IndustrieFilm Ruhr ’03 Von Rhein und Ruhr in die Welt

Historische Filme aus Wirtschaftsarchiven des Ruhrgebiets Vorwort Das erste Treffen mit einer Industriefilm- Bild der Region prägten und den heuti- schau der Ruhrgebietsarchive wurde gen Strukturwandel mittragen, öffnen ei- 1995 als Symposium für Fachleute ver- gens für diese Veranstaltung ihre Maga- anstaltet und gab den Impuls, von nun zine. Sie zeigen Filme, die sonst kaum zu an alle zwei Jahre Industriefilme der Re- sehen sind und die kein Verleih vorhält. gion einem breiteren Publikum zugäng- Der Industriefilm hat gerade in unserer lich zu machen. Region sein Publikum. Mit der fünften Veranstaltung begehen Alle bisherigen Vorstellungen fanden vor wir nun fast schon ein kleines Jubiläum. nahezu ausverkauftem Haus statt, ob- Weltweit beschäftigen sich nicht viele wohl das Medium landläufig als etwas Festivals mit der Gattung Industriefilm. spröde gilt, eher sachdienlich denn unter- Im Ruhrgebiet ist es das einzige diesem haltsam. Genre gewidmete Programmangebot, Dass dies jedoch Vorurteile sind, haben die dem trotz des engen Regionalbezugs eine vorangegangenen Filmschauen nachhal- Vielzahl von Filmen zur Verfügung stehen. tig gezeigt. Eine weitere Besonderheit von Industrie- Generelle Aussagen über Stilistik und Film Ruhr ist, dass fast ausschließlich auf Ästhetik des Industriefilms sind noch zu den Bestand der Region zurückgegriffen treffen. wird. Ein Lehrstuhl für Industriefil m(geschichte) Für Einrichtungen wie das Bergbau-Ar- soll an der Ruhr-Unversität Bochum einge- chiv, die Kinemathek im Ruhrgebiet oder richtet werden; er ist notwendig und den Kommunalverband Ruhrgebiet ist es sicherlich eine Bereicherung unserer selbstverständlich, das historische Erbe Hochschullandschaft. der Region nach außen zu tragen. Der Industriefilm zeigt sich sowohl als Aber auch die Archive der großen und Dokumentation wie als Spielfilm oder traditionsreichen Unternehmen, die das geht Mischformen ein. Doch nicht allein unter filmhistorischen nehmensarchiv Marl der Degussa AG so- Dortmunder Bergbauspezialisten in den oder ästhetischen Gesichtspunkten ist wie das Stahlinstitut VDEh und das Ar- 1930er-Jahren bis zum Bau einer Ölpipe- IndustrieFilm Ruhr eine Besonderheit. chiv St. Antony-Hütte im Rheinischen In- line in Südamerika im Jahr 1985. Diese Veranstaltung hat sich inzwischen dustriemuseum, Oberhausen/Land- Sie vermitteln spannend und anschau- zum Highlight für an Industriekultur und schaftsverband Rheinland. lich, wie die Mitarbeiter der Unterneh- Ruhrgebietsgeschichte Interessierte ge- Zum wiederholten Male dabei sind: Archiv men „vor Ort“ in aller Welt arbeiteten. mausert. der RWE Net AG, Bergbau-Archiv Bochum, Zugleich unternehmen die Filme selbst Das liegt wohl daran, dass die Zuschauer Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp eine kleine Weltreise in ferne Erdteile unweigerlich auf eine fesselnde Zeitreise von Bohlen und Halbach-Stiftung, Mannes- und schildern Leben und Landschaft mitgenommen werden. mann-Archiv, ThyssenKrupp Konzern archiv. dort, wie sie damals gesehen wurden. Selten wird Industriegeschichte beweg- Allen gemeinsam ist die Sorge um die Nach den bisherigen Erfolgen bin ich ter und lebendiger präsentiert und der Bewahrung der historischen Filmschätze, sehr zuversichtlich, dass auch diese Fil- Strukturwandel deutlicher. und ihr Anliegen ist, sie der historisch in- me auf Interesse stoßen und ihr geneig- Die Zusammenarbeit der Veranstalter teressierten Öffentlichkeit zu präsentie- tes Publikum finden. und Träger – eine Partnerschaft der Ar- ren. chive der großen Unternehmen und Ein- Nach den früheren Themen, die die richtungen des Ruhrgebiets mit dem Arbeitswelt im Ruhrgebiet selbst in ver- Kommunalverband Ruhrgebiet, der Kine- schiedenen Fassetten zeigten, wie etwa mathek im Ruhrgebiet und den Essener bei den Reihen „Menschen • Maschinen Filmkunsttheatern – hat sich inzwischen • Methoden“ oder „Ort der Arbeit – Ar- Dr. Gerd Willamowski bewährt. beit vor Ort“, folgt nun der Schritt aus Verbandsdirektor des Zudem hat sich der Kreis der teilneh- dem Ruhrgebiet hinaus. Kommunalverbandes Ruhrgebiet menden Unternehmen stetig erweitert. Das Thema lautet „Von Rhein und Ruhr Dieses Mal sind neu vertreten: das Un- in die Welt“. Die Filme zeigen die Aktivi- ternehmensarchiv der HOCHTIEF AG, das täten der beteiligten Unternehmen in Historische Archiv Aral und das Unter - fernen Ländern, von der Russlandreise Filmprogramm Samstag, 22. November 2003 Russland-Reise 10

Ein Hüttenwerk in der Wüste 13 IndustrieFilm Ruhr ’03. Die Götter ziehen um 17 Von Rhein und Ruhr in die Welt In Brasilien und anderswo – Polyolefinrohre herausgefordert 21

Power needs no passport 25

Petrol – Carburant – Kraftstoff 29

Allegro 33

Sonntag, 23. November 2003 Internationale Posener Messe 1963 37

Thyssen in der Welt zu Hause 41

GHH in India 49

Und Öl fließt über die Anden 53

Antonio 57

Bom Dia, Brasil – Guten Tag, Brasilien 59 Archive und Veranstalter Archiv der RWE Net AG 64 Archiv St. Antony-Hütte, Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum Oberhausen 65

Bergbau-Archiv beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 66

Historisches Archiv Aral 67

Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 68

HOCHTIEF Unternehmensarchiv in Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk Köln 69

Mannesmann-Archiv 71

Stahlinstitut VDEh 73

ThyssenKrupp Konzernarchiv 74

Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG 75

Essener Filmkunsttheater 76

Kinemathek im Ruhrgebiet 78

Kommunalverband Ruhrgebiet 80

Impressum 81 Editorial Globalisierung: Neuer Wein Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, in alten Schläuchen? dass das beschriebene Phänomen eines globalen Handels erheblich älter ist. Die Archäometallurgie dokumentiert, dass das Von Rhein und Ruhr in die Welt für die Legierung Bronze benötigte Zinn schon in der Bronzezeit über mehrere tau- send Kilometer transportiert wurde, um Globalisierung1 ist seit Mitte der 1990er- den begehrten Werkstoff zu erschmelzen. Jahre ein Schlagwort für eine Unterneh- Ja selbst für die noch frühere Steinzeit mensstrategie, die schon 1973 für einen konnten Handelsbeziehungen über die ei- auf dieser IndustrieFilm Ruhr-Veranstal- gene Region hinaus festgestellt werden: tung gezeigten Film wie folgt umschrie- Obsidian-Messer bzw. -Klingen waren ein ben wird: „Die Ansprüche an den Unter- seltenes Werkzeug, eine Waffe, die über nehmer in der arbeitsteiligen Welt sind weite Strecken gehandelt wurde. gestiegen. Das unternehmerische Den- Im Altertum finden wir dann griechische ken wird zunehmend grenzüberschrei- rot- und schwarzfigurige Vasen in germa- tend und sieht das eigene Unternehmen nischen Fürstengräbern jenseits der Alpen. als zentrale Schaltstelle für Wirtschafts- Die Karthager segelten mit ihren Schiffen aktivität in aller Welt. küstennah bis nach Cornwall, um von dort Mehr und mehr sind hochindustrialisier- Zinn zu besorgen, und sie umrundeten bei te Unternehmen Transformator zwi- ihren Expeditionen erstmals Afrika. schen geographisch breit gestreutem Unter den Römern, mit ihrem ausgebau- Rohstoff- und Vormaterialbezug und ei- ten Straßensystem mit Rasthäusern, er- nem weltweiten Absatz, der bei erhöhter lebte der Handel in der damals bekannten Konkurrenz besonders kundennah sein Welt eine Blütezeit. Breite Schichten parti- muß.“2 zipierten an diesem Geld-Ware-Geschäft.

6 Legionäre in Germanien erhielten Lebens- Jahrhundert auch Massengüter über Blick zurück im Programm der Veranstal- mittel aus dem Mittelmeerraum, z. B. Oli- weite Strecken gehandelt wurden und tung IndustrieFilm Ruhr ‘03. Der Schwer- ven und Wein, aber auch Austern. Vom werden. punkt der vorgeführten Filme liegt in Roten Meer aus segelten Schiffe bis nach Mit dem Sinken der Transportkosten den 1960/70er-Jahren, als nach Jahren Indien, der Gewürze wegen. durch Eisenbahn, Seeschifffahrt, Häfen, der Autarkie- und Kriegswirtschaft west- Die Seidenstraße führte nach China we- Umschlagstechnologie, Autobahnbau deutsche Unternehmen wieder auf den gen der kostbaren Seide. Im Mittelalter nahm der Umfang des Güterhandels zu. internationalen Märkten Fuß gefasst finden wir nicht nur den gesamten Ost- Zudem wächst seit dieser Zeit der Han- hatten. seeraum von städtischen Kaufleuten der del mit Technologien, Know-how und Die Filme führen den Zuschauer nach Hanse mit ihren Koggen bereist, sondern Arbeitskräften, aber auch mit Kapital Asien, Afrika, Amerika und Europa. Wie auch auf dem Landweg wird gehandelt über große Strecken. Ruhrgebietsunternehmen die Welt wahr- mit Fellen aus Russland, getrocknetem Seit der Industrialisierung des Ruhrge- nahmen, wie sie glaubten, die Welt ihren Fisch aus Norwegen, Wolle aus England biets im 19. Jahrhundert fand auch glo- Mitarbeitern, Geschäftsfreunden und In- usw. baler Handel mit den in diesem Raum er- teressierten erklären zu müssen, und wie 1492 erweiterte Christoph Kolumbus’ zeugten Gütern und geförderten Roh- sie sich in der Welt präsentierten, z.B. Entdeckung von Amerika den Handels- stoffen statt. auf Messen, das zeigt die Filmauswahl raum um einen neuen Kontinent, wäh- Schon im 19. Jahrhundert wurde Stahl aus Wirtschaftsarchiven der hiesigen Re- rend Vasco da Gamas Umsegelung Afri- bis nach Nordamerika und Kohle bis in gion. kas 1498 nun einen neuen Handelsweg den Mittelmeerraum verschifft. nach Indien eröffnete und das bisherige Ruhrgebietsfirmen bauten Brücken in Manfred Rasch Gewürzmonopol der Venezianer brach. den Anden, verlegten Wasserleitungen

Weitere ungezählte Beispiele aus der für die Niagara Falls, prospektierten Erze 1 Siehe Manfred Pohl (Hg.): Deutsche Unternehmer in Neuzeit – z. B. die niederländische Veree- im Kaukasus, lieferten Maschinen nach der Welt. Von der Internationalisierung zur Globalisie- nigde Oostindische Compagnie – ließen Japan, gründeten Tochterunternehmen rung. Frankfurt am Main 2000. 2 Thyssen – in der Welt zu Hause. Typoskript 14 S., sich anführen, um zu zeigen, dass Roh- in anderen Kontinenten und vieles mehr. 06.07.1973, hier S. 2, in: ThyssenKrupp Konzernarchiv stoffe, Luxuswaren und seit dem 19. Nicht so weit in die Geschichte geht der A/15555.

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Russland-Reise ca. 1930 16 mm, s/w stumm

Länge: 209 m Laufzeit: 19’10“ [bei 24 B/sec] Kamera: unbekannt Auftraggeber: C. Deilmann Bergbau GmbH, Dortmund Drehorte: Solikamsk/Ural, Donez-Becken, Tula, Moskau, Jekaterinenburg u.a. Archiv: Bergbau-Archiv Bochum

Abteufgerüste der Doppelschachtanlage Solikamsk, Ural, 1928/30 Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum

9 Russland-Reise Die mit der Oktoberrevolution entstande- Nach langwierigen Verhandlungen er- ne Sowjetunion war bestrebt, das Land hielt Deilmann gegen starke internatio- mit allen Mitteln zu modernisieren. Auch nale Konkurrenz verschiedene Aufträge die Erkundung nutzbarer Bodenschätze für den Bau von Schachtanlagen in der wurde nun systematisch vorangetrieben, Sowjetunion. neue Schächte wurden abgeteuft und Eine besondere technische Herausforde- bestehende Anlagen modernisiert. rung stellte der Auftrag zur Ausführung Für die deutsche Industrie war die Sowjet- einer Doppelschachtanlage für den sow- union mit ihrem riesigen Reservoir an Bo- jetischen Kalitrust bei Solikamsk dar, denschätzen ein Markt von besonderem handelte es sich dabei doch um einen Interesse, unabhängig davon, dass der Tiefkälte-Gefrierschacht. 1917 gebildete Staat hinsichtlich seiner Trotz erheblicher Schwierigkeiten vor Ort ideologischen und politischen Ausrich- konnte der Auftrag vor Ablauf der Garan- tung mit allergrößter Distanz betrachtet tiefrist ausgeführt werden. wurde. Die Gefrierbohrungen führte die Deut- Im Zuge der Industrialisierung in der sche Tiefbohr-Aktiengesellschaft (Deu- Sowjetunion besuchten Mitte der 1920er- tag) in Aschersleben aus, die Gefrieranla- Jahre sowjetische Bergbaufachleute und ge lieferte das Berliner Maschinenbau- Industriemanager die Betriebe der Dort- unternehmen Borsig. munder Bergbau-Spezialgesellschaft Deil- Als ein Jahr nach Fertigstellung der Dop- mann, die traditionell einen sehr guten pelschachtanlage Ende 1931 im Nach- Ruf als Schachtbauunternehmen genoss. barort Beresniki neue Kalischächte ge- Hintergrund des sowjetischen Interesses teuft wurden, forderten die sowjeti- an deren Know-how war der Aufschluss schen Stellen wiederum Gefrierfachleute der großen Kalivorräte in der Nähe von von Deilmann aus Dortmund an. Solikamsk im nördlichen Ural.

10 Zuvor schon hatte sich in anderen auf- Familie 1918 von den Bolschewiki ermor- ständig anmutenden Lebenswelt in den strebenden Bergbaurevieren der Sowjet- det wurde. Blick der Kamera. union manch interessanter Markt für die Die Filmaufnahmen vermitteln dabei „Russland-Reise“ ist das einzige im Berg- deutschen Bergbauzulieferer entwickelt, einen durchaus widersprüchlichen Ein- bau-Archiv Bochum überlieferte filmi- die etwa Ketten-Schrämmaschinen in druck von der Situation des Landes. sche Dokument zur fassettenreichen das Donez-Becken lieferten. Neben sichtbaren Zeichen der Moderni- Geschichte deutsch-sowjetischer Berg- Die wirtschaftlichen Beziehungen der sierung geraten immer wieder auch Bil- baukooperation im vergangenen Jahr- Firma Deilmann in die Sowjetunion bil- der einer bisweilen ärmlich und rück- hundert. deten den Hintergrund für die ca. 1930 entstandenen Filmaufnahmen, die die Bohranlage Gefrierschacht Solikamsk, Ural, 1928 Reise von Vertretern des Unternehmens Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum durch verschiedene Bergbauregionen des Landes dokumentieren. Neben industriellen Zentren des Berg- baus im Donez-Becken besichtigte man die Braunkohlengruben von Tula südlich Moskau und insbesondere die gerade fertig gestellten Kalischächte bei Soli- kamsk im Ural. Daneben stand auch eine Reihe weiterer „touristischer“ Höhepunkte auf dem Pro- gramm der deutschen Reisegruppe. Hierzu zählten etwa der Kreml und der Rote Platz in Moskau, aber auch das Ipat- jewsche Haus in Jekaterinenburg, in dem der letzte Zar, Nikolaus II., mit seiner

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Ein Hüttenwerk in der Wüste ca. 1960/61 16 mm, Farbe Lichtton

Länge: ca. 133 m Laufzeit: 12’06“ [bei 24 B/sec] Regie: Hans Georg Paxmann (?) Produktion: HGP-Filmgesellschaft KG, Berlin Auftraggeber: DEMAG AG, Duisburg Drehorte: Ägypten: Kairo, Heluan, Assuan Archiv:

Hochofenwerk in Heluan/Ägypten, 1958 Stahlinstitut VDEh, Filmsammlung, Foto: Mannesmann-Archiv Düsseldorf

13 Ein Hüttenwerk in der Wüste Die DEMAG AG galt bereits vor dem Der Film dokumentiert den Bau der Anla- Zweiten Weltkrieg weltweit als eines der ge von den Fundamentierungsarbeiten bedeutendsten Unternehmen der Hüt- über die Montage der Hochöfen und die tentechnik. Nach Kriegsende war sie Errichtung des kombinierten Konverter- maßgeblich am Wiederaufbau der Mon- und Elektrostahlwerks bis zum ersten tanindustrie sowohl in Westdeutschland Abstich 1958. Es folgt eine detaillierte als auch in Europa und darüber hinaus Darstellung des Produktionsablaufs im beteiligt. Auch als Ausrüster der Industrie Hüttenwerk. Nach der Erzförderung im in den so genannten Entwicklungslän- Tagebau in Assuan, dem Transport des dern nahm sie eine führende Stellung ein Erzes nach Heluan und seiner dortigen und war unter anderem verantwortlich Aufbereitung wird die Roheisen- und für die Lieferung des ersten ägyptischen Stahlherstellung sowie die anschließen- Hüttenwerks in Heluan für die Egyptian de Fertigung von Knüppeln, Formeisen Iron & Steel Company. Der Auftrag zur und Blechen in den unterschiedlichen Planung und zum Bau des Hüttenwerks Walzwerken thematisiert. umfasste Hochofen- und Walzwerksanla- Im Folgenden wird die Weiterverarbei- ge, Stahlwerke, Verladeeinrichtungen so- tung der im Hüttenwerk erzeugten Pro- wie sämtliche Nebeneinrichtungen. Nach dukte gezeigt und die daraus resultieren- einer fünfjährigen Vorbereitungsphase – de Bedeutung des Hüttenwerks für die unter Federführung von Walter Rohland Entstehung neuer Industriezweige und und der DEMAG AG – erfolgte 1955 die die weitere wirtschaftliche Entwicklung Grundsteinlegung. Während der dreijäh- Ägyptens hervorgehoben. Die Vorteile rigen Bauzeit des Hüttenwerks wurden der Stahlproduktion im eigenen Land lie- zeitweise bis zu 10.000 Arbeiter einge- gen besonders beim Ausbau des Ver- setzt und 40.000 t Stahl von Duisburg kehrsnetzes sowie der Verbesserung des nach Ägypten transportiert. Lebensstandards durch die Herstellung

14 von Gebrauchsgütern des täglichen Be- darfs wie Kühlschränken und Fahrrädern. Die Sichtweise des Films auf die Industri- alisierung des Landes ist eindeutig posi- tiv, was den Grundtenor der damaligen Zeit zum Thema „Entwicklungshilfe“ trifft. So wundert es nicht, im Filmkom- mentar zu hören, dass die Technik aus Fellachen Industriearbeiter macht und ihnen damit den Zugang zu Wohlstand und Gütern der Zivilisation ermöglicht. Der Schlusssatz des Films unterstreicht diese Stimmung: „Stahl für das Ägypten von Morgen“. „Ein Hüttenwerk in der Wüste“ ist die Kurzfassung des 1958/59 produzierten Foto: Mannesmann-Archiv Films „Stahl aus der Wüste“. Öffentlich präsentiert wurde er auf den 1. Interna- tionalen Industriefilm-Festspielen vom 11. bis 14. Juni 1961 in Turin, gewann aber keine Auszeichnung. Da die Teilnah- me am Festival nur für nach dem 1. Ja- nuar 1960 fertiggestellte Filme möglich war, liegt die Vermutung nahe, dass die Grundsteinlegung des Hüttenwerks in Heluan mit Kurzfassung eigens für das Festival her- Präsident Gamal Abd el Nasser (l.) am 23. Juli 1955 gestellt wurde. Foto: Mannesmann-Archiv

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Die Götter ziehen um 1965 16 mm Umkehr-Duplikat, s/w Magnetton

Länge: 315,8 m Laufzeit: 27’38“ [bei 25 B/sec] Buch: Karl-Heinz Martini Regie: Assem Talmasani Kamera: Horst Nagel Schnitt: Ute Kehl Produktion: Westdeutscher Rundfunk Fernsehen Köln Redaktion WDR: Gerhard Herm Erstsendung: WDR. Prisma des Westens, 16. April 1965 Drehorte: Der Film „Die Götter ziehen um“ zeigt die Planung und Assuan, Abu Simbel, Kairo; Essen Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung der Tempel von Abu Simbel Archiv: Foto: HOCHTIEF Unternehmensarchiv HOCHTIEF Unternehmensarchiv, Essen

17 Die Götter ziehen um Bereits mit dem ersten, 1902 von den lung des im Endzustand ca. 500 km lan- Briten errichteten und 1912 sowie 1934 gen und bis zu 20 km breiten Nasser- erhöhten Hochdamm oberhalb von As- Stausees ebenfalls unwiederbringlich zu suan wurden einmalige Tempelanlagen versinken. Die Bundesregierung reagier- vom Wasser des Nil überflutet und gin- te angesichts dieser Bedrohung auf ei- gen endgültig verloren. nen Appell der Unesco zur Rettung nubi- Damit der um ein Mehrfaches höhere, scher Altertümer und beauftragte 1961 1960 begonnene und am 15. Januar HOCHTIEF mit der Versetzung der Tem- 1971 von Staatspräsident Anwar el Sa- pelanlage von Abu Simbel. dat und dem sowjetischen Staatsober- Die am 16. April 1965 in dem täglichen haupt Nikolai Podgorny eingeweihte Regionalmagazin „Prisma des Westens“ neue Assuan-Staudamm nicht erneut zu gesendete WDR-Dokumentation berich- unersetzbaren Verlusten im archäologi- tet von Ägyptens ehrgeizigem, von der schen Erbe Ägyptens führen würde, Sowjetunion wesentlich unterstützten plante man diesmal die Rettung zahlrei- Staudammprojekt als erstem Abschnitt cher von den Fluten bedrohter histori- eines gigantischen Bewässerungspro- scher Stätten. Es sollte ein 100 Mio. DM gramms. teurer „Wettlauf gegen die Zeit“, gegen Der Film thematisiert dessen Folgen für das steigende Wasser werden. das Niltal, für seine Bewohner wie für Spektakuläres Vorbild für diese inge- die dortigen berühmten archäologischen nieurtechnischen Großtaten wurde die Stätten und stellt die Planungen zu ihrer Translozierung der beiden berühmten Rettung vor. Detailliert beschreibt der Felsentempel von Abu Simbel aus der Bericht, wie HOCHTIEF diese technisch Zeit des Pharaos Ramses II. (1290-1224 v. und logistisch beispiellose Aufgabe bei Chr.). Die Tempel drohten wie viele der einer Bauzeit von geplanten vier Jahren benachbarten Heiligtümer mit der Fül- zu lösen beabsichtigte. In ausführlichen

18 Stellungnahmen äußern sich dazu in Es- sen der damalige HOCHTIEF-Direktor Dick sowie der verantwortliche Oberin- genieur Grewe vor der Kamera. Die Frage schließlich, ob sich ein solcher Einsatz lohne, beantwortet Professor Stock vom Deutschen Archäologischen Institut in Kairo. Beeindruckende Bilder von der Ein- richtung der Großbaustelle runden den Bericht ab.

Im Wettlauf gegen das steigende Wasser wurde ägyptisches Weltkulturerbe gerettet: die Tempel von Abu Simbel Foto: HOCHTIEF Unternehmensarchiv

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In Brasilien und anderswo – 1979 Polyolefinrohre herausgefordert 16 mm (Originalformat), Farbe Magnetton

Länge: 195 m Laufzeit: 17 min [bei 25 B/sec] Produktion: Münz Film GmbH, Frankfurt a. M. Auftraggeber: Chemische Werke Hüls AG Archiv: Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG

Vestolen-Werbung in den 1980er-Jahren Foto: Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG

21 In Brasilien und anderswo – Einleitend wird in zwei Szenen die Verle- ser verlegt werden kann. Die Verlegung Polyolefinrohre herausgefordert gung von Polyethylenrohren unter extre- einer Abwasserrohrleitung am Bodensee men Bedingungen demonstriert, zum ei- und von Rohren für eine Kläranlage in Re- nen in tropischem Klima an der Küste gensburg schließen sich an. Brasiliens und dann in arktischer Kälte. In Chamoson im schweizerischen Wallis Eine Gasleitung in Europa und das Rohr- werden Bewässerungsrohre für ein Wein - system einer Fußbodenheizung verwei- baugebiet verlegt, indem sie unmittelbar sen auf weitere Anwendungsgebiete. hinter einer Pflugschar in die Erde ge- In einem Schwenk über die Produktions- bracht werden; bei Barcelona sind es anlage für Polyolefine in Marl wird ge- Rohre für eine Beregnungsanlage. zeigt, wie in den anwendungstechni- Zum Ende des Films werden die diversen schen Labors die Materialien der Marken Anwendungsbeispiele für Polyolefinroh- VESTOLEN A und P an die Bedürfnisse re noch einmal zusammengefasst. der Kunden angepasst werden. Der Film wurde in dem Jahr gedreht, als Getestet werden dabei Flammwidrigkeit Hüls (damals Chemische Werke Hüls AG) (Verlöschungsversuche), Zug- und Biege- der Chemiesektor der VEBA AG wurde. festigkeit, Kältefestigkeit und Druckfes- Damit wurde die bisherige Polyolefinpro- tigkeit. duktion in der Vestolen GmbH, die Hüls Es folgt eine ausführlichere Darstellung und der damaligen VEBA-Chemie AG zu je weiterer Verwendungszwecke. Als Abwas- 50 % gehörte, Eigentum von Hüls. serrohr in Brasilien ist es von entscheiden- Mit diesem Film wollte sich Hüls als der dem Vorteil, dass keine Rohre über weite nunmehrige Hersteller von VESTOLEN Strecken herantransportiert werden müs- positionieren. Gleichzeitig sollten die sen, sondern das speziell benötigte Rohr Vorteile der Anwendung von VESTOLEN an Ort und Stelle aus einem Granulat ex- gegenüber Rohren aus Metall dargestellt trudiert und endlos unter Land und Was- werden.

22 Verstolen-Werbung in den 1980er-Jahren Foto: Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG

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Power needs no passport um 1963 16 mm (Originalformat). Farbe Lichtton

Länge: 104,6 m Laufzeit: 9’32“ [bei 24 B/sec] Regie: unbekannt Sprecher der englischen Originalfassung: Tim Turner Produktion: The Rank Organization Auftraggeber: vermutlich Union pour la Coordination de la Production et du Transport de l´Electricité Drehorte: Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Luxemburg

380-Kilovolt-Leitung, 1999 Archiv: Foto: Archiv der RWE Net AG, Dortmund Archiv der RWE Net AG, Dortmund

25 Power needs no passport kräfte (u.a. Walchenseekraftwerk, Ka- der hochentwickelten Wirtschaft, näm- prun) mit den Wärmekraftwerken in den lich die Arbeitsteilung. Es spart teure Re- Industrieregionen (u.a. Kraftwerke im servekapazitäten in Kraftwerken ein, es rheinischen Braunkohlegebiet), stellt die gleicht örtliche Belastungsspitzen durch in Brauweiler bei Köln vom RWE betrie- den Anschluss an ein leistungsstarkes bene Schaltstelle dieses europäischen Verbundnetz aus, es führt zu einer ge- Stromverbundsystems vor sowie neue, genseitigen Ergänzung von Wärme- und noch in der Entwicklung oder im Bau be- Wasserkraftenergie und gleicht schließ- findliche Formen der Energiegewinnung lich auch den Stromüberschuss und -be- wie das Gezeitenkraftwerk von St. Malo, darf der angeschlossenen Länder aus Der Film „Power needs no passport“ ent- das britische Atomkraftwerk Dungeness und führt so letztendlich zu einer stand für die britische Film- (oder: TV-?) oder das Pumpspeicherkraftwerk im lu- sicheren und preisgünstigen Stromver- reihe „Look at Life“ (als Folge 22 oder 23) xemburgischen Vianden. sorgung. und informierte über den grenzüber- Da Elektrizität in größeren Mengen nicht schreitenden Elektrizitätsaustausch in speicherfähig ist, stehen die großen Elek- Westeuropa und damit zugleich über ein trizitätswerke nicht nur in der Bundesre- wesentliches Organisationselement der publik Deutschland untereinander, son- europäischen Elektrizitätswirtschaft. Er dern auch mit den Werken der anderen entstand um 1963, vermutlich im Auf- westeuropäischen Länder in einem un- trag der „Union pour la Coordination de unterbrochenen elektrischen Parallelbe- la Production et du Transport de l´Electri- trieb. Über die Höchstspannungsnetze cité“, einer Vereinigung großer westeuro- der großen westeuropäischen Elektrizi- päischer Elektrizitätsunternehmen. tätsversorger findet rund um die Uhr ein Der Film stellt den Aufbau des europäi- ständiger Stromaustausch statt. Dieses schen Stromverbundnetzes vor. Er erläu- Verbundsystem verwirklicht in der Elek- RWE-Hauptschaltwarte in Brauweiler um 1960 tert die Verbindung der alpinen Wasser- trizitätswirtschaft das Grundgesetz je- Foto: Archiv der RWE Net AG, Dortmund

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Petrol - Carburant - Kraftstoff 1964 Auszeichnungen: 35 mm, Farbe + s/w unter anderem Bundesfilmprämie 1965 Lichtton (ohne Kommentar) als „Film von internationalem Rang“; Di- Länge: ploma of Merit der Int. Filmfestspiele 402 m 1965; Goldmedaille „Best Laufzeit: Pub lic Relations Film“ der Int. Film-Fest- 15 Min. spiele Chicago 1965; offizieller Beitrag Buch + Regie: der BRD zu den Internationalen Filmfest- Hugo Niebeling spielen Cannes 1965; Diploma d’Onore Kamera: der Internationalen Filmfestspiele Locar- Werner van Appeldorn no 1965; Preis für die beste Industrie- Schnitt: film-Regie, „photokina“ Köln 1966; Erster Hugo Niebeling Preis Kategorie „Kulturfilme“ der Int. Musik: Film-Festspiele von Kanada, Vancouver Georg Philipp Telemann, Oskar Sala 1966; Erster Preis der Int. Festspiele für Produktion: motorsport liche Filme, Karlsbad 1966; Hugo Niebeling Filmproduktion, Hilden Preis des argentinischen Kultusministers Auftraggeber: für den künstlerisch wertvollsten Film Aral AG, Bochum der Int. Kurzfilmfestspiele Drehorte: 1967; Diplom der Wirtschaftsfilmtage Libyen, Ruhrgebiet (u.a. Gelsenberg) und 1967; 1. Preis der Kategorie „Infor- andere Orte in Deutschland mationsfilme“, Int. Festspiele für techni- Archive: sche Filme, 1967; Grand Prix Aral AG, Bochum; Hugo Niebeling, Hilden der Int. Filmfestspiele von Australien 1967

Pipelineverlegung im Jemen in den 1960er-Jahren Prädikat: Foto: Mannesmann-Archiv „wertvoll“ (FBW 1965: 10 262)

29 Petrol - Carburant - Kraftstoff „Ein Aral-Kulturfilm von Hugo Niebe- So war er 1965 der einzige offizielle deut- ling.“ (Aral-Werbung) sche Beitrag zu den Filmfestspielen in Für den 1964 geschaffenen Film „Petrol“ Cannes. hatte die Aral AG vorgegeben, dass die- „Petrol – Carburant – Kraftstoff“ zählt zu ser „die ganze weite Welt des Kraftstof- den zahlreichen herausragenden Filmen, fes spiegeln“ sollte. die der Regisseur Hugo Niebeling in den In eindrücklich fotografierten Einstellun- 1950er-und 1960er-Jahren im Auftrag gen zeigt der Film, wie das Erdöl in der deutscher Wirtschaftsunternehmen ge- Wüste Libyens erbohrt und gewonnen schaffen hat. wird, wie es dort sowie in den Raffine- Auch bei dieser Produktion nutzte er die rien in Westdeutschland aufbereitet und ihm eingeräumten Freiheiten, schrieb vor allem auch, wie es als Kraftstoff dazu nach eigenen Ideen und Vorstellungen genutzt wird, um Kraftfahrzeuge anzu- das Drehbuch und setzte es mit von ihm treiben. ausgewählten Kameraleuten, Musikern Dabei steht der Fahrspaß oben an. Der Film und Darstellern um. kommt ganz ohne Kommentar aus und „Petrol“ wurde überdies sein erster voll- lebt von und mit der Musik, nach der nicht ständig selbst geschnittener Film. nur die Straßenbaumaschinen tanzen. „Er ist ein modernes Epos, ist die verglei- 1Deutsche Industriefim-Zentrale, Verleihkatalog 1967, Film ER 29 chende Fabel, wie die Menschheit lernte, die Fortbewegung zu beherrschen.“1 Der ursprünglich 30 Minuten lange Film wurde vom Regisseur auf die Hälfte gestrafft und hat in dieser Fassung auf

vielen internationalen Veranstaltungen Ölexploration in der Wüste größte Erfolge erzielt. Foto: Mannesmann-Archiv

30 31 32 Allegro 1969 Drehorte: 35 mm, Farbe + s/w Libyen, Ruhrgebiet (u.a. Gelsenberg) und Lichtton (ohne Kommentar) andere Orte in Deutschland Archive: Länge: Aral AG, Bochum; Hugo Niebeling, Hilden 487 m Prädikat: Laufzeit: „besonders wertvoll“ 17’46“ [bei 24 B/sec] (FBW 1970: 13 416) Buch + Regie: Hugo Niebeling Auszeichnungen: Kamera: Fimförderung der FFA 1970/71; Preis des Egon Mann, Franz Hofer, Hugo Niebeling argentinischen Kultusministers für den Darsteller: künstlerisch wertvollsten Film des Inter- Egon Madson nationalen Kurzfilmfestivals Buenos Musik: Aires 1970 sowie viele weitere interna- Barockmusik von Georg Philipp Telemann tionale Auszeichnungen sowie der Vierte Satz der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven (Claudio Abbado), außerdem Jazz-Musik und Trautonium- Kompositionen von Oskar Sala Schnitt: Hugo Niebeling Produktion: Hugo Niebeling Filmproduktion, Hilden

Fahrvergnügen im Winter Auftraggeber: Foto: Mannesmann-Archiv Aral AG, Bochum

33 Allegro 1969 beauftragte die Aral AG Hugo Nie- beling damit, den von ihm bereits 1964 für das Unternehmen geschaffenen Film „Petrol - Carburant - Kraftstoff“ in freier impressionistischer künstlerischer Form und durch technische Perfektionierung der Aufnahmen neu zu gestalten. So entstand ein Film, der dem Thema Kraftstoff und Fahrvergnügen sowie ‚weite Welt’ zwar verbunden blieb, die Freude am unbeschwerten Fahren je- doch in neuer, von Verkehrshindernissen und Umweltbelastungen noch ganz un- berührter Art und Weise auskostet. Es war die Zeit, in der das eigene Fahr- zeug, vor allem der PKW, zwar noch teu- res, aber nicht mehr nur Luxusgut war. Immer mehr Familien wollten und konn- ten sich ein solches Fahrzeug leisten und damit ihren Traum von Freiheit und Un- abhängigkeit, manche auch den vom Rausch der Geschwindigkeit, verwirkli- chen. Nicht allein der Weg zur Arbeits- stätte wurde schneller und bequemer,

sondern auch die Welt rückte am Wo- Raffinerie in Prinos, Kavala chenende und im Urlaub näher. Foto: Historisches Archiv Aral

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Internationale 1963 Posener Messe 1963 16 mm, s/w Lichtton

Länge: 59,7 m Laufzeit: 5’13’’ [bei 25 B/sec] Buch + Regie: Isabella Mühlfenzl Produktion: Bayerischer Rundfunk München Erstsendung: Abendschau, 29. Juni 1963 Archiv:

Parteichef und 1. Sekretär des ZK Wladyslaw Gomulka Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp (X), Polens Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz (XX) von Bohlen und Halbach-Stiftung, Essen; und Krupp-Generalbevollmächtigter Berthold Beitz Bayerischer Rundfunk München (XXX) auf der Internationalen Posener Messe 1963 Foto: Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung

37 Internationale Bundeskanzler Adenauer war verärgert. doch der Bruttoumsatz aller Konzernun- Posener Messe 1963 Argwöhnisch beäugte er lange Zeit den ternehmen mit Polen von zwei Millionen „Osthandel“ deutscher Firmen, und DM im Jahr 1959 auf 14 Millionen ein misstrauisch verfolgte er insbesondere Jahr darauf und stabilisierte sich für im- das Engagement von Berthold Beitz, seit merhin drei Jahre auf diesem Niveau. 1953 Generalbevollmächtigter Alfried Der Anteil des gesamten Osthandels am Krupp von Bohlen und Halbachs. Einmal Umsatz des Konzerns erreichte in der soll der Bundeskanzler gefragt haben, Spitze elf Prozent. Aber die Zahlen warum Beitz denn keine rote Nelke im schwankten, und die finanzielle Abwick- Knopfloch trage, dann wisse doch jeder- lung blieb immer problematisch. Dass mann gleich, woran er sei. Und bei ande- sich gerade der Krupp-Konzern so stark rer Gelegenheit äußerte Adenauer un- im Osthandel engagierte und viele Auf- verblümt seine Zweifel an der „nationa- träge erhielt, hing nicht zuletzt mit dem len Zuverlässigkeit des Herrn Beitz“. Die- Ansehen von Berthold Beitz und seinen ser ließ sich aber nicht beirren und wuss - noch aus der Kriegszeit stammenden te dabei vor allem den Firmeninhaber Kontakten gerade in Polen zusammen. Alfried Krupp hinter sich. Beitz hatte während des Zweiten Welt- Die Internationalen Messen in Posen kriegs im damaligen „Generalgouverne- boten eine gute Gelegenheit, die wirt- ment“ zahlreiche polnische Juden vor schaftlichen Kontakte zwischen Ost und Deportation und Ermordung gerettet. West zu intensivieren. Zeitungen wie Insofern war er später geradezu prädes- „Die Welt“ sprachen sogar vom „Kon- tiniert auch für halb-diplomatische taktpunkt Nummer eins für den deut- Missionen. Seit 1958 führte Beitz Ge- schen Osthandel“. Die Firma Krupp betei- spräche mit hochrangigen Politikern in ligte sich erstmals 1958 an der Messe, der Sowjetunion und anderen Ostblock- und das sollte sich bald auszahlen, stieg staaten, unter anderem mit Chrusch-

38 tschow, und setzte sich dabei vor und dann am 29. Juni 1963 in der „Abend- Polen und der Bundesrepublik Deutsch- hinter den Kulissen für ein besseres Ver- schau“ gesendet wurde. Der Film zeigt land berichtet. Anschließend folgen In- ständnis zwischen Ost und West ein. zunächst Szenen aus dem Alltag in der terviews mit Beitz und dem polnischen Aus polnischer Sicht waren die Messe- Stadt Posen und hinterfragt dabei das Außenhandelsminister Trampczynski. veranstaltungen in Posen nicht minder Vorurteil von der Rückständigkeit Polens Beitz unterstreicht dabei, dass die osteu- wichtig. Unter Wladislaw Gomulka, seit im Vergleich zum Westen. Hingewiesen ropäischen Staaten ein „traditioneller Oktober 1956 erneut Chef der Polni- wird auf den Wandel Polens vom Agrar- Markt“ für deutsche Firmen seien, der schen Vereinigten Arbeiterpartei, setzte zum Industriestaat. Anschließend wen- von Krupp und der Bundesrepublik ge- eine gewisse Öffnung des kommunisti- det sich der Film konkret der Messe zu, pflegt werden müsse – auch in Konkur- schen Systems nach innen und außen auf der die Firma Krupp unter anderem renz zu anderen westeuropäischen Staa- ein, nachdem der Unmut der Bevölke- ein Schwimmdock für eine Werft in Dan- ten. Trampczynski macht das Interesse rung über die Versorgungslage und die zig präsentierte, einen Schwenkbrecher Polens an Investitionsgütern wie Maschi- sowjetische Präsenz noch im Juni 1956 für eine Grube in Kattowitz, ein Platten- nen oder Dockeinrichtungen klar und un- im „Posener Aufstand“ kulminiert war. walzwerk sowie Modelle von Schaufel- terstreicht den Wunsch des Landes, die Ende der 1950er-, Anfang der 1960er- radbaggern und Zementöfen. Insgesamt Industrialisierung voranzutreiben. Jahre wollte die polnische Führung durch beteiligten sich Aussteller aus 61 Ländern Insgesamt versucht der Film, die Vorteile eine forcierte Industrialisierung auch An- an der Posener Messe, darunter weit des Osthandels für alle Beteiligten auf- schluss an den westlichen Lebensstan- über 100 Firmen aus Deutschland. zuzeigen und die politische Dimension dard gewinnen. Der Film zeigt weiter, wie Berthold Beitz der wirtschaftlichen Annäherung deut- In diesen Kontext fällt der Film über die am Messestand der Firma hochrangige lich zu machen: „Dem Handel wird das Internationale Posener Messe, die vom 9. polnische Gäste begrüßt, so den polni- politische Verständnis folgen.“ Aus heu- bis zum 23. Juni 1963 stattfand. Es han- schen Ministerpräsidenten Cyrankiewicz tiger Sicht betrachtet sollte sich dieser delt sich um einen Fernsehbeitrag des und Parteichef Gomulka. In einer Rück- Schlusssatz des Films nach vielen Ver- Bayerischen Rundfunks, der im „Weltspie- blende wird über den wenige Monate vor werfungen letztlich doch bewahrheiten, gel“ ausgestrahlt werden sollte, wegen der Messe unterzeichneten, auf drei Jah- und Persönlichkeiten wie Berthold Beitz aktueller Ereignisse aber entfiel und re befristeten Handelsvertrag zwischen hatten einen erheblichen Anteil daran.

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Thyssen in der Welt zu Hause* Arbeitstitel der einzelnen Rollen: Idee und Buch: Bernd König ATH International Frankreich1 Regie: 16 mm, Farbe Eugen Wothe Tonfilm Kamera: *Titel der aus mehreren Einzelfilmen be- Länge: 32 m Karl-Heinz Hindrichkeit, Horst Norbert stehenden Gesamtpräsentation auf der Laufzeit: 2’55“ Henrychowski, Heiner Bauhof Hannover-Messe 1974 Ton: ATH International Nordamerika Hans Ruhe 1974 16 mm, Farbe Text: Tonfilm Dieter Rüsse Länge: 44,6 m Sprecher: Laufzeit: 4’04“ Günter Kemper Produktionsleitung: ATH International Südamerika Hans Ruhe 16 mm, Farbe Produktion: Tonfilm August Thyssen-Hütte AG, Länge: 55,8 m Audiovisionszentrale Laufzeit: 5’05“ Auftraggeber: August Thyssen-Hütte AG, Duisburg ATH International Liberia Archiv: 16 mm, Farbe ThyssenKrupp Konzernarchiv, Duisburg

Mit einer 16-mm-Arriflex filmte das Kamerateam nicht Tonfilm nur im Urwald von Liberia – wie hier –, sondern auch in Länge: 54,9 m Nord- und Südamerika sowie in Europa für die Serie Laufzeit: 5’00“ „ ATH International“. Foto: ThyssenKrupp Konzernarchiv

41 Thyssen in der Welt zu Hause „PR-Schau und Film über die Auslandsak- genen Filmproduktion 25.000 DM Mate- tivitäten der Thyssen-Gruppe zur Hanno- rial- und allein 90.000 DM Reisekosten, ver-Messe 1974“, unter diesem Titel hat- um in achtzig Arbeitstagen auf drei Rou- te Bernd König2 im Juni 1973 die erste ten in vier Kontinenten Filmaufnahmen große Aktivität seiner neuen Abteilung von den Auslandsaktivitäten der Thys- ‘Audiovisionszentrale’ der Thyssen-Grup- sen-Gruppe zu erstellen. Ein erster 14- pe in Abstimmung mit dem Werbeleiter seitiger Entwurf unter dem Titel „Thys- Claus Suhrmeyer geplant. Mit dem sen – in der Welt zu Hause“ lag schon Wechsel im Vorstandsvorsitz der August am 6. Juli 1973 vor.4 Nach Vorgesprächen Thyssen-Hütte AG (ATH) von Hans-Gün - in Deutschland und nach Auswertung ther Sohl auf Dieter Spethmann wurde der eigenen statistischen Unterlagen König statt wie bisher mit der Pressestel- über Umsätze und Produkte einzelner le nun mit dem Aufbau einer eigenen Auslandsbeteiligungen5 sollten die The- Audiovisionszentrale beauftragt. Zum 1. men: „Rohstoffe, Produktion, Handel [so- Juli 1973 stellte die ATH zwei Mitarbeiter wie] Know-how im personellen und ein, zwei weitere folgten, um in Zukunft technischen Gebiet auf allen Kontinen- nicht mehr Aufträge an Fremdfirmen zu ten“ dargestellt werden. Angedacht war vergeben, sondern Filme selbst produzie- unter dem Titel „Thyssen International“, ren zu können. Im Dreischeibenhaus in die Rohstoffquellen in Südamerika, Afri- Düsseldorf wurden ein Studio mit Pro- ka, Europa und Australien, die ausländi- jektionstechnik, Schneideraum, Bild- und schen Produktionsstätten in Brasilien, Tontechnik sowie eine Dokumentations- Frankreich, Kanada, USA und Türkei, die stelle eingerichtet.3 mehr als 150 Geschäftsstellen und Ver- Der Vorstand der ATH genehmigte in An- tretungen für Stahlprodukte in über 100 lehnung an die finanziellen Aufwendun- Ländern der Erde sowie den „industriel- gen für die Hannover-Messe 1973 der ei- len Aufbau in aller Welt“ durch Thyssen-

42 Ingenieure zu präsentieren. Seine filmi- letzte Route führte wieder über Zürich Fernsehfilmen verwandt. Eine ursprüng- sche Idee verwertete König im Oktober nach New York, Montreal, Hamilton, lich geplante Vorführung von Szenen auf 1973 für einen umfangreicheren Bericht Montreal und über Zürich zurück (2. bis der Hauptversammlung der ATH 1974 in dem Mitteilungsblatt für Aktionäre 14. Januar 1974). Neben Schutzimpfun- kam nicht zu Stande. Die Qualität des 16 „Thyssen aktuell“ unter dem gleichen gen waren die Zollformalitäten für die mm-Materials für Vorführungen in gro- Titel „Thyssen in der Welt zu Hause“.6 Kameraausrüstung vor Reisebeginn das ßen Sälen überzeugte nicht, weshalb bei Von November 1973 bis Januar 1974 größte Problem, vor Ort aber die fehlen- späteren „Filmexpeditionen“ mit 35 mm- reisten – in Anlehnung an Jules Vernes de Ausleuchtung in den Fabriken sowie Kameras gedreht wurde. Roman „Reise um die Erde in 80 Tagen“ – die Anmietung von Hubschraubern für Von den noch überlieferten sechs Filmen drei Mitarbeiter von Bernd König und der spektakuläre Flugaufnahmen mit für die Hannover-Messe werden im Pro- extern engagierte Regisseur Eugen Wo- Schwierigkeiten verbunden. Das Team gramm von IndustrieFilm Ruhr ´03 im the7 aus Brühl bei Köln mit 160 kg zu- war immer in sehr guten Hotels, u. a. Hil- November 2003 jene über die Türkei so- sätzlichem Fluggepäck, darunter einer ton und Sheraton, untergebracht. Nach wie über den belgischen Stahlgroßhänd- 16 mm-Arriflex-Filmkamera mit vier der ersten Filmsichtung zu Beginn des ler Ets. Jouret S.A. nicht gezeigt, dafür Objektiven von 16, 25, 50 und 300 mm Jahres 1974 wurden in Europa noch Auf- aber Filme mit dem Arbeitstitel ATH In- Brennweite sowie einem professionellen nahmen von zwei Teams gedreht.8 ternational Frankreich, Nordamerika, Tonbandgerät, zunächst von Düsseldorf Aus den 6.258 m archivierungswürdigem Südamerika sowie Liberia. Diese Filme über Zürich nach Istanbul, Teheran, Ah- 16 mm-Filmnegativ-Material schnitt die zeichnen sich durch kurze Einstellungen, waz, Abadan, Kuwait und wieder zurück Audiovisionszentrale in Düsseldorf meh- die unseren heutigen Sehgewohnheiten über Rom (7. bis 23. November 1973), rere Filme zusammen, u. a. zur Präsenta- entgegenkommen, sowie inhaltlich gute um noch nicht einmal eine Woche später tion auf der Hannover-Messe vom 25. Texte aus, die sich mit den Problemen vor von Düsseldorf über Zürich nach Monro- April bis 3. Mai 19749 sowie für die Toch- Ort auseinandersetzen und die die da- via, von dort nach Rio de Janeiro, Belo tergesellschaft Thyssen Stahlunion zu mals noch häufige eurozentrierte Sicht Horizonte, Brasilia, Rio de Janeiro, Cara- Werbezwecken. In den Folgejahren wur- vermissen lassen. Die Filme unter dem cas und zurück über Paris zu fliegen (28. den weitere Sequenzen in anderen Eigen- Motto „Thyssen in der Welt zu Hause“ November bis 24. Dezember 1973). Die produktionen10, aber auch in fremden bieten Hintergrundinformationen über

43 das jeweilige Land und nicht nur Techni- Gestelldurchmesser, zwei Oxygenkonver- lich so kostengünstige Küstenstahlwerk sches. ter à 280 t etc.; in der Endausbaustufe Solmer wurden nicht im vollen Umfang sollten 20 Mio. t Stahl pro Jahr erzeugt verwirklicht.12 ATH International Frankreich11 werden), sondern auch die Auswirkun- Nach einer langen Einstellung auf die gen der Industrieansiedlung auf die ATH International Nordamerika13 französische Fahne, unterlegt mit be- Landschaft und die Einwohner. Themati- Mit Tag- und Nachtansichten der Stadt schwingter Musik, wird in kurzen Einstel- siert wird der Zuzug von 36.000 Men- New York wird das pulsierende Nordame- lungen die Geschichte eines einst be- schen, darunter viele Gastarbeiter und rika vorgestellt, dessen „Wirtschaftszen- schaulichen Ortes geschildert. Fos sur arbeitslose Stahlarbeiter aus Lothringen, trum diese Stadt sei“ – so der Kommen- Mer, in der Nähe von Marseille, wandelte jedoch wird auf die Umweltproblematik tar. Der Zuschauer erhält Informationen sich aufgrund staatlicher Industrie- und nicht eingegangen. über Thyssen-Werke und -Handelslager Strukturpolitik Anfang der 1970er-Jahre Am Schluss des Films wird der Hoffnung in Nordamerika. Deren Aufgabe ist es, die zur größten Industriebaustelle Europas, Ausdruck gegeben, dass die Menschen in Kunden besser und intensiver zu betreu- man hoffte auf ein „Ruhrgebiet am Mit- Fos sur Mer ihrer typischen Lebensart en, beispielsweise durch Qualität und telmeer“. Neben Raffinerien und einem treu bleiben. Mit dem Kamerablick in ein maßgeschneiderte Produkte. Vorgestellt großen Seehafen wurde ein integriertes Bistro lautet der Schlusskommentar: wird u. a. die Edgcomb Steel and Alumini- Hüttenwerk am Mittelmeer, die Société „Auf den Fortschritt, auf die Gesundheit um Corp., Hillside, New Jersey. Mit einem Lorraine et Muridionale de Laminage – Santé!“ Sprung zu den Niagara Falls, die offen- Continu (Solmer) errichtet. An dieser Ge- Die 5%-Beteiligung des Thyssen-Konzerns sichtlich das Kamerateam gerne sehen sellschaft war neben den Firmen Union wurde nicht – wie noch 1973 geplant – wollte und die viele Menschen mit Kana- Siderurgique du Nord et de l’Est de la auf mindestens 25% ausgebaut. Die Re- da assoziieren, und Bürosituationen so- France SA (Usinor) und Société Lorraine zession infolge der 1973er-Ölpreiskrise wie Winteraufnahmen im Hafen, beim de Laminage Continu Sollac SA auch die und die anschließende Stahlkrise ließen Bau einer Raffinerie bei Montreal als ATH beteiligt. Der Film zeigt nicht nur den Thyssen-Konzern seine Internationa- Beispiele für das internationale Anlagen- das im Bau befindliche Werk mit seinen lisierungspläne im Stahlbereich aufge- geschäft von Thyssen, endet der Film Superlativen (zwei Hochöfen mit je 10 m ben. Die ehrgeizigen Pläne für das angeb- abrupt.

44 ATH International Südamerika14 tionsöfen nach dem Thyssen-Purofer- Thyssen International Liberia16 Alte Mauerreste im Dschungel werden Verfahren errichtet werden. Es folgt ein „Afrika, geheimnisvoller Schwarzer Kon- nicht als „altgriechische“ Tempelreste, Luftsprung 4.000 km nach Norden zu Ve- tinent, unberührte Wildnis, Leben in sei- sondern als 150 Jahre alte Überreste des nezuelas einzigem Hüttenwerk, der C. V. ner ganzen natürlichen Unschuld.“ Mit ersten Hüttenwerks in Brasilien kom- G. Siderugica del Orinoco C.A. (Sidor) in diesen Sätzen und Aufnahmen von mentiert, ohne dass der Zuschauer er- Puertó Ordaz, an der Thyssen ebenfalls Dschungel, Eingeborenen beim Stam- fährt, dass es sich um die brasilianische beteiligt war. Der Technologie- und mestanz sowie in einem Einbaum auf Unternehmung des Deutschen Wilhelm Know-how-Transfer steht hier im Mittel- einem Fluss beginnt der Film. Der Zu- Ludwig von Eschwege handelt. Die reich- punkt der Filmsequenzen. Die menschli- schauer jener Zeit kannte Afrika aus haltigen Eisenerzlagerstätten (Tagebaue chen Kontakte zwischen deutschen und Büchern, Fernseh- und Kinofilmen von Fabrica und Joao Pereira) in der Provinz venezolanischen Fachleuten, sowohl bei Bernhard Grzimek (allein seine populäre Minas Gerais, 400 km nördlich von Rio de der Ausbildung in Deutschland als auch Fernsehreihe „Ein Platz für Tiere“ erreichte Janeiro, an denen Thyssen mehrheitlich bei der Inbetriebnahme in Venezuela, 170 Folgen). Der Film sollte offensichtlich beteiligt war, sind in diesem Film der An- werden durch zwei Interviews dokumen- mit diesen Aufnahmen an Bekanntes, lass für Aufnahmen von Brasilien, bei de- tiert. Mit einem Blick auf eine venezola- schon Gesehenes anknüpfen, um dann nen die Schönen an der Copacabana und nische Goldmine im Dschungel, für die die Zuschauer mit modernster Te chnik im vom Strand von Ipanema nicht fehlen Thyssen Anlagenteile geliefert hat, wird Urwald konfrontieren: „Doch die Technik dürfen, ebensowenig wie Aufnahmen das wegen seiner Bodenschätze sich ist auch bis hierher vorgedrungen.“ Vorge- vom Zuckerhut sowie den Städten Rio de schnell entwickelnde Venezuela als mo- stellt wird in den folgenden Einstellungen Janeiro und Brasilia. derne Industrienation bezeichnet. die Bong Mining Company in Liberia, ihre Die Beteiligung an dem Stahlwerk Com- Bei der Purofer-Anlage der Cosigua im Erzgewinnung und -aufbereitung sowie panhia Siderúgica da Guanabara (Cosi- Werk Santa Cruz traten immer wieder der Erzzug zu dem 80 km südlich gele- gua) in Santa Cruz 70 km südwestlich Störungen auf, weshalb sie 1979 stillge- genen Monrovia. Die 1961 unter maß- von Rio de Janeiro ist Anlass für weitere legt wurde und Thyssen seine Beteili- geblicher Beteiligung von Thyssen ge- Aufnahmen von Menschen und Maschi- gung an dieser Stahlbasis in Brasilien be- gründete Erzgesellschaft sollte ca. 300 nen, denn dort sollten zwei Direktreduk- endete.15 Mio. t Erze im Tagebau fördern. Wegen

45 seines geringen Eisengehalts wurde das Die Entwicklung verlief jedoch anders. 9 Siehe Unsere ATH 1974, Heft 6/7, S. 18. Innerhalb des Erz an Ort und Stelle zu Konzentrat oder Dies konnten die Filmemacher jener Jah- ATH-Messestandes wurden die Filme an jenen Stellen gezeigt, die einen Bezug zur jeweiligen Auslandsbeteili- zu Pellets mit einem Eisengehalt von re noch nicht wissen. 1989 brach ein gung besaßen. 65% aufbereitet. Dafür wurden 150 Mio. Bürgerkrieg in Liberia aus, in dessen Fol- 10 Siehe TKA Film/109 „Wußten Sie schon?“, 1975; TKA US-Dollar investiert. ge die Anlagen der Bong Mining Compa- Film/16 „Thyssen in der Welt zu Hause“ hat eine Spiel- filmhandlung (30 Minuten), zeigt aber zahlreiche Aus- 17 Die 2.500 europäischen und liberiani- ny 1990 aufgegeben werden mussten. landsaufnahmen aus diesem Filmmaterial. schen Angestellten lebten in einer eige- 11 Sprechertext in: TKA A/15555. nen Stadt (Bongtown), die 5.607 km von 12 Helmut Uebbing: Wege und Wegmarken. 100 Jahre Thyssen. Berlin 1991, S. 100 f. Düsseldorf entfernt ist – wie ein Schild 13 Sprechertext in: TKA A/15555. ausweist – , aber den europäischen Kom- 14 Sprechertext in: TKA A/15555. 15 fort nicht missen lässt: Krankenhaus, 1 Die ursprüngliche Beschriftung lautet: ATH Internatio- Helmut Uebbing: Wege und Wegmarken. 100 Jahre nal Europa. Thyssen. Berlin 1991, S. 98 f. Schule, Kindergarten, Schwimmbad, 16 2 Zum ersten eigenen Industriefilm des gelernten In- Sprechertext in: TKA A/15555. 17 Sport platz, Supermarkt und Kirche feh- dustriekaufmanns, der 1956 unter dem Titel „August Helmut Uebbing: Wege und Wegmarken. 100 Jahre len nicht. Thyssen-Hütte 1955“ auf der Hauptversammlung der Thyssen. Berlin 1991, S. 94. Die Bedeutung von Krankenhaus und August Thyssen-Hütte AG uraufgeführt wurde, siehe Manfred Rasch: Von der Kinoempfehlung zum Doku- Schule für das noch unterentwickelte mentarfilm. In: Manfred Rasch, Karl-Peter Ellerbrock, Umland werden hervorgehoben. Renate Köhne-Lindenlaub, Horst A. Wessel (Hg.): Indus- Erstaunlich ist die Schlussbetrachtung triefilm - Medium und Quelle. Beispiele aus der Eisen- und Stahlindustrie, Essen 1997, S. 82-93, hier S. 89. des Films: „Denn die Erzvorräte halten 3 Siehe Fernsprech-Teilnehmer-Verzeichnis, Ausgabe nicht ewig. Deshalb muss heute bereits 1974, in: ThyssenKrupp Konzernarchiv (TKA). für eine spätere Zukunft dieser Men- 4 Thyssen - in der Welt zu Hause. Typoskript 14 S., 06.07.1973, in: TKA A/15555. schen geplant werden.“ Angedacht war 5 Siehe TKA A/15554. der Aufbau einer eigenen Agrarproduk- 6 Thyssen aktuell, Ausgabe Oktober 1973, S. 8-20. 7 tion, entwickelt von der Bong Mining Der ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Industrie- Blick auf die Erzaufbereitungsanlagen der und Dokumentarfilm GmbH wurde auf Vorschlag von Company zusammen mit der liberiani- Bong Mining Company in Liberia für Hans Ruhe engagiert. die Filmsequenzen von „ATH International“. 8 schen Regierung. Siehe TKA A/15554. Foto: ThyssenKrupp Konzernarchiv

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GHH in India 1963 16 mm, Farbe Lichtton, englische Originalfassung

Länge: 133,7 m Laufzeit: 11’42“ [bei 25 B/sec] Buch + Regie: Paul Schneidersmann Kamera: Paul Schneidersmann Schnitt: Paul Schneidersmann, Huschert-Realfilm Produktion: unbekannt Auftraggeber: Gutehoffnungshütte Sterkrade AG (GHH), Oberhausen Der erste Hochofen im indischen Rourkela, Archiv: am 3. Februar 1959 in Betrieb genommen Foto: Archiv St. Antony-Hütte/LVR/Rheinisches Archiv St. Antony Hütte, Oberhausen Industriemuseum, Oberhausen LVR / Rheinisches Industriemuseum

49 GHH in India „Damals in Deutschland – heute in In- Anschließend stellt der Film Projekte vor, dien“. die die GHH in Indien bereits realisiert Dies war das Motto eines Vergleichs der hatte. industriellen Entwicklung Indiens mit Besonders hervorgehoben wird dabei die dem Ruhrgebiet, der 1962 in der Werks- Errichtung des Eisen- und Stahlwerks in zeitschrift der Gutehoffnungshütte Rourkela. Um zu verdeutlichen, was die Sterkrade AG (GHH) in Oberhausen er- GHH ansonsten liefern konnte, präsen- schien. tiert man Bilder aus der Produktion in 1947 unabhängig geworden schien fünf- Sterkrade und von der gesamten Produkt- zehn Jahre später in Indien eine rasante palette vom Hochofen bis zum Schiff. Er- Industrialisierung zu beginnen. Indien wähnt wird auch das Trainingsprogramm, war ein Markt geworden, den sich ein das indischen Mitarbeitern in den Werken am Weltmarkt orientiertes Unterneh- in Sterkrade geboten wurde. men wie die GHH nicht entgehen lassen Das Eisen- und Stahlwerk in Rourkela konnte. wurde im Film nicht umsonst hervorge- Werbung ließ sich gut mit Entwicklungs- hoben. Einerseits war es besonders ge- hilfe verbinden. Zu Beginn der 1960er- eignet für die Werbung in eigener Sache Jahre entstand im Auftrag der GHH ein und ihre Darstellung als „private“ Ent- Film, der gezielt den indischen Markt an- wicklungshilfe. Andererseits spielte Rour- sprach. Offensichtlich nur in englischer kela eine wichtige Rolle im Kampf der po- Sprache vertont, preist der Film zunächst litischen Systeme. das Land und seine Jahrtausende alte Gebaut von einem Konsortium der deut- Geschichte. schen Investitionsgüterindustrie war Gelobt werden die „weise und weitsich- Rourkela das erste im Wettbewerb dreier tige Planung“ der indischen Verwaltung Eisen- und Stahlwerke im Land, in dem und der Ressourcenreichtum des Landes. Eisen gewonnen wurde.

50 Einen Tag später begann ein mit sowje- tischer Unterstützung errichtetes Werk die Produktion. So war Rourkela auch ein kleiner Sieg im „Kalten Krieg“, hier im Werben von West und Ost um den indischen Subkontinent.

Von der Gutehoffnungshütte errichtete Schleudergussröhrenfabrik der Mysore Iron & Steel Works in Bhadravati, Indien Foto: Archiv St. Antony-Hütte/LVR/Rheinisches Industriemuseum, Oberhausen

51 52 Und Öl fließt über die Anden 1986 35mm, Farbe Tonfilm

Länge: 986 m Laufzeit: 36 min [bei 24 B/sec] Regie: Peter M. Blank Buch: Wolfgang Graudenz Schnitt: Dorothee Hengeler Produktion: Casablanca Production und Mannesmann Werbegesellschaft mbH., Düsseldorf Auftraggeber: Mannesmann Anlagenbau Engineering + Construction, Düsseldorf / MEG Ltd. Archiv:

Verlegung des Rohrstrangs über die Anden im Jahr 1986 Mannesmann-Archiv, Mülheim/Ruhr Foto: Mannesmann-Archiv

53 Und Öl fließt über die Anden In der Tat, diese alles in allem 298 Kilo- gelassen, so dass schließlich nur noch meter von Caño Limon in der Tiefebene zehn Monate dafür verblieben. des Orinoko-Beckens bis zur Übergabe- In Düsseldorf und London wurde ge- station im Rio Zulia Terminal hatten es in plant, die Trasse berechnet sowie die Ver- sich. Undurchdringlicher Urwald mit un- gabe der insgesamt über 700 Einzelauf- befestigten oder gar keinen Straßen, bis träge koordiniert und deren zeitgerechte nahezu 2.680 m hohe Andenpässe, rei- Erfüllung kontrolliert. Das Großrohrwerk ßende Flüsse, Sümpfe und Bergrutsche, Mannesmannröhren-Werke AG in Mül- Insektenschwärme, wilde Tiere und un- heim an der Ruhr lieferte über die Man- berechenbare Guerilleros standen den nesmann Handel AG 45.000 Tonnen Roh- ehrgeizigen Mannesmann-Planungen re mit einem Durchmesser von 450 bis Der Film ist ein ebenso unaufdringlicher gegenüber. Und ab Oktober, mit einset- 500 mm. Diese gingen von Bremen aus wie spannender Tatsachenbericht über zender Regenzeit, sollte ohnehin alles in per Schiff in 16 Tagen über den Atlantik ein 750 Millionen DM-Projekt in Kolum- Schlamm und Morast versinken. und durch die Karibik nach Kolumbien. bien, vor dessen Unlösbarkeit viele, dar- Mannesmann Anlagenbau übernahm Vom Seehafen aus übernahmen Schwer- unter zahlreiche Fachleute, den Mannes- als Konsortialführer die Verantwortung transporter die Weiterbeförderung über mann Anlagenbau gewarnt hatten. Abge- und brachte das Projekt mit Unterstüt- Land bis zu den Sammeldepots; 100, sehen von den ungewöhnlich schwieri- zung durch zahlreiche Subunternehmen zeitweise 345 schwere Lastwagen waren gen topographischen und klimatischen trotz aller Widrigkeiten bis zu dem ver- bis zu acht Tage unterwegs auf engen Bedingungen sei der Bau der 284 km lan- einbarten Termin zu einem erfolgreichen Straßen und nur mit größter Vorsicht zu gen Ölpipeline, der vier Pumpstationen Abschluss. Dabei hatte es gleich bei Auf- passierenden Flussübergängen. 70 km und Tanklager sowie der drahtlosen Nach- nahme der Verlegearbeiten Schwierig- Straße mussten neu gebaut werden. Den richteneinrichtungen in der vorgesehenen keiten gegeben, die das Projekt über- Weitertransport zur Trasse der Pipeline Bauzeit von 13 Monaten auf gar keinen haupt in Frage stellten. Die Guerilleros übernahmen dann Raupenschlepper, Fall zu realisieren, der Termin 27. Dezem- hatten vier Techniker entführt und sich und wo auch diese versagten, der Heli- ber 1985 für „first oil“ nicht zu halten. mit deren Freilassung drei Monate Zeit kopter; in den Steilhängen mit bis zu

54 50% Neigung mussten die tonnen- bracht und dann auf Schwerlastwagen ber oder als Hilfskräfte bei der Verlegung. schweren Rohre mühsam mit Winden zu den Stationen weiterbefördert wor- „Noch nirgends zuvor“, meinte der Pro- hinaufgezogen werden. Da sich die Lei- den. Weil die Guerilleros eine Brücke ge- jektmanager, der bereits in vielen Teilen tung dem natürlichen Verlauf des Gelän- sprengt hatten und die Zeit drängte, ver- der Welt Pipelines verlegt hatte, „haben des anpassen sollte, wurden die zahlrei- suchte man, den Fluss an einer Furt zu wir so lernwillige und fleißige Arbeits- chen Rohrbiegungen mittels mobiler An- überwinden. Dabei ging ein Fahrzeug kräfte vor Ort gefunden“. lagen vor Ort durchgeführt. Allein die verloren. Mannesmann Anlagenbau gelang es als Anlieferung der Rohre erforderte mehr Auch bei der Verlegung der Pipeline wa- erstem Unternehmen, ein Projekt dieser als 5.200 Einzeltransporte. ren trotz aller Vorsicht Materialverluste Größenordnung in Kolumbien terminge- Pro Tag schafften die Montagetrupps zu beklagen: Ein Bagger verschwand für recht zu vollenden. Dabei ist es durchaus durchschnittlich 60 Schweißnähte, also immer im Sumpf, ein Seitenbaumtraktor der Erwähnung wert, dass diese Arbeit rund drei Viertel Kilometer Rohrstrang. stürzte einen Abhang hinunter; die uner- überdurchschnittlich gut getan wurde: Parallel dazu wurden elf Rohrbrücken, wartete Begegnung mit einem Kaiman in Während international bei Pipelinebau- vier Pumpstationen mit Tanklagern sowie dem vom Wasser überfluteten Rohrgra- ten eine Reparaturquote von 4% als die Funkanlagen gebaut. Bis zu 45.000 PS ben nahm nur wegen der großen Geis- „normal“ und von 2% als „gut“ gilt, er- Baumaschinen-Leistung waren im Ein- tesgegenwart des Anlagenbauers einen zielten die Trupps bei der Andenpipeline satz, außerdem die Lastwagen, die Heli- guten Ausgang. mit insgesamt 25.000 Schweißnähten kopter und zahlreiche Mulis – letztere Gerade mal 200 Deutsche waren an den die bemerkenswerte Quote von 0,8%! schleppten Werkzeug, Gasflaschen, Treib- Arbeiten in Kolumbien beteiligt und Und der Urwald hat die Trasse längst stoff und Verpflegung an Stellen, die mehr als 4.000 Kolumbianer sowie 100 wieder überwuchert und die Spuren der selbst von den allradbetriebenen Motor- Pipeliners aus anderen Ländern der Erde; erfolgreichen Arbeit verwischt. fahrzeugen nicht mehr erreicht wurden. insgesamt waren Arbeitskräfte aus 24 Das Land kann seit 1986 neben dem Kaf- Die Dieselmotoren für die Pumpstatio- Nationen an dem Werk beteiligt. fee, der zuvor 60% seiner Devisenein- nen waren über Großbritannien, wo man Die kolumbianischen Helfer, an denen nahmen erbracht hatte, auch die wert- sie geprüft hatte, mit Spezialflugzeugen kein Mangel bestand, arbeiteten in den vollen, zuvor jedoch unerreichbaren Er- zu Flughäfen im Innern des Landes ge- Camps, als Fahrzeugführer und Mulitrei- dölvorkommen nutzen.

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Antonio 1962 Länge: 16 mm, Farbe 109,7 m (Aufnahmeformat: 35 mm) Laufzeit: Lichtton 9’45’’ [bei 24 B/sec] Gesamtleitung: Herbert Obscherningkat Buch + Regie: Hans H. Hermann Kamera: Richard Schüler Schnitt: Cas van den Berg Sprecher: Josef Sieber Musik: brasilianische Volksmusik Produktion: Porta-Film Herbert Obscherningkat, Hamburg Auftraggeber: Fried. Krupp, Essen Prädikat: „wertvoll“ (FBW 1962: 8 064) Im Jahr 1961 waren im Kruppschen Werk in Campo Archiv: Limpo 1600 Menschen, meist Einheimische, beschäftigt Foto: Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp von Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp Bohlen und Halbach-Stiftung von Bohlen und Halbach-Stiftung, Essen

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Bom Dia, Brasil – 1962 Guten Tag, Brasilien 35 mm, Farbe Lichtton

Länge: 259 m Laufzeit: 9’29’’ [bei 24 B/sec] Buch + Regie: Hans H. Hermann Kamera: Richard Schüler Musik: Martin Böttcher Produktion: Porta-Film Herbert Obscherningkat, Hamburg Auftraggeber: Im Jahr 1960 nahm das moderne Industriewerk von Fried. Krupp, Essen Campo Limpo, gut eine Autostunde von São Paulo Archiv: entfernt, seinen Betrieb auf Foto: Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung von Bohlen und Halbach-Stiftung, Essen

59 Antonio „Die ganze Erde ist der Markt von mor- dustrie, darunter Tochtergesellschaften gen“, erklärte 1961 Berthold Beitz, Gene- von VW und Mercedes-Benz. ralbevollmächtigter Alfried Krupp von Am 17. Juni 1961 weihte Alfried Krupp Bohlen und Halbachs.1 von Bohlen und Halbach in Anwesenheit Der Krupp-Konzern hatte von jeher inter- des brasilianischen Staatspräsidenten Ja- national agiert und verfolgte nach dem nio Quadros das neue Werk offiziell ein.4 Bom Dia, Brasil – schwierigen Wiederaufbau in den frühen 1.600 Menschen, die meisten davon Ein- Guten Tag, Brasilien 1950er-Jahren erneut eine – modern heimische, fanden damals hier Arbeit. ausgedrückt – Globalisierungsstrategie. Bis 1980 sollte die Zahl auf 4.500 stei- Als Teil dieses Konzepts baute man zum gen, heute sind 2.500 Personen im Werk ersten Mal überhaupt im Ausland einen Campo Limpo tätig. Von Beginn an ach- Produktionsbetrieb auf. tete die Werksleitung auch auf die Ein- Die Wahl fiel auf Brasilien, wo der Staat haltung sozialer Standards, die in Brasi- ausländische Investitionen massiv för- lien keineswegs selbstverständlich wa- derte.2 ren: Es gab eine Kantine, Wasch- und Ba- Gut eine Autostunde von São Paulo ent- degelegenheiten sowie einen werksärzt- fernt entstand innerhalb von zwei Jah- lichen Dienst. ren in Campo Limpo ein modernes In- Sehr früh kam im Krupp-Konzern die dustriewerk, das Anfang des Jahres 1960 Idee auf, die neue brasilianische Tochter- die Produktion aufnahm.3 gesellschaft einer breiten Öffentlichkeit Hergestellt wurden Gesenkschmiedetei- werbewirksam zu präsentieren. Es war le für den Fahrzeug- und Maschinenbau, wohl der Generalbevollmächtigte Bert- beispielsweise Kurbel- und Nockenwel- hold Beitz, der die Anregung zu einem len. Insbesondere belieferte die „Krupp Kurzfilm gab. Dieser Streifen sollte – so Metalúrgica Campo Limpo S.A.“ die stark Beitz Ende des Jahres 1959 – „nach mo - wachsende brasilianische Automobilin- dernsten Gesichtspunkten“ gestaltet

60 werden, Bild und Musik sollten „raffi- des Werks in Campo Limpo, an seinem sich kennen lernen, ist nur lose mit den niert aufeinander abgestimmt“ werden, ersten Tag in Brasilien entdeckt. Der Film Impressionen aus dem Alltagsleben ver- wobei Jazz als Musikrichtung zu bevor- zeigt neben der einheimischen Tier- und knüpft. Weder das Milieu der Deutschen zugen sei. Das Ganze müsse „spritzig Pflanzenwelt vor allem Szenen aus dem in Campo Limpo noch das der Brasilianer und leicht, zugleich aber eindrucksvoll Alltag: Hier werden einem kleinen Brasi- wird genauer geschildert,6 der Zuschauer und mitreißend“ daherkommen.5 lianer die Haare geschnitten, dort die spürt allenfalls das Wohlstandsgefälle Gut ein Jahr später schlug der Regisseur Hühner und Schweine gefüttert oder zwischen dem Bungalow des deutschen Hans H. Hermann von der Porta-Film Karren über die Landstraße gezogen. Ul- Angestellten und den Hütten der Brasili- GmbH in Hamburg dann ein Projekt aus rich läuft durch eine fremde und zu- aner. Aber tief schürfende soziologische drei Kurzfilmen vor, das im Jahr 1962 gleich faszinierende Welt. Sein brasiliani- Studien entsprachen von vornherein auch verwirklicht wurde. Der Film „Cam- scher Altersgenosse José begegnet ihm nicht der Absicht des Films. po Limpo“ stellte als erster Teil des Ge- allerdings mit Distanz. Man ist sich Inhaltsreicher und innovativer als „Bom samtprojekts das Werk und den Betriebs- fremd, freundet sich aber schließlich Dia, Brasil“ wirkt der Kurzfilm „Antonio“. alltag im engeren Sinn vor und sollte vor- doch an, nachdem man gemeinsam eine Schon allein die Musik ist authentischer: rangig auf konzerninternen Veranstaltun- gefährliche Situation bewältigt hat und im ersten Fall die latinisierenden Rhyth- gen vorgeführt werden. Darüber hinaus eine bedrohliche Schlange tötet. Ein- men Martin Böttchers, im zweiten aber drehte die Porta-Film im Auftrag des trächtig bauen die beiden Jungen dann brasilianische Volksmusik „von der Stra- Krupp-Konzerns zwei Kurzfilme, in denen ein kleines Wasserrad an einem Bächlein. ße“. Wovon handelt der Film? individuelle Geschichten erzählt wurden: Dieses Spiel der Jugend steht symbolisch Der Brasilianer Antonio, ein Mann mittle- „Antonio“ und „Bom Dia, Brasil“. Beide für den Geist der Zusammenarbeit in der ren Alters, arbeitet als Vorarbeiter im Streifen sollten in erster Linie als Kultur- neuen Fabrik, steht für eine Völkerver- Krupp-Werk von Campo Limpo. In einem filme, das heißt als Vorprogramm großer ständigung im Kleinen. Zwiegespräch mit dem Zuschauer spielt Spielfilme in den Kinos laufen. Der Film ist schnell geschnitten, bietet Antonio, der auch in Wirklichkeit so hieß, „Bom Dia Brasil – Guten Tag, Brasilien“ ein buntes Kaleidoskop von Eindrücken sein eigenes Leben: Wie seine Eltern war erzählt, was Ulrich, der etwa sechsjähri- und arbeitet mit Assoziationen. Die Rah- er zunächst Kaffeepflücker auf einer „Fa- ge Sohn eines deutschen Angestellten menhandlung, in der die beiden Jungen zenda“.

61 Überproduktion und Marktkrisen mach- bruch eines Agrarlandes zu einem Indus- gen, eindringlich, sich um Verständnis ten ihn arbeitslos. Immer auf der Suche triestaat zu veranschaulichen. Dabei für das Land und seine Menschen zu be- nach einer neuen Beschäftigung zieht durchzieht ein ungebrochener Fort- mühen. Voreingenommene Kritik, Anma- Antonio unstet durch das Land. Armut schrittsoptimismus den Film. Industriali- ßung oder Herablassung seien der fal- und Hunger prägen sein Dasein. Da sieht sierung erscheint als Verheißung von sche Weg. er ein Plakat der neuen Fabrik in Campo Wohlstand; die Fabrik wird als neues Zu- „Wer also im Gebrauch von Alkohol und Limpo. Sie sucht Arbeiter, und Antonio hause verklärt. in seinem Verhalten zum anderen Ge- meldet sich. Nicht die wirtschaftlichen Interessen schlecht weder Maß noch Ziel kennt, wer Von einem deutschen Meister angelernt, Krupps oder des Staates Brasilien stehen meint, er könne sich hier, weit weg von arbeitet sich Antonio schnell ein, findet im Mittelpunkt des Films, auch nicht die der Heimat, austoben und Krach schla- ein gutes Auskommen und vor allem vielschichtigen sozialen Probleme des gen, hochmütig oder überheblich sein, auch wieder einen festen Platz im Leben. Landes, sondern ein damals durchaus wer also nur mit schlechten Manieren Sein Fazit, gewendet an den Zuschauer: modern zu nennendes Verständnis von und Draufgängertum den anderen impo- „Ich weiß, dass unser Leben anders ge- Entwicklungspolitik als Hilfe zur Selbst- nieren wollte, wird es trotz bestem Fach- worden ist, weil andere uns so geholfen hilfe. können hier sehr schwer haben, wenn er haben, dass wir uns selber helfen kön- Dass der herkömmliche Kolonialismus nicht allzu schnell versagt. Vorbildliche nen. Es ist ein besseres Leben, Senhor.“ aber in den Köpfen noch lange nicht Kameradschaft und offenes Verständnis Kritiker könnten einwenden, hier werde überwunden war, legt ein kleines Detail für den Mitarbeiter sind ebenso wichtig ein glückliches Einzelschicksal überhöht, nahe: So sehr der Film sich seines Haupt- und entscheidend wie Fachkönnen und während Mentalität und Lebenswelt der darstellers mit Sympathie annimmt, im Fachwissen.“ So eine Broschüre des Kon- brasilianischen Arbeiter nur unzurei- Abspann fehlt doch sein Name – lediglich zerns, die sich 1960 an jene Kruppianer chend berührt würden.7 der deutsche Sprecher wird genannt. in Deutschland richtete, die mit dem Aber soweit das in zehn Minuten über- Dennoch: Krupp unterlag nicht der Ge- Gedanken spielten, in Campo Limpo zu haupt möglich ist, gelingt es dem Film, fahr des Kulturimperialismus. arbeiten.8 am individuellen, aber doch typischen Das Unternehmen ermahnte die deut- Alle drei Brasilien-Filme Krupps kamen Beispiel eines „kleinen Mannes“ den Um- schen Fachkräfte, die nach Brasilien gin- beim deutschen Publikum – ob im Kino,

62 in Schulen, Jugendwohnheimen oder Bil- tig auch in Deutschland skeptischer als 1 Zit. nach Lothar Gall: Von der Entlassung Alfried Krupp dungseinrichtungen der Kirchen – gut 1962, was die Möglichkeiten und Chan- von Bohlen und Halbachs bis zur Errichtung seiner Stif- tung, 1951 bis 1967/68, in: ders. (Hg.): Krupp im 20. an, ja nach einem Bericht des Landesfilm- cen einer Entwicklungshilfe von außen Jahrhundert. Die Geschichte des Unternehmens vom dienstes NRW sogar „ausgezeichnet“.9 angeht. Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin „Antonio“ erhielt mehrere Auszeichnun- Vor dem heutigen Erfahrungshorizont 2002, S. 473-590, hier S. 523-524. 2 Vgl. Walther L. Bernecker, Horst Pietschmann, Rüdiger gen: das Prädikat „wertvoll“ der Filmbe- mag die Grundaussage von „Antonio“ Zoller: Eine kleine Geschichte Brasiliens, Frankfurt a.M. wertungsstelle Wiesbaden (1962), eine oder „Bom Dia, Brasil“ stellenweise naiv 2000, S. 260-265. Bundesfilmprämie (1962) und ein Ver- anmuten. Aber tatsächlich schuf die 3 Allgemein zum Werk in Campo Limpo vgl. „Krupp in Brasilien“ (Broschüre von 1960): HAK, S 2 KMCL 1/1. dienstdiplom der „4. Internationalen „Krupp Metalúrgica Campo Limpo S.A.“ 4 Bericht in Krupp Mitteilungen 45 (1961). Triennale des Films für Arbeit und Indus- in großem Umfang neue Beschäfti- 5 Reusch an Fett, 29.12.1959: HAK, WA 119 v 12. trie“ (Antwerpen 1964). gungsmöglichkeiten und trug dazu bei, 6 Dieser Vorwurf in der Bewertung der Filmbewertungs- stelle der Länder, Wiesbaden, 28.8.1962: HAK, WA 119 v Allerdings glaubte die Informationsab- den Wohlstand der Region anzuheben. 25. teilung des Krupp-Konzerns, der Film sei Und nicht zuletzt erwies sich das Unter- 7 Vgl. Bewertung der Filmbewertungsstelle der Länder, für Vorführungen in Brasilien weniger nehmen als ökonomischer Erfolg für den Wiesbaden, 10.5.1962: HAK, WA 119 v 25. 8 „Krupp in Brasilien“ (Broschüre von 1960), S. 48: HAK, geeignet, denn Landeskenner meinten, Krupp-Konzern. S 2 KMCL 1/1. der Streifen idealisiere die deutschen In- 9 Landesfilmdienst für Jugend- und Volksbildung in vestitionen als Rettung Brasiliens und Nordrhein-Westfalen e.V. an H. Obscherningkat, Porta- Film, 21.5.1965: HAK, WA 119 v 20. Vgl. zum Einsatz der verletze damit das Selbstwertgefühl der Filme auch Landesfilmdienst für Jugend- und Volksbil- Brasilianer.10 dung in Nordrhein-Westfalen e.V. an Fried. Krupp/Pres- Ob „Antonio“ oder „Bom Dia, Brasil“ je- sestelle, Hrn. Cesarz, 26.2.1964: HAK, WA 119 v 26. 10 Stabsabteilung Information/Besuchswesen an Ce- mals in Lateinamerika gezeigt wurden sarz, 5.2.1964: HAK, WA 119 v 20. und wie das dortige Publikum reagierte, ist leider nicht überliefert, ebensowenig wie portugiesische Fassungen. Nach den jahrelangen Erfahrungen mit Entwicklungspolitik ist man gegenwär-

63 Der Filmbestand im Archiv Archiv der RWE Net AG der RWE Net AG Peter Döring Uferstraße 2-4 45663 Recklinghausen Tel.: 02361 382-207 [email protected] Das Archiv der RWE Net AG ist im Jahr 2000 nach der Fusion von RWE und VEW aus dem 1995 eingerichteten Unterneh- mensarchiv der früheren VEW hervorge- gangen. Neben dem Aktenbestand, einem um- fangreichen Fotobestand sowie einer historischen Plakat- und Grafiksamm- lung zur Elektrizitätswerbung besitzt das Dreharbeiten im Kraftwerk Frimmersdorf, ca. 1956/66 Archiv auch einen kleinen Filmbestand. Foto: MONTA-Film/Slg. Kinemathek im Ruhrgebiet, R 24-11 Es handelt sich dabei um knapp 300 Film- rollen sowie 50 Videofilme, die ab Ende der 1980er-Jahre die 8 mm- und 16 mm- Filme ersetzen. Daneben gibt es zahlreiche Werbefilme, Das inhaltliche Spektrum des Filmbe- die die Energie- und hier vor allem die standes ist weit gefasst. Neben Reprä- Stromanwendung propagieren. sentations- und Imagefilmen, die das Ferner enthält der Bestand technisch Unternehmen porträtieren, dokumentie- ausgerichtete Informationsfilme. ren einige Filme bedeutsame Unterneh- Sie stellen die Erzeugung und Verteilung mensereignisse wie den Kraftwerkbau. von Energie dar.

64 Archiv St. Antony-Hütte nungshütte Sterkrade AG“ bzw. ihres Landschaftsverband Nachfolgers entstanden und stellen das Werk bzw. einzelne ihrer Erzeugnisse vor. Rheinland, Da die Produktpalette des Unternehmens Rheinisches Industriemuseum sehr umfangreich war, ist das inhaltliche 1995 übernahm das vom Landschaftsver- Spektrum der Filme groß. So gibt es Filme band Rheinland getragene Rheinische In- zu Bergbauanlagen, zum Bau von Docks, dustriemuseum Oberhausen das Archiv Atomkraftwerken und Hochbauten sowie St. Antony-Hütte von der MAN Gutehoff - zum Maschinen- und Anlagenbau. Auch nungshütte AG. Entstanden war das Ar- einzelne Fremdproduktionen sind überlie- Hochofenanlage in Rourkela fert. Vorhanden sind zumeist 16 mm- chiv 1969 nach einer Umstrukturierung Foto: Archiv St. Antony-Hütte/LVR/Rheinisches des Gutehoffnungshütte-Konzerns, um Industriemuseum, Oberhausen bzw. 35 mm-Kopien der Filme, seltener dort die historische Überlieferung der auch Negative. Zu einzelnen Filmen exis- „Gutehoffnungshütte Sterkrade AG“, in nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch gibt tieren zusätzlich Ton- und Geräuschauf- der die Betriebe der Gutehoffnungshütte es durchaus auch ältere Materialien so- nahmen auf Magnetband. Im Archiv steht im Ruhrgebiet zusammengefasst wurden wie Unterlagen, die aus der Provenienz ein 16 mm-Schneidetisch zur Sichtung und die später zum Unternehmensbereich der früheren Konzernmutter stammen. zur Verfügung. Ergänzt wird der Bestand Sterkrade der Maschinenfabrik Augsburg- Wertvollster Teil des Bestandes ist das Ne- durch eine Vielzahl von Videoaufnahmen Nürnberg AG wurde, zu sammeln. Bis da- gativarchiv der Fotoabteilung der Gute - ab dem Ende der 1970er-Jahre. hin hatte das Unternehmen das soge- hoffnungshütte, das bis zur Gründung Archiv St. Antony-Hütte nannte „Historische Archiv der Gutehoff- 1889 zurückreicht. Landschaftsverband Rheinland, Rheini- nungshütte“ geführt, das mittlerweile bei Die Filmüberlieferung des Archivs konzen- sches Industriemuseum, Oberhausen, der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirt- triert sich fast vollständig auf die Zeit Dr. Burkhard Zeppenfeld schaftsarchiv zu Köln untergebracht ist. nach 1945. Es handelt sich um etwa 200 Hansastraße 18, 46049 Oberhausen Der zeitliche Schwerpunkt der Archivalien Filme bis zur Mitte der 1980er-Jahre. Zu- Tel.: 0208 8579-134 in der St. Antony-Hütte liegt auf der Zeit meist sind sie im Auftrag der „Gutehoff- [email protected]

65 Die Filmsammlung im Bergbauverbände als Auftraggeber und Bergbau-Archiv Bochum Produzenten auf, allen voran der Stein- kohlenbergbauverein in Essen und die Westfälische Berggewerkschaftskasse in Bochum. Eine weitere Gruppe bilden „Re- Mit der Errichtung des Bergbau-Archivs präsentationsfilme“, die eine einzelne im Jahr 1969 wurde ein zentrales Histori- Schachtanlage, ein Unternehmen oder sches Archiv für den Bergbau geschaffen, eine ganze Industrieregion vorstellen und um langfristig die Sicherung, fachgerech- oft werbenden Charakter haben. Hervor- te Erschließung und Aufbewahrung der zuheben sind hier auch eine größere Zahl historisch relevanten Altakten der Berg- von Werbefilmen und -spots aus den werksgesellschaften, Zechen und berg- 1950er- bis 1970er- Jahren, die vornehm- baulichen Verbände zu gewährleisten. lich von der Deutschen Kohle Marketing Gegenwärtig verfügt das Bergbau-Archiv Foto: Bergbau-Archiv beim Deutschen Bergbau-Mu- GmbH bzw. deren Vorläuferorganisatio- über mehr als 200 Bestände sowie 26 seum Bochum nen stammen, sowie ein umfassender Sammlungen, die zusammen 4000 Re- mente hauptsächlich aus den 1950er- Bestand an Arbeitsschutzfilmen der galmeter Fläche belegen. bis 1980er- Jahren. Überwiegend han- Bergbauberufsgenossenschaft. Die Filmsammlung umfasst derzeit mehr delt es sich um Kopien unterschiedlich- als 2.200 Filmrollen und über 460 Video- ster Stufen, es finden sich aber auch eine Bergbau-Archiv beim kassetten mit insgesamt etwa 1.200 Ti- ganze Reihe von Ausgangs- und Original- Deutschen Bergbau-Museum Bochum teln. Die gesamte Sammlung ist durch materialien. Dr. Michael Farrenkopf ein Titelverzeichnis erschlossen, und im Inhaltlich decken die Filme ein weites Am Bergbaumuseum 28 Rahmen eines von der VW-Stiftung ge- Spektrum ab, wobei bergtechnische Fil- 44791 Bochum förderten Projekts konnte der größte Teil me – vornehmlich Lehrfilme – dominie- Tel.: 0234 5877-154 bis Mitte 2001 gesichtet und verzeichnet ren. Neben einzelnen Bergbauunterneh- michael.farrenkopf@ werden. Zeitlich stammen die Filmdoku- men und Zechen traten vor allem die bergbaumuseum.de

66 Historisches Archiv Aral – 1950 erschien der Film „Benzol – Kraft- Filmarchiv stoff aus Kohle“, in rascher Folge dann weitere Filme, die in kostenlosen Mati- nee-Veranstaltungen einem breiten Pu- blikum gezeigt wurden. Das Filmschaffen des Aral-Vorgänger-Un- 1952 realisierte das Unternehmen mit ternehmens „Benzolverband“ (BV) begann „Des Feuers Macht“ einen ersten Farb- 1925 mit dem 35 mm-Stummfilm „Vom film. Aral setzte das Filmschaffen bis in guten und vom schlechten Kraftstoff“, also die Gegenwart fort. So dokumentierte bereits ein Jahr nach Erfindung des welt- „Vor 100 Jahren fing es an“ von 1989 die weit ersten Superkraftstoffs unter der Be- 100jährige Firmengeschichte. Und viele zeichnung Aral. der Aral-Filme wurden mit Preisen aus- Mit „Der gläserne Motor“ entstand 1930 Tankstelle in den 1960er-Jahren. gezeichnet. einer der ersten 35 mm-Industrie-Ton - Foto: Historisches Archiv Aral Im Aral-Filmarchiv lagern neben den 35 filme. Beide Filme liegen nicht im Aral- mm-Kinofilmen auch alle Kino- und Fern- Filmarchiv, sondern gehören als Ufa-Pro- filme. Immer waren BV-Filme eigenwillig seh-Werbespots sowie zahlreiche Schu- duktionen heute der Friedrich-Wilhelm- und in ihrer Art ohne Vorbild. Gemischt lungsfilme in 16 mm zur Kraftstoff- und Murnau- Stiftung in Wiesbaden. mit klaren, übersichtlichen Trick- und Ölverwendung, insgesamt weit über 100 Von den in den 1930er-Jahren produzier- Zeichenaufnahmen, zeigten sie die kom- Filme und Videobänder. ten Kinofilmen liegen heute entweder plizierten technischen Vorgänge in einer nur Fragmente vor, oder sie sind wie der bestechenden Einfachheit, die es auch Historisches Archiv Aral 1939 produzierte Film „Glückhafte dem Laien ermöglichte, den so interes- Kerstin Baarck Fahrt“ in den Kriegswirren komplett ver- sant umkleideten Unterrichtsstoff zu be- Wittener Straße 45 schollen. greifen.“ So beschrieb der BV seine Ab- 44789 Bochum „Das Filmschaffen des Benzolverbands sicht bei der Wiederaufnahme der Film- Tel.: 0234 315-2597 folgte nicht der Linie der üblichen Kultur- produktion nach dem Krieg. [email protected]

67 Der Filmbestand im Jahren, wobei es sich bei dem weitaus Historischen Archiv Krupp überwiegenden Teil um Mitschnitte von Fernsehproduktionen zum Thema Krupp handelt. Die ältesten Filme im Krupp- Archiv stammen aus den 1920er-Jahren, Als ältestes Unternehmensarchiv in einige Filme enthalten jedoch kurze Aus- Deut schland ist das im Jahr 1905 gegrün- schnitte aus früheren Produktionen. Das dete Historische Archiv Krupp in besonde- älteste dieser Filmdokumente zeigt Kaiser rem Maße bestrebt, die Vielfalt der histori- Wilhelm II. beim Begräbnis von Friedrich schen Quellen aus der Familie Krupp und Alfred Krupp 1902. Inhaltlich decken die dem früheren Krupp-Konzern zu sichern. Messestand der Firma Krupp auf der Internationalen Filme ein weites Spektrum ab. Zu finden Hierzu gehören auch die historischen Fil- Posener Messe 1963 sind neben Imagefilmen Arbeiten über die Foto: Historisches Archiv Krupp/Alfried Krupp von me. Von 1913 bis 1945 produzierte das Bohlen und Halbach-Stiftung Produktion, die Beteiligung an Messen, Unternehmen in seiner Kinematographi- den Bau und die Einweihung neuer Werke schen Abteilung Filme für den Eigenbe- zern ebenso vor wie Spezialtitel aus den oder den Ablauf von Jubilarfeiern. Im Rah- darf wie auch für fremde Auftraggeber. Konzernunternehmen, z. B. der Widiafa- men eines Sonderprojekts wurde der Film- Der vorhandene Filmbestand wurde je- brik. Hinzu kommen als Folge von Anglie- bestand des Historischen Archivs Krupp doch 1943 zusammen mit der zugehöri- derungen bzw. Fusionen Filme von lange langfristig gesichert und erschlossen. gen schriftlichen Überlieferung durch Luft- Zeit selbstständigen Unternehmen, so des angriff zerstört. Es blieben nur einige be- „Bochumer Vereins“, die in die Zeit vor Historisches Archiv Krupp sonders wichtige Filme erhalten, die glück- 1945 zurückreichen, sowie der Firma Kop- Alfried Krupp von Bohlen und licherweise ausgelagert worden waren. pers aus der Zeit seit den 1950er-Jahren. Halbach-Stiftung Seit den 1950er-Jahren wurden Filme über Der Filmbestand im Historischen Archiv PD Dr. Ralf Stremmel Krupp ganz überwiegend durch fremde Krupp umfasst heute etwa 450 Titel mit Villa Hügel, Hügel 1, 45133 Essen Produzenten hergestellt. So liegen im Ar- mehr als 2.000 Rollen. Hinzu kommen Tel.: 0201 188-4821 chiv Überblicksfilme über den Gesamtkon- rund 700 Videos aus den letzten zwanzig [email protected]

68 Der Filmbestand seewerke in Emden (1953-1954), die im HOCHTIEF zweite Baustufe der Talsperre Schwam- menauel (1955-1959) oder das Mannes- Unternehmensarchiv mannhochhaus Düsseldorf (1957), wur- den so dokumentiert. Das erste – 1956 – filmisch festgehalte- Das Unternehmensarchiv von HOCHTIEF ne Auslandsprojekt ist das Wasserkraft- verfügt über einen Bestand von ca. 100 werk Sariyar/Türkei (1952-1956). Filmrollen. Die meisten Filme entstanden in den Der früheste Film ist ein Einzelstück aus 1960er-Jahren. Der Themenschwerpunkt dem Jahre 1937 mit Aufnahmen vom liegt nun auf den Auslandsbauten. So Bau der Autobahn Gießen-Frankfurt. Spektakuläre Rettung des ägyptischen gibt es einen Film über das wahrschein- Der nächste Film stammt aus dem Jahr Weltkultur erbes, der Felsentempel von Abu Simbel lich berühmteste Bauprojekt von HOCH- Foto: HOCHTIEF Unternehmensarchiv 1949 und behandelt am Beispiel Ham- TIEF: die Versetzung der Felsentempel burgs das Thema Trümmeraufbereitung. von Abu Simbel (1964-1968). Gezeigt wird, wie die Menschen die sich aber noch überwiegend auf den In- Aber auch über weniger Aufsehen erre- Stadt aufräumten, die Trümmer in einer landsbau, obwohl HOCHTIEF bereits kurz gende Bauten liegen Filme vor. Schuttaufbereitungsanlage wieder zu nach dem Krieg wieder Auslandsbauten „Zum Beispiel Mahipar“ berichtet von Baumaterial verarbeiteten und das wirk- ausführte. den überaus hohen logistischen Anfor- lich Unbrauchbare auf große Halden vor Unter diesen Filmen finden sich nur ver- derungen beim Bau einer Wasserkraftan- der Stadt transportierten. einzelt Tonfilme, ein Großteil ist noch lage in Afghanistan (1965-1969), und ein Auch die Entschärfung und Entsorgung stumm. weiterer Film informiert über die Beson- von Blindgängern wird ausführlich dar - Der Bau bedeutender HOCHTIEF-Projek- derheiten beim Bau der Tonkoli-Kono-Ro- gestellt. te, wie die letzten Bauarbeiten zur Wie- ad in Sierra Leone (1965-1967). In den fünfziger Jahren wird die filmi- derherstellung der Wiedbachtalbrücke Im Film festgehalten wurden neben die- sche Überlieferung dichter, beschränkt (1952-1953), das Trockendock der Nord- sen großen Auslandsbauten wegweisen-

69 de inländische Projekte, so der Bau des Diese Filme dokumentieren neben den Fernmeldeturms Berlin (1961-1962), des bautechnischen Veränderungen in fast damals höchsten Stahlbetonturms in zwanzig Jahren auch den Umgang mit Deutschland. dem Thema „Kernkraftwerke“. In den siebziger und achtziger Jahren Ebenfalls aus den achtziger Jahren überwiegen weiterhin die Filme über stammt ein erster Jubiläumsfilm über Auslandsbauten. HOCHTIEF: 1986 feierte das Unterneh- Viele heute berühmte HOCHTIEF-Projek- men sein 110-jähriges Bestehen. te wurden festgehalten: Talsperre Wadi Danach lösen Videofilme mehr und Jizan/Ägypten (1967-1970), Tarbela-Stau - mehr die Schmalfilme ab. Diese neueren damm/Pakistan (1969-1979), Brücke Filme behandeln überwiegend technisch über den Bosporus/Türkei (1969-1973) anspruchsvolle Inlandsbauten. und der Flughafen Jeddah/Saudi-Ara- Außerdem gibt es jetzt auch Filme zu bien (1974-1981), der wegen seiner Ter- Themen „Rund ums Bauen“, so ein Bei- minals in Form von Beduinenzelten Furo- trag zum Begriff „Systemführer“ oder re machte und lange Zeit der größte Bau- eine Reportage über HOCHTIEF in den auftrag von HOCHTIEF war. neuen Bundesländern. Die Video-Samm- Besonderen Wert legte man offenkundig lung wird ständig erweitert. auf die Darstellung von Kernkraftwerks- bauten im In- und Ausland: Im Bestand HOCHTIEF Unternehmensarchiv befinden sich darüber immerhin sechs Dr. Birgit Siekmann Filme, der älteste stammt aus dem Jahr Opernplatz 2 1967 und behandelt den Bau des Kraft- 45128 Essen werks Lingen, der jüngste den „Schnellen Tel.: 0201 824-1934 Brüter Kalkar“ aus dem Jahr 1986. [email protected]

70 Der Filmbestand des Mannesmann-Archivs

Das Mannesmann-Archiv besitzt neben einem umfangreichen Bestand von Schrift-, Foto- und Tondokumenten, Plä- nen und musealen Gegenständen auch eine ungewöhnliche Sammlung von mehr als 10.000 Filmrollen. Dabei han- delt es sich zum überwiegenden Teil um Zeugnisse des intensiven Filmschaffens der Mannesmann AG, die das Medium Film sowohl intern, z. B. während der Stimmenauszählung in den Haupt- und Betriebsversammlungen oder in der Aus- und Weiterbildung als Lehrfilm, als auch extern, z. B. als Vorfilm in regulären kom- merziellen Kinoprogrammen sowie als

Rohrtransport in Toledo im kolumbianischen Hochgebirge im Jahr 1968 Foto: Mannesmann-Archiv

71 Ausleihfilm im öffentlichen Bildungsan- sel 1997 den Grand Prix in Gold als bes - Sowohl im Mannesmann-Archiv als auch gebot, eingesetzt hat. Einen weiteren ter Industriefilm der Jahre 1957-1997. im Düsseldorfer Filmdepot stehen Gerä- Teilbestand bilden Auftragsarbeiten von Eine weitere Auftragsarbeit von Hugo te zur Sichtung und Auswertung zur Mannesmann-Tochtergesellschaften, Niebeling für Mannesmann, „Alvorada – Verfügung. Alle Filme können auf Antrag auch, wie bei der DEMAG AG, aus der Aufbruch in Brasilien“ (Brazil’s Changing der Forschung zugänglich gemacht wer- Vor-Mannesmann-Zeit. Face) (1961), erfuhr 1962 sogar die bis- den. Der Mannesmann-Filmbestand birgt be- lang höchste Ehrung, die je einem deut- deutende Filmwerke, so Walter Rutt- schen Wirtschaftsfilm zuteil wurde, eine Mannesmann-Archiv manns Firmenporträt „Mannesmann“ Nominierung für die 35. Oscarverleihung Prof. Dr. Horst A. Wessel aus dem Jahr 1937, das auf der Biennale der Academy of Motion Picture Arts and Wiesenstraße 36 von Venedig im gleichen Jahr als bester Sciences, Beverly Hills, Kalifornien, in der 45473 Mülheim an der Ruhr Kulturfilm und auf der Weltausstellung Kategorie „Documentary (Feature)“. Tel.: 0208 458-1666 von 1937/38 in Paris mit der Goldme- Die Rollfilme haben alle gängigen For- [email protected] daille ausgezeichnet wurde. „Stählerne mate, außerdem gibt es einen nach hun- Adern“ von Hugo Niebeling war der erste derten zählenden Bestand von Videofil- Mannesmann-Film nach dem Krieg, der men; einige von ihnen sind bereits als u. a. 1957 den Bundesfilmpreis, das Film- Video entstanden, haben also keinen band in Gold, als „bester abendfüllender Rollfilm als Originalvorlage, z.B. „Power Kultur- oder Dokumentarfilm“ und 1958 of Change“, der 1994 als bester europäi- den Oscar der Europatage in Rouen er- scher Industriefilm ausgezeichnet wurde. hielt. „Stahl – Thema mit Variationen“, Die Videokassetten werden in einem gleichfalls von Hugo Niebeling und mit Magazin mit normalem Raumklima in der kongenialen elektronischen Musik Mülheim/Ruhr aufbewahrt, die Rollfilme von Oskar Sala, erhielt höchste nationale in einem speziellen Magazin mit optima- und internationale Auszeichnungen, dar- ler Klimatisierung (7°C und 24% rel. Luft- unter anlässlich der documenta X in Kas- feuchte) in Düsseldorf.

72 Der Filmbestand im Darstellung einzelner Verfahren, mit Stahlinstitut VDEh dem Werkstoff Stahl, seinen vielfältigen Eigenschaften und seiner breiten An- wendungspalette. Einige Titel mögen dieses beispielhaft belegen: Am Feuerstrom des Eisens, Vom Das Stahlinstitut VDEh ist einer der ältes- Erz zum Stahl, Tiegelgußstahl – Wiege ten technischen Vereine in Deutschland. des Edelstahls, Stahl aus dem Thomas- 1860 als Technischer Verein für das Eisen- Konverter, Stahlerzeugung nach dem hüttenwesen gegründet, führte er von Sauerstoff-Aufblasverfahren, Drahtstras- 1880 bis 2002 den Namen Verein Deut- se für hochlegierte Werkstoffe, Ein Hüt- scher Eisenhüttenleute (VDEh). Die Wirt- tenwerk in der Wüste, Wärmebehand- schaftsvereinigung Stahl hat ihren Ur- Hüttenwerk in Heluan, Ägypten lung von Stahl, Die Umwandlung der sprung in der Gründung des Vereins Foto: Mannesmann-Archiv Kohlenstoff-Stähle, Offshore ‘85, Bauen Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller mit Stahl, Wir zeigen Profil, Christus-Pa- 1874. dem Krieg und verstärkt ab 1957 gezielt villon zur Expo 2000. In beiden Institutionen hat sich seitdem aus. Dieser sollte insbesondere im Aus- ein historisch interessanter Aktenbe- bildungsbereich eingesetzt werden, aber Stahlinstitut VDEh stand angesammelt. Allerdings gibt es auch der Information der Öffentlichkeit Manfred Toncourt kein eigenständiges Archiv. dienen. Naturgemäß ist die Großzahl der Sohnstraße 65 Basierend auf einigen Filmen aus den Filme heute nur noch oder gerade auf- 40237 Düsseldorf 1930er-Jahren, wie „Der Eisenwald“ und grund ihres Alters von historischem In- Tel.: 0211 6707-460 „Metall des Himmels“ baute die Bera- teresse. [email protected] tungsstelle für Stahlanwendung – eine Thematisch befassen sich die Filme im Untergliederung der Wirtschaftvereini- Wesentlichen mit der Herstellung von gung Stahl – ihren Filmbestand nach Stahl vom Hüttenwerk bis hinunter zur

73 Der Filmbestand im Die frühe filmische Überlieferung im Konzernarchiv der Konzernarchiv ist in dem unter Federfüh- rung des ThyssenKrupp Konzernarchivs ThyssenKrupp AG erstellten Bestandsverzeichnis „Indus- triefilm des Ruhrgebiets 1948-1959“ (Klartext-Verlag Essen 2003) dokumen- Das Konzernarchiv der ThyssenKrupp AG tiert. bewahrt in seinem Sammlungsbestand Film mehrere hundert Filmrollen der For- ThyssenKrupp Konzernarchiv mate 8, 16 und 35mm auf. Prof. Dr. Manfred Rasch Das Filmmaterial stammt sowohl von Postfach der Thyssen AG als auch von Tochterun- 47161 Duisburg ternehmen der Thyssen-Gruppe sowie Filmaufnahmen auf dem Werksgelände der August Tel.: 0203 52-66822 von mittlerweile nicht mehr existenten Thyssen-Hütte AG, 1950er-Jahre [email protected] Foto: ThyssenKrupp Konzernarchiv Unternehmen, von befreundeten Firmen und anderen Institutionen. Die August Thyssen-Hütte AG bzw. die tionsakten sowie andere Unterlagen, die Thyssen AG unterhielten von 1973 bis die Entstehungs- und Verbreitungsge- 1993 eine eigene Audiovisionszentrale in schichte des jeweiligen Films dokumen- ihrem Düsseldorfer Verwaltungssitz, die tieren. zahlreiche Filme selbst produzierte. Die filmische Überlieferung der Unter- Zu diesen Filmen sind ebenfalls Negativ- nehmensgeschichte setzt – bis auf eini- material, Schnittreste, Tonbänder etc. ge Ausnahmen – in den 1950er-Jahren vorhanden. Neben Industriefilmen zu ein und wird zu Beginn der 1990er-Jahre den verschiedensten Themen besitzt das durch Videoproduktionen fast völlig ver- Konzernarchiv auch zahlreiche Produk- drängt.

74 Die Filmsammlung des bis 1979 zu je 50 % im Eigentum der Bay- Unternehmensarchivs Marl er AG und der VEBA AG) als Unterneh- men mit zunehmend internationalen Po- der Degussa AG sitionen darstellen. Die Sammlung der Video-Filme (ab den achtziger Jahren) umfasst neben Pro- Die Filmsammlung des Archivstandortes dukt- und Unternehmensdarstellungen Marl der Degussa AG umfasst Filme und auch allgemeine Filme zur chemischen Videofilme der Hüls AG (nach dem Stand Industrie. von 1998), d.h. es sind hier Materialien aus dem Werk Marl und aus dem Werk Filmbestand Werk Bottrop Bottrop zu finden, das ursprünglich zur Szene in Kairo Anfang der 1980er-Jahre: aus Sand wird Von dort sind aus den fünfziger Jahren Bergwerksgesellschaft Matthias Stinnes Stein (Produkt Univest) mehrere Filme erhalten, die den Neuauf- Foto: Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG als Ruhröl GmbH gehörte und 1979 zur bau des Werkes zu einer Produktions- Hüls AG kam, als Hüls der Chemiesektor stätte von Maleinsäure- und Phtalssäu- der VEBA AG wurde. schaft Hibernia AG. Hier handelt es sich reanhydrid sowie Fumarsäure zeigen, die um Bau- und Montagefilme. dort bis zur vollständigen Auflösung des Filmbestand Werk Marl Aus den fünfziger Jahren sind viele Filme Werkes (ab 1994) blieben. Dieser Bestand beginnt mit der Gründung zum Unfallschutz und zu neuartigen des Werkes im Jahre 1938 als Chemische Transportmöglichkeiten erhalten. Werke Hüls GmbH unter der Mehrheits - Aus den sechziger Jahren gibt es Filme Unternehmensarchiv Marl der Degussa AG beteiligung der Interessengemeinschaft vom Bau neuer Produktionsanlagen und Dr. Hans Ulrich Berendes Farbenindustrie AG (IG Farben) und der von anwendungstechnischen Versuchen Paul-Baumann-Straße Minderheitsbeteiligung der zur Vereinig- mit Kunststoffen. 45764 Marl ten Elektrizitäts- und Bergwerks-AG Man beginnt Filme zu drehen, die Hüls Tel.: 02365 49-2505 (VEBA AG) gehörenden Bergwerksgesell- (damals als Chemische Werke Hüls AG, [email protected]

75 Essener Filmkunsttheater Die heute zu den Filmtheaterbetrieben Hanns-Peter Hüster gehörenden fünf Es- sener Lichtspielhäuser, Filmstudio Glück- auf, Eulenspiegel, Astra & Luna sowie Galerie Cinema, sind die einzigen Kinos der Stadt, die aufgrund ihres besonderen Essen ist eine besondere Kinostadt. Programms und ihres individuellen Stils Hier steht nicht nur seit einigen Jahren die Eröffnung des CinemaxX 1991 über- das mit 5.300 Plätzen größte deutsche lebt haben. Multiplextheater, sondern auch – seit nun Die Essener Filmkunsttheater haben sich fast 75 Jahren – die Lichtburg, ein pracht- sowohl inhaltlich als auch atmosphärisch Filmtheater „Eulenspiegel“, Essen, Saalansicht 2001 volles Relikt aus der Epoche der großen Ki- immer schon als Alternative zum gängi- Foto: Hanns-Peter Hüster nopaläste, mit Deutschlands größtem Ki- gen, vorwiegend amerikanisch bestimm- nosaal (1.250 Sitzplätze). ten Mainstream-Kino verstanden. Kooperationspartner bei solchen Pro- Und hier findet sich einer der größten Ihre Quote für europäische bzw. nicht- grammen sind z.B. Grillo-Theater, Mu- bundesdeutschen Filmkunsttheaterbe- amerikanische Filme liegt bei bis zu 90%. seum Folkwang, Ruhrlandmuseum, Aids- triebe. Die Programme von Eulenspiegel (400 Hilfe, Schulen oder Firmen. Die Wurzeln der Essener Filmkunstthea- Plätze), Astra & Luna (430/80 Plätze), Nicht nur inhaltlich unterscheiden sich ter reichen fast 40 Jahre zurück. Damals Filmstudio Glückauf (300 Plätze) und Ga- die Essener Filmkunsttheater von übli- gehörte Hanns-Peter Hüster, der auch lerie Cinema (45 Plätze) setzen sich in er- chen oder Multiplex-Kinos. Technisch heute noch – inzwischen zusammen mit ster Linie aus aktuellen Erstaufführungen zwar hochgerüstet, sind die drei größe- Marianne Menze – der Betreiber der Es- zusammen, werden jedoch ergänzt durch ren originelle und originale 50er Jahre- sener Filmkunsttheater ist, zu den Pio- Filmreihen, Originalfassungen, Spielfilme Kinos. Eulenspiegel und Astra-Theater nieren der Kommunalen Filmarbeit und mit Live- Orgelbegleitung, Kinderfilme, wurden 1955 bzw. 1958 eröffnet. der Entwicklung der Programmkino-Sze- Festivals und ähnliche Sonderveranstal- Das Filmstudio Glückauf an der Rütten- ne in Nordrhein-Westfalen. tungen. scheider Straße existiert sogar schon seit

76 1924. Es ist damit das älteste Essener Nachdem die Lichtburg ein Jahr lang sorg- Filmtheaterbetriebe Hanns-Peter Hüster Lichtspielhaus. fältig renoviert und restauriert sowie Bernhard Wilmer Wegen der Sanierung des Glückauf-Hau- film- und bühnentechnisch auf den neu- Steeler Straße 208-212, ses ist das Filmstudio zurzeit Gast in der esten Stand gebracht wurde, erstrahlt sie 45138 Essen ehemaligen Schalterhalle (Halle 2) auf der seit März 2003 wieder im alten Glanz. Tel. + Fax: 02 01 275755 Zeche Zollverein XII im Essener Norden. Die Lichtburg wird seit April 1998 eben- Alle drei Kinos wurden als Filmkunstthe- falls von Menze/Hüster und ihrem Team ater sorgfältig im 50er Jahre-Stil reno- betrieben. Der Veranstaltungsort von viert (1980, 1991, 1995), der Überzeu- Das zusammen mit dem Filmbüro NRW IndustrieFilm Ruhr `03: gung folgend, dass Filmkultur auch im- geplante und gebaute Rio-Kino ist Mül- mer mit Kinokultur verbunden ist. heims einziges Kino neben zwei Multi- Filmtheater Eulenspiegel Die Galerie Cinema, Essens (und Nord- plexen. Steeler Straße 208-212, rhein-Westfalens) ältestes Filmkunst- und 1995 durch den damaligen Ministerprä- 45138 Essen Programmkino, wurde 1971 eröffnet. sidenten von Nordrhein-Westfalen und Tel.: 0201 275555 Von ehemals mehr als 20 Kinos bzw. Lein- heutigen Bundespräsidenten Johannes Fax: 0201 275755 wänden in der Essener Innenstadt exis- Rau eröffnet, wird es seitdem ebenfalls Kartenreservierung: 0201 275755 tiert außer den oben genannten nur noch von den Essener Filmkunsttheatern be- die Lichtburg, Deutschlands größter Film- treut. Eröffnet 1955 palast. Die Essener Filmkunsttheater werden Filmkunsttheater seit 1980 Ein von vielen Initiativen verfochtener seit Jahren regelmäßig vom Bundesmi- 400 Plätze, Großbildleinwand, 70mm- und von breitem öffentlichem Interesse nisterium des Innern und vom Land Projektion, 6-Kanal-Stereoton und ebensolchem Medienecho getrage- Nordrhein-Westfalen für ihre „herausra- Dolby SR, Bühne ner jahrelanger Kampf um den Erhalt die- genden Jahresprogramme“ ausgezeich- Wurlitzer-Stummfilmorgel ser Kino-Ikone hat dazu geführt, dass die net. Sie sind Mitglieder bei Europa Cine- Kinomuseum Zukunft der 1928 eröffneten Lichtburg als ma, der Arbeitsgemeinschaft Kino und Kino mittlerweile gesichert ist. der Gilde Deutscher Filmkunsttheater.

77 Kinemathek im Ruhrgebiet Ziel ist die Erfassung aller je in dieser der Industrie- und Sozialgeschichte, der FilmArchiv für die Region Region und über sie gedrehten Film-, Vi- Geschichte der Arbeiterbewegung, den deo- und Fernsehproduktionen mit politischen Bewegungen seit den 60er detail lierten und verläßlichen filmografi- Jahren (Friedensbewegung, Ostermär- schen Daten. sche u.a.), den sozialen Kämpfen der 70er Die Sammlungstätigkeit der vielfältig, und 80er Jahre (Arbeitersiedlungsinitiati- jedoch nicht aus öffentlichen Etats un- ven, Hausbesetzungen), der Geschichte terstützten Kinemathek im Ruhrgebiet des dokumentarischen Films, des Ama- ist darauf ausgerichtet, die je zeitspezifi- teurfilms, der filmischen Selbstdarstel- Was erfährt man von der Geschichte ei- schen Bilder (aus/von) der Industriere- lung der Region und ihrer Städte sowie ner Stadt, einer Landschaft, einer Region gion Ruhrgebiet, auch exemplarisch ver- der Entwicklung des Industriefilms. aus den über sie entstandenen und über- standen im Sinn einer regionalen Film- Von im Ruhrgebiet lebenden und arbei- lieferten Film- und Videodokumenten? geschichtsschreibung, an einem Ort in tenden Filmautoren entstehen umfas- Die Kinemathek im Ruhrgebiet als For- der Region qualifiziert zu versammeln, sende Werksammlungen. schungs- und Dokumentationseinrich- zu sichern, zu erschließen und weitest- Produktionsunterlagen, Drehbücher u.ä. tung definiert ihr Arbeitsgebiet nicht möglich (wieder) zugänglich zu machen. Zeugnisse hier realisierter Produktionen filmspezifisch, sondern geografisch. Sie konzentriert sich dabei vornehmlich sowie Altbestände von zum Teil bereits Ihr Tätigkeitsfeld orientiert sich dabei an auf die Filmtitel, die bislang noch nicht aufgelösten Produktionsfirmen bilden der historischen Entwicklung der (Schwer)- in einem deutschen Filmarchiv als gesi- weitere Sammlungsbereiche. Industrie und ist im wesentlichen identisch chert und zugänglich gelten können. Darüber hinaus werden Dokumente der mit dem Verbandsgebiet des Kommunal- Ihre Sammlungen bilden ein regionales Geschichte des Kinos und der Filmdistri- verbandes Ruhrgebiet. Filmarchiv für die Industrielandschaft bution im Ruhrgebiet in einem Sonderbe- Eine Gesamtfilmografie Ruhrgebiet ver- zwischen Rhein, Ruhr und Lippe. stand zusammengetragen (Stand- und sammelt seit 1976 die Ergebnisse filmo- Thematische Schwerpunkte des 1988 mit Aushangfotos, Plakate, sonstige Werbe- grafischer und filmhistorischer Recher- Hilfe der Kulturstiftung Ruhr begonnenen mittel). chen im In- und Ausland. Aufbaus der Filmsammlung liegen auf Zur Zeit umfasst die Filmsammlung

78 etwa 1.300 Titel in den Formaten 8 mm, 9,5 mm, 16 mm und 35 mm sowie meh- rere hundert Video-Bänder und -Kasset- ten in unterschiedlichen Formaten. Kinemathek im Ruhrgebiet

FilmArchiv für die Region Paul Hofmann Amtsgerichtsstraße 32 47119 Duisburg Tel.: 0203 89903 Fax: 0203 88309

Dreharbeiten zu „Kohle über Draht“/„Strom im Verbund“, Brauweiler, ca. 1965/66 Foto: MONTA-Film/Slg. Kinemathek im Ruhrgebiet, R 24-1,

79 Kommunalverband fil zu schärfen und die Identifikation der Ruhrgebiet Bevölkerung mit ihrer Heimat zu stärken. Seit seiner Gründung unter dem Namen Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) wächst die hauseigene, der Öffentlich- keit zugängliche Bibliothek des KVR und weist inzwischen einen Bestand von ca. Der Kommunalverband Ruhrgebiet ist 75.000 Medien auf, die sich aus 60% die einzige gesetzliche Klammer des Fachliteratur und 40% Ruhrgebietslitera- Ruhrgebiets und erbringt als größter Re- Verbandsgebäude des KVR an der Kronprinzenstraße in tur zusammensetzen. Das Angebot wird gionalverband in Europa seit dem Jahr Essen durch 220 Zeitschriften der verschieden- Foto: Joachim Schumacher 1920 unverzichtbare Dienstleistungen sten Fachrichtungen ergänzt. Der KVR be- für die Weiterentwicklung des Reviers. sitzt ebenfalls eine umfängliche Samm- Ihm gehören die elf kreisfreien Städte sellschafter zahlreicher regionaler Dienst- lung von Fotografien des Ruhrgebiets. Bochum, Bottrop, Duisburg, Dortmund, leistungsunternehmen in den Bereichen Darüber hinaus sind 116 historische Filme Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Umwelt, Kultur und Tourismus. Zum vier- zur Region im KVR archiviert. Herne, Mülheim an der Ruhr und Ober- ten Mal beteiligt sich der KVR als Mitver- hausen sowie die Kreise Ennepe-Ruhr, anstalter und -organisator an Industrie- Kommunalverband Ruhrgebiet Recklinghausen, Unna und Wesel an. Film Ruhr. Der Verbandsdirektor Zu seinen vornehmlichen Aufgaben ge- Im Rahmen seiner regionalen Öffentlich- Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit hören: Raumentwicklung, Landschafts- keitsarbeit und Landeskunde liegt sein In- und Regionalmarketing planung, Freiflächensicherung, Freizeit- teresse in der regionalen und überregiona- Kronprinzenstraße 35 angebote, Abfallentsorgung sowie Re- len Verbreitung von Informationen über 45128 Essen gional-, Kultur- und Tourismusmarketing das Ruhrgebiet und seiner Geschichte mit Fon: 0201 2069-0 im Sinne moderner Öffentlichkeitsarbeit. dem Ziel, Wissen und ein realistisches Bild Fax: 0201 2069-500 Der KVR ist außerdem maßgeblicher Ge- von der Region zu kommunizieren, ihr Pro- www.kvr.de, [email protected]

80 Impressum Bearbeitung: Kerstin Baarck, Hans-Ulrich Berendes, Peter Döring, Michael Farrenkopf, Renate Köhne-Lindenlaub, Manfred Rasch, Birgit Siekmann, Ralf Stremmel, Manfred Toncourt, Horst A. Wessel, Bernhard Wil mer, Herausgeber: Burkhard Zeppenfeld Kommunalverband Ruhrgebiet Der Verbandsdirektor Mitarbeit: Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit Astrid Dörnemann, Ralf Henke, und Regionalmarketing Holger Menne, Herwig Müther Kronprinzenstraße 35, 45128 Essen (Postfach 10 32 64, 45032 Essen) Druck: Tel.: 0201 2069-0 Woeste Druck + Verlag, Essen Fax: 0201 2069-500 Internet: www.kvr.de 1. Auflage E-mail: [email protected] Essen 2003

Projektleitung: Die Schutzgebühr für das Programmheft Burkhard Wetterau (KVR) beträgt 3 Euro

Redaktion: Paul Hofmann (Kinemathek im Ruhrgebiet) Margarethe Lavier (KVR) Kommunalverband Ruhrgebiet Der Verbandsdirektor Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit und Regionalmarketing Kronprinzenstraße 35, 45128 Essen Fon 0201 2069-0, Fax 0201 2069-500 [email protected], www.kvr.de

Historische Filme aus den Archiven: Veranstalter:

■ Archiv der RWE Net AG ■ HOCHTIEF Unternehmensarchiv Die beteiligten Archive, die Essener ■ Archiv St. Antony-Hütte/LVR/ in Kooperation mit dem Filmkunsttheater, die Kinemathek im Rheinisches Industriemuseum Westdeutschen Rundfunk Köln Ruhrgebiet sowie der Kommmunal - ■ Bergbau-Archiv Bochum ■ Mannesmann-Archiv verband Ruhrgebiet ■ Historisches Archiv Aral ■ Stahlinstitut VDEh ■ Historisches Archiv Krupp/ ■ ThyssenKrupp Konzernarchiv Samstag, 22. November 2003, Alfried Krupp von Bohlen und ■ Unternehmensarchiv Marl 13.30 bis 18.00 Uhr Halbach-Stiftung der Degussa AG Sonntag, 23. November 2003, 11.00 bis 13.30 Uhr Filmtheater Eulenspiegel, Steeler Straße 208-212, 45138 Essen