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Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ-Gedenkstätte – Mitteilungen Heft 58 / Juli 2013 Widerstandsikonen auf der Bühne: Antigone/Sophie Vor 80 Jahren: Die NS-Diktatur beginnt Vor 70 Jahren: Geschwister Scholl hingerichtet Vor 10 Jahren: Stiftung setzt Hoffnungszeichen Mitgliederversammlung des Vereins · Fr., 12. Juli 2013 · 17 Uhr in der vh Ulm Vorwort Einladung zur Jahres-Hauptversammlung des Vereins Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Berichte und Diskussion Liebe Leserinnen und Leser, Wahlen (u. a. Vorstandsvorsitz) in der 58. Ausgabe der Mitteilungen blicken wir zurück auf Freitag, 12. Juli 2013, 17 Uhr die Anfänge des NS-Systems im Jahr 1933, in dem die Nati- Volkshochschule Ulm, EinsteinHaus am Kornhausplatz, onalsozialisten auch in Ulm in Atem beraubenden Tempo Club Orange die Demokratie aushebelten. Wir schauen außerdem auf das Jahr 1943, in dem Hans und Sophie Scholl bei der Mitglieder, Freunde, Interessierte sind willkommen! Verbreitung des 6. Flugblatts der Weißen Rose am 18. Februar verhaftet und nur wenige Tage darauf zum Tode verurteilt wurden. Den dritten Themenschwerpunkt bildet Inhalt der 10. Jahrestag der Stiftung Erinnerung Ulm. Vorwort 2 80 Jahre nach der Machtübertragung an Adolf Hitler könnte Einladung zur Jahres-Hauptversammlung 2 man denken, wir wären umfassend über die Ereignisse im Jahr 1933 informiert, doch gerade für Ulm fehlt es noch Der kurze Weg in die Diktatur – Ulm 1933 3 an einer Gesellschaftsgeschichte, die die Erfahrungen der Miterlebenden in die Darstellung der politischen Tagebuch des Heuberghäftlings Robert Carius 7 Geschehnisse integriert. Einem solchen Ansatz waren die Der Boykott jüdischer Geschäfte 1933 10 beiden Ulmer Gedenkveranstaltungen am 27. Januar im Stadthaus und in der KZ-Gedenkstätte verpflichtet, deren Ehemalige jüdische Bürger im DZOK 11 Inhalte wir in diesem Heft vorstellen. Silvester Lechner beleuchtet außerdem die Bedeutung des antijüdischen „Es ist doch Erev Shabbat“ 13 Boykotts von März/April 1933 aus heutiger Perspektive. Zehn Jahre Stiftung Erinnerung Ulm 14 70 Jahre nach ihrer Hinrichtung sind Hans und mehr noch Aleida Assmann: Erinnerungskultur Sophie Scholl zu Ikonen für Zivilcourage geworden. Das und politische Bildung 16 Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg nahm den Jah- Förderpreisa für das Filmprojekt „Ortung“ 18 restag zum Anlass, um gemeinsam mit der vh und dem Theater Ulm vielfältige Gelegenheiten zur Reflektion über Theateruraufführung: „Antigone/Sophie“ das Leben, den Widerstand und den Tod der Geschwister in der Ulmer Gedenkstätte 20 Scholl zu schaffen. Höhepunkt war dabei die Uraufführung des Theaterstücks „Antigone/Sophie“ in der KZ-Gedenk- Neuauflage der didaktischen Materialien 22 stätte Oberer Kuhberg. Dagmar Hub rezensiert das Stück Porträt der DZOK-Mitarbeiterin für die Mitteilungen. Annette Lein stellt das Begleitpro- Mechthild Destruelle 23 gramm „heldenBILDER“ und das pädagogische „Paten- klassenprojekt“ vor. Theresa Rodewald über ihre ASF-Zeit 23 Am 14. Februar 2013 beging die Stiftung Erinnerung Ulm Nachrufe: Rolf Johannsen, Christian Loyal 25 den 10. Jahrestag ihrer Gründung. Dieser Stiftungsjah- Dank an Vereinsvorsitzenden Wolfgang Keck 26 restag hatte mit einer zukunftsweisenden Rede von Prof. Aleida Assmann, den Grußworten der New Yorker Ehren- Neues in Kürze 27 stiftungsräte und der Vergabe eines Förderpreises für Nachwuchswissenschaftler einen besonderen Charakter. Neue Bücher 30 Herzlichen Dank an dieser Stelle an Frau Assmann für die Impressum 33 Erlaubnis, ihren Vortrag zum Thema „Erinnerungskultur und politische Bildung“ gekürzt abdrucken zu dürfen und Veröffentlichungen des DZOK 34 an Kathrina Edinger dafür, dass sie das von der Stiftung ausgezeichnete Filmprojekt „Ortung“ vorstellt. DZOK-Veranstaltungen Sommer/Herbst 2012 35 Förderer dieser Nummer 36 Darüber hinaus berichtet Thomas Vogel über den Besuch der emigrierten Ulmer Jüdinnen und Juden anlässlich der Beitrittserklärung 36 Eröffnung der neuen Synagoge in Ulm. Konrad Pflug erin- nert sich an eine denkwürdige Begegnung mit einem jüdi- Titelfoto: Aufführung des Theaterstücks Antigone/Sophie in der KZ-Gedenk- schen Ritual in einem Ulmer Hotel in den 1980er Jahren. stätte Oberer Kuhberg im Frühjahr 2013, Johanna Paschinger als Sophie Als neue ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Gedenkstätte Scholl und Fabian Gröver als Hans Scholl, Foto: Ilja Mess, Theater Ulm. stellt sich Mechthild Destruelle vor und Theresa Rodewald resümiert ihr Freiwilligenjahr am DZOK. Tobias Jeske prä- sentiert die lang erarbeitete Neuauflage der didaktischen mehr für das Amt des Vereinsvorsitzenden kandidieren Materialien. In zwei Nachrufen würdigen wir unsere wird. Es wird also eine richtungsweisende Versammlung beiden langjährigen engen Weggefährten und Mitarbeiter sein. Einen Dank an Wolfgang Keck finden Sie ebenfalls in des DZOK Christian Loyal und Rolf Johannsen. diesem Heft. Zum Schluss möchte ich Sie einladen zu unserer Mitglie- Es grüßt Sie herzlich Ihre derversammlung am Freitag, den 12. Juli. Ihr zahlreiches Erscheinen ist auch deshalb wichtig, weil Vorstandswahlen stattfinden und Wolfgang Keck nach zwölf Jahren nicht 2 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 3 Ulm 1933 – Der kurze Weg in die Diktatur Wie wurde Ulm zur „Hochburg“ völkisches Gedankengut und die des Nationalsozialismus? Wie Sehnsucht nach einem starken funktionierte die Machtübernahme Führer reichten bis weit in das kon- in der Stadt? Wie die „Gleichschal- servative Bürgertum hinein. Es war tung“? Wie inszenierten die Nazis dieser Deutsch-Nationalismus, der die „Volksgemeinschaft“? Wen dem Nationalsozialismus schließlich schlossen sie aus? Beim wem den Weg ebnete, gepaart mit der stießen sie auf Zustimmung? Der Zerstrittenheit der Arbeiterparteien, Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreis die eine geschlossene Gegenwehr 27. Januar entwarf zu diesen vereitelte. Doch zunächst war die Fragen eine moderierte Lesung, 1922 gegründete Ulmer/Neu-Ulmer die historische Fakten und Quellen Ortsgruppe NSDAP nur eine unbe- zur Stimmungslage in der Stadt deutende Splitterpartei, die durch verknüpfte. Auszüge hieraus ihre agitatorische Hetze und Gewalt- stellen vor: bereitschaft auffiel. Der politische Einladung zu einer Propagandaveranstaltung Durchbruch gelang ihr erst in den der NSDAP in Ulm. Noch war Unterstützung Lothar Heusohn, Nicola Wenge späten 1920er Jahren unter der aus München nötig, um Besucher anzuziehen. Leitung Wilhelm Drehers. In Zeiten Foto: Stadtarchiv Ulm der Weltwirtschaftskrise, die auch in Aufstieg der NSDAP in Ulm Ulm zu einer hohen Arbeitslosigkeit Völkische und antisemitische Propa- und politisch instabilen Verhältnissen ganda wurde in Ulm schon vor 1933 führte. Bei den Septemberwahlen von rechtsextremen Organisationen 1930 wurde die NSDAP mit dem Ver- betrieben. Offen revanchistische und sprechen, den Menschen Arbeit und republikfeindliche Organisationen Brot zu geben und die „patriotischen wie Freikorps und paramilitärische Kräfte“ – das „Volk“ – zu einen, Verbände fanden nach dem verlo- in Ulm stärkste Partei. Die Ulmer Aus: „Kampfruf“, Vaterländi- renen Ersten Weltkrieg in der Gar- Wahlergebnisse lagen mit 22 % um sche Zeitung für Deutschlands nisonsstadt Ulm, die wirtschaftlich 4 % über dem Reichs- und um 13 % Jugend und deren Freunde, 1924 stark auf das Militär ausgerichtet war über dem württembergischen Lan- „Der Karren ist verfahren, er steckt und unter der Demilitarisierung litt, desdurchschnitt. Von da an bezeich- regen Zulauf. Auch in weiten Kreisen neten zumindest die Ulmer National- im Morast und wird immer weiter der Bevölkerung und der sozialen sozialisten die „alte Soldatenstadt“ hineingeschoben. Dem deutschen Eliten wurde die Republik abgelehnt, propagandistisch als „Hochburg“ der Volk fehlt der eiserne Mann, ein mit Revolution und militärischer NS-Bewegung. Friedrich der Große, ein Bismarck! Niederlage verbunden. Deutsch- Wann kommt er? Lebt er in dir, deutsche Jugend? Ein einz‘ger Mann muss er sein, der mit Eisen- griffen hineingreift in die stickige Luft. (…) Ein Halt muss er sein für die ganze Welt, sie muss zittern vor seinem Donnerworte. Sein Volk muss er führen zum Lichte, zum Freien! Helden müssen wir werden, denen das Leben nichts gilt, die für‘s Vaterland ohne Zaudern kämpfen und sterben. Als Lichtgestalt muss der eiserne Führer vor uns einher- schreiten, auf dass wir Halt finden an seiner Größe! Deutschland! Wo ist dein Erlöser, dein Retter? Lebt er? Kommt er? Suche ihn, du deutsche Jugend! Mache dich stark bis dahin, auf dass du gerüstet bist, wann er komme!“ Der „Kampfruf“ war eine von zahlreichen deutsch-völkischen Propagandaschriften, die in Ulm kursierten. Das Hetzblatt setzte auch in den vermeintlich ruhigen Jahren der Wei- marer Republik auf einen starken „Führer“ für Deutschlands „Wiedergeburt“. Foto: Stadtar- chiv Ulm 2 DZOK-Mitteilungen Heft 58, 2013 3 Die Machtübernahme in Ulm aber mit 45 % wieder über Reichs- Wochen und Monaten wurden auch Am Abend des 30.1.1933 feierten und Landesdurchschnitt. Mitte März sämtliche Parteien auf kommunaler die Ulmer Nationalsozialisten mit übernahmen die Nationalsozialisten Ebene dem alleinigen Führungs- einer Großkundgebung auf dem die Macht in Ulm. Der Gemein- anspruch der Nationalsozialisten Münsterplatz die ersehnte „Macht- derat löste sich am 13.3. gegen die unterworfen – oder aufgelöst. Dieser übernahme“. Innerhalb weniger Stimmen der SPD selbst auf, OB Prozess verlief in Ulm ebenso rasch Wochen festigte die NSDAP ihre Emil Schwammberger wurde am wie im gesamten Reich. Im Mai Machtpositionen und zerstörte 17.3. seines Amts enthoben. Zu 1933