Bd. 72 1972 Quellen Und Forschungen Aus Italienischen Bibliotheken Und Archiven Bd. 55/56 1976
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Quellen und Forschungen aus italienischen Bibliotheken und Archiven Bd.Bd. 55/5672 19761972 Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publi- kationsplattform der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswis- senschaftliche Institute im Ausland, zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Her- unterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträ- ger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu priva- ten und nicht-kommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hin- ausgehende unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weiter- gabe einzelner Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich verfolgt werden. DIE SIENESER URKUNDEN DER STAATSBIBLIOTHEK PREUSSISCHER KULTURBESITZ BERLIN (12.-18. JH.) Die Fonds S. Leonardo al Lago, S. Salvatore di Lecceto, S. Maria del Carmine und Piccolomini von BRIGITTE SZABÖ-BECHSTEIN Im Jahre 1886 machte S. Löwenfeld Mitteilung von einem Fund italienischer Urkunden in der Königlichen Bibliothek zu Berlin1). Er sprach von etwa 213 Stücken, die auf unbekannte Weise in den Besitz der deutschen Bibliothek gelangt seien, ihrem Inhalt nach aber in das Staatsarchiv von Siena gehörten2). *) S. Löwenfeld, Kleinere Beiträge. Papstbullen in der kgl. Bibliothek zu Berlin, Neues Arch. d. Ges. f. ältere deutsche Geschichtsk. 11 (1886) S. 609-616. 2) Allerdings wußte schon L. Bethmann von Sieneser Urkunden in Berlin. Denn in den posthum veröifentlichten Archivberichten seiner Aufenthalte in Italien (1845 und 1846, 1851-1853) heißt es hinsichtlich des Archivs von Car mine : „.. das Archiv in der Franzosenzeit verkauft an Montini; Rumohr kaufte davon auf dem Trödel eine Tonne und einen Sack voll, darunter ein K.-U., und überließ es an die Bibliothek in Berlin." (Arch. f. deutsche Geschichtsk. 12 [1874] S. 748). - Der Kunsthistoriker K, F. Rumohr machte seine „Italienische Reise" in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jh.; Montini, bei dem er den Kauf tätigte, war ein Bauunternehmer, der die Urkunden zu Leim verarbeiten wollte (vgl. L. Zdekauer, Siena - Archivio notarile provinciale, Bull. Senese di stör, patr. 1 [1894] S. 291 f.). - Löwenfeld nimmt auf die Informationen Bethmanns keinen Bezug, berichtet aber, „daß sich Prof. Wattenbach erinnert, daß Rumohr . •. gegen ihn die Absicht ausgesprochen hat, Urkunden, welche er während seines Aufenthalts in Italien und namentlich in Siena erworben hatte, zur Benutzung bei diplomatischen Übungen der Berliner Bibliothek zu übergeben. Es wäre möglich, daß Pertz, um Reklamationen zu verhüten, sie mit Absicht geheim ge halten hätte" (wie Anm. 1, S. 609). - In einem gewissen Widerspruch dazu steht 160 BRIGITTE SZABÖ-BECHSTEIN Löwenfeld wies schon damals auf die „große Masse" der Privat urkunden hin, die „von Mitgliedern der berühmten Familie der Piccolo- mini in Siena oder für dieselben ausgestellt sind" und unterstrich deren Bedeutung für die toskanische Geschichte, besonders für diejenige der Vorfahren Pius' II. Ihn selbst interessierten jedoch nur die 48 Papst bullen (aus den Jahren 1144-1741, davon 45 Originale), von denen er eine chronologische Liste in Form von durchnumerierten Kurzregesten veröffentlichte3). Die ersten 6 Bullen, die in das 12. Jh. fallen und alle für das Kloster San Leonardo de Lacu Verano ausgestellt sind4), konnte Löwenfeld in der zweiten Auflage der Regesta Pontificum Romanorum berücksichtigen6). Auf diese 6 Urkunden im besonderen machte P. F. Kehr im Rahmen seiner Vorarbeiten zur Italia pontificia aufmerksam6) und veranlaßte deren Edition durch A. Hessel7), bevor sie in das Standardwerk selbst Eingang fanden8). -In den Bereich wissenschaft licher Aktivität gerieten demnach nur die Papstbullen, die Privat urkunden blieben weiterhin ungesichtet. Als nächster beschäftigte sich F. Schneider mit dem Berliner Material, da es in den Zuständigkeitsbereich des Regestenwerkes der die Tatsache, daß der noch 1908 vorhandene - heute verlorene - handschriftliche Index der Papstbullen den Vermerk trug, die Urkunden seien 1865 von dem Ber liner Antiquar Rocca gekauft worden (A. Hessel, Le bolle pontificie [wie Anm, 7] S. 333 Anm. 1; vgL auch F. Schneider, Regestum Senense 1 [wie Anm. 9] S. LI). 3) S. Löwenfeld, Kleinere Beiträge, S. 610-616. 4) Zur Geschichte des Klosters wie auch zu derjenigen des nahegelegenen S. Salvatore di Lecceto, mit dem S. Leonardo 1251/52 aus Reformgründen — nicht ohne jeden Widerstand - vereinigt wurde (vgl. unten S. 168 Reg. E 9), siehe E.Repetti,Diz. geografico, fisico, stör. dellaToscana2, Fir. 1835 S. 665f., P. F. Kehr, Italia pont. 3, Berlin 1908, S. 225ff. und zuletzt K. Elm, Die italienischen Eremitengemeinschaften des 12. und 13. Jh., in: L'eremitismo in Occidente nei sec. XI e XII. Atti d. seconda sett. intern, die studio, Mendola 1962 (Milano 1965), S. 542f. und ders., Gli Eremiti neri del Dugento. Ein neuer Beitrag zur Geschieht des Augustiner-Eremitenordens, QFIAB (1971) S. 68-70. ») Ph. Jaff«5-S. Löwenfeld 2a (Leipzig 1888), Nr.: 8595, 9820, 10019, 13044, 15463, 15713. 6) P. F. Kehr, Le bolle pontificie che si conservano negli Archivi Senesi, Bull. Senese di stör. patr. 6 (1899) S. 54f. 7) A. Hessel, Le bolle pontificie anteriori al 1198 per S. Leonardo „de Lacu Verano", Bull. Senese di stör. patr. 8 (1901) S. 333-344. •) P. F. Kehr, Italia pontificia 3, S. 225-227. DIE SIENESEB URKÜKDEN 161 Urkunden Sienas fiel9). Er berichtete von den „Kassetten C und D, zusammen 60 Pergamene, dazu zwei Kassetten mit rund 160 Notariats urkunden, alles ungeordnet und bis auf C ohne Inventar", die sich in der Berliner Königlichen Bibliothek befänden10). Die Gesamtzahl von etwa 220 entspricht den von Löwenfeld angegebenen rund 213 Stücken. Schneider erkannte in dem Material die Fonds S. Leonardo al Lago und Piccolomini und vermutete, daß die Urkunden von S. Leonardo schon früh in die Hände der Piccolomini gelangt seien. Als Bestandteil des Familienarchivs habe man sie dann in Bände gebunden, die noch am Anfang des 18. Jh. unter der Bezeichnung Memoriali Piccolominei vorhanden gewesen seien11). Die Vermutung, daß die Sieneser Urkunden später durch den Kunsthistoriker K. F. Rumohr den Weg an die Königliche Bibliothek Berlin gefunden hätten, schloß Schneider auf Grund der Nachricht von dem antiquarischen Ankauf der Stücke im Jahre 1865 aus12). Hingegen griff er einen Hinweis F. Piccolomini Bandinis auf, nach dem um die Wende vom 18. zum 19. Jh. durch Vertrauensbruch eine große Zahl wichtiger Urkunden aus dem Archiv der Consorteria Piccolomini entwendet wurde, wobei der Verantwortliche sogar deren Spuren im Inventar gelöscht haben soll. Die Urkunden sollen verkauft und dann an den verschiedensten Stellen wieder gesehen worden sein, z.B. in Triest und Florenz, wo um 1830 ein Teil al „R. Acquisto Ricci" im Florentiner Staatsarchiv (damals Archivio Mediceo) sichergestellt wer den konnte13). Aus diesem Zusammenhang leitet Schneider die Ver- 8) F. Schneider, Regestum Senense 1, Regesta Chartarum Italiae 8, Rom 1911. 10) Ebd. S. LVTII. ») Ebd. S. LI Anm. 2. ") Vgl. oben Anm. 2. 18) F. Piccolomini Bandini, Carte mercantüi Piccolomini del sec. XIII, Miscell. stör. Senese 5 (1897) S. 65 Anm. - Zur Entstehung der Consorteria Pic colomini und deren heute im Sieneser Staatsarchiv verbliebenen Dokumenten vgl. G. Cecchini, Archivio della Consorteria Piccolomini, Notizie degli Archivi di Stato II, 2 (apr.-giugno 1942) S. 102-105. Cecchini erwähnt die Veruntreuung nicht und nimmt neben der Consorteria eine Reihe von Familienarchiven an, deren Inhalt sich zerstreut und an den verschiedensten Stellen Spuren hinter lassen habe. Reste der Consorteria (1741-1906) finden sich auch im Erzbisch. Archiv von Siena, vgl. G. Catoni- S. Fineschi, L'Arch. Arcivescovile di Siena. Inventario (Ministero deirintemo. Pubbl. degli Arch. di Stato 70), Roma 162 BRIGITTE SZABÖ-BECHSTEIN mutung ab, daß es sich bei dem Berliner Material um einen weiteren Teil der damals veruntreuten Pergamente handelt, vielleicht um die zuletzt in Triest gesichteten14). In jüngerer Zeit veröffentlichte G. Prunai, ein hervorragender Kenner der Sieneser Urkunden und Archivverhältnisse, denjenigen Teil aus dem Florentiner „R. Acquisto Ricci" in Regestenform, der die Bank- und Handelsgeschäfte der Piccolomini betrifft16). Auch er berichtet von der durch Piccolomini Bandini überlieferten Verun treuung, gibt die Vermutung Schneiders betreffs der Triester Herkunft der Berliner Urkunden wieder und weist daraufhin, daß im Jahre 1869 ein weiterer Teil der beseitigten Urkunden bei dem Antiquar Bigazzi gekauft und im Sieneser Archiv untergebracht worden ist (R. Acquisto Bigazzi), während andere - in die Hände der Familie Bichi gelangt - dort in dem Fonds „Legato Bichi-Borghesi" einzusehen sind16). Um das Bild zu vervollständigen, müßten im Sieneser Staats archiv noch die Fonds „Bandini Piccolomini", „Piccolomini Adami" und „Piccolomini-Naldi-Bandini" berücksichtigt werden17). Mehr aber ist über die Geschichte und den Verbleib der Piccolomini-Urkunden nicht zu erfahren. Schneiders „Regestum Senense", das u.a. zur Beschäftigung mit den Urkunden der ehemaligen Berliner Königlichen Bibliothek führte, reicht im ersten und einzig erschienenen Band bis zum Frieden von Poggibonsi (30. Juni 1235). Wir finden darin alle in diesen Zeitraum fallenden Berliner Papsturkunden aus der Kassette C - neben den er- 1970, S. 252 Nr. 4035-37. - Aus dem in der Vat. BibL befindlichen Nachlaß des 1784 verstorbenen Titular-Erzbischofs von Perge F. M.