STEINZEIT 1 Allgemeines Und Überblick

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STEINZEIT 1 Allgemeines Und Überblick © STARCH Thema: Allgemeines und Überblick 1 STEINZEIT 1 Allgemeines und Überblick Entwicklung des Menschen Objekt 1 Die folgende Darstellung gibt lediglich ein grobes Gerüst und erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Viele hier vertretene Standpunkte wer- den von den Spezialisten kontrovers diskutiert. Insbesondere betrifft dies Verwandtschaften und absolute Datierungen. Denn Datierungsprobleme und die extreme Seltenheit menschlicher Fossilien (Versteinerungen) er- schweren die Rekonstruktion der menschlichen Stammesgeschichte enorm. Nicht selten zwingen Neufunde dazu, Äste des Stammbaums umzuzeichnen oder feiner zu verästeln. Die Wissenschaft, die sich damit Übersicht zur Entwicklungsgeschichte befasst, heisst Paläoanthropologie. des Menschen und seinen frühesten Gegen Ende des Tertiärs (vor rund 3–4 Mio. Jahren) traten die ersten Ur- technologischen Errungenschaften. M. KUCKENBURG, Vom Steinzeitlager zur Keltenstadt. menschen (Australopithecus) auf. Die ältesten Knochen von menschenähn- Siedlungen der Vorgeschichte in Deutschland lichen Lebewesen wurden in Ostafrika gefunden. Diese aussergewöhnli- (Stuttgart 2000). chen Funde belegen den Beginn der Menschheitsentwicklung. Besonders bekannt ist das weibliche Afarensis- Skelett «Lucy» (rund 3 Mio. Jahre alt), das 1974 in Äthiopien gefun- den wurde. Gemäss aktuellem For- schungsstand stammen die Men- schen nicht von den heutigen Men- schenaffen ab. Vielmehr haben so- wohl Menschen als auch heutige Menschenaffen gemeinsame, heute ausgestorbene Vorfahren. Die ersten Urmenschen zeigten bereits menschliche Züge und wie- sen eine Grösse von rund 1,20 m auf. Mit einem Gehirnvolumen von rund 500 cm3 hatten sie ein nur wenig grösseres Gehirn als heutige Menschenaffen. Diese Geschöpfe konnten bereits aufrecht gehen und aus Steinen einfachste Werk- zeuge herstellen. Etwas weiter entwickelt als Aus- tralopithecus war Homo habilis (der handwerklich fähige Mensch). Er lebte vor rund 2 Mio. Jahren und wies ein Gehirnvolumen von be- reits 600–700 cm3 auf. Wissen- schaftler nehmen an, dass Homo habilis schon eine Art Sprache be- sass. Er war mit einer Körpergrösse von 1,30 m noch immer relativ klein. Sein Gewicht kann auf rund 2 Thema: Allgemeines und Überblick © STARCH 45 kg geschätzt werden. Im Gegensatz zu den früheren menschenähnlichen Individuen stellte er nicht nur einsei- tig, sondern zweiseitig abgeschlagene Steinwerkzeuge her. Mit dem Aufkommen solcher Werkzeuge aus Stein be- ginnt die ältere Altsteinzeit (Altpaläolithikum, 1,8 Mio.– 300’000 v. Chr.). Aus Homo habilis entwickelte sich in Afrika vor rund 1,5 Mio. Jahren Homo erectus (der aufrecht gehende Mensch) mit einem Gehirnvolumen von rund 800 cm3. Im letzten Abschnitt des Eiszeitalters (Spätpleistozän), rund 800’000–500’000 Jahre vor heute, taucht diese älteste Frühmenschenform auch in Europa und Asien auf. Dabei kann regional zwischen verschiedenen Rassen unterschie- den werden: Javamensch (Pithecanthropus), Pekingmensch (Sinanthropus) und Heidelbergmensch (Homo erectus hei- delbergensis). Im Gegensatz zu den vorherigen menschenähnlichen In- dividuen kannten die ersten Frühmenschen den Gebrauch des Feuers. Zudem dürften sie eine wesentlich komplexere Sprache als Homo habilis beherrscht haben. Homo erectus gilt auch als Erfinder der Wohnstatt: Jedenfalls stellt ein runder, rund 1,5 Mio. Jahre alter Steinwall von 3 m Durch- messer in der Olduvai-Schlucht in Tansania den bisher äl- testen Rest einer hüttenartigen Behausung dar. Vermutlich aus der Linie der eurasischen Homini erecti Oben: Unterkiefer von Mauer bei Heidel- oder aus der Linie eines Zeitgenossen, dem Homo antecessor, dessen berg (D) um 500’000 Jahre vor heute. selbständige Stellung als Art jedoch umstritten ist, und der 800’000 vor Unten: Grössen- und Formenvergleich mit dem Unterkiefer eines heutigen heute sowohl in Afrika als auch in Südwesteuropa lebte, ging in Europa Menschen. vor 300’000–200’000 Jahren über schlecht bekannte Zwischenformen der E. KEEFER, Steinzeit. Sammlungen des Neanderthaler hervor (Homo sapiens neanderthalensis). Der namenge- Württembergischen Landesmuseums Stuttgart, Bd. 1 (Stuttgart 1993), S. 19. bende Skelettfund wurde 1856 im Neanderthal (D) entdeckt. Die For- schung nimmt an, dass die Neanderthaler in den letzten beiden Eiszeiten und der dazwischen liegenden Warmzeit (rund 130’000–30’000 vor heute) in gesamt Europa und bis nach Usbekistan verbreitet waren. Die Neanderthaler waren robuste Jäger und Sammler. Sie besassen bereits vielfältige Werkzeuge und Waffen. Ihr Hirnvolumen war mit 1440 cm3 grösser als dasjenige des heutigen Menschen. Ein hervorstehender Kiefer und eine fliehende Stirn prägten das Gesicht. Die grosse, breite Nase wird als Anpassung an die Kälte der Eiszeit verstanden, denn sie ver- mochte kühle Atemluft vor dem Eintritt in die Lungen aufzuwärmen. Männliche Neanderthaler erreichten Grössen bis 1,70 m. Wahrscheinlich etwas später als der Neanderthaler in Europa entstand in Afrika vor etwa 150’000–130’000 Jahren der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens). Er führt in direkter Linie zu den heute lebenden Men- schen. Seine Urahnen werden unter den afrikanischen Homini erecti oder unter Nachfahren des oben bereits erwähnten Homo antecessor vermu- tet. Um 100’000 vor heute begann der moderne Mensch, sich aus seiner afrikanischen Wiege über die ganze Erde auszubreiten. Die älteste in Europa nachweisbare Rasse des modernen Menschen heisst nach dem ersten, 1868 entdeckten Fundplatz in der Dordogne (F) Cro-Magnon. Der Cro-Magnon-Mensch verfügte über ein Gehirnvolumen von 1400 cm3. Die frühesten Funde dieser Menschenrasse lassen sich © STARCH Thema: Allgemeines und Überblick 3 zwischen 35’000 und 30’000 Jahren vor heute fast gleichzeitig in Südwestfrankreich und im Donauraum nachweisen. Egal, ob der mo- derne Mensch Europa nun aus Afrika über die Strasse von Gibraltar oder über den Nahen Osten, den Schwarzmeerraum und das Donautal betrat, er breitete sich blitzartig aus und liess sich durch nichts mehr vertreiben. Im Gegensatz zum Neanderthaler weist der moderne Mensch eine eher senkrechte Stirn, kaum ausgeprägte Augenbrauenbögen und ein feingliedriges Skelett auf. Der Cro-Magnon-Mensch benutzte für die Jagd Speerschleudern und später, ganz gegen Ende der letzten Eiszeit, viel- leicht schon Pfeil und Bogen. Werkzeuge aus Feuerstein, Knochen und Geweih wurden nun nachweislich mit Holzschäften versehen. Erst vor rund 28’000 Jahren verschwand der Neanderthaler für immer von der Bildfläche und überliess das Feld dem modernen Menschen. Dar- aus folgt, dass sich der moderne Mensch und der Neanderthaler in Eu- ropa mit höchster Wahrscheinlichkeit begegneten. Ob der Neanderthaler einen ausgestorbenen Seitenast der Menschheitsentwicklung darstellt, oder ob sich die beiden Menschenformen unter Dominanz des Erbgutes von Homo sapiens sapiens vermischten, wird bis heute eifrig diskutiert. In jüngster Zeit mehren sich die Argumente für die erste Variante. Welche aktive oder passive Rolle in Form von Mord oder Konkurrenzdruck der moderne Mensch beim Aussterben des Neanderthalers gespielt haben könnte, ist noch weitgehend unerforscht. Es wird geschätzt, dass zum Zeitpunkt, als sich Homo sapiens sapiens gegen den Neanderthaler durchsetzte, maximal 10 Mio. Menschen die Erde bevölkerten. Was für ein evolutiver Senkrechtstarter da die Bühne betreten hatte, zeigt ein Vergleich mit heute: Die Weltbevölkerung beträgt über 6 Milliarden; Tendenz rapide steigend. Daran, ob man diesen Senk- rechtstarter auch als evolutives Erfolgsmodell bezeichnen darf, erwachsen in Anbetracht der Belastungen, denen er die Erde und sich selbst mittler- weile aussetzt, sogar beim grössten Bewunderer von Handwerk, Wissen- schaft, Musik, Malerei und Poesie gelegentlich leise Zweifel. Klima- und Landschaftsgeschichte Objekt 2 Während des Eiszeitalters (Pleistozän, 1.8 Mio–10’000 v. Chr.) waren grosse Teile der heutigen Schweiz und Österreichs ebenso wie Nord- europa (England, Irland, Skandinavien, Norddeutschland bis zu den Mittel- gebirgen und Polen) von Gletschereis bedeckt. In den Alpentälern wies der Eismantel zeitweilig Dicken von 500–1200 m auf. Das Eiszeitalter war aber nicht ausschliesslich frostig. Enorm kalte Phasen wurden durch Warmzeiten unterbrochen, in denen die Temperaturen sogar häufig über dem heutigen Mittel lagen. In den eisfreien Gebieten konnten die Menschen, wenn auch unter er- schwerten Bedingungen, als Jäger und Sammler überleben. Pollenunter- suchungen in Sedimenten erlauben die Rekonstruktion der Vegetations- und Klimaentwicklung: An die Gletschergebiete schlossen Tundragebiete mit dauerhaft gefrorenem Boden an (ähnliche Verhältnisse wie heute in Sibirien). Kräuter und teils Sträucher bildeten eine offene Vegetation. Diese Gebiete wurden von Mammuten, Moschusochsen, Wollnashörnern und Rentieren besiedelt. Die Tundragebiete gingen in Steppen über, wo Birken, Wacholder und Zwergkiefer wuchsen und Antilopen, Wildpferde, 4 Thema: Allgemeines und Überblick © STARCH Bisons, Elche und Höhlenbären lebten. An die Steppengebiete schlossen Nadel- und Laubwälder an. Während der Warmzeiten glich sich die Landschaft mehr den heutigen Verhältnissen an. Es entstanden Nadel- sowie Eichenmisch- beziehungs- weise Laubwälder. Insgesamt präsentierte sich die damalige Umwelt je- doch von der heutigen grundlegend verschieden. In Europa lassen sich mindestens fünf grosse Kaltzeiten unterscheiden (Glaziale), die von Warm- zeiten unterbrochen wurden (Interglaziale). Die vier bedeutendsten Eiszei- ten im Alpenraum werden noch immer gemäss den 1909 durch ihre Entde-
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