Universität Mannheim Philosophische Fakultät Lehrstuhl Neuere Geschichte 01. März 2007

Abschlussarbeit zur Erlangung des Bachelor of Arts Kernfach: Gesellschaftsgeschichte der Neuzeit Beifach: Germanistik

Betreuender Professor: Prof. Dr. Klaus-Jürgen Matz Zweitkorrektor: PD Dr. Wilhelm Kreutz

B.A.-Abschlussarbeit

Mannheim: Die Stadt, die um ein Theater gebaut wurde – Die soziale Basis des Nationaltheaters Mannheim

Vorgelegt von: Claudia Rottler Matrikelnummer: 963660

N4, 10 68161 Mannheim 0621 – 4307230 [email protected] Mannheim: Die Stadt, die um ein Theater gebaut wurde – Die soziale Basis des Nationaltheaters Mannheim

1. Einleitung ______3 1.1 Aufbau der Arbeit______4 2. Das Nationaltheater im 18. Jahrhundert ______5 2.1. Die Idee des Nationaltheaters und die deutsche Sprache ______5 2.2. Der Bau des Komödien- und Redoutenhauses ______7 2.3. Die Gründung des Nationaltheaters ______9 2.4. Ende des 18. Jahrhunderts: Die erste kritische Phase______12 2.5. Die Bürger und das Theater im 18. Jahrhundert______13 3. Das 19. Jahrhundert ______13 3.1. Das Nationaltheater wird badisch ______13 3.2. Die Kommunalisierung des Nationaltheaters ______14 3.3. Die Mannheimer und „ihr“ Theater ______15 3.4. Der soziale Wandel im Theater ______16 3.5. Die erste Renovierung des Theaters ______17 3.6. Die Demokratisierung des Theaters ______18 3.7. Ein neuer Intendant und neue Abonnenten ______19 3.8. Das Mannheimer Publikum______20 4. Die erste Hälfte des 20. Jahrhundert ______21 4.1. Die neue Zeit und der Erste Weltkrieg ______21 4.2. Die Zwanziger und Dreißiger Jahre am Nationaltheater______22 4.3. 1929: Ein Jahr des Feierns und Fürchtens______23 4.4. Die Mannheimer Theaterleidenschaft______24 4.5. Das Nationaltheater in der NS-Zeit______26 4.6. Das Nationaltheater im Zweiten Weltkrieg ______28 5. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Weg ins 21. Jahrhundert _29 5.1. Neue Heimat: das Nationaltheater in der Schauburg ______29 5.2. Bürgerinitiativen für das Nationaltheater______32 5.3. Pläne für einen Neubau ______32 5.4. Die Finanzierung des Neubaus ______34 5.6. Die Eröffnung des Nationaltheaters am Goetheplatz ______35 5.7. Der Spielbetrieb am Goetheplatz ______37 5.8. Die Entwicklung des Nationaltheaters ______39 5.9. Freunde, Förderer und Finanzierung ______41 6. Fazit und Ausblick ______43 7. Bibliographie ______45 8. Eidesstattliche Erklärung ______50

2 1. Einleitung

In diesem Jahr kann die Stadt Mannheim anlässlich der Verleihung der Stadtprivilegien im Jahre 1607 ihr 400jähriges Bestehen feiern. Und gleichzeitig hat auch eine der bedeutendsten kulturellen Institutionen der Stadt ein Jubiläum zu begehen: 50 Jahre Nationaltheater am Goetheplatz. 1957 wurde an dieser Stelle das neue Nationaltheater eröffnet, nachdem im September 1943 das historische Gebäude des im Jahre 1777 in Betrieb genommenen Nationaltheaters auf dem Quadrat B3 im Zweiten Weltkrieg Ziel eines Luftangriffes wurde und bis auf die Grundmauern niederbrannte. In den Jahren zwischen der Zerstörung und dem Neubau wurde übergangsweise in der Schauburg, einem ehemaligen Kino auf der Breiten Straße, der Theaterbetrieb fortgesetzt, so gut es ging. Die Stadt Mannheim ohne ihr Nationaltheater wäre nicht vorstellbar gewesen.

Bereits seit den 1770er Jahren ist das Nationaltheater fest im Mannheimer Kulturleben verankert und kann in diesem Jahr auf 230 Spielzeiten zurückblicken. Das von den Mannheimern gerne liebevoll als „Schillerbühne“ bezeichnete Theater hat in all diesen Jahren Höhen und Tiefen erlebt, war es doch beispielsweise Ort der spektakulären Erstaufführung von Friedrich Schillers Räuber. Es überdauerte Revolutionen, Kriege und die deutsche Republik.1 Erst war es kurpfälzisch, dann großherzoglich-badisch und schließlich das erste deutsche städtische „Hoftheater“.2 Die Mannheimer sprachen von „ihrem“ Theater. Die Verbundenheit der Mannheimer Bürger mit ihrem Nationaltheater und die Liebe zu ihrem Theater werden oft zitiert und besonders hervorgehoben. Nicht umsonst hat um 1920 der Oberbürgermeister Theodor Kutzer gesagt, „Wer sich am Mannheimer Theater vergreift, vergreift sich an Mannheim“.3 Und dass Mannheim keine Stadt mit einem Theater ist, sondern ein Theater mit einer Stadt, ist allgemein bekannt. Heute ist das Nationaltheater ein Eigenbetrieb, der aus der städtischen Verwaltung ausgegliedert ist und damit sehr viel wirtschaftlicher arbeiten muss. Es ist ein Vierspartentheater mit Musiktheater, Schauspiel, Ballett und Kinder- und Jugendtheater. Jährlich finden über 1.000 Vorstellungen statt und immer wieder entbrennen Diskussionen darüber, ob das Theater für die Stadt nicht überdimensioniert und der Unterhalt zu teuer ist. Doch enden solche Diskussionen immer mit dem Konsens, dass das Theater traditionell zur Stadt gehört, und „es sich lohnt, dafür zu kämpfen“.4

1 Sinsheimer, Herrmann: Gelebt im Paradies, München 1953, S. 85 2 Stahl, Ernst Leopold: Das Mannheimer Nationaltheater, Mannheim 1929, S. 11 3 Heinz, Kurt und Schönfeldt, Heinz: 200 Jahre Nationaltheater Mannheim, Mannheim 1980, S. 60 4 Schonfrist für das Nationaltheater, Mannheimer Morgen, 26.07.2006, Zitat: Oberbürgermeister Gerhard Widder

3 1.1 Aufbau der Arbeit

In dieser Arbeit möchte ich die Geschichte und Entwicklung des Nationaltheaters Mannheim darstellen. Zuallererst werde ich dazu der Begriff des „Nationaltheaters“ erläutern, um die Besonderheit des Mannheimer Theaters herauszustellen. Anschließend gehe ich auf die Gründung des Nationaltheaters unter Kurfürst Karl Theodor ein und werde den geschichtlichen Verlauf der folgenden Jahre bis in die jüngste Vergangenheit aufzeigen. Hier werde ich jeweils auf von mir gewählte Ereignisse und Personen der Geschichte des Nationaltheaters besonders eingehen. Eine grobe Untergliederung soll anhand der Jahrhunderte erfolgen, wobei das 20. Jahrhundert, das für das Nationaltheater besonders ereignisreich war, in zwei Abschnitte geteilt ist. Dies alles betrachte ich vor dem Hintergrund der sozialen Basis des Nationaltheaters Mannheim. Die Bedeutung des Nationaltheaters für die Mannheimer Bürger und für Menschen, die an diesem Theater gewirkt haben, möchte ich hier herausarbeiten und unter anderem anhand von Zitaten verdeutlichen. Ziel ist es, der Frage auf den Grund zu gehen, wie die tiefe Verwurzelung der Mannheimer mit „ihrem“ Theater entstanden ist und welche besonderen Anziehungskräfte hier wirken, so dass jeder, egal ob ehemaliger Schauspieler, Intendant oder Besucher, durchweg von positiven Erfahrungen am Mannheimer Nationaltheater berichtet. Die Literatur, die ich dazu herangezogen habe, wurde zum größten Teil verfasst von Mannheimer Theaterkennern und –schaffenden, wie beispielsweise Ernst Leopold Stahl oder dem ehemaligen Intendanten Hans Schüler. Viele der Bücher sind anlässlich der Jubiläen erschienen, die das Theater feiern konnte, etwa zum 175jährigen oder zum 200jährigen Jubiläum. Als 1957 der Neubau des Nationaltheaters am Goetheplatz eingeweiht wurde, sind ebenfalls diverse Schriften veröffentlicht worden. Einige Beiträge sind den „Mannheimer Heften“ entnommen, die die „Gesellschaft der Freunde Mannheims und der ehemaligen Kurpfalz“ bis 1996 herausgab. Als Standardwerk kann man das Buch „Mannheim und sein Nationaltheater“ von Liselotte Homering und Karin von Welck bezeichnen. Hier finden sich Aufsätze zu allen Themen und Ereignissen sowie Zeitzeugen-Aussagen. Die jüngste Zeit des Nationaltheaters konnte ich zum größten Teil nur durch Zeitungsartikel belegen, da die aktuellste Literatur mit dem Jahr 1998 endet. Anlässlich des 400jährigen Jubiläums der Stadt Mannheim wird es eine neue, mehrbändige Stadtgeschichte geben, die auch in Bezug auf das Nationaltheater auf dem neuesten Stand sein wird, aber leider noch nicht erschienen ist.

4 2. Das Nationaltheater im 18. Jahrhundert

2.1. Die Idee des Nationaltheaters und die deutsche Sprache

Das Mannheimer Theater trägt bereits seit der Gründung den bedeutungsschweren Namen Nationaltheater. Heute führen in Deutschland außer Mannheim noch zwei weitere Theater diesen Titel: das Nationaltheater in München und das Deutsche Nationaltheater Weimar. In München wurde das Königliche Hof- und Nationaltheater 1810 von König Maximilian I. Joseph in Auftrag gegeben und 1818 eröffnet.5 Das Deutsche Nationaltheater Weimar erhielt seinen Namen erst im Januar 1919, nachdem es seit der Eröffnung 1791 Weimarer Hoftheater geheißen hatte.6 Das erste Nationaltheater wurde bereits 1767 in Hamburg gegründet, musste aber schon im Folgejahr den Betrieb wieder einstellen. An dieser Gründung war der Dichter und Dramaturg Gotthold Ephraim Lessing maßgeblich beteiligt. Es folgte das Wiener Burgtheater, das ab 1776 auf Geheiß Kaiser Josephs II. den Titel Teutsches Nationaltheater trug. 1787 wurde das Theater am Gendarmenmarkt in , heute das Konzerthaus, in Königliches National-Theater umbenannt.7 Das Nationaltheater Mannheim jedoch setzte sich allen voran an die Spitze an die von Wien und Hamburg ausgehende ideale deutsche Theaterbewegung.8 Es kann für sich in Anspruch nehmen, das einzige Nationaltheater zu sein, das der Zeit und dem Gedankengut entsprungen war, das den Begriff „Nationaltheater“ geschaffen hat.9

Die Nationaltheater hatten nicht das Ansinnen, als Staatstheater für die deutsche Nation zu dienen, vielmehr ging es um die Abkehr von den damals üblichen französischen Theaterstücken und italienischen Opern, hin zu Stücken und Opern, die auf deutsch gesprochen und gesungen wurden. Die Tendenz, die deutsche Sprache in Kunst und Kultur zu verwenden, machte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erstmals in der Literatur bemerkbar und griff von dort auf das Theater über. In Mannheim wurde die Etablierung der deutschen Sprache in Kunst und Kultur vom kurpfälzischen Kurfürsten Karl Theodor persönlich vorangetrieben. Am 13. Oktober 1775 unterschrieb er den „Stiftungsbrief der Churpfälzischen Teutschen Gesellschaft“. Die Gesellschaft setzte sich für ein bürgerliches, deutsches Theater ein

5 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaltheater_M%C3%BCnchen (09.02.2007) 6 http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Nationaltheater_Weimar (am 09.02.2007) 7 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaltheater (10.01.2007) 8 Stahl 1929, S. 10 9 Schlicht, Michael Winrich: „Abschalten können Sie woanders!“, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 187

5 und ihr Ziel war es, die deutsche Sprache zu pflegen,10 von Fremdwörtern und Provinzialismen zu säubern11 und eine Gleichförmigkeit der Rechtschreibung zu erreichen.12 Schon im Jahr 1770 hatte Karl Theodor seine französischen Komödianten - der Beruf des Schauspielers wurde zur damaligen Zeit Komödiant genannt - entlassen. Seitdem gab es kein stehendes Hoftheater mehr in Mannheim. Die Hofoper war im Jahre 1742 aus Anlass der Vermählung Karl Theodors mit Elisabeth Auguste eröffnet worden und stand nur der Hofgesellschaft und den höchsten Kreisen der Bürgerschaft offen.13 Der normale Bürger konnte sich Vorstellungen von fahrende Komödianten und Wandertruppen anschauen, die auf dem Marktplatz in hölzernen Behelfsbuden oder im Rentamt des Kaufhauses am Paradeplatz stattfanden.14 Hier wurden deutsche Stücke gespielt, meist Übersetzungen aus dem Französischen, deren Inhalt vorwiegend von geringem literarischem Wert war.15 Aber auch der Hof wohnte diesen Vorstellungen bisweilen bei. Erstmals hatte Karl Theodor eine deutschsprachige Aufführung 1767 besucht. 1769 hatte er angeordnet, auf dem Marktplatz einen hölzernen Theaterbau errichten zu lassen. Hier spielte die Schauspieltruppe von Franz Joseph Sebastiani, die Karl Theodor 1768 zu seinen „Teutschen Hofcomoedianten“ ernannte.16 Sebastiani wurde 1771 als Prinzipal von seinem Schwiegersohn Theobald Marchand abgelöst, der seiner Schauspieltruppe angehört hatte.17 Marchand spielte mit seinen „Kurpfälzischen Hofschauspielern“ ab 1771 sechs Winter in Folge jeweils bis Aschermittwoch in Mannheim.18 Dem Kurfürsten wurde derweil die Notwendigkeit eines festen Theatergebäudes immer deutlicher, da seit der Auflösung der Truppe der französischen Hofkomödianten die vom Platz her begrenzten Schaubuden die einzigen Möglichkeiten für die Mannheimer Bürger boten, Theaterstücke zu sehen. Die Hofoper stand für Aufführungen nicht zur Verfügung, da das Schloss für den Publikumsverkehr nicht geöffnet werden sollte.19

10 Brunst, Waltraut: 225 Jahre Nationaltheater, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004 11 Herrmann, Wilhelm: Hoftheater – Volkstheater – Nationaltheater, Frankfurt 1999, S. 222 12 Rings, Hanspeter: Das Mannheimer Nationaltheater, in: Schadt, Jörg (Hrsg.): Das Mannheimer Nationaltheater, Mannheim 1996, S. 20 13 Rings 1996, S. 13 14 Rings 1996 S. 14 15 Meyer, Herbert: Spielplansorgen im Mannheimer Nationaltheater vor 200 Jahren, in: Mannheimer Hefte, 2/1979, S. 79 16 Homering, Liselotte: Chronologie, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 516 17 Herrmann, Wilhelm: Comédie française und deutschsprachige Wandertruppen, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 364 18 Herrmann 1999, S. 194 19 Daniel, Ute: Hoftheater, Stuttgart 1995, S. 183

6 Die Bestrebungen, deutschsprachige Stücke auf die Bühne zu bringen, wurden bereits 1775 umgesetzt. Im Schlosstheater Schwetzingen wurde am 13. August das erste originär deutschsprachige Werk erstaufgeführt. Wobei Wilhelm Herrmann in seinem Buch „Hoftheater – Volkstheater – Nationaltheater“ anmerkt, dass auch schon zuvor musikalische Bühnenwerke in deutscher Sprache an der Hofoper aufgeführt worden waren.20 Die Oper Alceste von Anton Schweitzer, deren Libretto aus der Feder von Christoph Martin Wieland stammte,21 war jedoch ein Meilenstein auf dem Weg zu rein deutschen Bühnenwerken. Zunächst wurde die Oper im Schlosstheater Schwetzingen aufgeführt, im November des Jahres 1775 auch auf der Hofopernbühne in Mannheim. Vermutlich wurde die Oper nicht von Marchands Ensemble inszeniert.22 Es folgte 1777 als zweites deutsches Stück in Mannheim die Oper Günther von Schwarzburg von Ignaz Holzbauer, deren Stoff erstmals der deutschen Geschichte entnommen worden war. Die erfolgreiche Uraufführung fand am 5. Januar 1777 an der Hofoper statt.23 Der Weg für deutsche Bühnenstücke und für die Besinnung auf die eigene, nationale Kultur war endgültig geebnet.

2.2. Der Bau des Komödien- und Redoutenhauses

Zeitgleich mit der voranschreitenden Etablierung der deutschen Sprache in Kunst und Kultur ging der Wunsch nach einem festen Theatergebäude in Mannheim einher. Mannheim schwebte ein Theater „für alle“ vor, das der Verbreitung der Volksbildung und der Aufklärung dienen sollte.24 Bei der Suche nach einem geeigneten Standort im Jahr 1775 fiel die Wahl auf das Zeug- und Schütthaus auf dem Quadrat B3, das bisher als Gebäude für das Waffenarsenal, als Fruchtspeicher und Zehntweinkellerei gedient hatte. Es sollte von Theaterarchitekt Lorenzo Quaglio zu einem Komödien- und Redoutenhaus umgebaut werden.25 Um die finanziellen Mittel für den Bau nicht der Staatskasse anzulasten, schlug Hofkammerrat Johann Lambert Babo Kurfürst Karl Theodor vor, dem Mannheimer Borromäusspital das Gebäude des Zeug- und Schütthauses zu übertragen und den Bau durch das Spital finanzieren zu lassen. In der Folge sollte das Spital durch das Theater Gewinne erwirtschaften.26 Im Januar 1776 übereignete Karl Theodor dem Spital das Zeug- und Schütthaus. Doch schon

20 Herrmann 1999, S. 215 21 Herrmann 1998, S. 364 22 Herrmann 1999, S. 216 23 Ebd., S. 219 24 Walter, Friedrich: Aufgabe und Vermächtnis einer deutschen Stadt, Frankfurt 1952, S. 146 25 Meyer, Herbert: Das alte Haus, in: Mertz, Peter und Magin, Wolf (Hrsg.): Das Nationaltheater Mannheim 1779 – 1970, Mannheim 1970, S. 4 26 Rings 1996, S. 15

7 während des Baus zeigte sich, dass das Spital dem Bau finanziell nicht gewachsen war. Die Kosten summierten sich auf 160.000 Gulden.27 Im November 1776 machte Karl Theodor daher seine Schenkung rückgängig und gab dem Spital das bisher ausgegebene Geld zurück. Die Fortsetzung des Baus wurde aus der kurpfälzischen Generalkasse bezahlt.28 Das Zeug- und Schütthaus eignete sich nur bedingt für den Umbau zu einem Theater, da es in der Breite sehr schmal war. „Mannheim bekam ein monumentales neues Zeughaus und ein altes Theatergebäude“, schrieb Friedrich Walter im ersten Band seiner Reihe „Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart“.29 So kam es, dass 1777 ein neues Zeughaus auf dem Quadrat C5 gebaut wurde, für das jedoch die Garnisonskirche abgerissen werden musste. Da es nun keine Kirche mehr gab in dem Stadtviertel, musste eine neu beim neu errichteten Bürgerspital gebaut werden.30 Der Theaterbau war also mit erheblichen Folgen und weiteren Kosten verbunden.

Das Theater wurde für das höfische wie auch das bürgerliche Publikum eingerichtet. Der Architekt Quaglio entwickelte ein Rangtheater, das Sitzreihen für das Bürgertum und Logen für den Adel vorsah. Drei Ränge waren geplant. Der Wandel der soziologischen Verhältnisse wurde hier schnell offenbar.31 Mannheim hatte zu dieser Zeit etwa 20.000 Einwohner, für die das Theater, das mehr als 1.000 Besucher fasste,32 zu groß zu sein schien.33 Dem Theater wurden durch den Kurfürsten besondere Privilegien verliehen. Es wurde befreit von allen städtischen und staatlichen Abgaben und bekam „das ausschließliche Recht, alle Spektakel, Komödien und Taschenspiele, Gaukler und Seiltänzer, auch alle übrigen Neuigkeiten, von fremden Thieren, Figuren, etc., dann hauptsächlich alle jene Bälle, Redouten, öffentliche Gesellschaften und Concerte, so nicht in dem Churfürstl[ichen] Schlosse und Theater bei Hof aufgeführt werden, in dem selben allein zu halten.“34

Außerdem wurde der uneingeschränkte Wein-, Bier-, Likör-, Kaffee-, Schokolade- und Teeausschank erlaubt sowie Billards und Kartenspiele.35 Das Theater sollte neben dem Hof zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Mannheim werden.36

27 Walter, Friedrich: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart Bd. 1, Frankfurt 1977, S. 743 28 Daniel 1995, S. 185 29 Walter 1977, S. 743 30 Schüler, Hans (Hrsg.): 175 Jahre Nationaltheater, Mannheim 1954, S. 10 31 Beierbach, Herbert: Vom Quadrat B 3 zum Goetheplatz, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 368 32 Herrmann 1999, S. 242 33 Schüler, Hans: Das alte und das neue Nationaltheater, in: Mannheimer Hefte 3/1956, S. 12 34 Kurfürstlicher Erlass vom 16.11.1776, Zitiert nach: Rings 1996, S. 16 35 Walter 1977, S. 745

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Bereits am 6. Januar 1777 konnte das Theater mit dem Lustspiel Der Schein trügt von Johann Christian Brandes eröffnet werden, wobei die Bauarbeiten noch lange nicht abgeschlossen waren. Im Jahr 1782 soll das Theater zumindest äußerlich in fertigem Zustand gewesen sein.37 Erst im Jahre 1785 wurde der Bau mit Fertigstellung des Konzerttrakts gänzlich vollendet.38 Zunächst spielten Wandertruppen in dem Komödienhaus,39 sowie die Truppe von Theobald Marchand.40 Es wurden vorerst nur Schauspiele aufgeführt, da im Schloss nach wie vor die Hofoper bespielt wurde.41

2.3. Die Gründung des Nationaltheaters

Im Mai 1777 wurde Theobald Marchand zum Direktor des Theaters ernannt, das nun als Nationaltheater bezeichnet wurde. Dies geschah nach dem Vorbild Wiens, wo Kaiser Joseph II. das Burgtheater zum Teutschen Nationaltheater erklärt hatte.42 Gotthold Ephraim Lessing, einer der Begründer des Nationaltheater-Gedankens, hatte man trotz jeder Mühen nicht für Mannheim gewinnen können. Ihm wurde im Sommer 1776 die Leitung des Mannheimer Theaters angetragen. Der Buchhändler Christian Friedrich Schwan war nach Wolfenbüttel gereist, um Lessing das Angebot zu unterbreiten. Zusätzlich sollte Lessing mit einer ordentlichen Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften in Mannheim geködert werden, die reichlich vergütet werden sollte. Lessing wollte jedoch in Wolfenbüttel bleiben und allenfalls beratend für das Mannheimer Theater tätig sein. Mannheim war Lessing wohl zu provinziell. Die Aufnahme in die Akademie und das damit verbundene Geld nahm Lessing an, doch die Leitung des Theaters lehnte er weiterhin strikt ab. Sein Dienst für Mannheim bestand darin, sich nach Schauspielern umzusehen. Anfang des Jahres 1777 weilte Lessing in Mannheim und leistete tatsächlich beratend Hilfe beim Aufbau eines Nationaltheaters. Er war es auch, der dem Hofe die Schauspieltruppe um Abel Seyler empfahl. Seyler hatte mit Lessing am Hamburger Nationaltheater gewirkt. Der letzte Akt in den Verhandlungen mit Lessing war das Angebot an ihn, die Leitung der Heidelberger Universität zu übernehmen, was sich jedoch ebenfalls zerschlug. Auf gar keinen Fall, so die Gegner dieses Ansinnens, sollte einem Protestanten die

36 Rings 1996, S. 16 37 Herrmann 1999, S. 261 38 Ebd., S. 256 39 Meyer 1970, S. 4 40 Rings 1996, S. 24 41 Schüler 1956, S. 12 42 Daniel 1995, S. 186

9 Nationalerziehung obliegen.43 So wurde das Kapitel Lessing und die Kurpfalz endgültig geschlossen.

Theobald Marchand also wurde mit der Leitung des kurfürstlichen Mannheimer Nationaltheaters betraut. Unterstellt war seine Schau- und Singspieltruppe dem Intendanten der Hofmusik. Das Theater finanzierte sich jedoch nicht, wie bisher angenommen, von selbst. Mehrfach musste die Hofkammer an die Theaterkasse Zuschüsse überweisen.44 Und dann erreichte eine Nachricht Mannheim, die die ganze Stadt in Sorge versetzte. Der bayrische Kurfürst Maximilian III. Joseph war am 30. Dezember 1777 verstorben. Karl Theodor erbte durch dessen Tod Kurbayern – und hatte sich per Erbvertrag verpflichtet, seine Residenz nach München zu verlegen. Mannheim drohte ein Prestigeverlust, aber auch der Verlust des größten Wirtschaftsfaktors. Die Hof- und Staatsbehörden beschäftigten zu dieser Zeit etwa 4.500 Menschen. Im Juli 1778 war der Wegzug des Hofes absehbar.45 Da wandte sich der pfälzische Kammerherr Freiherr Wolfgang Heribert von Dalberg bereits an den Finanzminister Freiherr Karl Franz von Hompesch und schrieb ihm, dass es nach Abzug des Hofes entscheidender Maßnahmen bedürfe. Dalberg erwog den Umzug der Universität von Heidelberg nach Mannheim, oder aber die Etablierung hervorragender Theaterkunst. Damit wollte er vor allem Auswärtige in die Stadt locken.46 Er erbat sich jährlich 10.000 Gulden als Unterstützung vom Kurfürsten. Die Verlegung der Universität lehnte der Minister ab, er sprach sich jedoch für das Theater aus.47 Die Einnahmen des Theaters sollten zu „einiger Nahrungsmitbeihilfe der hiesigen Stadt und Bürgerschaft dienen“.48 Am 1. September 1778 wurde Dalberg beauftragt, eine „Teutsche Trouppe“ zusammenzustellen und zum Intendanten berufen. Das Theater sollte jährlich mit 5.000 Gulden subventioniert werden.49 Die Schauspieltruppe von Theobald Marchand nahm der Kurfürst im Herbst 1778 nach München mit. Abel Seyler folgte als Direktor und seine Truppe spielte künftig auf der Mannheimer Bühne. Mit Hilfe Seylers stellte Dalberg ein Ensemble zusammen. Ein Glücksfall für Dalberg war, dass im selben Jahr die Truppe des Gothaer Herzogs Ludwig Ernst II. frei wurde. Er holte die jungen, viel versprechenden Schauspieler, darunter auch August Wilhelm

43 Walter 1952, S. 147 44 Daniel 1995, S. 187 45 Ebd., S. 187 46 Rings 1996, S. 25 47 Daniel 1995, S. 188 48 Stahl 1929, S. 10 49 Rings 1996, S. 26

10 Iffland, aus Gotha nach Mannheim und verpflichtet diese fest.50 Abel Seyler wurde künstlerischer Direktor, Dalberg hatte die administrative Oberleitung inne.51 Das Nationaltheater Mannheim besaß nun ein festes, stehendes Ensemble, das am 7. Oktober 1779 zum ersten Mal auf der Bühne stand. Ein Theater außerhalb des Hofes für die bürgerliche Gesellschaft, ein festes Ensemble und deutsche Sprache – das waren zur damaligen Zeit sensationelle Faktoren.52 Mit dem Lustspiel Geschwind eh’ es jemand erfährt, einer Übersetzung ins Deutsche, wurde das Theater offiziell eröffnet.53 Nun besaß Mannheim zwar eine deutsche Schaubühne, es mangelte jedoch an deutschen Stücken, die gespielt werden konnten. Also wurde gedichtet und übersetzt. Egal ob vom Theaterdichter, vom Schauspieler, vom Hofrat oder Buchhändler.54 Sogar Dalberg selbst schrieb Stücke für das Theater.55

Seinen ersten Höhepunkt erlebte das Nationaltheater schon sehr bald. Der Ruhm des Mannheimer Theaters war auch dem Militärarzt in Württemberg zu Ohren gekommen und umgekehrt. Dalberg wagte auf Anregung des Buchhändlers Christian Friedrich Schwan die Uraufführung von Schillers Erstlingswerk Die Räuber. Am 13. Januar 1782 strömten die Besucher aus Mannheim und Umgebung in das Nationaltheater. Das Stück hatte im Vorfeld außerordentliche Publizität erlangt und wurde mit Spannung erwartet. Zum Teil nahmen schon mittags Besucher ihre Plätze ein.56 Die Reaktionen des Publikums auf das Stück waren euphorisch. Die Räuber ließen ganz Deutschland aufmerksam auf Mannheim und das Nationaltheater werden. Die „Schillerbühne“ war geboren. Schiller wirkte noch weitere Zeit am Mannheimer Nationaltheater. Im August 1783 wurde er von Dalberg zum ersten Theaterdichter ernannt. Am 11. Januar 1784 fand die erste Aufführung des Fiesko statt, am 15. April stand Kabale und Liebe erstmals auf dem Spielplan. Doch Dalberg verlängerte Schillers Vertrag nach Ablauf eines Jahres nicht. Bis April 1785 weilte Schiller noch in Mannheim. Doch man hatte ihn verhöhnt. In dem Theaterstück Der schwarze Mann, in dem der Schauspieler August Wilhelm Iffland im November 1784 in der Person des Theaterdichters Flickwort auftrat. Die Rolle war allzu offensichtlich an Schiller angelehnt. Er war gekränkt.57

50 Meyer, Herrmann: Das Nationaltheater Mannheim 1929 – 1979, Mannheim 1979, S. 7 51 Daniel 1995, S. 190 52 Meyer, Herbert: Spielplansorgen im Mannheimer Nationaltheater vor 200 Jahren, in: Mannheimer Hefte, 2/1979, S. 79 53 Rings 1996, S. 26 54 Meyer 1979b, S. 81 55 Meyer 1970, S. 5 56 Ebd., S. 6 57 Homering, Liselotte: Chronologie, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 526

11 2.4. Ende des 18. Jahrhunderts: Die erste kritische Phase

Durch die Aufführung der Räuber war ganz Deutschland auf Mannheim und das Nationaltheater aufmerksam geworden. Es wurde Stätte großer und bewundernswerter Leistungen.58 Doch der Höhenflug endete bald wieder. Äußere Einflüsse, besonders der erste Koalitionskrieg und die Besetzung durch die Franzosen in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts, trugen dazu bei. Zudem gab es finanzielle Schwierigkeiten. Der Krieg war dafür nicht die Ursache, faktisch brachte er sogar zahlende Besucher in das Theater. Doch Karl Theodor unterstützte ab 1794 das Theater so gut wie gar nicht mehr. Die kurfürstlichen Zuschüsse wurden immer spärlicher.59 Mehrfach war es von der Schließung bedroht, die Gehälter konnten nicht bezahlt werden. Beim Beschuss durch die Franzosen ging 1795 unter anderem die Hofoper im Schloss in Flammen auf.60

Ein weiterer Tiefpunkt folgte bald. August Wilhelm Iffland, der mittlerweile nicht nur als Schauspieler in Mannheim Ruhm erlangt hatte, sondern auch als künstlerischer Leiter, kehrte 1796 von einem Gastspiel in Berlin nicht mehr in das umkämpfte Mannheim zurück. „In der Pfalz bleiben, heiße, sich Raub und Misshandlung auszusetzen“, schrieb er im Juli 1796.61 Er hatte die Direktion des Berliner Nationaltheaters übernommen. Dalberg fürchtete nun um das Theater. Er versuchte, Iffland zurückzuholen, doch dieser lehnte ab. „Mit ihm verlor Mannheim seine Krone“ war als Notiz im Zettelband des Nationaltheaters 1796 zu lesen. Dalberg hatte 1793 und 1794 schon die Verluste der Schauspieler Johann Michael Boeck und Johann David Beil hinnehmen müssen. Durch Ifflands Weggang war nun die Riege der großen Schauspieler des Mannheimer Nationaltheaters dahin. Am 16. Februar 1799 starb Kurfürst Karl Theodor in München, sein Nachfolger war Maximilian IV. Joseph. Dieser stellte die Zuschüsse für das Theater ein und holte überdies viele verbliebene, wichtige Darsteller nach München.62 Das 18. Jahrhundert endete für das Nationaltheater unter keinem guten Stern.

58 Heimerich, Vorwort: 175 Jahre Nationaltheater, in: Mannheimer Hefte 2/1954, S. 1 59 Daniel 1995, S. 191 f. 60 Schönfeldt, Heinz: Von Iffland bis Klimek – 217 Schau-Spielzeiten, in: Homering, Liselotte und Welck v., Karin (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 69 61 Walter 1952, S. 219 62 Daniel 1995, S. 193

12 2.5. Die Bürger und das Theater im 18. Jahrhundert

Doch das Theater war schnell „der Mannheimer liebstes Kind“ geworden und versank nicht in der Bedeutungslosigkeit.63 Das Nationaltheater war nicht als Stätte des kurfürstlichen Vergnügens oder höfischer Repräsentation entstanden, sondern war ein Geschenk des Kurfürsten an die Mannheimer. Es war von Beginn an ein Theater für die Bürger.64 Ihm kam eine zentrale Funktion zu, da die Möglichkeiten sich zu vergnügen in Mannheim sonst nicht sehr üppig waren.65 Die Mannheimer nahmen großen Anteil daran und viele, von jung bis alt, reichten Theaterstücke ein oder entwarfen Bühnenbilder. Ein Schauspieler, der 1780 auf der Mannheimer Bühne gestanden hatte, schrieb später an Dalberg, das kleine Theaterpublikum Mannheims bilde sozusagen eine Familie mit den Schauspielern. Diese Verbürgerlichung der Theaterschauspieler war zur damaligen Zeit eine auffallende Ausnahme.66 In Mannheim waren Schauspieler gern gesehene Mitbürger.

3. Das 19. Jahrhundert

3.1. Das Nationaltheater wird badisch

So wie das 18. Jahrhundert endete, so begann das 19. Jahrhundert für das Nationaltheater. Im November 1802 fiel die rechtsrheinische Pfalz an das Großherzogtum Baden und Mannheim unterstand somit Karl Friedrich von Baden. Die Mannheimer machten sich Sorgen, ob der neue Landesherr ihr Theater bestätigen würde, ob er den Staatszuschuss genehmigen würde oder ob er aufgrund seiner schon bestehenden Hofbühne in Karlsruhe das Nationaltheater eingehen lassen würde.67 Doch der Karlsruher Hof entwickelte durch die engen Verbindungen mit dem siegesreichen Frankreich repräsentative Ambitionen und subventionierte das Nationaltheater recht großzügig.68 Zudem war das Nationaltheater nicht nur wichtigste Kulturquelle in Mannheim, sondern auch eine ertragsreiche Nahrungsbeihilfe. Der Staatszuschuss wurde im März 1803 auf 20.000 Gulden festgesetzt und zusätzlich

63 Meyer 1970, S. 8 64 Schönfeldt, Heinz: Das Theater und sein „Marktwert“, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 199 f. 65 Daniel, S. 136 66 Stahl 1929, S. 13 67 Walter 1952, S. 240 68 Daniel 1995, S. 193

13 übernahm Karlsruhe die gesamte Theaterschuld von 48.000 Gulden.69 Der Fortbestand der „Mannheimer Hof- und National-Schaubühne“ war gesichert. Doch schon stand das Nationaltheater vor der nächsten Bewährungsprobe. Freiherr Wolfgang Heribert von Dalberg legte nach 25 Jahren im Juni 1803 sein Amt als Intendant nieder. Er übergab es an seinen Schwiegersohn Freiherr Friedrich Anton von Venningen. Dalberg starb 1806, im selben Jahr wurde das Mannheimer Theater erstmals als „Großherzogliches Hof- und Nationaltheater“ bezeichnet.70 Es kehrten recht ruhige Zeiten in Mannheim ein, bis Freiherr von Venningen 1816 seines Amtes enthoben wurde. Zwei Theaterkommissare, eingesetzt aus Karlsruhe, übernahmen die Leitung, bis 1819 Freiherr von Ungern-Sternberg zum Hoftheaterintendant berufen wurde.71 1817 wurde der Zuschuss von 20.000 Gulden auf 4.000 Gulden gekürzt, den restlichen Betrag musste Mannheim fortan selbst durch Gelder aus Steuereinahmen dazuzugeben. 1821 wurde bestimmt, dass künftig alle Schulden des Theaters von der Stadt zu tragen seien.72 Was folgte, waren zermürbende Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Staat über die Finanzierung und Leitung des Theaters.73 Die Bürger mussten mehr und mehr für den Unterhalt ihres Nationaltheaters aufkommen. Nun geizte der badische Staat zunehmend mit den Geldern für das Nationaltheater, oktroyierte dem Theater aber gleichzeitig Intendanten, die aus dem adligen Hofbeamtentum kamen, die so genannten Kavalierintendanten.74 All diese Unzulänglichkeiten führten letzten Endes zu einer weitreichenden Entscheidung. Der Gemeinderat beschloss, das Theater in die kommunale Verantwortung übernehmen zu wollen. Dies wurde durch einen Ministererlass vom 16. April 1839 genehmigt.75 Die Stadt Mannheim übernahm nun sowohl die Finanzierung als auch die Verwaltung ihres Theaters.

3.2. Die Kommunalisierung des Nationaltheaters

Damit war die Kommunalisierung des Nationaltheaters Mannheim vollzogen. Das Theater war nun endgültig ein Theater der Bürger und voll Stolz und Selbstbewusstsein übernahm die Stadt es in ihre Verantwortung. Die erste kommunale

69 Walter 1952, S. 240 70 Homering 1998b, S. 528 71 Schüler 1954, S. 9 72 Schönfeldt 1998b, S. 200 73 Rings 1996, S. 35 74 Homering, Liselotte: Die Theatersammlung des Reiss-Museums Mannheim, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 52 75 Homering 1998b, S. 532

14 Bühne Deutschlands war geboren.76 Das Theater behielt zwar seine Eigenschaft als Staatsanstalt – Karlsruhe behielt sich also die Oberhoheit über das Haus vor77 – es wurde jedoch als Gemeindeanstalt geführt. Der badische Staat bezuschusste das Theater mit 8.000 Gulden, die Stadt mit 31.500 Gulden.78 Auch weiterhin führte das Haus den Namen „Großherzogliches Hof- und Nationaltheater“. Die Leitung des Theaters übernahm kein Intendant mehr, sondern ein Theaterkomitee, das aus drei angesehenen Bürgern Mannheims bestand. Es war Ausdruck und Organ bürgerlicher Selbstverwaltung, das vom Stadtrat gewählt wurde. Das erste Komitee bestand aus dem Oberbürgermeister Ludwig Jolly, dem Gemeinderat Joseph Conrad Schmuckert und dem Arzt Dr. Eduard Josef Seitz.79 Die Komiteemitglieder arbeiteten ehrenamtlich und unentgeltlich.80 Ernst Leopold Stahl schrieb 1929, „es war ein natürliches Ereignis der Theaterleidenschaft des Mannheimer Bürgertums, wenn Mannheim diejenige deutsche Stadt wurde, die einen neuen organisatorischen Theater-Typus schuf, nämlich das Theater in voller städtischer Selbstverwaltung“.81 Da in dem Theaterkomitee jedoch keine Theaterexperten saßen, wurde 1843 ein Fachmann verpflichtet, der unter der Aufsicht des Komitees als Oberregisseur tätig war. Es war der Regisseur Phillip Jacob Düringer.82

3.3. Die Mannheimer und „ihr“ Theater

Mit der Kommunalisierung des „Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters“ setzte die Verbürgerlichung des Theaters in vollem Maße ein. Damit wuchs auch das Selbstbewusstsein des erstarkenden Großbürgertums. Deren Repräsentationsbedürfnis wurde mit dem „Hof“ im Theatertitel befriedigt, das „National“ verwies auf den Inhalt und den bürgerlichen Hintergrund.83 So kam es auch, dass das Großbürgertum, insbesondere das jüdische,84 sein Theater mit beträchtlichen Zuwendungen unterstützte.85 Während im Jahr der Übernahme 1839 noch der Adel im Theater den teueren und prestigeträchtigen Logenrang einnahm, vollzog sich nach und nach ein sozialer Wandel am Nationaltheater. Die obere Schicht des Bürgertums

76 Meyer 1970, S. 8 77 Rings 1996, S. 35 78 Homering 1998b, S. 532 79 Rings 1996, S. 35 80 Homering 1998b, S. 532 81 Stahl 1929, S. 27 82 Homering 1998b, S. 532 83 Schlicht 1998, S. 188 84 Schönfeldt 1998b, S. 197 85 http://www.nationaltheater-mannheim.de/service/ (10.01.2007)

15 drängte in die Logen.86 Früher als an anderen Theatern intensivierte sich auch die persönliche Verbindung zwischen den Künstlern und dem Bürgertum. In der ersten elitären Herrengesellschaft Mannheims, der „Räuberhöhle“, wurden bereits zur Gründung 1839 Bühnenmitglieder aufgenommen oder waren sogar an der Gründung beteiligt. Ebenso entstanden viele persönliche Bindungen zwischen Schauspieler(inne)n und Bürgern.87 „Das Mannheimer Theater war nicht nur mit dem Theater als Kunstanstalt, sondern auch mit den Darstellern menschlich und gesellschaftlich eng verbunden. Letztere standen nie, wie in vielen Städten, als Ausnahme abseits der sozialen Schranken; sie hatten Zutritt zu allen Gesellschaften, verkehrten in vielen Familien, waren auch mehrfach in verwandtschaftlicher Beziehung zu Bürgerkreisen getreten.“88

Aus dieser intendantenlosen Zeit im 19. Jahrhundert stammt auch das geflügelte Wort, es gebe so viele Intendanten wie Einwohner in Mannheim. Die Bürger leiteten „ihr“ Theater selbst.89 Alle waren sie Intendanten. So war das Publikum schon früh ein verständnisvolles und künstlerisch gebildetes, das ebenso zu Kritik wie auch zu grenzenlosem Enthusiasmus neigte.90 „Die Stadt selbst hatte für die Würde und das Gedeihen ihres Kunstinstitutes zu sorgen, und daher kam es, dass der schon bestehende lebhafte Anteil der Einwohner nun zu einer familienhaften Parteinahme wurde, welche die Tätigkeit der Bühne in Liebe hegte und trug und so die im Leben eines jeden Theaters unvermeidlichen Schwankungen des Kunstwertes ihrer Leistungen weniger empfindlich und schädlich machte.“91

3.4. Der soziale Wandel im Theater

1860 starb die Großherzogin von Baden, Stéphanie de Beauharnais, die in Mannheim residiert hatte. Mit ihr verblasste der höfische Glanz gänzlich. Wie schon erwähnt, war ein sozialer Wandel im Theater zu beobachten. Der Adel verschwand fast gänzlich als Logeninhaber. Die Mannheimer Industriellen und jüdische Bürger wurden Träger der Mannheimer Theaterkultur.92 Klassenlos aber wurde das Theater nicht. Es etablierte sich eine klare soziale Schichtung der Abonnenten, die über Jahre bestehen blieb: Die Abonnenten der Logen des ersten Ranges waren alt eingesessene Familien des Großbürgertums, die der Parterrelogen Familien von etwas weniger hohem Stand. Die Sperrsitze waren abonniert vom besseren Kaufmannsstand und einige der vordere Reihen waren den Offizieren der Garnison vorbehalten. Die Reserveloge war für

86 Rings 1996, S. 37 87 Stahl 1929, S. 14 88 Schüler 1954, S. 50 89 Ragge, Peter W.: Die Leidenschaft der Marktfrau, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004 90 Stahl 1929, S. 15 91 Devrient, Eduard: Geschichte der deutschen Schauspielkunst, München/Wien 1967, S. 262, Zitiert nach: Schönfeldt 1998b, S. 200 92 Rings 1996, S. 39

16 Gäste, die in Mannheim weilten, reserviert. Im zweiten Rang saßen Beamte und das wohlhabende Bürgertum. Abonnenten des dritten Rangs waren vornehmlich Handwerker. Das Parterre und die Reservelogen des zweiten und dritten Ranges beherbergte Bürger, die kein festes Abonnement hatten. Im Proszenium befanden sich die großherzogliche Hofloge und gegenüber die des Theaterkomitees, darüber die Logen für die darstellenden Mitglieder und deren Angehörige. Zusätzlich gab es die Galerieloge und die Galerien, wo junge Leute und auch Angehörige des Bürgertums, vor allem aber junge Gelegenheitsbesucher aus dem Mittelstand saßen.93 Das Mannheimer Publikum war ein alle Schichten übergreifendes, fachkundiges und urteilvermögendes Publikum, das sein Theater unterstütze, wo es ihm möglich war. Intendant beziehungsweise Oberregisseur und Spielplan boten stets Stoff für unendliche Diskussionen.

3.5. Die erste Renovierung des Theaters

Das Theatergebäude wies nach über siebzig Jahren Spielbetrieb erhebliche Mängel auf, die dringend behoben werden mussten. Herbert Meyer schreibt in seinem Aufsatz „Das alte Haus“, dass „die biedermeierlichen Mannheimer wahrlich noch mehr an ihrem Theater gehangen haben müssen als ihre Ahnen und Enkel, wenn sie dieses Haus überhaupt besuchten.“94 Tatsächlich befand sich das Haus in einem schlechten Zustand. Der Bühnenbildner und Theaterarchitekt Joseph Mühldorfer, der seit 1832 am Nationaltheater beschäftigt war, war für den ersten großen Umbau verantwortlich. Treffend hatte er in einem Brief an das Theaterkomitee beschrieben, wie schlecht es um den Theaterbau bestellt war. Beim Anstehen an der einzigen Kasse wurden die Anstehenden von beißendem Abtrittgeruch und Küchengestank belästigt, beim Gerangel um nicht nummerierte Plätze zerrissen Kleider aufgrund der Enge, im Theatersaal war es entweder zugig oder stickig und besonders die Galerie war in schlechtem Zustand. Hier war der Boden durchgetreten und der Urin wurde nur mittels Papier davon abgehalten, in die Logen einzudringen.95 Schon Ende der 1840er Jahre wurde die Dringlichkeit einer Renovierung offensichtlich, doch die Revolution 1848/49 verhinderte die sofortige Durchführung. Der Umbau sollte 150.000 Gulden kosten, von denen Baden 50.000 Gulden übernehmen wollte. Die Stadt stimmte aufgrund dieser Berechnung dem Umbau zu, der im März 1853 begann. Der fertig gestellte Bau wurde

93 Kinkel, Joseph: Erinnerungen eines Alt-Mannheimers aus den 1860er und 1870er Jahren, Das Mannheimer Theater, in: Mannheimer Geschichtsblätter, 1926, Nr. 3, Jahrgang 27, S. 89 94 Meyer 1970, S. 10 95 Ebd., S. 10

17 im Februar 1855 mit Mozarts Zauberflöte wiedereröffnet.96 Während der Umbaumaßnahmen lief der Spielbetrieb weiter. Die Kosten erhöhten sich jedoch dramatisch und beliefen sich letztendlich auf 294.282 Gulden. Dies wurde auf die Bürger abgewälzt: die Bier- und Weinbesteuerung wurde erheblich angehoben.97 Für das Theater jedoch war der Umbau durchweg positiv. Es war um ein Geschoss erhöht worden, der Konzertsaal vergrößert, ebenso der Zuschauerraum und die Bühne. Der neu gestaltete Zuschauerraum bildete einen neuen, zeitgemäßen Theatertyp, der den Anforderungen des Publikums gerecht wurde. Insgesamt gab es jetzt vier Ränge und von allen Sitzen aus hatte man eine optimale Sicht.98 Das Nationaltheater war so gut wie neu und doch der alten Tradition verbunden.

3.6. Die Demokratisierung des Theaters

Ab den 1870er Jahren bestimmte das vom Handel geprägte Bürgertum verstärkt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Mannheim.99 Die Industrialisierung und der damit verbundene Wirtschaftsaufschwung und das Bevölkerungswachstum machten sich bemerkbar. In der Spielzeit 1887/88 wurden billige Volksvorstellungen eingeführt. Eine Sperrsitzkarte kostete 1 Mark, ein Galerieplatz 20 Pfennig. Zudem wurde das Abonnement-Angebot ausgeweitet. Erst von zwei Kategorien 1877 (A und B) auf sechs (A bis F) im Jahr 1923.100 Die Zahl der Abonnenten stieg von etwa 400 im Jahre 1871 auf 3.500 im Jahre 1924.101 Die Volksvorstellungen waren äußerst innovativ – in Wien beispielsweise fing man sehr viel später an, billige Tickets anzubieten. Auch wurden beim „bewegten Parkett“ die nicht verkauften Plätze kurz vor der Vorstellung an die Parterrestehplatzbesucher freigegeben.102

Rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Nationaltheaters brachte der Oberregisseur Julius Werther das Mannheimer Theater wieder zurück an die Spitze der deutschen Bühnen. Vor allem, weil er Richard Wagner nach Mannheim holte und ihm zu großer Popularität verhalf. Der Musikalienhändler Emil Heckel, der Schwiegersohn von Joseph

96 Homering 1998b, S. 533 97 Dussel, Konrad: Der Weg zum subventionierten Theater, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 385 f. 98 Beierbach 1998, S. 371 99 Rings 1996, S. 39 100 Hofmann, Ulla und Weizel, Achim: Was wären die Freunde und Förderer ohne ihr Nationaltheater?, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 317 101 Schüler 1956, S. 13 102 Stahl 1929, S. 18

18 Mühldorfer, gründete 1871 gar den ersten Richard-Wagner-Verein.103 In einer Zeit, in der Industrie und Handel blühten, widmete man sich in Mannheim trotzdem verstärkt der Kunst und Kultur. Ein großer Erfolg für Werther bestand darin, dass er den zweiten Teil von Goethes Faust auf die Bühne brachte. An einem Abend im November 1882 begeisterte er trotz einer über lange Stunden dauernden Vorstellung das Publikum, das von weither gekommen war, im ausverkauften Theater. Das Stück war Stadtgespräch.104 Sogar die Bahn richtete ihren Fahrplan danach aus.105 „Noch 25 Jahre später, […], sprachen die älteren Bewohner von dieser langen Nacht, indem sie mir die Hand drückten, und die Jüngeren hatten davon wie von einem Märchen vernommen.“ 106, erzählte Werther später in seinen Erinnerungen.

3.7. Ein neuer Intendant und neue Abonnenten

50 Jahre nach der Verbürgerlichung beschloss der Mannheimer Stadtrat die Änderung des Theaterstatuts. Uneinigkeiten innerhalb des ehrenamtlich und unentgeltlich arbeitenden Theaterkomitees machten diesen Schritt notwendig. Erhöhte Ausgaben und ein schwankendes künstlerisches Niveau waren vorausgegangen. Die Position des Intendanten wurde wieder eingeführt, das Theaterkomitee behielt aber eine Funktion als Aufsichts- und Kontrollbehörde, der der Intendant verantwortlich war. Die Bürger waren also nach wie vor indirekt an ihrem Theater beteiligt. Am 1. Juni 1890 wurde Freiherr Carl von Stengel zum neuen Intendanten ernannt.107 Er hielt sich nicht lange in dieser Position. Erst 1895 war mit August Bassermann wieder ein Intendant im Amt, der Glanz nach Mannheim brachte.108 Er führte das Theater an die Schwelle der Neuzeit.

Bassermann war es auch, der 1899 alle Karten für die Volksvorstellungen für 40 Pfennig verkaufte und Schülervorstellungen (im Jahr 1904) einführte.109 Dies ermöglichte wirklich jedem den Besuch einer Theatervorstellung – im Vergleich: ein Pfund Butter kostete zur selben Zeit 1,20 Mark.110 Vorerst gab es vier Volksvorstellungen pro Spielzeit. Im Jahr 1895 mietete der in Mannheim ansässige Fabrikant Heinrich Lanz Plätze im Theater für seine 40 Arbeiter und Beamte für

103 Meyer 1970, S. 12 104 Ebd., S. 12 f. 105 Schönfeldt 1998a, S. 73 106 Werther, Julius: Erinnerungen und Erfahrungen eines altern Hofttheater-Intendanten, Stuttgart 1911, Zitiert nach; Meyer 1970, S. 13 107 Homering 1998b, S. 538 f. 108 Heinz/Schönfeldt, S. 20 f. 109 Hofmann/Weizel 1998, S. 317 110 Schönfeldt 1998b, S. 201

19 sämtliche Abonnementvorstellungen. Die Plätze befanden sich auf der Galerie, in der Galerieloge und auf dem zweiten und dritten Rang.111 Damit hatte das Nationaltheater Mannheim schon lange vor dem Ersten Weltkrieg, und weitaus früher als andere Theater in Deutschland, Arbeiter als Abonnenten.112

3.8. Das Mannheimer Publikum

Das Nationaltheater, beziehungsweise das ganze Haus auf B3, war kultureller Mittelpunkt der Stadt und ihrer Bevölkerung. Theaterfreunde aus der ganzen Region kamen nach Mannheim – hier war das (Theater-)Zentrum der Kurpfalz.113 Das Publikum, das das Theater besuchte, egal ob aus dem ersten oder vierten Rang, hatte großen Einfluss auf viele Entscheidungen. So wurde sehr viel Wert auf das Urteil der Stammgäste der Galerie, beispielsweise bei Entscheidungen über Entlassungen oder Neuengagements, gelegt. Hier, im so genannten „Löschel“, saß eine große Zahl urteilsfähiger Leute aus allen Ständen. Die Kritik aus diesen Reihen war anerkannt, sogar gefürchtet und für den äußeren Erfolg vielfach bestimmend.114 Legendär war die Inhaberin eines Obststandes auf dem Markt, die „Hermännin“ genannt. Auf ihr Urteil wurde besonders viel Wert gelegt. Der Schauspieler , der Neffe des Intendanten, soll nach seiner ersten großen Theater-Rolle in Mannheim am nächsten Tag zu ihrem Stand gegangen sein, um sie nach ihrer Meinung zu fragen.115 Des Weiteren tat sich Anna Reiß, die erste Dame der Mannheimer Gesellschaft, als Theaterkennerin und Mäzenin hervor. Einst war sie selbst Koloratursängerin, woher auch ihre Leidenschaft für die Bühne rührte. Ihre finanziellen Zuwendungen waren für das Theater wichtig, ebenso wie ihre Meinung.116 Die Theaterliebe zog sich durch alle Gesellschaftsschichten und beschränkte sich nicht auf Einzelschichten. In Mannheim hatte sich ein Verhältnis zwischen Bürgen und Theater gebildet, wie es in kaum einer anderen Stadt anzutreffen war.117 Dass das Theater zu Mannheim gehörte, darüber waren sich alle einig und das Geschehen im Theater wurde immer als Teil der Stadtkultur erkannt.

Am Ende des 19. Jahrhundert hielt eine Innovation Einzug in das Theater: es wurde elektrifiziert. Die Spielzeit 1899/1900 fand bei elektronischer Beleuchtung statt. Und

111 Homering 1998b, S. 539 112 Stahl 1929, S. 18 113 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 20 114 Kinkel 1926 115 Stahl 1929, S. 16 116 Ebd., S. 17 117 Schönfeldt 1998b, S. 197

20 zum 1. Januar 1900 ging das Gebäude des Theaters per Vertrag mit der badischen Staatsregierung in das Eigentum der Stadt Mannheim über.118 Zur gleichen Zeit wurde aufgrund der räumlichen Enge über den Standort für ein neues Theater nachgedacht, so etwa am Friedrichsplatz oder am Friedrichsring.119

4. Die erste Hälfte des 20. Jahrhundert

4.1. Die neue Zeit und der Erste Weltkrieg

August Bassermann blieb bis 1904 Intendant des Mannheimer Theaters. In seine Zeit fiel die Eröffnung des „Zweiten Hauses“. Das Nationaltheater erwies sich um die Jahrhundertwende als zu klein, es mussten neue Spielstätten erschlossen werden. Die Wahl fiel auf den neu eröffneten Rosengarten, hier wurde 1903 im Musensaal das „Neue Theater“ in Betrieb genommen. Außerdem wurde im Nibelungensaal, in Lichtspielhäusern, im Bibliothekssaal im Schloss und im Pfalzbau gespielt.120 Einen Aufschwung erlebte das Nationaltheater im Jahr 1906, als der Journalist Carl Hagemann zum Intendanten gewählt wurde.121 Er knüpfte an die Inszenierungen von Julius Werther an und „stieß die Tür ins 20. Jahrhundert weit auf“.122 In den zwei Amtszeiten, die er am Nationaltheater war (1906 bis 1910 und 1915 bis 1920) machte er die Schillerbühne noch einmal zu einer der ersten Bühnen des Landes. In seine zweite Amtszeit fiel die viel beachtete Erstaufführung von Walter Hasenclevers Drama Der Sohn im Januar 1918. Richard Weichert, der Regisseur des Stücks, schrieb über das Publikum der Erstaufführung: “Mannheim hatte ein ideales Publikum, jede Premiere Mittelpunkt tagelanger Diskussionen, eine scharfe aufgeschlossene Kritik, so daß wir etwas wagen konnten.“123 Hagemann bescherte Mannheim im Ersten Weltkrieg eine Glanzzeit.124 Ernst Leopold Stahl schrieb, Hagemann verhalf der Mannheimer Bühne zu einem so repräsentativen Ansehen in der deutschen Theateröffentlichkeit wie kein anderer Bühnenleiter zu der Zeit.125 Hagemann selbst war hingerissen von den Mannheimer Bürgern, die Ihrem Nationaltheater so verbunden waren. „Dem echten Mannheimer kann nichts Schlimmeres passieren, als wenn man

118 Homering 1998b, S. 540 119 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 25 120 Schüler 1956, S. 14 121 Schüler 1954, S. 74 122 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 21 123 Zitiert nach; Meyer 1970, S. 22 124 Meyer 1970, S. 22 125 Stahl 1929, S. 357

21 drinnen und draußen nicht über sein Theater spricht – nichts über sein Theater zu sprechen weiß. In den Theaterferien schläft auch die Stadt.126

Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs Mitte 1914 hatte das Großherzogliche Hof- und Nationaltheater wochenlang nicht geöffnet, während des Krieges wurde der Spielbetrieb jedoch aufrechterhalten.127

4.2. Die Zwanziger und Dreißiger Jahre am Nationaltheater

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 war auch die Ära des „Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters“ besiegelt. Durch den Sturz der Monarchie und dem demokratischen Aufbruch hieß das Mannheimer Theater fortan nur noch „Nationaltheater“.128 1920 verließ Carl Hagemann das Nationaltheater, es folgten häufige Intendantenwechsel. Die Zwanziger und Dreißiger Jahre wurden aber trotz allem eine hohe Zeit der Mannheimer Bühne. Die Dirigenten und das Orchester, die ausgewogene Mischung des Spielplans, die Regisseure, die hier wirkten und die Schauspieler und Sänger trugen dazu bei.129 Besonders der Schauspieler Willy Birgel, der in der Spielzeit 1924/25 engagiert worden war, war ein Glücksfall für Mannheim. Gleichzeitig war Francisco Sioli als Intendant nach Mannheim gekommen. Er stellte ein Ensemble zusammen, das seinesgleichen suchte130 und arbeitete mit einem hochkarätigen Team aus Musikdirektor, Schauspielleiter und Bühnenbildner.131 Problematisch war einzig und allein sein Charakter. Er war verschlossen, unbequem und dickköpfig.132 Eigenschaften, die in Mannheim nicht gut ankamen. Er hielt keinen engen Kontakt zur Stadtverwaltung und schon gar nicht zu den Mannheimer Bürgern, die von jeher Wert darauf legten, den Intendanten „ihres“ Theaters zu sehen und zu sprechen.133 Am Theater hielt sich Sioli als ausübender Künstler zurück und überließ fast alle Inszenierungen seinen Regisseuren.134

In der Spielzeit 1920/21 war die Anzahl der Volksvorstellungen pro Spielzeit auf 45 erhöht worden.135 Doch bald darauf, im Jahr 1922, wurden die Volksvorstellungen

126 Hagemann, Carl: Bühne und Welt, Wiesbaden 1948, S. 63 127 Homering 1998b, S. 542 128 Rings 1996, S. 45 129 Meyer 1970, S. 25 130 Meyer 1979a, S. 10 131 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 29 132 Ebd., S. 29 133 Meyer 1979a, S. 11 134 Storz, Gerhard: Im Laufe der Jahre, Stuttgart 1973, S. 256 135 Homering 1998b, S. 543

22 infolge der Inflation aus finanziellen Gründen eingestellt. Daraus resultierten die Gründungen der zum Sozialismus tendierenden Vereinigung „Freie Volksbühne Mannheim“ und des christlich-völkisch betonten „Bühnenvolksbunds Mannheim- Ludwigshafen“.136 Sie boten vergünstigte Theatervorstellungen an.137 Die „Freie Volksbühne“ hatte schon in der Spielzeit 1922/23 15.000 Mitglieder.138 Doch auch 150 Jahre nach Gründung des Mannheimer Nationaltheaters war eine klare soziale Schichtung innerhalb der Abonnenten nach wie vor zu erkennen139 (vgl. 3.4.).

4.3. 1929: Ein Jahr des Feierns und Fürchtens

Im Jahre 1929 wurde das 150jährige Bestehen des Nationaltheaters mit einer Festwoche vom 22. Juni bis 1. Juli gefeiert. Ein Ausschuss aus 68 prominenten Bürgern beteiligte sich aktiv an den Vorbereitungen der Feierlichkeiten. Sie überreichten Oberbürgermeister Hermann Heimerich sogar zu Beginn der Feierlichkeiten eine Spende über 30.000 Reichsmark, die dazu dienen sollte, trotz der Wirtschaftskrise Neuinszenierungen zu ermöglichen.140 Das Jubiläum war ein voller Erfolg. Mannheimer Theaterfreunde und geladene Gäste waren begeistert. Das Jubiläum hatte wieder einmal gezeigt, welch große Bedeutung das Theater für die Stadt hatte.141 Die Presse überschlug sich mit positiver Berichterstattung: „Mannheim weiß seine Gäste zu fesseln […] Diese große Beweglichkeit im Innern, dieses Verwachsensein mit einer großen künstlerischen Tradition, dieses sich ihr Verpflichtetfühlen weiter Bürgerkreise ist der wesentlichste erfreuliche Eindruck der Mannheimer Festtage“, stand in der „Baseler Nationalzeitung“ vom 25. Juni 1929 oder „Wo wäre in Deutschland noch eine Stadt, deren Bewohner ihr Theater so lieben, wie die Mannheimer den schlichten und ehrwürdigen Bau des Nationaltheaters“, war in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ vom 29. Juni zu lesen.142

Doch schon kurze Zeit nach dem Jubiläum machte sich die Weltwirtschaftskrise auch in Mannheim bemerkbar. Der jährliche Zuschuss für das Nationaltheater erschien manchen Parteien im Bürgerausschuss als zu hoch.143 Der Gemeinderat beschloss am 15. November 1929, den Theaterbetrieb mit Schauspiel, Oper, Operette aufrecht zu

136 Hofmann/Weizel, S. 317 137 Rings 1996, S. 45 138 Hermann, Wilhelm: Die Theatergemeinde des Mannheimer Nationaltheaters, in: Mannheimer Hefte 1/1958, S. 2 f. 139 Stahl 1929, S. 15 140 http://www.nationaltheater-mannheim.de/service/ (10.01.2007) 141 Hofmann/Weizel, S. 319 142 Meyer 1979a, S. 29 f. 143 Heimerich, Hermann: Es war vor 25 Jahren, in: Mannheimer Hefte, 2/1954, S. 6

23 erhalten, verweigerte aber gleichzeitig wegen der schlechten Wirtschaftslage den Jahreszuschuss von 1,15 Millionen Reichsmark für das Theater. Auch der am 28. November vorgelegte, reduzierte Zuschuss von 1,1 Millionen Reichsmark wurde abgelehnt. Es drohte die Theaterschließung.144 Die Bekanntgabe der Kürzung der Theaterzuschüsse sorgte für heftige Proteste und versetzte die ganze Stadt in Aufruhr. Am 5. Dezember veranstaltete die „Freie Volksbühne“ im Musensaal des Rosengartens eine erste Kundgebung für das Nationaltheater und am 8. Dezember demonstrierten 4.000 Mannheimer im Nibelungensaal gegen die Schließung des Theaters.145 Sie sprachen sich gemeinsam mit Oberbürgermeister Hermann Heimerich, prominenten Bürgern und Ensemblemitgliedern für den Erhalt ihres Theaters aus und waren erfolgreich.146 Am 13. Dezember fasste der Mannheimer Stadtrat mit 61 zu 48 Stimmen den Beschluss, dass für die Dauer von drei Spielzeiten ein Zuschuss von 1,1 Millionen Reichsmark gewährt werden sollte.147 Der Fortbestand des Nationaltheaters war gesichert. Doch für eine Person sollte die Theaterkrise persönliche Folgen haben. Intendant Sioli musste gehen, weil er während der ganzen Diskussionen geschwiegen und nicht für das Nationaltheater gekämpft hatte. In der Folgezeit verließen auch viele Künstler Mannheim, doch die Mannheimer Theaterfreunde waren trotz allem wohlgemut.148 Ernst Leopold Stahl schrieb zum 150. Geburtstag des Nationaltheaters: „Dieses Mannheimer Theater ist mehr als bloß die Stätte, an der seit undenklichen Zeiten fast immer sehr gutes Theater gespielt worden ist. […] Die Gründe für die Verbundenheit Mannheims mit seinem Theater liegen tiefer. Für den Mannheimer ist sein Theater nicht mehr und nicht weniger, als der ewig lebendig Ausdruck des Synthese aus kurpfälzischer höfischer Kulturüberlieferung und selbständiger deutscher Bürgerkraft.“149

Auf Francesco Sioli folgte 1930 der neue Intendant Herbert Maisch, der der Mannheimer Bühne neue Impulse gab.

4.4. Die Mannheimer Theaterleidenschaft

Viele der Menschen, die am Nationaltheater wirkten, waren beeindruckt von der Wärme, mit der sie hier aufgenommen wurden und von der Leidenschaft, die die Mannheimer Bürger für ihr Theater empfanden. Die rege Teilnahme der Bürger bekamen Künstler und Intendanten gleichermaßen zu spüren. In Mannheim waren sie

144 Meyer 1979a, S. 31 145 Meyer 1979a, S. 31 146 http://www.nationaltheater-mannheim.de/service/ (10.01.2007) 147 Homering 1998b, S. 548 148 Meyer 1979a, S. 32 149 Stahl 1929, S. 382

24 keine Unbekannten, sondern Teil des gesellschaftlichen Lebens und Quelle für rege Diskussionen.

Viel zitiert wurde eine Begebenheit, die dem Schauspieler Willy Birgel in Mannheim widerfahren war. Er war nach einer durchfeierten Nacht auf dem Weg zur Probe in der Straßenbahn eingeschlafen. „Nach einiger Zeit rüttelte mich jemand am Arm und ich hörte in der Ferne eine Stimme: ‚Herr Birgel, müsse Se net ins Theater, probiere?’ – ‚Ja, natürlich!’ Ich riss die Augen auf und fand mich in der Straßenbahn am Paradeplatz, der dem Nationaltheater nächstgelegene Haltestelle, und hörte, dass ich bereits quer durch die ganze Stadt bis zur Endstation weit draußen hinter dem Hafen gefahren war und mich nun wieder auf dem Rückweg befand. Der Schaffner hatte mich aus Mitgefühl schlafen lassen, bis ein theaterverantwortlicher Bürger … erklärte, ich könnte nun nicht mehr schlafen.“150

Intendant Carl Hagemann schrieb über das Mannheimer Publikum in seinem Buch „Bühne und Welt“ 1948: „Es gibt keine Stellung im öffentlichen Kunstleben Deutschlands, die sich an Bedeutung, Ansehen und Popularität mit der des Mannheimer Intendanten vergleichen läßt. Trotz der nicht immer geschmackvollen Kontrolle von Behörden und dem Nörgeln Unberufener nimmt das Mannheimer Publikum nicht nur die großen Erfolge, sondern auch ausgesprochene Fehlschläge ohne weiteres hin, immer vorausgesetzt, daß Bühne und Leiter im großen und ganzen sein Vertrauen genießen – läßt es sich mißlungene Experimente gefallen, weil dadurch immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt ist und das Interesse am Mannheimer Theater aufrechterhalten wird.“151

Und weiter: „Was sie sonst auch immer trennen und wie sehr man sich auch gelegentlich bei allen möglichen Anlässen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens bekämpfen mochte, in ihrer aufrichtigen und elementaren Begeisterung für die Kunst der Bühne fühlten sich alle diese Mannheimer eins und waren jederzeit, bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, zu Opfern bereit, wenn es darum ging, dem Theater aufzuhelfen und sein Ansehen nach innen und außen zu wahren oder gar noch zu steigern.“152

Gerhard Storz, der von 1927 bis 1931 Schauspiel-Regisseur in Mannheim war und später baden-württembergischer Kultusminister wurde, erinnert sich in seinem Lebensbericht „Im Lauf der Jahre“ 1973 an seine Mannheimer Zeit. „Mit ungleich größerer Spontaneität, als anderswo zu beobachten war, gingen hier einfache Menschen ins Theater. Deshalb wurde der Theatermann beim Einkauf in der Bäckerei, der Metzgerei oft genug in kritische Gespräche über die Aufführung vom Abend zuvor verwickelt.“153

So erging es auch Herbert Maisch, Intendant ab 1930. „Kannte mich in Erfurt außer meinem Dezernenten so gut wie niemand, hier in Mannheim begrüßte mich schon der Schaffner an der Sperre mit Rang und Namen. […] Wusste man in Erfurt erst nach vielen Skandalen, daß es dort ein Theater gibt, hier

150 Weinschenk, H. E.. (Hrsg.): Schauspieler erzählen, Berlin 1938, Zitiert nach: Meyer 1979a, S. 24 151 Hagemann, Carl: Bühne und Welt, Wiesbaden 1948, S. 63 152 Ebd., S. 75 153 Storz, Gerhard: Im Laufe der Jahre, Stuttgart 1973, S. 255

25 kannte die Blumenfrau und der Straßenkehrer jeden Schauspieler und jeden Sänger.“154

Die Mannheimer Schauspielerin Ida Ehre nannte das Nationaltheater der 20er Jahre das „Herz der Stadt, in dem das Leben stark und kräftig pulsierte.“155 Zum Abschluss soll noch Hermann Sinsheimer zu Wort kommen, der Theaterkritiker bei der „Neuen Badischen Landeszeitung“ war und sich 1953 in seinem Buch „Gelebt im Paradies“ an seine Mannheimer Zeit erinnert: „Es gab, von Wien vielleicht abgesehen, kaum eine andere deutsche Stadt, in der das Theater und die Musik so im Brennpunkt des allgemeinen Interesses standen wie hier. Das Theater zumal – es gab nur das eine für Schauspiel und Oper – war zugleich der Stolz, die Sorge und die Zuversicht aller. Es war der Ausdruck ihrer Sinnlichkeit und Geistigkeit, ihres Triebs und ihres Beruhens. Um dieses Theater und für es wurde gekämpft, aber nie gegen es. Der Riesenbau aus dem achtzehnten Jahrhundert, für dessen Erhaltung die Stadt große Summen opferte – keine andere deutsche Stadt gab eine im Verhältnis zu ihrer Größe ähnlich hohe Subvention, – war der weltliche Tempel von Mannheim.“156

Fasst man all diese Stimmen zusammen, kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Die Mannheimer Theaterliebe und die Anteilnahme der Bürger am Geschehen rund um das Nationaltheater war etwas ganz Besonderes.

4.5. Das Nationaltheater in der NS-Zeit

Wie schon erwähnt, übernahm Herbert Maisch 1930 die Intendanz des Nationaltheaters. Er inszenierte mit seinem Ensemble eine Fülle von Ur- und Erstaufführungen und spielte an Orten in ganz Mannheim, wie es das Werk und das Publikum gerade erforderten.157 Er wollte die Provinzbühne zum Kampfplatz der geistigen Auseinandersetzung machen158 und bewirkte, dass im Jahre 1930 8.000 Besucher mehr das Theater besuchten als im Vorjahr. Das Nationaltheater erlebte seine nächste Blütezeit.159 Das Ensemble wurde national wahrgenommen und gab im Februar 1933 sogar ein zweiwöchiges, viel beachtetes Gastspiel in Berlin. Kurz danach, am 19. März, wurde Herbert Maisch jedoch mit einigen anderen jüdischen Theatermitgliedern von den Nazis entlassen.160 Carl Renninger, der für den ebenfalls von den Nazis abgesetzten Hermann Heimerich als Bürgermeister eingesetzt worden war, verpflichtete Friedrich Brandenburger. Er war in Stuttgart als Generalintendant

154 Maisch, Herbert: Helm ab, Vorhang auf, Emsdetten 1968, S. 223, Zitiert nach: Schönfeldt 1998b, S. 198 155 Zitiert nach: Meyer 1970, S. 28 156 Sinsheimer 1953, S. 85 157 Meyer 1970, S. 28 158 Jacob, Gustav: Das Nationaltheater 1929-1933, in: Mannheimer Hefte, 2/1954 S. 12 159 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 34 160 Meyer 1970, S. 30

26 entlassen worden und trat am 11. April 1933 sein Amt in Mannheim an.161 Brandenburgers Verdienst war es, dass in den folgenden Jahren das hohe Niveau des Nationaltheaters gehalten werden konnte.162 Am 8. Mai 1933 lud NS- Propagandaminister Joseph Goebbels alle deutschen Intendanten nach Berlin ein, um die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturberufe zu regeln. Das bedeutet, Goebbels oblag die Anstellung und Besetzung hoher Positionen. Außerdem mussten ihm die Spielpläne vor Beginn einer Spielzeit vorgelegt werden.163 Brandenburger schaffte kurzerhand die Titel der hohen Positionen ab und umging damit Goebbels Einflussnahme.164 Was die jüdischen Theater-Abonnenten anging, so kündigte die Stadt sofort nach der Machtergreifung 600 Abonnements.165 Das Nationaltheater galt der lokalen Parteispitze als kulturelles Vorzeigeobjekt. Auch der Spielplan wurde durch die Partei beeinflusst. An Nationalen Feiertage, wie etwa Hitlers Geburtstag, mussten entsprechende Stücke auf dem Spielplan stehen. Wie auch sonst, wurde an solchen Tagen primär auf Klassiker von beispielsweise Wagner zurückgegriffen. Zeitgenössisches von NS-Autoren kam in Mannheim kaum auf die Bühne, ganz umgehen konnte man sie jedoch nicht.166 In den elf Spielzeiten bis Kriegsende fanden 5.000 Veranstaltungen statt, darunter waren 70 NS- Tendenzstücke.167 Brandenburg schaffte es, das Nationaltheater durch die NS-Zeit zu steuern, ohne sich „politisch peinlich anzubiedern“.168

Von Mai bis Oktober 1934 wurde das Gebäude des Nationaltheaters erneut umgebaut. Das Haus auf B3 befand sich in marodem Zustand, war es doch „ein alter Kasten, gebaut, umgebaut, verbaut, angebaut, aufgebaut.“169 Die gesamte Hinterbühne hatte sich abgesenkt und musste neu aufgebaut werden.170 Der Theaterbetrieb wurde in das Neue Theater im Rosengarten verlegt. Die Besucherzahlen, die vor dem Umbau seit der Weltwirtschaftskrise dauerhaft gering waren, stiegen mit der Wiedereröffnung des Nationaltheaters am 14. Oktober 1934 wieder an. Besonders die Oper verzeichnete einen doppelt so hohen Zuwachs an Besuchern, wie das braun eingefärbte

161 Brandenburger, Friedrich: Das Nationaltheater 1933 – 1945, in: Mannheimer Hefte, 2/1954, S.21 162 Meyer 1970, S. 30 163 Brandenburger 1954, S. 23 164 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 36 165 Rings 1996, S. 50 166 May, Ursula: Das Nationaltheater, in: Schadt, Jörg und Caroli, Michael: Mannheim unter der Diktatur, Mannheim 1997, S. 172 167 Brandenburger 1954, S. 24 168 Schönfeldt 1998a, S. 75 169 Laux, Karl, in: Mannheimer Verkehrs- und Theaterzeitung 1927/28, Nr. 11, Zitiert nach: Meyer 1979a, S. 15 170 Homering 1998b, S. 551

27 Schauspiel.171 In der zweiten Hälfte der Dreißiger Jahre verließen jedoch wichtige Schauspieler das Nationaltheater. Willy Birgel beispielsweise wechselte zum Film nach Berlin.172

4.6. Das Nationaltheater im Zweiten Weltkrieg

Die Zeit von Kriegsbeginn 1939 bis zum Jahr 1943 verlief für das Nationaltheater relativ ruhig. Vom 12. Februar bis 20. März 1942 musste das Theater vorübergehend schließen, weil es durch einen Bombenangriff leicht beschädigt worden war.173 Bemerkenswert ist, dass die Zuschauerzahlen mit Verlauf des Krieges stiegen. Waren es 1938/39 nur 3.400 Abonnenten, verzeichnete das Nationaltheater im August 1943 5.1000 Abonnenten. Dazu kamen die Schülermieten und die NS-Kulturgemeinde mit 120.000 Besuchern im Jahr.174 Man „flüchtete“ ins Theater.

Am Beginn der Spielzeit 1943/44 passierte dann die Katastrophe. Am Abend des 5. September 1943 wurde zur Eröffnung der Saison der Freischütz von Carl Maria von Weber gegeben. Wenige Stunden nach dem Ende der Aufführung fiel das historische Haus des Nationaltheaters alliierten Bombenangriffen zum Opfer. Das Gebäude brannte fast völlig aus. Irene Ziegler, eine Altistin, die in dieser Nacht im Theater war, berichtete: „Wir stellten fest, daß Chorsaal und Intendantenzimmer in Flammen standen und es bald darauf auch an zahlreichen anderen Stellen des Hauses brannte. […] Wir versuchten mit dem Wasser des Löschteiches den Brand zu bekämpfen – ein aussichtsloses Bemühen. […] Gegen 6 Uhr morgens war das Theater mit seiner unvergesslichen Akustik bis auf den neuen Mittelteil völlig ausgebrannt. Ein grauenhaftes Bild der Zerstörung. Mannheimer, die in dieser Nacht selbst alles verloren hatten, standen weinend vor ihrem Nationaltheater.“175

Auch die Dekorationsmagazine, Werkstätten und das Verwaltungsgebäude wurden vernichtet.176 Der Oberbürgermeister Carl Renninger verfügte sogleich, dass der Theaterbetrieb aufrecht zu erhalten sei.177 Doch mit dem Verlust des Theaters hatte Mannheim nicht nur über eineinhalb Jahrhunderte bewegter Bühnengeschichte verloren, sondern auch einen Teil seiner Identität. Dem Theater und den Künstlern

171 Kreutz, Wilhelm: Zwischen Zwang, Anpassung und Resistenz, in: Homering, Liselotte und Welck v., Karin (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 419 172 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 37 173 Homering 1998b, S. 553 174 May 1997, S. 178 175 Ziegler, Irene, Zitiert nach: Schüler 1954, S. 117 176 Brandenburger 1954, S. 30 177 Homering 1998b, S. 553

28 hatte die Liebe des Mannheimer Publikums gehört und dieses Publikum war jederzeit bereit gewesen, für „sein“ Theater selbst das größte Opfer zu bringen.

Der Theaterbetrieb wurde zunächst in den Rosengarten verlegt, doch auch hier schlugen Bomben ein. Am 24. September 1943 wurde das Zweite Haus des Nationaltheaters zerstört. Ab 5. Oktober 1943 spielte das Ensemble im 460 Besucher fassenden Schlosstheater Schwetzingen, im Ufa-Palast und in Ludwigshafen im Pfalzbau und im Feierabendhaus. Außerdem gab es Gastspiele an anderen Theatern.178 Insgesamt fanden bis August 1944 100 Vorstellungen in Mannheim, 154 in Schwetzingen, 18 in Heidelberg, 13 in der weiteren Umgebung, drei in Karlsruhe, sechs in Metz und vier in Weimar statt.179 Die Menschen suchten im Theater Stunden des Vergessens. Am 1. September 1944 war auch damit Schluss. Der Propagandaminister Joseph Goebbels gab eine reichsweite Einstellung des Theaterbetriebes bekannt. Alle deutschen Theater mussten schließen.180 Die Mitglieder des Nationaltheaters wurden zur Wehrmacht oder Volkssturm eingezogen oder mussten in Mannheimer Fabriken wie Lanz und BCC arbeiten. Nun hatte Mannheim kein Theatergebäude und kein Ensemble mehr.181

5. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Weg ins 21. Jahrhundert

5.1. Neue Heimat: das Nationaltheater in der Schauburg

Am Ende des Zweiten Weltkriegs glich Mannheim einem Trümmerhaufen. Nur 7.200 Häuser waren stehen geblieben und die Zahl der Einwohner hatte sich auf 130.000 reduziert. Es fuhren weder Straßenbahnen noch Busse, nachts gab es kein Licht.182 Doch schon im Mai 1945 regten die amerikanische Militärregierung und die Theaterkräfte der Stadt an, das kulturelle Leben wieder aufzunehmen. In einer Zeit, in der es primär um das eigene Überleben ging, war man skeptisch gegenüber diesem Ansinnen. Auch hatten bereits in Mannheim verbliebene Schauspieler und Musiker angeregt, Opern und Theaterstücke in der Christuskirche zu geben, worauf die

178 Kreutz 1998, S. 420 f. 179 Homering 1998b, S. 554 180 Ebd., S. 554 181 Meyer 1970, S. 31 182 Gilles, Werner: Zwischenspiel auf der Behelfsbühne, in: Mertz, Peter und Magin, Wolf (Hg.): Das Nationaltheater Mannheim 1779 – 1970, Mannheim 1970, S. 32

29 Stadtverwaltung jedoch zurückhalten reagierte.183 Der ehemalige erste Spielleiter Roland Ricklinger erstellte für die Militärregierung ein Konzept für den Neubeginn des Mannheimer Theaterlebens.184 Die Militärregierung suchte hierfür jemanden, der vom Nationalsozialismus unbelastet war und setzte am 23. Juli 1945 Carl Onno Eisenbart ein. Er war Theater- und Musikkritiker und Feuilleton-Redakteur. Ihm zur Seite wurde Richard Laugs gestellt, der an der Musikhochschule tätig war.185 Schnell fanden sich 57 Musiker, die ab August Konzerte in der Christuskirche und im Ufa-Palast, der von den Amerikanern besetzt war, spielten. „Die Mannheimer konnten nicht ohne geistige Nahrung leben.“186 Der Erfolg beim Publikum war groß und ermutigte dazu, den Plan der Neueinrichtung des Nationaltheaters mit aller Kraft voranzutreiben.187 Bei der Suche nach einer Spielstätte war die Wahl auf das Lichtspielhaus Schauburg gefallen, das zwar beschädigt war,188 aber zum 30. September 1945 bespielbar sein sollte. Als erste Theateraufführung wurde Hugo von Hofmannsthals Jedermann festgelegt.189 Mit amerikanischer Hilfe und dem Städtischen Hochbauamt wurde die Schauburg renoviert. Sie konnte 950 Besucher fassen.190 Aus einem Heilbronner Salzbergwerk wurde der Theaterfundus nach Mannheim zurückgebracht, den man während des Krieges dort gelagert hatte. Doch es mangelte an allem,191 besonders Noten, Handwerkszeug und Materialien fehlten.192 Eisenbart stellte ein Ensemble für Oper und Schauspiel zusammen, in dem sich zumeist die ehemaligen Mitarbeiter des Nationaltheaters einfanden.193 Die Intendanz und die Verwaltung richteten ihr Büro auf engstem Raum in der städtischen Kunsthalle ein.194

Der Umbau der Schauburg verzögerte sich jedoch und die Behelfsbühne konnte erst Anfang November 1945 eröffnet werden. Der Barbier von Sevilla, den das neue Ensemble geprobt hatte, war hingegen schon zur Aufführung bereit und so fand die Premiere des neuen Nationaltheaters am 9. Oktober 1945 im Ufa-Palast statt. Es wurden vier Vorstellungen gegeben, die sofort ausverkauft waren.195 Am 11. November

183 Pape, Birgit: Kultureller Neubeginn in Heidelberg und Mannheim 1945 – 1949, Heidelberg 2000, S. 269 f. 184 Pape 2000, S. 271 185 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 39 186 Gilles 1970, S. 32 187 Eisenbart, Carl Onno: Das Nationaltheater von 1945 bis 1954, in: Mannheimer Hefte, 2/1954, S. 35 188 Gilles 1970, S. 34 189 Pape 2000, S. 273 190 Eisenbart 1954, S. 35 191 Rings 1996, S. 57 192 Gilles 1970, S. 35 193 Ebd., S. 35 194 Eisenbart 1954, S. 36 195 Gilles 1970, S. 36

30 endlich konnte die Schauburg, die dem Nationaltheater vorerst wieder eine Heimat bot, mit dem Jedermann eröffnet werden.196 Der amtierende Oberbürgermeister Josef Braun hatte in seiner Eröffnungsrede von einem Wendepunkt in der Geschichte des Nationaltheaters gesprochen und sagte, eine wesentliche Aufgabe des gegenwärtigen Theaters sei, der seelischen Erschöpfung des Volkes Einhalt zu gebieten.197 Überall in der Stadt lagen Trümmerhaufen und zerstörte Häuser bestimmten das Stadtbild – doch in Mannheim gab es wieder ein Theater. Die erste Spielzeit verlief sehr erfolgreich, es wurden viele kurzweilige Theaterstücke gespielt und Klassiker in der Oper. Experimente kamen kaum auf die Bühne. Durch die Enge, die in der Schauburg herrschte – der Bühnenraum hatte ein Fläche von 32 Quadratmetern – konnte man nur ein begrenztes Repertoire spielen und so mancher Klassiker musste sich Zuschnitte gefallen lassen.198 Es wurden aber auch Autoren gespielt, deren Stücke in der NS-Zeit verboten waren und endlich standen auch wieder amerikanische und englische Autoren auf dem Spielplan. Der Anschluss an das internationale Theater war hergestellt, und trotz der begrenzten Möglichkeiten der Schaubühne fanden hier viel beachtete Inszenierungen statt.199

Eisenbart verließ nach einem Jahr das Nationaltheater und kehrte mit der Gründung des „Mannheimer Morgen“ in seinen alten Beruf zurück. Er war bis dato der einzige Intendant Mannheims, der ohne finanzielle Zuschüsse ausgekommen war und sogar noch einen Überschuss erwirtschaftete.200 Bis 1951 wechselten die Intendanten oft, bis Hans Schüler kam und eine Phase der Stabilisierung am Nationaltheater einsetzte.201 Er war es auch, der sich verstärkt für einen Theater-Neubau einsetzte.202 Doch mit einer Krise hatte das Nationaltheater noch zu kämpfen: Die Währungsreform 1948 ließ die Zuschauerzahlen, die bis dahin kontinuierlich gestiegen waren, schlagartig absinken. Daraufhin reduzierte man die Kartenpreise, was sich negativ auf die Einnahmen auswirkte. Dies führte letztendlich dazu, dass die Überlegung aufkam, das Schauspiel der Theater Heidelberg und Mannheim zusammenzulegen. Nach eingehender Prüfung entschied man sich 1950 dagegen.203 1954 schrieb Carl Onno Eisenbart, dass das Nationaltheater, das in der Schauburg und im Mozartsaal spielte, insgesamt 306.265 zahlende Besucher nachweisen konnte. Für ihn war dies ein

196 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 40 197 Pape 2000, S. 275 198 Gilles 1970, S. 37 199 Gilles 1970, S. 39 200 Ebd., S. 35 201 Ebd., S. 46 202 Rings 1996, S. 64 203 Pape 2000, S. 283 ff.

31 untrügliches Zeichen dafür, dass die Mannheimer über dem Krieg hinweg ihre Theaterleidenschaft nicht verloren hatten.204

5.2. Bürgerinitiativen für das Nationaltheater

Die Mannheimer Bürger blieben auch in dieser schweren Phase ihrem Theater treu und warteten nicht untätig auf bessere Zeiten. Nach Bekanntwerden der Fusionspläne mit Heidelberg kam es zu massiven Protesten in der Bürgerschaft und im Ensemble. Als der Intendant Richard Payer einen Appell zur Rettung des bedrohten Theaters an die Bürger richtete, gründeten sie unter dem Vorsitz von Carl Reuther und Carl Kober die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ am 3. März 1950.205 Sie starteten einen Aufruf zur Erhaltung und Förderung des Mannheimer Nationaltheaters. Zum Ziel machten sie sich die „Wiederherstellung der traditionellen Verbundenheit der Mannheimer Bevölkerung mit ihrem Theater“206 und unterstützten auch das Vorhaben eines neuen Theaterbaus.207 Ebenfalls aus der Diskussion um eine Theaterfusion ging 1949 die „Theatergemeinde für das Nationaltheater Mannheim e.V.“ hervor. Hier verpflichtete sich jedes Mitglied dazu, jeden Monat eine Theaterkarte zu erwerben. Dies sollte dem Theater einen festen Besucherstamm garantieren.208 Tatsächlich zählte die Theatergemeinde in der Spielzeit 1954/55 10.000 Mitglieder.209 Die Initiativen der Bürger zeugten von der Anteilnahme am Theater-Geschehen und dem Bedürfnis, etwas bewegen zu wollen.

5.3. Pläne für einen Neubau

Wie verwurzelt die Mannheimer und ihr Nationaltheater waren, zeigt sich an den schon 1946 einsetzenden Anstrengungen, das Nationaltheater wieder aufzubauen. Oberbürgermeister Josef Braun plädierte im September 1946 für die Erneuerung der Mannheimer Kulturstätten210 und im selben Jahr wurden bereits Sonderveranstaltungen zur Gründung eines Fonds für den Neubau des Nationaltheaters durchgeführt.211 Zunächst lag der Gedanken nahe, das Theater an

204 Eisenbart 1954, S. 40 205 Hofmann/Weizel 1998, S. 321 206 Gilles 1970, S. 49 207 Hofmann/Weizel 1998, S. 321 208 Hofmann/Weizel 1998, S. 285 209 Bossert, Karl und Stenzel, Reinhard: Die Theatergemeinde – kulturelles Bindeglied zwischen Stadt und Region, in: Homering, Liselotte und Welck v., Karin (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 309 210 Trumpfheller, Jakob: Die Vorgeschichte des Theater-Neubaus, in: Drese, Claus Helmut (Hrsg.): Das neue Nationaltheater, Heidelberg 1957, S. 129 211 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 41

32 seiner alten Stätte auf dem Quadrat B3 aufzubauen unter Hinzunahme der Quadrate B2 und B1. Der Plan erwies sich sehr bald als nicht realisierbar, da die dort stehenden Häuser in Privatbesitz waren und kaum Kriegsbeschädigungen aufwiesen. Als nächster Standort wurde der Ostflügel des Schlosses in Betracht gezogen. Oberbürgermeister Fritz Cahn-Garnier unterstützte diese Bestrebungen und schrieb einen Ideenwettbewerb zur Gestaltung aus. Es gingen 39 Entwürfe ein,212 wegen technischer und finanzieller Schwierigkeiten wurde der Plan jedoch verworfen.213 Später widmete sich Oberbürgermeister Hermann Heimerich, der seit 1949 wieder im Amt war, mit viel Energie dem Plan eines Theater-Neubaus. Währenddessen wurde der Rosengarten wieder aufgebaut und Anfang 1952 in Betrieb genommen. So ergaben sich neben der Schauburg neue Möglichkeiten für den Spielbetrieb des Nationaltheaters.214

Die Suche nach einem geeigneten Ort für einen Theater-Neubau wurde immer konkreter und gleichzeitig problematischer. Städtische Stellen sowie die Bürgerschaft bewegte die Standort-Suche. Immer wieder wurden dabei Schloss und Schillerplatz diskutiert. Am Ende standen jedoch andere Orte in der engeren Wahl. Der Friedrichspark, der Luisenpark, die Quadrate N5 und N6, das Gelände „Weißer Sand“ am rechten Neckarufer und der Goetheplatz.215 Mitte 1952 wurde von Oberbürgermeister Hermann Heimerich ein Wettbewerb für einen Theater-Neubau initiiert, der ein Großes Haus für Oper und Operette mit etwa 1.250 Plätzen und ein Kleines für das Schauspiel mit etwa 700 Plätzen vorsah. Den Architekten überließ man die Entscheidung über den Standort.216 Sechs auswärtige und vier Mannheimer Architekten wurden am 7. Juli 1952 aufgefordert, Entwürfe nach den Vorstellungen des Intendanten Schülers anzufertigen. Bekanntester Teilnehmer war Ludwig Mies van der Rohe, dessen Vorschlag aus Beton, Stahl und Glas viel Aufsehen erregte.217 Doch die Sachverständigen konnten sich für keines der vorgelegten Modelle entscheiden und beschlossen, drei Architekten, darunter auch Mies van der Rohe, aufzufordern, ihre Entwürfe zu überarbeiten. Zusätzlich wurde Gerhard Weber, Theater-Architekt aus Frankfurt, eingeladen, einen Vorschlag einzureichen.218 Am 31. März 1953 hatte sich der Stadtrat auch endgültig für den Goetheplatz als neuen Standort entschieden und

212 Trumpfheller 1957, S. 130 213 Gilles 1970, S. 47 f. 214 Trumpfheller 1957, S. 130 215 Trumpfheller 1957, S. 131 216 Beierbach 1998, S. 375 f. 217 Trumpfheller 1957, S. 131 218 Beierbach 1998, S. 378

33 beschlossen, die Verwaltung und Werkstätten in einem gesonderten Bau in der Liselotteschule unterzubringen.219 Die Entscheidung fiel tatsächlich zugunsten Gerhard Webers aus. Mies van der Rohe hatte sich geweigert, seinen Entwurf zu überarbeiten. Weber hatte mit seinem trapezförmigen, schlichten Bau überzeugt. In den Neubau wurde die Erfahrung von 180 Jahren Mannheimer Theatergeschichte eingeflochten – es stand die Funktionalität im Vordergrund, auf Prunk wurde gänzlich verzichtet.220 Die Grundsteinlegung war für den 18. Juni 1954 vorgesehen, sie sollte im Rahmen des 175järigen Nationaltheater-Jubiläums stattfinden.221

5.4. Die Finanzierung des Neubaus

Im Juni 1951 schlug der Frankfurter Theateragent Albert Richard Mohr vor, eine Tombola zu organisieren, um den Theater-Neubau zu finanzieren.222 Die neu gegründete „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ griff diese Idee auf. Bereits der Gewinn des alljährlichen Bühnen- und Presseballs, der am Rosenmontag 1952 stattfand, floss der Tombola zu und Hermann Heimerich gab die Devise aus „Nun müssen wir ein Theater bauen“.223 Die Tombola konnte laut Heimerich dazu genutzt werden, die Theaterfreude der Mannheimer Bevölkerung zu beurteilen.224 Die Lose wurden zu je 50 Pfennig verkauft und in den ersten hundert Tagen konnten bereits 1,2 Millionen Lose abgesetzt werden. Auf dem Paradeplatz waren Tombolapavillons aufgestellt worden, um die sich die Mannheimer scharrten. Neben der Aussicht auf ein neues Theater lockten die Tombola-Preise Menschenmengen an.225 Die Hauptgewinne waren ein Pelzmantel und ein Lanz- Bulldog. Die Tombola war ein voller Erfolg für die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“. Der Reingewinn betrug rund 530.000 DM.226 Am 30. Juni 1953 wurde eigens für die Finanzierung des Theater-Neubaus die „Stiftung Nationaltheater-Bau Mannheim“ gegründet, die als „Bauherr“ auftreten sollte.227 Ihr gehörten Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“, Stadträte und Vertreter der Stifter an.228 Zweck war es, „den Bau des Nationaltheaters zu finanzieren, das Gebäude im Einvernehmen mit dem

219 Trumpfheller 1957, S. 131 220 Schüler 1956, S. 16 221 Beierbach 1998, S. 380 222 Homering 1998b, S. 556 223 Meyer 1979a, S. 174 224 Gilles 1970, S. 50 225 Hofmann/Weizel 1998, S. 321 226 Homering 1998b, S. 557 f. 227 Meyer 1979a, S. 174 228 Gilles 1970, S. 52

34 Stadtrat zu errichten und zu unterhalten, um dadurch Kunst zu fördern.“229 Ausgestattet wurde die Stiftung mit dem Gewinn aus der vorausgegangenen Tombola, Zuschüssen der Stadtverwaltung und sonstigen Spenden.230 Das Land Baden-Württemberg bezuschusste den Bau mit zusätzlichen zwei Millionen DM, vom Stadtrat wurden weitere drei Millionen DM bereitgestellt.231 Der finanzielle Grundstock war gesichert und am 18. Juni 1954 wurde planmäßig zum 175jährigen Jubiläum des Nationaltheaters die Grundsteinlegung am Goetheplatz gefeiert. In der Urkunde, die dem Grundstein beigelegt wurde, hieß es „[…] In Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes wie in den Jahren bitterer Not fühlten sich die Bürger Mannheims einig in der Begeisterung und der Fürsorge für ihr Theater, dem sie stets großer materielle Opfer zu bringen bereit waren. Ungeheure Schwierigkeiten der Nachkriegsjahre vermochten nicht, die Liebe der Mannheimer zu ihrem Theater auszulöschen. […] Das Zusammenwirken von Bürgerschaft, Stadtrat und Stadtverwaltung schuf in jahrelangem Bemühen und mit unerschütterlicher Beharrlichkeit die Voraussetzungen für dieses Unternehmen. […]232

Während der Theater-Neubau in vollem Gange war, wurde 1955 eine zweite Tombola geplant, die am 28. April 1956 auf dem Paradeplatz eröffnet wurde. Für die Tombola waren zahlreiche Privat-Spenden eingegangen und auch die Mannheimer Wirtschaft stiftete Geld- und Sachspenden. Insgesamt waren die Preise wertvoller als bei der ersten Tombola.233 Die größte Attraktion war ein gebratener 12-Zenter-Ochse am Spieß.234 In 65 Tagen wurden rund 1.360.000 Lose á 1 DM verkauft und etwa 460.000 DM eingenommen.235 Insgesamt waren so allein durch die Bürger Mannheims eine Million DM zum Bau des Theaters beigesteuert worden. Die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ hatte einen großen ideellen und materiellen Beitrag zum Theater-Neubau geleistet und hatte es verstanden, die Mannheimer Bürger mitzureißen. Insgesamt betrugen die Baukosten 17 Millionen DM236 – ein vergleichsweise geringer Betrag.237

5.6. Die Eröffnung des Nationaltheaters am Goetheplatz

Mit der Eröffnung des neuen Nationaltheaters am Goetheplatz endete das Zwischenspiel in der Schauburg. Die letzte Aufführung fand hier am 2. Dezember 1956

229 Trumpfheller 1957, S. 133 230 Hofmann/Weizel 1998, S. 321 231 Trumpfheller 1957, S. 134 232 Urkunde der Grundsteinlegung 18.06.1954, Zitiert nach: Trumpfheller 1957, S. 134 233 Reuther, Carl: Mannheims Bürger bauten mit, in: Drese, Claus Helmut (Hrsg.): Das neue Nationaltheater, Heidelberg 1957, S. 142 234 Meyer 1979a, S. 175 235 Homering 1998b, S. 560 236 Anm.: An anderen Stellen heißt es, die Baukosten betrugen 18 Millionen, z.B. Hofmann/Weizel 1998, S. 321 237 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 45

35 statt, im Rosengarten am 4. Dezember. Es folgte eine kurze Spielbetriebs-Pause. Die Zeit der Improvisationen und der Enge in der Schauburg war nun endgültig vorbei.238

Die Eröffnung des neuen Nationaltheaters am Goetheplatz war mehr als nur die Eröffnung eines beliebigen Gebäudes. Mannheim hatte seine „geistige Mitte“ wieder und die Chance, an die großen Tage der Theatergeschichte anzuknüpfen.239 Hermann Heimerich hatte bei der Grundsteinlegung 1954 gesagt: „Das Theater ist eine demokratische Einrichtung: hier haben immer alle Kreise der Bevölkerung an den Theatererlebnissen teilgenommen.“240 Recht hatte er. Bei der Eröffnung des Nationaltheaters konnten die Mannheimer stolz auf ihr Mitwirken und ihr Engagement sein. Eine neue Epoche begann in und für Mannheim. In diesen Tagen gab es in der Stadt nur ein Gesprächsthema: das Theater.241 Dass es kein gewöhnliches Ereignis war, erkannte man auch leicht daran, dass der Mannheimer Einzelhandel Porzellan, Parfum und andere Erinnerungs-Artikel für den Nationaltheater-Besucher verkaufte.242 Die Feierlichkeiten fanden am 12. und 13. Januar 1957 statt. Genau 175 Jahre nach der Uraufführung der Räuber. Zunächst gab es am Vormittag des 12. Januar einen Festakt im Großen Haus des Nationaltheaters. Im Zuge dessen wurde erstmals der Schillerpreis der Stadt Mannheim verliehen. Oberbürgermeister Hans Reschke, sein Vorgänger Hermann Heimerich, der Ministerpräsident Baden-Württembergs und viele andere prominente Gäste waren anwesend.243 Am Abend gab es für geladene Ehrengäste im Großen Haus eine Vorstellung des Freischütz, das letzte Stück, das am Abend der Zerstörung des Hauses am Schillerplatz gespielt worden war, und eine Vorstellung der Räuber anlässlich des Jubiläums der Uraufführung im Kleinen Haus.244 Die Bürger Mannheims zeigten große Anteilnahme und betrachteten das Spektakel durch die erleuchteten Glasfronten.245 Am 13. Januar wurde das Nationaltheater dann für den Publikumsverkehr geöffnet und noch einmal Die Räuber und der Freischütz gegeben. An diesem Abend waren vor allem langjährige Platzmieter und Mitglieder der Theatergemeinde anwesend. Ihnen schulde man besonderen Dank, betonte Schüler immer wieder.246

238 Meyer 1979a, S. 183 239 Reuther 1957, S. 143 240 StadtA MA, Aktenzeichen 323/8/6, Kultur- und Gemeinschaftspflege, Archivalienzugang 1955-1964, Nr. 1088 241 Mertz, Peter: Das neue Nationaltheater, in: Mertz, Peter und Magin, Wolf (Hrsg.): Das Nationaltheater Mannheim 1779 – 1970, Mannheim 1970, S. 55 242 Ebd., S. 55 243 Mertz 1970, S. 56 244 Meyer 1979a, S. 187 245 Mertz 1970, S. 55 246 Meyer 1979a, S. 187

36 Carl Reuther schrieb in dem pünktlich zur Eröffnung 1957 erschienenen Buch „Das neue Nationaltheater“ über das Mannheimer Theater-Publikum: „Mannheim ist eine Theaterstadt ersten Ranges. Daran hat sich auch heute noch nichts geändert. Mag das Publikum sich in seiner soziologischen Zusammensetzung inzwischen gewandelt haben, mag das private Mäzenatentum früherer Jahrzehnte inzwischen seltener geworden sein; der Mannheimer hängt an seinem Theater nach wie vor. Es ist ein komödiantisches Publikum, temperamentvoll und kritisch, schnell bei der Hand in enthusiastischer Zustimmung und in abgrundtiefer Verdammung; ein Publikum, das am liebsten selber mitspielen möchte. Es war immer da, wenn ihm etwas Außergewöhnliches geboten wurde.“247

Tatsächlich hatte sich im Laufe von 180 Jahren in Wirtschaft und Gesellschaft viel verändert. Und damit auch das Publikum, aber wie Reuther schrieb, die Liebe zu „seinem“ Theater pflegte der Mannheimer. In den 1950er Jahren war das Theater nach wie vor neben dem Buch und der Zeitung eines der Leitmedien, es zeichnete sich aber ein langsamer Wandel ab. Mit dem Aufkommen des Fernsehens ging ein neuer Stern am Unterhaltungshimmel auf. 1957 waren schon mehr als eine Million Fernsehgeräte angemeldet.248 Das Theater bekam zunehmend Konkurrenz.

5.7. Der Spielbetrieb am Goetheplatz

Nun stand Mannheim ein Theater mit zwei Häusern und rund 1.800 Plätzen zur Verfügung. Damit eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten. Es stellte sich aber auch die Frage, ob das Haus jeden Abend gut gefüllt sein würde. Aus diesem Grunde tat sich Intendant Schüler mit der Theatergemeinde zusammen und erarbeitete ein Abonnentensystem, das zahlreiche Besucher aus der nahen und fernen Umgebung in das Mannheimer Theater brachte.249 Das System hatte Erfolg. In der Spielzeit 1957/58 musste die Theatergemeinde bei 15.000 Mitgliedern kurzzeitig einen Aufnahmestopp aussprechen, weil bei gleichzeitigem Anstieg der Abonnentenzahl keine Plätze mehr im Theater zur Verfügung standen. 1958/59 hatte die Theatergemeinde schließlich mit einer Zahl von 16.500 Mitgliedern ihren Zenit erreicht.250 Schüler konnte 1958 eine erfreulich hohe Besucheranzahl verzeichnen. Zehn Prozent der Mannheimer Bevölkerung besuchten das Theater, wovon 15.000 Mitglieder der Volksbühnenorganisation waren. Die Zahl der Besucher war im Verhältnis zur Einwohnerzahl signifikant gestiegen seit Gründung des Theaters.251

247 Reuther 1957, S. 143 248 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23477/1.html (25.02.2007) 249 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 47 250 Bossert/Stenzel 1998, S. 309 251 Bossert/Stenzel 1998, S. 310

37 Nach Inbetriebnahme der beiden Häuser stellte sich zum Unmut des Intendanten und der Opernfreunde recht schnell heraus, dass das Kleine Haus für den Opernbetrieb nicht geeignet war und umgekehrt war das Große Haus für das Schauspiel nicht zweckdienlich.252 Zudem war das Gebäude des Nationaltheaters so manchem Mannheimer zu nüchtern, zu abstrakt und zu modern. Man vermisste die anheimelnde Atmosphäre des alten Hauses am Schillerplatz.253 Trotz der kleinen Anfangsschwierigkeiten war das neue Nationaltheater aber schnell in der Mannheimer Bürgerschaft verwurzelt und der ganze Stolz der Stadt. Kaum eine andere Stadt hatte so bald nach Kriegsende wieder ein Theater. 1961 bat Intendant Hans Schüler darum, seinen Vertrag nach der Spielzeit 1962/63 nicht mehr zu verlängern. Der größte Verdienst während seiner Mannheimer Zeit war es, der Schillerbühne ein neues Zuhause am Goetheplatz gegeben zu haben. Die zwölf Jahre währende Intendanz Schülers war vorbei. Besondere Beachtung fand im letzten Jahr seiner Intendanz der Wagner-Verdi-Zyklus. Hierfür mussten die Karten sogar verlost werden.254 Schülers Nachfolger, Ernst Diez, wurde am 27. März 1962 bestimmt.255 Diez blieb der Linie Schülers treu und baute auf dessen Arbeit auf. Aus diesem Grunde schrieben Kurt Heinz und Heinz Schönfeldt auch in ihrem Buch „200 Jahre Nationaltheater Mannheim“: „Der Intendanten-Wechsel im Jahre 1972 hatte grundsätzliche Bedeutung. Jetzt erst endete die Ära Schüler. Michael Hampe, gebürtiger Heidelberger, brachte die ‚neue Zeit’“.256

Wie aber sah es außerhalb des Theaters aus? Die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ hatte nach ihrem großen Erfolg bei der Mitfinanzierung des Theater-Neubaus neue Aufgaben gesucht und war 1967 eine Kooperation mit der Mannheimer Abendakademie eingegangen. Die Abendakademie stellte Räume und Einrichtungen zur Verfügung und erarbeitete gemeinsam mit dem Intendanten und Verwaltungsdirektor ein Veranstaltungsprogramm. Liederabende, Besuche von Generalproben und ähnliches wurden angeboten.257 Außerdem sorgte die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ für ein Miteinander zwischen Publikum und Theaterleitung. Als Diez Intendant wurde organisierte sie beispielsweise ein Gespräch im Rosengarten, in dem er sich mit

252 Meyer 1979a, S. 186 253 Mertz 1970, S. 60 254 Ebd., S. 71 255 Meyer 1979a, S. 216 256 Heinz/Schönfeldt 1980, S. 53 257 Hofmann/Weizel 1998, S. 322

38 seinem Team vorstellte.258 Die Theatergemeinde hatte dagegen dafür gesorgt, dass das Mannheimer Nationaltheater „zu einem Regionaltheater für das nördliche Baden, das südliche Hessen und die östliche Pfalz geworden ist“.259 Sie organisierte in etlichen Orten rund um Mannheim regelmäßige Theater- und Konzertfahrten und hielt engen Kontakt zu Schulen, Vereinen und anderen Institutionen. Nach dem Boom der Eröffnung des Nationaltheaters am Goetheplatz ging die Zahl der Mitglieder freilich wieder zurück.260 Das Theater konnte zu dieser Zeit, zu Beginn der 1970er Jahre, schon nicht mehr zu den gesellschaftsbildenden Faktoren gezählt werden. In Mannheim aber war die Beziehung zwischen den Bürgern und ihrem Nationaltheater gefestigt.261

5.8. Die Entwicklung des Nationaltheaters

Im Jahr 1969 wurde abermals darüber nachgedacht, das Mannheimer Theater mit einer anderen Bühne zusammenzuführen. Diesmal war es Ludwigshafen. Oberbürgermeister Hans Reschke ließ die Möglichkeit prüfen, bekam aber Mitte 1970 den Bescheid, dass eine solche Theatergemeinschaft, die auch Heidelberg und Kaiserslautern einbeziehen sollte, nicht funktionieren würde. Alles blieb wie bisher.262 Dafür wurde im Sommer 1972 die Studiobühne im Werkshaus eingerichtet.263 Hier fanden künftig Schauspiele in intimeren Rahmen statt. 1975 löste Arnold Petersen Michael Hampe als Intendant ab. Er hatte den Ruf, nie selbst Regie zu führen oder als Schauspieler aufzutreten. Er schaffte alle leitenden Positionen im Nationaltheater ab und setzte verstärkt auf Teamwork – er brachte neuen Wind ins Mannheimer Theater.264 Unter seiner Intendanz wurden die fasnächtlichen Theaterfeste eingeführt und öffentliche Proben angesetzt. 1978 beschloss der Kultur-, Schul- und Theaterausschuss des Gemeinderats neben Schauspiel, Oper und Ballet eine vierte Sparte einzuführen: ein Kinder- und Jugendtheater, das 1979 im Forum der Jugend eröffnet wurde. Das „Schnawwl“ fand 1981 im Kulturzentrum Alte Feuerwache eine feste Heimat. 265 In der Spielzeit 1979/80 wurde das 200jährige Bestehen der Schillerbühne gefeiert, zahlreiche Veranstaltungen fanden statt. Schon zwei Jahre später konnte das 25jährige Bestehen des Nationaltheaters am Goetheplatz gefeiert

258 Mertz 1970, S. 82 f. 259 Hermann 1958, S. 3 260 Bossert/Stenzel 1998, S. 309 261 Mertz 1970, S. 96 262 Homering 1998b, S. 569 263 Ebd,. S. 570 264 Meyer 1979a, S. 292 ff. 265 Homering 1998b., S. 576

39 werden, sowie 200 Jahre Uraufführung der Räuber. Petersen verstand es, die Aufmerksamkeit der Mannheimer auf das Theater zu lenken. Er probierte Neues wie beispielsweise Musicals aus oder veranstaltete Konzerte in Industriebetrieben.266 Petersen, dessen Titel ab 1989 offiziell „Generalintendant“ lautete, blieb bis 1992 in Mannheim. Ihm folgte Klaus Schultz. Er führte das „Mannheimer Modell“ ein. Das bedeutete, es inszenierten drei Regisseure mit unterschiedlichen Stilen.267 Auf Schultz folgte 1996 Ulrich Schwab. Insgesamt waren die Neunziger Jahre geprägt von Kostensteigerung und hoher Subventionsbedürftigkeit. 1991 beschloss der Gemeinderat, einen zweiten Bühnenturm für das Schauspielhaus für 17,2 Millionen DM zu bauen. Im Zuge dessen wurde 1992/93 das gesamte Haus saniert. Die Kosten lagen bei ca. 72,1 Millionen DM.268 Das Theater blieb 18 Monate geschlossen. Zur selben Zeit wurden die Landeszuschüsse für das Nationaltheater auf 40 Prozent festgelegt und sollten 1996 auf 31 Prozent gekürzt werden. 10.000 Protest- Unterschriften gingen daraufhin beim Landtag ein.269 Für die Spielzeit 1996/97, Stichtag war der 1. September 1996, entschied dann der Gemeinderat, dass das Nationaltheater, das bisher als Amt 42 der Stadtverwaltung angehörte hatte, in einen Eigenbetrieb umgewandelt werden sollte. Das Theater stand somit auf wirtschaftlich eigenständigen Beinen.270 Rechtsträger des Eigenbetriebs blieb die Stadt Mannheim, die definierte, dass die Aufgaben des Theaters in der Pflege und Förderung der darstellenden Künste sowie der Förderung der Kommunikation unter der Bevölkerung und deren Identität mit der Stadt Mannheim und ihrer Region liegen sollten. Der städtische Zuschuss für die folgenden fünf Jahre wurde auf 46,5 Millionen DM jährlich festgelegt.271 Eine Tradition wurde im September 2005 durchbrochen. Mit Regula Gerber steht aktuell erstmals ein Frau an der Spitze des traditionsreichen Nationaltheaters. Ihr steht ein Etat von 45,1 Millionen Euro zur Verfügung, wobei das Nationaltheater von heute ein großer, schwer beweglicher Dinosaurier ist. Lediglich 8,3 Prozent des Etats fließen in die Kunst, der Rest sind Fixkosten.272 Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, verkündete im November 2006, dass der Betrag, mit dem das Land jährlich das Nationaltheater fördert, um ein Prozent in den kommenden Jahren angehoben werden sollte. Das bedeutet 116.000 Euro mehr im Jahr 2007. Oettinger betonte, „auch wenn das Theater

266 Schönfeldt 1998b, S. 202 267 Schönfeld 1998a, S. 82 268 Homering 1998b, S. 592 f. 269 Ebd., S. 599 270 Schwab, Ulrich: Theater als Identifikationsfaktor einer Stadt, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 244 271 Ebd., S. 248 272 Ragge, Peter W.: Für die Kunst bleibt nur eine kleine Summe übrig, Mannheimer Morgen, 14.02.2006

40 der Kommune gehört, trägt es seinen Titel angesichts der künstlerischen Leistung nach wie vor zurecht“ und bekräftige, „das Land zieht sich aus der Förderung nicht zurück“.273 Im neuen Jahrtausend steht das Nationaltheater unter einem guten Stern. Das Gespür der Intendanten für Trend- und Stimmungswechsel sorgt dafür, dass das Theater immer mit der Zeit geht, aber Tradition und Klassisches nicht zu kurz kommen. Das Nationaltheater ist ein Teil der Identität Mannheims und trägt wesentlich zur städtischen Lebensqualität bei.

5.9. Freunde, Förderer und Finanzierung

Dass das Mannheimer Theater ein sozial breit gefächertes Publikum anspricht, ist schon mehrmals erwähnt worden. Arbeiter und Angestellte waren in Mannheim von jeher Theatergänger. 1974 wurde speziell für sie das Betriebs-Abonnement eingeführt. Mitarbeiter von Mannheimer Firmen hatten so die Möglichkeit, vergünstigt das Theater zu besuchen. Am Anfang waren es 709 Abonnenten, zehn Jahre später schon 2.500 aus 50 Betrieben.274 Bei der Theatergemeinde, die seit 1949 besteht, war jedoch, wie bereits erwähnt, ein Mitgliederschwund zu verzeichnen und trotzdem führten sie dem Theater stets eine feste Gruppe von Besuchern zu. 1998 hatte die Theatergemeinde 6.500 Mitglieder, die meisten davon aus dem Mannheimer Umland. Etwa 20 Prozent der regelmäßigen Besucher sind Mitglieder der Theatergemeinde. Für das Theater ist das eine sehr verlässliche Planungsgröße.275

Die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“ löste sich 1990 von der Abendakademie Mannheim und gewann die Sparkasse Mannheim als Partner in Geschäfts- und Verwaltungsfragen. Zudem erfolgte 1992 eine Umbenennung in „Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim“. Die Mitgliederzahl konnte durch verstärkte Werbung von 150 im Jahr 1993 auf über 2.000 heute erhöht werden. Mitglieder sind Menschen aus allen Bevölkerungsschichten, die mit ihrer Mitgliedschaft ihre Verbundenheit zum Nationaltheater ausdrücken.276 Wenn es nötig ist, demonstrieren sie gegen Zuschusskürzungen, sammeln Unterschriften, bringen Spendengelder auf oder sprechen sich gegen Spielplan-Bestimmungen aus. Als Intendant Ulrich Schwab während seiner Amtszeit beispielsweise die Meistersinger absetzten wollte, starteten sie einen großen Protestzug und hängten Transparente

273 Ragge, Peter W.: Land erhöht Theaterzuschuss, Mannheimer Morgen, 14.11.2006 274 Homering 1998b, S. 571 275 Bossert/Stenzel 1998, S. 310 276 Hofmann/Weizel 1998, S. 322

41 auf.277 An Wohnhäusern war zu lesen „Meistersinger müssen bleiben“.278 Der Intendant gab nach. Der Einfluss der Freunde und Förderer wuchs und zur Unterstützung des Vorstandes wurde ein Beirat aus Mannheimer Bürgern gegründet. Hier wurden Belange des Nationaltheaters diskutiert und Arbeitsgruppen gebildet. Dies legitimiert sich dadurch, dass die Freunde und Förderer durch ihre Mitgliedsbeiträge und Spenden Theaterproduktionen und Einrichtungen finanzieren.279 So sind im Lauf der Jahre 600.000 Euro an das Nationaltheater geflossen. Damit wurde unter anderem eine Übertitelungsanlage finanziert, neues Gestühl für das Schnawwl gekauft und das Tonstudio renoviert.280 Manfred Fuchs von der Fuchs Petrolub AG ist Vorsitzender des Beirates der Freunde und Förderer, dem 50 prominente Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik angehören. Er sieht in dem Mäzenatentum für das Nationaltheater auch einen Vorteil für sein Unternehmen, das bei Geschäftspartnern, Mitarbeitern und im geschäftlichen Umfeld dadurch ein gewisses Ansehen gewinnt.281 Im Jahr 2001 riefen die Freunde und Förderer die „Stiftung Nationaltheater Mannheim“ ins Leben, deren vorrangiges Ziel es ist, das Nationaltheater zu unterstützen. Die Stiftung will Bürgern, die ihre Verbundenheit mit dem Nationaltheater ausdrücken wollen, eine Möglichkeit bieten, größere Zuwendung zu tätigen. So hat die Stiftung mittlerweile durch die Unterstützung von zwölf Unternehmen und etlichen Privatpersonen ein Kapital von fast eine Million Euro. Im August 2005 spendete beispielsweise Karl Heidenreich, langjähriges Vorstandsmitglied der Südwestdeutschen Landesbank 38.000 Euro, die er von seiner Bank zur Pensionierung bekommen hatte. „Ich bin doch schon seit Kindesbeinen an mit dem Nationaltheater verbunden“, erklärte er zu seiner Motivation. Schon mit seiner Großmutter sei er ins Theater gegangen und in der dritten Generation besäße er ein Theaterabonnement.282 Mit ihren Geldern unterstützt die Stiftung künstlerischen Nachwuchs oder die Internationalen Schillertage, die alle zwei Jahre in Mannheim stattfinden.283 Abgesehen von den finanziellen Aspekten werden den Mitgliedern der Freunde und Förderer außerdem Begegnungen mit Künstlern angeboten, der Besuch von Generalproben organisiert und regelmäßige Informationen zugänglich gemacht.284

277 Ragge, Peter W.: Die Leidenschaft der Marktfrau, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004 278 Langhals, Ralf-Carl: Wenn Bürger Theater machen, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage Stadtjubiläum 2007, 24.01.2007 279 Hofmann/Weizel 1998, S. 323 280 http://freunde.nationaltheater.de/die_historie.html (26.02.2007) 281 Ragge, Peter W.: Ein Unternehmer als Diener der Musen, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004 282 Ragge, Peter W.: Ein Pensionär verzichtet auf seine Weltreise, Mannheimer Morgen, 18.08.2005, S. 17 283 http://freunde.nationaltheater.de/die_stiftung_freunde.html (26.02.2007) 284 Hofmann/Weizel 1998, S. 323

42 Neben dem Engagement der Freunde und Förderer gibt es auch andere Unternehmen, die das Nationaltheater unterstützen. Die Dresdner Bank AG Mannheim fördert seit 1990 das Nationaltheater jährlich mit einem festen Betrag, über den das Theater eigenständig verfügen kann. Ein Nebeneffekt soll hierbei die Steigerung des Bekanntheitsgrads der Bank sein.285 Und auch die Mannheimer Niederlassung der Siemens AG trägt zur kulturellen Vielfalt bei – sie sponsert Projekte wie die Schillertage oder bestimmte Inszenierungen.286 Die Südwestdeutsche Landesbank sieht ihr Engagement als Ergänzung zur öffentlichen Kunstförderung und unterstützt gezielt Kultur in der Region. Doch darf man nicht außer Acht lassen: die künstlerische Freiheit muss beim Kultursponsoring stets gewährleistest sein.287 Ohne Sponsoren jedoch wäre vieles am Nationaltheater nicht möglich, es ist ein stetes Miteinander, das in Zeiten leerer städtischer (Kultur-)Kassen unabdingbar ist.

Aber egal, ob Mitglied der Freunde und Förderer, der Theatergemeinde oder einfach nur Besucher des Nationaltheaters – das Mannheimer Publikum ist ein ganz besonderes. Der Mannheimer Germanistikprofessor Jochen Hörisch schrieb darüber: „Wäre ‚Treue’ nicht so ein anachronistisch klingender Begriff – er müsste aktiviert werden, um zu charakterisieren, was (zum Neid von Intendanten an anderen Orten) die Beziehung zwischen dem Mannheimer Publikum und dem Theater-, Opern- und Ballett-Ensemble auszeichnet.“288 Und Theaterleute bestätigen, dass es in keiner anderen Stadt ein Publikum gibt, das derart diskutiert, mitfühlt, mitjubelt und mitleidet.289 Mannheim kann stolz sein, Bürger zu besitzen, die bereit sind, für ihre Wahrzeichen einzustehen, die Menschen und Gelder mobilisieren können, um etwas zu bewegen, und die über die Grenzen der Stadt hinaus von sich reden machen.

6. Fazit und Ausblick

Ist Mannheim nun eine Stadt, die um ein Theater gebaut wurde, wie das Sprichwort sagt? Gibt es so viele Intendanten wie Einwohner, und nur der eine, wahre Intendant ist ahnungslos? Gibt der Mannheimer eher sein Leben auf, als sein Theater? Was alle Mannheimer über Jahrhunderte vereinte, und in gewissem Maße heute noch vereint, ist die Liebe zu ihrem Theater. Man trug früher als anderswo in Deutschland die Verantwortung für das Theater, genauso wie die finanzielle Last. Das Theater stand

285 Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 329 286 Ebd., S. 330 287 Ebd., S. 331 288 Hörisch, Jochen: Die Mannheimer Theaterhöhle, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004 289 Ragge, Peter W.: Die Leidenschaft der Marktfrau, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004

43 allen offen, es war ein bürgerliches Stadttheater, in dem Marktfrauen auf Großindustrielle trafen. Und vor allem bot es lange Zeit die einzige Unterhaltungsmöglichkeit wegen der von Kurfürst Karl Theodor verliehenen Privilegien, die bis ins 19. Jahrhundert hinein gültig waren und keine anderen Spielstätten zuließen. So hat sich das Theater über die Jahre hinweg im Leben, in den Herzen und in der Kultur der Mannheimer etabliert. Von Generation zu Generation wurde die Begeisterung, und oft auch die Platzmiete, weitergegeben und so eine Basis dafür geschaffen, dass man heute zwar historisch fundiert nicht sagen kann, dass Mannheim eine Stadt ist, die um ein Theater gebaut wurde, diese Aussage aus emotionaler Sicht jedoch viel Wahres beinhaltet. Herbert Maisch, ehemaliger Intendant, sagte darüber 1960: „Das ist Mannheim, die Theaterstadt. Im Gegensatz zu einer Stadt mit einem Theater.“290

Heute hat das das Nationaltheater im Schnitt 350.000 Besucher pro Spielzeit – mehr als es Einwohner in Mannheim gibt. Es werden 1.000 Vorstellungen pro Spielzeit gegeben.291 Zahlen, die beeindrucken. Doch hat das Theater im Zeitalter der digitalen Medien und der Massenunterhaltung durch Fernsehen und Kino große Konkurrenz. Es ist schwer, neue Zuschauer zu gewinnen und alte Publikumsschichten zu halten. Der Zuschussbedarf von Kulturbetrieben im Allgemeinen ist enorm und wird weiter steigen. Doch wie schon eingangs erwähnt, das Theater gehört traditionell zur Stadt und es lohnt sich, dafür zu kämpfen.292 Die Zukunft des Nationaltheaters ist, wie bei jedem Kulturbetrieb, eine ungewisse und die Abhängigkeit von Zuschüssen des Landes und der Stadt ist eine Tatsache. Aber hinter dem Nationaltheater Mannheim steht eine soziale Basis, die ihresgleichen sucht. Freunde, Förderer und Mäzene werden auch weiterhin ihrem Theater zur Seite stehen und ihre Verbundenheit ausdrücken. Denn das hat in Mannheim Tradition.

290 Maisch, Herbert: Mannheim und kein Ende, in: Mannheimer Hefte, 3/1960, S. 38 291 Langhals, Ralf-Carl: Wenn Bürger Theater machen, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage Stadtjubiläum 2007, 24.01.2007 292 Schonfrist für das Nationaltheater, Mannheimer Morgen, 26.07.2006

44 7. Bibliographie

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Schönfeldt 1998b Schönfeldt, Heinz: Das Theater und sein „Marktwert“, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 196 – 203.

Schüler 1954 Schüler, Hans (Hrsg.): 175 Jahre Nationaltheater, Mannheim 1954.

Schüler 1956 Schüler, Hans: Das alte und das neue Nationaltheater, in: Mannheimer Hefte 3/1956, S. 12 – 16.

Schwab 1998 Schwab, Ulrich: Theater als Identifikationsfaktor einer Stadt, in: Homering, Liselotte und Welck, Karin v. (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater, Mannheim 1998, S. 244 – 251.

Sinsheimer 1953 Sinsheimer, Herrmann: Gelebt im Paradies, München 1953.

47 StadtA MA StadtA MA, Aktenzeichen 323/8/6, Kultur- und Gemeinschaftspflege, Archivalienzugang 1955-1964, Nr. 1088.

Stahl 1929 Stahl, Ernst Leopold: Das Mannheimer Nationaltheater, Mannheim 1929.

Stahl 1940 Stahl, Ernst Leopold: Das europäische Mannheim – Die klassische Zeit des Mannheimer Theaters, Mannheim 1940.

Storz 1973 Storz, Gerhard: Im Laufe der Jahre, Stuttgart 1973.

Trumpfheller 1957 Trumpfheller, Jakob: Die Vorgeschichte des Theater-Neubaus, in: Drese, Claus Helmut (Hrsg.): Das neue Nationaltheater, Heidelberg 1957.

Walter 1952 Walter, Friedrich: Aufgabe und Vermächtnis einer deutschen Stadt, Frankfurt 1952.

Walter 1977 Walter, Friedrich: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart Bd. 1, Frankfurt 1977.

Zeitungsartikel:

Brunst, Waltraut: 225 Jahre Nationaltheater, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004

Hörisch, Jochen: Die Mannheimer Theaterhöhle, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004

Langhals, Ralf-Carl: Wenn Bürger Theater machen, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage Stadtjubiläum 2007, 24.01.2007

Ragge, Peter W.: Die Leidenschaft der Marktfrau, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004

Ragge, Peter W.: Ein Unternehmer als Diener der Musen, Mannheimer Morgen, Sonderbeilage 6, 6.10.2004

Ragge, Peter W.: Für die Kunst bleibt nur eine kleine Summe übrig, Mannheimer Morgen, 14.02.2006

Ragge, Peter W.: Ein Pensionär verzichtet auf seine Weltreise, Mannheimer Morgen, 18.08.2005

Schonfrist für das Nationaltheater, Mannheimer Morgen, 26.07.2006

48 Elektronische Medien: http://freunde.nationaltheater.de/die_historie.html (26.02.2007) http://freunde.nationaltheater.de/die_stiftung_freunde.html (26.02.2007) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23477/1.html (25.02.2007) http://www.klassik-heute.de/veranstaltungen/oper_2007_1_mannheim.shtml (10.01.2007) http://www.nationaltheater-mannheim.de/service/ (10.01.2007) http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaltheater (10.01.2007) http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaltheater_Mannheim (10.01.2007) http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Nationaltheater_Weimar (09.02.2007) http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Burgtheater#Das_.E2.80.9Ealte.E2.80.9C_ Burgtheater_am_Michaelerplatz (09.02.2007) http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaltheater_M%C3%BCnchen (09.02.2007)

49 8. Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die beiliegende Arbeit ohne Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als den angegebenen Quellen und Hilfsmitteln einschließlich des Internets angefertigt und die den benutzen Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe.

Mannheim, den 01. März 2007

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