Deutscher Drucksache 17/11723

17. Wahlperiode 28. 11. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür die Angelegenheiten der EuropäischenUnion (21. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6151 –

Eine Europäische Gemeinschaft für die Förderung erneuerbarer Energien gründen – EURATOM auflösen

A.Problem DieEuropäische Atomgemeinschaft (EURATOM) wurde 1957 durch die Römischen Verträge parallel zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf unbestimmte Zeit gegründet. Sie unterstützt die Förderung der europäischen Nuklearindustrie über Kredite und spezielle Forschungsrahmenprogramme. Die EURATOM ist seit dem Vertrag von Lissabon strukturell aus der Europäischen Union(EU) ausgegliedert und besteht als eigenständige Gemeinschaft mit eigenem Grundlagenvertrag fort. Die institutionelle und finanzielle Verflech- tung zwischen der EURATOM und der EU wurde jedoch nicht aufgehoben. EURATOM wird aus dem allgemeinen Haushalt der EU finanziert. Mit dem Beitritt zur EU unterzeichnen Mitgliedstaaten auch den EURATOM-Vertrag, unabhängig davon, ob sie selbst Atomenergie erzeugen.

B.Lösung Ablehnung des Antragsmit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm- enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C.Alternativen Keine.

D.Kosten Wurden im Ausschuss nicht erörtert. Drucksache 17/11723 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/6151 abzulehnen.

Berlin, den 28. November 2012

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Gunther Krichbaum Matthias Lietz Heinz Golombeck Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Alexander Ulrich Berichterstatter Berichterstatterin Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11723

Bericht der Abgeordneten Matthias Lietz, Frank Schwabe, Heinz Golombeck, Alexander Ulrich und Lisa Paus

I. Überweisung Energien und Energieeinsparung könne zu einer friedlichen und ökologischen EU beitragen. Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 17/6151 in seiner 130. Sitzung am 29. September 2011 Die Antragsteller wünschen, dass der Deutsche Bundestag beraten und anden Ausschuss für die Angelegenheiten der die Bundesregierung auffordert, Europäischen Union zur federführenden Beratung sowie an – für den Abschluss eines neuen europäischen Vertrags ein- den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und den Aus- zutreten, auf dessen Grundlage eine alternative Euro- schuss fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur päische Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Mitberatung überwiesen. Energien und Energieeinsparung eingerichtet wird; II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage – sich für die Auflösung der EURATOM einzusetzen; – als Schritt zur vollständigenBeendigung des EURATOM- Der Antrag zielt darauf ab, die Bundesregierung aufzufor- Vertrags auf EU-Ebene eine Initiative für die Ent- dern, sich für eine Auflösung von EURATOM und die Grün- flechtung der vertraglichen Grundlagen der EU und der dung einer Europäischen Gemeinschaft für die Förderung er- EURATOM zu ergreifen und den EURATOM-Vertrag neuerbarer Energien einzusetzen. einseitig zu kündigen; Die Antragsteller sind der Ansicht, Atomkraft sei eine un- – sich für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomener- beherrschbare Risikotechnologie mit unabsehbaren Folgen, gie einzusetzen; die die Grundrechte und Lebensbedingungen zukünftiger Generationen gefährde. Zudem sei eine absolute Trennung – bei den Vereinten Nationen entschieden auf einen welt- zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Nukleartech- weiten Ausstieg aus der Atomenergie für militärische nologiennicht möglich. Sie weisen auf die jahrzehntelange Zwecke sowie zur Energiegewinnung zu drängen und Arbeit der Antiatombewegung und deren Forderung nach sich für ein Moratorium für alle weltweit geplanten Neu- einem sofortigen Atomausstieg sowie nach der verstärkten bauten von Atomanlagen für militärische Zwecke und Förderung erneuerbarer Energien hin. Die Antragsteller zur Energiegewinnung einzusetzen. kritisieren, dass die EU nach den Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima weiter an der Erforschung und III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse dem Ausbau der Nuklearenergie festhalte. Jedes Jahr komme Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die es zu hunderten von Unfällen und Störungen in Atomkraft- Vorlage auf Drucksache 17/6151 in seiner 86. Sitzung am werken. Es sei nicht akzeptabel, dass die EU allein im 28. November 2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen Zeitraum 2007 bis 2013 mehr als 5,2 Mrd. Euro für die der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Nuklearforschung ausgebe und zusätzlich seit 1995 Kredite Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der in Höhe von 4 Mrd. Euro für den Ausbau und die Moder- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzu- nisierungvon Atomkraftwerken bereitgestellt habe. Infolge lehnen. dieser Politik seien die Mitgliedstaaten der EU zum führen- den Erzeuger von Atomenergie und zur Region mit der größ- Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- ten Atomkraftwerkdichte in der Welt geworden. Dabei be- sicherheit hat die Vorlage auf Drucksache 17/6151 in seiner fänden sichviele der Atomkraftwerke in der EU in erdbeben- 85. Sitzung am 28. November 2012 beraten und empfiehlt gefährdeten Gebieten und seien gegen äußere Einwirkungen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und nicht abgesichert. Die seit 1957 bestehende EURATOM sei FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei seit langemüberholt; ihr Ziel, der Bevölkerung in der EU ein Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hohes Maß an technischer Sicherheit von Atomkraftwerken den Antrag abzulehnen. zu garantieren, könne durch die Subventionierung, den Aus- bau und die Förderung von Atomkraft nicht erreicht werden. IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im Die Antragsteller bemängeln, dass auch EU-Mitgliedstaaten federführenden Ausschuss ohne Atomkraftwerke an den EURATOM-Vertrag gebunden Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen seien und der EU beitretende Mitgliedstaaten sich durch die Union hat in seiner 60. Sitzung am 7. März 2012 eine öffent- gleichzeitige Unterzeichnung des EURATOM-Vertrags zu- liche Anhörung beschlossen, die er in seiner 62. Sitzung am gleich zur Subventionierung und Privilegierung der Atom- 21. März 2012 durchgeführt hat. An dieser Anhörung haben energie in der EU verpflichteten. Sie sind der Meinung, dass folgende Sachverständige teilgenommen: die Verflechtung von EU und EURATOM durch eine Ver- tragsänderung aufgehoben werden müsse, um den Austritt – Prof. Dr. Jürgen Grünwald, Europa-Institut der Universi- aus der EURATOM für die Mitgliedstaaten zu regeln. Erst tät des Saarlandes, durch eine Beendigung des EURATOM-Vertrags werde ein – Dr. Dörte Fouquet, Becker Büttner Held, Rechtsanwälte unumkehrbarer Atomausstieg auf EU-Ebene und eine voll- Wirtschaftsprüfer Steuerberater, ständige Umorientierung zu erneuerbaren Energien möglich. Die Ersetzung der EURATOM durch eine alternative Euro- – Dr. Joachim Knebel, Karlsruher Institut für Technologie, päische Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren – Patricia Lorenz, Friends of the Earth. Drucksache 17/11723 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Pro- gie nutze. Außerdem sei die Frage der Endlagerung noch tokoll der 62. Sitzung verwiesen. nicht geklärt. Die EURATOM erfülle wichtige Aufgaben, unter anderem durch einheitliche Sicherheitsnormen für den Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europä- Gesundheitsschutz und die Gewährleistung, dass ziviles ischen Union hat die Vorlage in seiner 77. Sitzung am Kernmaterial nicht für andere Zwecke verwendet werde. Ein 28. November 2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen Ausstieg Deutschland würde den Verlust der wissenschaft- der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die lichen Glaubwürdigkeit und des Einflusses auf Sicherheits- Stimmen derFraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der anforderungen in europäischen Nachbarstaaten bedeuten. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bun- Die von den Antragstellern geforderte Europäische Gemein- destag die Ablehnung des Antrags. schaft für erneuerbare Energien sei in Grundzügen bereits Die Fraktion der CDU/CSU lehnte einen Austritt aus der durch das Förderprogramm „Horizont 2020“ und das EU- EURATOM ab, da die europäische Zusammenarbeit im Forschungsrahmenprogramm realisiert. Bereichder zivilen Nutzung der Kernenergie notwendig sei. Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, der vom Deutschen Allein mit dem Beschluss über den Ausstieg aus der Atom- Bundestag beschlossene Atomausstieg werde durch das energie sei man noch nicht „auf der sicheren Seite“. Das Bei- Fortbestehen von EURATOM konterkariert, durch die – wei- spiel des Kernkraftwerks Lubmin zeige, dass ein solcher testgehend ohne demokratische Kontrolle durch das Europä- Prozess auch nach 22 Jahren nicht abgeschlossen sei. Nach ische Parlament – weiterhin Mittel für Atomforschung und dem Beschluss zur Stilllegung von Reaktoren sei auch ein den Bau weiterer Atomkraftwerke bereitgestellt würden. Es Bekenntnis zum Rückbau erforderlich. Dazu komme der würden Milliardenbeträge für eine unbeherrschbare und aus- Bau vonZwischenlagern an den Standorten. Schließlich laufendeTechnologie sowie für die Förderung der Nuklear- müsse die Frage der Endlagerung der Restmaterialien gelöst industrie verausgabt. Anstelle von EURATOM solle eine werden. Dies alles dürfe nicht in der Hand eines einzelnen Europäische Gemeinschaft für die Förderung erneuerbarer Staates liegen. Zudem sei auch bei Neubauten, gerade in Energien gegründet werden. Zudem bestehe eine Ungleich- neuen EU-Mitgliedstaaten, die Unterstützung und Beglei- behandlungder Energieträger, denn es würden deutlich mehr tung durch die EURATOM erforderlich. Mittel für die EURATOM ausgegeben als für die Forschung Die Fraktion der SPD forderte die Bundesregierung auf, im Bereich erneuerbare Energien. Nach dem Vertrag von auf eineVeränderung des EURATOM-Vertrags in drei Punk- Lissabon treffe es nicht zu, dass ein Austritt aus der ten hinzuwirken. Zum einen sollten die Investitionen in die EURATOM ohne Beendigung der Mitgliedschaft in der EU Atomenergie beendet und die frei werdenden Mittel für die nicht möglich sei. Zu einem glaubwürdigen Ausstieg aus der Förderung von erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Atomenergie gehöre auch die Auflösung von EURATOM. Des Weiteren müssten Sicherheits- und Gesundheitsfragen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte eine in das Zentrum der Debatte gerückt werden, auch hinsicht- Umgestaltung der EURATOM, die der deutschen Position lich der Zwischen- und Endlagerung. Schließlich müsse zum Ausstieg aus der Kernenergie entspreche. Es müsse eine im EURATOM-Vertrag die Vorbereitung des europaweiten Regierungskonferenz zur grundlegenden Überarbeitung des Ausstiegs aus der Kernenergie festgeschrieben werden. EURATOM-Vertrags einberufen werden. Die Sonderstel- Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeit des Austritts aus lung und Sonderförderung der Kernenergie müssten abge- der EURATOM zeigte sie sich vorsichtig. Sie kritisierte, schafft, Investitionen, Forschungsförderung und Genehmi- dass die Bundesregierung weltweit Atomenergie durch die gungsprivilegien für Atomkraftwerke gestrichen werden. Bereitstellung von Hermes-Bürgschaften fördere. Beibehalten werden sollten Investitionen in Forschung und Die Fraktion der FDP lehnte einen Austritt aus dem Entwicklung im Bereich von Sicherheit, Entsorgung und Ge- EURATOM-Vertrag ab. Es bestehe ein Interesse an der Bei- sundheit. Eine Europäische Gemeinschaft für erneuerbare behaltung seiner Regelungen, da der deutsche Ausstieg aus Energien solle gegründet werden. Wenn eine Neuausrich- der Kernenergienutzung erst 2020 erfolgen werde und eine tung des EURATOM-Vertrags nicht gelinge, solle Deutsch- große Zahl der EU-Mitgliedstaaten weiterhin die Kernener- land aus der EURATOM austreten.

Berlin, den 28. November 2012

Matthias Lietz Frank Schwabe Heinz Golombeck Alexander Ulrich Lisa Paus Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin

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