Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ-Gedenkstätte – Mitteilungen Heft 58 / Juli 2013

Widerstandsikonen auf der Bühne: Antigone/Sophie

Vor 80 Jahren: Die NS-Diktatur beginnt

Vor 70 Jahren: Geschwister Scholl hingerichtet

Vor 10 Jahren: Stiftung setzt Hoffnungszeichen

Mitgliederversammlung des Vereins · Fr., 12. Juli 2013 · 17 Uhr in der vh Ulm Vorwort Einladung zur Jahres-Hauptversammlung des Vereins Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Berichte und Diskussion Liebe Leserinnen und Leser, Wahlen (u. a. Vorstandsvorsitz) in der 58. Ausgabe der Mitteilungen blicken wir zurück auf Freitag, 12. Juli 2013, 17 Uhr die Anfänge des NS-Systems im Jahr 1933, in dem die Nati- Volkshochschule Ulm, EinsteinHaus am Kornhausplatz, onalsozialisten auch in Ulm in Atem beraubenden Tempo Club Orange die Demokratie aushebelten. Wir schauen außerdem auf das Jahr 1943, in dem Hans und bei der Mitglieder, Freunde, Interessierte sind willkommen! Verbreitung des 6. Flugblatts der Weißen Rose am 18. Februar verhaftet und nur wenige Tage darauf zum Tode verurteilt wurden. Den dritten Themenschwerpunkt bildet Inhalt der 10. Jahrestag der Stiftung Erinnerung Ulm. Vorwort 2 80 Jahre nach der Machtübertragung an Adolf Hitler könnte Einladung zur Jahres-Hauptversammlung 2 man denken, wir wären umfassend über die Ereignisse im Jahr 1933 informiert, doch gerade für Ulm fehlt es noch Der kurze Weg in die Diktatur – Ulm 1933 3 an einer Gesellschaftsgeschichte, die die Erfahrungen der Miterlebenden in die Darstellung der politischen Tagebuch des Heuberghäftlings Robert Carius 7 Geschehnisse integriert. Einem solchen Ansatz waren die Der Boykott jüdischer Geschäfte 1933 10 beiden Ulmer Gedenkveranstaltungen am 27. Januar im Stadthaus und in der KZ-Gedenkstätte verpflichtet, deren Ehemalige jüdische Bürger im DZOK 11 Inhalte wir in diesem Heft vorstellen. Silvester Lechner beleuchtet außerdem die Bedeutung des antijüdischen „Es ist doch Erev Shabbat“ 13 Boykotts von März/April 1933 aus heutiger Perspektive. Zehn Jahre Stiftung Erinnerung Ulm 14 70 Jahre nach ihrer Hinrichtung sind Hans und mehr noch Aleida Assmann: Erinnerungskultur Sophie Scholl zu Ikonen für Zivilcourage geworden. Das und politische Bildung 16 Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg nahm den Jah- Förderpreisa für das Filmprojekt „Ortung“ 18 restag zum Anlass, um gemeinsam mit der vh und dem Theater Ulm vielfältige Gelegenheiten zur Reflektion über Theateruraufführung: „Antigone/Sophie“ das Leben, den Widerstand und den Tod der Geschwister in der Ulmer Gedenkstätte 20 Scholl zu schaffen. Höhepunkt war dabei die Uraufführung des Theaterstücks „Antigone/Sophie“ in der KZ-Gedenk- Neuauflage der didaktischen Materialien 22 stätte Oberer Kuhberg. Dagmar Hub rezensiert das Stück Porträt der DZOK-Mitarbeiterin für die Mitteilungen. Annette Lein stellt das Begleitpro- Mechthild Destruelle 23 gramm „heldenBILDER“ und das pädagogische „Paten- klassenprojekt“ vor. Theresa Rodewald über ihre ASF-Zeit 23

Am 14. Februar 2013 beging die Stiftung Erinnerung Ulm Nachrufe: Rolf Johannsen, Christian Loyal 25 den 10. Jahrestag ihrer Gründung. Dieser Stiftungsjah- Dank an Vereinsvorsitzenden Wolfgang Keck 26 restag hatte mit einer zukunftsweisenden Rede von Prof. Aleida Assmann, den Grußworten der New Yorker Ehren- Neues in Kürze 27 stiftungsräte und der Vergabe eines Förderpreises für Nachwuchswissenschaftler einen besonderen Charakter. Neue Bücher 30 Herzlichen Dank an dieser Stelle an Frau Assmann für die Impressum 33 Erlaubnis, ihren Vortrag zum Thema „Erinnerungskultur und politische Bildung“ gekürzt abdrucken zu dürfen und Veröffentlichungen des DZOK 34 an Kathrina Edinger dafür, dass sie das von der Stiftung ausgezeichnete Filmprojekt „Ortung“ vorstellt. DZOK-Veranstaltungen Sommer/Herbst 2012 35 Förderer dieser Nummer 36 Darüber hinaus berichtet Thomas Vogel über den Besuch der emigrierten Ulmer Jüdinnen und Juden anlässlich der Beitrittserklärung 36 Eröffnung der neuen Synagoge in Ulm. Konrad Pflug erin- nert sich an eine denkwürdige Begegnung mit einem jüdi- Titelfoto: Aufführung des Theaterstücks Antigone/Sophie in der KZ-Gedenk- schen Ritual in einem Ulmer Hotel in den 1980er Jahren. stätte Oberer Kuhberg im Frühjahr 2013, Johanna Paschinger als Sophie Als neue ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Gedenkstätte Scholl und Fabian Gröver als , Foto: Ilja Mess, Theater Ulm. stellt sich Mechthild Destruelle vor und Theresa Rodewald resümiert ihr Freiwilligenjahr am DZOK. Tobias Jeske prä- sentiert die lang erarbeitete Neuauflage der didaktischen mehr für das Amt des Vereinsvorsitzenden kandidieren Materialien. In zwei Nachrufen würdigen wir unsere wird. Es wird also eine richtungsweisende Versammlung beiden langjährigen engen Weggefährten und Mitarbeiter sein. Einen Dank an Wolfgang Keck finden Sie ebenfalls in des DZOK Christian Loyal und Rolf Johannsen. diesem Heft.

Zum Schluss möchte ich Sie einladen zu unserer Mitglie- Es grüßt Sie herzlich Ihre derversammlung am Freitag, den 12. Juli. Ihr zahlreiches Erscheinen ist auch deshalb wichtig, weil Vorstandswahlen stattfinden und Wolfgang Keck nach zwölf Jahren nicht

2 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 3 Ulm 1933 – Der kurze Weg in die Diktatur

Wie wurde Ulm zur „Hochburg“ völkisches Gedankengut und die des Nationalsozialismus? Wie Sehnsucht nach einem starken funktionierte die Machtübernahme Führer reichten bis weit in das kon- in der Stadt? Wie die „Gleichschal- servative Bürgertum hinein. Es war tung“? Wie inszenierten die Nazis dieser Deutsch-Nationalismus, der die „Volksgemeinschaft“? Wen dem Nationalsozialismus schließlich schlossen sie aus? Beim wem den Weg ebnete, gepaart mit der stießen sie auf Zustimmung? Der Zerstrittenheit der Arbeiterparteien, Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreis die eine geschlossene Gegenwehr 27. Januar entwarf zu diesen vereitelte. Doch zunächst war die Fragen eine moderierte Lesung, 1922 gegründete Ulmer/Neu-Ulmer die historische Fakten und Quellen Ortsgruppe NSDAP nur eine unbe- zur Stimmungslage in der Stadt deutende Splitterpartei, die durch verknüpfte. Auszüge hieraus ihre agitatorische Hetze und Gewalt- stellen vor: bereitschaft auffiel. Der politische Einladung zu einer Propagandaveranstaltung Durchbruch gelang ihr erst in den der NSDAP in Ulm. Noch war Unterstützung Lothar Heusohn, Nicola Wenge späten 1920er Jahren unter der aus München nötig, um Besucher anzuziehen. Leitung Wilhelm Drehers. In Zeiten Foto: Stadtarchiv Ulm der Weltwirtschaftskrise, die auch in Aufstieg der NSDAP in Ulm Ulm zu einer hohen Arbeitslosigkeit Völkische und antisemitische Propa- und politisch instabilen Verhältnissen ganda wurde in Ulm schon vor 1933 führte. Bei den Septemberwahlen von rechtsextremen Organisationen 1930 wurde die NSDAP mit dem Ver- betrieben. Offen revanchistische und sprechen, den Menschen Arbeit und republikfeindliche Organisationen Brot zu geben und die „patriotischen wie Freikorps und paramilitärische Kräfte“ – das „Volk“ – zu einen, Verbände fanden nach dem verlo- in Ulm stärkste Partei. Die Ulmer Aus: „Kampfruf“, Vaterländi- renen Ersten Weltkrieg in der Gar- Wahlergebnisse lagen mit 22 % um sche Zeitung für Deutschlands nisonsstadt Ulm, die wirtschaftlich 4 % über dem Reichs- und um 13 % Jugend und deren Freunde, 1924 stark auf das Militär ausgerichtet war über dem württembergischen Lan- „Der Karren ist verfahren, er steckt und unter der Demilitarisierung litt, desdurchschnitt. Von da an bezeich- regen Zulauf. Auch in weiten Kreisen neten zumindest die Ulmer National- im Morast und wird immer weiter der Bevölkerung und der sozialen sozialisten die „alte Soldatenstadt“ hineingeschoben. Dem deutschen Eliten wurde die Republik abgelehnt, propagandistisch als „Hochburg“ der Volk fehlt der eiserne Mann, ein mit Revolution und militärischer NS-Bewegung. Friedrich der Große, ein Bismarck! Niederlage verbunden. Deutsch- Wann kommt er? Lebt er in dir, deutsche Jugend? Ein einz‘ger Mann muss er sein, der mit Eisen- griffen hineingreift in die stickige Luft. (…) Ein Halt muss er sein für die ganze Welt, sie muss zittern vor seinem Donnerworte. Sein Volk muss er führen zum Lichte, zum Freien! Helden müssen wir werden, denen das Leben nichts gilt, die für‘s Vaterland ohne Zaudern kämpfen und sterben. Als Lichtgestalt muss der eiserne Führer vor uns einher- schreiten, auf dass wir Halt finden an seiner Größe! Deutschland! Wo ist dein Erlöser, dein Retter? Lebt er? Kommt er? Suche ihn, du deutsche Jugend! Mache dich stark bis dahin, auf dass du gerüstet bist, wann er komme!“

Der „Kampfruf“ war eine von zahlreichen deutsch-völkischen Propagandaschriften, die in Ulm kursierten. Das Hetzblatt setzte auch in den vermeintlich ruhigen Jahren der Wei- marer Republik auf einen starken „Führer“ für Deutschlands „Wiedergeburt“. Foto: Stadtar- chiv Ulm

2 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 3 Die Machtübernahme in Ulm aber mit 45 % wieder über Reichs- Wochen und Monaten wurden auch Am Abend des 30.1.1933 feierten und Landesdurchschnitt. Mitte März sämtliche Parteien auf kommunaler die Ulmer Nationalsozialisten mit übernahmen die Nationalsozialisten Ebene dem alleinigen Führungs- einer Großkundgebung auf dem die Macht in Ulm. Der Gemein- anspruch der Nationalsozialisten Münsterplatz die ersehnte „Macht- derat löste sich am 13.3. gegen die unterworfen – oder aufgelöst. Dieser übernahme“. Innerhalb weniger Stimmen der SPD selbst auf, OB Prozess verlief in Ulm ebenso rasch Wochen festigte die NSDAP ihre Emil Schwammberger wurde am wie im gesamten Reich. Im Mai Machtpositionen und zerstörte 17.3. seines Amts enthoben. Zu 1933 nahm Friedrich Foerster den den demokratischen Rechtsstaat dieser Zeit waren die KPD-Stadträte 25 Stadträten im Rathaus den Treue- mittels „Reichstagsbrandverord- bereits verhaftet. Am 4. April 1933 Eid auf Adolf Hitler ab, im August nung“, „Ermächtigungsgesetz“ und wurde der Nationalsozialist Friedrich rief er einen „Schwörmontag im „Gleichschaltungsgesetz“. Dabei Foerster als Bürgermeister einge- neuen Geist“ aus und definierte ihn konnte sich die Partei auch in Ulm setzt. Er forcierte die „Gleichschal- zu einem „Treugelöbnis“ zwischen einer beträchtlichen Zustimmung tung“ der Stadtverwaltung und ent- Bürgerschaft und Oberbürgermeister der Bevölkerung sicher sein. Bei ließ Beamte, die aus NSDAP-Sicht um. Die kommunale Machtüber- den schon nicht mehr freien Wahlen nicht „ergeben“ waren; Schlüssel- nahme war damit weitgehend abge- vom 5. März hatte die NSDAP zwar positionen wurden mit den eigenen schlossen. die absolute Mehrheit verpasst, lag Leuten besetzt. In den folgenden

Auszug aus der Schwörrede Friedrich Försters „Heute versichere ich, dass ich meine Pflicht tun will, bis mich ein höheres Geschick abberuft: So ist es an Euch, liebe Bürger, jederzeit Eure Pflicht gegenüber der Stadt zu erfüllen nach dem obersten Grundsatz: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. (...) Sieg Heil!“

Ulmer Sturm, 15.8.1933 „Umgerechnet auf unsere heutigen Verhältnisse war der Schwörbrief nichts anderes als das, was heute die nationalsozialistische Bewe- gung durch ihren großen Führer Adolf Hitler erreicht hat. (...) Es geht darum, dass die Bürgerschaft in feierlicher Weise zu erkennen gibt, dass sie sich willig und in Treue seiner Führung unterwirft.“

Friedrich Foerster in Uniform am Schwörmontag 1933, Foto: Stadtarchiv Ulm

4 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 5 Die inszenierte „Volksgemein- alles!“ beschworen unermüdlich die schaft“ Eingliederung des Einzelnen in eine Die Ulmerin Cläre C. beschreibt Die NSDAP forcierte ihren totalen opferbereite Volks- und Leistungsge- in einem Brief an ihren im Aus- Machtanspruch mit der Durch- meinschaft. land lebenden Mann eine der dringung und Kontrolle der Bevöl- Inszeniert wurde die „Volksgemein- ersten propagandistisch insze- kerung. Ab Frühjahr 1933 waren schaft“ in Ulm durch Massenver- nahezu alle Lebensbereiche einer anstaltungen mit Aufmärschen und nierten Massenversammlungen teils freiwilligen, teils erzwungenen Fackelzügen, die in Hitlerbesuchen in Ulm nach der Machtüber- „Gleichschaltung“ unterworfen. ihren propagandistischen Höhepunkt nahme: Die große Militärparade Verbände und Vereine wurden in fanden. Andere groß angelegte vom 21. März 1933 anlässlich nationalsozialistische Einheitsor- Propagandaaktionen zur Mobili- des „Tags von Potsdam“. ganisationen überführt, die Mei- sierung der Bevölkerung waren nungsvielfalt beseitigt. Die von den Sammlungen des Winterhilfswerks A-DZOK Nationalsozialisten als „undeutsch“ oder die so genannten „Eintopf- „Inzwischen bin ich mit den Kindern empfundene pluralistische Gesell- sonntage“. Viele ärmere Deutsche bei den Eltern gewesen von 12-1 schaft der Weimarer Republik sollte profitierten auch materiell von ihrem Uhr, um dort die Feier auf dem ersetzt werden durch eine klassen- Erlös. Für „rassereine“ und gesunde Münsterplatz zu sehen und mitzu- lose „Volksgemeinschaft“. In dieser Volksgenossen bot die inszenierte „Volksgemeinschaft“ würden alle „Volksgemeinschaft“ ein attraktives erleben. Kopf an Kopf standen die politischen und sozialen Konflikte Angebot, bei dem auch viele Ulmer Leute dort, auf den Häusern, auf überwunden, das Volk – definiert und Ulmerinnen mitmachten. Was den Bäumen, überall wehten die als Rasse- und Weltanschauungs- im Großen angelegt wurde, wirkte schwarzweißroten und anderen gemeinschaft – mit dem Führer zu bei vielen emotional stark nach: Ins- Flaggen; alle Soldaten, SA und SS einer Einheit verschmolzen sein. besondere der Hitler-Kult führte zu Nationalsozialistische Schlagworte einer tief reichenden Identifizierung und Stahlhelm, Vereine, Jugend- wie „Du bist nichts, dein Volk ist mit dem System. verbände mit ihren Fahnen standen am Münster. Um 12.45 Uhr erklang das Deutschlandlied, das aber durch das Gewoge der wunderschönen Glockentöne übertönt wurde. Theo war mit seiner Klasse mit und als wir heimgingen, um noch was von den Soldaten zu sehen, kamen wir gerade recht, als die Musik durch die Platzgasse zog; voran der Schel- lenträger! Da hielt‘s Fritzle nicht länger, er musste mit der Musik los, ganz begeistert, und die Frau Mama zog mit den 2 Mädels selber wie ein Schulmädel mit – in gleichem Schritt und Tritt. So war´s in alten Zeiten u. das Herz ging einem auf. Man hat doch den Glauben, dass es recht wird und aufwärts geht mit Deutschland.“

Die nationalsozialistische Propaganda zielte auf eine totale Mobilisierung und Vereinnahmung der Menschen, sowohl im öffentlichen Raum als auch im Privatleben. Massenveranstal- tungen und Politisierung des Alltags bildeten zwei Seiten einer Medaille. Bild oben: Militärparade auf dem Münsterplatz am 21.3.1933, Foto: Stadtarchiv Ulm. Bild unten: Ulmer Schülerinnen bei einer Geburtstagsfeier, März 1933, A-DZOK.

4 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 5 Hans Lebrecht, Gekrümmte Wege, doch ein Ziel. Erinne- rungen eines deutsch-israeli- schen Kommunisten, Ulm 2006, S. 20f. „Siegfried Spieß, ein Gleichaltriger, wohnte auf der anderen Straßen- seite gegenüber meinem Schlaf- zimmer. Sein Zimmer lag ungefähr 80 Meter entfernt. Seit wir zwölf waren, waren wir dicke Freunde und unternahmen allerlei Streiche. Wir beschäftigten uns mit Tischlerei, Mechanik, dem Bau von einfachen Radiogeräten und ähnlichen prak- tischen Dingen. Mit 15 bauten wir aus einem hölzernen Gestell, das mit silberfarbenem Stoff umspannt wurde, einen Zeppelin, der an Rollen an einem Kabel hing und zwi- schen unseren Zimmern hin und her gezogen werden konnte. In dieser Zeppelin-Gondel schickten wir uns gegenseitig Briefe, Süßigkeiten und andere schöne Sachen. Dann verbanden wir unsere Zimmer mit einem Telefonkabel und beschafften uns alte Telefonapparate mit Hand- kurbel. Fortan führten wir über diese Privatleitung oft bis spät in die Nacht lange Gespräche oder hörten gemeinsam über das Telefon Radiosendungen. Kurz nach der Hans Lebrecht um 1930, F. M. Pozniak. Machtübernahme der Nazis kappte Siegfried die Kabel des Zeppelins Ausschluss aus der „Volksgemein- Antisemitismus bis in die Kinder- und des Telefons. Wenn wir uns schaft“: Antisemitische und politi- zimmer aus. sche Verfolgung Parallel dazu schalteten die Natio- auf der Straße trafen, blickte er zur Die ungezügelte Propaganda-Offen- nalsozialisten innerhalb kürzester anderen Seite.“ sive der Nationalsozialisten verband Zeit politische Gegner aus. Auch sich von Anfang an mit offenem Terror in Ulm wurden Kommunisten und gegen politisch Andersdenkende und Sozialdemokraten schon in den dem Ausschluss gesellschaftlicher ersten Wochen nach der Macht- Gruppen. Die Bevölkerung wurde übernahme mit großer Brutalität zweigeteilt. In ein unvereinbares verfolgt. Die Organe und Organisati- Gegenüber von nützlich und unnütz, onen der Arbeiterschaft wurden zer- Erich Kunter, Weltreise nach gesund und krank, „Volksgenossen“ schlagen, aufgelöst und ihr Eigentum Dachau, Bad Wildbach 1947, und Juden, marxistischen Staats- beschlagnahmt. Auf der Grundlage S. 260 feinden und politisch einwandfreien der „Reichstagsbrandverordnung“ Deutschen. Unmittelbar nach der vom 28. Februar konnten politisch „Ich weiß, unser Elend und Jammer Machtübernahme wurde der Anti- Unliebsame „präventiv“ inhaftiert im Kuhberg war nur ein ´Vorspiel´ semitismus zur Staatsdoktrin und und ohne Justizurteil in die seit März dessen, was später kam, ein Teil der Regierungspolitik, setzte die 1933 eingerichteten frühen Konzent- Nadelstich verglichen mit dem, systematische Diskriminierung und rationslager verschleppt werden. Von was ihr Kameraden in den letzten Entrechtung der jüdischen Bürger November 1933 bis Juli 1935 war im auch in Ulm ein. Juden und Personen Fort Oberer Kuhberg in Ulm ein sol- Jahren vor dem Zusammenbruch in jüdischer Herkunft wurden bereits cher rechtsfreier Raum für das Land den Lagern erlitten habt. Aber das, im Frühjahr 1933 aus Vereinen und Württemberg eingerichtet. In diesem was uns angetan wurde, genügte Verbänden ausgeschlossen. Die wirt- Landes-KZ waren etwa 600 Männer bereits, um das Gewaltsystem der schaftliche Verdrängung setzte mit vorwiegend aus der württember- Nazis als das menschenunwürdigste dem Boykott jüdischer Geschäfte, gischen Arbeiterbewegung unter Warenhäuser, Kanzleien und Arzt- unmenschlichen Bedingungen inhaf- aller Systeme anzuprangern, die den praxen im März/April 1933 ein. Schon tiert. Völkern bisher zu Teil wurden.“ früh wirkte sich der gesellschaftliche

6 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 7 Das bislang unbekannte Tagebuch des Heuberghäftlings Robert Carius Ein Trauma, das nie verging

Das Tagebuch des Heidenheimer Carius überließ es sowie einige wei- Robert Carius gibt einen unver- tere Dokumente 2011 dem Archiv fälschten Eindruck davon, wie der des Dokumentationszentrums zur direkt einsetzende politische Terror Reproduktion und war – mit weiteren von einem nicht prominenten Familienmitgliedern – zu Gast bei Opfer erlebt und erlitten wurde. der Lesung am 27.1.2013 in der KZ- Gedenkstätte. Nicola Wenge Historische Hintergründe Direkt nach der Machtübertragung Robert Carius, 1909 in Heidenheim an die Nationalsozialisten setzte die geboren, machte nach der Schule Verfolgung der politischen Oppo- eine Malerausbildung und trat 1930 sition ein. Allein im März und April dem Reichsbanner Schwarz-Rot- 1933 wurden reichsweit rund 35.000 Gold bei, einem der Sozialdemo- Personen von Polizei, SA und SS in kratie nahe stehenden Kampfbund „Schutzhaft“ genommen. Sie waren zur Verteidigung der Republik. Im damit staatlicher Willkür ohne jeden März 1933 wurde das Reichsbanner Rechtsbeistand ausgeliefert. In verboten, seine Mitglieder verfolgt. Robert Carius 1933, A-DZOK Württemberg waren es in den ersten Robert Carius wurde am 27. März Monaten nach der Machtübernahme gemeinsam mit seinem Bruder über 3000 Menschen. Zu den ersten Gustav und seinem Freund Fritz Opfern gehörten vor allem Kom- Lochstampfer verhaftet. Er war Und er schilderte auch – in einfa- munisten, Sozialdemokraten und zunächst für vier Wochen im Ulmer chen Worten – seinen Haftalltag, Gewerkschafter, aber auch persön- Garnisonsgefängnis in der Frauen- die Bedrängnisse durch das Wach- liche Gegner lokaler NS-Funktionäre. straße 134 eingesperrt, bevor er am personal, seine Gefühle und Emp- Sie wurden in ihren Heimatorten 24. April 1933 in das KZ Heuberg bei findungen. Diese Aufzeichnungen festgenommen und von dort in Stetten am Kalten Markt gebracht bewahrte Robert Carius nach seiner Sammeltransporten in „Schutz- und für weitere zwei Monate ohne Entlassung auf. Als er 1941 als Wehr- haftabteilungen“ von Polizei- und Gerichtsverfahren festgehalten machtssoldat fiel, ging das Tagebuch Justizhaftanstalten wie das Ulmer wurde. Während seiner dreimona- zunächst an seinen ältesten Bruder Garnisonsarresthaus gebracht bzw. tigen Haftzeit von März bis Juni 1933 und dann vom ältesten auf den direkt in eines der etwa 70 frühen führte Robert Carius heimlich Tage- jeweils nächstältesten weiter, bis Konzentrationslager eingesperrt und buch. Darin nannte er die Namen die jüngste Schwester Else das Tage- gefoltert. Mehrere hundert Inhaf- von Mitgefangenen und Wärtern. buch ihrem Neffen Rolf übergab. Rolf tierte wurden in den ersten Wochen

Zeichnung der Häftlingsunterkunft im KZ Heuberg von Robert Carius, A-DZOK

6 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 7 und Monaten nach der Machtüber- nahme ohne Gerichtsurteil ermordet. Der entfesselte Terror sollte die Bevölkerung einschüchtern und den politischen Widerstand zerschlagen. Rasch wurden diese Lager zum Syn- onym für den Staatsterror.

Das frühe KZ Heuberg bei Stetten am Kalten Markt So auch das frühe Konzentrations- lager Heuberg bei Stetten am Kalten Markt. Es wurde auf Geheiß des württembergischen Innenministers Frick und des Reichskommissars für das württembergische Polizeiwesen Dietrich von Jagow am 20. März 1933 in Betrieb genommen. Es war eines Anna Ohanglu und Rafeael Reuther von der Jugendgruppe des DZOK lesen aus dem Tagebuch, der großen, im April 1933 sogar das 27. Januar 2013, Foto: Oliver Schulz, swp größte „Schutzhaftlager“ im Deut- schen Reich. Zum Lager umfunk- tioniert wurde ein 1910 errichteter am Heuberg wurden Spitzel in die seelischen Misshandlung in seinen Truppenübungsplatz auf den kargen Unterkünfte eingeschleust, was zu Anfängen schon stark ausgebildet“. Höhen der Schwäbischen Alb. einer allgemeinen Atmosphäre der Gewalt wurde willkürlich ausgeübt Robert Carius beschrieb das Lager Unsicherheit und des Misstrauens und war selten einer konkreten Tat als „ganze Ortschaft“. Hier waren führte. Anders als in den späteren von Seiten der Häftlinge zuzuordnen. von März 1933 bis Dezember 1933 KZ gab es noch keine getrennten Es gibt Hinweise auf eine Reihe von etwa 3.000 Männer inhaftiert. Zonen für Häftlinge und Wachmann- Todesopfern im Lager, aber es kann Das Lager unterstand dem Stutt- schaften. Täter und Opfer waren am nur ein Mord an dem jüdischen Häft- garter Polizeipräsidium und ab Heuberg in denselben Steinhäusern ling Simon Leibowitz nachgewiesen Ende April 1933 der eigenständigen untergebracht. Misshandlungen werden. Kranke Häftlinge wurden Abteilung „Württembergische der Häftlinge fanden sowohl in eher entlassen, als sie im KZ sterben Politische Polizei“. Die Bewachung (Verhör-)Räumen auf dem Speicher zu lassen. Auf dem Heuberg war der des Lagers übernahm zunächst die dieser Häuser oder im Keller der Tod der Häftlinge also kein direktes württembergische Schutzpolizei. Kommandantur, aber auch auf den Ziel, auch wenn täglich mit ihm Sie wurde im April von SA-Wach- Höfen bei den Brunnen oder in den gedroht wurde. mannschaften abgelöst. Dies hing Treppenhäusern statt. Todesdro- mit einem Wechsel der Lagerkom- hungen gehörten schon am Heuberg Entlassung mandantur zusammen. Während zur Tagesordnung. Zonen relativer So gingen die Häftlinge trotz der der erste Lagerleiter Gustav Reich Sicherheit stellten am ehesten noch Gewalt im Lager grundsätzlich von ein ehemaliger Polizeioberst war, die Schlafräume dar. Doch auch hier ihrer eigenen Entlassung aus. Dabei übernahm Mitte April der stellver- waren die Häftlinge alltäglichen Schi- war ihnen jedoch gänzlich unklar, tretende NSDAP-Kreisleiter und SA- kanen der Wachleute ausgesetzt. Für wann diese Entlassung stattfinden Führer Oberstleutnant Karl Buck aus die Lagermacht war die Erniedrigung würde, denn eine wesentliche Welzheim die Lagerkommandantur. Selbstzweck. Schikane der Machthaber lag darin, Sein Amtsantritt führte zu einer die Gefangenen über den Zeitpunkt Verschärfung der Haftbedingungen, Mangelernährung, Zwangsarbeit ihrer Entlassung im Unklaren zu wie zahlreiche Häftlingsberichte und Misshandlungen lassen. Die durchschnittliche Haft- über Misshandlungen und Schikanen Zu dieser Erniedrigung gehörte auch zeit auf dem Heuberg lag bei etwa belegen. eine mangelhafte, unzureichende drei Monaten, so auch bei Robert Ernährung bei gleichzeitiger harter Carius. Bei ihrer Entlassung wurden Häftlingsunterkünfte körperlicher Zwangsarbeit. Robert die Häftlinge, unter ihnen Robert Robert Carius wurde am 24. April 1933 Carius berichtet etwa von Tagen und Gustav Carius, unter Androhung am „Heuberg“ eingeliefert. Unmit- mit 10-stündigen Arbeitseinsätzen, einer erneuten Inhaftierung ver- telbar danach wurde er von seinem in denen er mit einer Bohnensuppe pflichtet, nichts über ihre Erlebnisse Freund Fritz und den ihm bekannten auskommen musste. Drangsal im KZ nach außen zu tragen und sie Mithäftlingen aus Ulm getrennt und brachte aber auch erzwungene mussten sich nach ihrer Entlassung allein in Block 38 untergebracht, Nichtarbeit, denn wer nicht zur Arbeit regelmäßig bei der Polizei melden. in einem der zweigeschossigen eingeteilt wurde, musste ohne jede Für viele Häftlinge zog die Haftzeit Kasernenbauten aus Stein, die aus Beschäftigung auf der Stube bleiben soziale Stigmatisierung und wirt- jeweils sechs Räumen bestanden. oder wurde zu stupiden Strafarbeiten schaftliche Bedrängnis nach sich. Carius´ Stube war – wie die übrigen herangezogen. Der ehemalige Nachbarn und ehemalige Freunde am Heuberg – mit Eisenbetten und Heuberg-Häftling Erich Rossmann zogen sich zurück, einen Arbeitsplatz Strohsäcken sowie Spinden aus schrieb zum Lageralltag am Heu- zu finden war äußerst schwierig. der Militärzeit ausgestattet. In den berg: „Das Leben der Lagerinsassen Und nur wenige sprachen im Famili- Räumen musste peinlich Ordnung war damals noch in keine satanische enkreis über ihre Erlebnisse auf dem gehalten werden. Stubenälteste Ordnung gebracht, wie ich es später Heuberg, so auch Gustav Carius, der hatten in den Häftlingsunterkünften in Sachsenhausen beobachten Verfolgung und Krieg überlebte. Er bereits eine gewisse Machtfülle, konnte. Doch war das System des litt wie viele Mithäftlinge sein Leben wenn auch nicht so umfänglich Quälens, der Einschüchterung, der lang unter dem, was ihm am Heu- wie in späteren Lagern, und schon Demütigung, der körperlichen und berg zugefügt worden war.

8 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 9 Auszüge aus dem Tagebuch von Robert Carius

25. März 1933: Abends sagte die Polizei hat nur den Aus- 4. Juni: Pfingsten hinter Sta- ein Nazi zu Fritz und mir: „Am bildungsdienst. Heute ist eine cheldraht. Heute ist wunder- Montag holt man euch!“ Kommission hier, daher das volles Wetter und eingesperrt. Essen etwas besser. Da bin 27. März: Heute Morgen um 5 ich wenigstens einmal satt 7. Juni Arbeitsdienst. Als Uhr sind Gustav und ich aus dem geworden, was sonst nicht der ich zurück kam auf meine Bude, Bett heraus verhaftet worden. Fall ist. wie sah es da aus! Unser neuer Vor unserem Haus standen Nazis. Wachhabender Sturmführer Bött- Wir selber wurden von Schutz- 27. April: Heute habe ich Stu- cher riss ein paar Mal die leuten geholt. Unter starker bendienst. Habe auch 6 Stunden Betten herunter. Die Wasch- Bewachung wurden wir in das Arbeitsdienst gemacht; beim schüsseln flogen in der Stube Gendarmerie-Gebäude eingelie- Sanatorium Steine wegführen. herum, sowie die Essnäpfe. Ein fert. Dort kamen ungefähr 50 Abends Bohnensuppe. O Bohnen, paar Leute bekamen Schläge von Mann zusammen. Um 9 Uhr ging es wo seid ihr! Bin halt immer ihm und mussten dann im Hof mit den Ellwanger Polizeiautos hungrig. Bekomme gerade noch Steine zusammen lesen. unter starker Bewachung nach die Hälfte von dem in Ulm. 8. Juni: Jetzt müssen wir im Herbrechtingen, wo die Sammel- 28. April: Nachmittags Arbeits- Arbeitsdienst von 6 bis 11 und stelle ist. Um 11 Uhr wurden wir dienst. Herr Bock will uns von 1 bis 6 Uhr arbeiten. Um auf Lieferwagen verladen, da immer schlauchen. Er ist meis- 1 Schwarzwurst und 250 Gramm war die Bewachung noch stärker. tens im Rausch. Brot. Das ist unmenschlich. Das In Ulm kamen wir um 1 Uhr an und Essen ist wieder mal schlecht. mussten noch eine halbe Stunde 29 April: Heute ist wieder ein auf dem Auto sitzen bleiben. Um Regentag. Heute kamen 200 SA- 10. Juni: Es ist jetzt drei zwei Uhr bekamen wir zu essen, Leute weg, unser Wachtmeister Wochen Schreibverbot, weil was ein jeder begrüßte, es gab ist auch dabei. Jetzt sind wir sie im Bau 19 versucht haben Linsenbrei. O Strohsack wie vollends unter der Kuratel des sollen, einen Brief herauszu- hart bist Du! Geschlafen habe Saufbolds Bock. Jeden Abend schmuggeln. ich nicht viel. muss man antreten, ob alle noch da sind. 13. Juni: Arbeitsdienst. Es 23. April: Morgen früh geht‘s ging ein grüner Wachmeister 1 Mai 33: An unserem Nachbar- auf den Heuberg. Habe heute mit, weil wir über hundert Mann gebäude steht groß „Heil dem Nacht nicht geschlafen. sind. Es wurde alles genau abge- deutschen Arbeiter“ und wir zählt. Wer austreten muss, muss 24. April: Um 3/4 6 Uhr kamen sind eingesperrt! 3 Omnibusse in den Hof und um zuerst einen Posten fragen. 6 Uhr ging die Fahrt los. Um 13. Mai: Heute Mittag war Andernfalls wird sofort scharf 3/4 11 Uhr kamen wir oben am Haussuchung. Das ganze Zimmer geschossen, ohne Warnung. musste auf den Abort - in der Heuberg an und wurden dann in 15 Juni: Heute muss man den 2 Glieder gestellt. Von einem Zwischenzeit wurde das Zimmer gründlich durchsucht. Volkszählungszettel ausfüllen. Schupo wurden uns dann die Ver- Dass man das von uns noch ver- haltensregeln verlesen, ganz 15. Mai: Heute gab es Brot langt. Wir sind doch hier im barsch und unfreundlich. Ein zum Kotzen, so schlecht und Lager die ganze Zeit Russen und krummer Hund. Unsere Kamerad- stinkig. In unserer Stube ist wir gehören gleich erschossen. schaft wurde ganz auseinander es so, dass keiner dem anderen gerissen. Ich kam in Block 38, trauen kann. 21. Juni. Um 1/2 12 Uhr kam ein Zimmer 1. Es sind im ganzen 26 Wachmann und sagte, ich solle andere Häftlinge drin, lauter 17. Mai: Ein Wachposten schrie meine Sachen packen, ich würde Stuttgarter K.P.D. Leute. Wo einmal herein als ich zu nah entlassen. Ich konnte es kaum Fritz ist weiß ich nicht. Das ans Fenster kam: Geh vom glauben. Von unserem Bau waren Essen ist scheußlich. Die Bewa- Fenster weg oder ich schieße! wir 7 Mann, zu meinem Glück chung ist furchtbar stark, Es gibt auch Anständige, aber ist Fritz auch dabei. Um 1/2 lauter Hilfspolizei in Schupo- ganz, ganz wenige. 3 Uhr wurden wir vom Bau 16 Kitteln. Da wird man in einem 25 Mai Himmelfahrt: Wie immer abgeführt, wir fahren mit dem Ton angebrüllt und muss sich schlechtes Wetter, es ist heute Polizeiauto bis nach Cannstatt alles gefallen lassen. O Ulm, wieder richtig kalt. und von dort mit dem Zug voll- wie warst du schön. ends heim. Dann ging es zur 31. Mai: Heute beim Austreten Kommandantur. Beim Kommandanten 25 April: Um 3/4 6 Uhr schrie sagte der Wachhabende Weiß zu bekamen wir die Verhaltungsmaß- man „Aufstehen“, was mir gar einem Heidenheimer: „Die Hei- regeln vorgelesen und mussten nichts ausmachte, weil ich denheimer gehören alle an die unterschreiben. Mutter war ganz sowieso nicht gut schlief, die Wand gestellt.“ Er ist eine überrascht, als sie mich sah. Um Betten sind noch schlechter als regelrechte Ausgeburt der 10 Uhr stellten wir uns bei der in Ulm. Hölle. Polizei vor. Polizeirat Kohl 26. April: Den ganzen Tag gab uns unsere Verhaltensmaß- 1 Juni: Die Tage sind so ein- schlechtes Wetter. Nachmittags regeln bekannt und sagte, dass tönig. Man hat zu nichts mehr musste ich im Arbeitsdienst am wir bis auf weiteres bewacht Lust als zum Essen und das Sanatorium einen Garten machen. werden. Alle 3 Tage muss ich langt nirgends hin. Mich hat der Truppführer (Grab- mich bei der Polizei melden. herr) ziemlich dick, weil ich 3 Juni: Die elektrischen Birnen beim Reichsbanner bin, die wurden auch herausgedreht. Man will er besonders hochnehmen. sagte: Ihr braucht kein Licht Wir haben lauter Naziwachen, mehr. Auswahl: Theresa Rodewald

8 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 9 Der Boykott jüdischer Geschäfte als Auftakt zu Vertreibung und Vernichtung „Deutscher, kaufe nicht beim Juden!“

Die authentischen Orte der Drang- salierung und Verfolgung der Juden sind aus dem Ulmer Stadt- bild weitgehend verschwunden. Silvester Lechner begibt sich auf die lokale Spurensuche nach dem Antisemitismus, der den „Kitt“ für die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ bildete und dem Holocaust den ideologischen Boden bereitete.

Silvester Lechner

Wer in Ulm heute nach Namen und Daten der jüdischen Gemeinde sucht, die im Nationalsozialismus entrechtet und vernichtet wurde, ist auf Bücher wie das Gedenkbuch von Ingo Bergmann angewiesen. Oder sie/er geht auf den Neuen Friedhof an der Stuttgarter Straße und schaut sich dort in dessen Südwest-Ecke Das Kaufhaus „Wohlwert/Volksbedarf“ in einer Innenansicht aus den 1920er Jahren. Das vom Por- die verwitterten jüdischen Namen zellan bis zu Lebensmitteln reichende Warenangebot und die Preisgestaltung waren in Ulm neu, fast auf den Grabsteinen an. Die Häuser revolutionär. Das Kaufhaus befand sich in der Langen Straße 20, ungefähr am Platz des heutigen jedoch, in denen die Ulmer Jüdinnen Weishaupt-Museums. (Archiv-Angaben) und Juden lebten und arbeiteten, sind der unmittelbaren Anschauung entzogen. Viel wurde im Bomben- abgeschlossen war. Für die christ- positiven Grundlagen in den Köpfen krieg zerstört, viel ist Neubauten liche Mehrheitsgesellschaft sollte und im Verhalten der Mehrheitsbe- gewichen. So ist es heute schwer nach drei Generationen wirtschaftli- völkerung zu beseitigen, war der sichtbar zu machen, welche Örtlich- cher Präsenz (seit etwa 1848) und eigentliche Sinn der Boykottaktionen. keiten es betraf, als vor 80 Jahren, zwei Generationen der rechtlichen Antisemitismus wurde zum Kitt der im März und April 1933, die Nazis Gleichstellung (seit 1871) jüdischer propagierten „nationalsozialistischen reichsweit zum „Boykott“ prinzipiell Nachbarn die Unterscheidung von Volksgemeinschaft“. aller „jüdischen Geschäfte, Firmen, „deutsch“ und „jüdisch“ im Alltag Anwaltskanzleien, Arztpraxen“ auf- neu etabliert und „der Jude“ als „Argumente“ und Erscheinungs- gerufen hatten. Auch im Rückblick Feind in der Nachbarschaft erkennbar formen der Boykott-Aktionen in Ulm scheinen diese Ereignisse zu ver- werden. Zwar blieb auch in Ulm in Die Nazi-Propaganda rund um den 1. blassen: Einerseits angesichts des den Jahrzehnten seit der staatsbür- April 1933 wurde reichsweit von der Vernichtungs-Antisemitismus der gerlichen Gleichstellung der Juden NSDAP mit „Aktionsleiter“ Julius Nazis und seiner Massenmorde, der Antisemitismus politisch-ideolo- Streicher und regional von einem andererseits angesichts der fast gisch im völkisch-nationalistischen Ulmer „Aktionskomitee der NSDAP- zeitgleichen Zerstörungsakte an der Milieu immer vorhanden. In den Kreisleitung in der Frauenstraße 12“ Weimarer Demokratie mit der Eta- Köpfen der Mehrheit jedoch waren organisiert. Die Parteipresse, die blierung des KZ-Systems und den antisemitische Vorurteile zunehmend nach dem Aufstieg der NSDAP zur Ermächtigungs- und Gleichschal- durch die alltägliche praktische Erfah- Massenpartei im September 1930 tungsgesetzen. Und doch ist die rung überlagert worden, dass frau/ flächendeckend im Deutschen Erinnerung an den Boykott zentral. man „bei den Juden“ gut und reell Reich entstand, hatte die späteren einkaufen könne. Damit waren unter Aktionen propagandistisch vorbe- Zerstörung der Existenzgrundlagen den etwa 100 Erwerbsbetrieben in reitet, so auch der „Ulmer Sturm“ – erste Stufe der „Endlösung“ Ulm Einzelhändler „en gros“ und als regionales Parteiorgan. Dort In doppelter Hinsicht war diese „en detail“ wie Erlanger, Hilb oder hieß es z. B. am 5.12.1931: „Zur Aktion die erste Stufe zu Vertreibung Weglein ebenso gemeint wie die deutschen Weihnacht kauft man und Vernichtung der deutschen für den kleinen Geldbeutel hoch deutsche Waren beim deutschen Juden, die nur zehn Jahre später attraktiven Kaufhäuser wie Landauer, Geschäftsmann.“ Besonders im vollzogen war. Für die Minderheit Tietz, Wohlwert. Auch Anwaltskanz- Visier der antisemitischen Hetze vor der Juden im Jahr 1933 war der leien wie die von Leopold Hirsch, 1933 und auch der ersten Ulmer Boykott der Auftakt für die Zerstö- Siegfried Mann und Ernst Moos oder Boykottaktion vom 11. März 1933 rung der materiellen Lebensgrund- Arztpraxen wie die von Gottfried waren Warenhäuser wie Wohlwert, lagen, die mit der „Verordnung zur Neuhaus und Siegmar Ury lieferten Landauer oder Tietz. Warenhäuser, Ausschaltung der Juden aus der reale Gegenerfahrungen zu antise- die aus den Großstädten wie Berlin deutschen Wirtschaft“ (12.11.1938) mitischen Vorurteils-Traditionen. Die kommend, in der Weimarer Zeit

10 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 11 auch in Ulm auftauchten und deren hinderten die „Volksgenossen“ wollen der ausländischen Presse Besitzer mehrheitlich Juden waren, am Einkauf. Bewusst wurden zwei war noch nötig. Trotzdem war zwei- waren der Inbegriff der Modernisie- Samstage als Haupteinkaufstage, der erlei erreicht: das Selbstverständnis rung von Geschäftsmethoden und 11. März und der 1. April, für diese jüdischer Menschen als deutsche Konsumentenverhalten. Und sie Aktionen gewählt. Zwei „Hauptargu- Staatsbürger war tief erschüttert und waren tatsächlich eine Konkurrenz mente“ wurden ständig wiederholt: das Bild des feindlichen Juden war in für mittelständische Besitzer – aller- das der ökonomischen Konkurrenz den Köpfen der Nichtjuden etabliert. dings für jüdische wie nichtjüdische und das der „Greuel-Propaganda“ Diese Momente wurden nun konti- gleichermaßen. Am 13. März 33 hieß des „internationalen Judentums“. nuierlich ausgebaut. es dann im „Ulmer Sturm“: „Volks- Beide Male werden sowohl der „bie- zorn gegen Juda. Das deutsche Ulm dere deutsche Kaufmann“ als auch verlangt Schließung der jüdischen das nationalsozialistische Deutsch- Ramschgeschäfte“. Um den 1. April land als Opfer dargestellt; die Boy- Lücken in der Lokalhistorie schloss sich auch das vormals bür- kottaktionen als Akt der Verteidigung In der Geschichtsschreibung zur Ulmer gerliche „Ulmer Tagblatt“ der NS- und Selbstbehauptung. Stadtgeschichte fehlen: eine Gesamt- Staatsaktion an und beteiligte sich an Parteioffiziell wurden die Aktionen darstellung der wirtschaftlichen Präsenz den Boykottaufrufen. nach dem 1. April zwar als dys- von Juden in Ulm seit dem 19. Jahrhun- Nun wurden Parolen wie, „Kauft funktional für den NS-Staat erkannt dert und eine Darstellung von Vertrei- nicht beim Juden“, systematisch an und abgeblasen, denn schließlich bung, Liquidierung und Arisierung Ulmer Schaufenster „jüdischer Geschäfte“ arbeiteten in Firmen von Juden auch Gewerbebetriebe 1933 bis 1939. geschmiert, uniformierte SA-Männer Nichtjuden, und ein gewisses Wohl-

Ehemalige jüdische Bürger im DZOK und ihr Blick auf das neue jüdische Leben in Ulm „Ein Anfang, wieder einmal“

Bereits zum fünften Mal hat die Archiv und die Bibliothek. Die bereit Stadt Ulm ihre früheren jüdischen liegenden historischen Fotos ließen Bürgerinnen und Bürger, die in so manche Erinnerung lebendig der Emigration die Shoa überlebt werden. haben, in ihre einstige Heimat- 55 Gäste waren der Einladung der stadt eingeladen. Das DZOK war Stadt Ulm gefolgt, davon immerhin Bestandteil ihres Besuchspro- 20 ehemalige „Ulmer“, begleitet gramms, das mit der Eröffnung der durch Familienangehörige auf ihrer Synagoge am 2. Dezember einen emotional gewiss nicht einfachen besonderen Höhepunkt hatte. „Für Reise in die frühere Heimat. Ent- mich als alten Ulmer ist es sehr sprechend dicht war der Veranstal- wichtig, dass es hier wieder eine tungsbereich in der „Büchse 13“ jüdische Gemeinde gibt“, erklärte besetzt, wo an besagtem Morgen Henny Rosenberg, geb. Mann, aus Argentinien (li.) und Nicola Tautscher, Großbritannien (re.) der Neunzigjährige Gerard Moos, dann doch einige unvorhergesehene freuten sich anlässlich der Eröffnung der Syna- einer der Zeitzeugen und selbst Dinge passierten. Denn da vielen der goge endlich einander persönlich zu begegnen. NS-Verfolgter, am Rande. Gäste nach Interaktion zumute war, Obwohl sie verwandt sind, hatten sie sich entwickelte sich der Kurzvortrag vorher noch nie getroffen. A-DZOK Thomas Vogel stellenweise zu einem äußerst anre- genden Gespräch. Naturgemäß stießen die Ausfüh- Es wird nicht mehr viele Gelegen- rungen der DZOK-Leiterin bei denen „Moos-Clan“ waren persönlich heiten geben, wie diese für DZOK- auf das stärkste Interesse, welchen anwesend. Hellhörig wurden einige Leiterin Nicola Wenge, an einem Tag die Einrichtung bislang gänzlich nicht minder, als der Name der Fil- gleich 20 Zeitzeugen der NS-Herr- unbekannt war. Dass sich das DZOK memacherin Sibylle Tiedemann fiel. schaft – und allesamt selbst von der gerade auch mit der jüdischen Ver- Da war bei einigen Vorfreude auf Verfolgung betroffene – begrüßen zu gangenheit beschäftigt, wurde von das Wiedersehen spürbar, das gleich können. In diesem Sinne war es ein den Gästen mit besonderer Genug- im Anschluss beim gemeinsamen ganz besonders kostbarer und für tuung wahrgenommen. Als Nicola Mittagessen im Einsteinhaus dann die eigene Einrichtung gewiss denk- Wenge in ihrer Ansprache Alfred stattfand. würdiger Moment. In einer kurzen Moos erwähnte, einen der wenigen Ann Dorzback, 91, stach in Tiede- Präsentation stellte sie dann den nach Ulm zurückgekehrten Juden, manns Dokumentarfilm „Kinderland Gästen das Dokuzentrum und seine wurde dies im Plenum mit heftigem ist abgebrannt“ – über eine der Funktionen und Aufgaben vor, im Kopfnicken quittiert – viele kannten letzten Ulmer Schulklassen, in wel- Anschluss gab es Führungen durchs ihn persönlich, und etliche aus dem cher in den Anfängen der NS-Dik-

10 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 11 „Jemand, der ein Gotteshaus abbrennt, hat auch keinen Respekt vor Menschenleben“, habe ihr Vater nach der Reichpogromnacht gesagt, fährt die rüstige Seniorin dann fort. Wallersteiners brachen, als sie 17 war, in Ulm ihre Zelte ab. Sie konnten in die USA emigrieren, wo die Tochter dieser einst in Ulm hoch angesehenen Familie bis heute lebt. Lange habe sie gebraucht, bis ihr Leben wieder eine Balance gefunden habe. Traumatische Konsequenzen hatte der reichsweit inszenierte Pogrom von 1938 gegen jüdische Personen und Einrichtungen auch für Gerard Moos (Jg. 1922), der danach ins KZ Dachau verschleppt wurde, wo er über drei Wochen verbringen musste. Der Familie ist die Rettung gelungen, Ann Dorzback, geb. Wallersteiner, konnte viele detaillierte Fragen zu ehemaligen Mitschülerinnen und die Wiedervereinigung habe dann jüdischen Freunden und Bekannten beantworten. A-DZOK in New York statt gefunden. Moos, entfernter Verwandter von Albert Einstein, war sechs Jahre in der tatur noch jüdische und nichtjüdische Dorzback, geborene Wallersteiner englische Armee und später dann in Mädchen eine zeitlang gemeinsam (Ulmer Textilfabrikant), hinterher. den USA als Wirtschaftsprüfer tätig, unterrichtet wurden, bis dies unter- „Meine Mutter erlebt dann Gefühle, er lebt heute in Miami und ist Mit- bunden wurde – besonders heraus. wie sie sie als Kind hatte. Wenn sie glied in einer der liberalen jüdischen Zum einen durch ihr schwäbisches Ulm besucht, wird sie selbst wieder Gemeinden dort. Idiom, das sie über die Jahrzehnte ein Stück weit zum Kind“, fand ihr hinweg bewahrt hatte, zum andern Sohn Robert den Grund dafür heraus: aber auch durch den flackernden, „Es gibt ihr ein gutes Gefühl“. Als längst nicht erloschenen Zorn wegen ein Leben in Sicherheit und Gebor- der in ihren letzten Ulmer Jahren genheit habe sie ihre Kindheit in Ulm erlittenen Niederträchtigkeiten und in Erinnerung behalten, fügt seine Gemeinheiten. Mutter hinzu. Doch ebenso präsent Jetzt saß sie unter den Gästen und ist, wie es ihr den Boden wegzog, teilte bereitwillig ihre Erinnerungen als sie 16, 17 war und der Naziterror mit. Gerade auch von Töchtern und immer brutaler wurde. „Mir warat Söhnen und Enkeln dieser Zeitzeugen doch Ulmer Bürger. Zufällig waret wurde nach den Ereignissen nach mer Juda. Aber mir warat doch 1933 gefragt, deretwegen sie nicht vorher voll integriert,“ erklärt sie Der aus den USA angereiste Gast Bernhard in Ulm und nicht in Deutschland, son- auf Schwäbisch, um gleich noch zu Eckstein (rechts) im Gespräch mit Vorstands- mitglied Hansjörg Greimel über seine Zeit als dern in den USA, in Südamerika oder anzumahnen, mit ihr doch am besten Schüler im Jüdischen Landschulheim Herr- anderswo aufgewachsen sind. nicht auf Englisch, sondern in ihrer lingen. A-DZOK An die 20 Mal schon sei sie nach Muttersprache und am besten im 1945 wieder in Ulm gewesen, erzählt vertrauten Dialekt zu reden. Wie er es denn sieht, dass die neue Synagoge in Ulm der Orthodoxie verpflichtet ist? Moos macht eine wegwischende Handbewegung, das sei doch nicht wichtig. Unter den Häftlingen in Dachau seien viele unterschiedliche Juden gewesen, „ob liberal oder orthodox, das inter- essierte niemand“. Dann sagt Moos noch: „Wichtig ist, dass es in Ulm wieder eine jüdische Gemeinde gibt und ein Gotteshaus fast am alten Platz - darauf bin ich sehr stolz, dafür bin ich der Stadt auch sehr dankbar.“ „Es ist ein Anfang, wieder einmal“, sagt Ann Dorzback zu dem Thema, dem Anlass der Einladung. „Wir fangen wieder von vorne an. Es ist keine Fortsetzung. Denn das, was war, das ist vernichtet.“ Und was die Voraussetzung sei, dass dieser Anfang gelingen könne? „Die Mit- Auf großes Interesse der Gäste stießen die Vorstellungen von Sibylle Tiedemann (rechts sitzend) und glieder der heutigen Gemeinde, die Marlis Glas (stehend) zu ihren künstlerischen Erinnerungsprojekten. A-DZOK müssen jetzt Sicherheit gewinnen.“

12 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 13 Eine denkwürdige Begegnung in einem Ulmer Hotel und ihre Hintergründe „Es ist doch Erev Shabbat“

Es ist über 30 Jahre her, da wurden lich gelang es, ihn in eine Gruppe Was bisher geschehen war, hatte die Gäste eines Ulmer Hotels mit einzubeziehen. Busfahrer sind kaum jemand im Restaurant wahrge- völlig unvermittelt Zeugen eines schließlich auch Multiplikatoren, wie nommen. Aber nun wurde es plötz- jüdischen Rituals. Konrad Pflug jeder Reiseleiter weiß. lich immer leiser, bis völlige Stille kann sich noch gut an die Situa- herrschte. Manche schauten wohl- tion erinnern – eine unerwartete, Es war eine besondere Gruppe, die wollend, viele aber sichtlich irritiert unausweichliche und plötzliche den Aufbruchsgeist nach dem Frie- auf diesen großen Mann, auf diese Konfrontation mit Juden und dem densvertrag von Camp David 1979 bunte Gruppe an der großen Tafel, Judentum in der Stadt. verkörperte: Juden unterschied- die zwei Kerzen, wo doch gar nicht lichster Herkunft, israelische Mus- Adventzeit war, und lauschten dieser Von Konrad Pflug lime, Drusen, Kopten, arabische und seltsamen Sprache. Ich gestehe, armenische Christen. Man fühlte sich ich war selbst völlig überrascht und auf gutem Weg zum künftigen fried- hielt den Atem an ob der möglichen Arie Hofstein lebte in Ramat Gan. lichen Zusammenleben. Organisator Reaktionen. Eigentlich kam er aus Polen. Aus war Professor Kalman Yaron sel. A., Lublin, wenn ich mich richtig erin- der Nachfolger von Martin Buber an Als Arie geendet hatte und das mehr- nere. Seine Lebensgeschichte steht der Hebräischen Universität. Er war stimmige „Amen!“ den Lauschenden für die vieler polnische Juden seiner ein Vertreter der kulturellen Verstän- etwas Orientierung gab, wandte er Generation: Aufgewachsen im jüdi- digung und des Ausgleichs in Lehre sich an die andern Gäste und erklärte schen Umfeld, mit der polnischen und Alltag. ihnen, was für eine Gruppe wir seien Armee vergeblich gegen die mit den und was sie, die Zuhörer, gerade Deutschen verbündete Sowjetarmee Erstes Ziel der Gruppe war München erlebt hatten. Nach nur ganz kurzem gekämpft, vor den Verfolgungen gewesen, wo sich die bayerischen Zögern gab es freundlichen, zustim- durch die Einsatzgruppen dann aber Kollegen der Gruppe annahmen. Dort menden Applaus und gute Wünsche doch in die Sowjetunion geflohen. übernahm ich sie am Morgen des 12. für die Zukunft des Landes. Dort ging er als Freiwilliger zur Roten Juni 1981, einem Freitag. Unser Armee, um seine Heimat wieder zu erster Programmpunkt war am Nach- Diese unverhoffte Begegnung war befreien. Als er 1945 als Sieger in mittag ein Informationsbesuch bei für alle Beteiligten eine wichtige seine Heimat zurückkehrte, wurde er der Bundeswehr in der Dornstädter Erfahrung, ganz im Buber‘schen jedoch mit dem im Krieg keineswegs Kaserne. Für beide Seiten eine span- Sinne. Sie verlangte im Augenblick erloschenen Antisemitismus in Polen nende Begegnung. Dann ging es am ganz persönliche Entscheidungen. konfrontiert. Für ihn war das eine tiefe frühen Abend in die Unterkunft, das Von Arie, so zu handeln, von der Enttäuschung. Er beschloss, nach Ulmer Hotel „Stern“. Gruppe, dies anzunehmen. Vor allem Palästina auszuwandern. Mit den aber von den Gästen, für die es nach üblichen Schwierigkeiten. Irgendwo Gegen 8 Uhr am Abend gab es das gut drei Jahrzehnten eine unerwar- bei Haifa schwamm er eines Nachts Abendessen. Das Lokal war gut tete, unausweichliche und plötzliche an Land und lernte dabei seine spä- besetzt, die Gäste überwiegend Konfrontation mit Juden und dem tere Frau kennen. Erst aber zog er gesetzteren Alters. Für uns war eine Judentum in der Stadt war: Wie halte wieder in den Krieg. Tafel an einer Wandseite gerichtet. ich‘s damit? Wie verhalte ich mich? Nach und nach fand sich die Gruppe Es gab keine Möglichkeit für sie, sich Arie focht im Unabhängigkeitskrieg, ein. Wie auch immer es kam, Arie darüber untereinander zu verstän- im Sieben-Tage- und im Yom-Kippur- hatte den Platz oben am Tisch inne. digen. Auch gab es keine Erfahrung Krieg. Er war kein Heißsporn. „Weißt Als alle saßen und die Bedienungen mehr damit, keine jüdische Tradition du“, so erzählte er mir bei der Anfahrt fragten, ob sie servieren könnten, mehr in Ulm. Und einige der Gäste auf Nazareth, „was ich meinem sagte Arie laut: „Ein Moment bitte.“ hatten sicher noch miterlebt, wie es Kommandeur damals gesagt habe: Er bückte sich, zog eine kleine Mappe „damals“ dazu gekommen war. „Auch wenn wir siegen, der wirk- hervor und stand auf. Arie war groß, Und es war bestimmt in Jahrzehnten liche Kampf ist erst gewonnen, wenn stark gebaut und verfügte über eine das einzige Mal, dass Juden in Ulm sie uns dort oben als Freunde emp- entsprechende Stimme: gemeinsam und öffentlich den Erev fangen.“ Arie sprach gutes Deutsch „Es sind doch einige Juden unter Shabbat begingen. mit einer unüberhörbaren jiddischen uns. Und für sie ist jetzt doch erev Grundfärbung. shabbat. Da wollen wir doch das Von Beruf war er Busfahrer. So lernte Beten nicht vergessen, wie es sich ich ihn kennen. Nach der zweiwö- gehört.“ Sprachs, zog eine kleine chigen Reise mit ihm durch Israel bestickte Decke und zwei kleine INFO im Herbst 1979 verkündete er der Leuchter mit Kerzen aus dem Konrad Pflug war bis 2011 Leiter der Reisegruppe: „Ich möchte gerne das Umschlag, breitete das Tuch aus und Abteilung „Demokratisches Engage- heutige Deutschland kennenlernen. entzündete die Lichter. Dann öffnete ment“ der Landeszentrale für Politische Vielleicht kann ich mal bei einer er ein kleines schwarzes Büchlein, Bildung Baden-Württemberg. In dieser Gruppe mitkommen?“ das auch in der Mappe war, blickte Funktion leitete er auch über viele Jahre Dieser Wunsch war Verpflichtung. Es in die Runde und begann mit seiner den Fachbereich Gedenkstättenarbeit. gab damals einen regen Austausch sonoren Stimme das Erev-Shabbat- Seit 2011 ist er Ehrenmitglied des von Gruppen über die Landeszen- Gebet. DZOK. tralen für politische Bildung. Tatsäch-

12 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 13 Zehn Jahre Stiftung Erinnerung Ulm – Anlass für einen Blick zurück und nach vorn Mut und neue Pfade

Der Jahrestag der Stiftung Erin- nerung war ein schönes Zeichen dafür, dass die Erinnerungsarbeit in Ulm von einem breiten bür- gerschaftlichen Geist getragen wird. Er bot Anlass, über laufende Projekte zu berichten. Die weiteste Anreise hatte ein Ehrengast aus New York.

Karin Jasbar und Nicola Wenge

Am 14. Februar 2013 beging die v. l. n. r.: Festrednerin Aleida Assmann, Nicola Wenge, Lutz-Rüdiger von Au, Ilse Winter, Silvester Stiftung Erinnerung Ulm den 10. Lechner, Marius Weinkauf, Karen Franklin, Wolfgang Keck und Ivo Gönner. A-DZOK Jahrestag ihrer Gründung. Ins Leben gerufen wurde sie, um langfristig Verantwortung für ihre Vergangen- von einem Ulmer Bürger gestiftet die Arbeit des Dokumentationszen- heit übernimmt, keine Selbstver- worden. Die Preisverleihung erfolgte trums abzusichern und Projekte zu ständlichkeit ist. Das Archivprojekt am 10. April im Lichtburg-Kino. unterstützen, die vor Ort die Bedeu- „Das materielle Erbe der Zeitzeugen Der Jahrestag hat gezeigt, dass tung von Demokratie, Toleranz und sichern“ (2012-2014) hat das Ziel, zum Gelingen der Erinnerungsarbeit Menschwürde vor historischem die Berichte und Zeugnisse zur NS- in Ulm viele Menschen aus unter- Hintergrund vermitteln. Stiftungsvor- Zeit der Öffentlichkeit noch besser schiedlichsten Zusammenhängen sitzende Ilse Winter nahm dies zum verfügbar zu machen, um in Zeiten, beitragen. Sinnbildlich hierfür war, Anlass den Unterstützern der Stif- in denen Geschichtsbilder stärker dass Ehrenstiftungsrätin Karen Fran- tung zu danken und die neuen Ehren- medial geprägt werden, konkrete klin eigens aus New York nach Ulm stiftungsräte sowie Stiftungsrat Wissensvermittlung am histori- kam, um zu gratulieren. Der Tag war Marius Weinkauf vorzustellen. Sie schen Ort unter Einsatz historischer ein guter Ansporn und Mutmacher zog gemeinsam mit Wolfgang Keck Quellen zu betreiben. Gleichzeitig für die Zukunft. Bilanz über die Entwicklung der Stif- setzt das DZOK weiterhin auf krea- tung und gab einen Überblick über tive pädagogische Zugänge, die den die geförderten Projekte. jüngeren Generationen emotionale Besonders wichtig war es der Brücken zwischen Vergangenheit Grußwort von Richard Meier, New Stiftung aber in die Zukunft zu bli- und Gegenwart bauen. Wie dies in York (verlesen von Karen Franklin) cken: Zu diesem Zweck hatten die der Einwanderungsstadt Ulm am „Die lange Zeit, die ich als Architekt Stiftungsgremien die renommierte sinnvollsten geschieht, ist Gegen- des Stadthauses mit diesem Bau- Kulturwissenschaftlerin Prof. Aleida stand des interkulturellen Projekts werk verbracht habe, bedeutet einen Assmann als Festrednerin einge- „Was geht mich Eure Geschichte ganz besonderen Teil meines Lebens laden, am Stiftungsjahrestag eine an?“ (2012-2014). Ein wichtiger und meiner Arbeit. In diesem Zusam- richtungsweisende Rede zu halten. Arbeitsschwerpunkt der kom- menhang bin ich auch sehr dankbar, Die Hochschullehrerin an der Univer- menden Jahre wird außerdem die dass die Stiftung Erinnerung weiter sität Konstanz wurde für ihre wissen- Arbeit gegen Rechts und für eine so aktiv dabei hilft, an die Schrecken schaftliche Leistung zu den Themen starke Zivilgesellschaft heute sein: des Holocaust zu erinnern und sie Erinnerungskultur und kollektives Angesichts der weiten Verbreitung pädagogisch an die nächsten Gene- Gedächtnisvielfach ausgezeichnet, menschenfeindlicher Einstellungen, rationen zu vermitteln. Die Abgründe u. a. 2009 mit dem Max Planck angesichts der Langlebigkeit ras- des Bösen in dieser Periode, die Forschungspreis für ihr Projekt sistischer, antisemitischer und anti- in diesen Tagen vor achtzig Jahren „Geschichte und Gedächtnis“. ziganistischer Stereotypen brauchen begann, bedeuten für uns alle eine Nicola Wenge skizzierte in ihrer Dop- wir auch in Ulm eine Vertiefung unauslöschliche historische und pelfunktion als Leiterin des Doku- der demokratischen Bildungs- und moralische Markierung. Ich versi- Zentrums und Stiftungsvorstand, Präventionsarbeit. Eine Arbeit, die chere Ihnen meine große Anerken- welche Aufgaben sich aus den kritische Geschichtsaufklärung und nung und Bewunderung für diese programmatischen Ausführungen Sensibilisierung für die Gefahren des Arbeit und grüße Sie alle herzlich.“ von Aleida Assmann für die künftige aktuellen Rechtsextremismus noch Arbeit des DZOK und die Stiftung enger miteinander verzahnt. Erinnerung Ulm ergeben und stellte Als zukunftsweisendes Signal gab INFO grundlegende Projekte der nächsten die Stiftung bekannt, dass sie anläss- Richard Meier, geb. 1934 in Newark, Jahre vor: Das Ausstellungspro- lich des 10. Stiftungsjahrestags New Jersey lebt und arbeitet als Archi- jekt „Erinnern in Ulm“ (Eröffnung: einmalig einen Förderpreis in Höhe tekt in New York, u. a. war er Architekt Nov. 2014) zeichnet die späte Her- von 5.000 Euro vergeben wird, um des Ulmer Stadthauses. Seit 1983 ist ausbildung einer demokratischen Nachwuchswissenschaftler darin Richard Meier Ehrenmitglied des Bundes Erinnerungskultur in Ulm nach und zu bestärken, neue Formen und Deutscher Architekten (BDA) und seit will dafür sensibilisieren, dass eine Pfade der Erinnerungskultur weiter ihrer Gründung Ehrenstiftungsrat der kritische Stadtgesellschaft, die die zu entwickeln. Das Geld hierzu war Stiftung Erinnerung Ulm.

14 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 15 Grußwort (Auszüge) von Karen Fran- ist. Im Blickwinkel der Vereinigten zentrums und sie sind wie ich tief klin, New York Staaten und ihrer Kommunen und berührt davon, dass nun wieder eine „Zehn Jahre sind es her, dass ich auch im Blickwinkel der amerikani- Synagoge errichtet wurde als Zen- der „Stiftung Erinnerung Ulm“ dazu schen Juden bedeutet diese Erin- trum eines neuen jüdischen Lebens gratuliert habe, in Gestalt einer nerungs-Arbeit außerordentlich viel. in Ulm.“ Stiftung Mittel aufzubringen, die es Als Gast-Kuratorin des New Yorker dem Ulmer Dokumentationszentrum „Museum of Jewish Heritage – A verstärkt möglich machen, das Erin- Living Memorial to the Holocaust“ nern an Verfolgung und Widerstand sehe ich den Wert für meine Arbeit, INFO in der Zeit des nationalsozialistischen aber auch für Familien, Studenten Karen Franklin lebt mit ihrem Mann und Regimes, und damit auch an den und Wissenschaftler vor allem drei Söhnen bei New York. Ein großer Teil Holocaust, nachhaltig fortzusetzen. darin, dass Sie Quellen und Doku- ihrer Vorfahren entstammt dem schwä- Das Dokumentations-Zentrum hat, mente prinzipiell weltweit verfügbar bischen und fränkischen Judentum, z. B. so scheint mir, weit mehr geleistet machen und als fortwirkendes Erbe der ehemaligen jüdischen Gemeinde von als ursprünglich zu erwarten war. Es bewahren. Ichenhausen. Sie ist als wiss. Mitarbei- wurden nicht nur Berichte und Doku- Wir schauen aufs nächste Jahrzehnt, terin und Ausstellungskuratorin tätig, mente als Zeugnisse der Zeit- und in dem diese Ulmer Arbeit als leuch- u. a. für das Leo-Baeck-Institut und das Leidenszeugen bewahrt, und zwar tendes Beispiel weiter dienen wird: Museum of Jewish Heritage, außerdem für eine Zeit, in der diese nicht mehr für bürgernahe Kooperation in der in zahlreichen internationalen Gremien leben und für Generationen, die Kommune, für Erziehungsarbeit und von Sammlungen und Museen zur nichts davon erlebt haben. Bedeu- schließlich auch als Brücke zu den Geschichte des Judentums aktiv. Karen tender scheint mir noch, dass diese Nachkommen der ehemaligen jüdi- Franklin ist Ulm seit den 1980er Jahren Institution heute ein integrierter schen Gemeinde von Ulm überall verbunden und seit Beginn Ehrenstif- Bestandteil der Bürgerschaft Ulms in der Welt. Diese schätzen so wie tungsrätin der Stiftung Erinnerung Ulm. und seiner Umgebung geworden ich die Arbeit des Dokumentations-

Gästebuch der Stiftung vom 14.2.2013 Eintrag, der sich auf die Rede von Aleida Assmann bezieht

14 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 15 Gedächtnisgepäck mit Zukunftsproviant Erinnerungskultur und politische Bildung heute

Der Begriff „Erinnerungskultur“, weltweit verankert wurde. und nicht mehr Zeitzeugen bilden für der heute in aller Munde ist und die nachwachsenden Generationen ohne den keine politische Sonn- Die Zukunft der Erinnerung die emotionale Brücke zwischen der tagsrede mehr auskommt, hat Während aufgrund institutioneller Vergangenheit und der Gegenwart. sich inzwischen flächendeckend Weichenstellungen der Fortbestand Hinzu kommen die neuen Medien. durchgesetzt. Deshalb gehen die der Erinnerung an den Holocaust Ein wichtiger Trend zeichnet sich meisten ganz selbstverständ- als gesichert gelten kann, bleibt die hier ab, der sich in Zukunft noch lich davon aus, dass das schon Sorge über die „Qualität“ dieser verstärken wird: die Erinnerung an immer so war – und nun alles gut Erinnerung und die Frage nach den Nationalsozialismus und Holocaust ist. Aleida Assmann ist da ganz Formen ihres Wandels. Nur einige ist ein kollektives Projekt, an dem anderer Ansicht. dieser Veränderungen möchte ich viele Akteure mitarbeiten, unter hier nennen. ihnen Politiker, Museumskuratoren, Aleida Assmann Künstler, Filmemacher, Literaten, Erinnerung ohne Zeitzeugen Schauspieler, Fernsehredakteure, Die authentischen und unverwech- Verleger, Gedenkstättenbetreuer, Nach dem Zweiten Weltkrieg hielt selbar individuellen Stimmen der Journalisten sowie Bürgerinnen und man nicht viel von der Erinne- Zeitzeugen werden in absehbarer Zeit Bürger mit ihren lokalen Projekten, rung. Nachdem die prominenten verstummen. Durch direkten Kontakt Initiativen, Interventionen. Das (neue) NS-Kriegsverbrecher in Nürnberg mit den Überlebenden hatten ihre Wort ‚Erinnerungskultur‘ bedeutet verurteilt worden waren, verfolgten Zuhörer zu Zeugen zweiter Ordnung nicht zuletzt, dass in diesem Kol- die Alliierten, was den Deutschen werden können. Die Begegnung lektivprojekt sämtliche Sparten der damals sehr recht war, eine Politik mit den Zeitzeugen selbst war ein Kulturarbeit zusammenfließen. des „Vergebens und Vergessens“. unvergessliches Erlebnis; es war In den Nachkriegsjahren hieß das im persönlichen Gedächtnis veran- Die Erinnerung an den Holocaust in Schlüsselwort deshalb nicht „Erin- kert und bildete eine emotionale der Einwanderergesellschaft nerungskultur“ sondern „Zukunfts- Brücke zwischen Vergangenheit und Es wird immer gefragt: wie können erwartung“. Weitere Leitbegriffe Gegenwart. Es gibt zwar massenhaft die Einwanderer an die Erinnerung an der 1950er und 1960er Jahre waren gespeicherte Videozeugnisse, doch den Holocaust herangeführt werden? „Vergangenheitsbewältigung“, ist keineswegs klar, wie sie in die Ich möchte den Spieß einmal „Schlussstrich“ und „Wiedergut- Kommunikation und ins Gedächtnis umdrehen und fragen: welche Rolle machung“. Man war überzeugt, der Gesellschaft wieder zurückgeholt kann die historische Bildung der Auf- im Zuge der Modernisierung der werden können. nahmegesellschaft für den Integrati- Gesellschaft und mit dem Bezahlen onsprozess spielen? von Wiedergutmachung in abseh- Das Problem des Generationen- barer Zeit die historische Schuld wechsels Historisch-politische Bildung bleibt abtragen zu können. Der letzte Akt Die Verankerung der Holocaust- eine Aufgabe der Zivilgesellschaft dieser Politik des Abschließens war Erinnerung im kulturellen Langzeit- Heute sind die jüdischen Opfer im das Treffen von Reagan und Kohl in gedächtnis ist in besonderer Weise Zentrum der deutschen Erinnerungs- Bitburg. Kohl glaubte, den zweiten das Projekt von Angehörigen der kultur angekommen. Das nehmen Weltkrieg ebenso mit einer Geste 68-er Generation geworden, die die Autoren Dana Giesecke und der Versöhnung abschließen zu sich in Gedenkstätten, Museen, bei Harald Welzer in ihrem Buch Das können, wie er das mit Mitterand Denkmälern, in Schulen und in den Menschenmögliche (2012) zum in Bezug auf die beiden Weltkriege Massenmedien für dieses Thema Anlass, diese Erinnerungsgeschichte getan hatte. Statt einer Versöhnung engagieren. Diese Generation hat nun in toto als abgeschlossen zu kam es jedoch über den Gräbern von den Erinnerungs-Diskurs lange Zeit erklären und zu konstatieren, wir SS-Angehörigen zu einem Skandal. dominiert. Darüber hinaus hat sie seien – mit Ausnahme von ein paar Der Grund dafür war ein kontinuier- sich aktiv an der historischen Spuren- unverbesserlichen Neonazis – in der liches Crescendo der Holocaust-Erin- suche beteiligt, Gedächtnisorte der postnationalsozialistischen Gesell- nerung, von der Kohl damals noch Gewalt gegen jüdische Bürger mar- schaft angekommen. Das klingt nach keine Notiz genommen hatte. kiert und Kontakte mit Überlebenden der Aufdeckung der NSU-Morde im organisiert, die seit den 1980er November 2011 schockierend, denn Es dauerte 20 Jahre bis die Erinne- Jahren zum Besuch in die Orte ein- die Gesellschaft erlebte ein böses rung an den Holocaust aus seiner geladen wurden, aus denen sie ver- Erwachen. Sie, die sich für aufgeklärt Überlagerung und Verdeckung durch trieben worden waren Hier schließt und zivil gehalten hatte, musste ein- den Zweiten Weltkrieg allmählich zur sich die Frage an: wird die nächste sehen, dass in ihrer Mitte unbehin- Erscheinung kam und durch Gerichts- Generation dieses Erbe antreten? dert ein Jahrzehnt lang systematisch prozesse in Jerusalem und Frankfurt und gezielt gemordet wurde, ohne neu thematisiert wurde, weitere 20 Die Mediatisierung der Erinnerung dass die Alarmglocken zu läuten Jahre, bis diesem Menschheitsver- Das weniger nationale und stärker begannen. brechen in intellektuellen Debatten kosmopolitisch geprägte Geschichts- und Akten des Gedenkens ein neuer bild der nachwachsenden Gene- Ich möchte an diesem Fall zeigen, Platz zugewiesen wurde, und dann rationen wird heute stark von den wie Erinnerungskultur und histo- noch einmal 20 Jahre, bis dieses Medien diktiert: Geschichtsfilme rische Bildung ineinander greifen Ereignis in Museen und Denkmälern bestimmen das Geschichtsbild. Filme können. Was sie miteinander ver-

16 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 17 bindet, ist eine Menschenrechtser- Selbst- und Fremdbilder dieser immer weiter auseinander treibt. Der ziehung. Es ist ein verbreitetes und Gesellschaften. Für sie ist Erinne- Rechtspopulismus, schreibt Navid hartnäckiges Missverständnis, Erin- rungsarbeit deshalb keine Sache Kermani, „als eine anti-europäische, nern sei eine rückwärts gerichtete einer abgehakten Vergangenheit. fremdenfeindliche, anti-egalitäre poli- Haltung, die an der Vergangenheit tische Bewegung vertritt in wesent- klebt und die Zukunft verstellt. Das Eine andere sozialpsychologische lichen Zügen nichts anderes als der kulturelle Gedächtnis können wir uns These besagt, dass sich Vorur- Nationalismus des 19. und frühen 20. als einen Koffer vorstellen, den eine teilsmuster sehr lange halten, weil Jahrhunderts“. Gesellschaft auf ihre Reise durch sie flexibel auf neue Situationen die Zeit mitnimmt. Was zu diesem reagieren und sich dabei auf neue Empathie zwischen Differenz und Gedächtnisgepäck gehört, wird des- Angriffsziele umstellen. Das rassis- Ähnlichkeit halb nicht rückwärts erinnert, son- tische Grundmuster, das die Abwer- Eine Zivilgesellschaft ist eine prekäre dern vorwärts erinnert; es bedeutet tung der Anderen diktiert, dient dabei Institution und kein stabiler Besitz; eine Vergewisserung im historischen unmittelbar der Selbstaufwertung sie ist nie ein für alle mal gegeben, Wandel und eine Orientierung für die und eigenen Statussicherung. Der sondern muss sich als solche immer Zukunft. neue Terminus dafür stammt von wieder bewähren, bestätigen und Wilhelm Heitmeyer und heißt „grup- argumentativ durchsetzen. Im Kern Die Mordserie, die am 9. September penbezogene Menschenfeindlich- der Zivilgesellschaft geht es um die 2000 am Rande einer Ausfallstraße keit“. Dieser Begriff schließt neben Stabilisierung der Grundsolidarität im Osten Nürnbergs begann, wurde ethnischen Differenzen auch soziale zwischen ihren Mitgliedern. Durch begünstigt durch eine unfassbare Abweichungen wie Homosexua- rassistische Affekte, aber auch durch Verschleppung der Aufklärung. Das lität, extreme Armut und physische wachsende Egoismen und gesell- lag an drei Voraussetzungen, die Behinderungen mit ein. Unter neuen schaftliche Indifferenz im Zuge der eng miteinander zusammenhängen. historischen Bedingungen kann Finanzkrise ist diese Grundsolidarität Erstens: Nachlässigkeit und man- ein Signalmuster wieder aufleben, in Frage gestellt worden. Das zurück- gelnde Wachsamkeit, zweitens: der das sich nun von Juden auf andere liegende Jahrzehnt des rechtsradi- Generalverdacht, dass die Opfer ethnische und soziale Minderheiten kalen Terrors war ein bestürzender selbst für ihr Schicksal verantwort- verlagert. Lackmus-Test für die deutsche lich zu machen sind, und schließlich Gesellschaft. Zeichen der Solidarisie- drittens: eine mögliche Komplizität Zwischen dem alten und dem neuen rung mit den Opfern kamen erst spät der Sicherheitsbehörden mit den Rassismus lassen sich hierbei einige und spärlich. Es fehlte an Empathie, Mördern und ihrem Helfernetzwerk. Parallelen aufzeigen. Die Einteilung die sich in sozialer Anerkennung, Das Ergebnis dieser Gemengelage der Welt in zwei Menschentypen emotionaler Anteilnahme und politi- war, dass die Polizei die Täter, einem hat gewichtige Konsequenzen. Bei scher Solidarisierung artikuliert. massiv rassistischen Vorurteil fol- den gewaltbereiten Tätern führt gend, unbedingt in der als ‚fremd‘ sie zu einer Auflösung zwischen- Empathie ist keine sentimentale definierten Gruppe der Migranten menschlicher Handlungsschranken; Gefühlsäußerung, sondern beginnt suchen wollte und sich die deutsche bestimmte emotionale und kulturelle mit Aufklärung, Information und der Gesellschaft durch die Mordserie Blockaden werden überwunden, Aneignung von konkretem Wissen. an diesen „Fremden“ nicht wirklich wenn der Andere nicht mehr als ein Als in Istanbul am 19. Januar 2007 betroffen fühlte. Diese Situations- Wesen derselben Spezies anerkannt der türkisch-armenische Schriftsteller deutung, die wesentlich von den wird. In der Gesellschaft führt diese und Redakteur Hrant Dink einem ras- Medien verbreitet wurde, ging mit durch Abwertung erzeugte Spaltung sistisch motivierten Mord zum Opfer einer unterschwelligen Botschaft an zu einer selektiven Empathie, die fiel, reihten sich am Tag seiner Beer- die Bevölkerung einher: das geht uns diejenigen von prosozialer Aufmerk- digung Tausende von Türken in den nichts an, das betrifft die Anderen, samkeit, Achtung und Gefühlen Trauerzug. Sie trugen dabei Plakate wir halten uns da raus. ausnimmt, die nicht als gleichwertig mit der Aufschrift: „Wir sind alle eingestuft werden. Armenier!“ Mit dieser Aktion haben Gruppenbezogene Menschenfeind- sie die basale Ähnlichkeit affirmiert, lichkeit Es gibt aber auch deutliche Unter- die Menschen unterschiedlicher In diesem Lande haben wir eine schiede zwischen damals und heute. Kulturen und Religionen miteinander besonders dramatische Anschauung Die gruppenbezogene Menschen- verbindet. davon, wie schnell die Grundsolida- feindlichkeit geht heute nicht mehr rität zwischen den Menschen aufge- automatisch mit einer starken grup- Erinnerungskultur und politische hoben werden kann und die Gesell- penbezogenen Eigenliebe einher. In Bildung haben mehr miteinander zu schaft sich spaltet in eine Gruppe, Zeiten der Zukunftslosigkeit und der tun, als es auf den ersten Blick den die zählt – das sind „wir“, und eine Finanzkrise haben wir es eher mit Anschein hat. Vieles von dem, was Gruppe, die nicht zählt – das sind die einer selbstbezogenen Eigenliebe wir heute erleben, verweist aus der „anderen“. Wir haben es nun mit zu tun. Der Politologe Wilhelm Heit- Gegenwart explizit auf die Vergan- einer Neuauflage von Rassismus zu meyer spricht von „roher Bürgerlich- genheit zurück: die Selbstbeschrei- tun, die sich als eine Variante älterer keit“ und meint damit eine Form der bung der Terroristen als Nationalsozi- Muster darstellt, die noch immer Existenz, die mit rabiaten Mitteln die alistischer Untergrund, aber auch die latent wirksam sind. Die Pädagogin eigenen Interessen verfolgt. Diese gesellschaftlichen Muster der Aus- Astrid Messerschmidt geht von Haltung ist mit einem Rückzug aus grenzung, die auf immer wieder akti- langfristigen negativen Prägungen in der Solidargemeinschaft der Gesell- vierbaren Vorurteilsstrukturen und Gesellschaften aus, die Erfahrungen schaft verbunden. Diese Tendenz zur Verhaltensmustern beruhen. Solche mit einer Kolonialgeschichte oder Desolidarisierung und Spaltung zeigt Déja Vu-Effekte zwingen uns zu einer der nationalsozialistischen Ideo- sich zur Zeit nicht nur auf gesell- Zusammenschau von Vergangenheit, logie hatten. Diese rassistischen schaftlichem, sondern auch auf euro- Gegenwart und Zukunft. Ideologien, so Messerschmidt, päischem Niveau. Sie ist die zentrifu- beeinflussen bis heute latent die gale Kraft, die die Nationen Europas

16 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 17 Der Film „Ortung“ und die Herausforderung filmischer Geschichtsschreibung Einer riesigen Unordnung Sinn geben

Für ihren Film „Ortung“ hat die Stiftung Erinnerung Ulm einer interdisziplinären Studierenden- gruppe einen Förderpreis ver- liehen. Kathrina Edinger stellt für das Team ihr Projekt vor, das am 10. April im Rahmen der Preisüber- gabe in der gut besuchten Licht- burg seine Ulm-Premiere hatte.

Kathrina Edinger

Das Projekt „Ortung“ entstand aus der Initiative der Gerda Henkel Stif- tung, in Zusammenarbeit mit dem Historiker der Alten Geschichte am Historischen Seminar der LMU München, Martin Zimmermann, und dem Dokumentarfilmer und Lehrbeauftragten der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Thomas Das Filmteam in Stetten am Kalten Markt. (v. l.):Marco Kugel, Kathrina Edinger, Johannes Friedl, Heise. Im Rahmen dieses interdis- Helena Maria Körner, Nina Mirza, Eduard Stürmer (Serpil Turhan fehlt). Foto: privat ziplinären Projekts arbeiteten vier Studierende der Geschichte und vor allem private Aufzeichnungen, tiven“ Film zu schaffen, sondern drei Studenten des Dokumentar- wie Tagebücher und Briefe, ganz verschiedene konkurrierende Sicht- films an einer adäquaten filmischen besonderen Aufschluss über die Ver- weisen angemessen zum Ausdruck Darstellung von Geschichte. Ziel war gangenheit Stettens. Ein zentraler zu bringen. Hierin lag ein großer Teil es, Studierenden die Möglichkeit zu Aspekt der Aufarbeitung war nicht der geschichtswissenschaftlichen geben, unabhängig von gängigen nur die Zeit des Nationalsozialismus, Arbeit: Jedes Bild, jeder Schnitt und wissenschaftlichen oder journalisti- sondern darüber hinaus die Militärge- jeder geschaffene Kontext musste schen Arbeitsweisen eigene Ideen schichte, die mit der Diskussion um nach seiner Intention und Wirkung und Strategien zu entwickeln. die weitere Nutzung des Truppenü- befragt werden. Das Ergebnis ist Nach einer etwa fünfmonatigen bungsplatzes durch die Bundeswehr eine 92-minütige Betrachtung nicht Phase der Themensuche fiel unsere eine besondere Aktualität erhielt. nur der Geschichte, sondern auch Wahl Anfang 2011 auf den Ort Insgesamt 70 Tage dauerten die der Gegenwart des Heubergs. Stetten am kalten Markt und den Drehphasen im Herbst und Winter Mithilfe des im April 2013 verlie- dort ansässigen Truppenübungsplatz 2011/2012. Um einen möglichst henen Preisgelds der Stiftung Erin- „Heuberg“ als Gegenstand des intensiven Kontakt mit den Men- nerung Ulm hat das Projekt „Ortung“ geplanten Films. Idee war es, sich schen vor Ort aufbauen zu können, nun auch die Chance, die umfangrei- einem lokal begrenzten Thema aus bezogen wir ein von der Gemeinde chen Materialien aus Recherche und möglichst vielen unterschiedlichen zur Verfügung gestelltes ehemaliges Dreharbeiten in Form einer multime- Richtungen zu nähern. Darüber Kasernengebäude und konnten so dialen Internetseite (www.ortung- hinaus war die Geschichte des Ortes über die Dreharbeiten hinaus als film.de) aufzubereiten und zu - prä zu dem Zeitpunkt kaum wissen- „Dorfbewohner auf Zeit“ Erfah- sentieren. Damit soll Geschichte als schaftlich erforscht und daher histo- rungen sammeln. In diesem Zeitraum Prozess, Reduktion und Konstruktion riografisches, aber auch filmisches setzten wir uns intensiv mit zahl- erfahrbar und die Möglichkeiten „Neuland“. Lediglich die Geschichte losen Akten und Dokumenten, deren transmedialer Geschichtsdarstellung des Konzentrationslagers im Lager „Geschichten“ und Abbildbarkeit mit erprobt werden. Heuberg, welches später im KZ Film getestet werden mussten, aus- Oberer Kuhberg aufging, ist bisher einander. Mithilfe von Interviews, All- quellenkritisch untersucht worden. tags- und Arbeitsbeobachtungen ent- INFO Die übrige Geschichte ist nur teil- wickelten wir Bild- und Tonmaterial, Im Mai 2013 wurde das Filmprojekt weise in einer Dorfchronik und in das für sich alleine oder in Ergänzung „Ortung“ auch beim 21. Bundeswett- Broschüren dokumentiert. Durch zu Archiv- oder Egodokumenten (wie bewerb des Bundesministeriums für eigene Archivarbeit im Gemeindear- Tagebücher, Privatfotos und -videos) Bildung und Forschung in der Kunst- chiv in Stetten, dem Kreisarchiv und als Material für den Film dienen und Ausstellungshalle in Bonn aus- Staatsarchiv in Sigmaringen, dem sollte. Während der Schnittphase gezeichnet. Marco Kugel und Eduard Militärarchiv in Freiburg, Bundesar- ab Juni 2012 bestand die Aufgabe Stürmer (Kamera und Schnitt) hatten chiv in Berlin und dem Tagebuch- schließlich darin, eine eigene Erzäh- sich als Kunsthochschulstudenten archiv in Emmendingen erschloss lung der Geschichte des Heubergs zu beworben, aus dem Film eine 17-minü- sich uns zunehmend ein facettenrei- schaffen, die keine allgemeingültige tige Videoinstallation zusammengestellt ches Bild der letzten 100 Jahre des Interpretation diktiert. Das Ziel war und damit einen der sechs Förderpreise Garnisonsstandorts. Dabei gaben es nicht, einen vermeintlich „objek- gewonnen.

18 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 19 Auszug aus der Laudatio der Stiftung und in filmischer Form aufbereitet Filmsprache auch grundsätzlich zur Erinnerung Ulm bei der Preisverlei- zu haben. Reflexion über das Verhältnis von hung Film und Geschichte eingeladen Die Augenscheinlichster Berührungs- Zweiter Grund für die Auszeichnung Jury hat jedenfalls intensiv über die punkt zur Stiftung Erinnerung Ulm ist die gewählte Darstellungsform. unterschiedlichen Assoziations- und ist zunächst natürlich das Filmthema. Der Film ist eine behutsame Annä- Inhaltsebenen von „Ortung“ dis- War doch am Heuberg von März- herung an den Militärstandort Heu- kutiert. Dies zeigt: Der Film liefert Dezember 1933 das erste württem- berg. Er richtet sich explizit gegen Denkanstöße und ist nicht leicht kon- bergische Landes-KZ eingerichtet, gängige Sehgewohnheiten und ist sumierbar. Und das ist auch gut so! das Vorgängerlager zum Kuhberg. sehr dazu geeignet, Diskussionen Der Film reproduziert dabei nicht nur um Geschichte und Gegenwart Drittens verleiht die Stiftung Erinne- bereits Bekanntes zur KZ-Zeit, son- anzustoßen. Die Studenten hatten rung Ulm den Förderpreis deshalb dern bettet die Lagergeschichte in sich die Aufgabe gestellt „weder der gerne, weil sie die Filmgruppe darin den historischen Kontext vom frühen Machart von populären Geschichts- unterstützen möchte, ihr Projekt 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart dokumentationen noch der analy- in Form einer multimedialen Inter- ein. Und dies mit Erkenntnisgewinn: tischen Praxis der konventionellen netseite weiter wissenschaftlich zu Denn die Studenten erschließen Geschichtsschreibung zu folgen, son- untermauern und fortzuführen. Die noch weitgehend unbekannte Kapitel dern eine eigene Form der adäquaten Stiftung hält es für einen sehr guten der Vor- und Nachgeschichte des Präsentation von Geschichte mit Film Plan, die Forschungsergebnisse Heubergs. Sie dokumentieren und zu finden.“ Aus Sicht der Jury ist dies interessierten Nutzern zugänglich erforschen das Verhältnis von Militär gelungen: Die Studierenden haben zu machen. Aus Sicht der Stiftung und Gesellschaft am Beispiel der 1. künstlerische und kulturwissen- Erinnerung Ulm hat der Förderpreis Gemeinde Stetten am Kalten Markt schaftliche Annäherungsformen an damit nicht nur einen symbolischen aus lokaler, nahezu ethnografischer eine schwierige Regionalgeschichte Charakter, sondern auch einen wis- Perspektive. Es ist eine wichtige erfolgreich erprobt, sie haben 2. senschaftlichen Mehrwert, über den wissenschaftliche Leistung der Stu- gekonnt Geschichte und Gegenwart wir uns sehr freuen. dentengruppe, das hierfür erforder- des Heubergs miteinander ver- liche Quellenmaterial recherchiert bunden und 3. durch ihre innovative

Und hier noch ein Überblick zur Stiftungsarbeit aus dem aktuellen Flyer

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18 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 19 Uraufgeführtes Theaterstück „Antigone/Sophie“ stößt auf vielfältiges Echo Verknüpfung von Mythos, Geschichte und Gegenwart

Das DZOK und das Theater Ulm wagten sich nach „Rommel - ein deutscher General“ (2012) erneut (und wieder mit der Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung) an ein gemeinsames künstlerisch-zeitgeschichtliches Projekt. Einbezogen waren dieses Mal bei der Entwicklung und Aus- wertung des von Michael Sommer geschriebenen und inszenierten Stückes zwei „Patenklassen“ des Ulmer Hans- und Sophie-Scholl- und des Schubart-Gymnasiums. Die Journalistin Dagmar Hub rezensiert das Stück für die Mittei- lungen.

Dagmar Hub

70 Jahre nach der Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl, von Ale- xander Schmorell und Christoph Probst stellt sich die Frage, ob es über den Widerstand der Weißen Rose noch Neues herauszufinden gibt. Die Antwort von Autor und Dra- maturg Michael Sommer, der für das Theater Ulm das Stück „Antigone/ Sophie“ schuf, lautet eindeutig „Ja“. Denn die Weiße Rose stellt das eigene Handeln und dessen Konse- quenzen auch 2013 neu in Frage. Das Theater Ulm führt „Antigone/ Sophie“ in der KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg auf. Es ist davon auszugehen, dass Sophie Scholl nie Johanna Paschinger (liegend) spielt die namenlos bleibende junge Frau der Gegenwart, hier mit Gun- in den Gewölben der Kommandantur ther Nickles als behandelnder Arzt in der Psychiatrie. Foto: Ilja Mess, Theater Ulm. des frühen Konzentrationslagers auf dem Oberen Kuhberg gewesen ist. Als Spielort für „Antigone/Sophie“ von ihrem Onkel Kreon zum Tode Handlungsstränge ziehen, erfährt der aber ist die Machtarchitektur des verurteilt und wird lebendig einge- Zuschauer im Stück erst relativ spät. historischen Orts der heutigen mauert, weil sie gegen das Verbot Eine überzeugende Idee ist es, die Gedenkstätte ideal. Die Verhöre, die handelte, ihren enthaupteten Bruder Familienkonstellationen aller drei Verurteilungen werden an dieser Polyneikes zu begraben. Sophie Epochen von denselben Schauspie- Stelle besonders glaubhaft und emo- Scholls Wandel von der Befürwor- lern darstellen zu lassen: Johanna tional real. terin des NS-Systems hin zur ent- Paschinger fühlt sich in Antigone, Michael Sommer setzt drei stringent schiedenen Gegnerin im Widerstand Sophie Scholl und die namenlose nach ihrem inneren moralischen dürfte gerade in Ulm bekannt sein Studentin ein und interpretiert sie mit Kompass handelnde junge Frauen und wird von Johanna Paschinger lebensverweigernder Geste. Tini Prü- in Beziehung: die mythische Figur stark dargestellt. Eher blass dagegen fert ist Antigones Schwester Ismene der antiken Antigone, die histori- bleibt die Figur der jungen Frau von und Sophie Scholls Schwester sche Figur der Sophie Scholl (die Heute. Die namenlose Studentin Inge. Florian Stern stellt Antigones beide für ihren Widerstand gegen aus behüteten Verhältnissen bleibt Bräutigam ebenso dar wie Sophie die Herrschenden mit ihrem Leben in den Gründen für ihr Handeln wie Scholls Verlobten Fritz Hartnagel. büßen) und eine namenlos bleibende als Figur selbst nebulös und unklar; Diese Beibehaltung der persönlichen junge Frau, deren Identifikation mit auch wogegen sich der Protest Konstellationen schafft Kontinuität ihren beiden Heldinnen Antigone selbst genau richtet, wird anders im menschlichen Handeln über die und Sophie Scholl und deren Protest als bei Antigone und Sophie Scholl Jahrhunderte hinweg und weitet den gegen „dieses Europa, eingeigelt nicht wirklich eindeutig. Dass sich Widerstand gegen politisches und hinter Stacheldraht und Scheinhei- die gleichen ehernen Sätze, die gesellschaftliches Unrecht aus: Das ligkeit“ sie in die Psychiatrie bringen. gleichen Gedanken aufgrund dieser entschiedene Engagement für oder Antigone wird in Sophokles´ Tragödie inneren Identifikation durch die drei gegen eine Sache ist untrennbar

20 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 21 verknüpft mit familiären Auseinan- geht nicht um persönliche Einzel- man erkennt die Universalität ihrer dersetzungen. Die Liebe wird zum schicksale, sondern um die grund- Grundfragen: Was ist Wahrheit? Was Opfer des Unrechts. sätzliche Argumentationslinie: Um bedeutet Freiheit? Wem gegenüber die Frage, welchen Preis das Indi- ist man Rechenschaft schuldig - Zitate aus weiteren Rezensionen viduum für eine humanere Gesell- Familie, Gott, Gewissen? Immerhin: „Antigone/Sophie“ bindet die drei schaft zu zahlen bereit ist. Nicht nur Despoten, auch Wider- Frauenschicksale aneinander, indem (Adrienne Braun in der Süddeutschen ständige sind eine Konstante der Michael Sommer sie verzahnt durch Zeitung, 12.03.2013) Menschheit. sprachliche Wiederholung und die (Magdi Aboul-Kheir, SWP, 11.3.2013) durchgängig verhandelten Motive In den besten Moment bereichern, Gefühl, Geist und Geschlecht. ... Es transzendieren sich die Geschichten,

Die Begleitprogramme zu „Antigone/Sophie“ heldenBILDER und das „Patenklassenprojekt“

Schon Monate vor der Premiere und Hans zum Umfeld der Weißen Auszüge aus Schülertexten zum entwickelten Michael Sommer und Rose gehörten und im zweiten Thema: „Was haben Protest und Nicola Wenge ein künstlerisch-wis- Weiße-Rose-Prozess (April 1943) Widerstand heute noch zu bedeuten senschaftliches Begleitprogramm, verurteilt wurden, sowie auch die und was haben sie mit mir zu tun?“ das auch ein explizites Projektan- Lesung aus Texten von Lieblings- gebot für Ulmer Schülerinnen und autoren der Sophie Scholl, die Mit- „Leider spreche ich aus eigener Schüler beinhaltete. Die gesamte glieder des Schauspielensembles im Erfahrung, wenn ich sage, dass das Organisation des Proben- und Auf- ehemaligen Wohnhaus der Familie Konzept des Widerstands für viele führungsbetriebes in der Gedenk- Scholl in der Olgastraße 139 vor- Jugendliche nicht mehr aktuell ist stätte, einem durchaus sperrigen trugen. und die jetzige Generation viel zu Aufführungsort, wurde ebenfalls bequem geworden ist. Man sieht in Kooperation zwischen Theater Die dialogische Anlage des Paten- keinen Grund mehr darin, sich viel und Gedenkstätte angegangen. klassenprojekts Arbeit zu machen und auf die Straße Gemeinsames Anliegen von Michael zu gehen, weil der Einfluss solcher Annette Lein Sommer, Dramaturg Daniel Grü- „kleinen“ Aufstände leider verloren nauer, Theaterpädagogin Barbara gegangen ist.“ (J.B.) Frazier und Gedenkstättenpädagogin Ziel des Begleitprogramms war es, Annette Lein bei der Gestaltung des „Wir informieren uns ständig. Tag den komplexen inhaltlichen Bezug Patenklassenprojekts war es, Ulmer ein, Tag aus. Wir lesen die Tages- zwischen Mythos, Geschichte Schülerinnen und Schülern die aktive zeitung, wir schauen Nachrichten. und Gegenwart zu diskutieren und Teilnahme am Stück „Antigone/ Wir erkennen die Probleme unserer Jugendlichen und Erwachsenen Sophie zu ermöglichen. Im Projekt heutigen Zeit. Vielleicht regen wir eine aktive Auseinandersetzung aus wurden rund 50 Jugendliche zu Beob- uns kurz darüber auf, vielleicht unterschiedlichen Perspektiven zu achtern des Produktionsprozesses, finden wir, dass jemand etwas daran ermöglichen. zu dokumentarischen Begleitern, ändern sollte. Aber vielleicht könnte Zwischen März und Juni 2013, der zu kreativen Schreibern, zu recher- ich mal mit dem bloßen Denken Laufzeit des Stücks mit 18 Auffüh- chierenden Forschern im Archiv daran aufhören und wirklich was rungen, fanden unter dem Titel „hel- des DZOK und zu Spurensuchern dagegen tun. Antigone/Sophie hat denBILDER“ fünf Veranstaltungen im Stadtgedächtnis. Sie besuchten sich entschlossen, etwas dagegen statt. Sie setzten auf sehr hetero- ein „Konzeptionsgespräch“, um ein zu tun, in der Realität wie im Stück gene Annäherungsweisen (Stadt- tieferes Verständnis von Stücktext von Michael Sommer. Ihr Ziel zu gang, Filme, Podiumsdiskussionen, und Inszenierungsidee zu erhalten, erreichen war ihr wichtiger als das Lesung und Zeitzeugengespräch) beobachteten Proben im Theater und Leben, als ihr eigenes Leben. Doch und bewegten sich auch inhaltlich in der Gedenkstätte, hinterfragten, was bringt einem der Tod außer Auf- auf unterschiedlichen Ebenen der lobten, kritisierten ... Sie nahmen an merksamkeit? Wenn ich nicht mehr künstlerischen, wissenschaftlichen einer Stadtführung auf familienge- am Leben bin, kann ich auf keinen und gesellschaftlichen Rezeption schichtlichen Spuren der Scholls teil Widerstand mehr leisten. Aufmerk- der Weißen Rose. Gäste der Podi- und sie befragten Ulmer Bürger, um samkeit kann ich auch anders errei- umsdiskussionen, die von Michael sich selbst ein Bild davon zu machen, chen, effizienter. Und wenn ich dabei Sommer, Dr. Nicola Wenge und Dr. was von den Geschwistern Scholl im am Leben bleibe, dann auch nachhal- Silvester Lechner moderiert wurden, Stadtgedächtnis geblieben ist. Und tiger.“ (A.A.) waren u. a. der langjährige Weiße- schließlich verfassten die Jugendli- Rose-Experte Ulrich Chaussy und chen Texte über die dritte Figur des „Wer von uns Unter-30-Jährigen hat der renommierte Historiker Prof. Stücks und zum Thema „Widerstand sich in letzter Zeit vor einen Castor Wolfgang Benz. Einen besonderen heute“, die in einer Begleitbroschüre geworfen? Oder ist nach Fukushima Höhepunkt des Begleitprogramms zum Stück abgedruckt wurden. Aus auf die Straße gegangen? Oder hat bildeten das Gespräch mit Konrad den jugendlichen Diskussionsbei- vielleicht auch nur eine Petition Hirzel, dessen Geschwister Susanne trägen zitieren wir im Folgenden. unterzeichnet? Eben, niemand! Und

20 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 21 warum auch? Niemandem von uns geht es so schlecht, dass er seiner Wut auf das System mit einem Tritt gegen das Polizeiauto Luft machen müsste, niemand ist so besorgt um unsere Wälder, dass er Geo-Fracking am liebsten verbieten würde. Auch bei den Protesten um S21 sind eher ältere Semester auf die Bäume geklettert. Es gibt keine Protestkultur, weil es für die meisten nichts gibt, wogegen man protestieren müsste. Wir leben gut in diesem System, es gibt kaum Arbeitslosigkeit, keine Engpässe... Der Ego-Kapitalismus ist unsere angeborene Heimstatt, wer wird es uns da verübeln, wenn wir egoistisch und mit Scheuklappen leben... Protest ist nicht sexy. Ide- ologie ist anstrengend. Anpassung dagegen ist erfolgreich und jeder von uns ist ein Homo oeconomicus.“ Schüler der Patenklasse des Scholl-Gymnasiums vor den Büsten von Hans und Sophie Scholl im (C.H.) Stadthaus Ulm. A-DZOK

Didaktische Materialien des DZOK nach Überarbeitung neu aufgelegt Erweiterte Angebote, individualisierte Zugänge

Nach gut zwei Jahren Arbeit ist Für den Aufenthalt selbst wurden die Schüler besser an individuelle Häft- sie nun da - die neue Lehrerhand- Angebote der neuen Handreichung lingsschicksale annähern. Die neuen reichung des DZOK. Sie kommt, im Vergleich zur früheren Auflage Ausstellungs-Arbeitsbögen eröffnen wie ihre vergriffene Vorgängerauf- aufgefächert, um dem breiten Möglichkeiten für ein komplexes lage von 2004, in Zeiten großer Spektrum der aktuellen didaktischen vernetztes Lernen in Kleingruppen. Umbrüche im Bildungssystem. Ansätze leichter gerecht werden zu Durch die produktiven Zugänge kann Der Arbeitsprozess an der Publi- können. Die Angebote orientieren der Gedenkstättenbesuch am histo- kation war geprägt von all den sich nicht mehr an traditionellen rischen Ort auch für Schülerinnen großen Themen der aktuellen Schultypen, sondern bieten ver- und Schüler zum bleibenden Erlebnis bildungspolitischen Debatte, wie schiedene Zugänge und Aktivitäten werden, die den rein analytischen z. B. Gymnasium in acht oder zu einer Vielzahl von Themen an. Die Zugängen eher fernstehen. neun Jahren, Einführung der unterschiedlichen Zugänge erlauben Das Team aus Historikern und Gemeinschaftsschule, Zukunft der es, die Aktivitäten vor Ort an die Pädagogen hat viel Arbeit in die Realschule, Individualisierung und Stärken der Klasse anzupassen oder Handreichung einfließen lassen, von Inklusion. Warum ausgerechnet in auch den gleichen Themenbereich der Archivarbeit über lange Redak- solchen Zeiten eine Neuauflage? mit verschiedenen Zugängen inner- tionssitzungen mit lebensbedroh- halb einer Gruppe bearbeiten zu lichem Kaffeekonsum und heißen Tobias Jeske lassen. Dies öffnet Möglichkeiten didaktischen Diskussionen bis zu zur Binnendifferenzierung und Indivi- Probeläufen mit Klassen aus ver- dualisierung bezüglich der Lerntypen schiedenen Schularten und Alters- Außerschulische Lernorte werden und auch dem Grad an Eigenständig- stufen. Mit all diesem Einsatz wird auch gerade wegen der Vielzahl der keit und Komplexität beim Erarbeiten die Handreichung für die Kollegen Lernansätze in Zukunft eine sinnvolle von Themen. hoffentlich genauso hilfreich sein Ergänzung zum Unterricht bleiben. Manche Themenbereiche wurden wie ihr Vorgänger – und hoffentlich Die Handreichung erlaubt zunächst akzentuiert und erweitert. Beispiels- genauso schnell vergriffen sein! einmal dank eines kurzen histori- weise ist das Angebot für die biogra- schen Abrisses und Serviceteils ein fische Arbeit ausgebaut worden und INFO rasches Einarbeiten in die Thematik kann nun sowohl im Klassenzimmer Tobias Jeske ist Oberstudienrat am der frühen KZ und erleichtert die Pla- als auch vor Ort in der Gedenkstätte Albert Einstein Gymnasium Ulm-Wib- nung und Durchführung des Gedenk- genutzt werden. Mit den biografi- lingen und seit 2008 Mitarbeiter am stättenbesuchs. schen Materialien können sich die DZOK.

22 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 23 Ein Porträt der freiwilligen DZOK-Mitarbeiterin Mechthild Destruelle Engagierte Juristin am historischen Unrechtsort

In der losen Folge der Selbstvor- war, hatte ich Lust mich stärker stellungen von Teammitgliedern ehrenamtlich dort einzubringen. In des Doku-Zentrums beschreibt Gesprächen mit Annette Lein und Mechthild Destruelle ihren Weg Nicola Wenge erfuhr ich, dass drin- von der ersten Begegnung mit gend neue Guides benötigt werden dem KZ Oberer Kuhberg zur und so beschloss ich, mich in diesem intensiven Mitarbeit in Verein und Bereich zu engagieren. Ich finde die Gedenkstätte. Ulmer Gedenkstättenarbeit sehr wichtig und spannend, weil dort nicht Mechthild Destruelle mit erhobenem Zeigefinger gear- beitet, sondern durch Aufklärung am Ort des Geschehens die Etablierung Meine erste Begegnung mit dem KZ der Diktatur anschaulich gemacht Oberer Kuhberg fand im Jahr 1996 wird. Anfangs hatte ich Bedenken, statt, als ich gerade wegen meines ob ich mir das große Pensum an Referendariats am Landgericht nach Wissen aneignen und insbesondere Ulm gekommen war. Schon damals auch pädagogisch zeitgemäß an hat mich der Ort sehr beeindruckt. Schulklassen vermitteln kann. Nach Als Juristin beschäftigt mich sehr, intensiver Einarbeitung und Beglei- wie schnell sich der NS-Staat 1933 tung verschiedener Führungen war festigen und die politischen Gegner es dann im April so weit und ich ausschalten konnte. Der Umgang machte zusammen mit Annette von Staatsmacht und Justiz mit Lein meine erste Führung für eine 9. Opfern und Tätern während und Klasse. Kurz darauf organisierte ich nach der NS-Zeit ist eine Thematik, als „Generalprobe“ eine Führung für die mich seit langem umtreibt. Die meine Freunde und Bekannten, die Präsenz rechtsradikaler Ideologien In der Mitgliederversammlung des mit 24 Teilnehmern im Alter von 14 in bestimmten Kreisen und das DZOK im letzten Jahr wurde ich zur bis 82 tatsächlich auch eine richtige Erstarken von Neo-Nazi-Gruppie- zweiten Kassenprüferin gewählt. Probe wurde. Zwischenzeitlich fühle rungen haben mich zum Engagement Nachdem ich verschiedene Veranstal- ich mich in dem Thema „KZ Oberer gegen Rechts motiviert. Seit meiner tungen in der Büchsengasse besucht Kuhberg“ und in den Räumlichkeiten Jugend bin ich politisch und sozial hatte und von der Arbeit des Vereins, so sicher, dass ich mich sehr darauf engagiert und arbeite seit einem Jahr die viel facettenreicher ist, als ich freue, ab Frühsommer aktiv in die für Bündnis 90/Die Grünen im Wahl- bis dahin dachte, sehr beeindruckt Vermittlungsarbeit einzusteigen. kreisbüro in Ulm.

Die Berliner Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste resümiert ihre Zeit in Ulm Neun Monate beim DZOK – Bilanz ziehen

Nun ist es Juni. Drei Monate grund der Struktur des DZOK war wie der Besuch einer Gedenkstätte, meines Freiwilligendienstes sind mir genau das möglich. Sei es das insbesondere von Schulklassen, noch übrig. Meine Nachfolgerin, Vorbereiten und Durchführen von aussehen sollte, wie man das histo- Pauline aus Paris, steht fest, hat Veranstaltungen verschiedenster rische Geschehen am Ort und seine uns hier besucht und freut sich Couleur, oder die Teilhabe an der Bedeutung vermitteln kann, ohne auf schon sehr auf Ulm. Zeit, Bilanz Entwicklung und Entstehung der veraltete Muster zurückzugreifen, zu ziehen. Mitteilungen und anderer Publikati- hat sich mir erst während des Frei- onen. Auch wenn Führungen nicht willigendienstes gestellt und mein Theresa Rodewald zu meinen Schwerpunkten zählen, Bild von KZ-Gedenkstätten verän- bin ich dadurch in Kontakt mit dert. Auch durch die Dzokkis habe den Besuchern der Gedenkstätte ich einen Einblick in die Gedenkstät- Eine Erwartung, ein Wunsch mit gekommen, was sehr spannend ist tenpädagogik bekommen. dem ich in dieses Freiwilligenjahr und habe zudem viel über die Dimen- Nicht zuletzt habe ich auch beim gegangen bin, war, die Arbeit an sion der frühen Konzentrationslager Transkribieren und inhaltlichen einer Gedenkstätte und ihre Funk- gelernt, was ich als eine enorme Erschließen der Briefe der Familie tionsweise kennenzulernen. Auf- Bereicherung empfinde. Die Frage, Mann/Serkey mitgeholfen. Diese

22 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 23 Arbeit finde ich besonders spannend und sie bereitet mir viel Freude. Sie hat manchmal etwas von Detektivar- beit. So habe ich durch die Transkrip- tion der Briefe gelernt, das Sütterlin- alphabet zu lesen. Das Schicksal der Familie Mann/Serkey steht stellvertretend für das vieler Ulmer jüdischen Glaubens und machte mir die persönliche Dimension der Emi- gration, den tiefen Einschnitt, den das Zurücklassen der alten Heimat bedeutet(e), erst bewusst. Nichtsdestotrotz freue ich mich schon sehr auf mein Studium. Die nächste Station heißt hoffentlich Frankfurt an der Oder (Kulturwissen- schaften) oder Berlin (Filmwissen- schaften, Allgemeine und Verglei- chende Literaturwissenschaften und Geschichte). Denn auch wie wichtig mir die Nähe zu meiner Familie und Theresa (r.) stellt den dzokkis die Ausstellung vor, die sie für die Veranstaltung „Sport in Ulm 1933: meiner Heimatstadt ist, wurde mir in Vom Ausschluss jüdischer und sozialistischer Sportler“ erarbeitet hat .Theresa hatte sie eigenständig diesem Jahr noch einmal klar. vorbereitet und auch moderiert.

Kritischer Journalist, früher und mutiger Unterstützer des DZOK Trauer um Rolf Johannsen

Er zählte zu den Journalisten, auf zentrums kaum anerkannt war. Seine die das DZOK setzen konnte. Denn Sturheit, die ihm als gebürtigem Aufklärung über den Ungeist war Bremer wohl in die Wiege gelegt ihm Herzensangelegenheit. Rolf war, verhalf so nicht zuletzt dem Johannsen ist Anfang April mit DZOK zu mehr Beachtung. nur 56 Jahren nach langer Krank- Als Kollege war er liebenswürdig, heit verstorben. aber nicht einfach. Schroff und knurrig konnte er werden, wenn Silvester Lechner, Thomas Vogel ein gelieferter Beitrag nicht seinen Vorstellungen entsprach. Für einen jungen Eleven des Journalismus, Rolf Johannsens Beziehungen zum der gerade seine ersten autodidak- DZOK rühren aus den 1980er Jahren tischen Schritte ins Metier wagte, und waren wohl auch motiviert war dies eine gute Schule. Genaues durch Weizsäckers berühmte Rede Zuhören, auf den Punkt bringen, fair von 1985. Er hat damals als einer bleiben, das ging einem bald in die der ersten Ulmer Journalisten eine Gene über, wenn Rolf als Redakteur Reihe regionaler NS-Themen in der den textlichen Gehversuch in die Neu-Ulmer Zeitung aufgegriffen. So Mangel nahm. Er selbst war beseelt machte er Interviews mit Zeitzeugen Einverständnis, ohne deswegen in von einem Geist des kritischen und recherchierte auch selbst. Er unkritische Kumpanei zu verfallen. Journalismus, wie er heute selten förderte Zusammenhänge zu Tage, Doch mit seinen Beiträgen machte geworden ist. Unvergessen, wie welche dem DZOK, zu dessen Grün- er Mut in Zeiten, als die kritische er einem Bürgermeister aus dem dergeneration er gehörte, zu neuen Beschäftigung mit der regionalen Landkreis Neu-Ulm die Wiederwahl Einsichten verhalfen. Geschichte des Nationalsozialismus vermasselte durch seine Enthül- Rolf war häufig auf den Vereinsver- von einer großen Mehrheit als lungen von Spezlwirtschaft und weil sammlungen und Veranstaltungen unliebsam abgewehrt wurde und ihm dessen Bierzelt-Populismus auf des DZOK – und signalisierte großes auch die Arbeit des Dokumentations- den Keks ging. Als die Friedensbe-

24 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 25 wegung Anfang der 1980er an der damit in bewegte See führte. einer Arbeitsgruppe, die die Präsen- Wiley-Kaserne in Neu-Ulm zur Akti- Mit derselben Hartnäckigkeit tation der Stadt in den neuen Medien onsform der Sitzblockaden griff, war setzte sich Rolf für die Belange des vorantrieb. auf Rolfs Berichterstattung Verlass, Berufsstandes ein, etliche Jahre Von einer großen Trauergemeinde soll heißen: Er hielt zur anderen Seite als regionaler Sprecher der unterm wurde Rolf Johannsen auf dem Söf- die gleiche Distanz. Der damalige Verdi-Dach aufgegangenen Journa- linger Friedhof zu Grabe getragen. Lokalchef hatte in ihm gewiss keinen listengewerkschaft DJU. Später, in Ja, er hatte Wirkung. Die Alzheimer- pflegeleichten Redakteur. Doch hielt einem neuen beruflichen Abschnitt, Krankheit hat darauf keine Rücksicht er Kurs, auch wenn er sein Blatt ging er zur Stadt Ulm, gehörte zu genommen. Was für ein Wahnsinn.

Doku-Zentrum trauert um Christian Loyal – ein Nachruf Freund und leidenschaftlicher Pädagoge

zehnte die Arbeit des Dokumenta- war Christian auch als Referent eine tionszentrums nicht nur begleitete, Säule der jährlichen, zweitägigen sondern aktiv mitgestaltete und LpB-Lehrerfortbildungen. Spätestens unterstützte, dass er den Verein ein seine legendären Ulmrundgänge am gutes Stück mitprägte und formte, ersten Abend sorgten dafür, dass dass er zugleich kritischer Freund, das Eis unter den Teilnehmern brach Gefährte und politischer Mitstreiter und Lehrerkollegen aus dem ganzen war. Wenn Christian bei den Jah- Land spannende, neue Einblicke in reshauptversammlungen nach den die Lokalgeschichte erhielten. Berichten des Vereinsvorsitzenden Christian war ein zu politischer Kopf, und der Hauptamtlichen als erster als dass er sich auf die rein histo- aufstand, sich bedankte und sagte rische Arbeit beschränkt hätte. Er „Ich bin stolz, hier mittun zu dürfen“, brachte sich bei zahlreichen gegen- dann haben wir nie gesagt: „Wir sind wartsbezogenen Veranstaltungen stolz, dass du dabei bist.“ Es ist jetzt des Doku-Zentrums ein. Ein 1. Mai der Moment, dies öffentlich nachzu- in Ulm ohne Christian ist eigentlich holen. nicht vorstellbar. Christian Loyal kam als leiden- Und er ließ das DZOK auch schon schaftlicher Hauptschullehrer und in den 1990er Jahren von seinem engagiertes Gewerkschaftsmitglied technischen Sachverstand in Fragen in den 1990er Jahren zum DZOK. neuer Medien profitieren, und später Theoretisieren war seine Sache auch die 2003 gegründete Stiftung Am 21. Februar 2013 ist Christian nicht, lebens- und praxisnah vermit- Erinnerung Ulm. Für die 2001 eröff- Loyal in Ulm nach langer, schwerer telte er in ungezählten Führungen nete Dauerausstellung hatte Chris- Krankheit verstorben. In der von die Geschichte des KZ Kuhberg, mit tian die dort einsehbare Häftlings- ihm selbst aufgesetzten Todes- viel Herz und Verständnis gerade für datenbank eigenständig entwickelt anzeige schreibt er: „Seid euch jene Jugendlichen, die nicht brav und umgesetzt; als aktives Mitglied bewusst, es verließ euch ein glück- mitmachten. Doch nicht nur bei den der Ulmer Internetinitiative TELEBUS licher und zufriedener Mensch. Ich Besuchern, auch im Gedenkstät- verhalf er dem Doku-Zentrum in den danke allen, die mich auf meinem tenteam selbst war er mit seiner späten 1990er Jahren mit großer Lebensweg mehr oder weniger humorvollen, ausgleichenden Art, die Voraussicht zu einem professionellen begleitet haben und mich zu dem von den dzokkis genauso geschätzt Webauftritt und pflegte die Seite mit werden ließen, der ich letztendlich wurde wie von den langjährigen viel Zeitaufwand bis kurz vor seinem war.“ GedenkstättenkollegInnen, eine Tod. wichtige integrierende Kraft. Nie Annette Lein, Nicola Wenge scheute er sich, bei den Teamtreffen Christian Loyal füllte viele unter- sein reiches historisches Wissen, schiedliche Rollen aus, ohne dass seine langjährigen pädagogischen er sich dabei als Hauptdarsteller ins- Es ist nun an uns, uns posthum bei Erfahrungen einzubringen und immer zeniert hätte. Dabei wäre das Doku- Christian Loyal dafür zu bedanken, stritt er leidenschaftlich für seine zentrum ohne ihn nicht das, was es dass er über mehr als zwei Jahr- Überzeugungen. Über viele Jahre heute ist. Wir sind sehr traurig.

24 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 25 „Actions speak louder than words“ es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+ 12 Jahre Vereinsvorsitzender: Danke, Wolfgang Keck!

Als Vorsitzender seit dem 1. Juli 2001 war Wolfgang Keck erfin- Ivo Gönner Martin König dungsreicher Maschinist und Oberbürgermeister der Stadt Ulm Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. verlässlicher Pilot unserer Erin- Wolfgang Keck hat über viele Jahre Eine Lebensphase, ein Teil Vereinsge- nerungsarbeit. Wir sind Wolfgang hinweg den Verein mit großem Geschick schichte. besonders dankbar, weil er hat und bewundernswerter Zielstrebig- Das Vereinsschiff ist gar nicht mehr spüren lassen, dass gemeinsames keit geführt und zusammen mit dem so klein, kein Tanker, aber doch ein Handeln vorwärts bringt und jeder, gesamten Team des Vorstandes in dieser Dampfer geworden – wofür du viel der mitmacht, wertgeschätzt wird. Zeit das Dokumentationszentrum Oberer Verantwortung trägst. Die Wellen Deshalb hier ein vielstimmiges Kuhberg und die Arbeit des Vereins in schlugen manchmal hoch, zumindest Dankeschön aus Öffentlichkeit, besonderer Weise repräsentiert. Sein in den ersten Jahren auch bedrohlich Stiftung Erinnerung, Verein und Wirken wird sich über die aktive Zeit im – finanzielle Existenzsorgen bedrohten Team. Vorstand hinaus bemerkbar machen. uns. Der Strukturwandel der Gedenk- Deswegen danke ich ihm sehr für seinen stättenarbeit im Allgemeinen, die Hansjörg Greimel) großen und engagierten Einsatz. Die Gestaltung des Wechsels in der Leitung, Erinnerung an die Opfer des Nationalso- die Absicherung der pädagogischen und zialistischen Terrorregimes ist auch eine archivarischen Arbeit … besondere Herausforderung für die heu- Dein Wirken war erfolgreich – und im tige und die zukünftigen Generationen. Vorstand schuf deine Verlässlichkeit, Insofern hat auch Wolfgang Keck einen Beständigkeit, Beharrlichkeit, Beschei- ganz besonderen Generationenbeitrag denheit (Gentleman!) und nicht zuletzt geleistet. Herzlichen Dank und die deine Bodenhaftung eine vertrauens- Silvester Lechner besten Wünsche. volle und kollegiale Atmosphäre. Nicht zuletzt: wo nötig hast du hörbar scharf, Die zwölf Jahre, in denen Wolfgang prägnant und klar öffentlich Stellung Keck Vorsitzender des Trägervereins bezogen, und ein kluger Verhandler mit des Doku-Zentrums war, sind in dessen Institutionen und Personen bist du auch. Geschichte diejenige Periode, in der die Auch dafür Danke! Institution von der politisch-kulturellen Konrad Pflug Die Weiterarbeit in der Stiftung und Peripherie der Ulmer Stadtgesellschaft Wolfgang Keck, Partner in der Gedenk- deine Ankündigung, „nicht ganz weg“ mehr in deren Mitte rückte. Und zwar stättenarbeit: Klarsichtig, zielgerichtet, zu sein, lässt sehr hoffen auf weitere ohne – das erscheint mir wesentlich geduldig. Schon ein Vertreter der Zusammenarbeit und Begegnung, auf – an kritischer Substanz zu verlieren. „zweiten Generation“ der Gedenkstät- die ich mich freue. Das hat sicher mehrere Gründe. Ein tenarbeit: Sie muss nicht nur der Opfer entscheidender Grund dafür waren gedenken und Taten wie Täter benennen Persönlichkeit und Engagement von sondern auch Dienst an den heute mitar- Wolfgang Keck. Kennzeichnend für ihn beitenden oder Orientierung suchenden Ulrich Klemm Lieber Wolfgang, waren in der Wirkung nach Innen und Menschen sein. Deine souveräne Art und Dein stoischer nach Außen: seine strukturierende Intel- Vielen Dank für die gute Zusammenar- Optimismus hat uns im Vorstand immer ligenz, sein praktischer Sinn fürs Mach- beit mit mir und der Landeszentrale für gestärkt und vorangebracht – herzlichen und Finanzierbare; und gleichzeitig politische Bildung Baden-Württemberg. Dank! seine politische Sensibilität für die Alles Gute für die Zukunft! spezifischen Inhalte des Doku-Zentrums, als regionaler Tat-, Denk- und Lernort für unsere demokratisch verfasste Gesell- Monika van Koolwijk schaft, heute und morgen. Wolfgang bringt es immer auf den Punkt Lieber Wolfgang, – knapp, sachlich, verständlich. als Vereinsvorstand warst du auch Was für eine liebenswerte Gabe! „Chef“ der Hauptamtlichen und du hast Bewundernswert! – wen wundert´s – auch diese Rolle Möge sie noch vielen Menschen zum ideal ausgefüllt. Du hast uns alle Hand- Nutzen gereichen. Leider nicht mehr für Elke Reuther lungsfreiheit gegeben, warst aber da, uns im Vorstand. Willy Brandts Satz anlässlich der wenn es galt, aktiv zu werden. Vertrauen Wolfgang, viel Freude in der neu erwor- Lobeshymnen zu seinem 75. Geburtstag und Verlässlichkeit, Flexibilität und benen Freizeit. Alles Gute. könnte auch von Wolfgang Keck Großzügigkeit, das zeichnet(e) dich im stammen: „Was werden die Brüder Umgang mit dem Büchsengassenteam erst sagen, wenn sie mich zu Grabe aus. Und genauso deine Überzeugung, tragen?!“ Trockener Humor und Beschei- dass der Verein bei der Entlohnung der Ilse Winter denheit bezüglich der eigenen Leistung, Hauptamtlichen auf gewerkschaftliche Lieber Wolfgang: Zuverlässigkeit und Besonnenheit im Grundsätze achtet. Beileibe keine Danke für deine vielen Jahre Handeln für den Verein, Autorität da Selbstverständlichkeit! Bleibt als Fazit: Engagement mit Kopf-Herz-Hand: wo sie notwendig ist und persönliche Wir haben gerne mit dir zusammenge- Was du in die Hand nimmst, Betroffenheit über das Leid anderer – so arbeitet und freuen uns darauf, dass ist bei dir in guten Händen habe ich Wolfgang während der 4 Jahre du uns als „Dienstleister“, wie du Was du denkst, ist gut durchdacht, unseres gemeinsamen Wirkens für das es ausdrückst, erhalten bleibst. Das Wofür dein Herz schlägt, DZOK kennen gelernt. hauptamtliche Team – Ulrike Holdt, lohnt das Engagement! Die besten Wünsche für die kommende Annette Lein, Ilona Walosczyk, Wir bleiben dir verbunden und mit dir in Zeit mit dem DZOK aber ohne Amt. Nicola Wenge Verbindung! DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 27 es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+

Die Paul-Lechler-Stiftung zu Gast am Stadtgängen mehr zum jüdischen allerdings wurde dabei auf die Nen- Oberen Kuhberg Leben, bevor am 2. Tag eine Begeg- nung des Nachnamens verzichtet. Am 17. Mai hielt die Paul-Lechler- nung mit jüdischen Jugendlichen aus Im Dezember 2012 erhielten wir nun Stiftung mit Sitz in Ludwigsburg ihre dem Projekt „LIKRAT - jugend und eine Nachricht von Herrn H. Jaisle, jährliche Kuratoriumssitzung in der dialog“ stattfand sowie ein Work- einem gebürtigen Löchgauer, jetzt Ulmer KZ-Gedenkstätte ab. Nach shop zum Thema „Antisemitismus ansässig in Remshalden, der uns einem Rundgang durch Ausstellung heute“. Eine gelungene Kooperation. mitteilte, dass Reinhold Bechtle seit und Gelände informierten sich die (Nicola Wenge) 2006 mit Vor- und Nachnamen auf Kuratoriumsmitglieder vor Ort über den Straßenschildern Platz findet: den aktuellen Arbeitsstand des inter- „Die Gemeinde Löchgau hat endlich kulturellen Pädagogikprojekts „Was Ideenwerkstatt Waldkirch zu den Mut gefunden, der Reinhold- geht mich eure Geschichte an?“, das Besuch in der Ulmer Gedenkstätte straße ihren vollständigen Namen zu die Stiftung seit Januar 2012 fördert. geben und so an Reinhold Bechtle In der Gedenkstätte entspann sich nicht mehr nur verschämt und halb- ein intensives Gespräch darüber, mit herzig zu erinnern!“ Wie viel Zeit welchen Mechanismen der NS-Ter- braucht man, um die Widerständler rorapparat schon 1933 funktionierte gegen den Nationalsozialismus richtig und wie sich diese geschichtlichen zu würdigen? Reinhold Bechtle hatte Bezüge mit Lebenserfahrungen von mit seiner Haltung den Vater von H. Jugendlichen heute verklammern Jaisle 1923 davon überzeugt, in den lassen. (Annette Lein) kommunistischen Jugendverband einzutreten. (Ilona Walosczyk)

Was am 1. und 2. Mai 1933 in Ulm passierte … v. l. n. r.: Armin Bannwarth, Dr. Nicola Wenge, „Klopfer in Langenburg“ … … und was dieses Wissen für unser Roland Burckhart, Prof. Dr. Wolfram Wette, … war Thema und Rechercheziel Wolfgang Dästner. Foto: privat Handeln heute bedeutet, dazu eines Auftritts von Markus Heck- sprach Nicola Wenge auf Einladung mann und Silvester Lechner am 21. Über 30 Teilnehmer waren im des DGB und des Ulmer Bündnisses März im hohenlohischen Langen- November 2012 der Einladung gegen Rechts in ihrer Rede auf dem burg. Vormittags im nahe gelegenen der „Ideenwerkstatt Waldkirch in Weinhof am 1. Mai 2013 anlässlich Gymnasium Gerabronn vor den der Nazizeit“ und des Waldkircher der Auftaktkundgebung zur 1. Mai- 12. Klassen und am Abend in der Stadtarchivars Gregor Swierczyna Demonstration 2013. Schon am Volkshochschule von Langenburg zu einer Fahrt nach Günzburg, dem 29. April war im Haus der Stadtge- wurde Gerhard Klopfers Karriere als Geburtsort Josef Mengeles, und schichte die Wanderausstellung der hochrangiger NS-Täter in Bormanns nach Ulm zum Oberen Kuhberg Hans-Böckler-Stiftung „Gerade dich Parteikanzlei und späterer Anwalt im gefolgt, wo eine Themenführung zu Arbeiter wollen wir! Nationalsozia- Nachkriegs-Ulm dargestellt. Grund- institutioneller Verantwortung, Kom- lismus und freie Gewerkschaften lage war das Buch Heckmanns über mandant und Wachmannschaften im im Mai 1933“ eröffnet worden Klopfer, das 2010 vom Dokumentati- Mittelpunkt stand. Den Schwerpunkt – mit einem historischen Vortrag onszentrum herausgegeben wurde. der Studienfahrt bildete die Frage von Stadtarchivleiter Prof. Michael Besondere Bedeutung bekamen nach dem Umgang mit NS-Tätern. Wettengel. Die Erinnerung an den die Veranstaltungen dadurch, dass Zum Hintergrund: Waldkirch war die 1. Mai war ein wichtiger Baustein Klopfer neben seinem beruflichen Heimat des SS-Standartenführers in den vielen lokalen und regionalen Wohnsitz in Ulm Häuser und Grund- Karl Jäger, dem Führer des Einsatz- Veranstaltungen zum Thema „Vor 80 stücke in und um Langenburg besaß, kommandos 3 in Litauen. Seine Jahren: Zerstörung der Demokratie“, dort seine Freizeit verbrachte und ein Verbrechen hat Prof. Wolfram Wette die auch in der zweiten Jahreshälfte allseits bekannter Mann war. Wobei erforscht, der die Exkursion gewohnt weiterlaufen werden. (AL) bis zu seinem Tod am 29. Januar kompetent begleitete. Die Waldkir- 1987 – er ist am nahe gelegenen chener bewegt die Frage, wie mit Friedhof von Bächlingen beerdigt den jeweiligen Lasten des regionalen – niemand genau über seine NS-Kar- Interkulturelle Tage zum Jüdischen Erbes umzugehen sei. (NW) Leben in Deutschland und Ulm riere Bescheid wusste. Das änderte heute … sich ein wenig, als bei seiner Beer- … hat das Studienkolleg Ober- digung der ganze Ort mit schwarzen Eine Nachricht zur Familie Bechtle Limousinen besetzt war, wohl von marchtal erstmalig in Kooperation mit aus Löchgau … dem DZOK durchgeführt – erstmalig „alten Kameraden“. Schließlich … erreichte uns im Dezember 2012. auch außerhalb des Kollegs. Die war Klopfer nicht nur Teilnehmer Die zwei Brüder Bechtle, Reinhold Theologin Dr. Britta Frede hatte über der Wannsee-Konferenz, sondern und Willi, waren in den Konzentrati- den Europäischen Tag der Jüdischen auch SS-General. Das Interesse der onslagern Heuberg, Oberer Kuhberg Kultur 2012 Kontakt zum Doku-Zen- Langenburger war groß. Es zeigte und Welzheim inhaftiert, da sie KPD- trum gefunden und gemeinsam mit sich, dass er einerseits bis heute Mitglieder waren und dem National- Nicola Wenge und Annette Lein das als Biedermann gesehen wird und sozialismus Widerstand leisteten. Programm hierfür entwickelt. Am andererseits die brennende Frage, (s. DZOK-Mitteilungen 42, 2004). 4. Juni besichtigten Schulleiterin, wie Klopfer zum Haus- und Grund- Reinhold starb im KZ Welzheim. Lehrer und rund 60 Schüler in Ulm besitzer in Langenburg wurde, nicht Nach ihm wurde in der Gemeinde die neue Synagoge, besuchten die beantwortet werden konnte. (Sil- Löchgau eine kleine Straße benannt, KZ-Gedenkstätte und erfuhren in vester Lechner)

DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 27 +Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kü es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+

Rosl Schneider (1921 - 2013) … in Schöneweide, die Praxis des mil- … war eine Gesinnungsgefährtin des lionenfachen Arbeitseinsatzes und DZOK seit vielen Jahrzehnten. Wo die europaweite Dimension der NS- immer öffentlich Lehren aus dem Zwangsarbeit dokumentieren und verheerenden Erbe des National- veranschaulichen. (NW) sozialismus von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart gezogen wurden, wo Präsenz und Engagement gefragt waren, da Die Neugestaltung der Daueraus- gehörte sie dazu. So zählte Rosl stellung der Gedenkstätte Deutscher Schneider zum Kreis der Gründer- Widerstand … „Mütter“ des DZOK, mit besten Sitzend: Waclawa Galazka, dahinter Halina … erfolgt durch das Büro Braun Kontakten zu den Töchtern und Luczak und Gabriela Turant. Foto: R. Semmler Engels Gestaltung (Ulm) in Arbeits- Söhnen, die die Arbeit fortführten. gemeinschaft mit der Architektin Ob Friedens- oder Befreiungsbe- Ursula Wilms (Berlin). Zum Auftrag wegungen, ob AKW-Proteste oder Rede. Bürgermeisterin Iris Mann gehören der gestalterische Entwurf, Neonazi-Aufmärsche, ob Gedenk- hieß sie im Namen der Stadt Ulm die Planung und die Umsetzung der feiern in der KZ-Gedenkstätte – Rosl und Nicola Wenge in Namen des neuen Dauerausstellung der Gedenk- war immer dabei. Nun ist sie am 18. DZOK willkommen. Die Firma „High stätte Deutscher Widerstand in den Mai verstorben, betrauert von vielen Solar“ stellte in der Wilhelmsburg denkmalgeschützten Räumen des Wegbegleiter/innen und Freunden, einen Raum zur Verfügung, in dem ehemaligen Oberkommandos des darunter wir vom Dokumentations- die Gäste den TeilnehmerInnen Heeres in Berlin („Bendlerblock“). zentrum. Wir vermissen sie. (SL) des Treffens, u. a. Schülerinnen der Die neue Dauerausstellung soll am Christoph-Probst-Realschule aus 20. Juli 2014 – dem 70. Jahrestag Neu-Ulm, ihre Kriegserlebnisse schil- des Umsturzversuchs vom 20. Juli dern konnten. Ein beeindruckendes 1944 – eröffnet werden. Die ersten Erlebnis für uns alle. Am Nachmittag konzeptionellen Planungen sind mitt- wurde die Begegnung mit den pol- lerweile weit fortgeschritten. Wir nischen Gästen in den Räumen des gratulieren unserem langjährigen Doku-Zentrums im Beisein unserer Partner zu dieser neuen Aufgabe. Jugendgruppe fortgesetzt. „Wir (NW) müssen unsere Geschichte an die jungen Leute weiter geben, denn sie sind unsere Zukunft und sollen aus unseren Erfahrungen lernen“. Das Gesamtinventar des Internatio- Rosl Schneider mit Henry Frankel, Ende Darum waren die Frauen der Einla- nalen Suchdiensts (ITS) … November 2012 in Ulm. Sie kannte ihn, der dung der Polnischen Katholischen … ist jetzt auf seiner Homepage im Juni 1933 in Ulm geboren worden war und Gemeinde in Ludwigsburg gefolgt, veröffentlicht. Im Archiv des ITS als jüdisches Kind 1939 unbegleitet in die USA um ein Denkmal für polnische Kriegs- fliehen musste, seit seiner Ulmer Kindheit. befinden sich insgesamt rund 30 opfer einzuweihen. Und darum auch Millionen Dokumente zur Haft in kamen sie, trotz ihrer Gebrechlich- Konzentrationslagern, Ghettos keit, erneut zu uns nach Ulm. Es war und -Gefängnissen, zur ein unvergesslicher Tag. (IW) „Die Menschen sind gleich und man Zwangsarbeit und zu Displaced Per- darf niemanden erniedrigen oder sons. Interessierte können sich mit seine Würde missachten“ … Hilfe des Gesamtinventars, das in … diese Worte sprach Waclawa Deutsch, Englisch und Französisch Die Dauerausstellung „Alltag vorliegt, einen ersten Überblick Galazka bei einem Treffen mit Ulmer Zwangsarbeit 1938-1945“ … Bürgern in der Wilhelmsburg. Mit über die Bestände verschaffen. Das … wurde am 8. Mai 2013 im Gabriela Turant und Halina Luczak Inventar listet die Dokumenten- 2006 gegründeten Dokumenta- besuchte sie am 17. Mai das DZOK bestände auf und liefert erstmals tionszentrum NS-Zwangsarbeit (s. Mitt. 57, 2012). Die Wilhelms- detaillierte Informationen zum Berlin Schöneweide (www.dz- burg, in der W. Galazka und G. Tu- Umfang der einzelnen Teilbestände. ns-zwangsarbeit.de) eröffnet. Die rant bei Telefunken Zwangsarbeit Link zum Gesamtinventar: www.its- Ausstellung dokumentiert anhand geleistet hatten, bedeutete für sie arolsen.org/de/das-archiv/bestaende/ vieler Biografien die Erfahrungen der einst Erniedrigung, Demütigung, gesamtinventar/index.html Zwangsarbeiter nach der Verschlep- Angst und Hunger. Doch durch ihren Quelle: Pressemitteilung des ITS, 10. pung aus ihrer Heimat. Sie nimmt Ulm-Besuch im Rahmen des Pro- Juni 2013 (NW) auch das Verhalten der Deutschen jekts „Ehemalige polnische Zwangs- - Täter, Profiteure, Zuschauer, Helfer arbeiter in Ulm und der Region“ 1996 - in den Blick. Im Zentrum steht der wurde der frühere Schreckensort Alltag der Zwangsarbeiter sowie die zum Symbol der Versöhnung. Und Auch in Ulm fand zum 20. Jahrestag zahlreichen Bedrohungen, denen nun, 17 Jahre danach, begegneten des Brandanschlages in Solingen sie täglich ausgesetzt waren, infolge wir uns an eben diesem Ort wieder. … derer viele inhaftiert oder auch hinge- Silvester Lechner, der das genannte … eine Gedenkveranstaltung statt, richtet wurden. Die Ausstellung will, Projekt initiiert hatte, begrüßte die die vom DIDF Ulm (Förderation ausgehend von der Geschichte des drei Frauen mit einer bewegenden Demokratischer Arbeitervereine) ehemaligen Zwangsarbeiterlagers

28 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 29 +Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kü es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+

veranstaltet und von vielen Partner- In den letzten Jahren produzierte der Die Gedenkstättenlandschaft in organisationen in der Stadt, darunter AK zusammen mit dem Stadtarchiv Baden-Württemberg … auch dem Doku-Zentrum, mitge- eine beachtliche Wanderausstellung, … ist in Bewegung. In den vergan- tragen wurde. Die Mahnwache am außerdem gibt es eine Reihe von genen Jahren sind neue Orte ent- 29.5.2013 in der Hirschstraße für Gedenkorten. standen oder bestehende Gedenk- die Opfer der Brandanschläge hat Am 11. April war Silvester Lechner orte ausgebaut worden, so etwa deutlich gemacht, wie wichtig das Gast des AK, um zu helfen, Pers- die KZ-Gedenkstätte Hailfingen- Erinnern für unsere Gegenwart und pektiven für die Crailsheimer Erinne- Tailfingen, die 2010 eröffnet wurde, die Zukunft ist. Mit den schreckli- rungsarbeit zu finden - über die Gene- oder die KZ-Gedenkstätte Neckarelz, chen Brandanschlägen 1993 ist der ration der heute Aktiven hinaus. die seit 2011 eine neue Daueraus- Name Mevlüde Genc in unserem Ein Ergebnis war dabei, dass das his- stellung in einem neuen Gebäude Gedächtnis geblieben, eine Frau, torische Erbe der „Weißen Rose“ in präsentiert. Weitere Gedenkstätten die 5 Familienmitglieder bei dem Zukunft dazu genutzt werden könne, sind im Entstehen begriffen. So Anschlag verloren hat und trotzdem Jugendlichen einen Motivationsraum haben sich in Radolfzell Bürgerinnen Deutschland als ihre Heimat ansieht zu geben, das für sie jeweils Empö- und Bürger in einer Initiativgruppe und die deutsche Staatsbürgerschaft rende und Überholte zu kritisieren zum Offenen Gedenken zusammen- angenommen hat. Die heutigen und Alternativen auszuprobieren. geschlossen, die an den Bau der rassistischen Terroranschläge sind [email protected] (AK Weiße dortigen SS-Kaserne und einer SS- mit den Namen der mutmaßlichen Rose); folker.foertsch@.de Schießanlage durch Zwangsarbeiter Mörder Mundlos und Böhnhardt (Stadtarchiv). (SL) erinnern will. In Karlsruhe ist der verbunden – wir sollten alles dafür Verein Lernort Zivilcourage e.V. ent- tun, dass die Opfer in unserem standen, der über die Geschichte des Gedächtnis bleiben und nicht die KZ Kislau (1933-1939) informieren Täter. (Elke Reuther) will. In Tübingen engagieren sich Der Münchener Verein „Weiße Bürgerinnen und Bürger für ein dor- Rose-Stiftung“ … tiges NS-Dokumentationszentrum. … hat am 13. April Dr. Hildegard Quelle: Stellungnahme des Staats- Kronawitter und Professor Wolfgang ministeriums auf einen Antrag der Liken.Teilen.Hetzen. Neonazi-Kam- Huber als erste bzw. als zweiten Abg. Sabine Kurzt u.a. (CDU) zur pagnen in sozialen Netzwerken … Vorsitzenden wiedergewählt. Gedenkstättenkonzeption für Baden- … so heißt eine empfehlenswerte Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist Württemberg unter Einbeziehung Online-Broschüre zu Rechtsextre- einerseits die Weiße-Rose-Denk- des Lern- und Erinnerungsorts Hotel mismus im Internet. Die Redaktion stätte im Hauptgebäude der LMU in Silber, 25.3.2013 (NW) der Online-Plattform „Netz gegen München und andererseits die mitt- Nazis“ schreibt hierzu: „Schon lerweile weltweite Verbreitung der lange haben Neonazis die sozialen Wanderausstellung zur Geschichte Netzwerke als ideale Plattformen zur der Weißen Rose. Im Jahr 2014 soll Verbreitung ihrer menschenverach- erstmals auch in Israel die Ausstel- Die Planungen für den Lern- und tenden Propaganda für sich entdeckt. lung gezeigt werden. Erinnerungsort Hotel Silber … Mal mehr, mal minder subtil versu- Tätigkeitsbericht 2012 und Kon- … schreiten fort. Der Entwurf über chen sie, nicht-rechte Userinnen und taktaufnahme: www.weisse-rose- das organisatorische Konzept und User anzusprechen und das mittels stiftung.de (SL) die inhaltlichen Schwerpunkte, die immer professioneller Strategien. das Haus der Geschichte Baden- Die neue Broschüre, die sich direkt Württemberg in Kooperation mit an Jugendliche wendet, klärt auf und der Initiative für einen Lern- und gibt Gegenstrategien an die Hand.“ Erinnerungsort in der ehemaligen Die Broschüre ist unter folgendem Die Landesarbeitsgemeinschaft der Stuttgarter Gestapo-Zentrale entwi- Link herunterzuladen: http://no- Gedenkstätten und Gedenkstätten- ckelt hatte, wurden beim Zweiten nazi.net/wp-content/uploads/2013/ initiativen … Runden Tisch am 7. Mai vorgestellt. 04/Liken.Teilen.Hetzen.pdf (NW) … hat im Dezember 2012 ein Bei diesem Treffen waren wieder „Konzept zur Neuausrichtung der Vertreter der Initiative, der Opferver- Gedenkstättenlandschaft und der bände, der LAGG, der LpB, der Stadt Landesgedenkstättenförderung 2013 und der Landesministerien bis 2015“ vorgelegt und dieses Posi- vertreten. Aus dem Gremium heraus Einen sehr aktiven „Weiße-Rose- tionspapier den Vorsitzenden der vier wurde angeregt, nun rasch direkte Arbeitskreis“ … im Landtag von Ba-Wü vertretenen Gespräche zwischen Stadt und Land … gibt es seit über einem Jahrzehnt Fraktionen sowie Mitgliedern der zu führen, um die Finanzierung des in Crailsheim. Denn hier war im heu- Landesregierung übermittelt und im Projekts als Basis für dessen Fortfüh- tigen Stadtteil Ingersheim Robert Gespräch erläutert. Es enthält Maß- rung zu klären. (NW) Scholl Bürgermeister, hier wurden nahmen zur Stärkung und Professio- Inge (1917) und Hans Scholl (1918) nalisierung der Gedenkstättenarbeit geboren – das Geburtshaus steht vor Ort sowie zu einer noch intensi- noch. Und schließlich lebte hier veren regionalen Vernetzung. (NW) Eugen Grimminger (1892 - 1986), der u.a. Herstellung und Versendung der Flugblätter finanziell unterstützt hat.

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Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, etwa 300 Beamte und Mitarbeiter/- Sie war untergebracht, zusammen Roland Maier (Hrsg.): innen, ein erstmalig veröffentlichter mit der „normalen“ Polizei, im Die Geheime Staatspolizei in „Geschäftsverteilungsplan“ (Stand „Neuen Bau“. Chef war der Ulmer Württemberg und Hohenzollern, 1.4.1944) zeigt die „Sachgebiete“, Polizeipräsident Wilhelm Dreher, von Stuttgart. Schmetterling-Verlag, teilweise mit den „Sachbearbeitern“, 1933 bis zu seiner Abberufung als Stuttgart 2013; 475 S., 29,80 ∑ S. 441. In Ulm waren es ca. sechs „Regierungspräsident“ nach Sigma- Beamte und sechs Sekretärinnen. ringen 1942. Es ist kaum zu glauben: Erst seit Zum omnipräsenten Herrschaftsins- In Stichworten einige Ulm betref- diesem Jahr, also 80 Jahre nach der trument jedoch wurde sie dadurch, fende wichtige Aktivitäten der Entstehung des Nazi-Regimes, liegt dass mit ihr sämtliche Behörden und Gestapo: ein Buch vor, das sehr umfassend prinzipiell sämtliche gesellschaft- - das KZ Oberer Kuhberg, S. 127ff, über dessen zentrales Herrschafts- lichen Institutionen, vor allem alle und das Referat „Linksbewe- instrument, die Geheime Staats- Gliederungen und alle Mitglieder der gung“, 166 ff; die Ulmer KZ-Kom- polizei, abgekürzt „Gestapo“, und Partei (allen voran die SS) verwoben mandanten Buck und Eberle, 435/ ihre Akteure informiert. Und zwar waren. Selbst die Mitglieder der „Hit- 36 nicht über die Gestapo irgendwo im lerjugend“ waren bis in die eigene - Geschwister Scholl und die Deutschen Reich, sondern in unserer Familie hinein verpflichtet, „Auffäl- „Weiße Rose“, 214 - 219 weiteren und engeren Region: in ligkeiten“ zu melden, die in Ideologie - die katholische Kirche am Beispiel Württemberg, und damit u. a. auch und Alltagspraxis dem Regime nicht des Söflinger Pfarrers Weiß (auf in Ulm. Württemberg hatte 1939 entsprachen. dem Titel des Bucheinbandes ein ca. 2,9 Millionen Einwohner; dazu Die Gestapo „lebte“ also vom Foto seiner Verhaftung im Söf- gehörte in der NS-Zeit verwaltungs- Prinzip der massenhaften Denunzi- linger Klosterhof, Pfingsten 1939), (und gestapo-)technisch auch das ation, das die gesamte Bevölkerung die drei Pfarrer-Häftlinge im KZ preußische Hohenzollern (ca. 74.000 passiv und/oder aktiv einbezog. Oberer Kuhberg, 228ff; Einwohner) rund um Sigmaringen. Dies könnte ein Grund dafür sein, - der hingerichtete 17-jährige Söf- Warum erscheint solch ein Buch dass das Schweigen nach 1945 linger „Zeuge Jehovas“, Jonathan erst jetzt? Der wichtigste Grund ist über Jahrzehnte anhielt. Zu diesem Stark, S. 257; sicher, dass in den letzten Tagen des „Schweigen“ gehört auch das - das Zwangsarbeiter-Bordell in Ulm, Regimes die belastenden Unterlagen Faktum, dass die Strafverfolgung 370. der württembergischen „Stapo-Leit- der Gestapo-Angehörigen nach stelle“ in Stuttgart (im Deutschen 1945 minimal war, ja 152 von ihnen Die Stuttgarter Zentrale der „Politi- Reich gab es ca. 50 davon), aber 1959 wieder im Dienst des Landes schen Polizei“ Württembergs war auch die der „Stapo-Außenstellen“ tätig waren (414ff). Übrigens: dieser seit 1928 das „Hotel Silber“ (erbaut in Aalen, Friedrichshafen, Ellwangen, Kontinuität in die Bundesrepublik 1873) in der Dorotheen-Straße, Schwäbisch Hall, Heilbronn, hinein entspricht auch die fast unge- das diesen Namen zynischerweise Oberndorf/N., Tübingen und Ulm brochene Kontinuität der politischen auch als Nazi-Terrorzentrale behielt. systematisch vernichtet wurden Polizei aus der Weimarer in die Heute steht das Gebäude noch, vor (S. 15). Vielleicht hängt damit auch NS-Zeit, S. 23 ff. Der „Dienststellen- dem Abriss gerettet von einer Bürger- der Umstand zusammen, dass in leiter“ der „Stapo-Leitstelle“ Stutt- initiative, die den „Tatort“ zu einem der Liste der genutzten Stadtarchive gart, Friedrich Mußgay, war z. B. an „Gedenkort“ machen will. Auch (444) das Stadtarchiv Ulm nicht auf- einem Stück Geheimpolizeibeamter dafür ist das vorliegende Buch eine geführt ist. von 1917 bis 1945! hervorragende Grundlage. Aber: Da der NS-Terror in „guter“ Die allgemeine Aufgabe der Gestapo Silvester Lechner deutscher Tradition auch eine gute war die Schaffung einer „arischen Verwaltung hatte, entstanden Volksgemeinschaft“ und die „Aus- viele Unterlagen in mehrfacher schaltung“ von deren politischen Ausfertigung und sind – verstreut und „rassischen“ Feinden. Zu diesen über zahlreiche Archive – erhalten gehörten: die „Linksbewegung“, Ulrich Herrmann: geblieben. Das bedeutet, dass das die Juden, die Kirchen, die Zeugen Vom HJ-Führer zur Weißen Rose. sechsköpfige Autorenteam eine Jehovas, die Homosexuellen, die Hans Scholl vor dem Stuttgarter gewaltige Puzzle-Arbeit zu leisten Sinti und Roma, die „Asozialen“ und Sondergericht 1937/38, mit einem hatte, die es auf beeindruckende, – im Krieg von größter Bedeutung Beitrag von Eckard Holler über die historisch seriöse und im Ergebnis – die Kriegsgefangenen und Zwangs- Ulmer „Trabanten“. Beltz Juventa, gut lesbare Weise gelöst hat. arbeiter. Als Haftstätten hatte Weinheim und Basel 2012; 380 S., Nebenbei bemerkt: Die Historiker/ die Gestapo, jenseits der Justiz, 39,95 ∑ innen kommen nicht von einem his- Konzentrationslager und „Arbeits- torischen Lehrstuhl, sie haben die erziehungslager“ zur Verfügung. Wohl die spannendste Frage in der Studie „neben dem Broterwerb“ Die Praxis der Verfolgung unterlag Entwicklungsgeschichte von Hans (S. 9) unentgeltlich geschrieben und keinen justiziellen Beschränkungen und Sophie Scholl von begeisterten nur einige Sachkosten von der Lan- und reichte bis zu Folter und Mord. Exponenten der Ulmer „Hitlerju- deszentrale für politische Bildung gend“ hin zu kompromisslosen ersetzt bekommen. In all diesen Bereichen, die im Buch Gegnern des Regimes, die ihr Leben Aber auch ein weiterer Grund, warum kapitelweise behandelt werden, einsetzten und es verloren, ist die dieses Buch erst jetzt erschienen ist, sind auch wesentliche Aktivitäten Frage nach dem „Knackpunkt“. ist naheliegend: Die Gestapo war der Gestapo in Ulm, der landesweit Das heißt, wann und unter welchen zwar personell eine kleine Behörde. größten „Außenhauptstelle“ zur Zen- Umständen vollzogen sich innerhalb In ganz Württemberg waren es trale in Stuttgart, erwähnt (S. 88 ff). von zehn Jahren politische Umkehr

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und Neuorientierung? Sophie war „bündischer Umtriebe“ innerhalb Christine Hikel: im März 1933 zwölf und Hans 15 der „Hitlerjugend“, die in einer spe- Sophies Schwester. Inge Scholl Jahre alt. ziellen württembergischen Verord- und die Weiße Rose. Oldenbourg, Das entwicklungspsychologische nung vom 11. Mai 1937 ausdrücklich München 2013 (= Quellen und Dar- Argument, im pubertären Umbruch als „staatsgefährdend“ verboten stellungen zur Zeitgeschichte Bd. 94, die Ursache für Begeisterung und worden waren. Im Urteilsspruch hg. vom Institut für Zeitgeschichte); Abkehr zu sehen, ist nicht hinrei- des Sondergerichtes Stuttgart unter 278 S., 29,80 ∑ chend, denn es trifft kaum auf die Hermann Cuhorst – der berüchtigte übrigen Gleichaltrigen ihrer Genera- Blutrichter war in diesem Fall „ver- Innerhalb weniger Wochen sind zwei tion zu. Näher zu den Gründen des ständnisvoll“ – am 2. Juni wurden Bücher über Inge (Aicher-)Scholl Umbruchs führen zwei Pfeiler ihrer beide Vorwürfe gegen Hans Scholl (1917-1998), die älteste Schwester Kindheits- und Jugend-Sozialisation: fallen gelassen, er wurde auf Grund von Hans und Sophie, erschienen. die Familie und das Gruppenerlebnis einer Amnestie-Aktion 1938 im April Die Herausgeberin Christine Abele- der „bündischen Jugend“. In beiden frei gelassen. Das halbe Jahr jedoch, Aicher und die Autorin Christine Hikel Instanzen standen das Subjekt und in dem das Verfahren lief, dürfte die wussten nichts voneinander und – so seine engsten Bezugspersonen in entscheidende Phase im Leben des ist vorweg zu sagen – das ist absolut Werten und Normen („Gewissen“) Hans Scholl gewesen sein, in der er kein Schaden. Die Arbeiten, so unter- den Einstellungen und Haltungen der sich den Prinzipien des NS-Staates schiedlich sie in Fragestellung und so genannten „Masse“ grundlegend entfremdete und die Suche nach Inhalten sowie vor allem in der Dar- gegenüber. entgegen gesetzten moralischen stellungs-Methode sind, ergänzen Dass diese Voraussetzungen beson- Grundlagen begann. Wobei zu den sich auf faszinierende Weise. ders bei Hans Scholl wirken konnten, entwürdigenden – im Buch komplett Christine Abele-Aichers Buch ver- dazu bedurfte es eines besonderen dokumentierten – Vernehmungen sammelt 50 Beiträge unter drei Ereignisses. Dieses Ereignis doku- durch voyeuristische Gestapobe- Aspekten: „vh ulm, hfg“, „Publi- mentiert das vorliegende Buch amte auch Hans Scholls Scham zistin, Friedensaktivistin“sowie „Pri- von Ulrich Herrmann, von 1994 bis und Beschämung gegenüber dem vatperson“. Der historische Bogen 2004 Professor für Pädagogik an der Umfeld von Familie und Freunden reicht von Zeitzeugen-Erinnerungen Universität Ulm, so ausführlich wie kamen. zu Kindheit und Jugend (Schwester bisher noch nie in der Weiße-Rose- Der vorliegende Band ermöglicht mit Elisabeth Hartnagel, Schwägerin Literatur. einer historischen Einführung, vor und Schwager Hedwig Maeser und Das „Ereignis“: Am 10./11. November allem aber mit seinem Dokumenten- Georg Aicher, BdM-Gefährtin Irm- 1937 wurden Inge und Werner Scholl Teil über das Strafverfahren, erstmals gard Keßler) über Erinnerungen von und elf Ulmer Jugendliche aus Hans einen genauen Einblick in die Hinter- Arbeits- und Gesinnungsgefährten, Scholls Gruppe von der Gestapo gründe von Hans Scholls Wandel, die Beschreibung von Feldern ihrer verhaftet und ins Gestapo-Gefängnis von dem vor allem auch seine Arbeit und ihres politischen Engage- nach Stuttgart gebracht. Sie hatten Schwester Sophie und sein Bruder ments bis hin zu Beiträgen der drei zwischen 1935 und 37 zu einer von Werner berührt waren. Ein bisher Söhne Florian, Manuel und Julian Hans Scholl geführten „Jungvolk“- nicht veröffentlichtes, bedeutendes Aicher. Letzterer stellte bei dem Gruppe gehört, die sich an bündi- Fundstück: die Beschreibung des Projekt die nötige unmittelbare Nähe schen Traditionen der „dj. 1.11“, Prozesses durch die Mutter Magda- zur Person Inge Scholl her, während die am 1.11. 1929 als „autonome lena Scholl (S. 92 ff). seine Frau Christine als Herausge- Jungenschaft“ von Eberhard Koebel Etwas bedauerlich ist, dass oft quel- berin, die Inge Scholl nicht mehr per- in Stuttgart gegründet worden war, lenkritische Erläuterungen fehlen, sönlich kannte, für die ebenso nötige orientiert hatte. (Der im vorliegenden die Wiedergabe – Qualität der Doku- Distanz zum Gegenstand sorgte. Band eingeschobene Aufsatz von mente nicht hoch ist, und schließlich, So ist ein Erinnerungs-Mosaik zur Eckard Holler – erschienen 1999, dass nicht nur die Weiße-Rose-Lite- historischen Gestalt der Inge Aicher- besprochen in den Mitteilungen 33, ratur von 2013, sondern auch die von Scholl zustande gekommen, das eine 2000 – über die „Ulmer Trabanten“ 2011 und 2012 gar nicht oder nur am nachträgliche Begegnung möglich informiert darüber, was darunter zu Rande verarbeitet ist. macht, für diejenigen, die sie und die verstehen ist.) Trotzdem: eine wichtige Bereiche- Zeiten, in denen sie lebte, nicht mehr Hans Scholl, der nach dem Abitur rung zu den Ursprüngen des wider- kannten. Ende März 1937 bis Oktober beim ständigen Handelns der Geschwister Christine Hikels Buch basiert auf Arbeitsdienst gewesen war und dann Scholl. ihrer 2011 eingereichten Biele- Anfang November seine Militärzeit in Silvester Lechner felder Doktorarbeit und – ganz Cannstatt begonnen hatte, wurde bewusst – auf der Grundlage von dort erst am 15. Dezember verhaftet. der Öffentlichkeit zugänglichen Grund war eine Anzeige wegen eines Archivbeständen, insbesondere von „Verbrechens nach § 175a Ziff 2 denen des Münchener Instituts für StGB“. Anlass: Hans Scholl hatte Inge Scholl: Sophies Schwester, Zeitgeschichte (IfZ) bzw. dem dort sich einem Jungen seiner Gruppe Die „sanfte Gewalt“ seit 2005 zugänglichen Bestand des auf einer „Fahrt“ im Zelt sexuell Privatarchivs von Inge Aicher-Scholl. „angenähert“. Das brachte ihn in NS- Christine Abele-Aicher (Hg.): Die geschichtswissenschaftlich Perspektive in die Nähe von „Homo- Die sanfte Gewalt. Erinnerungen überzeugend reflektierte Arbeit will sexualität“, ein fundamentales Ver- an Inge Aicher-Scholl. Süddeutsche in Inge Scholl, die von den Taten ihrer brechen im Rahmen der „arischen Verlagsgesellschaft im Jan Thorbeke Geschwister nicht wusste, aber dann Rassenhygiene“. Nachgeordnet Verlag, Ulm 2012; 176 S., 19,90 ∑ nach 1945 die entscheidende Gestalt zu diesem Vorwurf war derjenige für deren Bekanntwerden wurde,

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ein Doppeltes beschreiben: dass Mensch frei, aber er ist wehrlos Predigten des englischen Bischofs und wie die Weiße Rose zur Sub- wider das Böse ohne den wahren John Henry Kardinal Newman (1801- stanz deutscher Erinnerungskultur Gott, er ist wie ein Schiff ohne 1870) bis hin zum reformkatholischen bis heute wurde und wie sie selbst Ruder, dem Sturme preisgegeben, Denken französischer Autoren. eine „Protagonistin des bundes- wie ein Säugling ohne Mutter, wie Fazit: Unmittelbar nach der Befreiung deutschen ‚Demokratiewunders‘“ eine Wolke, die sich auflöst.“ Deutschlands hatten Gestalten wie wurde. So geht es Hikel einerseits Diese aus der biblischen Apokalyptik Romano Guardini (in einer Rede darum, Inge Scholls „Geschichte der kommenden Motive sind die einzige am 4. November 1945) und Ricarda Weißen Rose in die Geschichte der Passage in den sechs Flugblättern Huch (mit ihren erst 1997, 50 Jahre Bundesrepublik einzuschreiben“ als der Weißen Rose, die einer spezi- nach ihrem Tod herausgegebenen „Gegenerinnerungen“ zu den nati- fisch christlichen Vorstellungswelt „Lebensbildern aus dem deutschen onalsozialistischen „Verbrechensge- entstammen. Widerstand“) die Weiße Rose nach- schichten“. Und andererseits geht Diese Quelle allein ist noch nicht gerade zur „religiösen Bewegung“ es ihr darum, exemplarisch an ihr dazu geeignet, die Kerngruppe gemacht. Diese Einordnung spielte das „Funktionieren von Erinnerung“ der Weißen Rose als „christlichen in der „Weiße Rose Literatur“ (viel- in all ihren „gesellschaftlichen Ver- Widerstand“ zu bezeichnen. Im leicht mit Ausnahme von Inge Scholl) netzungen“, „Anpassungen und vorliegenden Band jedoch wird an bis in die Gegenwart keine große Aktualisierungen“ nachvollziehbar zu Hand von Briefen und Tagebüchern Rolle mehr. So ist es ein Verdienst machen. Ganz besonders spannend deutlich gemacht, dass in den letzten der vorliegenden Aufsatzsamm- ist dabei der Kampf um „Deutungs- knapp zwei Jahren vor den Hinrich- lung, die heute in großer Breite macht“ zwischen „der Aufbauge- tungen im Jahr 1943 christlich orien- vorliegenden biografischen Quellen neration der Bundesrepublik, den tierte Bezugspersonen und Autoren eingehend betrachtet und auf ihre 45ern, und der Protestgeneration und damit christlich grundiertes christliche Motivik hin untersucht zu der 68er“ (193), der am Beispiel von Denken und Fühlen – insbesondere haben. Christian Petrys Buch „Die Weisse für Hans und Sophie Scholl – immer Silvester Lechner Rose und ihr Scheitern“ von 1968 wichtiger wurden. Der nazistischen dargestellt wird (177 ff). Ersatzreligion entgegen wird die Christine Hikels Arbeit ist eine bisher christliche Wertewelt einerseits unübertroffene, äußerst detaillierte zu einer Legitimation des eigenen und sorgfältige Beschreibung der Handelns und andererseits zu einer Kurt Salomon Maier: Wandlungsgeschichte von Erinne- Hoffnungs- und Trost-Perspektive im Unerwünscht. Kindheits- und rung am Bespiel von Inge Scholls Angesicht des drohenden Todes. Jugenderinnerungen eines jüdi- „Erzählungen“ zur Weißen Rose Die Herausgeber des Bandes, der schen Kippenheimers, hg. von in ihren gesellschaftlich-politischen Militärhistoriker Detlef Bald und der Evangelischen Landeskirche in Bedingtheiten. der Theologe und Gymnasiallehrer Baden, Upstadt-Weiher u. a. Verlag Zu hoffen ist, dass die Autorin die Jakob Knab – beide schon mehrfach Regionalkultur 2011; 112 S., 13,90 ∑ Rezeptionsgeschichte der Weißen mit Veröffentlichungen zur Weißen Rose, die sie mit dem Verstummen Rose hervorgetreten – begeben „… die Erinnerung an die Heimat von Inge Scholl ab den 1990er sich zusammen mit der Theologin lässt mich nicht los“, schreibt Kurt Jahren enden lässt, noch bis in die Renate Wind und dem Literaturwis- Salomon Maier, der am 4. Mai 1930 Gegenwart fortsetzt. senschaftler Hinrich Siefken auf die in Kippenheim im Ortenaukreis Silvester Lechner Suche nach den spezifisch christli- (Baden) geboren wurde und seit chen Spuren in den Zeugnissen der weit über 60 Jahren in den USA Gruppe. lebt, eingangs seiner „Kindheits- Portraitiert werden die beiden großen und Jugenderinnerungen“. Sie sind „religiösen Mentoren“ (Jakob Knab) ein anschauliches Zeugnis der 1933 Detlef Bald/ Jakob Knab (Hg.): seit Sommer 1941, Carl Muth (1867- endgültig untergegangenen Welt des Die Stärkeren im Geiste. Zum 1944) und Theodor Haecker (1879- deutschen Landjudentums, das sich christlichen Widerstand der 1945), und andere Persönlichkeiten im 15. und 16. Jahrhundert in deut- Weißen Rose. Klartext, Essen 2012, in deren Umfeld, wie Alfred von schen Kleinstädten entwickelte, da in 228 S., 19,95 ∑ Martin, Sigismund von Radecki, dieser Zeit die Juden aus den Reichs- Werner Bergengruen. Sie suchten städten, wie z. B. aus Augsburg, Ulm, Im 4. Flugblatt der „Weißen Rose“, und vermittelten eine Religiosität jen- Nürnberg vertrieben wurden. verfasst im Juli 1942, schreibt seits der vielfach vom Nazi-Staat kor- Diese Erinnerungen sind als Buch – wahrscheinlich allein, aber inspi- rumpierten kirchlichen Institutionen. erschienen, illustriert durch viele riert von Theodor Haecker – Hans Sowohl Detlef Bald als auch Renate historische Fotos. Ein einzigartiges Scholl: „Jedes Wort, das aus Hitlers Wind glauben deshalb von einer Foto, das den Wendepunkt seines Munde kommt, ist Lüge. Wenn er „christlich-ökumenischen“ Religi- Lebens und damit das Ende des Frieden sagt, meint er den Krieg, osität insbesondere bei Hans und badischen Judentums dokumentiert, und wenn er in frevelhaftester Weise Sophie Scholl sprechen zu können. ist auf dem Umschlag abgebildet: Es den Namen des Allmächtigen nennt, Von großer Bedeutung waren dabei zeigt die Rückseite eines Lastautos, meint er die Macht des Bösen, den literarisch-historische Vorbilder und zu dem, bewacht von einem Unifor- gefallenen Engel, den Satan. Sein deren Lektüre im Freundeskreis. mierten, vier Personen gehen; die Mund ist der stinkende Rachen der Diese Vorbilder reichten von den Kir- dritte Person ist Kurt Maier mit 10 Hölle, und seine Macht ist im Grunde chenvätern (z. B. Thomas von Aquin Jahren, die erste seine Großmutter verworfen.“ Und etwas weiter im mit seiner Lehre von der Berechti- und die vierte sein Vater. Es ist der 4. Flugblatt heißt es: „Wohl ist der gung des Tyrannenmords), über die 22. Oktober 1940, der Tag, an dem

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die badischen und pfälzischen Juden ab der Jahrhundertwende breiteste – insgesamt etwa 6500 Menschen Anwendung fand. Die Herausgeber Herausgeber: – aus ihren Wohnorten ins südfran- der vorliegenden offiziellen Gesamt- Dokumentationszentrum zösische Internierungslager Gurs darstellung begründen deren Titel KZ Oberer Kuhberg Ulm e. V. verschleppt wurden. Diese Depor- damit, dass diese „Grußformel Postfach 2066, 89010 Ulm tation war eine Vorab-Aktion zweier beispielhaft die Vielschichtigkeit [email protected] Gauleiter zu den ein Jahr später des Bergsteigens zwischen einer www.dzok-ulm.de vollzogenen „flächendeckenden“ vermeintlich apolitischen Freizeit- (dort Infos zur Mitgliedschaft) Massendeportationen in die Ver- beschäftigung und einer engen Ver- nichtungslager. Viele der nach Gurs knüpfung mit Politik und Gesellschaft DZOK-Büro mit Archiv, Bibliothek: Deportierten gingen dort infolge von deutlich macht“. Büchsengasse 13, 89073 Ulm Krankheiten zugrunde, viele wurden Dieser Titel verweist einerseits auf Tel.: 0731 / 21312, Fax: 9214056 ein Jahr später in eines der deut- die Indienstnahme des „Heil“ durch schen Vernichtungslager deportiert. die Nazis (ab 1923), er beinhaltet Ganz wenigen gelang die Emigration, aber auch, dass der Alpenverein Redaktion: so z. B. der fünfköpfigen Familie – neben Turnern und akademischen Dr. Nicola Wenge (verantwortlich), Maier aus Kippenheim. Verbindungen – ab Ende des 19. Karin Jasbar, Annette Lein, Im Juli 1941 kamen die Maiers Jahrhunderts zu denjenigen bür- Thomas Vogel, Ilona Walosczyk im New Yorker Hafen an und ver- gerlichen Organisationen in den brachten die ersten Monate im für deutschsprachigen Ländern gehörte, Druck: deutsche Emigranten zentralen in denen das Ideologien-Gebräu der Offsetdruck Martin, Blaustein Stadtteil „Washington Heights“. Kurt NS-Bewegung vorformuliert worden Maier beendete in New York seine ist. Antisemitismus, Militarismus, Schulzeit, war von 1952 bis 54 im männlicher Heroen- und Todes- Auflage: Hunsrück Soldat bei der US-Army, Kult, Antimarxismus lassen sich in 1.500 Exemplare studierte Literatur und Geschichte tausenden von Quellentexten nach- an der Columbia Universität, promo- weisen, ehe sie mit dem Anschluss Mitarbeiterinnen: vierte 1969 zum Thema „Images Österreichs in „Großdeutschland“ Dr. Nicola Wenge (Leiterin), of the Jew in Postwar German Fic- zur Staatsdoktrin wurden. Annette Lein, Ilona Walosczyk, tion and Drama“ und arbeitete bis In den ersten Jahrzehnten nach dem Ulrike Holdt (Archivprojekt) zum Ruhestand als Bibliothekar an Zweiten Weltkrieg gaben unzählige der „Library of Congress“ in Was- alte NS-Funktionäre in den AV-Sekti- hington. Seither reiste er oft in die onen den Ton an, weshalb die perso- Bürozeiten: Mo-Do 9–16 Uhr, Fr 9–12 Uhr Heimat, wo er einst „unerwünscht“ nelle und ideologische Verwobenheit war, hält Vorträge und unterstützt das von Alpenverein und NS tabuisiert Projekt der badischen Landeskirche und einige 68er, die nebenher auch Öffnungszeiten: „Mahnmal zur Erinnerung an die … Bergsteiger waren und das Thema der KZ-Gedenkstätte: So 14-17 Uhr. verschleppten badischen Jüdinnen vorsichtig ansprachen, als Nestbe- Führungen sonntags um 14.30 Uhr, und Juden“. schmutzer etikettiert wurden. für Gruppen nach Vereinbarung auch Fazit: ein kostbarer Nachruf auf das Nun aber, „nur“ 68 Jahre nach dem werktags (mind. zwei Wochen vorher Landjudentum, eine nicht mehr Untergang des NS-Staates, liegt anmelden). vorhandene Lebenskultur, die hier hier ein Werk vor, in dem in großer Details unter www.dzok-ulm.de in vielen Details beschrieben wird: Breite alle Aspekte und Abgründe vom täglichen, auch religiösen Leben dieser Mesalliance mit wissen- Eintritt: übers Geborenwerden, Heiraten und schaftlicher Genauigkeit und ohne 2 ∑ / 0,50 ∑ pro Person Sterben bis hin zur vielschichtigen Tabus aufgegriffen werden. Dafür Erwerbsarbeit. Mit Wehmut, doch kann man als geschichtsbewusster Gewinn zu lesen! Berg- und Naturfreund nur dankbar Führung: Silvester Lechner sein. Freilich werden es nicht viele 40 ∑ / Gruppe sein, die sich durch die über 600 Seiten kämpfen. Für das weniger Spendenkonto: akademisch-geschichtskundige AV- Kontonummer: 764 90 62 Publikum wäre eine Kurzfassung mit Sonderkonto „Stiftung“: Deutscher Alpenverein, Oester- den wesentlichen Ergebnissen daher Kontonummer: 272 07 04 reichischer Alpenverein, Alpenverein sehr wünschenswert. beide bei der Sparkasse Ulm Südtirol (Hg): Anzumerken ist, dass der 2009 BLZ 630 500 00 Berg Heil! Alpenverein und Berg- erschienene, ebenso AV-offizi- elle Band „‚Hast du meine Alpen steigen 1918-1945. Böhlau, Köln Bezugspreis: u. a. 2011, 635 S., 450 Abb., 43,50 ∑ gesehen?‘ Eine jüdische Beziehungs- geschichte“ eine hervorragende, Mitteilungen des DZOK: 1 ∑ / Heft Der „Deutsche und Österreichische deutlich leichter zu lesende Ergän- Alpenverein“ (DuOeAV) hatte sich zung zu „Berg Heil“ darstellt. gerade in grenzüberschreitendem, Silvester Lechner „großdeutschem“ Anspruch 1873 Rückmeldungen, Leserbriefe und Anre- gegründet, als 1881 der bis heute gungen sind erwünscht. Wir freuen uns gebräuchliche Bergsteigergruß auf Ihr Feedback. „Berg Heil“ erfunden wurde und

32 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 33 Veröffentlichungen des DZOK

DZOK-Manuskripte Sonderveröffentlichungen

Bd. 1: Ulmer Geschichtswerkstatt „… daß es so etwas gibt, wo man Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis zur NS-Zeit (Hrsg.), Menschen einsperrt …“. 27. Januar (Hrsg.): Die „Hitlerjugend“ am Beispiel der Das KZ Oberer Kuhberg bei Ulm. Łódz – Ulm – New Jersey. Die Region Ulm/Neu-Ulm. Ein Aspekt Ein Film von Bernhard Häusle und Geschiche der jüdischen Familie im Umfeld der „Weißen Rose“, Siegi Jonas. Frenkel, die 1938 aus Ulm ver- 1942/43. Eine kommentierte Doku- DVD, Stuttgart 1995, 33 Min., 18 ∑ trieben wurde. menten- und Materialien-Sammlung, Manuskript; Ulm (DZOK) 2006, 6. Aufl., Ulm 2004, 170 S., 10 ∑ „Ich bin ja jetzt der Letzte …“ 72 S., 8 ∑ Arbeiterkultur – Jugendwider- Bd. 2: Claudia Dauerer, stand – Konzentrationslager. Hans Lebrecht: Alfred Moos, ein Ulmer Jude auf Hans Gasparitsch, geboren 1918 in Gekrümmte Wege, doch ein Ziel. der Flucht vor dem NS-Staat. Ein Stuttgart, erzählt. Erinnerungen eines deutsch-isra- Beitrag zur deutschen Emigration Ein Film von Silvester Lechner und elischen Kommunisten. Herausge- nach Palästina. Roland Barth. Ulm 1999, geben von Silvester Lechner, Doku- 2. Aufl.,Ulm 1995, 150 S., 8 ∑ VHS-Video, 40 Min., 25 ∑ Zentrum. Ulm (Klemm & Oelschläger) 2007, 144 S., 30 Fotos, 19,80 ∑ Bd. 3: Silvester Lechner (Hrsg.), Silvester Lechner (Hrsg.): Schönes, schreckliches Ulm. Die Kraft, nein zu sagen. Zeitzeu- Roman Sobkowiak: 130 Berichte ehemaliger polni- genberichte, Dokumente, Mate- Eindeutschungsfähig?! Eine scher Zwangsarbeiterinnen und rialien zu Kurt Schumachers 100. polnisch-deutsche Biografie im Zwangsarbeiter, die in den Jahren Geburtstag. NS-Staat und in der jungen Bun- 1940 bis 1945 in die Region Ulm/ Ulm (DZOK) 1995, desrepublik. Neu-Ulm verschleppt worden waren, 80 S., 10 ∑ (zurzeit vergriffen!) Herausgegeben von Silvester 2. Aufl., Ulm 1997, 420 S., 20 ∑ Lechner, Doku-Zentrum. (zurzeit vergriffen!) Markus Kienle: Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009, Das Konzentrationslager Heuberg 116 S., 60 Fotos, 19,80 ∑ Bd. 4: Silvester Lechner, bei Stetten am kalten Markt. Ulm im Nationalsozialismus. Stadt- Ulm (Klemm & Oelschläger) 1998, Dokumentationszentrum führer auf den Spuren des Regimes, 220 S., 50 Abb., 10 ∑ Oberer Kuhberg Ulm e. V. (Hrsg.): der Verfolgten, des Widerstands. (zurzeit vergriffen!) Ulm – die KZ-Gedenkstätte und Ulm 1997, 120 S., 8 ∑ der Nationalsozialismus. Fest- (zurzeit vergriffen!) Markus Kienle: schrift zur Verabschiedung von Sil- Gotteszell – das frühe Konzentra- vester Lechner in den Ruhestand. Bd. 5: Myrah Adams, tionslager für Frauen in Württem- Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009, Die Würde des Menschen ist unan- berg. Die Schutzhaftabteilung 184 S., 17,80 ∑ tastbar. Das KZ Oberer Kuhberg in im Frauengefängnis Gotteszell in Ulm, 1933 – 1935, Katalog zur Dauer- Schwäbisch Gmünd. Ulm (Klemm & Markus Heckmann: ausstellung 2001. Oelschläger) 2002, 90 S.,12 ∑ NS-Täter und Bürger der Bundes- Ulm 2002, 64 S., 138 Abb., 10 ∑ (zurzeit vergriffen!) republik. Das Beispiel des Dr. Ger- hard Klopfer. Bd. 6: Oberschulamt Tübingen, Vorstand Stiftung Erinnerung Ulm Herausgegeben von Silvester Dokumentationszentrum Oberer (Hrsg.): Lechner und Nicola Wenge, Doku- Kuhberg (Hrsg.), Die Stiftung Erinnerung Ulm – mentationszentrum Oberer Kuhberg. „Württembergisches Schutzhaft- für Demokratie, Toleranz und Men- Ulm (Klemm & Oelschläger) 2010, lager Ulm“. Ein frühes Konzentra- schenwürde. 120 S., 19,80 ∑ tionslager im Nationalsozialismus Ihre Gründung, ihr Zweck, ihre Ziele. (1933-1935). Materialien für den Ulm 2004, 64 S., 22 Abb., 10 ∑ Annette Lein/Nicola Wenge: Besuch der Ulmer KZ-Gedenkstätte Jugendarbeit und Demokratie- mit Schülern, Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis erziehung an KZ-Gedenkstätten Tübingen/Ulm 2004, 120 S., 27. Januar (Hrsg.): in Baden-Württemberg. Ein Leit- 15 Abbildungen, 8 ∑ Als der Sport in Ulm 1933 natio- faden des Dokumentationszentrums (zurzeit vergriffen, überarbeitete Neu- nalsozialistisch wurde … Oberer Kuhberg Ulm für bürger- auflage erscheint im August 2013) Aufsätze und Dokumente. schaftlich getragene Erinnerungs- Manuskript; Ulm (DZOK) 2005, orte, Ulm 2010, 40 S., Versand über 68 S., 8 ∑ LpB oder DZOK (zurzeit vergriffen!) Oliver Thron: Deserteure und „Wehrkraftzer- setzer“. Ein Gedenkbuch für die Opfer der NS-Militärjustiz in Ulm. Herausgegeben von Nicola Wenge, Bestellung und Versand (zusätzlich Versandkosten) Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg. Ulm (Klemm & Oelschläger) sind auch über das DZOK möglich! 2011, 84 S., 16,80 ∑

34 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 35 DZOK-Veranstaltungen Sommer/Herbst 2013

Mittwoch, 31. Juli 2013 Sonntag, 8. September 2013 Büchse 13 KZ-Gedenkstätte, 10-12 Uhr KZ-Gedenkstätte, 14.30 Uhr Veranstaltungen zur kritischen Wo unschuldige Menschen einge- Tag des offenen Denkmals – The- Geschichtskultur sperrt waren. Eine Spurensuche menführung: Jenseits des Guten in der Regel dritter Donnerstag im für Kinder im Alter von 8-12 und Schönen – ein unbequemes Monat, 20 Uhr Jahren Denkmal Ort: Büchsengasse 13 Im Rahmen des Ferienexpress Ulm Führung mit Dr. Nicola Wenge, Lei- und Neu-Ulm terin des DZOK Anmeldung im Museum der Brot- dzokki-Treff kultur 0731/69955 Treffen der Jugendgruppe des Dokumentationszentrums Samstag, 14. September 2013 in der Regel zweiter und vierter KZ-Gedenkstätte, 16-19 Uhr Montag im Monat, 17 Uhr Ulmer Kulturnacht – auch im Ort: Büchsengasse 13 DZOK

Die sanfte Gewalt – Inge Aicher- Scholl Ulmer Geschichte Europäischer Tag der Kurzlesungen von Christine Abele- zum Anfassen: Jüdischen Kultur Die KZ-Gedenkstätte im Aicher und Julian Aicher aus dem Erinnerungsband. Fort Oberer Kuhberg Sonntag, 29. September 2013 16 / 17 / 18 Uhr (jeweils 30 Min.) Auch in diesem Jahr richtet das Im Anschluss Kurzführungen durch Öffnungszeiten der Gedenkstätte DZOK in Kooperation mit der die Gedenkstätte für Einzelbesucher: Jüdischen Gemeinde wieder sonntags 14 - 17 Uhr den Europäischen Tag der Jüdi- Führung: sonntags 14.30 Uhr schen Kultur in Ulm aus. Schwer- punktthema: „Kultur und Natur“ Dienstag, 1. Oktober 2013 Gruppen-/Klassen-Besuche sind vh, 20 Uhr nach Vereinbarung (mindestens Vergleichende Faschismusanalyse: zwei Wochen vorher) jederzeit Synagoge am Weinhof, 10.45- Deutschland und Italien möglich; 11.45 und 17-18 Uhr Dr. Liana Novelli Glaab Gebühr für die Führung: 40 ∑ Synagogenführung In Kooperation mit der vh Eintritt: 2 ∑ / 0,50 ∑ mit Rabbiner Shneur Trebnik Anmeldung über das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Weinhof/Brunnen, 11-13 Uhr Dienstag, 5. November 2013 Tel. 0731-21312 Jüdisches Ulm im 19. und 20. vh, 20 Uhr [email protected] Jahrhundert. Aktuelle Forschungsansätze zur Ein Stadtgang mit Dr. Silvester NS-Täterforschung Lechner Dr. Wolfgang Proske, in Kooperation Beitrag: 4 ∑ / 2 ∑ mit der vh Montag, 15. Juli 2013 Stadthaus Ulm, 20 Uhr Die Bücherverbrennung in Ulm Dokumentationszentrum Oberer Mittwoch, 13. November 2013 1933. Eine Lesung zum Gedenken Kuhberg Ulm, Büchsengasse 13, vh, 20 Uhr Vorgetragen von SchauspielerInnen 15 Uhr Zwischen UFA und SA: Max Kim- des Theaters Ulm und Studierenden Auschwitz – Metropole des mich und Wilhelm Dreher der AdK Todes: Dolf Hartog, mein Dr. Frank Raberg Grußwort: Ivo Gönner, Einführung: Vater, Auschwitzhäftling Nr. In Kooperation mit der vh Dr. Christoph Kopke, Moderation: 78833 Inge Fried Eine literarische Annäherung In Kooperation mit dem Haus der an eine pervertierte Kultur und Stadtgeschichte, Stadthaus, Theater Natur durch Dr. Jennifer Hartog, Sonntag, 17. November 2013 Ulm, Stadtbibliothek, AdK und der vh Toronto, Linguistin und DZOK- KZ-Gedenkstätte, 11 Uhr Mitglied Gedenkfeier in der Ulmer KZ- Gedenkstätte am Volkstrauertag Zur Erinnerung an die Opfer der NS- Donnerstag, 18. Juli 2013 Haus der Begegnung, Grüner Gewaltherrschaft und an die Wider- Büchsengasse 13, 20 Uhr Hof 7, Ulm, 19 Uhr standskämpfer 1933-1945. Die Gleichschaltung des Rund- Steine – Bäume – Ewigkeit. funks im Nationalsozialismus Kultur und Natur auf jüdischen Vortrag von Dr. Birgit Bernard, Friedhöfen in Europa Weitere Termine entnehmen Sie Medienhistorikerin und Leiterin des Dia-Vortrag von Martin Tränkle, bitte der Tagespresse, unserem Historischen Archivs des WDR Pfarrer i.R. und Vorsitzender der Newsletter oder der Website In Kooperation mit der vh DIG Ulm/Neu-Ulm www.dzok-ulm.de!

34 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 35 Diese Nummer der Mitteilungen wird mit unten stehenden Anzeigen gefördert von:

Braun Engels Gestaltung Kulturbuchhandlung Jastram Judenhof 11, 89073 Ulm Am Judenhof, Tel. 0731 - 6 71 37 Tel. 0731 - 14 00 73-0 [email protected] www.braun-engels.de OffsetDruck Martin CDU-Fraktion Erhard-Grözinger-Straße 1, 89134 Blaustein im Ulmer Gemeinderat Tel. 0731 - 954 02 11 Rathaus, Marktplatz 1, Tel. 0731 - 61 82 20 www.cdu-fraktion-ulm.de, [email protected] protel Film & Medien GmbH Münchner Straße 1, 89073 Ulm Christoph Mohn Architekt Tel. 0731 - 9 26 64 44 Büchsengasse 24, 89073 Ulm [email protected], www.protel-film.de Tel. 0731 - 960 81 91 www.mohn-architekt.de Rechtsanwälte Filius-Brosch- Engel-Apotheke Ulm Bodenmüller und Kollegen Apotheker Timo Ried Münchner Straße 15, 89073 Ulm Hafengasse 9, Tel. 0731 - 6 38 84 Tel.: 0731 - 9 66 42-0; Fax: 0731 - 9 66 42-22 [email protected] FDP-Fraktion Sparkasse Ulm im Ulmer Gemeinderat Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 2, Tel. 0731 - 101 - 0 Rathaus, Marktplatz 1, Tel. 0731 - 161 10 94 www.fdp-fraktion-ulm.de, [email protected] SPD-Fraktion FWG-Fraktion im Ulmer Gemeinderat im Ulmer Gemeinderat Rathaus, Marktplatz 1, Tel. 921 77 00 0731 - 61 88 52, 0731 - 161 10 95 [email protected], www.spd-ulm.de www.fwg-ulm.de steuer berater HIRSCHER GRÜNE Fraktion Ulm Elke Reuther Tel. 0731 - 161 - 1096, www.gruene-fraktion-ulm.de Virchowstraße 1, 89075 Ulm [email protected] Tel. 0731 - 509 77 81

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36 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 (Überhang)