Der Handschlag. Die Affäre Frischenschlager-Reder
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2 DISSERTATION Titel der Dissertation „Der Handschlag. Die Affäre Frischenschlager-Reder.“ Verfasserin Magistra Barbara Tóth Angestrebter akademischer Grad Doktor der Philosophie (Dr. phil.) Wien 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A092 312 Dissertationsgebiet lt. Studienblatt: Geschichte Betreuer: Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb 0 1 Gewidmet meinem Großvater Ladislav. 2 3 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung Seite 6 II. Der „Handschlag“ im wissenschaftlichen Kontext Seite 12 Begriffsdefinition und Rollenverteilung – Skandalmuster in der Zweiten Republik – Die Funktion als Katalysator III. Der „Handschlag“ im Kontext seiner Zeit Seite 18 Reden über die Vergangenheit in der Prä-Waldheim-Ära – Kreiskys koalitionäres Erbe: Die keine Koalition als Kulisse – Walter Reder, der Soldat im “Bandenkampf” – Friedhelm Frischenschlager, das liberale Aushängeschild IV. Der „Handschlag“ im historischen Kontext Seite 40 Walter Reders „Spindoktor“: Schlüsselfigur Stefan Schachermayr – Der Meilenstein für die Reder- Mythologisierung: Die Rückeroberung der österreichischen Staatsbürgerschaft – Ein Vergleich: Wiesenthals Staatsbürgerschaftsakt – Geldflüsse: Überweisungen an den „ehemaligen Kriegsgefangenen“ – Der Mythos Reder verfestigt sich: Interventionen unter Kanzler Josef Klaus – Eingestellte Ermittlungen: Die Akte Reder der Staatsanwaltschaft Linz – Aus Angst, einen Märtyrer zu schaffen: Interventionen für Reder unter Kanzler Bruno Kreisky V. Der „Handschlag“– Die Affäre in der chronologischen Rekonstruktion Seite 112 Skandalmotor ÖVP und zwei befeuernde Terminkollisionen – Das Ende der Mär von der sauberen Wehrmacht – „Es war ein schwerer politischer Fehler“: Koalitionäres Krisenmanagement – Die Affäre im Spiegel der Meinungsforschung – Die Folgen: Hebelwirkung für Haider und Desillusion in der SPÖ – Die ÖVP in Argumentationsnot: Der „Gegenskandal“ Gorton – Historische Argumentationsmuster in der Sondersitzung zur „Handschlag“-Affäre – Epilog: Versteckspiel mit Reder VI. Schlussfolgerungen Seite 168 VII. Literatur- und Quellenverzeichnis Seite 174 Zusammenfassung/Abstract Seite 188 Lebenslauf Seite 192 4 5 I. Einleitung In der wissenschaftlichen Literatur gilt die „Affäre Waldheim“1 als das einschneidende Ereignis, als der Bruch im österreichischen Geschichtsbewusstsein. Die „Affäre Frischenschlager-Reder“ wird zumeist als „Ouvertüre“ oder „Vorbote“2 erwähnt, als „Hinweis“3 darauf, dass „das offizielle Geschichtsbild mit den Erinnerungen und dem heutigen Bewusstsein vieler Österreicherinnen und Österreicher wenig gemein hat“4. Sie wird also als erstes Warnflackern bewertet, in dem die großen Linien der vergangenheitspolitischen Debatten, die auf die „Affäre Waldheim“ folgten, nur angedeutet werden. Ohne Zweifel bereitete die Auseinandersetzung rund um den „Staatsempfang“ für den Kriegsverbrecher Walter Reder den Weg für die „große“ vergangenheitspolitische Debatte, die im Jahr 1986 mit der Waldheim-Affäre entbrennen sollte. Auch vom internationalen Echo liegt die „Affäre Waldheim“ aufgrund der weltweiten Bekanntheit Waldheims als ehemaliger UN-Generalsekretär weit vor der „Affäre Frischenschlager-Reder“, die zwar auch kurzfristig Österreich in die internationalen Schlagzeilen brachte, aber dann auch schnell wieder aus ihnen verschwand.5 Dabei wird übersehen, dass der Fall Reder in der Geschichte der Zweiten Republik einzigartig ist. Für keinen anderen im Ausland wegen schwerer Kriegsverbrechen Verurteilten haben sich die beiden Großparteien derart eingesetzt wie für Walter 1 Vgl. beispielsweise Gehler Michael, „...eine grotesk überzogene Dämonisierung eines Mannes...?“ in: Gehler Michel, Sickinger Hubert (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, Wien München 1995, S. 614-666. 2 Gehler Michael, Österreichische Außenpolitik der Zweiten Republik. Von der alliierten Besatzung bis zum Europa des 21. Jahrhunderts, Innsbruck Wien Bozen 2005, Seite 539. 3 Vgl. Uhl Heidemarie, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluß“, Wien Köln Weimar 1992, S. 438. 4 Vgl. Uhl Heidemarie, Zwischen Versöhnung und Verstörung, a.a.O., S. 438. 5 Vgl. Kober Katharina, Das Bild Österreichs in der US-amerikanischen Presse 1977 – 1985, Diplomarbeit, Wien 2000, S. 5 und S. 156. Kober behandelt in ihrer Diplomarbeit die Affäre Frischenschlager-Reder nicht explizit, erwähnt aber, dass die Affäre einen Wendepunkt in der US-amerikanischen Berichterstattung darstellt. Zuvor dominierte das Thema Kalter Krieg bzw. Ost-West-Konflikt, danach stehen Antisemitismus, Vergangenheitsbewältigung sowie Kunstrestitution (die „wiederentdeckten“ Bilder in der Kartause Mauerbach wurden im Jänner 1985 thematisiert) im Zentrum der Berichterstattung. Eine Studie des Wiener Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft fand heraus, dass 23 Prozent der Artikel der New York Times im Jahr 1985 die Affäre Frischenschlager-Reder und das Thema Antisemtismus betrafen. Vgl. dazu Karmasin Fritz, Das Bild Österreichs in den ausländischen Medien: 1965 – 1986, Baden bei Wien 1986. Laut persönlicher Auskunft Kobers setzen sich diese auf den ersten Blick dramatisch klingenden 23 Prozent aber nur aus einem Bericht (25.1.1985), einer Meldung (2.2.1985), einem Kommentar (3.2.1985: „Indecent welcome“), einem Hintergrundbericht (6.3.1985) und einem Leserbrief (19.3.1985) zusammen. Zum gleichen Schluss unter Bezugnahme auf Karmasin kommt übrigens auch Schröck Alexander, Die US-Perzeption Österreichs in der Détente- und Post-Détente-Ära, in: Rathkolb Oliver, Maschke Otto M., Lütgenau Stefan August (Hrsg.), Mit anderen Augen gesehen: internationale Perzeptionen Österreichs 1955 – 1990, Wien Köln Weimar 2002, S. 35 – 86, hier S. 48. 6 Reder, und das bereits zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht wieder österreichischer Staatsbürger war. Reder wurde das erst wieder 1956. Egal, ob es Anwaltskosten oder Sozialleistungen oder sonstige Hilfestellungen waren: Reder bekam sie. Die oberösterreichische Kriegsgefangenenfürsorge zahlte etwa ab 1952 an ihn, ab 1955 die oberösterreichische Heimathilfe.6 Für Reders beide Anwälte wurden vor dem Militärgericht in Bologna im Jahr 1951 400.000 Lire pro Verfahren ausgelegt, in Summe also etwa 34.000 Schilling.7 Im Vergleich zum medial ungleich gewichtigeren Skandal um Waldheims verschwiegene Wehrmachtsvergangenheit ist die Affäre „Frischenschlager- Reder“ in der öffentlichen wie wissenschaftlichen Rezeption unterbelichtet. Entsprechend spärlich ist die Literatur über die Vorgänge und ihre Protagonisten. Es existiert nur ein Aufsatz in einem Sammelband, der sich vor allem dem Skandal im Jahr 1985 widmet.8 In anderen Werken wird sie im politikwissenschaftlichen9, vergangenheitspolitischen10, außenpolitischen11 Kontext im Zusammenhang mit Waldheim erwähnt oder als Teil der Skandalbiografie der Spätära Kreisky.12 Ähnlich stellt sich die Situation bei der Person Walter Reder dar. Obwohl Reder in rechtsextremen, beziehungsweise ehemaligen Wehrmachtskreisen eine außerordentlich wichtige Rolle spielte und auch zahlreiche einschlägige Werke über ihn erschienen sind, die allesamt revisionistische Hagiografien sind13, und obwohl die Tatsache, dass sich Politiker aller Couleurs über Jahrzehnte für ihn eingesetzt haben, allgemein bekannt ist, ist die wissenschaftliche Literatur über Reders Werdegang und deren späteren, politischen Begleiterscheinungen sehr überschaubar. Abgesehen von einer schmalen, inzwischen überholten Publikation 6 Details dazu im Kapitel IV. 7 Lt. Information vom 17. Mai 1962 mit der Zl.226.219-11/62 unter Bezugnahme auf Zl.174.965-6R8/54, STBKA VII.2 BMAA (1959-1966) Box 38. 8 Trettler Heidi, Der umstrittene Handschlag. Die Affäre Frischenschlager-Peter, in: Gehler Michel, Sickinger Hubert (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, Wien München 1995, S. 592 – 613. 9 Pelinka Anton, Die kleine Koalition. SPÖ FPÖ 1983 – 1986, Wien Köln Graz 1993. 10 Uhl Heidemarie, Zwischen Versöhnung und Verstörung, a.a.O. 11 Gehler Michael, Österreichische Außenpolitik der Zweiten Republik, a.a.O. 12 Kriechbaumer Robert, Zeitenwende. Die SPÖ-FPÖ-Koalition 1983-1987 in der historischen Analyse, aus der Sicht der politischen Akteure und in Karikaturen von Ironimus, Wien Köln Weimar 2008, S. 85 ff. 13 Zu nennen sind Aschenauer Rudolf, Der Fall Reder. Ein Plädoyer für Recht und Wahrheit, Berg am See 1978; Drechsler Robert H., Walter Reder. Der Gefangene von Gaeta. Dokumentation, Wien 1979 sowie Robert H. Drechsler, In memoriam Walter Reder. Dokumente zur Zeitgeschichte, Sonderband. Wien, 1991; Greil Lothar, Faustpfand Walter Reder. Weltbetrug Marzabotto, München 1977 und Schachermayr Stefan, Major Walter Reder. Der Fall des letzten österreichischen Kriegsverurteilten in italienischem Gewahrsam, Wels 1968. 7 des Dokumentationsarchivs aus dem Jahr 198514 existiert nur ein Aufsatz15, der sich vor allem mit seinem soldatischen Lebensweg und den Verbrechen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges in Italien befasst. Die österreichische Rezeptionsgeschichte sowie die Affäre des Jahres 1985 werden nicht behandelt. Eine eigenständige Arbeit, die Reders Biografie, die Geschichte der für ihn erfolgten Interventionen und die damit verbundene Mythologisierung, den Skandal des Jahres 1985 sowie seine vergangenheitspolitischen, politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zusammenführt, fehlte bis dato. Diese Lücke schließt diese Arbeit. Ausgehend vom eigentlichen Skandal, dem umstrittenen Handschlag zwischen dem wegen Kriegsverbrechen