Der Kraichbach Auf Hockenheimer Gemarkung
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Der Kraichbach auf Hockenheimer Gemarkung Uwe Heidenreich, Erich Losert Der Kraichbach, auch »die Kraich« genannt, prägt das Stadtbild Hockenheims und macht den Ort zu einer Stadt am Fluss. Dieser besondere Reiz wird in Zukunft noch hervorgeho- ben werden durch die Umgestaltung des Flusslaufes, die im Jahr 2019 abgeschlossen ist. Das »Hochwasser- und Ökologieprojekt« (HÖP) vereinbart den Hochwasserschutz mit einer na- turnahen Gestaltung. Die Geschichte des Flusses ist eng mit der Geschichte Hockenheims ver- knüpft . Viele Erinnerungen der Bürgerinnen und Bürger verbinden sich mit dem Kraichbach. Der Flusslauf, Auf Hockenheimer Gemarkung verlief der Alter und Neuer Kraichbach Kraichbach nicht so wie heute. Es existiert noch der Name »Alter Kraichbach« sowohl Der Kraichbach ist ein relativ kleiner Fluss von oberhalb wie unterhalb der Stadt.3 Der Alte insgesamt 59,9 Kilometer Länge, der bei Ster- Kraichbach oberhalb der Stadt verläuft in ei- nenfels im Kraichgau entspringt und westlich nem Bogen südlich vom Ortsrand Hocken- von Ketsch in den Altrhein mündet. Die Be- heim4. Dieser historische Alte Kraichbach zeichnung »Kraich« ist keltischen Ursprungs führte noch in den 1960er-Jahren regelmä- und bedeutet so viel wie Schlamm oder Mo- ßig Wasser. Der heutige Verlauf des Neuen rast.1 Der Name erinnert an die Bodenver- Kraichbaches ab den Breitwiesen am süd- hältnisse in der Kraichniederung, die sich im lichen Ortsrand von Hockenheim auf Ho- Fluss wiederfi nden lassen: Die Kraichniede- ckenheimer Gemarkung kürzte den Fluss- rung ist charakterisiert durch verlandete Alt- lauf ab und begradigte so quasi den Bogen. wasserarme des Kraichbaches und die damit Die Maßnahme diente der Erhöhung der verbundenen nassen Bruch- und Flachmoor- Wasserkraft zur Betreibung der Mühlen im böden mit einem hohen organischen Anteil.2 Ort.5 Die Menschen griff en immer wieder regu- Der Alte Kraichbach unterhalb der Stadt lierend in das Flusssystem ein, zum Teil zur Hockenheim verläuft – temporär wasser- Bewässerung der Wiesen oder auch um die führend – westlich des Landeplatzes des Wasserkraft wirtschaft lich zu nutzen, etwa Sportfl ieger Club Hockenheim e. V. durch für den Betrieb von Mühlen oder als Trans- den Hockenheimer Rheinbogen und mündet portwege auch für Holz. Schon für das 18. in den Kothlachgraben im Gewann Pfaff en- Jahrhundert ist eine Begradigung des Kraich- wiesen. bachs, der ursprünglich in Mäandern verlief, Er fl oss im Hockenheimer Rheinbogen vor belegt. dem Angelhofer Rheindurchstich 1826 über Badische Heimat 1 / 2019 Der Kraichbach auf Hockenheimer Gemarkung 99 099_Heidenreich+Losert_Kraichbach.indd 99 11.03.2019 11:32:25 Verlauf des Alten Kraichbaches von den Breitwiesen über das Oberbruch im südlichen Stadtgebiet Hockenheims, 1871.11 100 Uwe Heidenreich, Erich Losert Badische Heimat 1 / 2019 099_Heidenreich+Losert_Kraichbach.indd 100 11.03.2019 11:32:26 den jetzt rechtsseitig gelegenen Angelhof bei zwischen dem Abzweig Kraichbach/Alter Ketsch in den Rhein.6 Kraichbach bis zum Mühlkanal arbeiten zu können, wurde das Wasser des Kraichbaches über den Alten Kraichbach in den Mühlkanal Historische Entwicklung abgeschlagen. Da der Alte Kraichbach damals und Nutzung des Gewässers schon nicht mehr durchfl ossen war und seine Verbindung zum Neuen Kraichbach auf Höhe Hockenheim liegt an einem schon seit alters des Mühlkanals unterbrochen war, wurde her genutzten wichtigen Verkehrsweg. Bereits eine kurzfristige Verbindung zum Stöcket- die Römer griff en in die Wasserläufe in unse- graben geschaff en, über die das Kraichbach- rer Gegend regulierend ein und verlegten viele wasser abfl oss.8 Bäche wie den Kraichbach und den Kriegbach. Beide Abschnitte des Alten Kraichbaches In älteren Quellen fi ndet sich die Vermutung, dienten noch bis in das 20. Jahrhundert hi- dass die Urbanisierung der Bäche neben der nein der Wiesenwässerung.9 Netze von Be- Wiesenwässerung und der Bereitstellung von und Entwässerungsgräben sorgten für die Wasser im Allgemeinen auch Verteidigungs- Wässerung der Wiesen und den anschließen- zwecken diente.7 Urkundlich belegt ist die den Ablauf des Wassers oberhalb und unter- Begradigung des vorher in Schlingen dahin- halb der Stadt Hockenheim. Eine regelmäßige fl ießenden Kraichbaches von 1772 an. Die Be- Wiesenwässerung wird schon seit den 1960er- mühungen um einen Ausgleich der einzelnen Jahren nördlich und südlich von Hockenheim Interessen, um die Finanzierbarkeit und die nicht mehr betrieben. Immer mehr Landwirte eigentlichen Arbeiten zogen sich über meh- begannen mit dem Umbruch der ehemaligen rere Jahrzehnte hin. Die Anlage des Neuen Wiesenfl ächen, somit wurde die Wässerung Kraichbaches soll um 1790 mit dem Durch- überfl üssig und schädigte nur die eingesäten stich mehrerer Kraichbachschlingen erfolgt Ackerfl ächen. In Folge dieser Entwicklung sein. Eine Karte von 1878 zeigt noch den wurde dann auch die Aufl ösung des Wiesen- alten Verlauf, obwohl zu dem damaligen Zeit- wässerungsverbandes Bachwiesen 1996 bean- punkt die Begradigung schon fast hundert tragt. Jahre vollzogen war. Teilweise wurden die Gräben10 aufgefüllt Im Jahre 1894 wurde unter Bürgermeister und teilweise wuchsen sie unter den aufk om- Zahn der Kraichbach wieder verlegt, dies- menden Gehölzen zu. Insbesondere nach dem mal parallel zu seiner jetzigen Laufrichtung Südring in Richtung Mühlkanal sind manche zur rechten Seite hin. Hintergrund der Maß- Grabenabschnitte inzwischen zum Teil nur nahme war der Wunsch nach einer Erhöhung noch zu erahnen. Die Zäune der Kleingärten der Wasserkraft zur Betreibung der Mühlen stehen zum Teil in der Böschung des ehema- im Ort. ligen Grabenlaufes oder direkt am Rande der In den Jahren 1973 bis 1976 wurde der Böschung.11 Kraichbach nivelliert, dazu wurde er in meh- Im Zuge des Ausbaus der BAB A 61 und rere Abschnitte unterhalb von Reilingen bis in der damit einhergehenden Flurbereinigung die Stadt hinein unterteilt. Im Jahr 1973 fl oss wurde der Alte Kraichbach zum vorläufi g dann auch vorläufi g zum letzten Mal Wasser letzten Male im Jahr 1973 auf einer Gesamt- im Alten Kraichbach. Um in dem Abschnitt länge von 3,6 km verlegt.12 Nach Angaben Badische Heimat 1 / 2019 Der Kraichbach auf Hockenheimer Gemarkung 101 099_Heidenreich+Losert_Kraichbach.indd 101 11.03.2019 11:32:26 Historische Schließanlage am Oberlauf im Oberbruch/Markgräfer Bruch des Alten Kraichbaches/Seitengraben. des Autobahnbetriebsamt Karlsruhe wurde folge des Autobahnbaues seine praktische der Alte Kraichbach in Höhe der Riedwie- und wirtschaft liche Funktion verloren hatte. sen in den ehemaligen Schulwiesengraben zum neu angelegten Autobahnkleeblatt um- geleitet und bekam seine heutige Einmün- Flora und Fauna dung in den Kothlachgraben. Vorher endete der Alte Kraichbach nach der Dammunter- Der Alte Kraichbach zwischen Hockenheim querung im Gewann Herrenteich im Rhein. und Reilingen ist weitgehend trockengefallen Diese Maßnahme wurde in erster Linie zur und wird nicht mehr durch Wasserpfl anzen, Entwässerung der Autobahn durchgeführt, sondern teilweise von feuchtigkeitsliebenden denn der Kraichbach nimmt an mehreren Pfl anzen wie Pfennigkraut und teilweise auch Stellen das abfl ießende Wasser der Autobahn Schilf besiedelt. In den trockeneren Abschnit- auf.13 ten dringt die Brombeere füllend in das ehe- Zusammenfassend kann festgestellt wer- malige Bachbett ein. den, dass der Alte Kraichbach südlich und Der Alte Kraichbach im Hockenheimer nördlich der Stadt Hockenheim, innerhalb Rheinbogen, in Richtung Kothlachgraben, ist der Gemarkungsgrenzen, mit der Aufgabe in weiten Abschnitten temporär wasserfüh- der Wiesenwässerung und der Verlegung in- rend. Die Vegetation ist von daher geprägt 102 Uwe Heidenreich, Erich Losert Badische Heimat 1 / 2019 099_Heidenreich+Losert_Kraichbach.indd 102 11.03.2019 11:32:26 Der neue Kraichbach ist durch die starke Verbauung auch in seiner ökologischen Wer- tigkeit stark beeinträchtigt worden. Belastun- gen aus angrenzenden landwirtschaft lichen Flächen, Kläranlagen, Zufl üssen haben dazu geführt, dass die Gewässerqualität, was Mor- phologie und chemische Belastung betrifft , nicht gut ist. Nach den Kriterien der Wasser- rahmenrichtlinie ist der Kraichbach auf der Gemarkung Hockenheim in die Gewässer- strukturklassen 5 und 6 (stark verändert bis sehr stark verändert) einzustufen.15 Im Zuge der Landesgartenschau 1991 wurden dann schon einmal 500 Meter des Kraichbachs im Bereich von Stiegwiesenpark und Landesgartenschaugelände renaturiert. Dazu war das Betonbett entfernt worden; eine naturnahe Bepfl anzung und die Integ- ration in die Grünzone haben dafür gesorgt, Alter Kraichbach in den Breitwiesen/Markgräfer dass hier heute geradezu eine Idylle mit dich- Bruch, trocken; am Rande Streuobstbäume, im Graben selbst Brombeere, Knoblauchsrauke. tem Bewuchs der Böschung und vielen Vö- geln wie Enten, Graureiher, Kormoran, Eis- vogel und verschiedenen Singvögeln ent- standen ist. Der Bereich gibt vielleicht einen durch Schilf, Wasserschwaden und Sumpf- Vorgeschmack auf die neue Renaturierungs- segge sowie, je nach Wasserstand, teilweise phase im Zuge des Hochwasser- und Ökolo- auch Wasserpfl anzen wie den Wasserstern gieprojekts.16 oder die Brunnenkresse, aber immer nur, wenn er Wasser führt. Davon ab- hängig sind dann auch Wasserschnecken wie die Sumpfdeckelschnecke und die Spitzhornschne- cke oder auch seltenere Muschelarten wie die Ge- meine Kugelmuschel.14 Bei Wasserführung ge- langt auch der Stichling in Teilabschnitte des Alten Kraichbaches im Hocken- heimer Rheinbogens. Die »stoana Brick« zwischen Reilingen und Hockenheim