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MainSeite 63.593 Raffael Santi 3'315 Wörter, 22'357 Zeichen Raffael Santi, auch Rafael, (ital. Raffaello), irrtümlich Sanzio,ital. Maler, geb. 1483 zu . Der Geburtstag selbst ist streitig: je nachdem man die vom Kardinal Bembo verfaßte Grabschrift R.s deutet, welche besagt, er sei «an dem Tage, an dem er geboren war, gestorben» («quo die natus est eo esse desiit VIII Id. April MDXX», d. i. 6. April 1520, damals Karfreitag), setzt man den Geburtstag auf den 6. April oder auf den Karfreitag, d. i. 28. März 1483, an. Seine erste künstlerische Unterweisung dankte er dem Vater (s. d.), den er jedoch bereits im 12. Jahre verlor, sodann einem unbekannten Meister in Urbino, vielleicht dem , mit dem er auch später enge Beziehungen unterhielt. Erst 1499 verließ er die Vaterstadt und trat in die Werkstätte des damals hochberühmten Malers Perugino (s. d.) in Perugia. Das älteste Datum, welches man auf seinen Bildern antrifft, ist das Jahr 1504 (auf dem «Sposalizio», s. unten); doch hat er gewiß schon früher selbständig für Kirchen in Perugia und in Città di Castello gearbeitet. 1504 siedelte Raffael Santi nach Florenz über, wo er die nächsten Jahre mit einigen Unterbrechungen, die ihn nach Perugia und Urbino zurückführten, verweilte. In Florenz war der Einfluß Leonardos und Fra Bartolommeos auf seine künstlerische Vervollkommnung am mächtigsten; von jenem lernte er die korrekte Zeichnung, von diesem den symmetrischen und dabei doch bewegten Aufbau der Figuren. Als abschließendes künstlerisches Resultat seines Aufenthalts in Florenz ist die 1507 für San Fancesco in Perugia gemalte Grablegung zu betrachten (jetzt in der Galerie Borghese zu Rom). Auf Bramantes Veranlassung wurde er dann 1508 vom Papst Julius II. nach Rom berufen. Dort schmückte er im Vatikanischen Palast eine Reihe von Prunkgemächern, die sog. Stanzen, sowie die anschließenden Loggien mit berühmt gewordenen Darstellungen. R.s Ruhm verbreitete sich weithin. Von den Päpsten Julius II. und Leo X. wurde er mit Aufträgen überhäuft, für König Franz I. von Frankreich und andere Große war er thätig, eine große Zahl von Schülern schloß sich ihm an, und zu diesen Künstlerehrungen kam eine außerordentlich glänzende Stellung. Von schönen, milden Gesichtszügen, die jugendliche schlanke Gestalt in prächtige Gewänder gekleidet, hatte Raffael Santi mehr das Aussehen eines Fürsten als eines Malers; seine liebenswürdige Persönlichkeit und sein heiteres, angenehmes Wesen, das seine Zeitgenossen nicht genug preisen können, stand in schroffen Gegensatz zu dem finstern, verschlossenen, grübelnden Wesen seines größten Nebenbuhlers Michelangelo, von dem er auch seiner Kunstrichtung nach so sehr verschieden war. In den letzten fünf Jahren seines Lebens war er noch oberster Leiter des Baues der Peterskirche, und neben architektonischen Studien nahmen ihn noch archäol. Untersuchungen in Anspruch. Er studierte den Vitruv, und um die alten Denkmäler selbst auf sich wirken zu lassen, kam er auf den Gedanken, das ganze alte Rom aus dem Schutt der Jahrhunderte wieder an das Tageslicht zu fördern. Ein Breve des Papstes Leo X. machte ihn zum Konservator der Denkmäler 10 Miglien weit im Umkreis von

0593a mehr Rom. Während seine Sorge, das alte Rom wieder zum Leben zu erwecken, Papst und Römer begeisterte, führte ihn selbst eine Krankheit in einen allzu frühen Tod. Er zog sich ein Fieber zu und starb nach kurzem Krankenlager am Karfreitag (6. April) 1520, genau 37 J. alt. Sein Leichnam wurde im Pantheon beigesetzt. Als die Gruft 1833 geöffnet wurde, fand man seine Gebeine noch ziemlich wohl erhalten. Raffael Santi war nicht vermählt, jedoch verlobt mit Maria Bibbiena, der Nichte des gleichnamigen Kardinals, die noch vor ihm starb. R.s umfassende Thätigkeit als Freskomaler begann erst mit seiner Übersiedelung nach Rom. Dort schmückte er vor allem im Vatikan drei Zimmer und einen größern Saal, die in einer Flucht liegenden sog. Stanzen, mit geschichtlich-symbolischen und biblischen Wand- und Deckengemälden. (Vgl. Gruyer, Essai sur les fresques de Raffael Santi au Vatican, 2 Bde., Par. 1858-59.) In ihrer ganzen Größe ist die Aufgabe erst allmählich an den Künstler herangetreten. Ursprünglich beabsichtigte Julius II. nur eine mäßige Ausschmückung der Räume und übergab dieselbe Malern aus Umbrien und Siena, wie Perugino, Sodoma u. a. In die Reihe derselben trat, wahrscheinlich durch seinen Lehrer Perugino eingeführt, der junge Raffael Santi; schon nach Fertigstellung der ersten Fresken zeigte es sich, daß Raffael Santi alle Genossen an künstlerischer Begabung übertraf, infolgedessen ihm die Arbeit ausschließlich überlassen wurde. Ihr weihte er fortan (1508-20) sein Leben, vollendet wurde sie erst von seinen Schülern. Im ersten Zimmer, der Stanza della Segnatura (1508-11 ausgemalt), schildert Raffael Santi, an die Anschauungen der anknüpfend, die Mächte, welche das Geistesleben bewegen und das menschliche Dasein ordnen, und führt uns die

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Gemeinden, die diesen Mächten huldigen, vor Augen. An der Decke stellte er die Mächte selbst: Theologie, Poesie, Philosophie und Jurisprudenz in Rundbildern dar und dazwischen in oblongen Feldern Beispiele ihres Waltens: Sündenfall, Bestrafung des Marsyas, Erforschung der Welt, Salomos Urteil. Auf den großen Wandbildern treten uns die Gemeinden, welche diese Ideen auf Erden verkörpern, entgegen. In der sog. Disputa (keine Disputation über die Abendmahlslehre, sondern eine Verherrlichung des christl. Glaubens) die christl. Gemeinde der Gläubigen um den Altar bei geöffnetem Himmel geschart (gestochen von Jos. Keller, 1859); im Parnaß die Dichter alter und neuer Zeit um Apollon und die Musen versammelt. Die sog. Schule von Athen (den Karton dazu bewahrt die Ambrosianische Bibliothek zu Mailand: Kupferstich von L. Jakoby, 1882) zeigt die Vertreter der Wissenschaft, vorwiegend griech. Philosophen, von Platon und Aristoteles geführt, wie sie lehren und unterweisen. In dem Bilde hat sich Raffael Santi selbst, von rechts mit Perugino in die Versammlung tretend, dargestellt. Vertreter der Jurisprudenz sind Papst und Kaiser, wie sie den Befehl zur Abfassung der Gesetzbücher erteilen. In dem zweiten Zimmer, der Stanza d?Eliodoro (1512-14 ausgemalt), beziehen sich die Wandbilder auf den unmittelbaren Beistand, den Gott der Kirche geleistet. Das erste derselben, das dem ganzen Raum den Namen gegeben, schildert mit wunderbarer Kraft des Ausdrucks die Vertreibung des Heliodorus aus dem Tempel zu Jerusalem durch einen himmlischen Reiter (Makkab. 2,3), mit innerer Beziehung auf die Befreiung des Kirchenstaates von seinen Feinden zur Zeit Papst Julius? II. Ferner ist hier dargestellt: die 1263 stattgefundene Messe von Bolsena (s. d.), dem ungläubigen Priester gegenüber die Porträtfigur Julius? II., in Bezug auf Malerei wohl das vollendetste Fresko R.s; Abwehr Attilas von Rom durch Leo I. 452, mit Beziehung auf die Vertreibung der Franzosen aus Italien nach der Schlacht bei Novara 1513 (Leo I. mit den Zügen des Papstes Leo X.), Befreiung Petri aus dem Gefängnis durch den Engel (in drei Abteilungen). Die sehr beschädigten Deckenbilder stellen vier Scenen aus dem Alten Testament dar (entsprechend der obigen Reihenfolge der Wandbilder): Jehovah erscheint dem Moses im feurigen Busch, Opferung Isaaks, Jehovah erscheint Noah, Jakobs Traum von der Himmelsleiter. Im dritten Zimmer, Stanza dell?Incendio nach dem Hauptbild genannt (1514-17 ausgemalt), werden Ereignisse aus der Zeit der Päpste Leo III. und IV. vorgeführt. Die in Bezug auf dramat. Lebendigkeit bedeutendste Komposition von R.s Fresken im Vatikan ist: Der Brand des Borgo 847 (eine im Vatikanischen Quartier, dem Borgo, ausgebrochene Feuersbrunst wird von Papst Leo IV. durch das Kreuzeszeichen von der Loggia der Peterskirche herab gelöscht), einer Schilderung des Brandes von Troja vergleichbar (vorn anscheinend Äneas mit seinem alten Vater auf dem Rücken). Das Gemälde wurde noch eigenhändig von Raffael Santi geschaffen: die übrigen Gemälde desselben Saales: Eid Leos III. vor Karl d. Gr., Kaiserkrönung Karls d. Gr. durch Leo III., Sieg Leos IV. über die Saracenen bei Ostia, wurden nach seinen Entwürfen und unter seinen Augen ausgeführt. Die Fresken in der vierten Stanze, dem sog. Saale des Konstantin, die Begebenheiten aus dem Leben dieses Kaisers (insbesondere die Schlacht Konstantins d. Gr. gegen Maxentius) darstellen, sind erst nach R.s Tode, zumeist von seinem Schüler G. Romano, in Farben ausgeführt, ja teilweise erst entworfen worden. Eine andere große Arbeit, die Leo X. dem Künstler noch auftrug, war die Ausschmückung der Loggien (s. Loggia) im Vatikan, die den sog. Hof des heil. Damasus umgeben. Nur im zweiten Stockwerk des westl. Teils hat Raffael Santi die 13 Arkaden desselben an ihren gewölbten Decken mit 52 (13 X 4) kleinen viereckigen Freskobildern aus der Bibel, besonders dem Alten Testament, an ihren Wänden und Pfeilern aber mit Ornamenten und Arabesken höchst mannigfaltig und phantasiereich geschmückt. Im Entwurf rührt das meiste von ihm her; die Ausführung überließ er seinen Schülern G. Romano, Franc. Penni, Perino del Vaga, Caldara u. a. Ein noch bedeutenderes Werk R.s sind die großen in Wasserfarben 1515-16 ausgeführten Kartons, nach denen in Brüssel Gobelintapeten gewirkt wurden, die an Festtagen den untern Teil der Wände der Sixtinischen Kapelle schmücken sollten. Die Gegenstände, die Raffael Santi zu denselben aus der Apostelgeschichte wählte, sind: die Steinigung des Stephanus, die Bekehrung des Paulus, die Befreiung des Paulus aus dem Gefängnisse zu Philippi, der wunderbare Fischzug Petri, Petrus empfängt von Christus die Himmelsschlüssel, die Heilung des Lahmen, der Tod des Ananias, Bestrafung des Elymas mit Blindheit, Paulus und Barnabas in Lystra, die Predigt des Paulus in Athen. Sieben Originalkartons (die letzten sieben der angeführten Reihenfolge) befinden sich seit 1865 im 0594a mehr South-Kensington-Museum in London (früher in Hampton-Court; im Anfang des 19. Jahrh. gestochen von Th. Holloway). Für den Altar komponierte er eine Krönung Mariä, die gleichfalls in Flandern gewebt wurde. Die ganze Folge der Tapeten, die zuerst am Stephanstage (26. Dez.) 1519 in der Sixtinischen Kapelle an den Wänden prangten, ist seit 1814 in einem besondern Zimmer (Galleria degli Arazzi) des Vatikans aufgehängt. Wiederholungen der Teppiche befinden sich unter anderm in den Museen zu Berlin

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(1844 angekauft; das zehnte Stück: Paulus im Gefängnis, fehlt) und in Dresden (seit 1723, jedoch nur 6 Stück). Außer diesen monumentalen Arbeiten für die Päpste übernahm N. auch solche für Privatpersonen. Agostino Chigi, der Bankier des Papstes Julius II., hatte in zwei Kirchen Roms Kapellen bauen lassen und deren künstlerische Ausschmückung Raffael Santi übertragen. In der einen, der von Sta. Maria della Pace, malte Raffael Santi 1514 die Gestalten der vier Sibyllen (die persische, phrygische, von Cumä, von Tibur), in Bezug auf Schönheit der Linien eine seiner größten Leistungen. In Sta. Maria del Popolo, der andern Kirche, aber gab er selbst die Architektur der Kapelle an und fertigte die Entwürfe zu den Gemälden in der Kuppel, die die Erschaffung der sieben Planeten darstellen und von Aloisio della Pace 1516 in Mosaik ausgeführt wurden. Um dieselbe Zeit führte er (1514) in der Villa desselben Kunstfreundes, der sog. Farnesina (s. d.), in dem kleinern Hallenraum ein Wandbild: Triumph der (gestochen von Richomme, 1820) aus und schuf (1518-20) für die Decke der Haupthalle dieses Gebäudes die Entwürfe von 12 reizenden Darstellungen aus der Erzählung von Amor und Psyche (in Photographien mit Text von C. F. Waagen bei der Photographischen Gesellschaft in Berlin), von seinen Schülern G. Romano und Franc. Penni ausgeführt. Unter R.s Tafelbildern nehmen die Madonnenbilder den ersten Rang ein. (Vgl. Gruyer, Les Vierges de Raffael Santi et l?iconographie de la Vierge, 3 Bde., Par. 1869.) Wenn auch von einzelnen der erhaltenen Gemälde nicht sicher ist, ob sie wirklich von R.s Hand herrühren, so bleibt doch die Thatsache bestehen, daß kein Maler vor ihm noch nach ihm so vielmals und in so anmutiger, tiefsinniger, künstlerisch vollendeter Weise die heil. Jungfrau und ihr Verhältnis zum Jesuskinde, das Ideal reinster Mutterliebe, dargestellt hat. Die frühesten Madonnenbilder sind: die sog. Solly (etwa 1502; Museum in Berlin), eine Madonna zwischen dem heil. Hieronymus und Franziskus (ebd.), die für Perugia gemalte Madonna Connestabile (um 1503; Eremitage in Petersburg); ebenso wie diese erinnern auch die in Florenz (um 1504) entstandenen Gemälde: (Palast Pitti in Florenz), Madonna della Casa Diotalevi (Museum in Berlin) sowie das Rundbild der sog. Madonna des Herzogs von Terranuova (ebd.) noch an seine Lehrzeit bei Perugino. Als Gastgeschenk für Taddeo Taddei in Florenz malte er zwei Madonnenbilder, vermutlich die Madonna im Grünen (im Hofmuseum zu Wien) und die sog. Madonna mit der Fächerpalme (im Besitz des Lord Ellesmere in London); bei beiden (um 1506) sieht man die Einflüsse Peruginos und Leonardos sich verschmelzen. Dieselbe Komposition wiederholt sich in der , d. i. mit dem Stieglitz (Uffizien zu Florenz), und in La belle Jardinière (Louvre zu Paris; Stich von Desnoyers, danach Heliogravüre 1894). Die sog. Heilige Familie aus dem Hause Canigiani (Alte Pinakothek in München) ist ein symmetrisch komponiertes Gruppenbild, aus dessen obern Ecken einst, vor einer sog. Restauration, Engelchen herabblickten. Indessen zeigen die meisten dieser Kompositionen noch kein rechtes Verhältnis der Mutter zu dem Kinde; Maria liest andächtig in einem Buche oder hält dasselbe in Händen. In der Madonna aus dem Hause Colonna (Museum in Berlin) ist es schon die Mutter, die sich im Lesen unterbricht dem Kinde zu Liebe, das nach ihrer Zärtlichkeit verlangt. In der Madonna Tempi (Münchener Pinakothek) aber bricht die Mutterliebe mit aller Innigkeit hervor; sie herzt das Kind und drückt es an sich. Dieses Motiv tritt jetzt, von Raffael Santi vielfach variiert, in den Vordergrund; man findet es in der Madonna Niccolini (1508; im Besitz des Lord Cowper in England), der Bridgewater-Madonna (1512; London, Bridgewater-House) u. a. Ein anderes öfters von Raffael Santi behandeltes Motiv tritt während seiner röm. Periode in der Vierge au diadème (im Louvre zu Paris) auf: Maria hebt den Schleier, um das schlafende Jesuskind dem kleinen Johannes zu zeigen. Dieses Bild sowie die Madonna Alba (Eremitage zu Petersburg) und Madonna Aldobrandini (Nationalgalerie in London) bereiten den Übergang zu einem ungleich großartigern Stil vor, der zum erstenmal in der verklärten Erscheinung der thronenden Gottesmutter mit Heiligen, der Madonna di Foligno (1511) deutlich hervortritt. Letzteres Gemälde befand sich ursprünglich auf dem Hochaltar der Kirche Sta. Maria in Aracoeli auf dem Kapitol, kam dann nach Sta. Anna delle Contesse in Foligno und ist jetzt in der Gemäldegalerie im Vatikan (Radierung von J. L. Raab). Auch die Madonna del Pesce, d. i. mit dem Fisch, ursprünglich für die Dominikanerkirche zu Neapel gemalt, jetzt im Prado-Museum zu Madrid, ist ein solches Gnadenbild. Mehr Familienbilder sind wieder die (Pinakothek in München; gute Kopie in der Turiner Pinakothek), die Madonna col divino amore (Nationalmuseum in Neapel) und die Madonna dell?impannata, d. i. mit dem Tuchfenster (Palast Pitti in Florenz). Auch die von Raffael Santi entworfene, von Schülern ausgeführte sog. Große heilige Familie (1518; im Louvre) sowie die sog. La Perla (1518 für den Herzog von Mantua gemalt, jetzt im Prado-Museum zu Madrid) zeigen gemütvolle Familienscenen, während in der berühmten Madonna della Sedia (Palast Pitti in Florenz; gestochen u. a. von Raffael Santi Morghen [1793], von J. G. von Müller [1804] von Mandel [1865] und von Burger [1882]) der reinste Ausdruck der Mütterlichkeit und Liebe zur Geltung kommt.

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Als die Krone R.scher Madonnenbilder, ja der Malerei steht die Madonna di San Sisto oder Sixtinische Madonna da: Maria, das Jesuskind im Arm, auf Wolken schwebend, nebst dem heil. Sixtus (II.) und der heil. Barbara, die höchste Verklärung der Jungfrau als Himmelskönigin, von unaussprechlicher Schönheit und Hoheit der Erscheinung. Das 2,65 m hohe, 1,96 m breite Bild, von Raffael Santi wahrscheinlich 1515 für die Klosterkirche der Benediktiner in Piacenza gemalt, wurde 1753 für 60000 Thlr. vom sächs. Hofe angekauft und ist jetzt das Juwel der Dresdener Galerie. (Hierzu die beiden Tafeln: Sixtinische Madonna, Mittelbild und mehr Gesamtbild.) In Kupferstich wurde die Sixtina reproduziert u. a. von Fr. Müller (1815), M. Steinla (1847), Jos. Keller (1871), Ed. Mandel (1880), Kohlschein (1894); das Brustbild in Radierung von Unger (1893); in Heliogravüre bei Hanfstängl in München und der Photographischen Gesellschaft in Berlin. An die Madonnenbilder R.s schließen sich seine sonstigen Tafelbilder aus der biblischen und Heiligengeschichte. Für die Kirche San Francesco in Città di Castello malte Raffael Santi bereits 1504 das sog. Sposalizio, d. i. Vermählung der Maria mit Joseph (dort bis 1798, jetzt in der Brera zu Mailand; gestochen von Raffael Santi Stang, 1873). Eine wunderbare Verherrlichung der Musik, zugleich ein Meisterstück von Komposition und Farbenharmonie, ist die heil. Cäcilia, von vier Heiligen (Apostel Paulus, Magdalena, Johannes der Evangelist, heil. Geminianus) umgeben (1513 im Austrag des Kardinals Lor. Pucci für San Giovanni in Monte zu Bologna gemalt, bis 1796 dort, 1796-1815 in Paris, seitdem in der Akademie zu Bologna; gestochen von Kohlschein, 1879). Die Vision des Ezechiel (etwa 1515; im Palast Pitti zu Florenz) ist miniaturartig fein ausgeführt und bewundernswert durch die Größe der Erscheinung in so kleinem Raume. Für die Kirche Sta. Maria dello Spasimo in Palermo malte er 1517 die berühmte Kreuztragung Christi, genannt Lo spasimo di Sicilia, die 1661 an Philipp IV. nach Spanien kam und sich jetzt im Prado-Museum zu Madrid befindet; daselbst auch noch eine große Heimsuchung Maria und die sog. Heilige Familie unter der Eiche. Aus dem J.1518 stammt das für Franz I. von Frankreich gemalte Bild: Der heil. Michael, wie er herabfahrend den unter seiner Übermacht sich krümmenden Satan mit der Lanze durchbohrt. Die Transfiguration, d. i. die Verklärung Christi auf dem Berge Tabor, gemalt 1519-20 für den Kardinal Giulio de?Medici, den spätern Papst Clemens VII. (bis 1797 in San Pietro in Montorio zu Rom, jetzt in der Vatikanischen Gemäldegalerie; Kupferstich von Raffael Santi und A. Morghen), beschließt die Reihe der Tafelbilder, wie die Thätigkeit des Malers überhaupt. Die untere, bei seinem Tode unvollendete Hälfte (die Jünger mit dem mondsüchtigen Knaben) führte G. Romano zu Ende. Anzureihen wäre hier endlich noch ein Jugendwerk: Die Vision eines jungen Ritters (London, Nationalgalerie). Daß auch Porträte lebenswahr und in großartiger Weise darzustellen wußte, beweisen schon seine größern Kompositionen, in denen er häufig Porträtfiguren seiner Zeitgenossen, insbesondere seiner Auftraggeber, anzubringen liebte. Aber auch seine Einzelbildnisse sind hervorragende Leistungen. (Vgl. Gruyer, Raffael Santi, peintre de portraits; 2 Bde., Par. 1881.) Noch aus der Florentiner Periode datieren das Bildnis seines Freundes Angiolo Doni und der Gattin desselben Maddalena Strozzi-Doni (beide um 1505, im Palast Pitti zu Florenz) sowie das Selbstbildnis des Künstlers (in den Uffizien daselbst). In die Zeit seiner Wirksamkeit zu Rom fallen dann das Bildnis des greisen Papstes Julius II., im Lehnstuhl sitzend (im Palast Pitti und in den Uffizien zu Florenz, streitig, welches von beiden das Original; gute Kopie in der Nationalgalerie zu London), das merkwürdige Bildnis des Humanisten Kardinals Tommaso Inghirami (im Palast Inghirami zu Volterra und im Palast Pitti, zu Florenz), das Brustbild eines jungen Mannes, wahrscheinlich das des Bindo Altoviti (früber für ein Selbstbildnis R.s gehalten; in der Münchener Pinakothek), das Doppelporträt des Beazzano und des Navagero (Galerie Doria in Rom), endlich, als das beste, das Gruppenbild: Papst Leo X. mit den Kardinälen Giulio de?Medici und de Rossi (im Palast Pitti zu Florenz; vorzügliche Kopie von A. del Sarto, 1524, im Nationalmuseum zu Neapel). Auch als Architekt und Bildhauer hat sich Raffael Santi versucht. So entwarf er einen neuen Plan zur Peterskirche und ließ ein Modell derselben anfertigen, das allgemeine Bewunderung erregte. Es kam jedoch nur eine Verstärkung der von Bramante angelegten vier Pfeiler, welche die Kuppel tragen sollten, zur Ausführung, und der Plan erlitt später eine gänzliche Umänderung. (Vgl. die Schriften von Pontani, Rom 1848, und Geymüller, Mail. 1884.) Als plastisches Bildwerk von seiner Hand gilt ein toter Knabe auf einem Delphin, das, in Marmor ausgeführt, in der Eremitage zu Petersburg steht. Zur Grundlage aller Lebensbeschreibungen R.s dient diejenige, welche Vasari (s. d.) in seinem Werke über die ital. Künstler gegeben. G. della Valle und Bottari haben dieselbe in neuern Ausgaben durch Noten ergänzt. Verdienstvolle Untersuchungen über die Herkunft und Jugendgeschichte R.s enthält Pungileonis Elogio storico di Giovanni Santi (Urbino 1822). Im biogr. Teil antiquiert, aber wegen des kritischen Verzeichnisses von R.s Werken noch immer unentbehrlich ist das Werk von Passavant: Raffael Santi von Urbino und sein Vater Giovanni Santi (Bd. 1 u. 2, nebst Atlas, Lpz. 1839; Bd. 3, ebd. 1858; franz. Ausg. von Lacroix, 2 Bde., Par. 1860). Vgl. ferner H. Grimm, Das Leben R.s, von Vasari; Übersetzung und Kommentar (Bd. 1, Berl. 1872; 2., das Werk abschließende Aufl. 1886);

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A. Springer, Raffael Santi und Michelangelo (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1883); E. Müntz, Raffael Santi, sa vie, sonuvre et son temps (2. Aufl., Par. 1885); ders., Les historiens et les critiques de Raffael Santi 1483-1883 (ebd. 1883); Crowe und Cavalcaselle, Raffael Santi, his life and works (2 Bde., Lond. 1882-85; deutsch Lpz. 1883-85); Minghetti, Raffaello (Bologna 1885; deutsch Bresl. 1887); K. von Lützow, R.s Bildungs- und Entwicklungsgang (Wien 1890); W. von Seidlitz, R.s Jugendwerke (Münch. 1891); die Werke von Morelli (s. d.). R.s Handzeichnungen wurden von Braun in Dornach in photogr. Faksimiles herausgegeben, in welchem Verlage auch die meisten Gemälde R.s in vorzüglichen Kohledruckphotographien erschienen. Ende Raffael Santi Quelle: Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910; Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896;13. Band, Seite 591 [Suche = 63.593] im Internet seit 2005; Text geprüft am 4.3.2009; publiziert von Peter Hug; Abruf am 24.9.2021 mit URL: Weiter: https://peter-hug.ch/63_0593a?Typ=PDF Ende eLexikon.

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