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Sendung vom 22.3.2013, 21.00 Uhr Markus Wasmeier Doppel-Olympiasieger Ski Alpin im Gespräch mit Corinna Halke-Teichmann Halke-Teichmann: Grüß Gott, meine Damen und Herren, schön, dass Sie bei alpha-Forum dabei sind. Ich darf Ihnen heute einen Mann vorstellen, der durch und durch Bayer ist und der seit frühester Jugend bayerisches Brauchtum lebt und auch pflegt. Als Sportler schrieb er Geschichte, wurde Weltmeister und Doppelolympiasieger und ist damit der erfolgreichste deutsche Skirennläufer aller Zeiten. Herzlich willkommen, Markus Wasmeier. Wasmeier: Vielen Dank für die Einladung. Halke-Teichmann: Markus, vor 30 Jahren hatten Sie Ihren ersten Start beim Weltcup, nämlich bei der Abfahrt in St. Anton. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte: "Hier sehen Sie den zukünftigen Weltmeister und Olympiasieger", was hätten Sie darauf erwidert? Wasmeier: Na ja, wenn damals jemand damit angefangen hätte zu fragen, was in 30 Jahren sein wird, dann hätte ich ihm gesagt, dass ich möglicherweise gar nicht so alt werde. Nein, das war eigentlich nie das Thema, ich wollte eigentlich immer nur denjenigen, der gerade ganz oben steht, schlagen. Zu der Zeit damals war das der Ingemar Stenmark. Den wollte ich wenigstens einmal hinter mir lassen. Er hat mich einmal wirklich fertiggemacht in einem ganz normalen FIS-Slalom: Ich war da in einem Lauf acht Sekunden hinter ihm! Ich habe mir damals geschworen: "Weißt was, Bursch, dich pack ich auch mal!" Halke-Teichmann: Genau, und Stenmark war ja als Mega-Sieger wirklich eine Legende. Wenn Sie sich also damals gesagt haben, dass Sie diesen Mann schlagen wollen, dann deutete sich damit praktisch auch schon der spätere Weltmeister und Olympiasieger in Ihnen an. Wenn man Sie heute so anschaut, dann stellt man fest, dass Sie immer noch super durchtrainiert aussehen: Sie sind gertenschlank. So die ganz kräftige Statur hatten Sie aber sowieso nie. Und genau das wäre Ihnen am Anfang Ihrer Karriere auch beinahe mal zum Verhängnis geworden. Wasmeier: Nun, ich bin von der Natur her, von meinem Muskelaufbau her eigentlich eher der Typ für den Ausdauersport. Aber ich bin halt ein Alpiner geworden. In der Zeit zwischen 14 und 18 Jahren habe ich relativ wenig trainieren können – außer Ski fahren und Bergsteigen und Klettern, denn das war halt mein Hobby. Aber Konditionstraining im Sommer hat es damals in diesem Alter noch nicht so gegeben wie heute. Ich habe ja auch vor allem meine Lehre gemacht, und wenn man von sieben Uhr morgens bis abends um fünf, halb sechs Uhr in der Arbeit ist, dann hat man danach nicht immer die Kraft, noch zu trainieren. Wie gesagt, das war damals auch gar nicht so üblich gewesen. Es war dann so, dass ich mit 17 Jahren ... Halke-Teichmann: ... nicht so die ganz massiven Schenkel ... Wasmeier: ... hatte. Ja, und deswegen hat dann ein Funktionär im Skiverband gemeint: "Den Wasmeier schmeißen wir jetzt raus aus dem Kader, weil mit so dünnen Füßen wird der nie ein guter Skifahrer." Halke-Teichmann: Gott sei Dank, dass das nie passiert ist. Wasmeier: Ja, ich hatte zum Glück einen Trainer, der sich für mich eingesetzt und gesagt hat: "Das könnt ihr nicht machen! Der Wasmeier hat das meiste Talent von allen! Wenn der eines Tages mal Kraft haben wird, dann wird er auch nach vorne fahren!" Gott sei Dank bzw. dem Leismüller Sepp sei Dank. Halke-Teichmann: Markus, Sie haben mir in unserem Vorgespräch erzählt, dass Sie als Kind eigentlich übersensibel gewesen sind und dass das Skifahren für Sie letztlich auch so etwas wie Therapie bedeutet hat. Können Sie das ein bisschen näher erklären? Wasmeier: Ich war insofern ein bisschen sensibel, als ich damals in der Grundschule, wenn der Unterricht zu Ende war, Dinge gemacht habe, die die anderen überhaupt nicht interessiert haben. Das heißt, ich war beim Bergsteigen, beim Klettern, beim Skifahren. Das war meinen Schulkollegen alles total fremd. Halke-Teichmann: Und das in Bayern? Wasmeier: Na ja, die hat es ja noch nicht einmal interessiert, wie das ist, wenn man von unserem Hausberg runterschaut, wie unser Dorf von dort oben ausschaut. Das hat die alles nicht interessiert. Ich war aber immer so emotional und wollte das denen vermitteln. Das hat aber dazu geführt, dass ich deswegen immer nur gehänselt worden bin. Das war so schrecklich, dass ich mit acht, neun Jahren fast jeden Tag weinend nach Hause gekommen bin. Es hat mich innerlich einfach so getroffen, dass ich für die anderen praktisch immer ein gefundenes Fressen war, weil ich immer sofort reagiert habe: Ich bin immer gleich aufgebraust. Das war das Problem. Wenn man auf diese Art und Weise mal in den Fokus gerät, dann können Kinder und Jugendliche schon grausam werden. Halke-Teichmann: Letztlich haben Sie es dann aber allen gezeigt. Sie waren ja wirklich mit einem außergewöhnlichen Potenzial ausgestattet: Das beweist ja alleine schon Ihr Einsatz bei der Premiere im Weltcup, als Sie 19 Jahre alt waren. Sie besaßen aber weitaus mehr als Talent. Was hat denn eigentlich den erfolgreichen Skifahrer Markus Wasmeier ausgezeichnet? Wasmeier: Oh, das ist schwer zu sagen. Ich glaube, man muss in seinem Sport schon auch ein wenig fanatisch sein und man muss ein gesundes Selbstbewusstsein haben, also nicht dieses überhebliche Selbstbewusstsein, sondern einfach nur das Selbstbewusstsein, dass man das kann, dass man sich das auch selbst zutraut. So ungefähr mit 14 Jahren habe ich mich dann ja schon dazu entschieden, das mit dem Skifahren professionell betreiben zu wollen. Ich habe aber immer alleine trainiert. Das heißt, wenn Konditionstraining anstand – das war über die ganze Zeit meiner aktiven Karriere so –, dann stand ich immer alleine in den Turnschuhen. Manche andere Sportler können das überhaupt nicht, die brauchen immer Partner oder eine Mannschaft, damit sie sich überwinden können. Denn beim Training ist ja nicht jeder Tag ein schöner Tag. Aber für mich war das normal: Ich habe es genossen, das alleine durchzuziehen. Und das ist vielleicht doch auch etwas außergewöhnlich. Halke-Teichmann: Ich glaube, Sie können sich auch unglaublich gut auf ein Ereignis fokussieren. Und wenn Sie sich ein Ziel gesetzt haben – ich glaube, da sind Sie sehr von Ihrem Vater geprägt –, dann haben Sie dieses Ziel auch verfolgt, und zwar egal, wie hart der Weg dorthin war, wie sehr Sie sich dafür quälen mussten. Wasmeier: Ich weiß nicht so genau. Ich habe von meinen Eltern natürlich schon diese gesunde Einstellung mitbekommen, vor allem habe ich von ihnen mitbekommen, dass ich in der Zeit, als ich aktiver Sportler gewesen bin, meine Ruhe hatte, wenn ich mal zu Hause gewesen bin. Ich musste, wenn ich zu Hause war, mit ihnen nicht auch noch darüber diskutieren. Man muss sich ja vorstellen, dass man als Skirennläufer 300 Tage im Jahr unterwegs ist. Und wenn man dann mal ein paar Tage zu Hause ist, dann will man ja nicht nur seine Wäsche wechseln, sondern will auch erfahren, was zu Hause passiert ist. Meine Familie war immer meine Insel, in der ich Kraft tanken konnte. Das Ziel dabei habe ich nie irgendwie aus den Augen verloren bzw. ich habe immer gewusst: Ich kann das, ich habe das drauf! Das habe ich immer gespürt. Wenn man dieses Gefühl nämlich verliert, dann brächte man auch dieses notwendige Engagement nicht mehr auf. Halke-Teichmann: Sie sprachen gerade an, wie wichtig es Ihnen war, zu Hause zu sein und dort auch Liebe und Geborgenheit zu erfahren und mit den Kumpeln aus dem Ort soziale Kontakte zu pflegen. Wie sind Sie denn eigentlich erzogen worden? Was haben Ihnen Ihre Eltern mit auf den Lebensweg gegeben? Denn Sie sind ja ein unglaublicher Optimist. Wasmeier: Dazu muss ich sagen, dass ich eigentlich gar keine Kumpel hatte. Ich hatte eigentlich nur in der Mannschaft Freunde bzw. später auch Freunde in den Mannschaften der anderen Nationen. Das war ja das, was ich vorhin gesagt habe: Ich hatte keine Schulfreunde! Das waren zwar meine Schulkollegen, aber Freunde sind das nie geworden. Darum hat eigentlich eher meine Mutter eine sehr dominierende Rolle gespielt. Sie war mein Freund, mein Spezl: Ich bin mit ihr mit 14, 15, 16 Jahren immer wieder zwei, drei Wochen mit dem Rucksack unterwegs gewesen und wir sind in den Dolomiten bis zum 6. Schwierigkeitsgrad wirklich auf jeden Berg gekraxelt. Sie war diejenige, die bei solchen Unternehmungen immer Ja gesagt hat und sofort mit dabei war. Ich war da als Einzelkind wirklich sehr stark Mama- und Papa-bezogen. Halke-Teichmann: So eine Mutter-Sohn-Beziehung kommt ja des Öfteren vor. Wasmeier: Ja, das kommt öfter vor. Sie war jedenfalls die "Verrückte", die von Anfang mit mir solche Sachen gemacht hat. Als ich ein kleines Kind war, ist sie mal auf einen Baum geklettert. Ich selbst war noch so klein, dass ich es nicht geschafft habe, auf den Baum zu klettern. Und irgendwann kamen dann Leute vorbei und meinten zu mir: "Ja Bua, bist ganz allein im Wald? Wo sind denn deine Eltern?" Da habe ich nur gesagt: "Meine Mama ist dort droben im Baum!" Daran sieht man, dass meine Mutter eben nicht nur meine Mama gewesen ist, sondern ein Spezl, der wirklich jeden Blödsinn mitgemacht hat. So hat sich das gar nicht ergeben, dass ich Freunde gebraucht hätte. Ich habe immer alles mit meinen Eltern zusammen gemacht. Halke-Teichmann: Kommen wir zurück zu Ihrer Karriere, die dann ja blitzartig nach oben ging. Bereits in Ihrer zweiten Weltcupsaison errangen Sie Ihren Ersten von sage und schreibe 39 Podestplätzen. Und ein Jahr später, bei Ihrer WM- Premiere im Jahr 1985 in Bormio, wurden Sie auf Anhieb Weltmeister. Sie hätten diesen Weltmeistertitel fast verpennt, weil Sie zu spät zum Start gekommen sind. Wasmeier: Damals hat es im Weltcup noch diese Regel gegeben, dass die Startlisten immer nur am Ende eines Quartals erneuert worden sind. So kam es, dass ich die ganze Zeit bis zur WM Anfang Februar 1985 mit Startnummer 30 an den Start gegangen bin.