Sonntag, 26. April 2015 (20:05-21:00 Uhr), KW 17 Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information

FREISTIL

„Bigger than HipHop“. Von Heiko Behr Regie: Matthias Kaphol Redaktion im DLF: Klaus Pilger

[Produktion WDR 2013]

M a n u s k r i p t

Urheberrechtlicher Hinweis

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- ggf. unkorrigiertes Exemplar -

Musik: Dead Prez „Bigger than HipHop“ (Instrumental)

Ansage:

„Bigger than HipHop“

Ein Feature von Heiko Behr

Erzählt von Torch

Torch Eine Geschichte über die Bronx in den 70ern. Über Gangs und Gewalt. Über Aus- beutung und Geld. Und über Beats und Reime. Eine Geschichte über HipHop – und wie alles begann.

Mit Afrika Bambaataa. Der Gottvater. 001 Bam how you doin. This is afrika bambaataa DJ . Der Wissenschaftler. 002 Flash I’ve been playing more sounds for over 30 years. I´m the first person to do it. Lady Pink. Die Künstlerin. 003 Pink I´m considered a HipHop icon. I don´t know what it means. I have no idea. DJ . Der Sammler. 004 Jay It´s the funkmaster, the original DJ Jazzy Jay, peace to all my people in Germany Grandmaster Caz. Die Stimme. 005 Caz What´s up you all. It ist he greatest of them all. Even your momma fall for. Grandmaster caz, I´m from the legendary cold crush brothers. You know what I mean, i´m HipHop day 1. Day 1, ok? Grand Wizzard Theodore. Der Scratcher. 006 Theo I took your favorite record and my favorite part of the record and I keep repeating it and repeating it and repeating it. Fab 5 Freddy. Der Macher. 007 Fab That´s how I do it. Always first. Fab Five Freddy always in the lead.

2 Davy D. Der Aktivist. 008 Davy I´m a journalist, media justice advocate. Some people say historian. I do a little bit of it all. Jeff Chang. Der Journalist. Muss es auch geben.

Torch Außerdem mit Curse als Co-MC, den DJs Lifeforce und DJ Haitian Star und mit mir, Torch.

Wir kennen uns schon ewig, wie lange noch mal genau, Bambaataa?

009 Bam Hard to say. (lacht) Torch been with us for many years. As the Zulu Nation of Germany. One of the early leaders.

Ich glaub’ es war ‘85. Bevor wir also hier loslegen, sollten wir eine wichtige Frage klären. Lady Pink?

Musik: fade out. Stille.

010 Lady Pink If you can please clarify to me. What exactly is HipHop? Tell me.

Musik: Fatback Band – „King Tim III (Personality Jock)“

011 Bam We had no name for the culture. We just were doin it.

Curse: Einfach machen. Sagt Bam.

012 Lady Pink What is the popular belief, what is HipHop? Define it for me.

013 Davy HipHop is a set of expressions.

Curse Ausdruck. Sagt Davy.

014 Lady Pink It´s a made-up term – now give me a definition.

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015 Jeff One of the things you find is HipHop in so many ways is a reaction, a direct reaction to what´s happened socially.

Curse Reaktion. Sagt Jeff.

Torch Was Jeff Chang damit meint: Um zu verstehen, wie alles begann, müssen wir erstmal verstehen, wie die Leute damals gelebt haben in New York. Und eigentlich noch genauer: in der Bronx, die gilt ja als der große mythische Ort, an dem alles begann. Wir erzählen hier die Geschichte, wie Anfang der 70er Jahre eine komplette Ju- gendkultur beginnt. Eine Kultur, die nicht nur aus Musik besteht, aus rappen und DJ-ing, sondern auch aus B’Boying, und Graffiti. Eine Jugendkultur mit Codes und Styles, mit eigener Sprache, eigenem Sound, eigenem Look, eigenen Bewe- gungen, eigener Kunst. Es sind Jugendliche, die all das schaffen. Und sie wissen es nicht einmal. Und diese Geschichte beginnt in der Bronx...

Soundmix: Bronx

Hier gibt es in den 70ern um die 12 000 Feuer – pro Jahr. Ständig brennen Gebäu- de nieder, Rauch überzieht den Stadtteil, die Straßen sind zerstört, überall liegt Müll, Schutt, Geröll. Der weiße Mittelstand flieht – wenn er kann.

017 Pink is very cool and dangerous...

018 Bam It was an area, one of the most dangerous in the United States.

Soundmix: Feuerwehrsirenen, New York 70er

019 Jeff What you´ve seen over the last four decades is his country has been the poli- tics of abandonment. What i mean by that if you look at the neighbourhoods HipHop came out of, talking about neighbourhoods with white flight. white folks left those areas. When they left, the jobs went. And when they left and the jobs went with them government said we´re gonna pull the services and take them away from the people that really need them the most. And when you have these things coming together you get chaos.

4 Curse: Das lief so: Zuerst sind die Weißen verschwunden und mit ihnen die Jobs. Dann hat die Stadt Müllabfuhr, Feuerwehr, alle möglichen Dienste abge- schafft. Und dann hast du – Chaos.

Torch Feuerwehrstationen werden geschlossen, die Müllabfuhr abgeschafft, die Leute werden komplett alleingelassen. Keine Heizung, kein Wasser, überall Ratten. New York ist im Grunde pleite, deshalb wird besonders dort gekürzt, wo die Machtlosen und Armen leben. Und so wird die Bronx zum gefährlichsten Ort der USA. Grandmaster Flash hat mit „The Message“ den Sound dazu, der weltberühmt ist...

Musik: Grandmaster Flash & The Furious Five „The Message“

Torch Um sich zu schützen, treten viele Leute Gangs bei. Auch um ein bisschen Macht zu haben. Es gibt immer mehr Ärger zwischen den Gangs, alles kocht immer mehr hoch. Aber es gibt ein Ventil:

Musik: James Brown „Give it up or turn it a loose“

025 Davy People found different ways to express themselves. And one of those ways in which they did that was an early party culture, jam culture which we now call HipHop.

Curse: Und das ist das Ventil: Parties! Party als Alternative zum Irrsinn, zur Ge- walt, zum Dreck.

Torch Und der der Chef im Ring, das ist Clive Campbell. Oder wie man ihn bald in der ganzen Bronx nennt: Hercules. Kurz: Herc.

026 Davy I heard herc´s name all the time.

Er zieht mit 12 mit seiner Familie von Kingston, Jamaica nach New York. Und plötzlich hat er eine Idee. Er organisiert eine Party, im Partykeller des Hochhauses, in dem er lebt. 50 Cent Eintritt für die Jungs, die Hälfte für die Mädchen. Papa holt Getränke von um die Ecke, Mama macht bisschen Essen. Die ganze Familie hilft

5 und ist an seiner Seite. Und am 11. August 1973 steigt das, was man heute die al- lererste HipHop-Party nennt. Und das ist der Anfang von allem.

027 Bam kool herc, when he was playing taft high school, doing his thing on his side. He started with a big soundsystem...

Curse Herc auf seiner Seite, die anderen auf der anderen Seite. Herc!

Das Soundsystem, das macht den Unterschied in den Anfangsjahren. DJ Kool Herc, so nennt er sich jetzt, hat einen Riesenvorsprung gegenüber den anderen DJs in der Bronx: er hat die Technik. Zwei Plattenspieler und riesige Boxen, von sei- nem Vater. Und von dem hat er auch die meisten Platten.

Angefangen bei Jamaica, der Reggae, kickt er jetzt die Klassiker von James Brown, Funk, Soul – aber auch Crazy Stuff...

Musik: Booker T & the MGs „Melting Pot“

028 Jay Herc played those songs.... he wasn´t by any means a flamboyant dj or fancy dj. Or quick cuts or whatever the deal is. Herc just had groove, he let most of the records just play. He let that sucker just rock out.

Curse Cool Herc war nicht der krasseste DJ, aber der Typ hat Groove, ohne Schnickschnack, ohne Dies und Das. Er hat’s laufen lassen.

Torch Niemand von den 300 Partygästen hat DJ Kool Herc je auflegen gehört. Aber schon am nächsten Tag ist er eine DJ-Legende in der West-South Bronx. Auf den Punkt gebracht also: Was zur Hölle hat diese Party im Sommer vor 40 Jahren so besonders gemacht, Davy?

029 Davy Was it because they were the best DJs that ever came along? I would argue that they were. Was it because they played breakbeats? Maybe. But there was always percussion and rhythm in our community that people liked. So why now and not then? There was a political environment that whether they knew it or not was being addressed in these coming together and gatherings that happened at these events that we know say were the early HipHop par- ties. So with that being said. Once these events started to take off there was a reaction to it.

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Curse Warum hat sich das was Herc gemacht hat so verbreitet? Was war die Ma- gie? War Herc also der beste DJ der Welt? Weil er Breakbeats gespielt hat? Vielleicht. Auf jeden Fall ist das politische Umfeld genau das richtige für das was Herc gemacht hat. Die Leute haben gewartet auf jemanden wie Herc. Man kann sagen: zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.

Torch Manchmal ist das so. Vielleicht wäre die Party ein Jahr früher ein Flop geworden. Vielleicht hätte sich ein Jahr später niemand dafür interessiert. Fest steht: ein Jahr später legt DJ Kool Herc im Cedar Park Open Air auf. Diese Partys heißen Block- party, die Nachbarschaft wird eingeladen. Es ist umsonst, es ist draußen, es ist Sommer. Und jetzt wird die Sache so richtig groß...

Dieser Sound ist es, der die Leute reinzieht in dieses Ding, das noch keiner Hip- Hop nennt. Es gibt einfach noch gar keinen Namen dafür. Es ist ein Sound, der so völlig anders ist als das, was sonst gerade läuft. Es ist völlig anders als – Disco...

Musik: Trammps „Disco Inferno“

Disco ist Glamour und Glitzer. Disco ist Geld. Alles das, was das Ghetto und seine Bewohner nicht sind.

Musik: Jimmy Castor Bunch´s „It´s just begun“

Und dank der Blockparties und dank Herc kann man sich wieder selbst feiern. Obwohl man kein Geld hat. Obwohl man in einer ruppigen Nachbarschaft lebt. Obwohl die Zukunft unsicher ist. Herc spielt seine Musik für die Leute. Denn bald spielt er nicht mehr nur für ein paar Kids aus der Schule, die ganze Nachbarschaft kommt. Natürlich hat Kool Herc die Blockparty nicht erfunden. Aber er hebt sie auf ein neues Level. Und das erklärt uns Jay:

030 Jay you had to be out there! If you was on punishment and you couldn´t go out- side and had to sit in the window and listen to it – it was heartbreaking! It was something that was drawing you. So the energy of that – i don´t think it will ever be captured today. It was like unheard of. Something that new had such a pull where you could go in a park like this, next thing you know by the time the lights go out you got like 7-800-1000 people in the park, having a good time, jamming, fights, ... you know more or less having a good time and acknowledging the music. It was electrifying!

7 Curse Jeder der früh mit HipHop in Kontakt gekommen ist, kennt diese Energie. Dieses: Ich muss dahin, ich muss das hören! Ich muss hunderte von Meilen laufen, um das zu hören. Die Energie ist unglaublich! Plötzlich sind 1000 Leute im Park! Alle haben Spaß, alle tanzen, es gibt Kämpfe! Wahnsinn!

Torch Ja, und wir waren nicht dabei, toll. Kool Herc hat viel mehr Glück, sein Vater ist ein Riesenmusikfan, deshalb kommt er an seine Boxen ran. Ihr erinnert euch, früher durfte man nicht an die Musikanla- ge von seinem Vater ran. Er durfte. Die anderen, wie DJ Jazzy Jay, ebenfalls DJ der ersten Stunde, machen das Beste draus:

031 Jay We didn´t have the money to buy a lot of expensive equipment and every- thing. So we used what we had and what we had were those old records in our parents collection. With that little other side or that little tiny break and we took it and turned it over. It was something that all the younger kids was flocking to. I remember my mother and father, they couldn´t understand it. It was like: let the record play, what are yáll doing? Youknowimsayin. You´re messing up the groove, let the record play! But that was our style!

Curse Jays Eltern haben das nicht verstanden, was die DJs da gemacht haben. Wa- rum machst du die Platte kaputt? Was zur Hölle macht ihr da? Lass doch die verdammte Platte laufen.

032 Davy This thing called HipHop was accessible. You could dance, dj, or mc or if you were into the graph thing you went and did your graffiti. It was magical in that sense.

Curse Du kannst tanzen, du kannst dj-en, HipHop ist für alle da. Jeder kann mitma- chen, jeder findet was daran. Niemand wird ausgeschlossen.

Torch Und diese Begeisterung, von der Davy hier spricht, die wird so groß, dass Herc bald in Clubs gebucht wurde, um da aufzulegen. Und das ist ein krasser Schritt. Bis dahin sind die Blockparties für alle da. Du musst keinen Eintritt bezahlen, du musst nicht Downtown fahren, musst dich nicht schick anziehen. Es ist bei dir um die Ecke, deine ganze Nachbarschaft ist da. Ein Gefühl von Zusammengehörigkeit.

8 Gerade in diesem harten Umfeld, dem Müll, den Bränden. Jetzt zieht diese Kultur also weiter.

Und DJ Kool Herc mischt die Clubszene richtig auf. Er ist ein großer Erfolg. Und eines Abends hat er eine Idee. Er spielt abwechselnd auf zwei Platten den gleichen instrumentalen Part, das Break. Und verlängerte den Moment so ins Unendliche. Die Leute auf der Tanzfläche, die B-Boys, die Breakart Boys, oder die ‚Break- dancer’ wie man heute sagt, drehen durch. Das Stück dazu: „Apache“ von der In- credible Bongo Band...

Musik: Incredible Bongo Band „Apache“

033 Davy When i hear „apache“ it brings up a set of memories. I hear „apache“ played with Kevin in hell, children grown, women producing I can only think of Theodore. And i can only think the first time I heard that. Being on a bus on my way home from Bronx Highschool science and hearing this and going, man, who did this...

Curse Das bringt immer die Erinnerungen hoch. Wie Davy das zum ersten Mal hört und denkt, Wer hat DAS denn gemacht?

Torch Ja, das ist DJ Kool Herc und seine Erfindung, die er „The merry-go-round“ nennt. Und dieses Stück gilt als das „Classic Break“. Immer weiter und weiter. Und so ganz neben sind das gleich ein paar Sachen, die HipHop bis heute prägen: der Breakbeat, also der instrumentale Part, völlig egal, woher er kommt. Das Samp- ling. Und der Loop. Die endlose Schleife. All das entsteht in der Bronx. Und nie- mand ahnt, dass diese Technik um die Welt gehen wird. Aber nicht Herc ist es, der den Sound um die Welt trägt. Es sind andere Jungs. Aus anderen Vierteln der Bronx.

Und einer von ihnen heißt Joseph Saddler. Im Gegensatz zu Herc bekommt er aber keine Unterstützung von zu Hause.

034 Flash I was tempering with my father´s record collection. And whenever i would do that, when I would touch his record collection without his permission I would get beatings. Over and over and over again. And as much as i would get beatings I would go back to his record collection. I still wondered how was music inside this little lines of the vinyl. That was the quest. So every chance i was to grab his vinyl whenever he wasn´t looking i would grab it, study it, understand it, put a sawing needle on it and feel it. And i realised

9 these vibrations that are inside was music. So this is where my head was to- tally. That´s how i learnt to respect records. Over almost losing my life, my father beating me for touching his records and i continued to touch them.

Curse Flash bekommt Prügel dafür, dass er HipHop erfindet. Immer wenn er die Plattensammlung von seinem Vater angefasst hat, gab´s Prügel. Immer wie- der. Er ist trotzdem immer wieder hin. Er hat nach den Energien und Vibra- tionen in den Platten gesucht. Und sein Vater hat ihn fast umgebracht dafür. – Krass.

035 Flash I think I was pretty much in my own world coming up with this turntable science. I wasn’t like an average kid. I didn´t do the things that teenagers did. The sex thing or smoking cigarettes or drinking or chasing the girls. All of that. I was in my bedroom looking for something electronically. I was considered a oddball, a geek, a scientist.

Curse Sex, Rauchen, Trinken – nix für Flash. Er sitzt in seinem Kinderzimmer und ist auf der Suche. Er gilt als Nerd.

Torch In der Schule frickelt Joseph mit Elektronik und Kabeln herum. Er lernt die Tech- nik kennen. Aber zu Hause, in seinem Zimmer hört er stundenlang Musik. Und in seinem Kopf entsteht etwas, ein Sound, eine Idee.

036 Flash I’ve heard of other DJs that was doing things but I wasn´t totally happy with the way they were doing it. And that´s where I took my teenage years and devoted it to finding out: how can I make this thing the way that I hear it in my head. And hearing it in my head was now the way people dj. My tech- nique. I wasn’t realizing it but I was looking for something.

Curse Flash sucht was. Und Flash sucht bei anderen DJs einen Sound, aber er fin- det ihn nicht. Flash sucht nach dem Sound in seinem Kopf. Der Sound den er will ist in seinem Kopf. Das wird ihm klar.

Torch Und so wird aus Joseph: Grandmaster Flash. Einer der berühmtesten HipHop-DJs. Und er erfindet etwas, das die Musikwelt für immer verändert: den Crossfader. Mit diesem Überblender, einem schlichten Regler auf einem Mischpult, kann man zwei

10 Platten gleichzeitig laufen lassen oder auch ineinander überlaufen lassen. Und dann übt er mit den Platten seines Vaters und experimentiert. Er übt das Scratchen...

037 Flash it´s called cutting. I dont like to call it . Cutting and zuckazucka because when you go back and forth, that´s what it´s sounds like. Cutting and zuckazacka. Backspinning, doubleback doing these things, manipulating the sounds, so to speak. Manually. These are my techniques.

Curse Ok, Cutting. Nennen wir es also ab jetzt Cutting. Zuliebe und aus Respekt vor Grandmaster Flash.

Torch Und dann fängt er an zu üben. Stundenlang. Tagelang. Jahrelang. Und als er nach diesen Jahren aus seinem Kinderzimmer kommt und anfängt, auf den Blockparties in seinem Viertel aufzulegen, ist die Reaktion – WOW! DJ Jazzy Jay, der ihn damals kennenlernt, erinnert sich...

038 Jay Flash, what could you say about flash. Every dj at that time wanted to be flash and feared flash. Because he was the turntable god! He took djaying to an evolution that nobody to this day transitionalized. Everybody that does all the and all the tricks, all of that stems from grandmaster flash.

Curse Grandmaster Flash: Jay ist Fan. Der Turntable God! Das ist Flash! Alle Tricks kommen von ihm!

Torch Ja, darüber kann man sich streiten. Eigentlich gilt jemand anders als der Erfinder des Scratching, äh oder zuckazucka.

039 Davy Theodore, fantastic, you can´t talk about the others without mentioning them.

Torch Völlig richtig, Davy. Lassen wir den Anfang von Grandmaster Flash persönlich erzählen. Er übt seine DJ-Techniken nämlich mit einem Freund Mean Gene. Aber irgendwie klappt das alles nicht so richtig....

Musik: Wildlife Soundtrack „Gang Busters“

11 040 Flash He couldn´t understand the technique and how to do it. Because it takes dex- terity. Certain movements with your fingers and your hands, wrist. Gene couldn´t figure it out. But then there was this little kid in the house, Gene´s little brother and he had the dexterity that was needed to do this. And against his brother´s wishes I taught his baby brother how to do it. He later became Grand Wizzard Theodore.

Curse Flash versucht Gene sein DJing weiterzugeben, Gene kriegts einfach nicht hin. Aber sein kleiner Bruder Theo. Flash bringt ihm alles bei. Und später heißt er dann Grand Wizzard Theodore!

Torch Theodore Livingston, so heißt er eigentlich, fängt früh an als DJ. Sehr früh. Sein Bruder Mean Gene bringt ihm alles bei. Aber irgendwann ist er plötzlich besser als sein älterer Bruder. Und dann kommt einer dieser legendären Momente, die den Sound von HipHop für immer verändern würden. Theodor, wie war das?

041 Theo I went home to make the best tape I made all of my life. So I´m in the house, I´m grooving to the casette, casette tape and the music that we practised on was in my mother´s house. And I got the kind of mother that doesn´t raise her voice, she doesn´t argue, she doesn´t fuzz. She just starts swinging like Mike Tyson. If the dishes aint done? Kshhh. The room is not cleaned up? Kshhh. Got company in the house and she said no company in the house? Kshhh. It was crazy. Thats how my mom was.

Curse Grand Wizzard Theodore ist zu Hause und versucht, das beste Mixtape aller Zeiten zu machen. Bei Theo zu Hause regiert eine Mutter, die nicht viel re- det. Sie regelt das anders. – Schon wieder!

Torch Ja, ähnlich wie bei Grandmaster Flash also. Prügel sind an der Tagesordnung. Aber an einem Nachmittag, als Theo gerade ein Mixtape in seinem Zimmer aufnimmt, ist alles anders:

042 Theo When my mother came in the room and startled me – both levels on the turn- tables went up at the same time. Which means that I can hear both records at the same time.

12 So a couple of minutes that seemed like an eternity she told me to turn the music down I was actually in the transition of mixing one record into the other. So I was holding the record and then doing the baby scratch.

Curse Hier jetzt dazwischenzuquatschen, ist ne Sauerei...

Sounds: Scratches

043 Theo And I was doing the baby scratch I was turning the music down, my mom left the room, I finished my casette tape. Then I went back and started listen- ing to it and I can actually hear myself babyscratching. And I was like, wow, I can incorporate that into all the other things that I do as a DJ.

Curse Er hält die Platte 8 Sekunden an, und bewegt sie leicht vor und zurück. Und Theo wird klar: Das kann ich beim djayen nutzen!

Torch Und plötzlich ist der Plattenspieler ein Instrument! Die DJs sind die Stars! Sie sind die Zeremonienmeister und unterhalten die Party mit ihren Tricks und Showeffek- ten. Der Sound von DJ Kool Herc hat sich etabliert, andere DJs machen es ihm nach. Es gibt keine Stilgrenzen mehr. Besonders die Breaks sind es, die die Leute faszinieren. Plötzlich gibt es ein neues Level. DJs wie Grand Wizzard Theodore und Grandmaster Flash legen die Platten nicht nur auf – sie kreieren neue Sounds! Nie gehörte Sounds!

Soundmix: Scratches, Needlesdrops, Effekte

044 Flash They just didn´t understand. Why am I putting my hand, my fingers on the vinyl? Why am I moving it back and forth? Why am I spinning it counter- clockwise? Why am I doing this? Whywhywhy? So it was received very strangely.

Curse Warum? Warum? Warum? Was soll das alles?

Torch Die Zurückhaltung der Leute dauert nicht lange. Bald stehen sie vor den DJs und schauen ihnen auf die Finger. Um sich den Wahnsinn aus der Nähe anzuesehen. Und um sich die Platten anzugucken, die auf die Plattenteller fliegen.

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Musik: Grandmaster Caz - „South Bronx Subway Rap“

045 Davy There were others. Grandmaster Caz. You can´t talk about HipHop and not talk about their influence when they were out there.

Torch Wollte ich gerade drauf zurückkommen, Davy.

Die DJs fangen nämlich an, kurze Ansagen zu machen. Um den Leuten anzukün- digen, was als Nächstes kommt. Grandmaster Caz hat das zur Perfektion gebracht.

046 Caz I´m known throughout the world to as one of the greatest MCs to ever grace the planet. What little to no people know ist hat I´m a DJ, I started out as a DJ. Every DJ had to had a mic. Had to have a microphone to make an- nouncements. It wasn´t about rhymin’ and rappin’ in the beginning. It was like, Kristie, is you in the house, please go to the door. Your father´s here. Kristie, your father´s here, please come to the door. And the music come back on and the rest of us keep partying while Kristie´s going home but the rest of us keep partying. And that´s what the mic was for.

Curse So wurden die Mics zuerst genutzt: Ansagen, Durchsagen. Dafür brauchen die DJs ihre Mikrofone. DJs haben die Party gehostet. So sind Rapper ent- standen.

Torch Ja, so wurden die Mikrophone damals benutzt, bevor man gerappt hat. Grandmas- ter Caz lernt HipHop wie viele anderen auch über die Kool Herc-Parties kennen. Er gründet bald eine der ersten DJ Crews überhaupt, die Mighty Force. Und er legt eben nicht nur auf, er fängt auch an, sein Publikum direkt anzusprechen...

047 Caz It´s essential to rock a party. If you´re just playin records and there´s no in- teraction with you and the audience or whatever. You wanna let the music speak for itself? Fine. A lot of djs do that. But in the beginning we were in- troducing new music to people so we had to kind of coach them along with it. And once they felt the energy of it the mic became a part from me, the mic just as important as the turntables while you were DJying. It would save you a lot of times, too. Make mistakes, just pauses or segues. From record to record. Crowd participation, shoutouts, all of that was integral.

14 Curse Was machen die Rapper dann? Sie stellen die Verbindung zwischen ihnen un dem Publikum her. Was für´n Stück läuft da gerade? Die klassische Frage an den DJ. Also machen sie einfach Ansagen ans Publikum. Und Grandmas- ter Caz ist n Meister darin...

Sounds: Grandmaster Caz – MC-Show live

Torch So klingt das dann also. Und die Leute rasten aus. Der MC, the Master of Cere- mony, der Mann mit dem Mikrofon, spricht das Publikum direkt mit Namen an. Die Leute sind Teil der Party, der DJ ist einer von ihnen, kein Dienstleister. Und Grandmaster Caz ist Ende der 70ern einer der größten. Bald gründet er die Cold Crush Brothers und wird einer der größten Entertainer. Er ist einer der vielen, die zu Stars wurden, als noch kaum Geld verdient wurde. Oder die übers Ohr gehauen wurde. Viele folgen, und auch das ist Teil der Geschichte von HipHop. Auch Grandmaster Flash wird noch Probleme kriegen. Aber erstmal ist er einer der drei großen Erfinder. Und ihm ist das gut bewusst.

048 Flash Myself, afrika bambaataa, Kool Herc. I think the three of us without us real- izing was creating a business or a culture. This is where we decided to sort of just do our own thing.

Torch Ums zusammenzufassen: Kool Herc hat die Technik, Grandmaster Flash ist der Wissenschaftler. Und dann ist da noch der dritte DJ aus den Anfangstagen. Eine mythische, überlebensgroße Figur, von dem weder Geburtsdatum noch Geburts- name definitiv verbürgt sind. Mr. Bambaataa...

Musik: Funkadelic – „Good old Music“ Gary Numan – „Films“ Sly and the Family Stone – „Sing a simple Song“

049 Davy I grew up in Bam´s neighbourhood so when I came up with anybody be- cause the influence of bam was with anybody.

Curse Der Typ sagt, er ist in der Nachbarschaft aufgewachsen, in der Bambaataa gelebt hat. Jeder kennt Bam damals im Viertel. Jeder.

15 Torch Afrika Bambaataa. Anfang der 70er ist er nur ein junger Typ mit einem einzigen Plattenspieler. Und heute kennt ihn die ganze Welt.

Und genau wie Herc, genau wie Flash: Auch Bambaataa hat Glück. Seine Mutter hat eine Riesenplattensammlung, auf die er zurückgreifen kann. Das Besondere ist: da ist nicht nur Funk und Soul, wie in jeder gängigen Plattensammlung damals. Bam kommt ganz jung mit völlig unterschiedlichen Sounds in Kontakt. Grenzen interessieren ihn nicht. Höchstens vielleicht um sie einzureißen. Und genau das grenzt ihn ab von den anderen DJs der Zeit:

051 Jay But people like Bambaataa who just had endless records for days, that in- spired you. Because Bambaataa played records that nobody played to this day Bambaataa has records that nobody plays.

Curse Bambaataa hat Platten bis zum Abwinken. – Ich hab gehört, seine Samm- lung wurde schon mal ausgestellt.

Torch Deswegen nennt man Bambaataa auch „the Master of Records“. Und diese Platten spielt er auf den Blockparties von Nachmittags bis in die Nacht in den Parks in der Bronx.

Musik: Afrika Bambaataa - live

Und die Polizei drückt ein Auge zu. Besser alle Jungs zusammen auf einem Hau- fen, als dass sie irgendwo Ärger machen. Und das ist genau die Seite, die die Par- tys auch politisch macht. Klar, es geht um Party. Aber es geht eben auch darum, Kids aus allem Ärger rauszuhalten in der gefährlichsten Gegend der USA. Deshalb ignorieren die Polizisten auch, dass die DJs oft die Stromleitungen zu Lampen knacken und sich Strom abzapfen für ihre Plattenspieler.

052 Davy The fact that they were hotwiring lamps, street lights to get the electricity speaks to a political reality. Why didn´t they have a plug and why didn´t you have the park department go, hey, this is a welcomed activity, let´s do this?

Curse Warum hat keiner von der Stadt offiziell gesagt: Wir unterstützen das? – Gute Frage.

16 Torch Man kann es so interpretieren: New York ist pleite, die Bronx brennt, die Politik zieht sich zurück und überlässt die Leute ihrer Situation. Und plötzlich organisie- ren sich die Jugendlichen selbst. Die Bronx wird bestimmt von – Gangs. Auch Bambaata ist Mitglied der Black Spades, eine der größten Gangs in New York...

053 Bam The street gangs were everywhere. There was no way you could be a part of what was going on. Either you was in a gang or you was doing a different kind of role NOT to be in a gang.

054 Bam: When they are fighting from country to country between two countries it is almost like two gangs going and fighting each other. Like two countries go- ing to war with each other. Only between countries they get more violent be- cause they have more weapons.

Curse Wenn zwei Länder kämpfen, ist das so wie zwei Gangs die kämpfen. Wer hat mehr Waffen?

Musik: Afrika Bambaataa - live

Torch Die Gangs werden überall dort groß, wo die Polizei sich zurückzieht. Also beson- ders in der Bronx. Sie kontrollieren den Drogenhandel, sie sorgen aber auch für Ruhe in der Nachbarschaft. Eine zwiespältige Sache. Bis zu 300 Gangs gibt es, die „Savage Skulls“, „Savage Nomads“, „Manhattan Peacemakers“, insgesamt haben sie bis zu 20 000 Mitglieder. Straßen grenzen die verschiedenen Reviere ab. Und weil die drei prägenden DJs der Zeit, Herc, Flash und Bambaataa, alle in unter- schiedlichen Teilen der Bronx leben, die von verschiedenen Gangs kontrolliert werden, gibt es ein Problem: darf ich dahin oder werde ich dann totgeschlagen?

055 Bam You could have people go to different parties. But if somebody had a prob- lem with a certain area and the people they might take it out in the party where they see that person. But the rest would just party and have a good time. It might turn into violence and people start running and leaving.

Curse Natürlich gab’s Fights und wenn sie mit Leuten Probleme hatten die dann auf der falschen Party aufgetaucht sind dann gab’s Ärger mit der Person. Aber wenn du mit Afrika Bambaataa unterwegs bist hast du wahrscheinlich keine Probleme gehabt.

17 Torch Die DJs werden so zu Gallionsfiguren. Aber sie sind auch Rivalen. Es ist ein Wett- kampf. Um die besten Platten, ums Publikum. Aber er ist friedlich. Kurz vorher hat Bam eine Idee. Er ist Teil einer Gang, er kennt die Gewalt, er erlebt sie. Er formt eine neue Organisation. Gewaltlos, eine Inspiration für alle. Er nennt sie die Uni- versal Zulu Nation...

056 Bam I wanted to replace anything of causing crime and disrespect of each other through balance. Or selfhate. By teaching about your history.

Musik: Afrika Bambaataa - live

Torch Die Zulu Nation setzt sich vor allem aus Ex-Mitgliedern seiner Gang, den Black Spades, zusammen. Immer mehr Leute aus dieser Kultur, die man immer noch nicht HipHop nennt, folgen ihm. Tänzer, Rapper, Graffiti-Künstler – ja, über die sprechen wir gleich noch. Bambaataa gründet Bands, er ist der Chef, er organisiert alles. Die Zulu Nation ist die allererste HipHop-Organisation und ihr hochoffiziel- les Gründungsdatum ist der 12. November 1977. HipHop nimmt eine entscheidende Wendung. HipHop wird politisch.

057 Jeff And you see that of course in the story of what Afrika Bambaataa would do. Moving from being a warlord with the black spades which was the biggest gang in at that time – to becoming a peace maker. And liter- ally using HipHop culture, using music, dance, everything that was going on to bring folks to get across the river and to invite Puertoricans to the Bronx river projects.

Curse Vom Warlord zum Friedensstifter. Das ist Bambaataas Weg. Und sein Mittel ist: HipHop. – Das ist beeindruckend.

Musik: Gary Numan – „Films“

Torch Aber dennoch ist hier der Punkt, wo sich ihre Wege trennen. DJ Kool Herc bleibt ein lokaler DJ, ihm bleibt großer Erfolg versagt. Grandmaster Flash hingegen er- greift die Gelegenheit bald und wird zum international bekannten Star, zusammen mit „The Furious Five“. Afrika Bambaataa aber – ist mehr als ein DJ. Er ist Grün- der einer Jugendorganisation, ein Friedensstifter, eine mythische Figur. In den en- gen Grenzen der Bronx hatte HipHop Zeit, sich zu entwickeln. Bis jetzt ist die

18 Bronx ein geschlossenes System. Doch das System wird langsam löchrig. Die Mu- sik dringt nach außen – über Mitschnitte von den Liveshows, über Tapes, Kasset- ten, die bis zu 100 Dollar kosten. HipHop zieht immer größere Kreise in den USA. Bis jetzt ist er aber größtenteils ein Sound, eine Idee für die schwarze Jugend.

In einem anderen Teil der Stadt, in Queens, einem eher ruhigen Viertel mit kleinen Häuschen und kleinen Gärten, sitzt ein Mädchen zu Hause und ist nicht ganz so glücklich.

058 Pink My first boyfriend, first love was ripped from my arms and sent to Puerto Rico when he was arrested for writing graffiti. I was heartbroken, for a month crying my eyes off and writing his name across the school.

Curse Aus Liebeskummer zur Graffiti-Writerin. Guter Grund.

Torch Graffiti ist in diesen Jahren kein neues Phänomen mehr. Seit fast zehn Jahren gilt New York als einer der wichtigsten Orte der Welt für diese Kultur. Und besonders in der Bronx hat jeder angefangen, mit Graffiti zu experimentieren. Die Häuser brennen, der Müll stinkt zum Himmel, niemand interessiert sich für die Bewohner in den Ghettos.

Torch Aber wenn sie ihre Spuren hinterlassen, ist das der Beweis, dass sie existieren! Sie leben! Und sie verlassen das Ghetto, auf Zügen reisen ihre Tags durch die Stadt, bald durchs ganze Land. Es ist eine Szene mit eigenen Codes. Und einem eigenen Selbstverständnis. Frauen gibt es in der Szene bislang wenige.

Und das hat natürlich Gründe. Wenn wir uns mal kurz erinnern, was Bambaataa schon gesagt hat über die Bronx:

060 Bam ...one of the most dangerous in the United States...

Musik: Wildlife Soundtrack „Gang Busters“

Torch Aber das hält Lady Pink nicht ab. Sie kommt zwar aus dem ruhigen Queens, aber es zieht sie auch in die Bronx. Aus verschiedenen Gründen...

19 061 Pink Proving to the guys saying „oh you can´t do that you´re a girl“- kind of thing. I´m a what? And i can´t do what? I´m going to prove to you! And eve- ry weekend it would proving painting some train coming back to the school and reporting and everyone would see that I had the courage to do that. Doesn’t matter that i was small and petite and that I wore dresses and high heels. I can do it.

Curse Damals wie heute – „Das kannst du nicht machen, du bist n Mädchen, du kannst nicht mit deinen Highheels raus, Graffiti malen“. Pink sagt „Was? Was kann ich nicht?“ Klar kann ich das.

Torch Und um das zu beweisen, zieht sie nachts quer durch New York mit ihren Jungs. Heimlich, klar. Sie ist jung, ihre Eltern wissen von nichts...

062 Pink I would sneak out of my bedroom window. It was maybe 3m to the ground. I would lower my bag of paint quietly with a rope so it wouldn’t make any noise and then I would jump out the window. And then run off with my friends and try to be home before my mother would wake up in the morning to go to work. But then she would wake up and find me completely dirty, from head to toe, black with tunnel dirt and paint all up to my elbows. And I have gone to sleep nice and clean but I have wake up all dirty. So she knew. Eventually she knew what I was up to, a lot of trouble.

Curse Ausm Schlafzimmerfenster, drei Meter in die Tiefe und raus in die Nacht – und wieder zurück, bevor die Mutter aufwacht. Total verdreckt aus den Tun- neln. Das riecht nach Ärger.

Torch Und Ärger ist noch ein bisschen untertrieben. 1971 taucht Graffiti zum ersten Mal in New Yorker Zeitungen auf – als Kunstform.

Musik: Fab 5 Freddy „Change the Beat“

Und dann nimmt das Leben von Lady Pink eine entscheidende Wendung. Gerade weil sie die einzige Frau weit und breit ist in dieser männlichen Szene. Sie lernt die bekannten Graffiti-Künstler dieser Zeit kennen, Futura 2000, Zephyr und – Fab Five Freddy.

20 064 Pink Fab Five Freddy was very suave and very cool and knowledgeable and just oozing confidence and charisma. He was a very very amazing guy. He had a gift for gab. An amazing, an amazing guy...

Curse Ich glaube das kann man so zusammenfassen: Fab Five Freddy war der Coolste.

Torch Cooler than cool: down by law! Und Five Freddy ist irgendwie ist bei allen mögli- chen wichtigen Momenten dabei. Nur um noch mal kurz daran zu erinnern, wisst ihr noch wie er sich hier bei uns vorgestellt hat?

065 Fab That´s how I do it. Always first. Fab Five Freddy – always in the lead.

Torch Das ist also das Selbstbewusstsein, von dem Lady Pink eben gesprochen hat. Und er hat es nicht zu Unrecht.

Musik: DNA „Blonde Redhead“

In den späten 70ern macht Freddy seine ersten HipHop-Schritte bei der Graffiti- Truppe The Fabulous 5. Er macht sich einen Namen, komplette New Yorker-U- Bahnen zu bemalen, sogenannte ‚whole cars’.

Und er landet bei Andy Warhol. Genau, dem Andy Warhol, er lässt sich von seinen Suppendosen inspirieren. Und so bringt er HipHop in die nächste Umlaufbahn. Die Straßenkultur der schwarzen Ghettokids trifft auf das weiße Establishment. Und diese weiße Kultur wird plötzlich aufmerksam auf all das, was da im Norden New Yorks passiert. Und es ist Freddy, der eine Frau für diesen neuen Sound begeistert, die in einer der größten Bands der Welt spielt: Debbie Harry von Blondie.

Musik: Blondie „Heart of Glass“

066 Fab They became supporters of me as a painter. I reached to them because I was trying to get people to support my work. You know help me do what I want- ed to do. And I introduced them to the beginning of HipHop. Which was go- ing on in the streets of the Bronx and Harlem in New York City. And I told them there was a new movement developing that I felt was a lot like punk rock. And they said, wow. And I explained what I was doing and they said we like it...

21 Curse Freddy führt Blondie in den HipHop ein. Für ihn ist HipHop ein Movement, so wie Punk Rock. Und Blondie mögen das alles.

Torch Was meinst du mit ‚mögen’, die lieben den Scheiß! Sie machen einen Song dar- über!

Musik: Blondie „Rapture“

Eine der größten Bands überhaupt bringt also ein neues Stück namens „Rapture“ raus – und auf einen Schlag erfährt die ganze Welt davon, was gerade in einem Teil New Yorks, quasi abseits der Öffentlichkeit, passiert. Mit einem Schlag wird HipHop in die Wohnzimmer und Kinderzimmer der Welt getragen. Und damit auch Grandmaster Flash und Fab 5 Freddy...

067 Fab That song is a message to me and the world that a new culture is coming. So many people that didn´t know anything about HipHop culture heard that record and were singing that record. Then later when they began to see more things and hear more rappers they remembered: This was what blondie was preparing us for.

Curse Durch diese Platte lernen die Leute HipHop kennen – ohne es zu wissen. Und später erinnern sie sich dann daran...

Torch Im Januar 1981 klettert „Rapture“ auf Platz 1 der amerikanischen Charts. Es ist ein entscheidender Schritt für HipHop. Bis jetzt haben alle abseits der breiten Öffent- lichkeit ihre Kultur gepflegt, weiterentwickelt. Doch jetzt fällt ein Schlaglicht auf die Bronx. Die Öffentlichkeit ist begierig, mehr über diese Kultur zu erfahren. Und dann trifft Fab 5 Freddy Charlie Ahearn, einen jungen weißen Filmemacher. Ge- meinsam entschließen sie sich, einen Film über diese Kultur zu machen, um der ganzen Welt davon zu erzählen. Der Titel des Films: „Wild Style“...

Musik: Soundtrack Wild Style „Theme“

Die Geschichte von „Wild Style“ ist schlicht. Sie dreht sich um einen einsamen Graffiti-Writer namens Zorro, seinen Impresario – gespielt natürlich von Fab 5 Freddy, und seine Liebe zu einer Graffiti-Malerin. Gespielt von: Lady Pink...

22 068 Pink I can´t stand that movie. I hate that movie so much. I love that director, don’t get me wrong. I adore Charlie Ahearn but the movie has been very detri- mental to me. The movie wild style is like being typecast. Stereotyped into a one-trick-pony. If you will? Even today.

Curse Lady Pink fühlt sich verfolgt vom Film. Bis heute. Als ob das alles wär, was sie gemacht hat. Kann ich nachvollziehen.

Torch Natürlich, das ist ihre Sicht von heute. Aber damals? Du wohnst im vergessenen Teil der Stadt, niemand interessiert sich für dich, dein Viertel zerfällt – und hast die Aussicht auf Ruhm? Hast die Chance, dein Talent der Welt zu zeigen?

069 Davy In 1979/80 someone walked up to you with a camera and you are 15-16-17 years old and says: I´m gonna put you in a movie! – hell ya, put me in a movie! Now I´m gonna get famous. Mom, they put me in a movie. Like a real movie. Being on TV was a big deal.

Curse Klar, wenn du 15 bist und einer verspricht dir, du kommst ins Kino, klar machst du da mit. Hätte ich auch gemacht.

Musik: Wild Style Soundtrack „Crime Cut“

Torch Viele, viele wichtige Leute aus der Zeit kriegen ihren Moment im Film: Grandmas- ter Flash zeigt seine Tricks zum ersten Mal der Weltöffentlichkeit. Grandmaster Caz, die Stimme

070 Caz Oh yeah!

Rappt um sein Leben. Die Rocksteady Crew, bis heute die berühmteste B-Boy- Truppe zeigt ihre Moves. Ahearn folgt seinen Protagonisten im Grunde einfach mit der Kamera, das meiste wird improvisiert. Dennoch fängt er ein völlig neues Le- bensgefühl ein. Das sieht sogar Davy so:

071 Davy i thought it was good to see ourselves reflected, things that we knew about being reflected on the big screen. That´s how I saw it. A certain type of reali- ty that wasn´t being talked about in other circles being reflected.

23 Curse Gehört werden, gesehen werden, wahrgenommen werden. Darum geht´s im Film.

Aber es gibt noch etwas, was dieser Film zeigt. Er zeigt in die Zukunft. Es geht um etwas Neues im HipHop. Geld spielt plötzlich eine Rolle, und das verändert alles.

Musik: The O`Jays „For the love of money“

077 Jay In the beginning we did it for the love... make some do-re-mi-fa-so-la-ti... money.

Curse Jay macht’s immer noch für die Liebe, aber auch bei ihm geht’s um Geld. Irgendwie musst du die Rechnungen ja bezahlen.

Musik: Sugarhill Gang „Rapper´s Delight“

Torch So ist das. Es sind erst ein paar Jahre seit den ersten HipHop-Parties in der Bronx vergangen. Es ist eine junge Kultur. Als Teenie brauchst du kein Geld. Aber als die DJs, die MCs, die Tänzer, die Graffiti-Künstler erwachsen werden, wird auch HipHop erwachsen. Die Unschuld ist weg. Und jetzt kommt das richtig große Geld. Unsummen von Geld. Und dann kommt „Rapper´s Delight“...

Die erste HipHop-Single, die die amerikanischen Charts knackte. Bis heute einer der Rap-Songs, die jeder kennt. Ein Klassiker. Dabei ist alles ein Riesenfake...

078 Davy I never heard of Sugarhill Gang. They weren´t even an original group.

Torch Tja. Drei Typen, zusammengecastet von einer cleveren Managerin, die das Poten- tial von HipHop erkannt hat. Ein Pizzabäcker, der immer gern zu Kool Hercs Par- ties geht und zwei andere anonyme Jungs. Keine Rapper, Typen von der Straße. Der Pizzabäcker rappt dann sogar Texte von Grandmaster Caz auf dem Song – der dafür nie Geld erhalten wird. „Rapper´s Delight“ wird an einem Nachmittag im Studio zusammengebaut. Und dann werden ausgerechnet blutige Amateure zu den ersten HipHop-Stars: der Song wird bis zu 70 000 Mal verkauft – pro Woche.

24 079 Davy Once „Rapper´s Delight“ came out people realized there is a new door that they could tap into with these expressions. I think it reenergized people.

Torch Davy nennt das „neue Energie“. Man könnte auch sagen: die Leute sehen Dollar- zeichen. Und wer könnte es ihnen verdenken. Die Karrierechancen für einen schwarzen jungen Mann aus der Bronx sind in den 80ern nicht gerade rosig. Und „Rapper´s Delight“ läuft nicht nur im Radio rauf und runter. Die clevere Manage- rin lässt sogar ein Low-Budget-Video drehen – und das wird das erste HipHop- Video überhaupt. Es dauert allerdings noch, bis MTV 1984 das erste Mal HipHop- Videos spielt. Und wer ist bald Moderator der ersten HipHop-TV-Sendung „Yo! MTV Raps“? Natürlich Fab 5 Freddy...always in the lead! Aber das ist eine andere Geschichte.

Musik: The 45 King „The 900 Number“ (kurz, die yo!MTV- Erkennungsmelodie)

Musik: Kurtis Blow „The Breaks“

400.000 Mal verkauft sich „The Breaks“ von Kurtis Blow. Klar, dass sich alles verändert. Aber spätestens mit Kurtis Blow wird klar: hier ist Geld zu verdienen. Also was genau hat sich verändert, Davy?

080 Davy how did that change things? Well it changed that the music industry has a criteria, a formula and an understanding of what it is gonna take to be suc- cessful selling units. And part of that example was simplifying how people came to recognize the folks who were behind the music. So for example what the music business were dealing with: people know grandmaster flash but Grandmaster Flash doesn´t really do anything accept dj and that doesn´t help to sell records so we are gonna use the name but we are gonna build up the MCs. Companies were getting new groups that didn´t have a legacy type of name, were just removing the DJ altogether and focussing on the rappers. Thats when things started to change. That´s when you disrupt the family. Because it is no longer about you, it is about this in terms of selling records.

Curse Die Musikindustrie will diese neue Musik verkaufen. Wie macht man das? Man muss simpel den Leuten darstellen, worum es da geht. Die ganze Welt dahinter. Wir kümmern uns um den Typen, der visible ist, der MC! Die Mu- sikindustrie hat den MC hinterm DJ-Pult hervorgezerrt. Denn der MC ist besser zu verkaufen. Und das ist ein Punkt an dem man sagen kann, der Sell-

25 Out hat angefangen, der Ausverkauf. Was man meiner Meinung nach nicht sagen kann, dass der erste Rapper auch der erste Sell-Out-Mann war.

Torch Na ja, das ist ein beliebter Vorwurf. Wenn eine kleine Kultur plötzlich vom Mainstream aufgesaugt wird. Was sich in diesen Jahren des krassen Umbruches zeigt: HipHop hat Potential. Es entwickelt sich in alle möglichen Richtungen. Und keiner ahnt, dass HipHop bald zur größten Jugendkultur überhaupt werden wird. Oder wie Jay sagen würde:

086 Jay The rest is history.

Ja, jetzt kennen wir die Geschichte von HipHop. Also zumindest die Geschichte der Anfänge. Oder: eine Geschichte über die Anfänge. Es gibt bestimmt noch ganz viele andere zu erzählen. Bleibt uns nur noch eins, was hat Lady Pink zu Anfang gefragt?

087 Lady Pink Please clarify to me: what exactly is HipHop? Tell me.

Torch Schlussrunde an alle. Und bitte: Was also ist HipHop?

Musik: Bambaata and the Soul Sonic Force – „Planet Rock“

088 Davy HipHop was a reaction to economic, political and social forces, the margin- alization and in many ways it continues to be that way.

Curse Die Reaktion auf Unterdrückung, sagt Davy.

089 Flash From a worldwide perspective HipHop is respected. I would say it´s been re- spected for many decades.

Curse Weltweit respektiert, sagt Flash.

090 Bam HipHop is a culture. It´s a movement. It is something that has brought so many people together. More than all politicians put together. On this great

26 planet. And it is also something that many dislike and try to destroy it by bringing certain evilness to it.

Curse Eine Bewegung, größer als alle Politiker zusammen, sagt Bambaataa.

091 Pink Still the definition of what HipHop is illudes me. These were teenagers who made it up. 13-14-15 years old. What did they ever do? what did they con- tribute to popular culture? Not much! But in this case! Just their bravado and enthusiasm for their vandalism was infectious. It spread across the city, it spread across the world. And that is how it all began.

Curse Ein paar Teenager, die nicht viel beigetragen haben, aber DAS! sagt Pink. Stimmt. Aber die sind ziemlich weit gekommen. Und so ging alles los...

Musik: Dead Prez „Bigger than HipHop“ Instrumental

Absage:

„Bigger Than HipHop“.

Ein Feature von Heiko Behr.

Erzählt von Torch und Curse und DJ Lifeforce und DJ Haitian Star an den Turntables

Technische Realisation: Gertrud Melcher, Olaf Dettinger und Patrice Börding

Regieassistenz: Roman Podeszwa

Regie: Matthias Kapohl

Redaktion: Natalie Szallies

Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2013

ENDE

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