenden Louis David, Öl dener Gesellscha+skur, des Erbprin - „Deutschen Geschichte 1800 – auf Holz, 1807, zenpalais’ und des für Jahrzehnte 1866“ gilt auch für den phänomena - Paris, Ins6tut größten und exklusivsten Kurhotels len Aufs=eg Wiesbadens im 19. Jahr - de France, der Stadt, des im Bombenhagel 1945 hundert. Fonda6on zerstörten Grandhotels „Vier Jahres - 1800 war Wiesbaden ein kleines Dosne-Thiers. zeiten.“ Ackerbürgerstädtchen mit heißen waltung gab, kümmerte sich die her - Herzoglich nassauische Baubeamte Quellen und 2.500 Einwohnern. zogliche Landesregierung, und in waren auch die Architekten der üb - 1900 war Wiesbaden eine glanzvolle ihrem Au+rag vor allem der nas - rigen architektonischen Wahrzei - „Weltkurstadt“ mit 100.000 Einwoh - sauische Bauinspektor Chris=an Zais, chen der Stadt, der Marktkirche (Karl nern und rund 200.000 Kurgästen. auch um die Stadtplanung in unserer Boos), der Bonifa=uskirche, der Rus - Auslöser dieses Aufs=egs war in den Stadt und die Entwicklung des Kur - sischen Kirche auf dem Neroberg Jahren 1803/1806 die Gründung des wesens. und der Synagoge auf dem Michels - Herzogtums Nassau im Zuge der na - Zais verdanken wir den Innenstadt- berg (alle drei: Philipp Hoffmann). Grundriss des „Historischen Fünf - Nur das in der nassauischen Haupt - Modernes Schulsystem ecks“: Wilhelmstraße, Taunusstraße, stadt auch benö=gte Stadtschloss poleonischen territorialen Flurberei - Röderstraße, Schwalbacher Straße wurde von einem auswär=gen Archi - nigung in Europa. Nassau galt und Rheinstraße und den neuen Kur - tekten geplant, Georg Moller, auch zeitweise als „der kleine Muster - bezirk am Kureck, mit Kurhaus und einem Baubeamten, aber im Dienste staat“ des großen gesellscha+lichen Kolonnaden und dem heu=gen „Kai - des Großherzogs von Hessen-Darm - Modernisierungsschubs nach der ser-Friedrich-Platz“. Zais war auch stadt. Jörg Jordan französischen Revolu=on, als dessen Wegbereiter sich Napoleon ver - stand. Beispielsweise entstand hier zuerst in Deutschland ein konfessi - onsneutrales öffentliches Schulsys - tem und ein flächendeckender staatlicher Gesundheitsdienst für alle Bürgerinnen und Bürger. Nassau war seit 1814 auch das erste deutsche Land mit einer Verfassung mit bürgerlichen Freiheitsrechten und einer darin verankerten Selbst - beschränkung der poli=schen Macht des Herrschers. Wiesbadens Entwicklung erhielt ent - scheidende Wachstumsimpulse als Hauptstadt dieses neuen Kleinstaats von Napoleons Gnaden. Da es da - Das “Historische Fünfeck”. Waagerecht oben die Wilhelmstraße mit Kurhaus (Cursaal). mals keine kommunale Selbstver - Fotos: Archiv Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Wiesbaden so schnell zu einer bedeutenden Weltkurstadt, dass ein neues Kurhaus notwendig wurde, um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden. Friedrich von Thiersch, durch den Bau des Münchener Jus6zpalastes und seinen Entwurf für den Berliner Reichstag berühmt geworden, wurde 1902 mit dem Neubau beau%ragt. 1907 wurde das prunkvolle, an gleicher Stelle und in vergleichbarem S6l des alten errichtete neue Kurhaus in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Foto: Astrofoto

Wir im Norden - 2014 Hunger und Wohnungsnot prägen die Nachkriegsjahre

iesbaden, so wird immer wieder kolpor=ert, sei vom Zweiten Weltkrieg kaum Wgetroffen worden. Gemessen an , oder auch Darm - stadt waren die Zerstörungen rela=v gering, für sich genommen war je - doch die alte Weltkurstadt schwer getroffen. Tausende ha>en in den Bomben - nächten ihr Leben verloren. Von 16.000 Gebäuden waren 1.550 völlig vernichtet, 1.041 schwer und 1.572 mi>elschwer beschädigt – und 8.886 leicht. Nach unseren heu=gen Maßstäben waren auch die mi>el - schwer beschädigten unbewohnbar. Eine weitere schwere Belastung waren die umfangreichen Beschlag - 1947 - Schlangestehen in der Nerostraße vor der Metzgerei Schütz. nahmungen der Amerikaner, die Milderung der allgegenwär=gen Not Abtransport der Trümmer jener Häu - Wiesbaden als einen ihrer Verwal - galt es zugleich, den Einfluss der ser, die nicht wieder hergestellt wer - tungsstandorte auserkoren ha>en. überall noch in der Verwaltung tä= - den konnten. Die unvorstellbare Mi>elfris=g führte dies allerdings gen Na=onalsozialisten zu begren - Menge von 600.000 Kubikmeter zen. Trümmer wurde aus Wiesbaden und Herkulesaufgabe Zu den Kriegsfolgen gehörten auch Kastell abgefahren, zu einem großen dazu, dass die Stadt die Hauptstadt die Millionen von Flüchtlingen, die in Teil mit der zwölf Kilometer langen des neu geschaffenen Staates Hes - den nächsten Jahren nach Westen sen wurde. strömten. Menschen, „Vertriebene“ Trümmerabtransport In den letzten Wochen des Krieges genannt, die o+ trauma=siert, auch „Trümmerbahn“. Wenn möglich, brachen auch die Versorgungssys - in Wiesbaden nach einer Zukun+ wurden die Steine wiederverwertet, teme zusammen. Noch vor Kriegs - suchten. Bereits im Juli 1945 wurde der Rest vor allem bei Schierstein zur ende ernannten die Amerikaner Aufschü>ung verwendet. Während Georg Krücke zum Oberbürgermeis - Wohnraum schaffen die völlig zerstörten Teile der Innen - ter, hierbei griffen sie wie vielerorts das städ=sche Wiederau%auamt ge - stadt rund um die Webergasse zu - auf die alten bürgerlichen Eliten der gründet – mit dem ganz einfachen, nächst für die Wiederbebauung Weimarer Zeit zurück. Als seinen ers - aber schwierigen Ziel, die Stadt we - gesperrt wurden, entstanden bereits ten Mitarbeiter ernannte er den frü - nigstens wieder „bewohnbar“ zu die ersten Bauten von Gemeinnützi - heren sozialdemokra=schen Stadtrat machen. gen Gesellscha+en und Selbsthilfe - Philipp Holl zum Dezernenten für Zunächst richtete sich das Hauptau - organisa=on ab 1946/47 im Personal und Fürsorge. Holl stand genmerk auf die Wiederherstellung Kohlheck und in der Siedlung „Mär - eine Herkulesaufgabe bevor – neben beschädigter Wohnung und auf den chenland“. Thomas Weichel „Verschiebebahnhof“ der Trümmerbahn auf dem Luisenplatz. Fotos: Stadtarchiv/Willi Rudolph

Wir im Norden - 2014 teile Parkfeld, Klarenthal und Schel - mengraben. Klarenthal zum Beispiel Wiesbaden und Ernst May zeichnet sich durch gestaffelte Bau - Noch in den Zwanzigerjahren Kultur. Um die Innenstadt sollten, weise am Hang, großzügige Grünflä - des letzten Jahrhunderts be - voneinander getrennt, Industriege - chen und Spielplätze, Fernheizwerk standen die Innenstädte der biete und in Grüngürtel eingebe>et, sowie eine Verkehrsführung mit we - Ameisten Großstädte aus übervölker - reine Wohnstädte entstehen. nigen Durchgangsstraßen aus. Öf - ten Quar=eren mit engen Gassen Der Architekt und Stadtplaner Ernst fentliche Einrichtungen und nicht und Hinterhöfen ohne Sonnenlicht. May wirkte zunächst von 1925 bis zuletzt der Wald sind fußläufig, o+ Stadtnahe und innerstäd=sche In - Viele Lebensstationen ohne Straßenquerung, erreichbar. dustrie verpestete mit ihren gi+igen Dies sichert gerade Kindern viel Selb - Abgasen die Lu+. Planlose Erweite - 1930 in Frankfurt als Baustadtrat. Im ständigkeit. Die Bandbreite vom Ein - rungen der Stadt vernichteten die oben beschriebenen Geist wurden in familienhaus bis zur Geschoss- letzten Reste des erreichbaren seiner Amtszeit, unter Mitwirkung wohnung im sozialen Wohnungsbau Grüns. Über Bäder verfügten die weiterer namha+er Architekten, sollte eine ausgewogene Einwohner - Wohnungen dort in der Regel nicht unter anderem mehrere Neubauge - struktur sichern. Eine hohe Zahl von biete mit insgesamt 15.000 Woh - nungen errichtet. Die Projekte unter Trabantenstädte dem Arbeits=tel „Neues Frankfurt“ Bewohnern der ersten Stunde, die werden heute als herausragende bis heute dort leben, zeigt, dass das Beispiele der klassischen Moderne Konzept funk=oniert. mit der Weißenhofsiedlung in Stu> - Wiesbaden unterschied sich jedoch gart und dem in Dessau von den meisten Städten, in denen verglichen. May nach dem Krieg wirkte. Die Vor - Anschließend arbeitete May in der teile der „grünen“ Trabantenstädte Sowjetunion, später in Afrika. Nach traten hier weniger hervor, denn In - dem Krieg kehrte er nach Deutsch - dustrie und übervölkerte Stadtvier - land zurück. Für die durch Kriegszer - tel gab es kaum in der eher bürger- Prof. Ernst May (* 27. Juli 1886; störung und Flüchtlinge bedingte lich geprägten Kur- und Verwal - † 11. September 1970) Wohnungsnot schienen seine Kon - tungsstadt. zepte von schnell in Großtafel- und Viele Teile waren von Grün durchzo - und Toile>en befanden sich „auf hal - Pla>enbauweise errichteten Traban - gen. Von gro ßfl ächiger Kriegszerstö - ber Treppe“. Beheizbar war o+ nur Hochstraßennetz rung blieben sie weitgehend die Küche, allenfalls ein weiterer verschont (für die City-Ost sollte das Raum. tenstädten die geeignete Lösung zu intakte Villengebiet im Bereich der Diese Zustände prägten das Archi - sein. Er realisierte sie in verschiede - Frankfurter Straße/Parkstraße abge - tekturverständnis von Ernst May, wie nen Städten. Zu Mays letzten Arbei - rissen werden). Hinzu kamen bereits das vieler seiner Berufskollegen. So ten gehörten jene in Wiesbaden. in der Bauzeit der Großsiedlungen wurde er 1928 wie zum Beispiel Le Hier konzipierte er unter anderem anderenorts gewonnene Erkennt - Corbusier, Walter Gropius und Gerrit die Hochhausstadt „City-Ost“ und nisse über soziale Brennpunkte in Rietveld Gründungsmitglied des zur Lösung der Verkehrsprobleme den Trabantenstädten, die Verödung Congrès Interna=onal d’Architecture eine U-Bahn und ein Hochstraßen - der Innenstädte und die Steigerung Moderne (CIAM), der 1933 in der netz, die Hochbrücke an der Schwal - des Verkehrs als Folgen der städte - Charta von Athen eine funk=onal ge - bacher Straße war dessen reali- baulichen Trennung von Arbeit und trennte Stadt proklamierte. Die In - sierter Teil. Wohnen. Insofern bleibt May und nenstadt war danach reserviert für Umgesetzt wurden, von 1959 bis sein Erbe in Wiesbaden umstri>en. Verwaltung, Banken, Einkauf und 1970, seine Planungen für die Stadt - Michael Weigold System May: Vom Reißbre7 auf die “güne Wiese”. Blick auf die neu erbaute Trabantenstadt Gräselberg im Jahr 1964. Fotos: Stadtarchiv/Joachim Weber

Wir im Norden - 2014 Gegenbewegung stoppt May’sches Konzept ls Ernst May im Mai 1961 im und Hochstraßen. An - Alter von 75 Jahren zum Pla - fangs regte sich in der nungsbeau+ragten der Lan - Öffentlichkeit für Adeshauptstadt Wiesbaden berufen Wiesbadener Verhält - wird, hat er bereits eine große Kar - nisse nur wenig Wi - riere als Architekt und Stadtentwick - derstand, auch stand ler hinter sich. So konzipierte er in man dem histori - den Zwanzigerjahren – nach dem schen Bau-Erbe damals emo=onslo - Das ist die von Prof. Ernst May geplante Bebauung der”City-Ost” im Modell. Unten Vorbild der Gartenstadtbewegung – ser gegenüber als heute, zu Zeiten waagerecht die Wilhelmstraße und an das „Projekt Neues Frankfurt“: Für der Bewerbung zur Aufnahme in das deren linkem Ende das Kurhaus mit den die damalige Zeit hochmoderne Weltkulturerbe. beiden Kaskadenbrunnen. Ganz rechts Siedlungen, die in Sachen Komfort Ausgerechnet die Jusos, sonst eher wird das Modell vom Stresemannring be - und Wohnqualität neue Maßstäbe zurückhaltend bei kommunalen The - grenzt. setzten. men, mobilisierten jedoch damals Oktober-Kalenderbla> beschrieben) Auch in der Nachkriegszeit wollte gegen den Ausverkauf der Wiesba - erst heute erfolgen. Die SPD-Stadt - May mit seinen Planungen auf der dener Geschichte: Für die Erhaltung verordnetenfrak=on machte sich die Höhe der Zeit bleiben. In der Wirt - historischer Bausubstanz und den Er - Partei-Linie zu Eigen, sodass die For - halt von Mischstrukturen zwischen derungen der Jusos letztendlich auch Kahlschlag geplant Wohnen und Arbeiten. Und nicht zu - poli=sch durchgesetzt werden konn - scha+swunderzeit wuchsen Wohl - letzt der Denkmalschutz rückte in ten. stand und Mobilität im Verhältnis den Vordergrund vor gnadenlosem Am Erhalt des „historischen“ Wies - schneller als der verfügbare Wohn - städtebaulichen Pragma=smus. badens ha>e Jörg Jordan dann als raum. So gab es 1956 in Hessen Der Konflikt mit dem SPD-geführten Stadtentwicklungsdezernent von einen Fehlbestand von 20,3 Prozent Magistrat war unvermeidlich. Auf an Wohnraum, größtenteils im einem SPD-Unterbezirksparteitag im Mahner nicht verstummt Rhein-Main-Gebiet. Für die damali - August 1971 kam es zur Revolte: 1973 bis 1979 selbst großen Anteil. gen Stadtplaner Grund genug, die Etwa 200 Genossinnen und Genos - Auch die Namen der damaligen Juso- Stadt autogerecht auszulegen und sen lehnten die May’schen Umbau - Akteure sind heute noch präsent: den vermeintlichen neuen Wohnbe - pläne ab. Nur 17 sprachen sich dafür Neben Jordan erheben regelmäßig dürfnissen anzupassen. aus. Beschlossen wurde sta>dessen noch Wolfgang Hessenauer, Dieter So plante May in Wiesbaden die unter anderem die Erhaltung der Horschler, Frank Beucker, Achim „City-Ost“, für die ein Großteil der City Ost als Wohnbereich, Vermei - Exner oder – für die Bürgerliste – Mi - Villen östlich der Wilhelmstraße chael von Poser mahnend ihre einem riesigen Büroviertel weichen Bebauungsplan S=mme zu Entwicklungen oder ver - sollten. Ferner standen das Bergkir - dung von Bodenspekula=on durch meintlichen Fehlentwicklungen in chenviertel, das „Schiffchen“ sowie einen Bebauungsplan sowie kein der Landeshauptstadt. die südliche Innenstadt zwischen Ausbau der Frankfurter- und inneren Den Grundstein dafür, dass Wiesba - Rheinstraße und Kaiser-Friedrich- Mainzer Straße. Im Bergkirchenvier - den sich heute für das Weltkultur - Ring zur Disposi=on. Ergänzt werden tel erfolgte eine, wie Jörg Jordan es erbe bewirbt, haben sie schon vor sollte dies alles durch großzügige beschreibt, „punktuelle Modernisie - vierzig Jahren gelegt. Wahrlich ein Straßen (verwirklicht wurde die rung“, deren letzte Schri>e (zum Bei - Höhepunkt der Stadtentwicklungs - sechsspurige Schwalbacher Straße) spiel am Bergelchen, wie auf dem poli=k. Marc Paffenholz Alle Villen oberhalb der Wilhelm- und der Kleinen Mainzer Straße bis hinauf zum Moltkering sollten von der Abrissbirne “pla7” gemacht werden. Auch diese, als “Weißes Haus” bekannte Villa Söhnlein-Pabst in der Paulinenstraße wäre dem Wahn, eine autogerechte Stadt vom Reißbre7 aus zu schaffen, zum Opfer gefallen. Foto: Astrofoto

Wir im Norden - 2014 Verkehrsberuhigung Stadtbildpflege und Denkmalschutz erhalten hohen Stellenwert ie kommunalpoli=sche Ausei - am 29. August 1971 auf einem nandersetzung um das von SPD-Parteitag und 1972, nach Ernst May im Au+rag des den von der SPD gewonnenen Wiesbadener Magistrats entwickelte Kommunalwahlen, mit Hilfe Gesamtkonzept des „Neuen Wiesba - des neuen Stadtentwicklungs - den“ entzündete sich am Projekt der dezernats durchgesetzten „City Ost“, das heißt, dem geplanten neuen Stadtpoli=k wurden Totalabriss des Villenhangs östlich unter anderem in der „City der Wilhelmstraße bis zum Moltke - Ost“ die Villen weitgehend ring. unter Denkmalschutz gestellt. Im Kampf hiergegen entwickelten Die Wohnfunk=on wurde da - die Jungsozialisten, und mit ihnen durch und durch einen Bebau - bald auch die SPD, ein neues umfas - ungsplan gestärkt. Im sendes Stadtentwicklungskonzept: Bergkirchenviertel erfolgte eine Wer eine lebendige Stadt will, muss punktuelle Modernisierung die städ=sche Mischung aus Woh - ohne Mietervertreibung, mit nen, Arbeiten, Handeln und Vergnü - starker Beteiligung eines ge - wählten Sanierungsbeirats. In diesem Zusammenhang wurde gen erhalten, und zwar gerade in der das Palasthotel zu einem Wohnhaus Abriss der Hochbrücke über der Schwal- Innenstadt. Vor allem dort mussten des Sozialen Wohnungsbaus umge - bacher Straße. Foto: Astrofoto dem freien Spiel der Marktkrä+e, baut und an der nördlichen Brand - 1973 begannen die Baumaßnahmen das zumeist zu Lasten der Bewohner wand durch einen auch nach fast zur Einrichtung der Fußgängerzone. gehen würde, durch Bebauungs - vierzig Jahren noch ästhe=sch be - Am 14. September 1974 fand mit pläne und die Wohnbereiche schüt - friedigenden Anbau in moderner Ar - dem ersten Schlossplatzfest die Ein - zende Verkehrslenkung Grenzen chitektur ergänzt. weihung des vom Straßenverkehr gezogen werden. Und es galt, sie mit befreiten, neuen Schlossplatzes einer gut funk=onierenden Bauauf - sta>. sicht auch durchzusetzen In der südlichen Innenstadt diente Am 11. September 1975 war dann Als Instrumente gegen die damals ebenfalls eine neue Bauleitplanung auch die als Straßenbegleitschmuck grassierende Stade, wurde hausweise die Besei=gung der Hochstraße am risch geprägten Stadtbereichen zu an erhaltungswillige Einzelbewerber Michelsberg, war allerdings erst fes=gen. vergeben und ist inzwischen unsere 2001 poli=sch durchsetzbar. Als Schwerpunkte dieser zunächst renovierte, schmucke Altstadt. Jörg Jordan Sta7 eines Autobahnzubringers entstand in der Adolfsallee ein Park mit Biergarten und einem großen Spielplatzge - lände. Foto: Frank Hercher

Am 25.Mai ist Europawahl

Wir im Norden - 2014 Sanierung des „Bergkirchenviertels“ eine Entscheidung mit Augenmaß m Nachhinein lässt sich die ur - häusern und aufgrund der starken durch stadtbauliche Maßnahmen sprüngliche Notwendigkeit der „Abwohnung“ durch die armutsbe - und Sanierungen die Bevölkerungs - Sanierung erkennen aus der Ent - dingte Überbelegung verschlech - struktur erhalten werden solle und wIicklung des Stad>eils im Vergleich terte sich die Qualität der keine „Vertreibung“ der Anwohner zu anderen Vierteln in Wiesbaden. Bausubstanz im Laufe der Jahre zu - erfolgen dürfe. Am Anfang der Entstehung des Berg - sehends. Der Magistrat mit Oberbürgermeis - kirchenviertels steht die herzoglich - 1960 wurden seitens der Stadt Wies - ter Rudi Schmi> an der Spitze erar - nassauische Bebauungsplanung zum baden die ersten Pläne zur Sanierung beitete einen Plan mit dem Ziel der Ausbau Wiesbadens ab 1800. Durch des Bergkirchenviertels in Au+rag „Sanierung mit dem Bürger“. das Wachstum der Stadt, bedingt gegeben. Die Substanz der erhaltbaren Häuser durch das aufstrebende Badewesen, Wie sehr die Sanierung nö=g war, wurde saniert, Neubauten in ange - waren weitere Siedlungsflächen ins - zeigen nur einige Zahlen aus dem messenem S=l errichtet und durch besondere für Handwerker und das Jahr 1968: etwa 70 Prozent der Woh - Teilentkernung der Häuserblöcke nungen ha>en keine eigene Toile>e und durch den Abriss von Hinter - Als “Katzeloch” be kannt innerhalb der Wohnung, etwa 80 häusern wurde Lu+ und Licht in die Personal der Hotels und Badehäuser Prozent ha>en keine Bäder und in Innenbereiche gebracht. notwendig geworden. nahezu allen Wohnungen gab es Grünanlagen in den Innenbereichen Eine der Erweiterungen erfolgte in keine Zentralheizung. Richtung Saalgasse. 1834 waren der Die ersten entwickelten Pläne zur Verkehrsdruck reduziert Römerberg und die Nerostraße beid - „Sanierung“ stammten von Stadtpla - steigern inzwischen die Lebensquali - sei=g bebaut. Bereits Mi>e des ner Prof. Ernst May. Sein Vorschlag tät. Verkehrsberuhigungsmaßnah - 19. Jahrunderts war der nordwestli - sah den Totalabriss des Viertels vor. men und der Bau von Tiefgaragen für che Teil des Straßen-Fünfeckes ent - Nur die Bergkirche sollte stehen blei - die Anwohner reduzierte den leidi - standen (Das „Fünfeck“ ist das ben. gen Verkehrsdruck. markante „Haus-Schema“ im Innen - Vorgesehen war die Neuschaffung Zur Unterstützung der Planungsauf - stadtplan: Rheinstraße/Wilhelm - eines Stad>eils vergleichbar mit Kla - gaben, auch um direkte Teilhabe zu straße/Taunusstraße/Röderstraße/ renthal. ermöglichen, hat es einen Sanie - Schwalbacher Straße). Nur die Berg - Diese Planungen wurden nach he+i - rungsbeirat gegeben. Er wurde von kirche wurde erst 1879 errichtet. gen Protesten der Bevölkerung zu - der Bevölkerung des Sanierungsge - Der Stad>eil ha>e ursprünglich kei - biets aus den eigenen Reihen ge - nen eigenen Namen, am ehesten “Charme” erhalten wählt. noch im Volksmund „Katzeloch“ ge - rückgenommen. Die „Heimat“, der Nunmehr gilt die Sanierung als ab - nannt. Die Bezeichnung „Bergkir - trotz Widrigkeiten lieb gewordene geschlossen und nur noch einige we - chenviertel“ ist erst Ende der 1960er Stad>eil, sollte erhalten bleiben. Un - nige Projekte befinden sich in der Jahre als Begriff der Stadtplanung bestri>en blieb jedoch die Notwen - Abschlussphase. entstanden (Sanierung „An der Berg - digkeit einer Sanierung. Nicht im Das Viertel „An der Bergkirche“ hat kirche“). Sinne allein einer Modernisierung, sich durch die Sanierungsmaßnah - Bedingt durch die bescheidenen Mit - sondern auch des Umbaus hin zu men zu einem rela=v unproblema= - tel der Bauherren, die daraus sich er - einem Stad>eil mit modernen Woh - schen Teil der Wiesbadener gebende im Wortsinne billige nungen, ausreichender Versorgung Innenstadt mit modernen Wohnun - Bauweise (im Gegensatz zur Ge - und Beibehaltung des „Charmes“ gen und einem stabilen sozialen Ge - samtstadt), durch die extreme Ver - des Stad>eils. füge entwickelt. Roland Presber dichtung, infolge des nachträglichen 1971 fasste die Stadtverordneten - Ortsvorsteher Einpassens von Hinter- und Seiten - versammlung den Beschluss, dass Ortsbezirk Mi>e Die Bergkirche, eingebe7et in die sanierte Wohnbebauung. Links die Anton-Gruner-Schule. Foto: Thomas Weichel

Wir im Norden - 2014 Trabantenstädte sind zur Heimat geworden ie „Neubausiedlungen“ – auch Trabantenstädte – am Stadt - rand von Wiesbaden sind vor Dallem in den 1960er und 1970er Jah - ren entstanden. Vielfach werden sie heute als Fehlentwicklung gesehen, als architektonisch fragwürdig und sozial problema=sch. Alexander Mit - scherlich geißelte die „Unwirtlichkeit der Städte“ in einer berühmten Streitschri+ – und sah hier eine der Gründe für einen Heimatverlust und destruk=ve Verhaltensweisen. Dieses harte Urteil trifft aber in sei - ner Allgemeinheit heute keineswegs zu, für viele Bewohner sind zumin - dest Teile der Siedlung mi>lerweile Die Bauarbeiten zur Trabantenstadt Klarenthal im Februar 1966. zur Heimat geworden. Die Absichten Foto: Stadtarchiv/Joachim Weber der damaligen Stadtplaner waren als Raum teilen mussten. Barackensied - und City Ost - schließlich am Wider - solches ehrbar. Sie wollten in kurzer lungen sowie stark sanierungsbe - stand der Wiesbadener Bürger schei - Zeit viel Wohnraum zu bezahlbaren dür+e überbelegte Altbauten terte, wurden die Siedlungen 7000 Wohnungsnotfälle gehörten zum mi>lerweile wieder realisiert. prosperierenden Wiesbaden. Unter Die sich rasch einstellenden Pro - Preisen erstellen, denn die Woh - diesem Aspekt der Not schien jede bleme in den Vierteln ha>en ihre Ur - nungsknappheit war in den beiden moderne Wohnung in einer Stadt - Nachkriegsjahrzehnten ein massives randsiedlung durchaus als sozialer Kampf um guten Ruf Problem. Fortschri>. sache nur bedingt in der Architektur. So wohnten Tausende Wiesbadener Nach dem Gräselberg, der ersten In der Realisa=on hingen Bürgerzen - auch Ende der 1950er Jahre immer Großsiedlung, die in den 1960er Jah - tren, Kirchen und Einkaufsmöglich - noch in Behelfsunterkün+en, Fami - ren vollendet wurden, folgte ab 1963 keiten o+ Jahre hinter der lien waren auf das Engste zusam - die Planung der Siedlungen Parkfeld, Wohnbautä=gkeit zurück. mengerückt. Klarenthal und Schelmengraben Zugleich sorgte eine wenig voraus - Die Umstände sind heute kaum schauende „Belegungspoli=k“ dafür, mehr vorstellbar. 7.000 Wohnungs - Siedlungen realisiert dass soziale Brennpunkte quasi „au - no<älle gäbe es in Wiesbaden, sagte durch den renommierten Stadtpla - toma=sch“ geschaffen wurden. Oberbürgermeister Buch 1959 beim ner und Architekten Ernst May. In Heute hat sich zwar die Situa=on zu - „Ersten Spatens=ch“ für die Siedlung Wiesbaden setzte May einen mindest in Teilen beruhigt, dennoch Gräselberg. Dabei wir+ allein schon Schlusspunkt in seiner durchaus kämpfen die Siedlungen, ausgestat - der Maßstab für Wohnungsnot ein wechselha+en Karriere. tet mit umfangreichen sozialen Ein - bezeichnendes Licht auf die Zeit: Während der ebenfalls von ihm ge - richtungen, immer noch gegen ihren Wohnungsnot war gegeben, wenn plante Abriss großer Teile des Kern - „schlechten Ruf“ an. vier oder mehr Personen sich einen stadtgebietes – Bergkirchenviertel Thomas Weichel Blick über die Dächer Wiesbadens nach Klarenthal. Foto: Thomas Weichel

Wir im Norden - 2014 Vom Güterbahnhof zum “Künstlerviertel” m westlichen Rand der Wies - deln (Konversion), badener Innenstadt, zwischen reichen bis in die Rheingauviertel, Europaviertel 1990er Jahre zu - Aund Dotzheimer Straße, wo heute rück. Doch es dau - neue Wohnhäuser mit Miet- und Ei - erte weitere fünf- gentumswohnungen und kleine Rei - zehn Jahre, bis die Blick auf Wiesbaden Ende der 1960-er henhäuser entstanden sind und Pläne für einen neuen Stad>eil reif - Jahre. Im Vordergrund ein Teil des ehema - einen neuen Stad>eil bilden, das ten. Schließlich kau+e die Stadtent - ligen Güterbahnhofs. Foto: Archiv „Künstlerviertel“, lag der ehemalige wicklungsgesellscha+ Wiesbaden Güterbahnhof von Wiesbaden. Um (SEG) im Jahr 2005 den alten Güter - der Homburger Straße gelegen. Dort das Jahr 1900 angelegt, diente der bahnhof von der Bahn, um daraus können heute Kinder spielen und Er - Güterbahnhof bis Ende der Siebzi - ein neues Wohngebiet entstehen zu wachsene sich auf Bänken ausruhen, gerjahre fast 80 Jahre lang dem Um - lassen. wo vor Jahren Eisenbahnwagons ihre schlag von Massengütern, vor allem Ende des Jahres 2013 waren im Kohlefracht abluden. Kohle, später Heizöl und anderen Künstlerviertel nahezu 500 Wohnun - Die SEG, die das Gebiet entwickelt Rohstoffen, die mit der Bahn nach gen fer=ggestellt und bezogen. Wei - hat, legte von Anfang an großen Wiesbaden transpor=ert wurden. tere 200 Wohnungen sind in der Wert darauf, dass eine möglichst Der Güterbahnhof war als Kopf - Planung oder im Bau. 2.000 Einwoh - große Vielfalt von Wohnungen ent - bahnhof gebaut worden - die Gleise ner zählt die neue Wohnbevölkerung steht: größere und kleiner Wohnun - endeten in der Nähe der Dotzheimer bereits heute. 500 Einwohner wer - gen als Einfamilienhäuser und in Straße - und wurde über einen Zu - den hinzukommen, wenn alles fer=g Geschossbauten für unterschiedliche bringer von der – heute ebenfalls ist. Altersgruppen und für Haushalte in s=llgelegten – Aartalbahn aus er - Mit durchschni>lich 2,8 Personen unterschiedlichen Lebenslagen mit schlossen. pro Haushalt liegt die Haushalts - Im Laufe der Jahrzehnte siedelten größe um 30 Prozent über dem städ - Sinnvolle Mischung sich am Rand des Bahngeländes =schen Durchschni>. Kein Wunder, unterschiedlichen Einkommen. Sie Handelsbetriebe an, die auf einen denn im Künstlerviertel konnten vor wollte damit einsei=ge Bevölke - Gleisanschluss angewiesen waren. allem Familien mit Kindern ihren rungsstrukturen vermeiden, was an - Davon ist heute außer dem ehemali - Wohnungswunsch erfüllen. Für die dernorts häufig zur Folge hat, dass gen Stellwerksgebäude an der Hom - gibt es in dem neuen Stad>eil schon nach einer Genera=on ein komplet - seit 2011 eine neue Kindertages - ter altersmäßiger Umbruch mit allen Verkehrsverlagerung stä>e und eine Grundschule. Konflikten sta?indet, die man sich burger Straße kaum noch etwas Bis es so weit war, vergingen wieder vorstellen kann. übrig geblieben einige Jahre. Mit dem Rückbau der Übrigens, das „Künstlerviertel“ heißt Der Güterverkehr auf der Schiene Anlagen und für die Sanierung der - so, weil die Straßen in dem Neubau - verlor im Laufe der Jahre zuneh - kontaminierten Böden. 100.000 Ku - gebiet nach Künstlerinnen unter - mend an Bedeutung und wurde auf bikmeter Erdreich mussten dafür schiedlicher Richtungen benannt die Straße verlagert. Um das Jahr umgewälzt werden. sind, wie der Christa-Moering-Platz 1980 gab die Bahn den Betrieb der Die SEG wirbt für das Künstlerviertel in der Mi>e des neuen Viertels, der Anlage auf. mit dem Slogan: „Wiesbadener woh - den Namen der im Jahr 2013 ver - Überlegungen der Stadt, das unge - nen natürlich – im Grünen“. Wohl storbenen Malerin und Galeris=n nutzte etwa zwölf Hektar große wahr, denn zu dem neuen Stad>eil trägt, die auch Ehrenbürgerin unse - Areal in ein Wohngebiet umzuwan - gehört auch ein großzügiger Park, an rer Stadt war. Dietrich Schwarz Der Christa-Moering-Platz im neu geschaffenen Künstlerviertel auf dem ehemaligen Gelände des Güterbahnhofs. Foto: Astrofoto

Wir im Norden - 2014 ie Hessische Staatskanzlei am Kranzplatz, im ehemaligen Grand Hotel Rose, ist die Re - Dgierungszentrale des Landes Hessen und der Amtssitz des Hessischen Mi - nisterpräsidenten. Hier finden auch die Kabine>ssitzungen der Landes - regierung sta>. Bis zum Jahr 2004 war die Staatskanzlei auf mehrere Gebäude verteilt, welche direkt an den Park Warmer Damm angrenz - Das ehemalige Hotel “Rose”- heute Staatskanzlei und Sitz des Ministerpräsidenten. ten. Kurz nach der Jahrtausend - wende erwarb das Land das ehemalige Grand Hotel Rose, um es Bauwerke - Zeugen ihrer Zeit denkmalgerecht herzurichten. Das Gebäude, das der Immobilien - Neue Bauten verändern spekulant Jürgen Schneider Anfang der Neunzigerjahre erworben ha>e, das Gesicht unserer Stadt um daraus ein Hotel der absoluten wertung der Wiesbadener Altstadt teiligung bei architektonisch und Luxusklasse zu machen, stand nach durch städtebauliche Integra=on des städtebaulich relevanten Projekten, Schneiders Pleite bis 2004 leer, um Landesparlaments in den kleinbür - hat sie doch zur heu=gen – einer ein - fortan als Sitz der Staatskanzlei zu gerlich geprägten Bereich des soge - deu=g besseren – Lösung geführt fungieren. nannten Schiffchens zwischen und eine massive Bebauung durch Die Nutzung eines ehemaligen Graben- und Wagemannstraße. den Plenarsaal verhindert. Voraus - Grand Hotels als Sitz der Landesre - Ein neuer Stadtplatz wurde geschaf - setzung war allerdings, dass die Ent - fen, der von der Wiesbadener Bevöl - scheidungsträger auf die Argumente Große Symbolkraft kerung und den Gästen der Stadt engagierter Bürger eingegangen gierung ist und bleibt für die Stadt - gerne angenommen wird und zur sind. entwicklung Wiesbadens von großer weiteren Belebung der Innenstadt Während sich die Änderung der Nut - Symbolkra+. Erst ein Symbol des kai - beiträgt. zung des Grand Hotel Rose sowie der serlichen Glanzes einer Kurstadt von Mit der Einweihung des neuen Ple - Weltbedeutung; heute ein Zeichen narsaals fand die Poli=k der Stadter - Radikaler Bruch für Wiesbadens Bedeutung als Ver - haltung einen krönenden Abschluss. Bau des neuen Plenarsaals des Hes - waltungsstandort in der prospe- Wurde doch das Schiffchen vor dem sischen Landtags noch ganz in der rierenden Metropolregion Frank - in den Siebzigerjahren des 20. Jahr- Tradi=on der Stadtgeschichte einrei - furt/Rhein-Main. hunderts beschlossenen Abriss be - hen, stellt der Bau des sogenannten Nichts kann besser den Struktur - wahrt, sollte doch das Gebiet zwi - Luisenforums einen radikalen Bruch wandel der hessischen Hauptstadt schen Graben- und Wagemann- dar, zumindest was die Gestaltung verdeutlichen als diese Änderung straße durch einen Parkplatz für der Fassade anbelangt. Ob sie einen der Nutzung. 1.000 Autos ersetzt werden. Heute Beitrag zum Weltkulturerbe leistet, Auch die Einweihung des neuen Ple - eine kaum nachvollziehbare Pla - kann mit Recht bezweifelt werden, narsaals des Hessischen Landtags am nung, die nur aus dem damaligen was allerdings nicht gegen gute mo - 4. April 2004 war von nicht zu un - Zeitgeist und der Konzep=on einer derne Architektur auch in Wiesba - terschätzender Bedeutung für die autogerechten Stadt begrei%ar wird. den spricht, eine Architektur, die den Wiesbadener Stadtentwicklung, wie Der Bau des neuen Plenarsaals zeigt Kontext, die Umgebung in ihre For - Jörg Jordan zu Recht ausführt: zudem eindrucksvoll die Notwendig - mensprache aufnimmt. Sie war ein großer Schri> zur Auf - keit und den Wert einer Bürgerbe - Jürgen Geisler Die Fassade des Luisenforums - hier der Überweg über die Schwalbacher Straße - stellt einen radikalen Bruch zur bisherigen Innenstadtbebauung dar. Fotos: Astrofoto

Wir im Norden - 2014 er kleine Weg mit Treppen, der in der Nerostraße neben Neugestaltung von Lehrplatz dem Gasthaus Kortheuer be - gDinnt und das “Bergelchen” hinauf zur Lehrstraße führt wird gern von Bergelchen und Lehrstraße den Anwohnern des Bergkirchen - viertels genutzt. Der Weg endet auf dem Lehrplatz. Dieser soll zum Quar=erplatz umgestaltet und damit a>rak=ver für Bewohner und Besucher gemacht werden. An der bestehenden Wegführung am Bergelchen wird sich nichts än - dern. Der Weg wird jedoch grund - saniert und instandgesetzt. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern des Quar=ers sowie den Akteuren der Anton-Gruner- Schule wurden im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens die Pla - nungsziele für die Gestaltung des Lehrplatzes als Quar=ersplatz erar - beitet. Der Lehrplatz soll durch die Schaffung von nutzbaren Aufent - haltsbereichen mit Grün-, Frei- und Spielflächen zum Quar=ersplatz für die Bewohner ausgebaut werden. Dazu ist im Bereich des Lehrplatzes eine durchgängige Bodenpflaste - rung bis zum Schulgebäude vorge - sehen. Diese großzügige Fläche soll in Zukun+ Raum für Begegnung, Bewegung und für Veranstaltungen bieten. Analog den im Rahmen der Stadt - sanierung bereits instandgesetzten Straßen im Bergkirchenviertel ist die Erneuerung der „Lehrstraße“ geplant. Die Baumaßnahmen werden vo - raussichtlich Ende 2014 abge - schlossen sein und stellen ein erneutes Beispiel für eine gelun - Der Lehrplatz wird im Jahr 2014 mit gene Sanierung mit Einbeziehung Grün-, Frei- und Spielflächen zum aller Beteiligten dar. Quar6ersplatz umgestaltet. Arno Goßmann Foto: Astrofoto Bürgermeister Der Römerberg - ein Beispiel von der gelungener Sanierung im Bergkirchenviertel. Es war ein steiniger Weg, doch er hat sich gelohnt. Foto: Frank Hercher

Wir im Norden - 2014 Zwanzig Eingemeindungen komplettieren die Stadt ch was war das für ein Gezeter ereilen und nach Wiesba - rund um Wiesbaden, als im den eingemeindet werden. Rahmen der Gebietsreform Doch die Bürger schafften 1A977 die kleinen Gemeinden Aurin - es, nach einer Bürgerbefra - gen, Breckenheim, Delkenheim, Me - gung, in die Stadt Ho'eim denbach, Naurod und Nordenstadt am Taunus eingegliedert zu ihre Selbstständigkeit verlieren und werden. Über 95 Prozent in die Stadt Wiesbaden eingemein - der Einwohner ha>en für det werden sollten. Ärger und Wut in diese Lösung ges=mmt. Der den Gemeindegremien waren ver - Gesetzentwurf, der ur - ständlich, denn schien doch gerade sprünglich den Anschluss Im Winter 1928 / 1929 war der Schierstei - ein goldenes Zeitalter für die Orte im an Wiesbaden vorgesehen ha>e, ner Hafen zugefroren. Eine A7rak6on im Norden und Osten der Landeshaupt - wurde darau'in entsprechend ge - Wiesbadener Vorort stadt anzubrechen. Immer mehr Un - ändert. ternehmen verlagerten ihre Betriebe In Wiesbaden freilich sah man schon Gemeinden der Kurstadt Wiesbaden hinaus auf die „grüne Wiese“. Groß - seit längerer Zeit die Entwicklung an. Es waren dies die Orte Bierstadt, märkte, Möbelhäuser und Bau - rund um die Landeshauptstadt mit Dotzheim, Erbenheim, Frauenstein, märkte versprachen a>rak=ve Sorge. Während es galt, die Infra - Heßloch, Igstadt, Kloppenheim, struktur einer Großstadt vorzuhal - Rambach und Georgenborn. Verlockende Aussichten ten, wanderte die Kau)ra+ mehr Im Gegensatz zu 1977 war man da - Einnahmen für die meist chronisch und mehr in die Peripherie ab. Die - klammen Kassen, Arbeitsplätze für ser Entwicklung musste Einhalt ge - Kurze Episode die Bevölkerung und zunehmende boten werden. Und so wuchs im mals froh, so starke Schultern gefun - Au+räge für die bereits ansässigen Januar 1977 durch die Eingemein - den zu haben, um die gigan=schen Betriebe. dungen der sechs Orte der Einfluss - Belastungen gemeinsam tragen zu Manch ein Gemeinderat träumte bereich Wiesbadens um eine Fläche können. schon von einem „goldenen Auf - von 4.014 Hektar. Für Georgenborn war die Zugehörig - schwung“ für seine Gemeinde, ver - 51 Jahre zuvor, im Oktober 1926, keit zu Wiesbaden nur eine kurze bunden mit persönlichem Erfolg. waren Biebrich, Schierstein und Son - Episode. 1939 wurde der heute zu Sta>dessen sah man nun mit der Ge - nenberg unter die Obhut der wohl - Schlangenbad gehörende Ort wieder bietsreform erworbene Privilegien habenden Stadt Wiesbaden ge- aus Wiesbaden ausgemeindet. vor dem Ende. Die Argumente, die Eine ganz besondere Art des Zuge - gegen eine Eingemeindung vorge - Biebrich am Boden hörigkeitswechsels widerfuhr im Au - bracht wurden, zielten auf Emo=o - schlüp+. Gerade die Stadt Biebrich gust 1945 den Mainzer Ortsteilen nen und Lokalpatrio=smus. Die mit ihren Industrieansiedlungen li> Mainz-Amöneburg, Mainz-Kastel Interessen der Gemeinden würden besonders stark unter der Situa=on und Mainz-Kostheim. Durch die im „anonymen Brei“ der Entschei - nach dem Ersten Weltkrieg. Franzö - Grenzfestlegung für ihre Besatzungs - dungen im fernen Wiesbaden unter - sische Besatzung, Werksdemonta - zonen in der Rheinmi>e ordneten gehen. Man wolle nicht das „fün+e gen und die Wirtscha+skrise mit Amerikaner und Franzosen die drei Rad am Wagen“ sein. einem Heer von Arbeitslosen setzten Ortsteile Wiesbaden zu. Und legten Auch Wallau sollte 1977, also in dem der Kleinstadt stark zu. somit auch die Grenze für die neu Jahr, in dem IKEA dort seine Pforten Schon 18 Monate später, im April gegründeten Länder Rheinland-Pfalz öffnen wollte, das gleiche Schicksal 1928 schlossen sich weitere neun und Hessen fest. Frank Hercher Bereits kurz nach der Jahrhundertwende waren etliche Gemeinden durch Straßenbahnlinien mit Wiesbaden verbunden. So konnte man 1905 von Bierstadt über Wiesbaden nach Dotzheim und seit 1904 von Schierstein über die Stadt Biebrich nach Wiesbaden fahren. Das Foto entstand um 1900 und zeigt einen Straßenbahnzug an der Haltestelle Nerotal. Foto: Stadtarchiv

Wir im Norden - 2014 Stadtentwicklung - eine Zukunftsaufgabe ie autogerechte Stadt – daran schien vor gut vierzig Jahren auch in Wiesbaden kein Weg vDorbeizuführen. Dass es doch nicht so kam und aus welchen Gründen, wurde in diesem Kalender bereits beschrieben – ein großer Teil der his - torischen Bausubstanz konnte vor den damaligen Plänen gere>et wer - den. Das Gespenst der autogerech - ten Stadt ist aber bis heute nicht restlos vertrieben. Stadtentwicklung im Jahre 2014 – und darüber hinaus – muss neu ge - dacht werden. Der Erhalt der histo - rischen Bausubstanz ist für die Mehrheit der Hausbesitzer erfreuli - Bei einer nachhal6gen Stadtentwicklung alle Notwendigkeiten mit den unterschiedlichen cherweise eine Selbstverständlich - Interessenslagen abzugleich und dabei auch die individuellen Befindlichkeiten der Men - keit. schen nicht zu vernachlässigen, gleicht einem riesigen Puzzle-Spiel. Foto: Frank Hercher Aufenthaltsqualität, Lebensqualität nachhal=gen Stadtentwicklung ist es ständigen. Leihangebote können für und Mobilität für alle sind heute die daher, Rahmenbedingungen und An - Ortsfremde oder – mi>els E-Bikes – gebote für intermodale Mobilität für Menschen, die bislang durch die Verkehrswende wie Car-Sharing, einen modernen Topografie unserer Stadt abge - Kriterien einer lebenswerten Stadt. ÖPNV und ein gut entwickeltes Rad - Das bedeutet nicht nur, dass diese verkehrskonzept samt Leih-Möglich - Wachstumspotenzial Faktoren bei neuen Großprojekten keiten zu schaffen. schreckt wurden, Anreiz zum „Auf - wie den Rhein-Main-Hallen bedacht Geben wir doch den Menschen sa>eln“ sein. werden müssen. Vielmehr ist eine einen Teil der Flächen, die bislang Wiesbaden gehört neben München „Verkehrswende“ entscheidend für dem Autoverkehr vorbehalten und Dresden zu den drei deutschen die Zukun+ Wiesbadens. waren, zurück. Das Potenzial von In - Städten mit dem größten Wachs - Mobilität für alle, ohne dass dabei tumspotenzial. Straßen und angrenzender öffentli - Radwegenetz ausbauen Wie zu Zeiten von Ernst May ist es cher Raum durch sich stauende und nenstadtbewohnern und Pendlern, auch Anfang des 21. Jahrhunderts parkende Fahrzeug verstop+ wer - die zum Ums=eg bereit sind, wird eine Aufgabe der Stadtentwicklung, den. Hexenwerk? Nein, denn mit in - von Autolobbyisten gerne unter - für angemessenen und ausreichen - telligenten Konzepten ist dies schätzt. Ein leistungsfähiger ÖPNV ist den Wohnraum in der Stadt zu sor - machbar. dafür Voraussetzung – ob schienen - gen. Die damit zu erwartenden Für immer mehr Menschen jeden Al - gebunden oder erst einmal nicht. steigenden Mobilitätsbedürfnisse ters erhält Mobilität zunehmend Und auch radeln kann in Wiesbaden werden aber anders zu bewäl=gen Vorrang vor dem Besitz eines eige - deutlich a>rak=ver werden. sein, als sich der berühmte Stadtpla - nen PKW. Zunächst einmal ist dafür das bruch - ner dies vorstellte. Die Aufgabe einer zukun+sfähigen, stückha+e Radwegenetz zu vervoll - Sigrid Möricke Schülerverkehr, öffentliche Fahrradsysteme, Stadtbusse, Bahnen, Mie5ahrzeug-Varianten und der Individualverkehr müssen im Interesse der Nutzer bei einer Verkehrswende berücksich6gt und sinnvoll miteinander verzahnt werden. Fotos: Astrofoto (5), Frank Hercher (4)

Wir im Norden - 2014 Impressum SPD-Ortsverein Wiesbaden-Nord, Marc Paffenholz, Vorsitzender (verantwortlich), Gabelsberger Straße 4, 65195 Wiesbaden, E-Mail: [email protected] Weitere Exemplare dieses Kalenders können über das Unterbezirksbüro der SPD, Rheinstraße 22, Telefon 0611 - 99 99 100 bezogen werden (kein Postversand möglich) . Auch für das Jahr 2015 möchten wir gern wieder einen Kalender produzieren. Um das realisieren zu kön - nen, würden wir uns - wenn Ihnen der Kalender gefallen hat - über eine kleine Spende freuen. Unser Konto: SPD Ortsverein Nord, Kontonummer: 23 14 606 bei der Wiesbadener Volksbank, BLZ 510 900 00. Herzlichen Dank! Wir im Norden - 2014