Die Magische Bilderwelt Der Bauhauskünstlerin Lou Scheper-Berkenkamp Von Barbara Murken
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Kinderliterarische Themen „Eigentlich sitze ich lieber auf Luftlinien als auf Sesseln ...“ Die magische Bilderwelt der Bauhauskünstlerin Lou Scheper-Berkenkamp von Barbara Murken Das Staatliche Bauhaus, 1919 von dem Archi- zu verlieren, sollten Phantasie und handwerkli- tekten Walter Gropius in Weimar gegründet, ches Experimentieren den Geist des Bauhauses entstand durch die Vereinigung der Hochschule prägen und den Weg in eine zukünftige humane für Bildende Kunst mit der Großherzoglichen Gesellschaft bahnen. Visionärer Schöpfergeist, ge- Kunstgewerbeschule von Sachsen-Weimar. Ab paart mit künstlerischer Funktionalität, sollte die 1926 wurde die Institution in Dessau als Hoch- trennenden sozialen Strukturen der Gesellschaft schule für Gestaltung weitergeführt. Nach einem überwinden und von Grund auf erneuern, war im erneuten Umzug 1932 nach Berlin wurde sie Bauhaus Manifest von 1919 zu lesen. So wurde von den Nationalsozialisten 1933 geschlossen. das Bauhaus in allen Bereichen der bildenden Die neue und revolutionäre Idee der Bauhauses Kunst wie der Architektur, der Malerei und der bestand in der Vision, durch ein gleichzeitiges Fotografie zum Spielfeld für neue Formen, Farben Angebot von Theorie und Praxis die verschiede- und Muster: Junge Künstler aus vielen Nationen nen Ausbildungsstätten für Bildkünstler, Architek- bewarben sich an der Schule und prägten gemein- ten und Handwerker zu vernetzen, Technik und sam mit ihren Meistern eine Kunstepoche, die Kunst in ihren Gegensätzen zu versöhnen und so bis in das 21. Jahrhundert mit ihren kreativen ein modernes „Gesamtkunstwerk“ zu schaffen. In Kräften impulsgebend geblieben ist. Anlehnung an die Bauhüttenideale des Mittel- alters sollten handwerkliche Meisterschaft und Lou Berkenkamp schrieb sich 1920, mit 19 Jah- künstlerische Kreativität im Unterricht gleich- ren, als Kunststudentin am Bauhaus in Weimar wertig vermittelt werden und sich in fruchtbarer ein und war der Institution bis zu seiner Schlie- Synthese ergänzen. Ohne den Gebrauchszweck ßung in Berlin 1933 lernend und schaffend eines zu gestaltenden Gegenstands aus dem Auge verbunden. Aus dieser Schule und Schulung heraus entstanden neben ihrer Das Bauhaus in Dessau (Foto: Murken, 1991) freien Malerei zahlreiche Entwürfe zu Kinderbüchern, die zunächst unveröffentlicht und damit unbekannt blieben. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelang die Drucklegung einiger kleiner, aber feiner Bilderbücher. Jedoch längst nicht alles ihres kunstvollen Bilderbuchschaffens erreichte die Öffentlichkeit. Der umfangreichen Forschung zum Thema Bauhaus ist das kleine, aber feine künstlerische Œuvre der Lou Scheper-Berken- kamp bislang eher entgangen. Internationale Jugendbibliothek Das Bücherschloss 2009 77 Kinderliterarische Themen Daher soll hier der Versuch unternommen Unmittelbar nach Ende der Schulzeit bewarb werden, das Leben der weitgehend vergessenen sich Lou Berkenkamp am Städtischen Bauhaus Künstlerin vorzustellen und ihre Kunst, in ihren in Weimar. Obwohl sie nicht auf eine umfang- Bilderbüchern wie in der freien Malerei, in ihrer reiche künstlerische Vorbildung verweisen neuartigen und unverwechselbaren Formen- und konnte – „meine Arbeiten entstanden in den Farbenvielfalt zu würdigen. Ebenso soll an die Zeichenstunden in der Schule und in wenigen wichtigste Person im privaten und künstlerischen Privatstunden“1 –, hatte ihr Studienantrag Er- Leben von Lou Scheper-Berkenkamp, ihren Mann folg. Im Antwortschreiben der Bauhausleitung Hinnerk Scheper, erinnert werden. vom 22. April 1920 heißt es: „Auf Beschluss des Meister rates werden Sie als Studierende des Staat- Hermine Luise Ber ken- lichen Bauhauses auf Grund Ihrer eingereichten kamp wurde am 15. Arbei ten aufgenommen“. Handschriftlich war Mai 1901 in Wesel am das Wort „probeweise“ eingefügt.2 Niederrhein geboren. Die Eltern lebten in gut- Der Meisterrat setzte sich aus den Meistern der bürgerlichen Verhältnis- ersten Stunde zusammen. Er bestand aus Walter sen. Der Vater Adalbert Gropius und den von ihm berufenen Lehrern Berkenkamp (1868- Johannes Itten, Lyonel Feininger, Oskar Schlem- 1947), ein wohlhaben- mer, Paul Klee, Georg Muche und Gerhard Marcks, außerdem aus Professoren der ehemaligen Kunst- der Fabrikbesitzer, hatte Lou Scheper-Berkenkamp im Jahr 1895 Laura 1927 (Foto: Lucia Maholy) hochschule. Der Rat wählte in abstimmenden Sit- Darmstädter (1872-1956) zungen die Studenten aus. So schloss Lou Berken- geheiratet, es kamen drei Kinder zur Welt. Lou, kamp schon am 1. Mai 1920, zwei Monate nach wie sie genannt wurde, hatte einen älteren Bruder dem Abitur, einen Lehrvertrag über eine dreijähri- Alfred (1897-1917, gefallen im Ersten Weltkrieg ge Ausbildung am Staatlichen Bauhaus Weimar ab. in Frankreich) und einen jüngeren Bruder Walter (1910-1994). Die Aufnahme von weiblichen Studenten war keineswegs selbstverständlich. Auch der fort- Nach Grundschule und vierjährigem Besuch des schrittliche Walter Gropius warnte skeptisch Lyceums in Wesel wechselte Lou Berkenkamp vor „kunstgewerblichem Dilettantismus“3 der Ostern 1914 auf die Städtische Viktoria-Schule Studentinnen. Seine Sorge, die Bewerberinnen in Essen, die als führende Bildungsinstitution könnten den Männern die kostbaren Werkstatt- unter den Mädchenschulen der Region galt. plätze wegnehmen, widersprach dem Grundsatz Nach dem Zulassungsantrag zur Reifeprüfung des Staatlichen Bauhauses, dass „als Lehrling vom 15. Dezember 1919 – hier schon ist als Berufs- aufgenommen wird jede unbescholtene Person wunsch „Kunstgeschichte“ eingetragen – legte ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren sie am 4. März 1920 ihr Abitur ab. Trotz nicht Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als genügender Leistungen in Mathematik wurde sie ausreichend erachtet wird“.4 als „zweifellos reif“ beurteilt, mit „einer ausge- sprochenen Begabung für literarische und künst- Lou Berkenkamp ließ sich nicht einschüchtern. lerische Probleme“ und „erzielte in den Sprachen Da laut Satzung „keine Unterschiede zwischen gute, im Deutschen und im Zeichnen sehr gute dem schönen und dem starken Geschlecht“ Leistungen“. Unter der Rubrik „gewählter Beruf“ ge macht werden durften, schrieb sie sich in ist das Kunststudium eingetragen. Interesse und der „Dekorationsmalerei“, einer Klasse mit nur Talent waren also eindeutig zu erkennen! männlichen Studenten, ein – die Frauendomäne 78 Das Bücherschloss 2009 Internationale Jugendbibliothek Kinderliterarische Themen Weberei interessierte sie nicht . So traf der Spott- bei Badbergen nahe vers Oskar Schlemmers, „Wo Wolle ist, ist auch Osna brück geboren. ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitver- Seine Mutter brachte ihn treib“5, auf sie nicht zu! als Adoptivsohn in die Ehe mit dem Tischler- Lou Berkenkamp nahm voller Energie das meister Hermann G. H. Studium auf. Nach dem obligaten Vorkurs bei Scheper mit. Nach der Johannes Itten besuchte sie die Formlehre-Kurse Lehre zum Malermeister bei Wassily Kandinsky und Paul Klee. Vor allem besuchte Scheper im Paul Klee prägte sie nachhaltig, während sie der Sommer semester 1918 Hinnerk Scheper 1927 esoterischen Geisteshaltung von Johannes Itten die Düsseldorfer Kunst- (Foto: Lucia Moholy) eher distanziert gegenüberstand. Gleichwohl gewerbeschule, ein Jahr finden sich in ihrem Werk esoterisch anmutende später die in Bremen. Im August 1919 bewarb er geflügelte Fabelwesen, schwebende Gestalten, die sich um einen Studienplatz am Staatlichen Bauhaus den Betrachter in einen Kosmos voller luftig- in Weimar und gehörte ab Wintersemester 1919/20 heiterer Bilder und surrealer Ideen entführen. zu den ersten Studenten der neuen Institution Gleichzeitig eignete sie sich in der Werkstatt für Bauhaus. Er lernte in der Werkstatt für Deko ra- Dekorationsmalerei die praktischen Fertigkeiten tions malerei und schloss am 10. Mai 1922 sein an, mit Farbe und Struktur umzugehen und mit Studium mit der Meisterprüfung vor der örtlichen verschiedenen Materialien zu experimentieren. Handwerkskammer ab. Danach verließ er vorerst das Bauhaus und arbeitete als freiberuflicher Maler Im Herbst 1920 lernte Lou Berkenkamp in der De- und Farbgestalter, z. B. bei der Ausmalung verschie- korationsmalerei Hinnerk Scheper kennen. Dieser dener Bauwerke, so am Schloßmuseum Weimar. hatte im Frühjahr 1920 als 23-jähriger Student mit zwei weiteren Studenten kommissarisch die hand- Am 24. Dezember 1922 heirateten Hinnerk Sche- werkliche Leitung der Werkstatt übernommen, als per und Lou Berkenkamp in der evangelischen unvorhergesehen eine Vertretung für den Werk- Stadtkirche zu Weimar. Am 7. November 1923 meister Franz Heidelmann erforderlich wurde. wurde der erste Sohn, Jan Gisbert, geboren. Spä- Den Lehrlingen der Werkstatt, unter ihnen Lou testens zu diesem Zeitpunkt setzte sich auch in Berkenkamp, wurden erste Projekte in Eigenregie Lou Schepers Leben das traditionelle Frauenbild übertragen, so die Ausgestaltung der Dekoration durch: Sie hatte mit ihrem Mann das Weimarer der Bauhausfeste, der neuen Kantine und der Flure Bauhaus ohne eigenen Studienabschluss verlas- des Hochschulgebäudes. Lou Scheper erinnert sich sen (Austrittsdatum: 28. Juli 1922) und versorgte in ihrem Rückblick 1971: „[...] wir malten [...] in nun die Familie. Im März 1925 bekam Hinnerk Gemeinschaftsarbeit [...] mit Lust und schlech- Scheper das Angebot von Walter Gropius, am tem Gewissen, denn wir waren uns bewußt, dass inzwischen nach Dessau gezogenen Bauhaus unser Tun gänzlich unfunktionell sei“.6 Hier war als hauptamtlicher Jungmeister die Leitung der der Umgang mit Farbe noch spontan spielerisch. Werkstatt für Wandmalerei