Zürichseewinzer Auf Erfolgskurs
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halbjahresschrift des zürcher weinbauverbands · nr. 22 · herbst 2007 REPORT Zürichseewinzer auf Erfolgskurs Liebe Weinfreundin, lieber Weinfreund Grenzen sind da, um überschritten zu werden. Denn oft verbinden sie mehr, als dass sie trennen. Gerade am Zürichsee wird das augenfällig. So wächst etwa die urzürcherische Räuschling-Rebe auch am St.Galler und Schwyzer Zürichsee.Und es gibt Schwyzer Winzer, die St. Galler und Zürcher Weine keltern.Der Weinbauverein am Zürichsee hat das erkannt und arbeitet seit langem ganz selbstverständlich auch mit Nichtzürcher Mitgliedern zusammen. So gab es überhaupt keine Probleme, als wir für diese Ausgabe von Räbe& Wii auch ausserkantonale Zürichseeweine degustieren wollten. Die Zürcher Winzer waren sogar so grosszügig, dass sie ihren Kollegen von jenseits der Kantonsgrenze zugestanden, zwei statt wie sie selbst bloss einen Wein zu publizieren.Was am Zürichsee möglich ist,sollte in der ganzen Eine neue Generation von Zürichseewinzern schlägt höhere Wellen als die «Panta Rhei». Deutschschweiz möglich werden. Erste Der Name des Schiffes, auf dem sie mit Käptn Wetli in der Mitte posieren, ist Programm: Anzeichen sind da. Nach dem Erfolg des Alles ist ständig im Fluss – der Zürichsee, seine Winzer und natürlich auch seine Weine. diesjährigen Tags der offenen Weinkeller, «In dieselben Flüsse steigen wir hinab Schülerinnen erhalten und für eine besondere Klosterwein, dessen Name an die ehemalige an dem sich erstmals auch der Aargau und nicht hinab, wir sind es und sind es Gelegenheit zur Seite gelegt. Komturei bei der reformierten Kirche Küsnacht nicht, denn in denselben Strom ver- Natürlich hätte es mich gereizt die Flasche zu erinnert, wieder in das Gestell zurück. und der Thurgau beteiligten, prüft eine mag man nicht zweimal zu steigen.» öffnen. Nur gerade fünf Jahre jünger als ich war Ueli Welti, dessen Vater die Trauben aus dem interkantonale Arbeitsgruppe, der neben An dieses geflügelte Wort Heraklits, der Wein. Ich ging in den Kindergarten, als «Clos» mitten in Küsnacht gekeltert hatte, ver- das später auf die knappe Formel seine Trauben heranreiften. Mit jedem Schluck sicherte mir später, dass der 1955er Räuschling den 1.-Mai-Kantonen auch Schaffhausen «Alles fliesst» gebracht wurde, musste hätte ich mich zur Kindheit zurücktrinken, immer noch ausgezeichnet munde. Und ich will angehört,das Projekt einer gemeinsamen ich denken, als ich vor einiger Zeit im selbst wieder zum Kind werden, das Glück ver- es ihm gerne glauben. Denn ich konnte bei leer stehenden Haus meiner verstor- gangener Tage finden können. Doch dann Hermann (Stikel) Schwarzenbach in Meilen vor Weinzeitschrift, die dereinst einmal die benen Schwiegereltern in Küsnacht wurde mir bewusst, dass der Wein und auch ich elf Jahren viel ältere Räuschlinge degustieren, vorliegende Weinzeitung ablösen könnte. eine Flasche Räuschling fand. Es handelte sich nicht mehr dieselben waren wie früher, denn die die keineswegs das Zeitliche gesegnet hatten. um einen 1955er Klosterwein aus dem «Wachs- Zeit ist an uns nicht spurlos vorübergegangen. Zu verdanken war dieser einmalige Anlass Vielleicht werden Sie hier also schon bald tum des Kantonalen Unterseminars Küsnacht». Ausserdem wies die Flasche beträchtlichen einem Bekannten der Familie, der 1976 beim weitere Grenzen überschreiten. Vermutlich hatte mein Schwiegervater, der sein Schwund auf, riskierte also mehr oder weniger Räumen seines Hauses im Keller auf rund 800 halbes Leben lang Lehrer in Küsnacht war, die stark oxidiert zu sein. Und so liess ich es lieber vom niedergerieselten Steinmehl des Sandstein- Andreas Keller Flasche von den Eltern eines seiner Schüler oder bleiben und legte den ehrwürdig gealterten gewölbes bedeckte Flaschen Räuschling der INHALT Zürichseewinzer auf Erfolgskurs 1 Ausgesuchte Zürichseeweine 4 Stammer Wild Wiener Art 5 Agenda 6 Nachlese 8 Blatt 2 Räbe & Wii · Herbst 2007 Seminarreben, Jahrgänge 1895 bis 1917 gestossen Ostschweizer Wein eingesetzt hatte. Küsnacht war. Hermann Schwarzenbach senior Ich traf den grossen Mann erstmals prüfte jede einzelne Flasche, füllte die 1978, als ich mich für ein Önologie- guten auf und verkorkte sie neu. studium in Wädenswil interessierte. Zwanzig Jahre später wurde ein Teil Doch Eggenberger riet mir, zunächst der achtzig verbliebenen Flaschen, mein Germanistikstudium zu beenden. ergänzt mit Räuschlingen aus der Unser Verhältnis blieb lange Zeit Schwarzenbachschen Schatzkammer, freundlich-distanziert. Denn als ich für eine Jahrhundertvertikale im zwei Jahre später als Redaktor bei der kleinen Kreis geöffnet. Zum Glück neu gegründeten Weinzeitschrift bewahrte ich meine Degustations- «Vinum» zu arbeiten begann, nervte notizen sorgfältig auf, sonst würde ich ich ihn vermutlich mit meiner dama- heute vielleicht selbst nicht mehr an ligen Begeisterung für Ostschweizer die erstaunlichen Resultate dieses Barriqueweine aus gebietsfremden denkwürdigen Abends glauben. Der Sorten, die er als «schlechte Kopien 1972er etwa, der damals immerhin von Franzosenweinen» abtat. schon 24 Jahre alt war, wirkte noch Die Zeiten ändern sich und wir mit geradezu jung. Der 1964er war gross, ihnen. Heute nerve ich mich selbst wurde aber vom noch grossartigeren über den Wildwuchs in vielen Reb- 1947er übertroffen. Der 1923er hatte bergen. So habe ich einige Mühe zu sich erstaunlich gut gehalten, doch verstehen, warum man am Zürichsee die eigentliche Überraschung waren Chardonnay und Sauvignon Blanc Schipfgut, die drei ältesten Weine aus den Jahren anpflanzt, wo es doch hier mit dem Herrliberg 1904, 1898 und 1895. Insbesondere Räuschling eine tolle autochthone beeindruckte mich der bernstein- Sorte und mit dem von Professor farbene, honignussige, vollmundige Müller-Thurgau in der Forschungs- und dank seiner Säure immer noch anstalt von Wädenswil kultivierten frisch wirkende 1895er. Riesling-Silvaner eine fast schon lokale Hans Rudolf Weinmann, der erste, Neuzüchtung gibt. Noch weniger inzwischen verstorbene Redaktor von geht mir in den Kopf, was Malbec Räbe&Wii, der bei der Degustation oder Syrah hier zu suchen haben. ebenfalls zugegen war, schrieb drei Aber vielleicht ist es ein Zeichen Tage später im «Tages-Anzeiger»: meines fortschreitenden Alters, dass «Dieses Räuschling-Wunder lässt sich ich neuen Experimenten gegenüber nicht mehr beweisen; wiederholbar weniger aufgeschlossen bin als früher. ist so eine Degustation von letzten Für mich steht heute das Terroir und Trouvaillen nicht; die verbliebenen damit die optimal angepasste Reb- Flaschen aus dem letzten Jahrhundert sorte im Vordergrund. Dem Winzer lassen sich an einer Hand abzählen. kommt die Aufgabe zu, das Terroir Man muss es einfach der Handvoll immer wieder neu zu interpretieren, Zeugen glauben, die an einem Januar- so wie ein Musiker eine Partitur jedes abend bei Schwarzenbachs zusammen- Mal wieder anders spielt. Der Winzer sassen und aus dem Staunen nicht mag ein Künstler sein, aber keiner, mehr herauskamen.» Die Meilemer der die Weinwelt neu erschafft. Seehalde, Hermänner freuten solche Worte, Doch ich will nicht doktrinär sein. Meilen denn sie wussten schon immer, dass Der Gerechtigkeit halber muss ich Zürichseeweine gut altern können zugeben, sehr guten Chardonnay und und erzeugten nie kurzlebige Weine. Sauvignon Blanc vom Zürichsee ver- Kein Wunder, ist Stikel heute Mit- kostet zu haben. Und was Malbec glied der renommierten Vereinigung und Syrah betrifft, gibt es einige «Mémoire des Vins Suisses», die sich durchaus interessante Assemblages. zum ehrgeizigen Ziel gesetzt hat, Ganz zu schweigen von den neuen das Alterungspotential der Schweizer österreichischen Rotweinsorten Blau- Weine aufzuzeigen. fränkisch, St. Laurent und Zweigelt, Der grosse Abwesende an der die – wie Samuel Wetli aus Männedorf, Räuschling-Jahrhundertvertikale vom Marcus Schneider aus Feldmeilen 30. Januar 1996 war Walter Eggen- und Monica Hasler aus Uerikon berger, der langjährige Fachlehrer und beweisen – eine echte Alternative Vizedirektor der früheren Fachschule zum Pinot Noir darstellen könnten. für Obst- und Weinbau in Wädenswil. Nachdem ich seit langem an der Denn völlig unerwartet verstarb er an Fachhochschule Wädenswil Wein- diesem Tag. Die Weinwelt verlor mit geographie unterrichte, wird mir ihm eine Persönlichkeit, die sich immer klarer, dass jede Generation fast vierzig Jahre lang unermüdlich ihre eigenen Vorlieben hat und auf für den frischfruchtigen, süffigen, immer wieder andere Art und Weise Zürcher Gastronomen und Zürichseeweine So wie man in Lausanne ganz selbstverständlich den rund um die Stadt wachsenden Wein trinkt, müsste eigentlich auch die Stadt Zürich die Hauptabnehmerin von Zürichseeweinen sein. Doch das ist leider überhaupt nicht der Fall. Zürichseeweine spielen in meinem Restaurant Die Nachfrage nach Zürichseeweinen ist bei uns Zürichseeweine haben bis vor ein paar Jahren Offensichtlich ist es für trendige Stadtzürcher keine Rolle – das könnte sich aber ändern. praktisch nicht vorhanden. Wir haben drei Weiss- fast keine Rolle gespielt. Ich habe zum Spass nicht schick genug, Weine von der Goldküste Zurzeit arbeite ich nur mit Marc Landolt weine von Landolt auf der Karte. Einen grossen immer gesagt: «only for tourists». Jetzt hat es zu trinken. Hartnäckig hält sich manchenorts und seinen Stadtzürcher Weinen zusammen. Erfolg verbuchen Markus Segmüller und ich, sich aber geändert, seit viele so richtig Gas geben. auch das Gerücht der sauren Zürichseeweine. Empfohlen wird von meinem Personal alles, wenn wir blind eine Flasche Riesbächler Cuvée Besonders angetan bin ich von den Weinen von Doch