Über Die Zweimalige Emigration Von Samuel Mitja Rapoport Aus Wien (1937 Und 1952) Einige Archivnotizen HANS MIKOSCH/GERHARD OBERKOFLER

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Über Die Zweimalige Emigration Von Samuel Mitja Rapoport Aus Wien (1937 Und 1952) Einige Archivnotizen HANS MIKOSCH/GERHARD OBERKOFLER 14 Beiträge Über die zweimalige Emigration von Samuel Mitja Rapoport aus Wien (1937 und 1952) Einige Archivnotizen HANS MIKOSCH/GERHARD OBERKOFLER ans Goldenberg (*1946), Leiter mit seinen Eltern nach Wien, wo er die dern muß Teil einer revolutionären, des Instituts für Medizinische Volksschule und das Bundesrealgymna- selbständigen, spießerfeindlichen inne- HChemie der Wiener Universität, sium Wien V von 1922/23 an besuchte. ren Haltung sein. Nach meiner Meinung bedauert in seinem Nachruf auf Samuel Das tönt etwas idyllisch, war es aber ist gerade diese Dialektik von äußerer Mitja Rapoport (1912–2004)1, dass es nicht. Die Rapoport mussten wegen der Disziplin und geistiger Selbständigkeit nach 1945 nicht gelungen sei, diesen be- prekären finanziellen Situation häufig ih- das häufigste und aktuellste Problem der deutenden Pionier der medizinisch-bio- re Wohnung wechseln, der kleine Rapo- Entwicklung der Studenten.“7 chemischen Forschung in Wien zu halten: port sprach nur Russisch und etwas He- Die 1906 gegründete Biochemische „Die Medizinische Fakultät der Univer- bräisch. Die Schulleistungen im Gymna- Zeitschrift war eines der führenden Jour- sität Wien begab sich damit der Chance, sium waren insgesamt ziemlich flau, was nale des Faches. Friedrich, der die mikro- unmittelbar an die internationale Entwick- über die Begabung von Kindern zunächst chemische Abteilung am Wiener Institut lung der modernen Biochemie anzusch- nicht viel aussagt. Das Reifezeugnis da- für medizinische Chemie leitete, hatte ließen und einem der wenigen heimge- tiert vom 24. Juni 1930 und weist als vom Chemie in Graz studiert, dort die Metho- kehrten Emigranten eine entsprechende Chemieprofessor Dr. Georg Sachs mit den von Friedrich Emich (1860–1940) Arbeitsmöglichkeit zu bieten“. Die Beru- „sehr gut“ benotete Hausarbeit das Fach und Nobelpreisträger Fritz Pregl (1869– fung von Rapoport sei, so Goldenberg, Chemie aus mit dem behandelten Thema: 1930) kennengelernt und war nach einem „auf Grund einer Intervention durch die Die Superoxyde in der anorganischen zweijährigen Aufenthalt am Kaiser Wil- Regierung der USA verwehrt“ worden. Chemie. Das Zeugnis ist mit zwei „sehr helm Institut für Kohlenforschung in Erst Jahre später habe Wien durch Hans gut“-Noten in Chemie und mosaischer Mühlheim an der Ruhr seit 1923 am Wie- Tuppy (*1924) den Anschluss an die mo- Religionslehre, diese unterrichtete Dr. ner Institut für medizinische Chemie derne Biochemie gefunden. Tuppy hatte Oskar Karpelis, eher durchschnittlich.4 tätig. Das Institut für medizinische Che- 1948 in Wien promoviert und konnte Mit dem Wintersemester 1930/31 begann mie führte Arbeiten auf dem Gebiet der dann mit einem Stipendium des British Rapoport an der Wiener philosophischen physiologischen und pathologischen Councils zu dem nur sechs Jahre älteren Fakultät das Chemiestudium, wechselte Chemie aus, war für den Unterricht der Fred Sanger (*1918), Chemie-Nobel- aber nach zwei Semestern an die medizi- Mediziner im I. und II. Semester verant- preisträger der Jahre 1958 und 1980, nach nische Fakultät, wo er an dem von Fürth wortlich sowie für vorgeschrittene Medi- Cambridge gehen, um dort die neuesten geleiteten Institut für medizinische Che- ziner und „wissenschaftliche Arbeiter“, Entwicklungen bei der Analyse von Pept- mie Arbeitsmöglichkeiten für das an der außerdem auch für den Unterricht der iden, mit denen Tuppy sich auf Anregung Universität sonst nicht vertretene, aber Pharmazeuten und Physikatskandidaten. von Friedrich Wessely (1897–1967) be- ihn besonders anziehende Fach Bioche- Es hatte in der Wiener Währingerstraße schäftigt hatte, kennen zu lernen. Tuppy mie sah. Er promovierte am 26. Juni 1936 480 Arbeitsplätze für Anfängermedizi- nahm die in Cambridge erlernten Metho- zum Dr. med. Schon in seinem zweiten ner, 34 für Vorgeschrittene und wissen- den 1951 mit nach Wien zurück und eta- Studienjahr wurde ein selbständiger Bei- schaftliche Arbeiter sowie 132 für Phar- blierte, was im Österreich der Nach- trag von Rapoport durch seine Coautor- mazeuten und Physikatskandidaten.8 kriegszeit mit seinen ziemlich unfairen schaft bei einem Artikel für die Bioche- Obschon Rapoport alle Eigenschaften, Karrierestrukturen ein seltener Glücksfall mische Zeitschrift über die Mikroacetyl- die für die Entwicklung zu einem erfolg- war, die Biochemie auf Weltniveau.2 Ein bestimmung von Alfred Friedrich (1896– reichen Naturwissenschaftler notwendig besonderer Glücksfall war es auch für Ra- 1942), diesem wurde 1938 die Lehrbe- sind, wie Begeisterungsfähigkeit, Lei- poport, auf Vermittlung des Vorstandes fugnis stillgelegt,5 anerkannt (1932).6 Als stungswille und Mut, Probleme aufzugrei- der Medizinischen Chemie in Wien (seit 60-Jähriger hat Rapoport einmal einige fen und mit Konzentration zu verfolgen, 1929) Otto von Fürth (1867–1938)3, der für Studenten zu geltende Normen in der in reichem Maße besaß, nahm er sich als Jude von den Nazis aus der Universität Zeitschrift der FDJ Forum so beschrie- Zeit, sich mit seinem gleichaltrigen vertrieben wurde und bald darnach ver- ben, vielleicht in Erinnerung an seine ei- Freund Jura Soyfer (1912–1939) im poli- starb, 1937 ein Stipendium an das Child- gene Studienzeit: „Sicher darf man diese tischen Kampf für eine sozialistische Zu- ren's Hospital in Cincinatti (Ohio) zu er- Frage nicht vereinfachen, aber im Prin- kunft zu betätigen, zuerst in den Reihen halten. Das ersparte Rapoport nach dem zip kann nur die Moral der Arbeiterklas- der „Akademischen Legion“ der Sozial- Einmarsch der Hitlerwehrmacht in Öster- se, verkörpert in ihren besten Vertretern, demokratie und nach deren im Februar reich die Flucht aus Wien, wenn diese Maßstab für ein Mitglied der sozialisti- 1934 offenkundig gewordenen und von ihm denn überhaupt gelungen wäre. schen Intelligenz sein, mag es selbst aus Soyfer in seinem Romanfragment „So der Arbeiterklasse kommen oder nicht. starb eine Partei“9 beschriebenen Versa- Kindheit und Jugend in Wien Dazu gehört die unbedingte Anerkennung gen in den Reihen der Kommunisten. Es Samuel Rapoport wurde am 17. No- einer äußeren Disziplin, sei es am Ar- kam zu mehreren polizeilichen Anhaltun- vember 1912 in Woczysk (südwestlich beitsplatz oder in der gesellschaftlichen gen und Abstrafungen.10 Im Sommer von Kiev) im zaristischen Russland gebo- Organisation. Diese Einstellung hat 1934 begleitete Rapoport seine Mutter bei ren und kam im Alter von sieben Jahren nichts mit Kadavergehorsam zu tun, son- einem Verwandtenbesuch in den USA, 3/08 Beiträge 15 um dort Möglichkeiten für ein Stipendi- student Engelbert Broda (1910–1983) sich, organisiert in der illegalen kommu- um abzuklären. Das ist nicht ungewöhn- nach Wien zurückgekehrt. Er war im nistische Partei Österreichs, für ein unab- lich, weil osteuropäische Juden immer ir- Frühjahr 1933 an seinem Arbeitsplatz im hängiges, demokratisches Österreich ein- gendeinen Verwandten in den USA hat- Berliner Institut für physikalische Chemie gesetzt haben, gehörte auch der Musik- ten. Joseph Roth (1894–1939) schreibt in verhaftet und „wegen kommunistischer wissenschaftler Georg Knepler (1906– seinem Essay „Ein Jude geht nach Ameri- Betätigung“ am 11. Juli 1933 vom Uni- 2003), der, im Jänner 1934 wegen des Be- ka“, dass es schwer sei, „eine jüdische Fa- versitätsstudium in Deutschland ausge- sitzes von mehreren Exemplaren der Zei- milie im Osten zu finden, die nicht ir- schlossen worden.16 Broda konnte seine tung Die Rote Fahne verhaftet, schon gendeinen Vetter, irgendeinen nach den Februarereignissen Onkel in Amerika besitzen wür- nach London emigrieren mus- de“.11 Die ersten Arbeiten von ste.17 Es ist bemerkenswert, dass Rapoport beziehen sich auf das in den Erinnerungen des Chemi- Gebiet der biochemischen Analy- kers Hans Friedmann (1914– se. Im Juni 1934 war er vom In- 2006), der viel über den Perso- stitutsvorstand Fürth als Coautor nenkreis des illegalen Roten Stu- bei einer in der Biochemischen dentenverbandes (RSV) Zeitschrift publizierten Arbeit schreibt, Rapoport nicht vor- über den Einfluss des Dinitrophe- kommt und auch Soyfer nur nolfiebers auf den Gewebsei- randständig erwähnt wird. Dafür weißzerfall angeführt worden, werden von Friedmann vielleicht um ihm den Weg in die Gschichterln vom Arbeiter und USA zu erleichtern, weil darüber späteren herausragenden Juri- am pharmakologischen Institut sten der österreichischen Arbei- der Stanford University in San terklasse Eduard Rabofsky Francisco geforscht wurde.12 Ra- (1911–1994) erzählt.18 poport stand in einer Publikati- Die Schriften von Karl Marx onsreihe mit den besten Bioche- und Friedrich Engels wurden mikern dieser Zeit, im selben von Rapoport und Soyfer ein- Jahrgang 1934 veröffentlichte gehend studiert, nicht im Sinne auch der berühmte sowjetische eines studentischen Bildungser- Biochemiker Alexander Iwano- lebnisses, sondern als Methode witsch Oparin (1894–1980).13 zur Analyse der Wirklichkeit In Kontakt mit Rapoport und und Anleitung zum Handeln. Soyfer war Marika Szécsi (1914– Deshalb wird das Kapital weni- 1984), deren Mutter aus der be- ger Einfluss genommen haben kannten Familie Polanyi stamm- Samuel „Mitja“ Rapoport als Referent am Symposium der als vielmehr das Kommunisti- te. Michael Polanyi (1891–1976), Alfred Klahr Gesellschaft zu Ehren von Walter Hollitscher sche Manifest oder Der Acht- Abteilungsleiter am Kaiser-Wil- am 20. Oktober 2001 in Wien. zehnte Brumaire des Louis Bo- helm-Institut für Physikalische naparte. Der Anti-Dühring, wo Chemie und Elektrochemie in Berlin- Dissertation in Wien bei Hermann Mark die Prinzipien der marxistischen Weltan-
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