Übernachten Am Bauhaus
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Übernachten am Bauhaus „das neue ateliergebaeude nahm einen bedeutenden platz in der geschichte der modernen architektur ein, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der frische geist seine impulse teilweise aus der gleichen quelle bezog.“ Alexander Schawinsky Inhalt Luxuriöses Studentenleben 4 Musterhaus für Neues Wohnen 6 Moderne im Selbstversuch 8 Schlafen wie die Bauhäusler 10 Personalisierte Zimmer 12 Schauzimmer 16 Anreise 18 Abreise 20 Benutzerhinweise Schlüssel 21 Sicherheitshinweise 23 AGBs 24 Ausflugshinweise 26 2 3 Herzlich willkommen im Bauhaus Dessau! Sie übernachten im Ateliergebäude von Walter Gropius und damit im Weltkulturerbe. Genau wie die Glasfassade vor dem Werkstät- tentrakt sind auch die wie ausgeklappt wirkenden Einzelbalkone des Ateliergebäudes in der Ikonographie der Moderne fest verankert. Gropius trennte in seinem Entwurf die einzelnen Gebäudeteile nach ihren Funktionen und gestaltete sie unterschiedlich. Nur wenn Sie ganz um den Bau herumgehen, werden Sie Gestalt und Anlage des Komplexes ganz erfassen; eine zentrale Sicht gibt es nicht. Der Architekt selbst reklamierte immer wieder die Vogelperspektive als einzige, angemessene Sicht – ein Luxus, den wir Ihnen mit diesem Heft natürlich nur ansatzweise bieten können. Verstehen Sie diese Broschüre durchaus als Anregung, Dessau- Roßlau als Stadt der Moderne kennenzulernen. Mehr Bauhaus als hier ist nirgendwo. Wir heißen Sie nochmals herzlich willkommen am Bauhaus und wünschen Ihnen anregende Stunden in Dessau- Stiftung Bauhaus Dessau Roßlau! Gropiusallee 38 06846 Dessau-Roßlau Zimmerbuchung: Tel. 03 40-65 08-318 www.bauhaus-dessau.de Luxuriöses Studentenleben: das Ateliergebäude Das Ateliergebäude des Bauhauses war 1926 eine kleine Sensation: Zum ersten Mal konnten Studenten am Ort ihrer Hochschule nicht nur arbeiten, sondern auch leben – in einem eigens dafür ausgelegten, in das Schulgebäude inte- grierten Studentenwohnheim. Ihr neues Wohnheim nannten die Bauhäusler in Anlehnung an die alte Weimarer Unterkunft „Prellerhaus“, was noch heute gebräuchlich ist. Der Beiname geht auf den Landschaftsmaler Friedrich Preller den Älteren zurück, der im 19. Jahrhundert Weimarer Kunststudenten ein Obdach bot, das später auch die Bauhäusler nutzten. Mit dem Dessauer Wohngebäude hielt die Moderne Einzug in den Alltag der Bauhausschüler: Sieben Wohnateliers lagen, zusammen mit einer Teeküche, auf einer Etage, verbunden durch einen Mittelflur. Es bürgerte sich ein, dass die größten- teils in der Weberei beschäftigten Studentinnen die untere, blaue Etage bewohnten. Die beiden folgenden Stockwerke, deren Flurdecken Hinnerk Scheper rot bzw. gelb hatte strei- Studenten auf einem Balkon des Ateliergebäudes, 1931. Samm- chen lassen, wurden von den Schülern der anderen Werk- lung Stiftung Bauhaus Dessau, Fotograf unbekannt stätten und der Malklassen bewohnt. Das oberste, weiße Geschoss war den künftigen Architekten vorbehalten. 4 5 Die Ausstattung verdient für damalige Verhältnisse außerge- wöhnlich luxuriös genannt zu werden. Es gab Gemeinschaft- seinrichtungen, Bäder und Duschen, Teeküchen, Terrassen und sogar eine Turnhalle im Keller. Die einzelnen Ateliers waren mit Einbau schränken, Sofanischen, Waschgelegenheiten und vornehmlich von Marcel Breuer entworfenem Stahlrohrmobiliar eingerichtet. Auf 20 Quadratmetern Wohnfläche ließ es sich be- quem leben. Entsprechend begehrt waren die Ateliers unter den Studierenden – zum Mietpreis von 20 Reichsmark, einschließ- lich Reinigung und Gas. In jedem Semester wurden die Ateliers deshalb neu vergeben, der Vorlauf betrug im Regelfall vier bis fünf Wochen. Von den 28 Zimmern verfügten 16 über einen eigenen kleinen Balkon. Ein Gutteil des studentischen Lebens im „Prellerhaus“ Selbstportrait im Spiegel, Atelier, 1928 –1932 Bauhaus-Archiv spielte sich auf diesen markanten Austritten ab, die die Nord- Berlin, Fotografie: Gertrud Arndt / Archiv Alfred und Gertrud fassade des Gebäudes unverkennbar machen. Hier, wie auch Arndt, Alexandra Bormann-Arndt und Hugo Arndt auf den Gemeinschaftsbalkonen auf der Ostseite, trafen sich die Bauhäusler zum guten Gespräch und musizierten mitein- ander. 1930 ließ der dritte und letzte Direktor des Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe, das Gebäude radikal umbauen. Aus mehreren Ateliers wurden große Klassenräume, in denen unter anderem Josef Albers’ Vorkurse stattfanden. Wassily Kandinsky unterrichtete seine Schüler hier im freien Zeichnen. Nach einer denkmalpflegerischen Sanierung im Jahre 2006 steht das das „Prellerhaus“ nun Gästen der Stiftung Bauhaus Dessau und interessierten Touristen offen. Musterhaus für Neues Wohnen Der Anspruch, eine neue Form des „befreiten Woh- nens“, des Rechts auf „Licht, Luft und Sonne“ im Zeit- alter der Rationalisierung und Normierung zu entwik- keln, war eines der Hauptthemen des Bauhauses. Zu Fragen der Gestaltung und des Verhältnisses von Ge- genstand und Raum entstanden neue, zum Teil avant- gardistische Konzepte. Die stets auf erzieherische Wirkung bedachten und mit beispielhaftem Anspruch vorgeführten Lösungen des Bauhauses in Bezug auf die Gestaltung von Siedlungsanlagen, Wohnhäusern, Inneneinrichtungen und Hausgeräten waren jedoch nicht gänzlich frei von Widersprüchen. Sie changierten zwischen Entwürfen für die Wohnung für das Existenz- minimum (Siedlung Törten und Laubenganghäuser) auf der einen und die villenartigen Meisterhäuser auf der anderen Seite. Erstere wurden als engagierte Erfüllung eines Pflichtprogramms, einer Notwendigkeit der Zeit, betrachtet. Die Errichtung des großzügig dimensio- nierten und ausgestatteten eigenen Heimes hingegen wurde als Planung für die Zukunft propagiert: „Heute Eine Studie auf dem Balkon der Malklasse, um 1932. wirkt noch Vieles als Luxus, was übermorgen zur Norm Stiftung Bauhaus Dessau, Fotografie: Alfred Eisenstaedt wird.“ Walter Gropius, 1930. 6 7 Dieses gesellschafts- und zeitbezogene Verständnis von Gestaltung spiegelte sich auch in der Wohnpraxis am Bauhaus selbst und bei der Unterbringung der Schüler und Lehrer wider. In Dessau konnte das Bau- haus mit dem zum Schulgebäude gehörenden Atelier- bau und den Meisterhäusern seine Vorstellungen nach einer Verbindung von experimenteller Lehrform und idealer Lebensgemeinschaft, eines gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens, beispielhaft verwirklichen. Dies war eine in der deutschen Schul- bzw. Hoch- schullandschaft einmalige Situation, die auch nur dank „die balkone waren gerade groß der damaligen Offenheit der Stadt Dessau realisiert genug fuer eine mahlzeit zu dritt. werden konnte. Dennoch: Im Alltag bildete auch dieses in den etagenkuechen fand ein Muster-Ensemble des Neuen Wohnens am Bauhaus reger austausch von nationalen die gleichen sozialen Differenzierungen ab. Obwohl die rezepten der verschiedensten Institution weitgehend auf Gleichstellung bedacht war, heimaten statt – ungarisch, erhielten nur wenige, privilegierte Studenten eines der polnisch, deutsch, schweizer, begehrten Zimmer im Atelierhaus. Der Rest wohnte russisch, juedisch, orientalisch, traditionell zur Miete in möblierten, gründerzeitlichen japanisch, hindu, italienisch. von Wohnungen oder in nahegelegen randstädtischen allen rezepten erfreuten sich in Siedlungen. butter geröstete zwiebeln mit eiern groesster popularitaet, Lutz Schöbe wahrschein lich aus gruenden der simplizitaet und oekonomie.“ Xanti Schawinsky Moderne im Selbstversuch Einzelzimmer für Studenten, nach den Maßstäben der 1920er Jahre war das ein fast unvorstellbarer Luxus, und dabei mussten die jungen Leute nicht einmal Stu- diengebühren oder Miete bezahlen. Das Bauhaus-Studium war gratis für diejenigen Kandidaten, die nach einem mehrwöchigen Vorkurs von ihren Lehrern als geeignet ausgewählt wurden. Heute können Touristen in den Zimmern übernachten, in de- nen einst die Elite der europäischen Architekten und Designer ihren Beruf lernte. Diese Zimmer haben vieles gesehen. Das Verhältnis zwischen Professoren – sie ließen sich „Meister“ nennen – und Studenten war in Dessau lockerer und freundschaftlicher als üblich. Liebesbeziehungen inklusive. So etwas war kein Skandal, es galt als irgend- wie modern, und etwas Modernes konnte am Bauhaus doch unmöglich verboten sein. Legendär waren die Kostümfeste. Walter Gropius verkleidete sich einmal als sein Kollege Le Corbusier, Lyonel Feininger kam als rechtwinkliges Dreieck, der Student Heinrich Koch als Karo. Gropius ließ, auf Kosten des Bauhauses, einen Berliner Tanz- lehrer anreisen, der seinen Studenten den Modetanz Charleston beibrachte. Die Feste hatten meistens ein skurriles Motto, einmal hieß es „ Bart-, Nasen- und Herzensfest“, ein anderes Fest war einfach „weiß“. Beim „metallischen Fest“ wurde den Damen die zu realisierende Idee nahegelegt, als „radioaktive Substanz“ zu erscheinen. Irgendwie kommt einem dieses Bauhaus, mit seiner Verliebtheit in den Fortschritt, seiner Vorliebe für Partys und lockere Sitten, wie ein Vorläufer der Studentenrevol- te vor, es muss wohl eine Art frühes `68 gewesen sein. [Harald Martenstein] 8 9 Melusine Herker auf dem Metallischen Fest am 9. Februar 1929 im Bauhausgebäude. „Oft wurde das Atelier - Stiftung Bauhaus Dessau, Fotograf unbekannt haus zum Szenario bewegter Aufzüge von Musik und Masken.“ Lou Scheper Schlafen wie die Bauhäusler Im Ateliergebäude des Bauhauses Dessau kann der geneigte Gast dort übernachten, wo in den Zwanzigerjahren Anni und Josef Albers, Gertrud und Alfred Arndt sowie Franz Ehrlich wohnten. Die Zimmer sind zum Teil personalisiert und mit Mö- beln und Kunstwerken der erwähnten Bauhäusler ausgestattet worden. Das sogenannte „Preller haus“