DAS KREUZ von

Auf der Suche nach den Ursprüngen

Recherchiert und aufgezeichnet von Dirk Küsters Wolfgarten Das Kreuz von Wolfgarten

Inhalt Vorwort ...... 3 Das Dorf ...... 4 Der Brand ...... 12 Die Toten ...... 21 Die Hilfe ...... 25 Das Kreuz ...... 31 Anhang Bilder ...... 39 Anhang Karten ...... 47 Quellenangaben ...... 50 Heraldik zum Wappenschild ...... 51

I m p r e s s u m

Herausgeber

Dirk Küsters

Wolfgarten 8, 53937 Mail: [email protected]

In Zusammenarbeit mit dem

Geschichtsforum Schleiden e.V. www.geschichtsforumschleiden.de Mail: [email protected]

Autor Dirk Küsters

Der Gesamtinhalt dieser Arbeit ist urheberrechtlich geschützt © by Dirk Küsters, Schleiden

2 Vorwort Vorwort

Jahrzehntelang schon betreuen die Eheleute Siegfried und Hildegard Wergen liebevoll das Dorfkreuz von Wolfgarten. Ihnen ist es überhaupt zu verdanken, dass es stets eine Zierde des Dorfes, ein Ort des Verweilens für Einheimische und Gäste und ein Treffpunkt für manche traditionellen Veranstaltungen ist. Sie kümmern sich um die Pflege, den Blumenschmuck und den Erhalt. Sie haben sich gesorgt – und Sorgen machte ihnen auch immer wieder mal der Zustand des Christuskorpus. In fast regelmäßigen Intervallen von etwa 15 Jahren initiierten sie jeweils notwendig gewordene fachmännische Auffrischungen oder gar Restaurierungen, obwohl doch der Standort und damit das Kreuz und die drei zum Ensemble gehörenden Linden im Eigentum der Stadt Schleiden stehen. Im Jahr 2019 war es mal wieder so weit. Damit kam aber auch die große Überraschung: Vom Landschaftsverband Rheinland, und dort vom Amt für Denkmalschutz, kam von der Dipl.-Restauratorin Frau Anne Heckenbücker die Begutachtung des Christuskorpus mit der Aussage, „dass die Befunde eine Datierung des Corpus in die erste Hälfte des 16. Jahrhun- derts untermauern. Der Erhalt der Figur an sich und der gute Zustand der Holzsubstanz kann als bemerkenswerter Umstand, vielmehr als Glücksfall beschrieben werden. Dem LVR-ADR (Landschaftsverband - Amt für Denkmalschutz) ist kein vergleichbares hölzernes spätgotisches Wegekreuz im Außenbereich im Rheinland bekannt. Anzunehmen ist, dass der Christuskorpus in Zweitverwendung erst um 1900 als Wegekreuz genutzt wurde und dementsprechend aus einem anderen Kontext stammt“. Und somit waren wir gefordert. Wir wollten wissen, was es mit dem Kreuz auf sich hat. Gerd Schmitt, der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft Wolfgarten e.V., bat mich, doch einmal zu erforschen, welche Intention dem Kreuz zugrunde lag. Wie war das mit dem Brand 1882, der das halbe Dorf in Schutt und Asche legte? Wer waren die Toten, die es damals zu beklagen galt? Welche Hilfe wurde den Geschädigten zuteil? Eine spannende Aufgabe, die ich sehr gerne übernahm. Sie war nicht zu lösen ohne die tatkräftige Unterstützung vieler Helfer. Zuerst ist da natürlich Siegfried Wergen zu benennen, der immer wieder neue aber entscheidende Hinweise geben konnte. Aber auch Frau Gutmann vom Stadtarchiv in Schleiden sei gedankt für ihre freundliche und aktive Suche nach Urkunden und Dokumenten. Helmut Nießen, unser `Altförster´, schlug sich mit mir durchs Gelände auf der Suche nach römischen Spuren und Klaus Kirch bewertete mit mir alte Katasterkarten. Dr. Norbert Toporowsky danke ich recht herzlich für die Rezension der vorliegenden Arbeit. Vielen lieben Helfern wäre noch zu danken – ich kann sie hier gar nicht alle aufzählen. Den Lesern wünsche ich eine angenehme und vielleicht hier und da erhellende Lektüre. Dirk Küsters 2020

3 Das Kreuz von Wolfgarten Das Dorf

Schon vor gut 2000 Jahren führte die Römerstraße Köln-Reims von Zülpich kommend in zwei unterschiedlichen Trassen über den östlich an dem späteren Dorf Wolfgarten vorbei in das Urfttal. Dabei verlief die ältere Trasse über Bürvenich und Hergarten, die jüngere Trasse über Berg und Düttling in den Kermeter, wo sie etwa ab Höhe 479,0 (zwischen Tönnishäuschen und Sandgrube) offensichtlich zusammentrafen. Wo sie ab dort abwärts ins Urfttal und nach Gemünd führte, weiß man nicht.1

links Abb. 1: Die Römerstraße Köln- Reims Einzeichnung in eine aktuelle Digitale Topo- graphische Karte, TIM-online.nrw.de.

In die Tranchot- Karte (1803-1808) wurde die Straße, über die auch die jüngere römische Trasse lief, als `Grand Chemin de Gemund a Cologne´ bezeichnet.

So abgelegen der Ort Wolfgarten auch war, trafen dort neben der Römerstraße Köln-Reims noch weitere (Fern-)Straßen zusammen:  von Südwesten die Gerberstraße von Malmedy, die weiter nach Düren führte;  von Süden die steile „Lompich“ von der Straße Köln-Trier her;  vom Schleidener Tal die Eisenstraße ebenfalls nach Düren;  der Kohlweg diente der Abfuhr von Holzkohle ins Schleidener Tal und zum Mechernicher Bleiberg.2

Römische Siedlungsreste haben sich nördlich und östlich von Wolfgarten in den Jagen 90, 95, 98, 102 und 103 gefunden.3 (Jagen sind Forstabteilungen /Distrikte.)

Im Kartenanhang findet man einen Ausschnitt der Deutschen Grundkarte, (TIM-online), in der zur besseren Orientierung die wichtigsten Lokalbezeichnungen, die in diesem Kapitel benannt werden, eingezeichnet sind.

1 Schmitz-Ehmke, Ruth: Bau- und Kunstdenkmäler – Stadt Schleiden – Mann Verlag, Berlin, 1996, S.238; 2 Weinand, Karl: Die Römerstraße Köln-Reims, München 2017, S. 41; 3 Schmitz-Ehmke, Ruth: Bau- und Kunstdenkmäler – Stadt Schleiden – Mann Verlag, Berlin, 1996, S.238; 4 Das Dorf

Man hat bisher fünf größere römerzeitliche Ansiedlungen (Höfe, Villen) bei Wolfgarten identifiziert. Aus Stein erbaut, mit den soliden Ziegeln der Römerzeit gedeckt, lag der größte Hof wohl auf dem Hirschbruch in einem umwaldeten Viereck von 25 x 50 m, dessen Graben noch heute zu erkennen ist. Diese Höfe verschwanden gegen Ende der Römerzeit, also kurz vor 400 n. Chr.4 Helmut Nießen, jahrzehntelang Revierförster im Forstbezirk Mariawald, hat heute noch eine römische Dachziegel im Besitz, die er im `Jagen 103´, also unterhalb des `Rottland` in der `Beisselshau´ gefunden hat.

Abb. 2: Hirschbruch, vermutliche Lage einer ersten römischen Ansiedlung auf einer Rodung, Einzeichnung in Deutsche Grundkarte 1937-2016, TIM-online.nrw

Offensichtlich führte eine Zuwegung (Hohlweg) von der alten Römerstraße zur Rodung mit der Ansiedlung. Eine Siedlungskontinuität in fränkische Zeit besteht nicht. Im Mittelalter war der Kermeter Teil eines königlichen Wildbanns im Osning (Ardennen), den 1069 König Heinrich IV. dem Kölner Erzbischof Anno schenkte. Dieser Wildbann (königliches Jagdrevier) ist vermutlich ein Kammerforst (Waldgebiet unter öffentlicher Verwaltung – Fiskus) gewesen. Das unbesiedelte Waldgebiet des Kermeter ist jedenfalls bis heute Staatsforst geblieben und macht seit 2004 das Kernstück des Nationalpark aus. Der Kermeter bildete später den Hauptteil des jülichschen Amtes und hat als Holzkohlereservoir für die Eisenhütten im Schleidener Tal und in Gemünd gedient. Die Köhler kamen aus den umliegenden Orten im Umkreis von ca. 10 km.5 Im gesamten Kermeter kann man heute noch über 1000 ehemalige Köhlerplätze nachweisen.

4 Günther, Wilhelm: Das Dorf und die Sippe Wolfgarten zu Wolfgarten, Gemünd, Mai 1970; 5 Schmitz-Ehmke, Ruth: Bau- und Kunstdenkmäler – Stadt Schleiden – Mann Verlag, Berlin, 1996, S.238; 5 Das Kreuz von Wolfgarten

Die 500m über NN liegende Rodungsinsel im Kermeter gehört zu den Spätrodungen des 13./14. Jahrhunderts. Das geschah vermutlich von dem Hofe Malsbenden aus, der seit 1213 bis gegen 1340 zum Kloster Steinfeld gehörte und in dieser Zeit auf landwirtschaft- lichem Gebiet wie auch auf dem Gebiet der Eisengewinnung und Verhüttung eine außerordentliche Entwicklung erlebte.6 Mit der Rodung im Kermeter schuf man sich zusätzliches Acker- und Weideland, bewirtschaftete es aber zunächst von Malsbenden aus.

Die Besiedlung dieser Rodungsinsel begann dann aber erst im 15. Jahrhundert. Zwar wurde der `Erbpachthof Wolfgarten´ des Herzogs von Jülich „uf dem woulffsgaird“ 1508 erstmalig in einem Lehnsbrief erwähnt, weil danach dessen Erbpacht bis I794 an den Jülicher Landesherrn gezahlt wurde; ganz sicher fällt dessen Gründung aber bereits in die Zeit um 1470.7 Obwohl jener Lehnsbrief 1543 bei der Einäscherung des Hofes im Verlaufe der `geldrischen Fehde´ mit kaiserlichen Truppen verloren ging, eine jüngere Kopie ein gleiches Schicksal erlitt, lässt sich doch über die Entstehung mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass er entweder in das letzte Jahrzehnt Herzog Gerhards II. (gest.1475) oder in das erste Jahrzehnt Herzog Wilhelms IV., also 1475-85 fällt. Gerade aber oben Geschriebenes veranlasste die `Sippe Wolfgarten´ dazu, 1970 in großem Stil ihr 500 jähriges Jubiläum zu feiern. Wer mehr dazu und zu der Geschichte dieses Ortes erfahren möchte, lese mit Interesse die damals veröffentlichte Festschrift, in der Oberstudienrat i.R. Wilhelm Günther aus Gemünd seine umfangreiche Geschichts- forschung vorstellte. Diese Broschüre ist noch in zahlreichen Familien im Dorf vorhanden.

Richtig scheint aber zu sein, dass das erste Gebäude auf der Rodungsinsel im Kermeter bestimmt noch nicht mehr als ein `Viehhof´ war, also nicht mehr und nicht weniger als ein landwirtschaftliches Nutzgebäude (Stall/Scheune/Unterstand), wenn die Malsbender ihr Vieh zur Sömmerung (sommerlicher Weidegang von Nutztieren) auf die Höhe trieben. Erst später wurde daraus auch ein bewohnter Hof, der anfänglich auch noch die Bezeichnung „Viehhof“ beibehielt. Nicht unbedingt über die Entstehung des Hofes, wohl aber über seine Existenz und vor allen Dingen seine Pachtverpflichtungen berichtete zum Jahre 1554/55 Burggraf Johann von Heimbach in seiner jährlichen Rechnungsablage: „Item der Wolffsgarden ist gelegen im Ampt Hembach, und helt binnen seinem bezirk, dair der selue wenden solt, so ain Lannt, Hoffstadt, weide und wilden dreischen 54 morgen ungefer. Und hait einner in besitz gent Figgen Wilhelm als ein Erbe und sohn sins Vaders des langen Simon". Und weiter: "Gifft Jahrs dairuon neben 4 hoener 4 ml Hauer!" 8

Und genau in diesem bewohnten und bewirtschafteten landwirtschaftlichen Gehöft soll das namensgebende Ereignis stattgefunden haben: „In einer grimmig kalten Spätwinternacht hat eine Wölfin in der noch warmen Asche des Backhauses, das wie üblich abseits des Hofes stand, "gewölft", also Junge geworfen, wonach der bis dahin Viehhof genannte Hof in „Wolfgarten“ umbenannt worden ist“. 9

6 Günther, Wilhelm: Das Dorf und die Sippe Wolfgarten zu Wolfgarten, Gemünd, Mai 1970; 7 Ebd.; 8 4 ml Hauer = 4 Malter Hafer / Malter war ein Getreidemaß und entsprach je nach Frucht etwa 150 Liter; 9 Günther, Wilhelm: Das Dorf und die Sippe Wolfgarten zu Wolfgarten, Gemünd, Mai 1970; 6 Das Dorf

Das ist eine sogenannte „Volksetymologie“. Die Etymologie (Wissenschaft von der Herkunft und Bedeutung von Wörtern) deutet den Namen als Flurnamen auf das Wolfs-Tier. Eine Erklärung Wolfgartens als Wolfsgrube ist allerdings abzulehnen. Diese Fanggruben, von denen noch eine bei Malsbenden zu sehen ist, hießen Wolfskaul, –grube, -kaute oder -loch. Sicherheit ist in der Namensdeutung dadurch nicht gegeben – im Irrgarten der Etymologie. Im Laufe des 17./18. Jahrhunderts entwickelte sich bei dem Hof ein kleines Dorf, dessen Einwohner von der Landwirtschaft, von Spanndiensten und primitivem Bergbau auf Brauneisenstein lebten. Einen besonders starken Bevölkerungszuwachs erhielt das Dorf im 18. Jahrhundert. Aus den vier Haushaltungen des Jahres 1650 sind 1726 bereits acht, 1771 sogar zehn mit 53 Einwohnern geworden. Längst bebaute man im benachbarten Wald abgetriebene Flächen als wilde "Driesche", z.B. `An der Maar´, und vergrößerte damit die Feldflur im Süden und Osten um das Doppelte. „Driesche“ ist eine alte Bezeichnung für eine grasbewachsene, zunächst ackerbaulich ungenutzte Fläche, bzw. Brache, im Rahmen der Feldgraswirtschaft. `Auf`m Morengarten´, `Am Walprotsweg´ und den `Langenfeldern´ hatte man dagegen ortsnah reine ackerbauliche Ertragsfläche. Große Hoffnungen setzte man auch auf den Eisenbergbau. Schon 1666 erwähnt der Kohlschreiber des Heimbacher Burggrafen ein Bergwerk „hinter dem wolffgarden gelegen unter dem Heuweg". Fünf Bergwerke lagen im `Bergerbusch´ östlich des Dorfes, die allerdings 1735 schon verlassen waren. Noch heute ist der Wald reich an primitiven Schurflöchern, in denen man Eisen aber auch Blei und Kupfer zu finden hoffte.

Abb. 3: Bergerbusch, Bergwerk- und Schürfrevier östlich von Wolfgarten, Einzeichnung in Deutsche Grundkarte 1937-2016, TIM-online.nrw

7 Das Kreuz von Wolfgarten

So haben neben Lohschlag auch das Brennen von Holzkohle, die Gewinnung von Eisenstein und der Fuhrlohn einen guten Nebenerwerb in den aufstrebenden Ort gebracht.10

Der Jahrhundertwechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert brachte dem Ort dann erhebliche Veränderungen und insbesondere das 19. Jahrhundert wurde in mancher Hinsicht ein Schicksalsjahrhundert, in dem vor allen Dingen drei große Brände das Dorf heimsuchten. Zu Beginn aber steht der Herrschaftswechsel mit der französischen Besetzung unter französischer Administration. Wolfgarten gehörte von nun an zum `Département de la Roer´ im `Arrondissement d’Aix-la-Chapelle´, Kanton (Landkreis) Gemund, Mairie (Bürgermeisteramt) Gemund. Das Dorf war mittlerweile weiter gewachsen; aus den zehn Haushaltungen mit 53 Einwohnern um 1771 waren 1812 inzwischen 18 Haushaltungen mit 84 Einwohnern geworden. Ihre Häuser standen alle relativ dicht zusammen um einen mittleren Dorfplatz als Zentrum, einem kleinen Dreiecksplätzchen. Unmittelbar nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch französische Revolutionsheere im Jahre 1794 wurde eine topographische Aufnahme dieser Gebiete durch französische Ingenieuroffiziere unter der Leitung des Obersten Jean Joseph Tranchot in Angriff genommen. Hier ein Ausschnitt aus der Karte: Tranchot 107. Das Kartenzeichen T nördlich und südlich von Wolfgarten steht für „Terres Labourables“ und damit für Ackerfläche, die dunkel eingegrenzte Fläche nord-östlich von Wolfgarten mit P für „les Prés“ bezeichnet Weideland. Das Kartenzeichen B steht für „Bois“ – Wald. Bemerkenswert ist, dass die Standorte der `Fußfallkreuze´ auf der „Inunger“ und am späteren „Müllerschen-Haus“ (heute Weckmann) hier schon eingezeichnet sind. Daran mag man ihr Alter erkennen.

Abb. 4: Auszug Tranchot-Karte 107, https://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/geobasis

10 Günther, Wilhelm: Das Dorf und die Sippe Wolfgarten zu Wolfgarten, Gemünd, Mai 1970; 8 Das Dorf

Der Befreiungskrieg (1813 bis 1815) machte der französischen Herrschaft ein Ende. Durch den Wiener Kongress (1814 bis 1815) und einige Folgeverträge wurden die Rheinlande und Westfalen dem Königreich Preußen zugeschrieben. Ab dem 22.04.1816 war nunmehr Wolfgarten in der `Preußischen Rheinprovinz´ im Regierungsbezirk ein zunächst noch eigenständiger Ort in der Bürgermeisterei und Gemeinde Gemünd im Landkreis Gemünd, wobei Gemünd als Kreisstadt 1829 durch Schleiden abgelöst wurde. Die Katastrierung (Erstellung von parzellen-, flur- und gemarkungsgenauen Karten) war im Rheinland 1834 in der jetzt `Preußischen Rheinprovinz´ abgeschlossen. Für Wolfgarten in der Section (Flur) 7, Gemarkung Gemünd lag bereits 1824 eine erste Detailkarte vor, aus der die damalige Ortsbebauung schon relativ genau zu erkennen ist.

Relativ bedeutet in diesem Fall, dass diese Karte zunächst einmal am 22.08.1871 durch „Übernahme der Supplemente (Ergänzungen) für die Jahre 1828 bis 1871 incl. auf die Gegenwart berichtigt“, und 1903 noch einmal „durch Übernahme der Supplemente für die Jahre 1872 bis einschl. 1903“ berichtigt wurde. Das heißt, sie wurde mehrmals überzeichnet, was nicht gerade zur deutlichen Darstellung des jeweiligen Gebäude- bestandes zu bestimmten Zeitpunkten führte. Dies erschwerte uns im Übrigen auch die genaue Definierung der Gebäude im Ortskern im Jahre des Großbrandes 1882.

Abb. 5: Komplette Katasterkarte Wolfgarten 1824, Q.: Katasteramt , Liegenschaftskataster alt, Bürgermeisterei und Gemeinde, Gemünd, Section 7; Sie finden diese Karte im Kartenanhang Seite: 47 in größerem Format.

Als eine weitere Quelle gibt uns auch eine der ersten Forstkarten aus dem Jahr 1828 Auskunft über die bauliche Situation, in diesem Falle über Forsthäuser in Wolfgarten. Die Karte von 1828 verzeichnet die vorhandenen Dienst-Etablissements für die Revierförster.

9 Das Kreuz von Wolfgarten

Für Wolfgarten sind innerhalb des Ortes ein Haus für den Förster und eins für den Hilfsaufseher eingetragen. Interessant ist, dass auf dieser Karte als Piktogramm für -Forsthaus- der Haustyp erscheint, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig als Wohnhaus auf den Forstdienstgehöften verwendet wurde. Das am zentralen `alten´ Dorfplatz stehende zweigeschossige Bruchsteinhaus (heute Pauls, Wolfgarten 31) ist möglicherweise aus dem Umbau eines der auf der Karte von 1828 eingetragenen Forsthäuser entstanden. Die intensive Aufforstung in preußischer Zeit führte zur Aufgabe der selbständigen Landwirtschaften. In dem seit 1856 zu Gemünd eingemeindeten Ort, der 1882 fast vollständig abbrannte, haben bis zum Zweiten Weltkrieg nur im Forstfiskus und in der Industrie, Handwerk und Handel tätige Arbeiter gelebt.11

Während 1771 in zehn Haushaltungen noch 53 Einwohner wohnten, waren es 1850 bereits 150 Einwohner und 1950 lebten 197 Einwohner in unserem Dorf. Heute, im Jahr 2020, stellt sich Wolfgarten als reiner Wohnort dar mit etwas über 200 Einwohnern in gut 100 Wohngebäuden, überwiegend Einfamilienhäuser. Es gibt keinen Vollerwerbslandwirten mehr im Ort, Handwerksbetriebe oder gewerbliche Betriebsstätten sucht man vergebens. Die ursprünglich landwirtschaftlichen Flächen (Acker- und Weideland), wie wir sie noch auf der Tranchot-Karte erkennen, sind wie die Flächen `Am Merrchen´ oder große Teile der ´Langenfelder´ und `Hinter der Haag´ (siehe Katasterkarte 1824 – Seite: 47) heute bebaut oder sind reines Grasland.

Abb. 6: Luftbild Wolfgarten 1948, Quelle.: US-Air Force, US-National Archiv –NARA, Washington, D.C. Alleine die rein optischen Veränderungen vom Ende des II. Weltkrieges bis heute zeigt das obige Luftbild. Es sind heute also 550 Jahre her seit der wahrscheinlich ersten Bebauung auf dieser ehe- maligen Rodung im Kermeter. Es wäre ein trefflicher Grund gewesen, das gebührend zu feiern, hätte uns im Jahr 2020 nicht die „Pandemie“ diesen schrecklichen Streich gespielt.

11 Schmitz-Ehmke, Ruth: Bau- und Kunstdenkmäler – Stadt Schleiden – Mann Verlag, Berlin, 1996, S.239; 10 Das Dorf

Aber es hat in diesen 550 Jahren auch fürchterliche Katastrophenjahre für Wolfgarten gegeben. Von einem Ereignis, welches das halbe Dorf in Schutt und Asche legte, wollen wir hier ganz besonders berichten. In seinem 2016 vom Geschichtsforum Schleiden e.V. herausgegebenen Buch „Im Kampf um den Roten Hahn“ listet F.A. Heinen zu den Brandkatastrophen des 19. Jahrhunderts in der Gemeinde Gemünd alleine für den Ort Wolfgarten drei bemerkenswerte Brände auf: 1865 In Wolfgarten brennen die Häuser von Wilhelm Schorn und Math. Gaspers. 1882 In Wolfgarten liegen dreizehn Häuser in Schutt und Asche, zwei Frauen kommen dabei ums Leben. 1887 Die Häuser Kruff und Schorn in Wolfgarten stehen in hellen Flammen.12 Was also geschah am Gründonnerstag, den 06. April 1882 in Wolfgarten?

12 Heinen, F.A.: Im Kampf um den Roten Hahn, Geschichtsforum Schleiden, 2016, S.17; 11 Das Kreuz von Wolfgarten Der Brand

Am Karfreitag, den 07. April 1882 meldete der Bürgermeister von Gemünd dem Landrat des Kreises Schleiden, Herrn Freiherrn von Harff: „Gestern Abend gegen 6 Uhr ist im Orte Wolfgarten in hiesiger Bürgermeisterei Feuer ausgebrochen, welches sich bei starkem Ostwinde so schnell ausbreitete, daß bevor Hülfe geleistet werden konnte, dreizehn Häuser mit Zubehörungen total zerstört worden sind. Das Feuer ist in dem Hause des Tagelöhners Hubert Dahmen entstanden, in welchem nur die alte Frau und eine erwachsene Tochter anwe- send waren. Letztere kam brennend aus dem Hause gelaufen, während es da nur im Wohnzimmer erst brannte. Das Mädchen ist im Laufe der Nacht gestorben. Während man vermuthete, die Frau Dahmen sei in einem anderen Hause, ist dieselbe heute früh in der Scheune zu ihrem Haus verkohlt liegend Abb. 7: Brandbericht des Bürgermeisters an den Landrat. gefunden worden.

Es sollen die Kleider des Mädchens am Ofen Feuer gefangen haben und da in dem Wohnzimmer 2 Betten gestanden, fand das Feuer reichlich Nahrung in den größtentheils mit Stroh gedeckten Nachbarhäusern. Die herbeigeeilte Hülfe konnte sich bei dem Mangel an Wasser nur auf die Sicherung der noch nicht vom Brande ergriffenen Gebäude beschränken, da bei den in Brand begriffenen Häusern nichts mehr zu retten war. Es sollen nur 5 der Betroffenen ihr Mobiliar versichert haben, weil keine Gesellschaft die Versicherungen annehmen wollte. Die Häuser sind alle versichert. Der Bürgermeister Kleinen“ 13

13 Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Signatur: BR 0005-22677-Seite 10+11, Brandbericht; 12 Der Brand

Am Karsamstag, den 8. April 1882 berichtete die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung:

Abb. 8: Zeitung vom 08. April 1882 14

14 Kreis Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend, 51. Jahrg. Ausgabe Nr. 2 vom 08.04.1882; 13 Das Kreuz von Wolfgarten

Brände, auch Großbrände, waren in den vergangenen Jahrhunderten nichts Ungewöhn- liches, wohl aber oft von verheerendem Ausmaß, weil es meist keine ausreichenden Hilfsmittel und auch keine organisierte und ausgebildete Brandbekämpfer gab. Zwar war im September 1857 für Wolfgarten eine `Feuerspritze´ angeschafft worden15, aber aus unseren Unterlagen geht nirgendwo hervor, dass sie bei dem Brand, um den es hier geht, überhaupt zum Einsatz gekommen wäre. Der erste Bericht des Bürgermeisters Heinrich Kleinen und die erste Zeitungsmeldung unterscheiden sich zunächst einmal dahingehend, dass der Bürgermeister von dreizehn Häusern berichtet, die total zerstört wurden, während die Zeitung dreizehn Familien meldet, die obdachlos geworden seien. Darüber hinaus vermutete die Zeitung auch schon den Ursprung des Feuers darin, dass das Mädchen Petroleum in den brennenden Ofen gegossen haben soll, sagte aber auch, über die Entstehung des Brandes ist Genaueres bis jetzt nicht bekannt geworden. Tatsächlich werden wir noch erfahren, dass insgesamt elf Geschädigte (Familien) aufgezählt werden, aber über die genaue Brandentstehung wird auch im späteren Bericht des Bürgermeisters an die Staatsanwaltschaft nichts erwähnt oder spekuliert.

Was allerdings auch für uns bis heute Spekulation bleibt, ist die Antwort auf die Frage, welche dreizehn Gebäude (Wohnhäuser/Stallungen/Scheunen) mit Zubehörungen total zerstört worden sind.16 Es gibt jedoch einige Indizien, die diesen Umfang ziemlich sicher annehmen lassen. In einem Schreiben des Bürgermeisters vom 07.04.1882 an die Feuer Societäts-Direction in Düsseldorf liest man: „Gestern Abend gegen 6 Uhr ist im Orte Wolfgarten heftiges […] Feuer ausgebrochen, welches sich bei starkem Ostwinde so schnell ausdehnte, daß bevor noch Hülfe geleistet werden konnte dreizehn Häuser mit Zubehörungen total Abb. 9: Aktenvermerk des Bürgermeisters an die Provinzial zerstört worden sind. Von den bei der Societät versicherten Gebäuden sind abgebrannt die NO 288, 289, 291, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300 + 301 des hiesigen Versicherungs- Kataster. Ich bitte ergebenst die Schadensregulierung baldmöglichst […] zu wollen. Ueber die Entstehung des Brandes kann nichts mitgetheilt werden, da 2 Personen aus dem Hause in dem das Feuer entstanden umgekommen sind.“

15 Heinen, F.A.: Im Kampf um den Roten Hahn, Geschichtsforum Schleiden, 2016, S 227; 16 Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Signatur: BR 0005-22677-Seite 10+11, Brandbericht; 14 Der Brand

Auch wenn er schrieb, von den „versicherten Gebäuden sind abgebrannt die NO 288, 289, 291, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300 + 301 des hiesigen Versicherungs-Kataster“, sagen uns die Vers.-Kataster-Nummern zunächst nur etwas über die Geschädigten (Versicherten) und noch nichts über Art und Umfang der jeweiligen Gebäude.

Schon am 18. April 1882 kam die Versicherung dem Ersuchen des Bürgermeisters nach und erstellte eine “Berechnung der den Eigenthümern der am 06ten April 1882 zu Wolfgarten, Gemeinde und Bürgermeisterei Gemünd, Reg.Bez.: Aachen durch Brand beschädigten Gebäude gebührende Entschädigung.“ 17

Darin werden 11 Eigentümer mit ihren Gebäuden und Gebäudenutzungen aufgeführt.

Daraus gehen aber noch nicht die Standorte der einzelnen Gebäude her- vor.

Abb. 10: Entschädigungsbe- rechnung der Provinzial- Feuer-Versicherung Düssel- dorf, Seite -1-

17 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste 1861; 15 Das Kreuz von Wolfgarten

Selbst die Kenntnis der (Gebäude)-Haus-Nummern bringt uns auf der Suche nach dem Standort der einzelnen Brandobjekte nicht weiter. Auf der Grundlage der Katasterkarte von 1824 gibt es zu diesem Zeitpunkt für die Haupt-/Dorfstraße keine Namensbezeichnung und keinen Hausnummern-Eintrag. Lediglich der Ziegenbentges-Weg und der Walprots- Weg sind als Bezeichnungen benannt. Tatsächlich war das aber auch einmal anders. In mehreren Folgen veröffentlichte die Kölnische Rundschau im Oktober 1981 eine Artikel- serie von Oberstudienrat Wilhelm Günther über die Geschichte Wolfgartens. In der 2. Folge, Ausgabe KR, Nr. 131, schrieb er darin, dass der Ort „in der französischen Zeit heute wieder verschwundene Straßennamen erhielt: Gassenstraße, Unten im Dorff, Oben im Dorff, Am Strauch, In den Höfen und Am Kreuz.“ Ein weiteres Indiz dafür entnehmen wir der Geburtsurkunde der später bei dem Brand ums Leben gekommenen 73 jährigen Maria Gertrud Dahmen. Dort wird beurkundet, dass Maria Gertrud Körner (Dahmen) in der französischen Zeit am 26. Februar 1809 „geboren wurde im Haus in Wolfgarten Nr. 11 in der Straße Unten im Dorff.“ Ihr Geburtshaus, das des Landwirten Paul Körner, gehört entsprechend der Entschädigungsliste der Versicherung offensichtlich ebenfalls zu den Brandobjekten, hat aber zu diesem Zeitpunkt die Haus-Nummer 14 ohne eine Straßenbezeichnung. Insgesamt waren es aber 11 Wohnhäuser, 6 Stallungen und 3 Scheunen, die abgebrannt sind; wobei in einem typischen `Eifeler-Winkelhaus´ Wohnhaus und Stall und manchmal auch noch die Scheune unter einem Dach lagen. Ob 11 oder 13 Häuser abbrannten, tatsächlich ist an diesem Gründonnerstag des Jahres 1882 das halbe Dorf Wolfgarten in Schutt und Asche gefallen. Das entnehmen wir einem Ausschnitt aus der o.g. `Grundkarte´, wonach es um 1880 den markierten Gebäudeumrissen entsprechend ca. 24 Gebäude in Wolfgarten gegeben haben wird.

Abb. 11: Ausschnitt aus der Katasterkarte mit den annähernd markierten Gebäudeumrissen ca. 1880.

16 Der Brand

Auf der Suche nach dem Brandumfang fand sich im Landesarchiv Rheinland als weiteres Dokument ein alter „Handriss“ von Wolfgarten.18 Zur Dokumentation von Grenzverläufen wurde von den jeweiligen "Landmessern" zu jeder hoheitlichen Vermessung ein entsprechender "Handriss" gefertigt. Diese Handrisse wurden ab 1839 von den eingerichteten Katasterbureaus, ab 1855 von den Katasterinspektionen geführt. Sie dienten der Aktualisierung der amtlichen Flurkarte, die in unserem Fall allerdings offensichtlich mehrfach übermalt wurde, was eben zu den Schwierigkeiten in unserer Recherche führte.

Abb.12 links und unten: Auszüge aus dem Handriss Wolfgarten ca. 1870.

Aus diesem Hand- riss kann man, unten markiert, die Kernbebauung des Ortes mit Gebäuden und umliegend unterschiedlichem Garten- Wiesen- oder Ackerland definieren.

18 Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Regierung Aachen Katasterkarten BR 0149, Nr. 1491; 17 Das Kreuz von Wolfgarten

Man kann davon ausgehen, dass der Brand im Bereich der ursprünglichen Kernbebauung mit den eng zusammenstehenden Häusern seinen Anfang nahm, von wo aus er sich, durch einen starken Ostwind begünstigt, in Blitzesschnelle weiter verbreitete.19 Welches dieser Gebäude das Haus des Tagelöhners Hubert Dahmen war, ist heute nicht mehr zu identifizieren. Im vermutlichen Brandkreis liegt auch das heutige Haus Pauls, Wolfgarten 31. Damals stand von dem Anliegen nur das straßen- seitige Gebäude. Im Gegen- satz zu allen anderen Gebäuden aber schon aus Bruchstein gebaut und somit, zumindest von seinem Äußeren, nicht so brandanfällig. Ob es zum Er- eigniszeitpunkt ein be- wohntes (Forst)Haus, oder ein landwirtschaftliches Nutzgebäude (Scheune oder Stall) war, wissen wir heute nicht. Abb. 13: Vermutlicher Brandkreis

Wie schon erwähnt ist die 1857 für den Ort Wolfgarten angeschaffte `Feuerspritze´ ganz offensichtlich bei dieser Brandbekämpfung nicht zum Einsatz gekommen. Ging alles viel zu schnell oder war die über 20 Jahre alte Spritze nicht mehr funktionsfähig? Laut Katasterkarte gab es in unmittelbarer Nähe des Brandherdes, quasi innerhalb des Brandkreises, zumindest zwei eingezeichnete Brunnen. Einer, heute noch existierend und auch wasserführend, auf dem Grundstück Pauls, Wolfgarten 31; ein zweiter, heute nicht mehr existent, auf dem Grundstück Clev, Pützbenden 4. Ulrike Melchioretti-Clev weiß vom Erzählen ihrer Oma Maria, dass es in früherer Zeit sogar sechs oder sieben Brunnen im Kerngebiet von Wolfgarten gegeben haben soll. Einer davon befindet sich auf dem Grundstück Pützbenden 1; ob es ihn schon zum Branddatum gab, ist nicht bekannt – auf der Katasterkarte von 1824 ist er nicht vermerkt. Zugegebenermaßen etwas weiter entfernt vom vermuteten Brandherd gab es dann noch den „Pütz“, die Quellfassung des „Großen Böttenbach“, die ebenfalls vom Hörensagen immer eine bedeutende `Wasserstelle´ für die Wolfgartener gewesen sein muss.

19 Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend, 51Jahrg., Ausgabe Nr. 28 vom 08.04.1882; 18 Der Brand

Dennoch wird in einigen Dokumenten zum Brand der Mangel an Wasser beklagt, der nur noch “die Sicherung der noch nicht vom Brande ergriffenen Gebäude […] zuließ, da bei den in Brand begriffenen Häusern nichts mehr zu retten war.“ Die Betroffenen hatten ihre Gebäude alle bei der Rheinischen Provinzial-Feuer-Societät versichert. Der Versicherungsbeitrag und die Entschädigungshöhe richteten sich nach der jeweils gewählten „Classe“ und seiner entsprechenden Versicherungsgebühr (Siehe Abb.: 10). Sicherlich spielte dabei auch die Größe und Nutzung des Objektes eine maßgebliche Rolle. Dadurch erhielten die einzelnen Betroffenen Abb. 14: Provinzial Emailschild an versicherten sehr unterschiedliche Entschädigungen. Objekten Insgesamt bewilligte die Versicherung an Bernhard Merzenich und Consorten (sic!) eine Entschädigung von 9936 Mark, zur sofortigen Zahlung der ganzen Entschädigung an die in der Berechnung (siehe Abb.: 10) unter 1 u. 2. und unter 4 bis 11 genannten Eigentümer. Zu dem unter 3 genannten Wilhelm Schorn heißt es dort: „Wilhelm Schorn, gegen welchen nachträglich Schulden angemeldet worden sind, erhält das Geld nach § 62 des Reglements in Drittelraten zur Wiederherstellung [...]. Sobald Schorn wieder aufgebaut hat, ist für Hausversicherung Sorge zu tragen. Die Ursache der Ermäßigung der Vergünstigungen für Merzenich, Peter Müller und Wilh. Paul Müller geht aus der beigefügten Taxationsverhandlung hervor;“ 20 Siehe dazu Abb. 15, Abschrift aus der umseitig abgebildeten Entschädigungsberechnung Seite-2- der Provinzial Versicherung. Während für alle anderen Eigentümer die Societäts-Kasse zur sofortigen Zahlung ihrer zugebilligten Entschädigungssummen angewiesen wurde, erhielt Wilhelm Schorn seine Entschädigung in drei Einzelraten. Ob Wilhelm Schorn oder `Bernhard Merzenich u. Consorten´ wieder aufgebaut haben, können wir heute nicht beweissicher sagen; ihre Entschädigungen von der Versicherung haben sie auf jeden Fall erhalten. Möglicherweise haben die Betroffenen an anderer Stelle neu errichtet oder aber an gleicher Stelle in anderem Ausmaß und Funktionalität gebaut. So wie es Hubert Kruff nach seinem totalen Brandschaden 1887 tat, als er auf dem gleichen Grundstück an anderer Stelle traufenständig zur Straße hin einen typischen `Eifeler Winkelhof´ statt eines vorher genutzten `Langhauses´ baute.

20 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste …;

19 Das Kreuz von Wolfgarten

Abb. 15: Seite 2 der Entschädigungsberechnung der Provinzial-Versicherung

Auf den Grundstücken Wolfgarten 28 und 30 stehen heute Häuser, die erst im 20. Jahrhundert gebaut wurden. Das Elternhaus von Siegfried Wergen, Wolfgarten 30, ist nach seinen Aussagen um 1902 auf einem Grundstück gebaut worden, auf dem vorher nichts gestanden haben soll. Das gleiche gilt für das heutige Haus Wolfgarten 28. Das `Golbachs- Haus´, Elternhaus von Peter Golbach, ist seines Wissens um 1926 ebenfalls auf einem zu dieser Zeit unbebauten Grundstück errichtet worden, das sein Vater mit Schorn getauscht haben soll. Da zum Zeitpunkt des Brandes dort aber Häuser gestanden haben – siehe Abb.: 11, Haus- Nr. 11 + 12 – ist davon auszugehen, dass nach dem Brand auf diesen Grundstücken 20 bzw. 44 Jahre keine Gebäude standen und die Flächen solange anders genutzt wurden.

20 Die Toten Die Toten

Angeblich schon am 06.April (!) machte der Bürgermeister einen Aktenvermerk für ein Anschreiben an die Staatsanwaltschaft in Aachen.

Darin ersucht er um die Bestattung der Toten aus dem Brandunglück.

Die Sterbeurkunden sind aber auf den 07. April 1882 datiert.

Abb.: 16 Aktenvermerk des Bürgermeisters an die Staatsanwaltschaft

An die Kgl. Staatsanwaltschaft Aachen Gemünd, den 6. April 1882 Gestern Abend gegen 6 Uhr ist in dem Hause von Hubert Dahmen zu Wolfgarten auf einer bisher ungeklärten Art ein Feuer ausgebrochen; in dem Haus waren nur die 74 Jahre (sic) alte Frau Dahmen und deren Tochter anwesend. Die Tochter ist brennend aus dem Hause gestürzt gekommen und in Folge der Brandwun- den heute Nacht gestorben; die Frau Dahmen ist diesen Morgen früh in der Thüre ihres Hauses verkohlt liegend gefunden worden. Ein Verbrechen von dritter Hand liegt nicht vor und erlaube ich mir um geneigte telegraphische Mittheilung gehorsamst zu bitten, ob die beiden Leichen beerdigt werden dürfen. Der Bürgermeister 21

Während er in seinem Anschreiben an den Landrat noch einen Grund für die Brandent- stehung benannte, wonach die Kleider des Mädchens am Ofen Feuer gefangen haben sollen, (siehe Seite 12, Abb.: 7) schrieb er jetzt von einer bisher ungeklärten Art. Er schloss aber ein Verbrechen von dritter Hand aus. Ob eine polizeiliche oder gar staatsanwaltschaftliche Branduntersuchung stattgefunden hat, ist uns nicht bekannt. Da aber die Provinzialversicherung sehr zügig, nämlich schon 12 Tage nach dem Ereignis eine abschließende Entschädigungsaufstellung fertigte, ist anzunehmen, dass es keine weiteren Ermittlungen gab. Dabei gab es zum Auffindungsort der Leiche von Frau Maria Gertrud Dahmen, 73 Jahre alt, ganz unterschiedliche Angaben: im Bericht an den Landrat benannte der Bürgermeister die Scheune, die Zeitung schrieb vom Kuhstall, und nun lokalisierte der Bürgermeister den Fundort „in der Thüre ihres Hauses“.

21 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste.. ; 21 Das Kreuz von Wolfgarten

Möglicherweise handelte es sich aber auch um ein `Eindachhaus´, in dem Wohnhaus, Stall und Scheune unter einem Dach lagen.

Obwohl der Brand am 06.04.1882 gegen 17:45 Uhr ausbrach, wird als Todestag bei beiden Verstorbenen jeweils der 07.04.1882, 05:00 Uhr angegeben.

Wer waren die Toten?

Maria Gertrud Dahmen, geb. Körner, geb. am 26. Februar 1809 in Wolfgarten, Ehefrau des `Hubert´ Dahmen, verst. am 07. April 1882, 73 Jahre alt, und ihre Tochter

Gertrud Dahmen, geb. am 08.September 1854 in Wolfgarten, verst. am 07. April 1882, 27 Jahre alt.

Schauen wir zunächst einmal auf die Vorfahrentafel der Betroffenen:

An dieser Stelle sei auf eine Besonderheit aufmerksam gemacht: In so gut wie allen Dokumenten und Urkunden im Zusammenhang mit dem Brand wird immer ein `Hubert´ Dahmen benannt; selbst in den Sterbeurkunden seiner Ehefrau und seiner Tochter. Erst aus seiner eigenen Sterbekunde erfuhren wir, dass er tatsächlich Johann Peter Dahmen hieß, aber immer und überall nur Hubert genannt wurde.

22 Die Toten

Maria Gertrud Körner wurde am 26. Februar 1809 als Tochter der Eheleute Johannes Paul Körner und seiner Ehefrau Maria Gertrud Körner, geb. Schorn in Wolfgarten im Hause `Unten im Dorff Nr. 11´ geboren. Da das in der Zeit der französischen Herrschaft war, wurde es in der Mairie de Gemund (Bürger- meisteramt) in französischer Sprache beur- kundet. Als Name des Kindes ist eingetragen: Marie Gertrude.22 Sie heiratete am 26. April 1846 in Gemünd den Wolfgartener Johann Peter Dahmen, der in allen Unterlagen und Akten immer nur als Hubert Dahmen benannt wurde. Er war 12 Jahre jünger als seine Ehefrau.

Nach den gemeinsamen Töchtern Abb.17: Geburtsurkunde Maria Gertrud Körner Anna Maria Dahmen, geb. 25.09.1847 und Anna Sibilla Dahmen, geb. 05.05.1849 wurde den Eheleuten Dahmen am 08. 09. 1854 in ihrer Wohnung in Wolfgarten die Tochter

Gertrud Dahmen geboren.23

Gertrud Dahmen blieb unverheiratet.

Mutter und Tochter Gertrud kamen bei dem Großbrand am 06.04.1882 in Wolfgarten ums Leben. Die Umstände, soweit geklärt, sind bekannt. Bei Wilhelm Günther lesen wir in seiner Artikel- Serie in der Kölnischen Rundschau: Eine Frau verbrannte, ein mit Brandwunden be- decktes Mädchen lief noch bis Gemünd zum Arzt, starb aber noch am selben Tag.24 Diese Aussage konnte von uns an keiner Stelle belegt werden; zumindest nicht, dass sie noch selbst bis dort gelaufen wäre. Abb. 18: Geburtsurkunde Gertrud Dahmen

22 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Personenstandsakten; 23 Ebd.; 24 Günther, Wilhelm, Ort Wolfgarten…, Artikelserie in Kölnische Rundschau, Okt. 1981, Nummer 130 ff; 23 Das Kreuz von Wolfgarten

Am Karsamstag, den 08. April 1882 beurkundete der Bürgermeister Heinrich Kleinen in seiner Eigenschaft als Standesbeamter höchstpersönlich den Tod der beiden Frauen. In der Sterbeurkunde Nr. 4 erklärte er zunächst den Tod von Maria Gertrud Körner, verheiratete Dahmen. Demnach erschien bei ihm der persönlich bekannte Fuhrmann Bernhard Merzenich, (und somit einer der Brandgeschädigten) und zeigte an, daß seine Nachbarin die Maria Gertrud Körner, Ehefrau von Hubert (sic!) Dahmen, dreiundsiebzig Jahre alt, … am siebten April des Jahres 1882 morgens um fünf Uhr verstorben sei.

Mit der Sterbeurkunde Nr. 5 beurkundete er, dass wiederum Bernhard Merzenich anzeigt, daß seine Nachbarin, die Gertrud Dahmen, ledigen Standes, siebenundzwanzig Jahre alt… Tochter des Tagelöhners Hubert (sic!) Dahmen und dessen Ehefrau Maria Gertrud Körner; letztere todt, ersterer wohnhaft zu Wolfgarten, zu Gemünd (sic) am siebten April des Jahres 1882 morgens um fünf Uhr verstorben sei.25

Für beide Frauen wurde also als Todeszeitpunkt 5:00 Uhr am Karfreitag, 07.04.1882 angegeben. Für die Mutter Dahmen mag das der Auffindungs- zeitpunkt der Leiche in Wolfgarten gewesen sein, nachdem man den Brandherd überhaupt betreten konnte.

Für die Tochter wurde als Sterbeort Gemünd an- gegeben. Das lässt annehmen, dass Gertrud Dah- men tatsächlich noch bei einem Arzt in Gemünd behandelt wurde, und möglicherweise auch dort verstarb. Ob sie aber noch eigenständig bis dorthin gelaufen ist, wie Wilhelm Günther berichtete, bleibt offen. Abb. 19: Sterbeurkunde Gertrud Dahmen

Wann die beiden Toten bestattet wurden, ist nicht bekannt.

25 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Personenstandsakten; 24 Die Hilfe Die Hilfe

Von beispielhafter Solidarität in beachtenswertem Umfang, und deshalb dem Chronisten ein eigenes Kapitel wert, ist die vielseitige Hilfe, welche den Geschädigten zuteil wurde.

Schon am Morgen nach der Brandnacht rief der Bürgermeister mit einem Dringlichkeits- schreiben die Stadtverordneten Oberförster Schlöhser (Schlösser) und Kaplan Krücken zu einer ersten Besprechung ins Rathaus. Die Herren wurden… „gebeten sich um 11 Uhr heute morgen im Bürgermeisterbureau gefälligst versammeln zu wollen, um über diejenige Hülfe zu beraten, welche den armen Leuten auf Wolfgarten, die von dem Brande gestern betroffen worden, in rascher Weise gegeben werden kann.“ 26

Gerade Kaplan Krücken, aber auch viele weitere Personen der politisch-wirtschaftlich führenden Oberschicht Gemünds, wie der Kaufmann Joseph Drügg, der Berggeschworene Friedrich Pilz, der Forstmeister Franz Kaulen, Rentmeister Carl Josef Stoffens, Albert Poensgen und Peter Drügg hatten sich z.B. nach der `Bartholomäusnacht von 1851´ mit einem bewegenden Aufruf zur Hilfsbereitschaft in den Dienst der Humanität gestellt.27 Damals waren in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1851 bei einem Großbrand in der Dreiborner Straße 42 Häuser restlos vernichtet worden. Gleich am nächsten Tag wurde ein „Unterstützungs-Comité“ gebildet, dem sich auch der katholische und der evangelische Pfarrer anschlossen. Auch nach dem Brand in Wolfgarten wurde beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz Moritz von Bardeleben ersucht, für die Abgebrannten eine Kollekte zu bewilligen. Schon am 13. April konnte dann berichtet werden:

„Schleiden den 13. Mai 1882

Zufolge des Herrn Ober-Präsidenten der Rheinprovinz ist genehmigt worden, daß zur Unterstützung der durch den in dem Orte Wolfgarten ausgebrochenen Brand geschädigten Bewohner eine allgemeine Hauscollecte bei den Bewohnern des Kreises Schleiden durch die Ortsbehörden bis zum 1. August abgehalten werden kann. ….“

Abb. 20: Auszug aus der Genehmigungs-Benachrichtigung 28

26 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste…; 27 Stüber, Klaus: Das Schicksalsjahrzehnt von Gemünd 1851-1861, Geschichtsforum Schleiden e.V, Jahresheft 2021, S. 196; 28 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste.. ; 25 Das Kreuz von Wolfgarten

Und gerade mal erst sechs Wochen später am 20.Mai 1882 konnte der Landrat Freiherr von Harff bereits ein Ergebnis vorlegen: ´ „Betr. Collecte für die durch Brand geschädigten Einwohner von Wolfgarten Vfg. vom 13.d.Mts. 3596

…..erlaube ich mir in Erledigung der untengenannten Verfügung anliegend ein Verzeichnis der bis heute hier eingegangenen Unterstützungen gehorsamst einzusenden. Gleich nach dem Brand ist vom Stadtrath eine Comission aus den Stadtverordneten Drügg, Herbrand, Schmidt & Merzenich, dem Oberförster Schlöhser und Kaplan Krücken gewählt worden, welche die Vertheilung der eingegangenen Unterstützungen bewirken soll. Diese Comission ist bei allen Vertheilungen bis dahin thätig gewesen ….“ Abb. 21: Auszug aus Anschreiben des Landrats 29

Aber auch weitere Personen des öffentlichen Lebens wurden vom Bürgermeister Kleinen direkt mit der Bitte um finanzielle oder dingliche Hilfe angeschrieben:

So schrieb er z.B. am Karsamstag, den 8. April 1882 an die Frau des Landrats, Frau Baronin Kunigunde von Harff, Burg Dreiborn:

„Hochgeehrte gnädige Frau Baronin ! In der Hoffnung, daß Sie es mir nicht verargen, gestatte ich mir, Sie wieder- holt mit einer Bitte für arme Nothlei- dende zu belästigen. Am 6. d. Mts abends gegen 6 Uhr entstand im Orte Wolfgarten, auf einer bis jetzt ungeklärten Art und Weise Feuer im Hause eines Tagelöhners, welches sich in einem so schnellen Ablaufe, durch den starken Ostwind getrieben, über dreizehn (sic) Wohnstätten ausbreitete, daß selbst in den Familien, wo die Väter anwesend waren, kaum ein Rettungsversuch möglich war. Eine alte 73 jährige Frau hat in den Flammen ihren Tod gefunden, während deren Tochter in Folge der erlittenen Brandwunden gestern morgen starb. …“ 30

29 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste..; 30 Ebd.; 26 Die Hilfe

Baronin Kunigunde Walburga Maria von Harff, geb. Freiherrin Raitz von Frentz, * 1824 in Kellenberg, † 1906 in Gemünd, war Gan des Landrates Clemens August Freiherr von Harff, der seit 1863 Landrat des Landkreises Schleiden war. Seit dem 14. Juni 1866 war sie die Vorsitzende des „Damen-Vereins zu Schleiden“. In Friedenszeiten kümmerten sich die Frauen des Vereins, insbesondere die Frau „Landrätin“, um die in Not geratene Bevölkerung. So unterstützten sie z.B. 1874 durch Brand geschädigte Familien in Heimbach und Mauel oder beschafften einer armen Witwe in Wintzen eine neue Kuh. Im März 1880 organisierten sie eine Verlosung „zur Beschaffung von Saatgut für die ganz armen Leute im Kreise Schleiden“ und 1888 starteten sie eine Hilfsaktion für diejenigen, die durch eine Feuersbrunst in Dreiborn geschädigt worden waren.31 Immer wieder, so lesen wir auch hier, waren es verheerende Feuersbrünste wie in Wolfgarten, die vielen Familien Tod und Zerstörung brachten; da war man auf Hilfe angewiesen. Immerhin spendete alleine der Frauenverein durch Freifrau von Harff in Schleiden 400 Mark. In Deutschland wurde im Dezember 1871 die neue gemeinsame Währung „Mark“ festgelegt, die ab dem 1. Januar 1876 im gesamten Reichsgebiet, und somit auch in der Rheinprovinz, gültig war. Der Monatslohn eines Arbeiters lag damals zwischen 50 – 100 Mark; ein Tagelöhner verdiente durchaus weniger. Für Dienstmägde lag der Jahreslohn bei freier Kost und Logie bei 300 Mark. Ein Herrenanzug – von der Stange konnte man noch keinen kaufen - kostete zwischen 10 – 75 Mark, ein Zentner Kohle etwa 1 Mark und ein Kilo Kaffee etwa 4 Mark.32 Grundnahrungsmittel wie Butter, Eier, Milch und Fleisch, sowie Kartoffeln, Gemüse und Obst produzierte man größtenteils im eigenen Stall und Garten.

Über die genehmigte Collecte zur Unterstützung der Brandbeschädigten zu Wolfgarten wurde genauestens Buch geführt. (siehe Abb.: 22).

Darin wurden zunächst die Einzelspender aufgeführt. Herausragende Spender waren dabei die Familie Poensgen aus Düsseldorf mit 900 Mark und eben der Frauenverein aus Schlei- den mit 400 Mark. Aber selbst die kleine Einzelspende von 3 Mark des Daniel Becker aus Einruhr wurde erwähnt. Abb. 22: Auszug aus der Spendenliste für die Wolfgartener Brandopfer 33

31 https://www.euskirchen.de/stadtinfo/historie/frauengeschichte-im-kreis-euskirchen/; 32 http://wiki-de.genealogy.net/Geld_und_Kaufkraft_ab_1871#Lebensmittel; 33 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste…; 27 Das Kreuz von Wolfgarten

Im Weiteren wurden die Sammlungen in den einzelnen Bürgermeistereien im Landkreis Schleiden aufgeführt: in Gemünd 786,46 Mark danach in alphabetischer Reihenfolge in Blankenheim 46,75 Mark in Bleibuir 75,07 Mark in Dreiborn 140,02 Mark in Eicks 77,20 Mark in Heimbach 24,06 Mark in Hellenthal 43,10 Mark in Nöthen 25,00 Mark in Roderath 66,50 Mark in Schleiden 57,00 Mark in Schmidtheim 77,73 Mark in Sötenich 91,70 Mark in Vußem 84,14 Mark in Weyer 29,18 Mark

Zusammen mit den Einzelspenden ergaben die Sammlungen einen Betrag von 3194,90 Mark Abb. 23: Auszug aus der Spendenliste 34

Bevor die Spendensumme an die Betroffenen ausgeteilt wurde, hatte man sie interessanter Weise zunächst noch aufgeteilt in eine finanzielle Direktspende und in eine materielle, dingliche Spende. Man kaufte z.B. Decken, Leinen und Socken, aber auch Körbe und Heu. Dafür wurden immerhin fast 500 Mark ausgegeben. So partizipierte quasi noch die heimische Wirtschaft. Es blieb „der Betrag von sechsundzwanzighundertsechsundneunzig Mark und sechsundzwanzig Pfennige ( 2696,26 Mark) zur Vertheilung“ übrig.

Wer in welcher Form und Menge, und vor allen Dingen nach welchen Abwägungen von den dinglichen Spenden profitierte, konnte nicht ermittelt werden. Über die Höhe der finanziellen Direktspenden entschied die vom Stadtrat gewählte `Comission´, und damit die Herren Kaplan Krücken, Drügg, Herbrand, Schmidt und der Bürgermeister Kleinen. Deren Entscheidungsfindungen über den Umfang der einzelnen Unterstützungsbeträge sind uns nicht bekannt; wohl aber, dass sie das Geld nicht verteilten, ohne sich ihre Entscheidung vorher von der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren in Aachen am 14. August 1882 genehmigen zu lassen.35

34 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste…; 35 Ebd.; 28 Die Hilfe

Nachdem diese Genehmigung vorlag, dauerte es aber immerhin noch bis Oktober und November des Jahres, bis die Betroffenen das Geld in Empfang nehmen konnten. Das entnehmen wir den mit Bleistift nachträglich eingetragenen Daten, wann die Empfänger ihren Betrag „angenommen“ haben.

Abb. 24: Auszug aus der Spendenliste –Seite2-, Aufstellung der finanziellen Direkthilfen 36

Wir erkennen, dass die zu verteilenden 2.696,26 Mark der noch vorhandenen finanziellen Mittel, so wie beantragt und genehmigt, ordnungsgemäß ausgezahlt wurden. Wir lesen aber auch, dass 45 Mark davon noch für Frachtlohn an einen `Merzenich´ und einen `Müller´ erstattet wurden. Möglicherweise hatten sie Heu oder weitere dingliche Spenden nach Wolfgarten gekarrt. Die Hauptsumme von 2.651,26 Mark wurde aber an 11 Brandgeschädigte ausgezahlt. Dabei fällt uns allerdings auf, dass nicht alle Brandgeschädigten aus der Versicherungsauf- stellung (siehe Abb. 10) hier wiederzufinden sind. Die erste und höchste `Unterstützung´ von 350 Mark ging an die Geschwister Körner und nicht an den bisher benannten Paul Körner; und der bisher benannte Joh. Wilh. Breuer tauchte überhaupt nicht auf, statt dessen ein `Engelb. Drehsen´.

36 Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste…; 29 Das Kreuz von Wolfgarten

Und warum Wilh. Wirtz im Verhältnis zu den anderen Geschädigten, statt durchschnittlich 250 - 300 Mark nur 51,26 Mark erhielt, haben wir nicht zu klären. Man bedenke aber auch, dass eine Spende von z.B. 300 Mark immerhin mehreren Monatslöhnen eines Tagelöhners oder Fuhrmanns entsprach.

Schließlich aber noch eine Auffälligkeit: Schon in der Entschädigungsberechnung der Provinzial-Versicherung hieß es „Wilhelm Schorn … erhält das Geld …. in Drittelraten zur Wiederherstellung“ (siehe Seite 19 und Abb. 15). Auch in diesem Falle der großzügigen finanziellen Spende wurden die ihm zugedachten 300 Mark in drei Raten an ihn ausgehändigt: 100 Mark am 3. Oktober, weitere 100 Mark an einem nicht mehr identifizierbaren Datum und die restlichen 100 Mark wahrscheinlich am 21. Dezember. Aber vielleicht ist es dann doch nicht so ungewöhnlich; von der vorgesehenen 300 Mark - Spende an Peter Müller wurden 150 Mark am 3. November und der Rest am 21. Dezember ausgezahlt.

Sie finden eine komplette Ablichtung der Nachweisung im Bilderanhang dieser Broschüre.

Wir können und müssen nicht alles verstehen in diesem komplexen Sachverhalt rund um dieses außergewöhnliche Ereignis. Wichtig war es dem Chronisten, auf die damit verbundene beispielhafte Solidarität und Unterstützung seitens der Bevölkerung aufmerksam zu machen.

Wie schrieb am 12. Mai 1882 der Forstmeister Leopold Kaulen in sein Tagebuch: „Auf dem Wolfgarten sind 13 Häuser abgebrannt. Eine Frau und ihre Tochter, in dem Haus war der Brand ausgebrochen, starben. Die Gemünder tun viel für die Abgebrannten.“ 37 Sicherlich gab es noch unzählige weitere Aktionen der Hilfe und Unterstützung.

37 Stadtarchiv Schleiden, Tagebuch Leopold Kauhlen, Heft 12;

30 Das Kreuz Das Kreuz

Abb.25: Wegekreuz in Wolfgarten – Foto: Sammlung Siegfried Wergen, 2018

Soweit in den derzeit in Wolfgarten lebenden Generationen nachfragbar steht im Altkern des Dorfes, am `Dreiecksplätzchen´ an der Einmündung Wolfgarten / Pützbenden, „seit ewigem Gedenken“ ein auffälliges Wegekreuz. Der heute (2020) älteste, lebende Einwohner ist 94 Jahre alt. Peter Golbach, geb. 1926 im Haus Wolfgarten 28, ist in unmittelbarer Nähe des Kreuzes aufgewachsen und immer im Dorf wohnhaft gewesen; ein wichtiger Zeitzeuge in unserer Recherche. 31 Das Kreuz von Wolfgarten

Er hat im Laufe seiner vielen Lebensjahrzehnte das Kreuz mit seinem Fundament, seinem hölzernen Rücken, vor allen Dingen aber den Christuskorpus in ganz unterschiedlichen „Aufmachungen“ gesehen. Noch in den 1990er Jahren stand das Kreuz auf einem wahrscheinlich aus Eifeler- Grauwacke rechteckig gemauerten und mit einem Zementputz abgedeckten Sockel.

Zwei in den Sockel einbetonierte U-Eisen hielten den Kreuzesstamm. Bei dieser Aufnahme (links) war der hölzerne Schutzrücken hinter dem Querbalken und das Kreuzesdach innen holzbraun gestrichen. Das Lendentuch des Korpus war rot- braun gefärbt. Haare und Barttracht waren bräunlich, die gewundene Dornenkrone dunkelfarbig.

Abb.26: Foto: Sammlung Siegfried Wergen, Datum unbekannt

Beim „Sippenfest der Sippe Wolfgarten“ zur `500 Jahr-Feier´ 1970 am 30. + 31. Mai 1970 (rechts Abb.27: - Foto: Siegfried Wergen am 31.05.1970) war der hölzerne Schutzrücken und das Kreuzesdach innen hell gestrichen; das Lendentuch war leinenfarbig hell gefärbt. Der Sockel war immer noch rechteckig gemauert; vergleichbar mit der unteren Abbildung, wobei es sich hier um ein Winterbild unbekannten Datums handelt.

In dieser „Aufmachung“ befand sich das Kreuz im Gesamterscheinungsbild auch noch 1986. Das entnehmen wir einem Vergleich mit einer „Gesamtaufnahme vor Ort 1986 im LVR-ADR Fotoarchiv“ (siehe hierzu Anhang Bilder). Selbst die Abblätterungen des Anstrichs an den Bretternähten des hölzernen Schutzrückens sind fast identisch.

Links Abb. 28: Foto Sammlung Siegfried Wergen Datum unbekannt

32 Das Kreuz

Als vier Jahre später 1990 Herr Lieven vom Amt für Denkmalschutz (LVR) eine „Gesamtaufnahme vor Ort“ vom Christuskorpus am Kreuz machte, waren zumindest der Schutzrücken und das Lendentuch dunkelfarbig. Genaueres können wir dem Schwarz- Weiß-Foto nicht entnehmen.

Abb. 29: Foto: Herr Lieven, Gesamtaufnahme vor Ort 1990, LVR-ADR, 38

38 Heckenbücker, Anne, LVR-ADR, Untersuchung Wegekreuz in Wolfgarten, B 24916, 2020; 33 Das Kreuz von Wolfgarten

Seit 2004 ist der Sockel aus Feldbrand-Steinen mit halbrunder Vorderkante gemauert. Der Halteschuh des Kreuzstammes ist schmiedeeisern. Auf dem Sockel ist vor dem Kreuzstamm eine Schriftplatte eingelassen mit den Gravuren: anno 1882 – erneuert 1949 – renoviert 2004. Diese Jahreszahlen benennen das vermeintliche Erstellungsjahr und die Renovierungs- daten. Das alte Holzkreuz (Kreuzstamm und Querbalken) war bereits 1994 von Josef Linden durch ein neues Holzkreuz in den alten Maßen und Formen ersetzt worden. Für die Erneuerung des Sockels im Jahr 2004 durch Siegfried Wergen stammen die Feldbrandsteine aus dem Abriss eines alten Gebäudes im Zülpicher Land. Den schmiedeeisernen Halteschuh fertigte der Gemünder Kunstschmied Max Hardt. Das Dach des Wegekreuzes wurde von Michael Wergen mit Schiefer gedeckt.

Bevor der Christuskorpus und die auf dem Querbalken des Kreuzes mon- tierten Engelsköpfe 2019 zur aktuellen Untersuchung und Reno- vierung abgenommen wurden, stellte sich das Ensemble wieder so dar, wie wir es von dem recht neuzeitlichen Foto von Siegfried Wergen aus dem Jahr 2018 kennen (siehe Abb. 25).

Abb.: 30 + 31 Fotos: Gutachten Heckenbücker, LVR-ADR Der Renovierungsbedarf ist erkennbar.

Jeweils seitlich neben und hinter dem Kreuz standen früher 3 Linden; sie sollen dem Hören- sagen nach mit der vermeintlichen Erstellung des Kreuzes 1882 gepflanzt worden sein. Die hintere Linde ist aufgrund eines Baumgutachtens der Stadt Schleiden 2019 gefällt worden.

34 Das Kreuz

Nur aus den Erzählungen der `Altvorderen´, der Eltern und Großeltern der heute ältesten Wolfgartener, glaubt man zu wissen, dass dieses Kreuz noch im Jahre 1882 nach dem fürchterlichen Brand in der Mitte des damaligen Dorfes aufgestellt wurde. Belege dafür haben wir bis heute keine gefunden. Zwar schrieb das `Unterhaltungsblatt für den Kreis Schleiden´ in seiner Berichterstattung über den Brand…vielleicht werden wir Näheres über den Vorfall bringen…, es gab aber in keiner der weiteren Auflagen im gesamten Jahr 1882 irgendeine diesbezügliche Meldung dazu; auch nicht über eine Aufstellung eines Kreuzes oder dessen Einweihung.

Das „Wegekreuz und drei alte Linden“ sind in der Liste der Baudenkmäler in Schleiden seit dem 02.05.1988 unter Nr.: 107 als denkmalgeschütztes Bauwerk (DSchG NRW) eingetra- gen. Miro Honhoff berichtet in ihrer Untersuchung über die `Wegekreuze im Raum Schleiden´ auch über das Wolfgartener Kreuz am Pützbenden.39 Jedes Kleindenkmal wurde und wird zu einem bestimmten Zweck errichtet. Dem gekreu- zigten Jesus, im Volk einfach „das Leiden“ genannt, wird oft an Orten gedacht, die eine bestimmte Bedeutung haben; wo ein Unglück geschah, wo man besonderen Schutz erbat oder um Dankbarkeit zu zeigen. Nicht die Kirche, sondern Privatpersonen initiierten die Errichtung. Zuweilen sind sie auch eine Mahnung an nachfolgende Generationen und die Aufforderung: „Betet für die armen Seelen“. Von daher macht die Erzählung über die Errichtung unseres Kreuzes vermeintlich im Jahr 1882 Sinn, nachweisen können wir sie nicht.

In unserem Kapitel `Der Brand´ berichten wir auf Seite 16, dass es in Wolfgarten in der fran- zösischen Zeit heute wieder verschwundene Straßennamen gab: Gassenstraße, Unten im Dorff, Oben im Dorff, Am Strauch, In den Höfen und Am Kreuz. Das lässt darauf schließen, dass es deutlich vor 1882 im Dorf schon ein Kreuz gab. Handelt es sich dabei vielleicht um das Kreuz, welches wir erst nach dem Brand errichtet wähnen? Oder ist damit eine Ortsbezeichnung an einem Kreuz benannt, welches tatsächlich schon zur `Franzosenzeit´ stand, nämlich das `Fußfallkreuz´ am späteren „Müllerschen-Haus“ (heute Weckmann), das bereits in der Tranchot-Karte 107 eingezeichnet ist, obwohl es dort zu dieser Zeit noch keine Bebauung gab? (siehe Seite 8, Abb. 4) Es bleibt alles Vermutung, aber wir bevorzugen in diesem Falle die Überlieferung der Er- zählungen der `Altvorderen´.

39 Honhoff, Miro, Wegekreuze im Raum Schleiden, Geschichtsforum Schleiden, Jahresheft 2021, S. 253-284; 35 Das Kreuz von Wolfgarten

Noch spannender, und für die Denkmalschutzbehörde sicherlich auch vorrangiger, ist die Frage nach der Provenienz (Herkunft) des Kreuzes, genauer gesagt des `Christuskorpus´.

In der gutachterlichen Untersuchung des Wegekreuzes kommt die Dipl. Restauratorin Frau Anne Heckenbücker zu dem Ergebnis, dass die Befunde eine Datierung des Corpus in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts untermauern. „Der Erhalt der Figur an sich und der gute Zustand der Holzsubstanz kann als bemerkenswerter Umstand, vielmehr als Glücksfall beschrieben werden. Dem LVR-ADR ist kein vergleichbares hölzernes spätgotisches Wegekreuz im Außenbereich im Rheinland bekannt. Anzunehmen ist, dass der Christuskorpus in Zweitverwendung erst um 1900 als Wegekreuz genutzt wurde und dementsprechend aus einem anderen Kontext stammt.“ 40

Aus welchem Kontext er stammen mag, dazu kann der Chronist nur eine Vermutung äußern, die er aber nachfolgend auch gerne begründet.

Die Einwohner Wolfgartens hatten traditionsgemäß immer eine sehr starke Hinwendung und Bindung zum nahegelegenen Kloster Mariawald. Im Zeitraum der Entstehung des Dorfes lag auch die Gründung des Klosters. Zwar wurde ebenfalls im 15. Jahrhundert in Gemünd ein neues Gotteshaus errichtet, nachdem es bis dato, wohl von den Steinfelder Mönchen initiiert, eine Kapelle gab, die schon dem Hl. Nikolaus geweiht war. Wahrscheinlich ist, dass diese `zweite Kirche´ um 1459 gebaut wurde.41 Die Kapelle zu Gemünd, eine Dependance der Pfarre von Olef, hatte aber stärker den Anschluss zu den Prämonstratenser-Mönchen vom Kloster Steinfeld, deren Schwerpunkt in der Seelsorge, vor allen Dingen der Pfarrseelsorge lag. Darüber hinaus lag die Kirche in Gemünd `jenseits´ der , die bekanntlich lange Zeit Grenze zweier Herrschaftsbereiche war. Mariawald dagegen war in der damaligen Zeit ein `Hype´ und sorgte für eine euphorische Begeisterung. „Und ist ein groß Geläuf geworden“ heißt es in den Gründungsannalen, und das hat tatsächlich bis in die Neuzeit angehalten. Die ältere Generation Wolfgartens kann sich noch sehr gut daran erinnern, dass es sonn- und feiertags üblich war, zum Kirchgang, meist zu Fuß, nach Mariawald zu gehen. Könnte unser Christuskorpus möglicherweise aus Mariawald stammen?

Das Kloster Mariawald hat in seiner 550 jährigen Geschichte viele Höhen und Tiefen erlebt. Dabei ist bis einschließlich heute auch der jeweilige Konvent, die Gesamtheit der Mitglieder der Klostergemeinschaft, vier Mal aufgehoben worden. Bei dieser Gelegenheit wurden Klostergebäude und Inventar veräußert, verschenkt, zerstört oder in alle Welt verstreut; so z. B. die Kirchen- und Kreuzgangfenster, Pietá und Retabel, Kommunionbank oder Predigtkanzel und Vieles mehr. Könnte dabei nicht auch ein Kreuz mit Korpus, oder nur der Korpus, in den Besitz eines Wolfgarteners geraten sein?

40 Heckenbücker, Anne, LVR-ADR, Untersuchung Wegekreuz in Wolfgarten, B 24916, 2020; 41 Kruff, Wilhelm, Chronik der Pfarre St. Nikolaus zu Gemünd, Pfarrgemeinde Gemünd 1978; 36 Das Kreuz

Es gab sogar einen bezogen auf das Brandgeschehen zeitnahen Anlass für eine solche Vermutung.

Gemeint ist der Bismarcksche Kulturkampf In Europa griffen im 19. Jahrhundert die liberalen Strömungen um sich. Dadurch sah sich vor allem die katholische Kirche innerhalb der Gesellschaft geschwächt. Ein Schlagabtausch zwischen dem Papst und dem Kanzler des Deutschen Kaiserreiches Otto von Bismarck begann, der als "Kulturkampf" in die Geschichte einging. 1871 beschloss Bismarck zunächst die katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium aufzulösen. Es folgte eine Reihe von Gesetzesnovellen wie der „Kanzelparagraph", die „Maigesetze“ von 1873 und 1875 schließlich das „Kongreationsgesetz“ – auch Klostergesetz genannt – sowie das „Brotkorbgesetz", das alle staatlichen finanziellen Zuwendungen an die katholische Kirche verbot. Das „Klostergesetz“ löste mit Ausnahme der reinen Krankenpflegeorden alle Klostergemeinschaften (Konvente) in Preußen auf, römisch-katholische Ordensleute wurden ausgewiesen. So erging es auch den Trappistenmönchen von Mariawald. Anfang Februar 1875 erschien der Bürgermeister Kleinen aus Gemünd während der Komplet und verlangte P. Alfons Bensegger zu sprechen. Er teilte ihm mit, dass er als Ausländer (P. Alfons Bensegger war ein geborener Schweizer) das Königreich Preußen zu verlassen habe. Auf dem Kermeter arbeiteten unterdessen Patres und Brüder unermüdlich weiter, wenngleich alle ahnten, dass auch sie in kurzer Zeit gezwungen würden, ihr geliebtes Kloster zu verlassen. Als dann am 31. Mai 1875 das Klostergesetz in Kraft trat, erschien alsbald auch schon als pflichttreuer Beamter der Preußischen Regierung der Landrat von Schleiden, Freiherr von Harff, begleitet von seinem Sekretär und dem Bürgermeister Kleinen in Mariawald. Man eröffnete den Mönchen, dass die Ordens-Niederlassungen innerhalb sechs Monaten aufzulösen seien, und die Staatsbehörden einstweilen das Vermögen der Klöster in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen hätten. Man gab aber auch „unter der Hand“ dem Prior von Mariawald den Rat, die Ernte sowie den Viehbestand, die Acker- und Handwerksgeräte vorher so gut es geht zu verkaufen.42 Klösterlich-religiöses Inventar und Kirchengeräte wurden an Nachbarpfarreien verschenkt oder verkauft. Vergleichbares hatte man 80 Jahre vorher bei der Klosterauflösung durch die Franzosen schon einmal gemacht. Auch damals waren teils wertvolle Dinge wie Handschriften und Bücher der Klosterbibliothek in „leichtsinniger Weise verschleudert“ worden. Bevor für den 14., 15. und 16. Juni 1875 eine Versteigerung des Ernteaufwuchses, der Pferde, Kühe, Schafe, des Holzes und aller Acker- und Handwerksgeräte angesetzt war, gingen fremde Menschen im Kloster ein und aus, um die durch den Schleidener Gerichtsvollzieher Dreckstäter zu versteigernden Gegenstände in Augenschein zu nehmen.43

42 https://kloster-mariawald.de/ueber-uns/chronik/der-kulturkampf/; 43 Ebd.; 37 Das Kreuz von Wolfgarten

links Abb. 33: Versteigerungsanzeige im Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden, 44. Jahrg., Ausgabe Nr. 28 vom 04.06.1875;

Die durch die Versteigerung erzielte Summe belief sich auf annährend zweitausend Mark. Die Mühle in Heimbach (das heutige Hotel Kloster- mühle) wurde für sechstausend Mark verkauft, womit die auf dem Kloster lastende Hypothek gelöscht wurde. In den Monaten Juli, August und September kamen viele fremde Leute ins Kloster, um das zu holen, was sie bei der Versteigerung erstanden hatten. Am 2. November 1875 gegen zehn Uhr morgens erschienen Gendarme in Mariawald, um die noch anwesenden Mönche gewaltsam auszuweisen.

44

Kann es da nicht durchaus sein, dass ein Wolfgartener Bürger, gut bekannt und befreun- det mit den Mönchen von Mariawald, noch bevor alles „unter den Hammer“ kam, ein schönes Kreuz aus dem Bestand des Klosters erhielt? Schließlich hatten die Landwirte von Wolfgarten, wie auch jene von `Gut Weimert´, stets in nachbarschaftlicher Hilfe und freundschaftlicher Verbundenheit zusammen gehalten. Aber auch die Förster und Jäger der Region hatten immer ein gutes Verhältnis zu den Mönchen und der Klosterleitung.

Kann es da nicht auch gut sein, dass wenige Jahre später, bei der Umsetzung der Idee für ein besonderes Dorfkreuz in Wolfgarten, jener Besitzer eines solchen Kreuzes, den Korpus dazu stiftete? Dann wäre auch das beachtenswerte Alter des Schnitzwerkes – immerhin damals schon über 300 Jahre alt – nachvollziehbar.

Zugegebenermaßen nur eine Vermutung; aber immerhin eine, welche die Frage nach dem Kontext des Christuskorpus zu klären versucht.

44 Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend, 44. Jahrg., Ausgabe Nr. 28 vom 04.06.1875; 38 Anhang Bilder Anhang Bilder

NARA, NARA, – National Archiv - Air Force, US - Wolfgarten 1948, Quelle US

Seite 10, Abb. 6: Luftfoto

39 Das Kreuz von Wolfgarten

Seite 12 Abb. 7: Brandbericht des Bürgermeister Kleinen an den Landrat Harff, 07.04.1882 Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Signatur: BR 0005-22677-Seite 10+11, Brandbericht;

40 Anhang Bilder

Seite 13 Abb. 8: Kreisarchiv Euskirchen Am Karsamstag, den 8. April 1882 berichtete die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung `Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend´ (Zusammenschnitt)

41 Das Kreuz von Wolfgarten

Nachweisung über die Verwendung der Collecte für die Brandbeschädigten zu Wolfgarten Seite 1

Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 ,

42 Anhang Bilder

Nachweisung über die Verwendung der Collecte für die Brandbeschädigten zu Wolfgarten Seite 2

Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 ,

43 Das Kreuz von Wolfgarten

Nachweisung über die Verwendung der Collecte für die Brandbeschädigten zu Wolfgarten Seite 3

Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 ,

44 Anhang Bilder

Aus der Fotodokumentation des Landschaftsverband Rheinland (LVR) – Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Schleiden, Wolfgarten, Wegekreuz, Einmündung Wolfgarten / Pützbenden, 16. Jhdt. Konservierung und Restaurierung gem. § 22 (3) DSchG NW, Schreiben vom 15.10.2020 – B 24916

45 Das Kreuz von Wolfgarten

Aus der Fotodokumentation des Landschafts- verband Rheinland (LVR) – Amt für Denkmalschutz Rheinland (ADR), Schreiben vom 15.10.2020 – B 24916: Abb. rechts – im Gutachten Abb. 2: Vorzustand 2019, Detail Fehlstellen in der Fassung

Abb. links - im Gutachten Abb. 3: Christuskorpus, Zwischenzustand 2020 nach Abnahme vom Dorfkreuz, hier im Atelier Roland Gassert (Restaurator, Wachtberg) Die beschädigte Sichtfassung wurde in weiten Teilen bereits abgenommen

46 Anhang Karten Anhang Karten

Komplette Katasterkarte Wolfgarten 1824, Quelle: Katasteramt Euskirchen, Liegenschaftskataster alt, Bürgermeisterei und Gemeinde, Gemünd, Section 7;

47 Das Kreuz von Wolfgarten

48 Anhang Karten

49 Das Kreuz von Wolfgarten

Quellenangaben

Archive: US-National Archiv – NARA, Washington, D.C., US-Air Force, Luftbild Wolfgarten 1948; Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Signatur: BR 0005-22677-Seite 10+11, Brandbericht; Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland, Regierung Aachen Katasterkarten BR 0149; Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend, 44. Jahrg., Ausgabe Nr. 28 vom 04.06.1875; Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend, 51 Jahrg., Ausgabe Nr. 28 vom 08.04.1882; Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Acta Specialia Nr. 586 , Feuersbrünste 1861 – 1891; Stadtarchiv Schleiden, Bestand Bürgermeisterei Gemünd alt, Personenstandsakten; Stadtarchiv Schleiden, Tagebuch Leopold Kauhlen, Heft 12; Katasteramt Euskirchen, Liegenschaftskataster alt, Bürgermeisterei und Gemeinde Gemünd, Section 7, Wolfgarten, 1824;

Internet- World Wide Web- HTTP https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2, Historische Topographische Karten; https://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/geobasis/topographische_karten/ historisch/1801/index.html; https://www.euskirchen.de/stadtinfo/historie/frauengeschichte-im-kreis-euskirchen/; http://wiki-de.genealogy.net/Geld_und_Kaufkraft_ab_1871#Lebensmittel; https://kloster-mariawald.de/ueber-uns/chronik/der-kulturkampf/;

Literatur:

Günther, Wilhelm: Festschrift „500 Jahre Sippe Wolfgarten“, Mai 1970; Günther, Wilhelm: Ort Wolfgarten und die Sippe Wolfgarten zu Wolfgarten, Artikelserie in 4 Folgen, Kölnische Rundschau, Okt. 1981, Nummer 130 ff; Heckenbücker, Anne: LVR-ADR, Untersuchung Wegekreuz in Wolfgarten, B 24916, 2020; Heinen, F.A.: Im Kampf um den Roten Hahn, Geschichtsforum Schleiden, S. 17, 2016; Honhoff, Miro: Wegekreuze im Raum Schleiden, Jahresheft 2021, S. 253-284, Geschichtsforum Schleiden e.V.; Kruff, Wilhelm: Chronik der Pfarre St. Nikolaus zu Gemünd, Pfarrgemeinde Gemünd 1978; Schmitz-Ehmke, Ruth & Fischer, Barbara: Bau- und Kunstdenkmäler – Stadt Schleiden – Gebr.Mann Verlag, Berlin, 1996; Stüber, Klaus: Das Schicksalsjahrzehnt von Gemünd 1851-1861, Jahresheft 2021, S. 191- 206, Geschichtsforum Schleiden e.V.; Weinand, Karl: Die Römerstraße Köln-Reims, München 2017;

50 Heraldik zum Wappenschild Heraldik zum Wappenschild

Wappenschild: Gotisches Halbrundschild aus der Epoche um 1470, („Spanischer Schild“)

Es zeigt im Feld in vier Wappenbildern: in 1 u. 4 auf goldenem Grund jeweils einen über einen roten Zaun mit drei Pfählen und zwei Querbalken einwärts springenden schwarzen Wolf, wobei der in 1 deutlicher rotbezungt ist; in 2 u. 3.auf blauem Grund jeweils einen grünen Busch hinter einem roten Zaun mit drei Pfählen und einem Querbalken.

Dem linksschauenden Helm, in der Visierung und dem Nackenschutz rot gefüttert, entwächst als Helmzier aus dem Helmwulst linksschauend ein silber-schwarzer rotbezungter Wolf.

Die Helmdecken sind innen goldfarbig; die linke Helmdecke außen silber-schwarz, die rechte Helmdecke außen blau.

Rückseite

Das Wappen der „Sippe Wolfgarten“ ist wohl von dem Reg.- und Schulrat Wolffgarten, geb. etwa 1840-50 in Wißkirchen, entwickelt worden, der es dann um 1890 kreierte. Zum Sippenfest `500 Jahre Sippe Wolfgarten´ am 30. und 31. Mai 1970 in Wolfgarten, unter der Schirmherrschaft der Stadt Gemünd/Eifel, erschien ein Festbuch, in dem das Wappen mit einem eigenen Kapitel `Unser Wappen´ veröffentlich wurde. Diesem Festbuch ist die Abbildung entnommen.

Auf dem Platz Kermeterstraße / Am Merrchen steht seit 1970 ein `Sippenstein´, auf dem ebenfalls dieses Wappen abgebildet ist.

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Das Kreuz von Wolfgarten

Wappenschild der Sippe Wolfgarten Wappenschild Der Si ppe Wolfgarten

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