Die Himmelskönigin I
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Die Himmelskönigin I Festsaal Konservatorium 4.6.05 Claudio Monteverdi Solisten des (1567–1643) Balthasar-Neumann-Chores Vespro della Beata Vergine (1610) Marienvesper Coro primo Sopran Versus: Deus in adiutorium Sonata sopra «Sancta Maria, Andrea Brown Responsorium: Domine ad ora pro nobis» Stefanie Krug adiuvandum Alt Hymnus: Ave maris stella Beat Duddeck Antiphona Tenor Psalmus I: Dixit Dominus Antiphona Hermann Oswald Concerto: Nigra sum Magnificat Maximilian Schmitt Bass Antiphona Markus Flaig Psalmus II: Laudate Pueri – keine Pause – Concerto: Pulchra es Coro seondo Sopran Antiphona Doerthe Maria Sandman Psalmus III: Laetatus sum Solisten des Siri Thornhill Concerto: Duo Seraphim Balthasar-Neumann-Chores Alt Matthias Lucht Antiphona Balthasar-Neumann-Ensemble Tenor Psalmus IV: Nisi Dominus Hans Jörg Mammel Concerto: Audi coelum Thomas Hengelbrock Marco van de Klundert Leitung Bass Antiphona Andreas Werner Psalmus V: Lauda Jerusalem Dominum 3 Balthasar-Neumann-Ensemble Claudio Monteverdis Marienvesper getroffen werden konnte, die mit den entspre- chenden gregorianischen Antiphonen dann auf- Violine Im Kontext der geistlichen Musik des 16. und frü- geführt wurde. In der Praxis scheint es dabei eher Daniel Sepec hen 17. Jahrhunderts nehmen die Vesperae bea- die Ausnahme gewesen zu sein, dass alle Haupt- Henriette Scheytt tae Mariae Virginis von Claudio Monteverdi, zu stücke einer Vesper figuraliter, also in polypho- Viola deutsch etwa die Vespern der seligen Jungfrau ner Mehrstimmigkeit, gesungen wurden; übli- Wolfgang Rings Maria, in jeder Hinsicht eine Ausnahmestellung cher war es offenbar, insbesondere einige der Friederike Latzko ein. Als Monteverdi sie 1610 zusammen mit sei- Psalmen einstimmig nach überlieferten gregoria- Cristina Maria Vasi ner Missa In illo tempore in einem aufwendigen, nischen Rezitatitionsmodellen zu singen oder Violone dem Papst gewidmeten Druck veröffentlichte, auch in homophonem Falsobordone-Satz auszu- Armin Bereuter war die Idee einer zyklischen Vesperkomposition, führen. Lirone/Gambe in der die einzelnen Teile der Vesperliturgie wie Hille Perl etwa bei einer Messvertonung zusammengehör- Vor diesem Hintergrund ist immer wieder die Chitarrone ten, gänzlich unbekannt und auch nicht unbe- Frage aufgeworfen worden, ob Monteverdi mit Lee Santana dingt naheliegend. Dies rührt daher, dass im seiner Veröffentlichung von 1610 tatsächlich Orgel Gegensatz zum Ordinarium der Messe in den einen zusammenhängenden Vesperzyklus in Michael Behringer musikalisch auszuführenden Bestandteilen der Druck gegeben habe, wie es die allgemein Zink/Blockflöte Vesperliturgie kein unveränderlicher Grundbe- gebräuchliche deutsche Bezeichnung «Marien- Gebhard David stand an Texten vorgesehen ist, der sich für eine vesper» suggeriert, oder nicht vielmehr Einzelstü- Frithjof Smith Vertonung angeboten hätte. Eine Vesper besteht cke für verschiedene marianische Vespern, wie es Jamie Savan zwar jeweils aus dem einleitenden Responsorium schon der Plural des bereits genannten Original- Posaune Deus in adiutorium, fünf Psalmen mit dazugehö- titels nahe legt und die Aufnahme einer zweiten, Matthias Sprinz riger Antiphon, Hymnus und abschließendem alternativen Magnificatversion ohne großes Norbert Brandauer Magnificat mit Antiphon, doch sind nur die Texte Instrumentalensemble in den Druck zu bestäti- Werner Engelhard von Responsorium und Magnificat unveränder- gen scheint. Bisher hat diese Frage jedoch nicht lich, während sich alle anderen Bestandteile einer endgültig geklärt werden können, da ein zusätzli- Vesper nach den unterschiedlichen Anlässen des ches Element in Monteverdis Sammlung deren Kirchenjahres richten. Dies führte dazu, dass Beantwortung erschwert: Zwar entsprechen die Claudio Monteverdi Porträt von Bernardo Strozzi Komponisten vor und auch nach Monteverdi übli- vertonten Psalmtexte und auch der Hymnus der (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck) cherweise eine ganze Reihe von Psalmvertonun- für die meisten der etwa 15 Marienfeste üblichen gen in einer Sammlung veröffentlichten, aus Textwahl, doch hat Monteverdi zusätzlich gering- denen für eine bestimmte Vesper eine Auswahl stimmig besetzte Concerti eingefügt, die als 4 5 Ersatz für die je nach konkretem Anlass zu verän- einander abgedruckt sind, darüber hinaus ver- dend wirkt, aber auch in den anderen Sätzen Satztypen nicht zuletzt auf der herausgehobenen dernden Psalmantiphonen zu verstehen sind. Die stärken deutliche tonartliche Bezüge zwischen stets zumindest latent vorhanden ist. Eine Viel- Rolle des reichhaltigen und vielfarbigen Instru- Concerti greifen nicht auf entsprechende Anti- den aufeinanderfolgenden Stücken den Eindruck falt von Techniken im Umgang mit den Cantus mentalensembles. Instrumentale Ritornelle wie phontexte zurück, sondern verwenden in der Tra- einer absichtsvollen Anlage. Zunächst könnten firmi ist in den unterschiedlichen Sätzen zu beob- im Hymnus Ave maris stella oder im Dixit Domi- dition der Motette liturgisch nicht eindeutig die Concerti durch ihren Verzicht auf die Verwen- achten: ein der improvisierten Mehrstimmigkeit nus stehen den dem Beginn des Orfeo entlehnten gebundene Texte, von denen zumindest das Duo dung eines Cantus firmus als die moderneren zuzurechnender Falsobordone-Satz – blockhaft fanfarenartigen Begleitfiguren im Eingangschor Seraphim nicht in den Zusammenhang mariani- Kompositionen erscheinen, ist doch in ihnen rhythmisiert im Deus in adiutorium, aber auch gegenüber, das rhythmische Labyrinth ständig scher Festtage gehört. Liturgisch gesehen ist zudem eine Orientierung an der zeitgenössischen ganz ohne rhythmische Fixierung im anschlie- wechselnder Proportionen in der Sonata sopra insofern eine klare Zuordnung aller Teile der Ves- weltlichen Vokalmusik kaum zu übersehen: Eine ßenden Dixit Dominus. Im gleichen Psalm bildet «Sancta Maria» den teilweise äußerst virtuosen per zu einem bestimmten Fest oder auch einer derart leidenschaftliche, durchaus sinnlich zu dann der Cantus firmus über weite Strecken als Anforderungen an die Soloinstrumente in eini- Gruppe von Festen nicht gegeben, und auch eine nennende Intensität wie in der Hoheliedmotette vokale und sogar rein instrumentale Bassstimme gen Teilsätzen des Magnificat – im Reichtum des spezielle festliche Aufführung etwa in Mantua Nigra sum war in der geistlichen Musik der Zeit das harmonische Fundament, über dem sich zwei Einsatzes modernster instrumentaler Möglichkei- oder in Rom, für die Monteverdi diese außerge- etwas völlig Neues und verweist ebenso auf die konzertierende Oberstimmen entfalten, doch fin- ten erweist sich einmal mehr die Sonderstellung wöhnliche Zusammenstellung gewählt haben gerade gewonnenen musikdramatischen Erfah- den sich andere Abschnitte, etwa im Laudate von Monteverdis Vesperae beatae Virginis. könnte, lässt sich bisher nicht nachweisen. rungen wie den Frage- und Antworttopos der pueri und im Magnificat, in denen Monteverdi Echoszene im Audi coelum, deren Vorbild etwa in genau umgekehrt zwei virtuose Unterstimmen Joachim Steinheuer Diesem anscheinend negativen Befund steht Giovanni Battista Guarinis pastoralem Drama Il dem Cantus firmus der Oberstimme entgegen- jedoch auf musikalischer Ebene eine ebenso kom- pastor fido zu suchen seien dürfte. Die sehr bild- setzt. Im Laetatus sum wird dem Cantus firmus plexe wie durchdachte musikalische Gesamtar- hafte Wortausdeutung im Duo Seraphim orien- ein quasi-ostinat gehender Bass gegenüberge- chitektur gegenüber, welche die außerordentli- tiert sich dagegen an der Tradition des polypho- stellt, im siebenstimmigen Lauda Jerusalem che, zu immer neuen Kontrasten gebrauchte nen Madrigals und in der außerordentlichen bildet er – dem Tenor anvertraut – eine Art Vielfalt der kompositorischen Mittel, wechseln- Virtuosität und der ungewöhnlichen Besetzung Mittelachse zwischen den beiden Teilchören, den vokalen und instrumentalen Besetzungen für drei gleiche Stimmen vielleicht sogar unmit- während der Cantus firmus im zehnstimmigen und Klangfarben zu einem erstaunlich homogen telbar an Luzzaschis Musik für die virtuosen Sän- Nisi Dominus von den beiden Chören im quasi wirkenden Ganzen zusammenbindet und es gerinnen des Herzogs von Ferrara. antiphonalen Wechsel gesungen wird. damit durchaus wahrscheinlich erscheinen lässt, dass Monteverdi mehr als eine bloße Sammlung Demgegenüber verwenden mit Responsorium, Dass all diese Sätze trotz der konstitutiven einzelner Stücke im Sinn gehabt haben könnte. Psalmen und Magnificat alle Gerüstsätze für die Bedeutung der canti fermi weit davon entfernt Auffällig ist schon in der Anordnung der Samm- Vesper gregorianische Rezitationsmodelle, in sind, Stücke im alten Stil der prima pratica zu lung, dass die Psalmen und Concerti nicht – wie denen jeweils zwei Verse paarig zusammenge- sein, beruht neben der angedeuteten, oft uner- sonst in der Zeit zumeist üblich – in zwei fasst sind – eine Struktur, die wohl in den Einzel- warteten Kombination und Gegenüberstellung getrennten Gruppen, sondern im Wechsel mit- sätzen des Magnificat am auffälligsten formbil- unterschiedlichster traditioneller und moderner 6 7 Claudio Monteverdi Vespro della Beata Vergine (1610) Versus Versus Deus in adiutorium meum intende. Sei gnädig Herr und errette mich. Responsorium Responsorium Domine ad adiuvandum me festina. Eile, o Herr, und stehe mir bei. Gloria Patri et Filio Ehre sei dem Vater und dem Sohn et Spiritui Sancto: und dem Heiligen Geist, sicut erat in principio, wie im Anfang, et nunc et semper so auch jetzt und alle Zeit et in saecula saeculorum. Amen und in Ewigkeit. Amen