Sendung vom 22.3.2013, 21.00 Uhr

Markus Wasmeier Doppel-Olympiasieger Ski Alpin im Gespräch mit Corinna Halke-Teichmann

Halke-Teichmann: Grüß Gott, meine Damen und Herren, schön, dass Sie bei alpha-Forum dabei sind. Ich darf Ihnen heute einen Mann vorstellen, der durch und durch Bayer ist und der seit frühester Jugend bayerisches Brauchtum lebt und auch pflegt. Als Sportler schrieb er Geschichte, wurde Weltmeister und Doppelolympiasieger und ist damit der erfolgreichste deutsche Skirennläufer aller Zeiten. Herzlich willkommen, Markus Wasmeier. Wasmeier: Vielen Dank für die Einladung. Halke-Teichmann: Markus, vor 30 Jahren hatten Sie Ihren ersten Start beim Weltcup, nämlich bei der Abfahrt in St. Anton. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte: "Hier sehen Sie den zukünftigen Weltmeister und Olympiasieger", was hätten Sie darauf erwidert? Wasmeier: Na ja, wenn damals jemand damit angefangen hätte zu fragen, was in 30 Jahren sein wird, dann hätte ich ihm gesagt, dass ich möglicherweise gar nicht so alt werde. Nein, das war eigentlich nie das Thema, ich wollte eigentlich immer nur denjenigen, der gerade ganz oben steht, schlagen. Zu der Zeit damals war das der . Den wollte ich wenigstens einmal hinter mir lassen. Er hat mich einmal wirklich fertiggemacht in einem ganz normalen FIS-Slalom: Ich war da in einem Lauf acht Sekunden hinter ihm! Ich habe mir damals geschworen: "Weißt was, Bursch, dich pack ich auch mal!" Halke-Teichmann: Genau, und Stenmark war ja als Mega-Sieger wirklich eine Legende. Wenn Sie sich also damals gesagt haben, dass Sie diesen Mann schlagen wollen, dann deutete sich damit praktisch auch schon der spätere Weltmeister und Olympiasieger in Ihnen an. Wenn man Sie heute so anschaut, dann stellt man fest, dass Sie immer noch super durchtrainiert aussehen: Sie sind gertenschlank. So die ganz kräftige Statur hatten Sie aber sowieso nie. Und genau das wäre Ihnen am Anfang Ihrer Karriere auch beinahe mal zum Verhängnis geworden. Wasmeier: Nun, ich bin von der Natur her, von meinem Muskelaufbau her eigentlich eher der Typ für den Ausdauersport. Aber ich bin halt ein Alpiner geworden. In der Zeit zwischen 14 und 18 Jahren habe ich relativ wenig trainieren können – außer Ski fahren und Bergsteigen und Klettern, denn das war halt mein Hobby. Aber Konditionstraining im Sommer hat es damals in diesem Alter noch nicht so gegeben wie heute. Ich habe ja auch vor allem meine Lehre gemacht, und wenn man von sieben Uhr morgens bis abends um fünf, halb sechs Uhr in der Arbeit ist, dann hat man danach nicht immer die Kraft, noch zu trainieren. Wie gesagt, das war damals auch gar nicht so üblich gewesen. Es war dann so, dass ich mit 17 Jahren ... Halke-Teichmann: ... nicht so die ganz massiven Schenkel ... Wasmeier: ... hatte. Ja, und deswegen hat dann ein Funktionär im Skiverband gemeint: "Den Wasmeier schmeißen wir jetzt raus aus dem Kader, weil mit so dünnen Füßen wird der nie ein guter Skifahrer." Halke-Teichmann: Gott sei Dank, dass das nie passiert ist. Wasmeier: Ja, ich hatte zum Glück einen Trainer, der sich für mich eingesetzt und gesagt hat: "Das könnt ihr nicht machen! Der Wasmeier hat das meiste Talent von allen! Wenn der eines Tages mal Kraft haben wird, dann wird er auch nach vorne fahren!" Gott sei Dank bzw. dem Leismüller Sepp sei Dank. Halke-Teichmann: Markus, Sie haben mir in unserem Vorgespräch erzählt, dass Sie als Kind eigentlich übersensibel gewesen sind und dass das Skifahren für Sie letztlich auch so etwas wie Therapie bedeutet hat. Können Sie das ein bisschen näher erklären? Wasmeier: Ich war insofern ein bisschen sensibel, als ich damals in der Grundschule, wenn der Unterricht zu Ende war, Dinge gemacht habe, die die anderen überhaupt nicht interessiert haben. Das heißt, ich war beim Bergsteigen, beim Klettern, beim Skifahren. Das war meinen Schulkollegen alles total fremd. Halke-Teichmann: Und das in Bayern? Wasmeier: Na ja, die hat es ja noch nicht einmal interessiert, wie das ist, wenn man von unserem Hausberg runterschaut, wie unser Dorf von dort oben ausschaut. Das hat die alles nicht interessiert. Ich war aber immer so emotional und wollte das denen vermitteln. Das hat aber dazu geführt, dass ich deswegen immer nur gehänselt worden bin. Das war so schrecklich, dass ich mit acht, neun Jahren fast jeden Tag weinend nach Hause gekommen bin. Es hat mich innerlich einfach so getroffen, dass ich für die anderen praktisch immer ein gefundenes Fressen war, weil ich immer sofort reagiert habe: Ich bin immer gleich aufgebraust. Das war das Problem. Wenn man auf diese Art und Weise mal in den Fokus gerät, dann können Kinder und Jugendliche schon grausam werden. Halke-Teichmann: Letztlich haben Sie es dann aber allen gezeigt. Sie waren ja wirklich mit einem außergewöhnlichen Potenzial ausgestattet: Das beweist ja alleine schon Ihr Einsatz bei der Premiere im Weltcup, als Sie 19 Jahre alt waren. Sie besaßen aber weitaus mehr als Talent. Was hat denn eigentlich den erfolgreichen Skifahrer Markus Wasmeier ausgezeichnet? Wasmeier: Oh, das ist schwer zu sagen. Ich glaube, man muss in seinem Sport schon auch ein wenig fanatisch sein und man muss ein gesundes Selbstbewusstsein haben, also nicht dieses überhebliche Selbstbewusstsein, sondern einfach nur das Selbstbewusstsein, dass man das kann, dass man sich das auch selbst zutraut. So ungefähr mit 14 Jahren habe ich mich dann ja schon dazu entschieden, das mit dem Skifahren professionell betreiben zu wollen. Ich habe aber immer alleine trainiert. Das heißt, wenn Konditionstraining anstand – das war über die ganze Zeit meiner aktiven Karriere so –, dann stand ich immer alleine in den Turnschuhen. Manche andere Sportler können das überhaupt nicht, die brauchen immer Partner oder eine Mannschaft, damit sie sich überwinden können. Denn beim Training ist ja nicht jeder Tag ein schöner Tag. Aber für mich war das normal: Ich habe es genossen, das alleine durchzuziehen. Und das ist vielleicht doch auch etwas außergewöhnlich. Halke-Teichmann: Ich glaube, Sie können sich auch unglaublich gut auf ein Ereignis fokussieren. Und wenn Sie sich ein Ziel gesetzt haben – ich glaube, da sind Sie sehr von Ihrem Vater geprägt –, dann haben Sie dieses Ziel auch verfolgt, und zwar egal, wie hart der Weg dorthin war, wie sehr Sie sich dafür quälen mussten. Wasmeier: Ich weiß nicht so genau. Ich habe von meinen Eltern natürlich schon diese gesunde Einstellung mitbekommen, vor allem habe ich von ihnen mitbekommen, dass ich in der Zeit, als ich aktiver Sportler gewesen bin, meine Ruhe hatte, wenn ich mal zu Hause gewesen bin. Ich musste, wenn ich zu Hause war, mit ihnen nicht auch noch darüber diskutieren. Man muss sich ja vorstellen, dass man als Skirennläufer 300 Tage im Jahr unterwegs ist. Und wenn man dann mal ein paar Tage zu Hause ist, dann will man ja nicht nur seine Wäsche wechseln, sondern will auch erfahren, was zu Hause passiert ist. Meine Familie war immer meine Insel, in der ich Kraft tanken konnte. Das Ziel dabei habe ich nie irgendwie aus den Augen verloren bzw. ich habe immer gewusst: Ich kann das, ich habe das drauf! Das habe ich immer gespürt. Wenn man dieses Gefühl nämlich verliert, dann brächte man auch dieses notwendige Engagement nicht mehr auf. Halke-Teichmann: Sie sprachen gerade an, wie wichtig es Ihnen war, zu Hause zu sein und dort auch Liebe und Geborgenheit zu erfahren und mit den Kumpeln aus dem Ort soziale Kontakte zu pflegen. Wie sind Sie denn eigentlich erzogen worden? Was haben Ihnen Ihre Eltern mit auf den Lebensweg gegeben? Denn Sie sind ja ein unglaublicher Optimist. Wasmeier: Dazu muss ich sagen, dass ich eigentlich gar keine Kumpel hatte. Ich hatte eigentlich nur in der Mannschaft Freunde bzw. später auch Freunde in den Mannschaften der anderen Nationen. Das war ja das, was ich vorhin gesagt habe: Ich hatte keine Schulfreunde! Das waren zwar meine Schulkollegen, aber Freunde sind das nie geworden. Darum hat eigentlich eher meine Mutter eine sehr dominierende Rolle gespielt. Sie war mein Freund, mein Spezl: Ich bin mit ihr mit 14, 15, 16 Jahren immer wieder zwei, drei Wochen mit dem Rucksack unterwegs gewesen und wir sind in den Dolomiten bis zum 6. Schwierigkeitsgrad wirklich auf jeden Berg gekraxelt. Sie war diejenige, die bei solchen Unternehmungen immer Ja gesagt hat und sofort mit dabei war. Ich war da als Einzelkind wirklich sehr stark Mama- und Papa-bezogen. Halke-Teichmann: So eine Mutter-Sohn-Beziehung kommt ja des Öfteren vor. Wasmeier: Ja, das kommt öfter vor. Sie war jedenfalls die "Verrückte", die von Anfang mit mir solche Sachen gemacht hat. Als ich ein kleines Kind war, ist sie mal auf einen Baum geklettert. Ich selbst war noch so klein, dass ich es nicht geschafft habe, auf den Baum zu klettern. Und irgendwann kamen dann Leute vorbei und meinten zu mir: "Ja Bua, bist ganz allein im Wald? Wo sind denn deine Eltern?" Da habe ich nur gesagt: "Meine Mama ist dort droben im Baum!" Daran sieht man, dass meine Mutter eben nicht nur meine Mama gewesen ist, sondern ein Spezl, der wirklich jeden Blödsinn mitgemacht hat. So hat sich das gar nicht ergeben, dass ich Freunde gebraucht hätte. Ich habe immer alles mit meinen Eltern zusammen gemacht. Halke-Teichmann: Kommen wir zurück zu Ihrer Karriere, die dann ja blitzartig nach oben ging. Bereits in Ihrer zweiten Weltcupsaison errangen Sie Ihren Ersten von sage und schreibe 39 Podestplätzen. Und ein Jahr später, bei Ihrer WM- Premiere im Jahr 1985 in , wurden Sie auf Anhieb Weltmeister. Sie hätten diesen Weltmeistertitel fast verpennt, weil Sie zu spät zum Start gekommen sind. Wasmeier: Damals hat es im Weltcup noch diese Regel gegeben, dass die Startlisten immer nur am Ende eines Quartals erneuert worden sind. So kam es, dass ich die ganze Zeit bis zur WM Anfang Februar 1985 mit Startnummer 30 an den Start gegangen bin. Aber bei der WM gehörte ich dann auf einmal zur ersten Startgruppe und sollte als dritter Läufer ins Rennen gehen. Da ist es an diesem Morgen mit der Zeit tatsächlich ein bisschen knapp geworden, weil mein Rhythmus einfach ein bisschen ein anderer gewesen ist, weil ich bis dahin immer mit der Nummer 30 gestartet bin, also immer erst über eine halbe Stunde später. Aber das hat dann doch geklappt und vielleicht war das auch ganz gut so, denn auf diese Weise bin ich weniger mit Druck, sondern eher mit Hektik an den Start gegangen. Halke-Teichmann: Diese WM brachte ja aus Ihrer Sicht mehrere kuriose Dinge. Sie sind erstens fast sprichwörtlich im Blindflug runtergefahren, weil Ihnen Ihre Mütze verrutscht war. Bei der Siegerehrung – abgesehen von den großen Emotionen, die man dabei hat – ist zweitens ein ziemlicher Fauxpas passiert. Was war da los, Markus? Wasmeier: Das war schon recht lustig, als ich da auf diesem höchsten Thron gestanden bin: links von mir der Girardelli und rechts von mir der Zurbriggen – oder auch umgekehrt. Halke-Teichmann: Und dann wartet man auf die Hymne. Wasmeier: Ja, man wartet auf die Hymne. Auf einmal spielte die Musik und alle Fotografen und Reporter usw., die immer unmittelbar vor einem stehen bei so einem Anlass, fingen an zu pfeifen und zu buhen. Ich dachte mir: "Was ist denn jetzt los?" Also fragte ich den : "Du, was ist denn da los?" Er meinte nur, er wüsste es auch nicht. Also dachte ich mir: "Vielleicht haben sie ja die falsche Fahne aufgehängt oder die richtige Fahne falsch herum." Was war passiert? Mit den Fahnen war alles in Ordnung, aber die Musik hat die DDR-Hymne angestimmt. Die Veranstalter hatten schlicht das falsche Band eingelegt! Ich selbst habe ja die DDR- Hymne gar nicht gekannt: Mir war die so wurscht wie nur irgendetwas. Halke-Teichmann: Beim alpinen Skisport wurde sie ja auch nur relativ selten gespielt. Bei mir beim Eiskunstlauf war das anders: Ich habe sie permanent gehört! Wasmeier: Ich kannte "unsere" deutsche Hymne, aber um die DDR-Hymne habe ich mich nie gekümmert. Mit 21 Jahren war mir das damals eigentlich ziemlich wurscht. Letztlich hat dann die anwesende Blasmusik die richtige Hymne gespielt: Das war dann schon sehr kurios, denn eigentlich konnte keiner der Musiker die Hymne so richtig spielen, aber sie haben es halt versucht, sie haben sich Mühe gegeben. Halke-Teichmann: Und es ging mit den Kuriositäten gleich weiter: Es gab bis hinauf in die Bayerische Staatskanzlei große Empörung. Das Ganze hat mit Ihrem Sieger-Interview beim ZDF zu tun. In diesem Interview haben Sie natürlich in bayerischer Mundart gesprochen. Und was passierte? Es wurde, während Sie sprachen, unten als Bauchbinde "Originalton Süd" eingeblendet. Hat Sie das damals geärgert, Markus? Wasmeier: Ja, ich muss sagen, dass ich da sogar heute noch verärgert bin. Das war damals Dieter Kürten, der diese Sendung geleitet hat. Wenn man selbst im Studio ist, dann bekommt man ja so eine Bauchbinde gar nicht mit: Diese von der Regie eingeblendete Bauchbinde sehen nur die Fernsehzuschauer. Das Schlimme war halt, dass es so etwas nur bei DDR- Übertragungen gegeben hat, da hieß es "Originalton Ost". Das haben sich natürlich Stoiber, Gustl Bayrhammer, Franz Josef Strauß usw. nicht gefallen lassen und haben gesagt, dass das wegen der DDR eine Diskriminierung für uns ist, dass wir jetzt auch so bezeichnet werden. Kürten hat das jedoch anders gesehen. Ich muss aber ehrlich sagen, dass man dort beim ZDF in der Zeit nur relativ wenig übrig hatte für den Wintersport. So kam es, dass es dann für mich beim ZDF doch eine gewisse, eher jahrelange Pause gegeben hat. Halke-Teichmann: Sie sind dann in der ARD gelandet, aber darauf kommen wir später zu sprechen. Markus, waren Sie denn auf diesen immensen Presserummel, der nach Ihrem Sieg über Sie hereingebrochen ist, irgendwie vorbereitet? Wasmeier: Überhaupt nicht, denn darüber macht man sich ja vorher keine Gedanken. Als Sportler hat man lediglich die Aufgabe, an diesem Tag der Beste zu sein, also das Rennen zu gewinnen. Das heißt aber noch nicht einmal, dass es vornehmlich darum ginge, den anderen zu schlagen, sondern es geht einfach nur darum, zu zeigen, was man kann. Wenn man das dann tatsächlich schafft, dann kommt es eben auf einmal zu dieser Situation, dass einem jemand auf die Schulter klopft und sagt: "Gratuliere dir!" Und ich dreh mich um und wer war das? Ingemar Stenmark! Also, ich hatte es geschafft. Das war eigentlich der beeindruckendste Moment für mich während dieser WM. Aber dann gab es zwei Jahre lang einen solchen Trubel um mich, dass es schon nicht mehr schön war. Das war vor allem auch deshalb anstrengend, weil es immer wieder Fans gegeben hat, die zu mir gesagt haben: "Komm, jetzt gehen wir in die Bar, einen saufen!" Auch dieses permanente Antatschen, dieses immer nur Nehmen mancher Fans, hat dazu geführt, dass ich mich in der ersten Zeit wirklich total zurückgezogen habe. Ich bin einfach nicht mehr raus in die Öffentlichkeit gegangen. Halke-Teichmann: Sie waren eben ein enormer Sympathieträger, Sie waren, so gesehen, auch nicht der Skistar, sondern der sympathische, bodenständige, naturverbundene Volksheld. Gab es da auch mal unangenehme Ereignisse mit den Fans? Bei Magdalena Neuner war es ja z. B. so, dass auf einmal ein Fan bei ihr auf dem Balkon stand. Wasmeier: Bei mir war es so, dass sie sogar schon in der Küche gesessen sind und sich bereits ein Glaserl eingeschenkt hatten. Halke-Teichmann: Nein, das gibt es doch nicht! Wasmeier: Doch, ich kam gerade aus der Dusche, als sie schon da saßen. Das war ein Ehepaar ... Halke-Teichmann: Wie sind die denn reingekommen? Wasmeier: Das habe ich sie auch gefragt und sie haben mir geantwortet: "Die Tür war nicht abgesperrt." Ich habe dann zu ihnen gesagt: "Aber Sie können nicht einfach in ein wildfremdes Haus hineingehen." "Ach, wir wollten nur mal sehen, wie Sie da wohnen." "Das geht doch nicht!" Das heißt, da war ich noch freundlich und meinte noch: "Ich gehe doch auch nicht einfach so bei Ihnen ins Haus." Da gaben sie mir die Antwort: "Ja, kommen Sie doch!" Darauf kann man nur schwer antworten, aber ich habe sie dann gebeten, sie mögen jetzt wieder gehen. Halke-Teichmann: Das sind halt die Schattenseiten. Wasmeier: Nachdem ich sie also rauswerfen wollte, wurden sie sogar aggressiv! Halke-Teichmann: Das ist doch unverschämt. Wasmeier: Da ich aber ein altes Bauernhaus habe, sind bei mir eben auch die Türen relativ klein und niedrig. Als er auf mich einschimpfte, dass er mich anzeigt und dass er mich in der "Bildzeitung" negativ hinstellt usw. – solche Drohungen muss man sich dann anhören, und das nur, weil man gesagt hat, dass sie jetzt das Haus verlassen sollen –, hat er sich am Türstock dermaßen den Schädel gestoßen, dass er für einen Moment wirklich ausgeknockt war. Als er wieder komplett da war, wurde seine Schimpferei aber noch schlimmer als vorher. Er hat mir mit den schlimmsten Anzeigen gedroht von wegen Körperverletzung usw. Ich habe ihm dann nur noch gesagt: "Wissen Sie, kleine Sünden straft der Herrgott sofort!" Halke-Teichmann: Genau. Was so eine Goldmedaille wirklich wert ist, haben Sie das dann erst in Crans Montana so richtig zu schätzen gewusst? Wasmeier: Beim Rennen in Crans Montana war ich ein bisschen verletzt: Ich hatte damals extreme Knieprobleme. Ich habe zwar im Super-G meine Bronzemedaille gemacht, aber dass das überhaupt noch gereicht hat, war ja schon der Wahnsinn. Ich bin im Endeffekt trotz eines Sturzes noch Dritter geworden. Weil ich nach diesem Sturz eigentlich total weg vom Fenster gewesen bin und trotzdem noch die Bronzemedaille geholt habe, war ich eigentlich froh um diese Medaille. Ich hatte nämlich bis zu diesem Missgeschick einen derart großen Vorsprung herausgefahren, dass es dann trotzdem noch zu einer Medaille gereicht hat. Denn ich hätte ja auch einen blöden vierten Platz belegen können. Halke-Teichmann: Eine Bronzemedaille bei einer WM ist ja schon immer noch etwas! Weil Sie gerade einen Sturz angesprochen haben: 1987 gab es in Ihrer Karriere wirklich einen brutal heftigen Sturz. Wasmeier: Das war eigentlich das beste Jahr in meiner ganzen Karriere, wie man wirklich sagen kann. Ich habe damals den Abfahrtsweltcup angeführt, war im Riesenslalom, im Super-G vorne mit dabei und im Gesamtweltcup. Ich wäre also der erste Deutsche gewesen, der vielleicht den Gesamtweltcup geholt hätte. Aber leider Gottes hat es mich dann in Furano zerlegt. Und das auf einer Bamperlabfahrt, wie wir Sportler sagen! Das war wirklich keine schnelle Abfahrt, und trotzdem habe ich mir die Wirbelsäule gebrochen. Da liegt man dann im Krankenhaus ... Halke-Teichmann: Zunächst hieß es sogar, dass es sein könne, dass Sie querschnittsgelähmt sind. Wasmeier: Sagen wir mal so, das Ganze war wirklich eine lustige Geschichte. Als ich so da gelegen habe nach dem Sturz ... Halke-Teichmann: Also "lustig" war das nicht, oder? Wasmeier: Ja, klar, aber im Nachhinein kann ich das als lustig bezeichnen, weil ich mich ja zunächst einmal am meisten geärgert habe, dass mein Ski kaputt war: mein Ski, mit dem ich vorher schon vier, fünf Rennen gewonnen hatte! Halke-Teichmann: Aber Sie haben doch so viele Skier! Wasmeier: Aber das war eben mein Rennski gewesen, mein Ein und Alles. Halke-Teichmann: Das war also der Glücks-Ski, der Erfolgs-Ski gewesen. Wasmeier: So ein Ski ist wie ein Körperteil! Nach meinem Sturz sind zehn japanische Soldaten mit Stahlhelmen aufgetaucht, die so einen undefinierbaren Akja dabei hatten. Wie ich das gesehen habe, habe ich gesagt: "Nein, da steige ich nicht ein!" Und deswegen bin ich noch selbst auf Skiern runtergefahren. Der eine Ski war gebrochen, der andere war noch ganz. So bin ich dann bis runter zum Ziel gerutscht. Als man dann im Krankenhaus festgestellt hat, was ich habe, durfte ich mich natürlich auf einen Schlag überhaupt nicht mehr rühren. Aber es war einfach so, dass ich riesiges Glück gehabt habe: Es hatte sich nichts verschoben. Man sagte mir: "Wenn Sie jetzt keinen weiteren Blödsinn treiben, dann kommen Sie noch gut weg!" Da habe ich dann schon aufgepasst, das ist klar. Halke-Teichmann: Als normaler Mensch kann man eigentlich gar nicht nachvollziehen, dass man nach so einem Sturz und so einer Diagnose, dass man eventuell querschnittsgelähmt sein kann, diesen Sport weiter fortsetzt. Aber das Skifahren war eben Ihre große Leidenschaft. Sie haben es auch tatsächlich geschafft, in die Weltspitze zurückzukehren. Wasmeier: Ja, das ist mir gut gelungen. Ich hatte aber auch eine gute Betreuung, die man nach so einer Verletzung auch wirklich braucht. Ich bin auf eigene Kosten nach Neuseeland gefahren und habe dort fast eineinhalb Monate trainiert. Für mich war das ein riesengroßer Erfolg, weil ich gleich das erste Rennen in der nächsten Saison gewinnen konnte. Auf diese Weise habe ich es geschafft, als großer Favorit nach Calgary zu den Olympischen Spielen zu fahren. Halke-Teichmann: Das war damals ja ein Riesenschock! Millionen von Zuschauer und ich auch waren komplett fertig mit der Welt. Wir haben wirklich mit Ihnen gelitten. Wasmeier: Wenn man als Favorit an den Start geht und weiß, dass einen eigentlich keiner schlagen kann, weil man ja bei jedem Rennen davor ganz weit vorne gewesen ist, dann vergisst man leider, dass man sich eben auch immer selbst schlagen kann. In diesem Fall ist mir genau das passiert: Ich habe im ersten Tor eingefädelt! Das war natürlich schon oberpeinlich. Halke-Teichmann: Ich habe bis heute noch Ihren Schrei in den Ohren: ein langgezogenes "Neiiiiiiiiin!" Da konnte man wirklich Ihre ganze Verzweiflung erkennen, als Sie mit den Stöcken in den Schnee gehauen haben. Für einen Sportler ist so ein Erlebnis ja unmenschlich: bei Olympia als Topfavorit an den Start gehen und beim ersten Tor rausfallen. Wasmeier: Am Anfang weiß man ja noch gar nicht, was eigentlich passiert ist. Da ist man irgendwie in einem Nirwana. Da denkt man doch glatt im ersten Moment: "Gut, dann gehe ich eben wieder rauf und starte noch mal, weil ich ja erst 20 Meter unterwegs gewesen bin!" Aber dann bekommt man mit: "Nein, das geht nicht!" Erst da in diesem Moment kommt der Ärger in einem hoch. Da fühlt man sich wirklich ziemlich alleine auf der Welt. Aber im Nachhinein muss ich sagen, dass das die extremste Lehrzeit gewesen ist, die ich je mitgemacht habe. Und deswegen möchte ich diese Zeit und auch diesen Ausfall nicht missen, weil ich ja weiß, dass es eben irgendwann dann doch noch gereicht hat. Halke-Teichmann: Nach diesem Debakel für Sie bei Olympia folgten drei Jahre, in denen Sie von Januar 1989 bis März 1991 keinen Weltcup-Sieg mehr gefeiert haben. In dieser Zeit lagen auch zwei Weltmeisterschaften, in denen Sie keine Medaille errungen haben. Sie waren zwar immer in der ersten Startgruppe mit dabei, haben auch das eine oder andere sehr gute Ergebnis herausgefahren, aber eben keinen Sieg errungen. Sie wissen, die Medien können grausam sein, aber auch die Fans wollen eigentlich nur Siegertypen sehen. Wie haben Sie diese Zeit verarbeitet? Wer stand Ihnen da jenseits der Familie zur Seite? Wasmeier: Das war eigentlich fast nur die Familie. Klar, die Trainer stehen natürlich auch hinter ihren Athleten, das ist logisch. Vor allem war es ja so, dass ich nie aus den ersten 15 der Weltrangliste herausgerutscht bin – und das in drei Disziplinen! Das war ja doch was. Aber es stimmt schon, das war eine schwierige Zeit. Die Saison 1990/91 war diesbezüglich die heftigste. Es hätte im Jahr vor den Olympischen Spielen in Albertville dort ein vorolympisches Rennen geben sollen: Ich bin dort sogar zwei Trainingsbestzeiten gefahren. Das Rennen selbst fand dann nicht statt wegen schlechter Wetterbedingungen. Aber ich habe die ganze Zeit über nie den Glauben an mich verloren. Das war in dieser Saison extrem augenscheinlich, denn ich habe mein Pensum wirklich bis zum Schluss durchgezogen. Die letzten Rennen der Saison finden ja meistens im März in den USA statt: Das ist immer so eine Art Ausklang gewesen, bei dem die anderen, die die ganze Saison über auch nicht so toll gefahren sind, oft gar keine Hoffnung mehr hatten. Ich habe jedoch bis zum Schluss meinen Tagesablauf ganz akribisch durchgezogen, und dieser Tagesablauf war vom Aufwand her wirklich intensiv. Jeder hat mich deswegen schon ein bisschen mitleidig belächelt, aber mir selbst war klar: "Solange das letzte Rennen der Saison nicht vorbei ist, habe ich noch eine Chance!" Und dieses letzte Rennen in den USA habe ich dann auch tatsächlich gewonnen. Halke-Teichmann: So kennt man Markus Wasmeier: kämpfend bis zum Schluss. Wasmeier: Für mich war das vom Gefühl her dann fast so viel, als wäre ich Olympiasieger geworden, denn das war die Bestätigung dafür, dass ich auf dem richtigen Weg bin: Wer einmal gewonnen hat, kann immer wieder gewinnen! Deswegen kann ich den jetzigen Aktiven, wenn sie einen kleinen Durchhänger haben, immer nur sagen: "Arbeite daran! Du hast den Sieger in dir! Du kannst ihn also auch wiederfinden in dir!" Halke-Teichmann: Wobei man aber sagen muss, dass es bei den alpinen Männern in Deutschland in dieser Saison 2012/13 supergut ausschaut, wie man sagen muss. Wasmeier: Ja, mit zwei absoluten Topleuten wie dem Felix Neureuther und dem Fritz Dopfer ist das natürlich eine richtig gute Sache. Aber auch die Jungen wie z. B. Stefan Luitz machen großen Spaß. Es freut mich sehr, dass unsere Herrenmannschaft wieder so stark ist. Halke-Teichmann: In dieser Saison gibt es eben auch eine alpine Ski-WM: Wir hoffen, dass da zumindest ein deutscher Läufer auf dem Podest steht – oder vielleicht sogar zwei, denn das hatten wir in dieser Saison eben auch schon mal. Wasmeier: Das wäre natürlich sehr schön. Siege hat es ja jetzt schon gegeben, Felix hat im Prinzip jetzt schon fast alle Rennen gewonnen, die auch schon sein Vater gewonnen hat: in Wengen, in Kitzbühel, in Garmisch ... Halke-Teichmann: Das ist doch eigenartig: Er gewinnt alle Rennen, die auch schon sein Vater gewonnen hat. Und das sind schwierige Strecken! Wasmeier: Aber er hat einen großen Vorteil gegenüber seinem Vater, dem Christian Neureuther: Der Felix fährt besser Riesenslalom. Halke-Teichmann: Ich glaube, da gehen wir jetzt nicht näher darauf ein. Wasmeier: Der Felix hat halt einfach in seinen Genen auch noch die Rosi mitbekommen. Halke-Teichmann: Markus, wir waren stehen geblieben, dass Sie in Ihrer Karriere wieder ganz oben angelangt waren, und zwar mit einem Sieg beim letzten Rennen der Saison. Damit gehörten Sie in der folgenden Saison aber auch wieder zu den Medaillenkandidaten bei Ihren zweiten Olympischen Spielen in Albertville. Wasmeier: Ja, Albertville war schon ein Ding! Im Vorfeld hatte es eine Geschichte gegeben, aus der ich sehr, sehr viel gelernt habe. Im Juni davor hat mich nämlich die Skifirma, für die ich sehr viel getan hatte, einfach sitzen lassen. Auf einmal ist diese Skifirma ausgestiegen! Sie sagten, der Rennsport bringt nichts mehr für sie und sie werden das jetzt bleiben lassen. Wenn sie fair gewesen wären, dann hätten sie mir das ja auch im Februar sagen können, damit ich rechtzeitig genug für die neue Saison neues Material testen kann. Das wäre fair gegenüber uns Sportlern gewesen. Halke-Teichmann: Es kam hinzu, dass das damals gerade ein Zeitpunkt gewesen ist, in dem sich im Skisport auf technischem Gebiet sehr viel getan, sehr viel verändert hat. Wasmeier: Es hatte sich bei den Schuhen ein bisschen was geändert und bei den Abfahrtsskiern war es so, dass da diese eine Firma zum ersten Mal Taillierungen eingeführt hatte. Ich kam also zu einer neuen Firma und bei der war das nicht so – aber diese Firma hat bereits genügend Weltmeister vorzuweisen usw. Ich war ja im Prinzip ohne Prämie usw. zu dieser Firma gekommen, weil ich gesagt habe: "Bezahlung, Prämie, das ist mir alles egal, ich brauche nur eure Ski, und zwar Ski, mit denen ich gewinnen kann." Das Problem war nur: Bezogen auf meine Technik war das kein Ski für mich zum Gewinnen. Also habe ich mit dieser Firma zuerst einmal neue Ski bauen müssen. Halke-Teichmann: Sind Sie denn damals noch mit der Umsteigetechnik gefahren? Wasmeier: Nein, das waren damals schon richtige Carvingskier. Diese spezielle Umsteigetechnik hat es eigentlich nur vom Beginn der 80er bis zum Ende der 80er Jahre gegeben. Danach war die Technik dann schon wieder eine andere. Aber das Parallelfahren war vielleicht noch nicht so extrem, wie wir das von den letzten Jahren kennen. Allein beim Riesenslalom hat ja in den letzten Jahren ebenfalls eine sehr große Veränderung stattgefunden: Sie fahren heute höchstens 35 Meter! Ich bin damals 54 Meter gefahren! Und das auch noch mit Skiern, die 2,10m lang waren, d. h. die Skier sind auch noch 20cm kürzer geworden. Halke-Teichmann: Sie sprechen da vom Radius, das sollten wir vielleicht ein bisschen näher erklären. Ich wollte dieses Thema ohnehin gerne mit Ihnen besprechen. Der alpine Skisport war ja schon immer ein gefährlicher Sport und mit einem gewissen Risiko behaftet. Wenn Sie Ihre damalige Zeit und die Zeit heute vergleichen: Ist der Skirennsport heute gefährlicher als früher? Wasmeier: Sagen wir mal so: Er ist nicht gefährlicher geworden, weil die Strecken früher ja genau die gleichen waren wie heute, wenn man nur die Klassiker nimmt wie die in Gröden, Kitzbühel, Wengen, Garmisch usw. Sicherer ist die Sache deshalb geworden, weil die Strecken heute alle topp präpariert sind. Das sind heute regelrechte Autobahnen, während wir damals auf einer Strecke alleine sehr, sehr viele Buckel, Eis, kein Eis, gebrochenen Schnee usw. erlebt haben. Heute sind diese Strecken für jeden Fahrer schöner zu fahren, weil man selbst mit einer hinteren Startnummer auch noch nach vorne fahren kann, was zu meiner Zeit nur ganz, ganz schwer möglich gewesen ist. Und Stürze hat es bei uns damals auch wesentlich mehr gegeben. Pro Abfahrtsrennen hat es immer so um die zehn, 15 "richtige" Abgänge gegeben. Halke-Teichmann: Das neue Material und die geänderten Radien sollen dem Athleten ja zu mehr Sicherheit verhelfen. Aber man hört inzwischen, dass dadurch die Belastung der Knie zugenommen hat, dass man dadurch mehr Power braucht. Wenn man dann auf den letzten entscheidenden Metern, auf denen es ja z. T. noch gewaltige Sprünge gibt, diese Kraft nicht mehr hat, dann hat man doch durch die Veränderung des Skis nicht viel gewonnen, oder? Wasmeier: Man redet da immer nur von den Skiern und vergisst dabei die Schuhe. Die Schuhe sind extrem hart geworden, auch in den schnellen Disziplinen. Dies hat aber vor allem damit zu tun, dass nicht nur die Abfahrten, sondern alle Strecken heute anders präpariert werden. Früher hat man nämlich gar nicht alles mit der Pistenraupe präpariert, während heute die Pistenraupe sogar die steilsten Hänge mithilfe einer Seilwinde hochfährt. Vor allem aber liegt das heute an dieser Balkenpräparation, bei der man Wasser unter den Schnee hineinschießt. Heute liegt der Schnee bei einer Abfahrt fast wie Asphalt unter dem Rennläufer: Dementsprechend hat die Strecke natürlich auch absolut gleichmäßigen Grip. Bei uns waren die Stecken viel unruhiger zu fahren und z. T. sogar schneller gesteckt als heute, sodass die Endzeiten annähernd dieselben waren wie heute. Heute fährt man mehr Kurven, also einen etwas längeren Weg, bei der gleichen Endzeit. Der Unterschied ist, dass wir uns damals auf Sprünge noch vorbereiten mussten. Heute fährt jeder in einer hundertprozentigen Abfahrtshocke über jeden Sprung drüber. Warum? Weil er davon ausgeht, dass das bei der Landung auch zu fahren ist. Da passieren dann natürlich extrem viele Leichtsinnsfehler: Da steht mancher ein bisschen zu sehr auf der Ferse – wie man das z. B. vom Zielsprung in Kitzbühel kennt, wo es ja einige Knockouts gab. Bei uns hat es das damals gar nicht gegeben, weil die Frage damals noch lautete: "Bremse ich vor einem Sprung? Stehe ich zehn, 15 Meter vor dem Sprung auf oder wage ich es, den Sprung in der Hocke zu fahren?" Diese Fragestellungen gibt es heute gar nicht mehr. Das wird heute deswegen nicht mehr praktiziert, weil die Strecken heutzutage gar nicht mehr diese Problematik in sich tragen: Heute gibt es auf den Abfahrten vielleicht noch ein, zwei Sprünge. Wir damals hatten bis zu zehn Sprüngen drin. Halke-Teichmann: Da wir ja noch viel mehr auch über Sie persönlich erfahren wollen, müssen wir jetzt ein wenig das Tempo anziehen. Wir waren vorhin bei Ihren zweiten Olympischen Spielen angelangt. Da waren Sie ja wirklich hauchdünn dran an einer Medaille. Was sind schon fünf Hundertstel auf Bronze oder 25 Hundertstel auf die Goldmedaille? Sie haben also gewusst, Sie sind wieder in der Weltspitze. Und prompt kam in Ihrer Achterbahnkarriere, in der es viele Höhen, aber auch einige Tiefen gegeben hat, wieder ein schwerer Unfall, der Sie heftig zurückgeworfen hat. Wasmeier: Ja, das war eine Woche vor Saisonbeginn 1992/93. Wir haben damals zusammen mit den Österreichern trainiert und dabei bin ich mit 80, 90 Stundenkilometern über eine Kuppe gefahren. Dummerweise ist dann ein Servicemann in der Strecke gestanden: Mit dem bin ich voll zusammengestoßen. Er hatte dort eigentlich gar nichts zu suchen und nach einer Kuppe ist man als Rennläufer einfach chancenlos bei so etwas, da kann man nicht mehr ausweichen. Halke-Teichmann: Das kommt leider immer wieder vor im alpinen Skisport. Wasmeier: Ja, und das ist eben das Ärgerliche. Halke-Teichmann: Sie hatten Glück, denn das hätte auch tödlich ausgehen können. Wasmeier: Ärgerlich ist eben, dass da jemand anderer schuld war. Wenn es einen hingegen selbst hinschmeißt und man sich dabei wehtut, dann ist das was anderes. Es war auch ungut, wie sich dieser Servicemann dann hinterher verhalten hat: Er hat eher mich angeprangert, statt sich zu entschuldigen. Halke-Teichmann: Darum kann es ja gar nicht gehen in so einem Fall. Sie waren auf jeden Fall lange verletzt ... Wasmeier: Aber es gibt halt unterschiedliche Menschen und dabei eben auch welche, die anders reagieren als Sie und ich. Zu diesem Zeitpunkt war diese Verletzung jedenfalls sehr, sehr unglücklich. Dieser Servicemann ist übrigens schuld daran, dass ich mich in den letzten 18 Jahren quälen musste, denn mir ist damals an der Hüfte etwas abgebrochen. Halke-Teichmann: Sie haben mittlerweile eine neue Hüfte. Wasmeier: Ja, ich habe mittlerweile eine neue Hüfte – aber die andere Seite kommt leider auch bald dran. Das ist jedenfalls derjenige Schaden, der mir am längsten nachgeht – und das ist eben ein Schaden, den jemand anderer verursacht hat. Ich habe mir damals unmittelbar den Fuß gebrochen, ich hatte eine Gehirnerschütterung, ich war an der Schulter verletzt und ich habe mich, wie gesagt, an der Hüfte verletzt. Der Bruch des Fußes im Schuh war richtig massiv und trotzdem bin ich drei, vier Wochen später wieder meine ersten Weltcuprennen gefahren. Meine Platzierungen waren dabei immer so vom sechsten Platz abwärts. In dieser Phase einen sechsten Platz zu erreichen, war jedenfalls für mich schon klasse. Insgesamt war das jedenfalls ein schweres Jahr. Halke-Teichmann: Kommen wir nun zu Ihrem schönsten Jahr, zu Ihrem tollsten Ergebnis: Neun Jahre nach Ihrer Goldmedaille bei der WM kam die Olympiade in Lillehammer. Es ging ja zuerst einmal gar nicht so gut los für Sie: In der Abfahrt wurden Sie nur 36. Wasmeier: Ich glaube, ich bin sogar nur 38. geworden. Halke-Teichmann: Ich habe in meinen Unterlagen stehen, dass Sie 36. geworden. Wasmeier: Eigentlich ist es egal, ich war jedenfalls extrem weit hinten. Halke-Teichmann: Das war auf jeden Fall nicht das, was sich wieder einmal die Medien und die Fans erwartet hatten. Wenn man ehrlich ist: Sie waren damals eigentlich total abgeschrieben. Hat Sie das letztendlich vielleicht sogar befreit? Denn dann kam ja Gold, das erste Gold bei Olympia. Wasmeier: Sagen wir mal so: Ich habe die Abfahrt bereits unter dem Fahren nach dem zweiten Fehler von mir abgehakt. Insgesamt dürften das dann so ungefähr fünf Fehler gewesen sein. Ich wollte dann nur noch gesund runter kommen. Die Zeitungen schrieben dann: "Wasi, was lächelst du?", oder "Was wollt Ihr denn mit dem noch?" Diese Zeitungen habe ich aber in Lillehammer gar nicht mitbekommen, weil ich in der aktiven Zeit prinzipiell keine Zeitungen gelesen habe. Das heißt, ich habe mich von der Seite gar nicht beeinflussen lassen. So ein Verhalten kann ich anderen Sportlern nur empfehlen: Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß! Halke-Teichmann: So, jetzt sind wir aber heiß auf Gold, Markus. Wasmeier: Mir war klar, dass an diesem Tag alles gut funktioniert. Ich habe mich nach dem Aufstehen nicht über Dinge aufgeregt, über die sich die anderen aufgeregt haben. Ich habe einfach diesen totalen Tunnel erlebt, von dem so oft die Rede ist. Es hat einfach alles gepasst, auch das Wetter, denn es war kalt. Das war für mich sehr wichtig, weil ich denn mein fahrerisches Feingefühl auspacken konnte. Bis es dann aber klar war, dass es für Gold reicht, war es der Horror für mich. Denn ich bin mit Startnummer 4 gefahren und ging mit meinem Lauf dann eben in Führung: Aber ich weiß ja, was dann noch alles passieren kann. In Albertville war ich zunächst Zweiter gewesen, um am Ende doch noch von zwei Läufern abgefangen und nur Vierter zu werden. Man weiß einfach: "Irgendeiner steht bestimmt oben, der dich vom ersten Platz vertreiben kann!" Diese Warterei war wirklich der Horror! Halke-Teichmann: Sensationellerweise kam dann ja noch eine zweite olympische Goldmedaille hinzu. Das muss doch für Sie eine unglaubliche Genugtuung gewesen sein. Wasmeier: Genugtuung war es schon eine, aber weniger denen gegenüber, die nicht an mich geglaubt haben. Es war eher die Genugtuung mir selbst gegenüber, nie aufgegeben zu haben. Die anderen haben mich da gar nicht interessiert. Es ging mir ja überhaupt beim Sport immer nur um mich selbst, darum, mich selbst zu bestätigen: "Ich kann das!" Mir ging es weniger darum, den anderen etwas zu beweisen. Halke-Teichmann: Da gab es ja einen Spruch, mit dem Sie Konkurrenten immer schon geärgert haben und der sich dabei dann bewahrheitete. Wasmeier: Man muss wissen, dass ich immer wieder Vierter geworden war bei großen Rennen. Ich war mit meinen Kollegen, die genauso gut waren wie ich, auch sehr gut befreundet. In diesem Kreis habe ich immer gesagt: "Burschen, das richtige Rennen müsst ihr gewinnen!" Das heißt, es ist ja ganz schön, wenn man mal ein Weltcuprennen gewinnt, aber richtig wichtig ist halt erst so ein Rennen bei der Olympiade. Dass das dann auch so geklappt hat, war natürlich schon besonders schön. Halke-Teichmann: Das Richtige war bei Ihnen eben: Sie haben einmal die Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften und zweimal eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen. Sie sind damit, wie zu Beginn schon gesagt, der erfolgreichste deutsche Skirennfahrer aller Zeiten. Zwei Monate nach Lillehammer beendeten Sie dann mit 31 Jahren Ihre Karriere. Ihre Frau war damals mit dem zweiten Kind schwanger: Hat auch das den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie gesagt haben: "Jetzt ist Schluss!"? Wasmeier: Angefangen hat es damit, dass ich nach dem Doppelolympiasieg gedacht hatte, dass mich ab jetzt keiner mehr schlagen kann. Nach der Olympiade ging es im Weltcup in die USA nach Aspen in Colorado. Dort hatte ich dann aber einen unglaublich heftigen Sturz in der Abfahrt, dass ich gar nicht mehr gewusst habe, wo oben und unten ist. Ich habe dadurch realisiert: "Aha, es geht also in die andere Richtung schon auch!" Ich war dann beim Weltcupfinale auch wirklich ausgebrannt. Der Frank Wörndl hat damals zwischen dem ersten Durchgang, in dem ich Achter geworden war, und dem zweiten Durchgang zu mir gesagt: "Du, jetzt machst du deine letzte Fahrt und das genießt du!" "Wie meinst du das?" "Wirst schon sehen!" Und es war dann wirklich so. Dass das zweite Kind unterwegs ist, habe ich allerdings erst erfahren, als ich wieder nach Hause gekommen bin: Das war eine sehr, sehr schöne Überraschung für mich. Die Entscheidung, aufzuhören, ist mir dann doch relativ leicht gefallen. Halke-Teichmann: Sie haben mittlerweile drei Söhne und alle drei waren im alpinen Skisport unterwegs. Einer ist noch aktiv: Hat er das Talent vom Vater geerbt? Wasmeier: Er sagt immer: "Hey, ihr seid so wahnsinnig! Nur weil ich Wasmeier heiß, muss ich gleich Skistar werden! Ich bin ein eigenständiger Mensch und ich gebe mein Bestes und habe meinen Spaß am Sport." Er hat wirklich Spaß an seinem Sport – und das ist das Wichtigste. Halke-Teichmann: Sie leben letztendlich bis zum heutigen Tag von Ihrem guten Namen und Ihren großen Erfolgen. Was haben Sie denn nach Ihrer Skikarriere beruflich alles gemacht? Wasmeier: Ich weiß nicht, ob man das "beruflich" nennen kann. Ich habe halt viel ausprobiert. Ich habe in etlichen Folgen bei "Ein Bayer auf Rügen" mitgespielt. Halke-Teichmann: Sie waren also Schauspieler. Wasmeier: Ach, von wegen "Schauspieler". Ich war eher "Gastspieler". Ich habe mit der Firma Bogner Design gemacht und mache das auch bis heute. Ich habe wirklich sehr viele Dinge gemacht wie zum Beispiel Musik. Aber dann bekam ich eine Verletzung an der Hand und musste da wieder zurückstecken. Ich habe wirklich alles ausprobieren dürfen, was ich wollte. Das war das Schöne, denn dadurch habe ich gemerkt, was ich für mein Herz eigentlich brauche: So ist dann das mit dem Museum entstanden. Dadurch kann ich einfach mit meinem Beruf der Nachwelt etwas hinterlassen. Es war wirklich mein großes Glück, dass ich das habe machen können. Halke-Teichmann: Über dieses Museum wollen wir jetzt sprechen. Sie waren, was den Leuten sehr gut gefallen hat, natürlich auch – ein bisschen Eigenwerbung dürfen wir schon machen – ARD-Experte und immer wieder mit der Kamera unterwegs. Aber Ihr Herzblut haben Sie doch für Ihr "Markus Wasmeier Bauernhof- und Wintersportmuseum Schliersee e.V." gegeben. Eigentlich haben Sie ja bereits mit elf Jahren Ihr Herz für alte Höfe entdeckt. Können Sie das kurz erklären? Wasmeier: Mein Berufsziel war schon immer, Handwerker zu werden, und zwar mit meinem Vater zusammen, der Restaurator und Lüftlmaler ist. Mein Vater hatte, als ich elf Jahre alt war, irgendwann einmal den Traum, in einem alten Bauernhof zu wohnen – wir wohnten damals noch zur Miete. Wir haben dann zum Wohnen irgendwo ein kleines Häuschen abgebaut und auf unserem Grund wieder aufgebaut. Das war für uns die günstige Art, zu einem Haus zu kommen – aber wir wollten das eben auch genau so haben. Auf diese Weise sind es inzwischen fünf Gebäude geworden, die ich privat versetzt habe. Ich wollte einfach verlorene Höfe, die vor dem Abbruch standen, retten. Und so ist diese ganze Idee zum Museum entstanden: Ich wollte meiner Heimat etwas zurückgeben, wo ich doch auf der Sonnenseite leben darf. Halke-Teichmann: Markus, was bedeutet Heimat genau für Sie? Wasmeier: Heimat ist ein großer Begriff, über den man stundenlang diskutieren könnte. Aber ich glaube, Heimat ist einfach dort, wo das eigene Wohlgefühl am stärksten ist. Ich sage immer, dass sich das wie ein Kuchen aus mehreren Kuchenstücken zusammensetzt: Damit es einen ganzen Kuchen gibt, gehört das einfach mit dazu; dazu gehören für mich auch die eigenen Freunde, die Kultur, die Berge, die Natur, die Familie mit dazu. So fühl ich mich wohl, wo ich lebe – mitsamt den Menschen, die dort leben. Ich glaube, das macht die Heimat aus. Man muss nicht unbedingt dort geboren sein, wo man sich heimisch fühlt. Weil ich aber dort geboren bin, wollte ich eben meiner Region etwas zurückgeben. Ich merke nämlich, dass sehr viel verloren geht: In den 70er und 80er Jahren ist bereits sehr viel verloren gegangen. Halke-Teichmann: Das betrifft ja leider auch die Sprache: Man hört auch kaum noch die bayerische Sprache. Wasmeier: Das ist natürlich ein Punkt, der auch schade ist, das stimmt. Bayern hat so viele Sprachfacetten, dass man darauf stolz sein sollte. Man sollte diese Identität befördern, damit man wieder stolz darauf ist, woher man kommt. Wir wären nämlich sehr arm, wenn wir unsere bayerische Sprache nicht mehr hätten. Die anderen Länder beneiden uns doch darum. Halke-Teichmann: Markus, Sie konnten in Ihrem Bauernhofmuseum ja auch unglaublich viel mitarbeiten. Sie sagten es vorhin schon: Als 14-Jähriger haben Sie eine Maler- und Lackiererausbildung gemacht, obwohl Sie eigentlich lieber Schreiner geworden wären. Sie haben von Haus auch viel handwerkliches Talent mitbekommen. Was machen Sie denn alles? Ich weiß, dass Sie z. B. auch Baggerfahrer sind. Wasmeier: Wenn man einen gemeinnützigen Verein gründet, der dieses Museum tragen soll, dann muss man selbst mit anpacken. Wir haben damals ja mit null Euro angefangen. Wir hatten wirklich nichts. Mir haben damals ein paar ältere Herren bei der Gründung geholfen und die wurden Mitglied im Verein. Ich habe dann wirklich alles selbst gemacht: Ich war vom Denkmalschützer über den Architekten bis zum Manager, damit Geld hereinkommt, alles selbst. Und ich war eben auch Baggerfahrer, habe mit der Schaufel gearbeitet usw. Das war aber auch genau das, was ich gerne mache: dieses Handwerkliche. Ich bin wirklich neugierig auf alles Neue, was da auf einen zukommt. Halke-Teichmann: Sie sind da ja genauso akribisch wie im Sport: Auch bei der Innenausstattung muss alles authentisch sein. Wasmeier: Ich bin besessen vom Detail. So war ich wahrscheinlich auch als Sportler immer schon: Ich habe immer sehr stark auf jedes Detail geachtet. Insgeheim merken das die Gäste, die uns besuchen, aber auch, dass das bei uns alles ein bisschen anders ist: dass da in jedem Detail sehr viel Liebe drinsteckt. Halke-Teichmann: Ich möchte gerne noch darauf zu sprechen kommen, dass Sie nicht nur handwerklich sehr begabt sind, sondern auch künstlerisch. Sie machen nämlich nicht nur mit der Zither und der Schoßgeige Musik, sondern ich habe bei Christian Neureuther einmal eine wunderschöne handgedrechselte Holzschale gesehen, die ganz toll verziert war. Sie stammte von Ihnen, Sie haben diese Schale den Neureuthers geschenkt. Was haben Sie denn künstlerisch noch alles drauf, Markus? Wasmeier: Das ist für mich das eigentliche Schenken. Etwas zu machen, auch wenn man das vorher noch nie gemacht hat: Aber man gibt sich Mühe, wenn man das macht, wenn man auf diese Weise ein Geschenk macht. Der zentrale Punkt ist einfach, dass man sich Zeit nimmt für denjenigen, dem man etwas schenken möchte. So ein Geschenk muss daher nicht wertvoll sein im materiellen Sinne. Wenn z. B. so eine Schale nicht so gut gelungen wäre, dann wäre das auch nicht so schlimm. Denn das Wichtigste dabei ist, dass es von Herzen kommt. Mich interessieren als Handwerker eben immer verschiedene Materialien und Techniken: Ich liebe die Herausforderung, ob ich es schaffe, so etwas zu machen. Darauf bin ich jedenfalls immer wieder neugierig. Halke-Teichmann: Was ich an Ihrem Bauernhofmuseum sehr interessant finde, ist, dass Sie so wunderschöne Bauerngärten haben. Sie pflanzen dort alte Gemüsesorten, Kräuter usw. Sie haben aber auch Tiere aus der Bergwelt, die vom Aussterben bedroht sind: spezielle Schafe, Schweine, Hühner usw. Ist das alles "auf Ihrem Mist gewachsen", weil Sie ein sehr kreativer Mensch sind? Wasmeier: Logisch! Das ist alles auf meinem Mist gewachsen! Ich bin irgendwo, sehe etwas und dann denke ich mir: "Genau das hat mir im Museum noch gefehlt!" Oder ich versuche mich in die damalige Zeit zurückzuversetzen, also ungefähr ins Jahr 1700, und frage mich, wie das Leben damals gewesen ist. Aber ich verlasse mich da nicht nur auf meine Fantasie, sondern ich lese da schon auch viel nach, schaue mir alte Gemälde und Fotografien an. Und anschließend versuche ich dann, das zum Leben zu erwecken, damit der Besucher eine kleine Zeitreise zurück in die Vergangenheit machen kann. Halke-Teichmann: Sie sind dort als Museumsdirektor ehrenamtlich tätig. Bei Ihnen arbeiten insgesamt aber über 70 Menschen. Sie sagten mir im Vorgespräch, dass Ihre Eltern früher jeden Pfennig in Ihre Karriere gesteckt haben – und dass es halt manchmal nur zu einem Bier im Monat gereicht hat. Nachdem Sie ja nun auch Brauer sind – im Museum gibt es inzwischen eine eigene Brauerei –, schaut für Mama und Papa jetzt schon mal die eine oder andere Maß mehr heraus, oder? Wasmeier: Heute schaffen sie aber auch nimmer mehr, weil sie das ja auch gar nicht gewohnt sind. Nein, im Ernst, eine eigene Brauerei zu haben, ist natürlich schon was Schönes. Aber wir haben ja auch eine eigene Bäckerei, eine Schnapsbrennerei usw. Wir machen das, damit unser Museum wirklich lebendig ist. Denn es ist doch schrecklich, wenn man irgendwo reingeht und es ist nichts los – es "todelt", wie wir sagen. Halke-Teichmann: Der Erfolg dieses Museums basiert natürlich u. a. auch auf Ihrem Namen. Das Ganze wurde also mit Spendengeldern gebaut und schön hergerichtet. Wie sind Sie denn finanziell zufrieden mit dem Projekt? Wasmeier: Sagen wir mal so: Das Ganze wäre tatsächlich ohne meinen Namen nicht möglich gewesen. Denn die Türen der Firmen, die alle diese sogenannten Patenschaften übernehmen, öffnen sich halt für mich doch leichter: Ohne meinen Namen hätte ich solch große Summen nicht einwerben können. Wobei ich aber stolz darauf bin, dass das alles gute Partner sind, mit denen ich bis heute und hoffentlich auch in Zukunft sehr, sehr gut zusammenarbeite. Denn das ist ja ein Dauerprojekt: Das Museum wird länger bestehen bleiben als Sie und ich – und deshalb bleiben auch diese Patenschaften so lange, wie das Museum steht. Es freut mich daher immer, wenn wieder neue Partner dazukommen, um das Ganze weiterzuentwickeln. Denn wir sind da noch lange nicht am Ende, aber wir haben Ideen ohne Ende. Das Ganze darf man eben nicht erzwingen: Gut, man muss da schon dran bleiben, aber letztlich muss man das alles auf sich zukommen lassen. Das heißt, es wird jedes Jahr einen kleinen Schritt besser. Halke-Teichmann: Nett ist ja auch, dass Sie ganz viel Unterstützung hatten von jungen Menschen aus dem Ausland: aus Nigeria, aus Nepal, aus Mexiko usw. Das Ganze war ja hoch international. Können Sie das noch ein bisschen erzählen, Markus? Wasmeier: Das ist ein Projekt zusammen mit der Stiftung "Dekeyser & Friends", denn der Bobby Dekeyser, mit dem zusammen ich das gemacht habe, ist ein guter Freund von mir. Das war lustig, denn es gab insgesamt fast 2000 Bewerber. Aber einen alten Hof aus dem 16. Jahrhundert aufzubauen, ist schon eine Herausforderung. Diese jungen Leute aus aller Herren Länder hatten zwar teilweise kein handwerkliches Geschick, aber sie hatten dafür selbst ihre eigene Geschichte zu tragen: Da war wirklich vom Kriegsgebeutelten über ehemalige Kindersoldaten alles vertreten. Da waren wirklich Geschichten mit dabei, die so heftig waren, dass man fast sprachlos war. Diese jungen Menschen haben jeweils insgesamt drei Monate bei uns gelebt, und alle waren sie hier, um zu lernen und um dann später zu Hause in ihrer Heimat selbst etwas auf die Beine zu stellen, selbst ein Projekt aufzubauen. Fast jedem von ihnen ist es inzwischen gelungen, ein eigenes Projekt fertigzustellen, obwohl das ja erst drei Jahre her ist. Wir haben also einen kleinen Beitrag dazu geleistet, dass in anderen Ländern einer etwas für sein Land tut. Halke-Teichmann: Schön, Markus. Wir haben nur ganz wenig Zeit, deswegen vielleicht ein ganz kurzes Resümee. Sie sind durch den Sport bekannt und erfolgreich geworden, sind heute finanziell abgesichert: Was hat Ihnen der Sport gegeben, was hat er Ihnen genommen? Wasmeier: Er hat mir nur gegeben. Dass er mir etwas genommen hätte, hat es gar nicht gegeben. Halke-Teichmann: Nicht doch ein bisschen Gesundheit? Wasmeier: Nein. Halke-Teichmann: Nerven? Wasmeier: Auch die nicht. Im Gegenteil, man kann mit vielen Situationen nervlich viel besser umgehen, wenn man mal Leistungssportler gewesen ist. Genommen hat mir der Sport also gar nichts, sondern ich habe durch ihn nur gewonnen. Halke-Teichmann: Das ist schön, wenn das einer sagen kann nach so vielen Jahren im Leistungssport. Markus, wenn unsere Zuschauer gut aufgepasst haben, dann werden sie herausgehört haben – denn das kann man sich wirklich leicht ausrechnen –, dass Sie in diesem Jahr einen runden Geburtstag feiern. Sie schnaufen? Sie werden doch kein Problem mit Ihrem Alter haben, oder? Wasmeier: Nein, mit meinem Alter habe ich gar kein Problem, aber da wird immer so ein großes Aufheben gemacht. Nein, ich freue mich einfach auf die Zeit, die jetzt kommt: Das wird eine schöne Zeit werden. Jetzt kommen die nächsten zehn Jahre zwischen 50 und 60. Ich habe mich damals auch auf die Jahre zwischen 40 und 50 gefreut. In diesen vergangenen zehn Jahren ist unglaublich viel passiert und vielleicht passiert ja in den kommenden zehn Jahren auch wieder so viel. Vielleicht heiraten die Kinder und wir bekommen Enkel. Wer weiß. Ich lasse es jedenfalls auf mich zukommen. Halke-Teichmann: Markus, das war ein schönes Schlusswort. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche Ihnen alles, alles Gute für Ihre Zukunft. Wasmeier: Danke. Halke-Teichmann: Meine Damen und Herren, von Ihnen darf ich mich auch verabschieden. Ich wünschen Ihnen noch eine schöne Zeit und sage auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal.

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