1999/2000 Hyosong Gu KAMPF UND BEWEGUNG
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KAMPF UND BEWEGUNG Eine kulturhistorisch-bewegungstheoretische Analyse am Beispiel des ostasiatischen Kampfsports Hyosong Gu Dissertation beim Fachbereich Sportwissenschaft der Universität Hamburg WS 1999/2000 Hyosong Gu KAMPF UND BEWEGUNG Eine kulturhistorisch-bewegungstheoretische Analyse am Beispiel des ostasiatischen Kampfsports Hyosong Gu Danksagung 述以不作. “Ich habe vieles geschrieben, aber neues geschaffen habe ich nicht.” Das Wort von Kongzi 孔子 ist jedoch keine bloße bescheidene Anmerkung eines der größten Philosophen aller Zeiten, sondern vielmehr war es seine Art, Kreativität auszudrücken. Es ist gleichzeitig eine gewichtige Kritik an alle Gelehrten: “Was Ihr gedenkt selbst geschaffen zu haben, ist eigentlich nicht von Euch!” Für diese Arbeit habe ich große Hilfe aus verschiedenen wissenschaftlichen Werken bezogen, ohne die meine Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Besonders dankbar bin ich den Professoren im Fachbereich Sportwissenschaft der Universität Hamburg. Ich habe mich nicht einmal gezögert, sie zu stören, um meinen ‘Bedarf’ zu erfüllen. Jedesmal wurde ich mit ideenvollen Ratschlägen überschüttet. Sie haben an Energie/Bemühung nicht gespart, um einem unsicher stehenden Lehrling einen Weg zu weisen. Die Hilfeleistung von Prof. H. Tiwald hat mir in der wichtigsten Phase der Arbeit entscheidenden Auftrieb gegeben. Ich brauche nicht zu erzählen, wie wohltuend seine kritischen Ratschläge gewesen waren. Wegen meiner mangelhaften deutschen Sprache war es notwendig, die Arbeit zum Lesen abzugeben. Viele Freunde waren bereit und haben sich mit großem Interesse und Spaß an der Korrekturarbeit beteiligt, durch die meine Dissertation kreativ betreut wurde. In der letzten Zeit zur Promotion hat ein Mensch alles gegeben, um mir die Möglichkeit zu gewähren, mich möglichst ungehindert auf die Arbeit zu konzentrieren. Ich finde kein richtiges Wort für meine Frau. Diese Dissertation ist auch Ihr Verdienst. Noch eine Tatsache, die ich nicht vergessen darf, ist die freundliche Unterstützung der Friedrich Naumann Stiftung (FNS). Ihre finanzielle Hilfe hat mir eines der größten Grundprobleme genommen. 述以不作 - Ich habe diese Dissertation geschrieben, die eigentlich von vielen Menschen geschaffen wurde. Bremen, Jan. 2000 Hyosong Gu 1 Inhaltsverzeichnis Danksagung 1 Inhaltsverzeichnis 2 Einleitung 4 I Anthropologische Aspekte des Kampfsports 8 1 Faktoren, die Kämpfen ermöglichen 8 1.1 Leben und Überleben 8 1.2 Bewußtsein 10 1.3 Ego und Umwelt 15 2 Körper 17 2.1 Körper-Seelen-Komplex 19 2.1.1 Seelenvorstellung 22 3 Kampfsport 32 3.1 Kung Fu - Kampfsport? 32 3.2 Über Ki? 35 3.3 Ki und Kampfsport 45 3.4 Kampfsport - eine Art Bekleidung, bewußte Handlung 47 3.5 Kampf, Aggression und Kampfsport 49 4 Aggression 51 4.1 Raubtier Mensch? 55 4.2 Menschliche Aggression als Jagdinstinkt? 57 4.3 Jagender Mensch 67 4.4 Eigendynamische Evolution 70 5 Kampfsport und Aggression als Selbstausdruck 73 5.1 Kampfsport - eine Kulturgeschichte 76 5.2 Vom Kampf zum Kampfsport 80 5.3 Rituelle Kämpfe 87 2 II Kampfsport - Bewegungsprinzipien 96 6 Kampfsport - Bewegungskunst 96 7 Prinzipien der Bewegung 101 7.1 “Kräftige” Kämpfer 101 7.1.1 Beugen und Strecken 102 7.1.2 Verbesserung der Kräftigungstechnik 108 Bogenschießen 108 Boxen 112 7.2 Kräftigung im Kampfsport - Jin 118 7.3 Kombination von Bewegungen und Kraft 123 7.3.1 Hauptbewegung und Hilfsbewegung 123 7.3.2 Entspannte Spannung und Drehmoment der Bewegung 125 7.3.3 Explosion der Energie und Impuls der Bewegung 126 7.3.4 Aktion und Reaktion des Körpers als Energieprinzip 133 7.3.5 Koordination der Muskelarbeit 136 7.4 Rotation des Körpers - Chansí 139 7.5 Entspannter Körper 143 7.6 Übertragung der gegebenen Energie auf den Zielbereich 145 7.7 Kurze Zusammenfassung 148 8 Übungsform bei den asiatischen Kampfsportarten 149 8.1 Form und Qigong 150 8.2 Was ist Form? 155 8.3 Nützlichkeit der Formübung 159 9 Sport und Kultur 161 III Schlußbetrachtung 163 Literaturverzeichnis 170 Lebenslauf 178 3 Einleitung Dem asiatischen Kampfsport ist in Deutschland bereits ein eigenes Kapitel in der Sportgeschichte gewidmet. Die Kampfsportarten wie Karate, Judo, Taijiquan, Kung Fu oder Taekwondo sind mittlerweile keine Fremdwörter mehr. Je größer die Beliebtheit wird, desto mehr wächst auch der Orientierungsbedarf in diesen Sportarten. Es wurden und werden viele Bücher über die jeweiligen asiatischen Kampfsportarten geschrieben und Filme produziert. Trotzdem wird es immer schwieriger, gewünschte Informationen aus der Lawine von Büchern herauszufiltern. Im Vergleich zu der Menge der Information findet man erstaunlich wenig Orientierung. Sicherlich ist es nicht einfach, eine fremde Kultur in die eigene Sprache zu übersetzen und zu verstehen. Was mich aber überrascht, ist, daß viele Bücher über asiatischen Kampfsport vage Informationen liefern, die der eigentlichen Orientierung mehr im Wege stehen als ihr förderlich sind. Manche definieren keinen klaren historischen Hintergrund, manche indoktrinieren die Leser anhand ihrer Beschreibungen oft zu einer blinden Begeisterung und gleichzeitig sogar zu der Vorstellung, daß asiatischer Kampfsport hauptsächlich mystisch sei. Dies ist besonders offensichtlich, wenn der Begriff Ki (oder Qi) 氣 als Grundenergie des Sports zur Rede kommt. Wenn man asiatische Sportarten und ihre Hintergründe genauer betrachtet, ist es nicht so schwer zu sehen, daß sie nicht anders als andere Sportarten sind. Sie haben nur andere Bewegungsmuster, wie Fußball eben anders ist als Volleyball. Aber ihre Bewegungsprinzipien sind genauso gut zu erklären wie die sonstigen Bewegungsarten. Die Tatsache, daß die asiatischen Kampfsportarten andere Bewegungsmuster haben, hat jedoch das Verstehen erschwert. Sicherlich beruht dies nicht nur auf deren Fremdartigkeit, sondern auch auf der Vorstellung, daß exotische Kulturen in irgendeiner Weise anders sein müssen. Solch ein ideales Vorurteil hat den Menschen in den meisten Fällen zum Glauben geführt, daß die asiatische Bewegungskultur anders wäre. Selbstverständlich sind asiatische Kampfsportarten in irgendeiner Weise anders, müssen jedoch nicht deswegen unverständlich wirken oder mystisch verklärt werden. In dieser Arbeit wird versucht, einen Einblick in die Welt des Kampfsports zu geben, wobei auch klar werden soll, daß Kampfsport und seine Phänomene rational erklärbar sind. Meine Absicht ist es dennoch dabei nicht, die Fantasiewelt des Kampfsportes durch eine physikalische Betrachtungsweise aus dem Leben zu verdrängen. 4 Diese Arbeit will aufzeigen........ : * zuerst, welche Faktoren das Phänomen “Kampf” ermöglichen. Lange wurde von der These ausgegangen, daß der Kampfsport zum Töten anderer Menschen entstanden sei. Als Grund dafür wurde angegeben, daß der Kampfsport nicht selten Techniken enthält, mit denen man den Menschen töten kann. Es sei, so manche Theoretiker, die in der Evolutionsgeschichte angeeignete Jagdgewohnheit, die den Menschen aggressiv mache (D. Morris) oder auch der im Menschen angeborene Trieb (K. Lorenz). Es wird der Versuch unternommen, diese gängigen Thesen anhand der anthropologischen Fakten und Analysen in Frage zu stellen und zu überprüfen. * daß der Kampfsport als ein human rücksichtsvolles Spiel entstanden ist; Es wurde oft behauptet, daß Kampfsport gezwungenermaßen mit Aggression verbunden ist, die eine Destruktivität hervorruft. Die zum Überleben notwendige Aggression, die den Kampfsport prägt, ist jedoch etwas anderes als die sog. Aggression der westlichen Psychologie, die den mit Angst, Haß, Wut und Gier besetzten Kampf zu ihrem Begriff "Aggression" erhoben und zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht hat. Zudem ist diese destruktive Aggression nicht a priori im Menschen angeboren, wie manche Wissenschaftler behaupten. (Vgl. Fromm, Erich: Anatomie der menschlichen Destruktivität) Selbst die zum Überleben notwendige Aggression reicht nicht aus, den Ursprung und derzeitigen Zustand des Kampfsports zu klären. Während diese Art Aggression mit dem Begriff Natur verbunden ist, will diese Arbeit darauf hinweisen, daß der Kampfsport erst mit der Entwicklung des Kunstsinns des Menschen möglich geworden ist, daß die dazu gehörenden Techniken nicht mit der Absicht zum Töten anderer Menschen, sondern in spielerischer Form entwickelt und systematisiert wurden. * daß Ki (Qi) 氣 - die oft mißverstandene Energie - nicht mystisch anzusehen ist. Die Arbeit will einen Beitrag zur Erkenntnis jener Wirkungen leisten, die oft vorschnell einer mystischen Kraft, die angeblich ohne Muskelaktivität direkt mechanisch nach außen wirke, zugeschrieben werden. * daß die Entwicklung der Bewegungen, insbesondere der des asiatischen Kampfsports, die Tendenz zeigt, Streckbewegungen des Körpers und somit auch überwiegend die Streckmuskeln zum Einsatz zu bringen. 5 Der japanische Kampfsportforscher Yoshimaru beschreibt in seinem Buch “Wissenschaft der Fajin”, daß die Bewegungskultur in zwei Kategorien geteilt werden kann, nämlich “Beugekörper- und Streckkörperkultur”. Dies wird in dieser Arbeit als Leitfaden genommen. Wie allgemein bekannt, wird der Körper durch Lebensgewohnheiten im Alltag stark beeinflußt. Der entscheidende Grund der von ihm genannten zwei Kategorien ist die Benutzung des Stuhls im Alltag. Für diejenigen, die ihr Leben auf dem Boden führen, kommt es zwangsmäßig zur Beugekörperhaltung, weil es für sie sehr mühsam ist, den Rücken gerade zu strecken. Diejenigen aber, die das Alltagsleben auf dem Stuhl verbringen, haben es viel leichter, den Rücken zu strecken, was die Bewegungsführung positiv beeinflußt. Auf dieser These basierend will ich zeigen: - daß in der