Fußball ist Kultur TÄTIGKEITSBERICHT 2015 Inhalt

Vorwort des Vorstands ...... 4 Fussballkultur Ein Hauch von Olympia Kulturprogramm zur Fußballiade in Landshut ...... 8

DYNAAAMO! – FuSSball ist das Leben Theaterstück des Staatsschauspiels ...... 10

GroSSe Leinwand der FuSSballkultur 8 Internationales Fußballfilmfestival 11mm ...... 13

FuSSball Halleluja! Ausstellung des Bremer Focke-Museums ...... 14 10 Fussball und Gesellschaft Wieder Gegenwärtig Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ in Berlin ...... 18

Wissen, was passiert ist Historisches Bildungsprogramm für die DFB-Junioren-Nationalmannschaften...... 22

Deutsch-israelische FuSSballfreunde Zwei Projekte aus dem Förderprogramm ...... 25 FussballGEschichte 13 18 Der FuSSball, ein Migrant Ausstellung „Von Kuzorra bis Özil“ in Bochum ...... 28

Metropole der FuSSballgeschichte Fussballhistorische Tagungen in der Schwabenakademie Irsee ...... 32

„Die Sportwissenschaft hat sich von der Geschichte weitgehend verabschiedet“ Interview mit Dr. Markwart Herzog ...... 33

Am Ball der Zeit 22 Neue Bücher zur Fußballgeschichte ...... 35 Stiftung Intern Namen und Nachrichten ...... 36 Vorstand / Kuratorium ...... 38 Impressum ...... 39 Titelbild FuSSballspielender Junge in Granadero Baigorria vor einer Wandmalerei, die den argentinischen Nationalstürmer Ángel de María zeigt. Fotograf: Hector Rio/Getty Images 28 3 vorwort Der Vorstand der DFB-Kulturstiftung

Die gesellschaftspolitische Dimension des Fußballs wurde eine Religion ist. Was weit hergeholt klingt, war ernsthaftes schon mit vielen Metaphern beschrieben. Als Spiegel oder Thema mehrerer wissenschaftlicher Tagungen und Ausstel- Brennglas gesellschaftlicher Verhältnisse, als Projektionsflä- lungen. Auch das Theater setzt immer neue historische, che oder Instrument politischer Zwecke. Wahlweise als Ab- soziale oder psychologische Deutungen des Fußballs. Zum lenkung vom oder Schule fürs Leben. Als völkerverbindendes Beispiel die Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden, wie Friedensinstrument ebenso wie als „Ersatzkrieg“ für regiona- unser Bericht über das von und mit Fans inszenierte Stück le und nationale Konflikte. „DYNAAAMO!“ (ab S. 10) zeigt. Dramaturg David Benjamin Brückel versteht die SG , das „neben der Nur eines ist der Fußball nie gewesen, seit er sich Mitte Frauenkirche wohl wichtigste Stadtheiligtum“, als identi- des 19. Jahrhunderts vom Privatvergnügen der englischen Dr. Göttrik Wewer Eugen Gehlenborg Reinhard Grindel Olliver Tietz Willi Hink tätsstiftend für Stadt und Bewohner, und das Stück als eine Vorsitzender Stellv. Vorsitzender Schatzmeister Geschäftsführer Beisitzer Oberschicht zum weltweit populärsten Sport-, Massen- und Parabel auf die historische Nachwendezeit. Auch die Rolle, Medienereignis zu entwickeln begann: unpolitisch. die Teile der Fans bei den sogenannten „Montags-Demos“ Einhergehend mit immer höheren Einschaltquoten, Gehäl- spielen, wird nicht verschwiegen. Das Stück zeigt den Fuß- „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ (ab S. 18) vor dem Berliner andere Bildungseinrichtungen diesen Platz eingenommen. tern und Transfersummen hat auch die öffentliche Wahr- ball und seine Akteure nicht jenseits der gesellschaftlichen Hauptbahnhof nicht nur an eine fast vergessene Generation Dazu gehört zum Beispiel die Schwabenakademie Irsee, nehmung und Bedeutungszuschreibung des „Kulturphäno- Realität, sondern mittendrin. Und manchmal, siehe HoGeSA, jüdischer Sportidole. Sie gab auch Anschauungsunterricht die in diesem Jahr bereits ihre zehnte sporthistorische mens“ Fußball eine noch vor 20 Jahren kaum vorstellbare auch im gesellschaftlichen Abseits. der verheerenden Folgen eines Sports, der seine Spitzenath- Tagung durchführt (vgl. ab S. 32) oder das LWL-Industrie- Dimension erreicht. Themen, die in vielen unserer Eigen- leten im Spiel der Politik wehrlos preisgab, um am Ende selbst museum mit seiner spannenden Ausstellung „Von Kuzorra Apropos: Projekte zur Vermittlung historischer Lehren aus und Förderprojekte im letzten Jahr eine Rolle spielten. mit unterzugehen. Inzwischen beschäftigen sich viele junge bis Özil – Die Geschichte von Fußball und Migration im der NS-Zeit gehören seit Beginn zu unserem Stiftungspro- Leute in der Fanszene mit diesen Themen, verknüpfen Erin- Ruhrgebiet“, in diesem Bericht ab Seite 28. Zum Beispiel bei der Eröffnung der klug kuratierten Aus- gramm. Als sich letzten Sommer tausende jüdische Sportler nerungsarbeit mit antidiskrimi- stellung „Fußball Halleluja!“ im Bremer Focke-Museum aus ganz Europa bei den „European Maccabi Games“ auf nierenden pädagogischen Maß- Wer sich intensiv mit der (ab S. 14), als die Gäste um UN-Sonderberater Willi Lemke dem Gelände der Olympischen Spiele 1936 in Berlin tra- nahmen. Wir empfinden das als Ausstellung beschäftigt, fin- die provokante Frage diskutierten, ob der Fußball heute fen, erinnerte die von der Stiftung initiierte Ausstellung positive Bestätigung unserer det auch Anregungen für das Arbeit. Auch eines Julius Hirsch Ob Spiegelbild, Brennglas Hier und Jetzt. Zu den schö- Preises, mit dem der DFB seit oder Instrument, nen Geschichten des politisch 10 Jahren Engagement gegen nicht leichten Jahres 2015 ge- Diskriminierung auszeichnet. nur eines war der hörte für uns die großartige Und es ist natürlich ein Thema Fußball nie: unpolitisch. Willkommensbereitschaft für die Nachwuchsspielerinnen tausender Amateurvereine, und –spieler des DFB, die im die unbürokratisch ihre Ver- vergangenen Jahr Länderspie- einsheime und Sportplätze le in Israel und der Tschechischen Republik mit historischen für die Opfer von Krieg und Verfolgung öffneten. Diese Bildungsprogrammen verknüpften (ab S. 22). Vereine, viele von ihnen finanziell unterstützt von unseren Kollegen der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Bundes- Auch im Deutschen Fußballmuseum, im Oktober 2015 in liga-Stiftung, sind tolle Belege für einen Fußball, der aktiv Dortmund eröffnet, nimmt dieser Teil der (Fußball-)Ge- Verantwortung für unser Gemeinwesen übernimmt. schichte einen wichtigen Platz ein. Wir freuen uns, dass Wie immer an dieser Stelle wollen wir abschließend ein nach rund siebenjähriger intensiver Planungs- und Vor- herzliches Danke an alle Beteiligten unserer Eigen-, Ko- bereitungszeit, an der auch die DFB-Kulturstiftung bis zur operations- und Förderprojekte sagen. Vor allem die zahl- Gründung der Stiftung Deutsches Fußballmuseum betei- reichen Projektträger mit ihrer Leidenschaft und ihren ligt war, nun ein zentraler Erinnerungsort des deutschen Ideen sowie die Mitglieder unseres Kuratoriums mit ihren Fußballs entstanden ist. Auf eine gute und erfolgreiche konstruktiven und kritischen Anregungen haben es uns Zusammenarbeit! ermöglicht, unseren Beitrag zum sozialen und gesell- In Zeiten, in denen sich die Sportwissenschaft weitge- schaftspolitischen Engagement des DFB und des deutschen hend von der Fußballgeschichte verabschiedet hat, haben Fußballs zu leisten. 5 Fussballkultur

Mehr als 4.000 bayerische Amateurkicker verwandeln am 4. Juni 2015 die Altstadt von Landshut in ein farbenfrohes Stadion der FuSSballkultur. Während die „FuSSballiade“ die ganze Vielfalt des AmateurfuSSballs illustriert, fächern Projekte im Staatsthea- ter Dresden, im Focke-Museum Bremen und beim internationalen FuSSballfilmfestival „11mm“ exemplarisch die künstlerische und kulturelle Palette des Fussballs auf. 8 sind aus allen aus sind Fußballer 4.000 angemeldet. sich haben Mannschaften Vereine.270Vereine.Vieler Trikots aller bunten den mit vom hochoben sich Festmeilespannen FIFA-Fahne.jeder das als tiefer Himmelsblau die über Quer stadt zwischen St. Martinskirche und Burg Trausnitz ist das Alt Trainer,der Zuschauer.in einfach Hier oder Betreuer mit. einfach strahlt begegnet, strahlt. Landshut leuchtet. Landshut Unbea Ein HauchvonOlympia emeinschaftsfest für den für „Gemeinschaftsfest7. verbreitetdas bis Juni, 4. Tage,VierProgramm. vom ist Name der „Fußballiade“– Olympischem Dorf unddemAbenteuer einer Klassenfahrt. Vorfreudeausgelassenezwischen irgendwo ansteckt.Eine mit seiner Fröhlichkeit schnell die Passanten am Wegesrand zum wiese nem hunderte Meter langen Festzug von der ei- in skandierend und Vereinsfahnenklatschend singend, unterMädchenteams.selbstziehen viele gemalten alle Sie auffallend allem, vor Jugendliche und Kinder gekommen, Hochglanzevent des Eur mit Landshut n Bayin ern vonchtet R athaus. Ein buntes Band aus Trikotfarben,aus Band buntesdas Ein athaus. „FuSSdie b R egionen des BayerischenFußball-Verbandsdes egionen m „Fest dem den alliade“ gr oSSen des b Kickerin oder Kicker,oder Kickerin Ob opäischen fuSSb nd jeder, dem manjeder, dem Und Ama Medien st R athausfirst Seile athausfirst a teurfssb tt Ringelstecher . 4.000aual s icker K Mehr s findet alls alls“ - - m S im . funden haben. zusammen, die hier einen perfekten Austragungsort ge- und Ideengeber des Events, die vielfältigen Attraktionen R ball-Spieltag und der Ausstellung des WM-Pokals“, fasst Dr. ein buntes Bühnenprogramm bis hin zu einem Blindenfuß Wettbewerbe,Fußballmesse,Turniere,„Spannende eine verbindet.Eröffnungsfeier olympischen einer Nationen niederbayerischendes Festzuges Einmarschderdem mit diesem anBegeisterung ihrer einfach sich muss schaut, sichter Kinderge- strahlenden die in Werauf. geht Konzept Das Bayerischen Amateurfußball“ einen „Hauch von cha ainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands eine tten mzug anschließen, der charmant die Traditiondie charmant der anschließen, Umzug fuSSb desC hampions allk b ayCluerischen bs ul n Gege turellen -Lea gue -Finales npol setzen Olympia“. zum tief in -

den drei Projekttagen gezählt. dem vorBühne großen der auf Auftritt einen auch sondern Königbauer (Streetart), erhalten nicht nur ein Preisgeld, Luftballonkünstler der und (Songwriting)Stengl von Artisten die KunstprojekteDie einzureichen.fußballnahe und Landshut aus fende Kulturschaf und Künstler Vorfeld im sind Kategorien & Bavaria meets „Fußball ner der Projektausschreibung auf der Festbühne die try-Slam-Wettbewerb werden Poe - einem oder Koreck dia größen wie Donikkl und zu kurz: Neben lokalen Musik nicht kommtKultur die auch Amateurfußball“. nation machstationen für die „Faszi- ten Fußballangebote und Mit der Isar die unterschiedlichs der stattfinden, auf werben Altersklassen aller Turniereanderswo und Vilsbiburg Baierbach, Ergolding, Essenbach, Landshut, in Während alle Teilnehmer ergriffen. das hat Turnhallen,dennochin meist sondernDorf, Olympischen U mehr? man will Wasinstalliert.Niederbayern über Hoch stattlichesein noch Wettergottauch der hat Eröffnung regionale nungs- und Vorbereitungszeit ist es nun gelungen, dieses Pla- Jahrenmehreren Festmeile Nach streckt.der Tiefe die in Bühne großen der von sich das Teamssich, unter FahnenmeerDr.das derblickt Stolz auf Koch ohne Nicht ntergebracht sind die Teilnehmer zwar nicht in einem in nicht Teilnehmerzwar die ntergebrachtsind R athaus. Mehrere 10.000 Zuschauer werden hier an efühl des „Hauptsache-dabei-Seins“ schon früh schon „Hauptsache-dabei-Seins“ des Gefühl roßevent durchzuführen.Großevent auckla e. V.e. (Performance),Gauckla Sebastian Gewin- Clau- U mgebung eingeladen worden,eingeladen Umgebung nd C Ringelstecherwiesedirektan - - - ulture!“ präsentiert. In drei In präsentiert. ulture!“ Olympischen Programm Kunstwettbewerbe zum nd pünktlich zur pünktlich Und Von 1912bis1948 gehörten die Gewinner, Gerald - an den Sport“ gewannan denSport“ erdieGoldmedaille. PseudonymLiteraturwettbewerbam „Odeeiner teil.Mit den durch Erziehung turgeschichtlich ist es stimmig, denn Kultur war jahr war Kultur denn stimmig, es ist turgeschichtlich kul- und sport- AuchPilotprojekts. gelungenen dieses Aspekt nachahmenswerter besonders ein turstiftung unterstützendeDFB-Kuldie für nur nicht ist bekommt, Auftrittgroßen ihren Amateurfußballs des tungsschau Leis dieser Fußballkulturbei regionale die auch Dass

Olympischen de Und der Programm offiziellen zum Literatur, Musik und Malerei, Architektur,Kategorien den in a. u. Kunstwettbewerbe, die gehörten 1948 bis 1912 Vonolympisch. zehntelang körperlichen und geistigen und körperlichen der Vision seiner getreu C ründungsvater PierreGründungsvater oubertin selbst nahm selbst oubertin O ypshn Spiele. lympischen edanken 1912 unter 1912 Gedanken - - -

9 Fussballkultur 10 eins als te. „Es war also nur eine Frage der Zeit, bis wir uns inuns wir bis Zeit, der Frage eine nur also war „Es te. Zeitgeschichselber schreiben- Stoffen und persönlichen ErfahrungenbereichernSpiel, ins Theaterdas neuen,mit persönlichenihre Laienschauspieler als bringen Bürger Dresden.Staatsschauspiel am „Bürgerbühne“ die es gibt Jahren sechs Seit Brückel. Benjamin David Dramaturg der Spiegel ein auch und Gesellschaft sind Theater „Fußballstadienund ist nichtimmer leicht. Dresden von 6 bis 54 Jahren gespielt wird. Hardcore-AnhängernDynamo19 vonvon aterstücks, das The- des Motto das lautet Leben!“ das „Fußballist ernst: 75wirdes Dann Minutenweg. zerknülltenachtlos Becher diewerfen und Bier ihr wortlos leeren Bühne, tretendie be- alt, Jahre zehn Dynamo-Fans,und kleine Zweisechs Schon vor den ersten Worten des Abends gibt es Applaus. Im Thea DYNAAAMO! Fußball istdasLeben sich manches vonresde D ns HoffnungeundÄngsten imWiter2015/16. terstück „D Laienschauspieler YNAAAMO!“ d rte für die gesamte die für Orte a s des S esellschaft“, sagtGesellschaft“, Publik Und das Leben t aa tsschauspiel Dresde n um tief in die Wirklichkeit führen Fans ihrer Fank

des Tr ur ve. Dort aditions findet ver- steht da, voll mit Zetteln. Flüchtlinge suchen Alltägliches: suchen Zetteln.Flüchtlinge mit voll da, steht zum Sakko trägt man Fanschals oder Trikot. Eine Pinnwand ge echtes Leben. Ein bunter Querschnitt aller Altersgruppen, nen Elfenbeinturm der klassischen Kunst, sondern jede Men- der Wende einherging, oder die mit der Jahren, neunziger den Vereinsin des Niedergang sportliche der ist dafür Beispiel Ein betrachten. einander von- getrennt nicht Entwicklungen gesellschaftspolitische noch: „Nach unserem Verständnis lassen sich der Sport und Brückel. so Bewohner“,ihre und Stadt diese für identitätsstiftendwirken Institutionen Beide Dresden. mo tigsten Stadtheiligtum beschäftigen würden: dem S Frauenkircheder neben dem wich- Projektwohlmit einem schauspiel in der in schauspiel DresdnerStaatsam Haus“ „Kleine AufführungWerins zur Zusammenleben derTon rauer wird.“ alltäglichen im auch da fällt, Zeit eine in Fangruppen,die Die Geschichtensollenechtsein,selbstwennunsim Wir wollenvorallem,dassallesauthentischist. Einzelfall malnichtgefällt,wasberichtetwird. G lacisstraße kommt, findet wahrlich kei wahrlich findet lacisstraßekommt, R R obert Schäfer,obert Geschäftsführer DynamoDresden adikalisierung bestimmter nd mehr Und G Dyna- - - R Stadion. dem aus sich kennt Man intonieren.Sprechchöre FankurvenSchauspieler,zwei und abwechselndwie schauer schauerraums. Die Illusion ist perfekt, als beide Tribünen, Zu- die spiegelt Stadiontribüne,gelb-schwarze eine Bühnenbild, Das agieren.Schauspieler die wo und kum Publi - das wo unterscheiden, zu kaum istTheaterraum Im daneben. Menschen zum einen Telefonschlicht ein oder reparierenkann,ihnen der W ein Fahrrad, ein mschulung, Krankheiten und immer wieder ihrem wieder immer Krankheitenund Umschulung, wendegeschichten von Liebe und Heirat, Arbeitslosigkeit, be der Fans ist einfach zu groß. Es sind ihre kleinen Nach- führen den ab, Misswirtschaft und Korruption westdeutscher Manager Westenden in wandern Sammer und KirstenIkonen Die Wendeder Nach blutenVerein Stadtaus.und gemeinsam Dörner,Häfner, Kreischeund umKreisel“ „Dresdner der und abtrotztMeistertitelfünf sauberem Kombinationsfußball dem „Stasiclub“ BF Verein70er-Jahren,den in Trainerals Walter Fritzsch mit renStädten. Seine größte Zeit feiert 1953der gegründete Und die sind in Dresden gefühlt noch extremer als in ande- enttäuschte Hoffnungen. und Liebe bedingungslose Zugehörigkeit, und Identifikation Freundschaftund verbindet: Theater Fußballund einschronik, auch die großen gesellschaftlichen Themen, die Ver der Tiefpunkte und Höhe- die nur Textnicht entfaltet Der Authentizität. schafft Das Laienschauspielern. den mit vonbuch Thomas Freyer entstand unmittelbar Workshopsin K-Block.DrehFlugblätterdirektim - das und Flyer Auch über egisseur Jan egisseur Club fast in den Abgrund. Aber nur fast. Die Lie- ehler suchte und fand seine Schauspieler seine fand und suchte Gehler R eden. „R -Zimmer, Sprachunterricht, jemand, G-Zimmer,Sprachunterricht, efugees are welcome here!“ steht C o. im Europapokalim o.brilliert. änge des Zu- des Ränge

Rivalität, C Berlin

Club -

11 Fussballkultur 12 es aber nicht“, schreibt Theaterkritiker also Theater. Mit anderen Worten: Das muss schiefgehen. Tut seine eigentümliche Wucht verleiht. „Wirkliche Fans spielen verbinden. als Fixpunkt des Lebens, die Vereins- und Alltagsgeschichte dass alles authentisch ist. Die allem, vor wollen Verein.„Wir dem mit einig schnell feld VorTheaterleuteim die sich warenFanszene Darin nicht. gezeichnetenEmpathie viel Fratzemit hässliche der diese Inszenierung die verbirgt ist, Leben Fußballdas weil Und zu ganzSachsen.“ und Stadt Parallelezur eine Augen meinen in ist Das heit. „aber auch extrem solidarisch mit seiner radikalen Minder verdient zu haben.“ das Dresdner Anhängers so: „Bis heute existiert bei vielen Fans des Seele die analysiert Zähne“, gelbe Hals, „Schwarzer Fan-Trilogieder AutorVeitPätzug, folgen. DFB-Pokal dem Spielabbrüche, zeilen. rechnet durch einige seiner treuen Anhänger in die Schlag- Mehrfach wiederauferstanden, gerät der der Süddeutschen Zeitung überrascht. C efühl, etwas Besseres zu sein und etwas Besseresetwas und sein zu Besseres etwas Gefühl, ornelius Pollmer, Süddeutsche Zeitung Wirkliche Fansspielen Das mussschiefgehen. Mit anderenWorten: Tut esabernicht. nd es ist die Kraft ihres Spiels, die dem Stück dem die Spiels,ihres Kraft die ist es Und also Theater. Gleichzeitig sei das Dresdner Publikum eldstrafen und der Ausschluss aus Ausschluss der Geldstrafenund Geschichten sollen echt sein, C Club zuletzt ausge- ornelius Pollmer in

- - Und so ist alles da: Die Pöbeleien der 90er-Jahre gegen der Premiere inder Dresdner Morgenpost. Dynamo-Geschäftsführer erklärt wird“, selbst wenn uns im Einzelfall mal nicht gefällt, was berichtet über einTheaterstück sagen kann. arbeiten. zeitvillen passiert, spürt man diese Bilder im Kopf weiter benachbarten die Dunkelheit der in und wand, zettelübersätender Pinn- an vorbei hat,verlassen Haus“ langen später,noch minuten - ScheinwerfersAber nach beendet. ein junger Hooligan die Szene mit dem Zertrümmern eines TotenstilleDie desPublikums wird erst aufgebrochen, als Bild gemacht von uns. Wir sinddas, was ihrunszuschreibt.“ asoziale Der Pack!letzte das sind historisches als sich Zerrspiegelverwurzeltertief ÄngsteVerletzungen und einer Ein Islamisierung!“ der vor Heimat die schützen Wir digen. vertei- Abendland das die es, sind „Wir entgegen: parolen dem und schon bald schleudert die Parolen die heißen Berlin!“ Juden „Berlin, und Blut!“ „Blut! naaamo, Dynaaamo!“ skandierenden Fans ein grölender Mob. schen Szene wird aus den eben noch leidenschaftlichen „Dy gespensti- einer In Probleme. aktuellen die anderswo,und und ah R est des Landes ihremenschenverachtendenLandes des est Montags C vationen des Publikums, wenn man das „Kleine das man wennPublikums, des Ovationen o., die gewalttätigendie o., nd das ist wahrscheinlich das Beste, was manBeste, was das wahrscheinlich ist das Und pfer empfindenden Opfer Gruppe als Pegida-Marschierer st-Derbies in Erfurt, Aue und und Aue Erfurt, in Ost-Derbies R est. Sie haben euch ein ein euch haben Sie est. R obert Schäfer vorSchäfer obert eneration: „Wir Generation: Gründer Y ebo- - - - - Einmal gil der auf und läuft weiter. Ein Einzelner kann ihn nicht stoppen.“ Den kann man treten, wie man möchte, der steht immer wie- die Welt: „Er ist nicht groß, aber er ist sehr stabil. Wenn man sich gewonnen, 4:0 sogar. Trotzdem steht sein und gespielt Messi gegen 2010 WM der bei hat mannschaft, Friedrich,PremierengastArne wordene Fußballphantasie. minimalen Körperverlagerungen vernascht. Einewahrge- argentinischen Hemd noch und vom Vater gefilmt, seine nalaufnahmen des die ausverkaufteso,fasziniertwie das Haus nichts Doch Fußballphilosophensich. unterMenotti. Luis César parliert er mit Freunden und Weggefährten, Johan Dialogen halbfiktiven In 1986. WeltmeisterValdano, ge Deutschlandpremiere.Jor feiertDrehbuch: Iglesia la de ÁlexStarregisseurs spanischen des Dokumentation die Film“, Der – „MessiLeinwand: der auf immerhin aber da, leibhaftig nicht FußballerZeitbesteunserer wohl der ist am 19. März 2015 präsentiert einen Superstar: Messi. Zwar FußballfilmfestivalsInternationalen 12. Premieredes Die m FuSSb Dem pich FuSSb Große Leinwand der Fußballkultur berschenkel mal ansieht – der hat schon richtig Masse. richtig schon hat der – ansieht Oberschenkelmal nicht t ist Fußball imFilm–einWeg,Kultur insSpielzubringen allfilmfestival“. im grün, und J all. n Berühmten den ahr wird R osario mit Nähmaschinenschrittchen und Genies selbst. Wie er, ein schmächtiges V on weitem on streng d a s C äl o-Trainerder genommen teste Kino Berlins ist der S leuchtende der Urteil: Der Beste der V Gegner schon im n ebenan, olksbühne U18-National- g ar Cruyff, Origi- kein Teppich, , - d a s „Bab chriftzug turstiftung sichseit undengagiert 2009 alsHauptförderer. Weg, Kultur ins Spiel zu bringen.“ Das findet auch die DFB-Kul Fußballwunderbarer – ein istSpiel Film ein im als weitmehr Schmidt aus dem Festivalteam zusammenfassen: „Fußball ist werden. handelt etabliert, in dem gesellschaftliche und kulturelle Themen be- eigenes ein als Fußballfilm der sich hat 11mm Dank undJugendfilmprogramm.Kinder- Kurzfilmwettbewerb „Shortkicks“ und „11minimeter“, einem dem überreicht,Wolfsburgs Naldo Brasilianerdie 11“, dene „Gol- Publikumspreis dem Jahres, Fußballfilm des besten Wahlder wasdazugehört: zumSprachenallem, hinaus.Mit die über Themen und hochzufrieden. „11mm“ lebt von der Vielfalt an TagenfünfFestival-Leiter nach ist Leimbach nie“, Andreas „Das war ein Meilenstein, wir hatten so viele werden. Erfolg einem zu mehr einmal filmfestivalWelt der älteste Fußball und größte inzwischen das lassen filme, Wettbewerbs50 fast darunter Ländern, 16 aus duktionen Hauptstadt.Spartenfestival der beachtliches ein heute ist begann, Filmen 11 mit Leute geisterterjunger filmbe- und fußball- einiger Idee spontane als 2004 Was ylon“, s s ondern ondern Ra n: „11mm – Interna – „11mm lesen: zu zum Festspiel haus der, wie es Jan Tilman Schwab und Birger und Schwab Tilman Jan Oder,es wie V

olkes renzen von Ländern, Kulturenund Ländern, vonGrenzen sen. Da Liebling s Blitzlichtgewitter . Der schlechthin: Gäste wie noch ber 70Pro- Über Geschichten r tionales o te Tep- Genre - - -

13 Fussballkultur Fußballjünger beten in Stadionkapellen, heiraten im Mittelkreis und lassen sich auf Vereins­ friedhöfen beisetzen.

Dem stimmte auch DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg zu, der für die DFB-Kulturstiftung als Ausstellungsförderer ein Grußwort sprach. Immerhin als „Ersatzreligion“ könne Medienstationen nehmen den Besucher mit in die Fuß - man den Fußball aber beschreiben in einer Zeit, in „der balltempel, wo die Fans ihre Choräle anstimmen und ein sich immer mehr Menschen auf das Diesseits, statt des Tor in letzter Minute die „Erlösung“ bringt. Jenseits“ konzentrieren. Und er ist eine Wertegemein- schaft, eine Schule für Fair Play, und damit am Ende der Über sprachliche Metaphorik hinausgehend finden Kirche Religion nicht unähnlich. Dem mochte nach den beiden und Religion heute oft einen ganz konkreten Platz in den „Fußballpraktikern“ auch Dr. Margret Ribbert, Kuratorin Stadien und im Alltagsleben der Fans, selbst im privaten am Historischen Museum Basel, nicht widersprechen. Bereich. Fußballjünger beten in eigenen Stadionkapellen, Dennoch, so Ribbert, mehrere Wissenschaftler hätten auf heiraten im Mittelkreis, bringen ihre Kinder in Kreißsälen Fußball Halleluja! einer Fachtagung der Schwabenakademie Irsee im letzten in Vereinsfarben zur Welt und lassen sich auf Vereinsfried- Jahr festgestellt, dass Fußball „die Religionsdefinitionen höfen beisetzen. durchaus erfülle.“ Zumindest eine sinnstiftende Rolle FuSSball – mehr als ein Spiel, klar. Aber eine Religion? Mehrere internationale Ausstellungen könne man ihm nicht absprechen. Und bei einer Umfrage Die Ausstellung im Focke-Museum ist außerdem um lokale und Tagungen beschäftigten sich zuletzt ernsthaft mit dieser Frage. Auch das Bremer Focke- unter den Besuchern der Ausstellung in Basel habe die Stationen ergänzt, die sich unter anderem mit den „Wundern Hälfte der Besucher die Frage bejaht. von der Weser“, den legendären Europapokal-Aufholjagden Museum stellt mit „FuSSball Halleluja!“ die groSSen Fragen an den FuSSball zwischen Abseits von Werder Bremen gegen Dynamo Berlin, Spartak Moskau und Jenseits Und arbeitet tatsächlich viele überraschende Beziehungen zur Religion heraus. Die Ausstellung „Fußball Halleluja!“, ein Gemeinschaftspro- und Olympique Lyon, und den „heiligen vier Sternen“ der jekt der Stadtmuseen Basel und Amsterdam, gastierte deutschen Nationalmannschaft beschäftigen. Und damit die vom 16. Oktober 2015 bis zum 27. März 2016 im Bremer Kleinsten nicht nur staunen und lernen, sondern auch in „Toni, Du bist ein Fußballgott!“ Was Radioreporter Herbert Ist er es nun, oder ist er es nicht? Der Fußball eine Religi- Focke-Museum, dem Bremer Landesmuseum für Kunst und Bewegung kommen, förderte die DFB-Kulturstiftung beson- Zimmermann im Überschwang seiner Reportage des le- on? Sechs Jahrzehnte nach Zimmermanns Entschuldigung Kulturgeschichte. Die Ausstellung geht in neun multimedi- ders den Erlebnisparcours „Focke kickt!“, in dem Kinder und gendären „Wunders von Bern“ am 4. Juli 1954 über eine wurde diese Frage bei der Eröffnung der Ausstellung „Fuß- alen Stationen Mythen und Fußball-Legenden auf die Spur Jugendliche ihr Wissen, aber auch ihre Fähigkeiten am Ball Parade von Torhüter Toni Turek herausrutschte, wurde ball Halleluja!“ im Bremer Focke-Museum munter disku- und staunt über die Ähnlichkeiten von Ritualen, spielerisch messen konnten. Aber auch mancher ein veritabler Skandal. „Bei aller Begeisterung, das geht tiert. „Fußball ist keine Religion!“, legte sich Schirmherr

Reliquien und überirdischen Ereignissen Erwachsene, der sich in der unterhaltsamen all kultur zu weit“, schaltete sich sogar Bundespräsident Theodor Willi Lemke gleich zu Beginn fest. Der Sonderberater des – von der „Pilgertour ins Stadion“ und anspruchsvollen Ausstellung zu Heuss in die Debatte ein. Zimmermann musste sich offiziell UN-Generalsekretärs für Sport im Sinne von Frieden und bis zum „heiligen Rasen“. Voodoo- tief in die metaphysischen Abgrün- entschuldigen. Entwicklung lobte zwar die „segensreiche“ Wirkung von Figuren aus Westafrika treffen de der Fußballkultur begeben hatte, Fußballentwicklungshilfeprojekten weltweit, stellte aber Fu ssb auf europäische Fußballheilige kam bei einigen Schussversuchen gleichzeitig ganz profan fest: „Trifft er den Ball oder trifft und „begnadete“ Profi-Kicker. schnell wieder zurück ins Diesseits. er ihn nicht? Darum geht es.“ 14 15 Einleitungstext

Fussball und Gesellschaft

Im Berliner Olympiastadion, 1936 Schauplatz brauner Propaganda, Trafen sich im Som- mer 2015 jüdische Sportler aus aller Welt bei den „European Maccabi Games“. Die DFB-Kulturstiftung nutzte den Anlass für eine Ausstellung über Sportidole zwischen Erfolg und Verfolgung direkt vor dem Berliner Hauptbahnhof. Auch die DFB-Junio- ren-NAtionalspieler beschäftigten sich in den Gedenkstätten Theresienstadt und Yad Vashem mit den Lehren der NS-Geschichte. für Rassismus? Denn genauso wie uns diese Begeisterung für tollen Fußball verbindet, teilen wir alle die gleiche Er- fahrung der Geschichte. Dass es schlichtweg dumm und furchtbar gefährlich ist, Menschen auszugrenzen.“ Julius Hirsch Walther Bensemann 1892 – 1943 1873 – 1934 Vergangenheit hier, Gegenwart da. Auch die Kamerastate- ments der übrigen Eröffnungsgäste zwischen den locker verstreuten Figuren umkreisen diese Pole. Unter ihnen ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Stiftungskuratorin und Ausstellungsförderin, die nur einen kurzen Fußweg vom Kanzleramt hatte. „Es ist so wenig bekannt über die Ausgrenzung von Juden im deutschen Sport“, begründet die Kulturstaatsministerin. „Dass diese Ausstellung an diesem zentralen Ort zu sehen ist“ und nicht in einem historischen Museum, sei „wie ein Stolperstein, der die Passanten im Vorbeigehen zum Einhalten und Nachden- ersten Mal findet das im Vierjahresrhythmus ausgetragene ken bringt.“ Dass das Konzept aufgeht, zeigt sich, kaum Wieder gegenwärtig Sportfest in Deutschland statt. Auf dem Berliner Olympia- dass die filigran anmutenden Figuren aus transparentem gelände, Schauplatz von Hitlers Olympia 1936. Eine histo- Spezialkunststoff vor dem Bahnhof aufgebaut sind. Ohne Für die deutsch-israelischen Beziehungen war das Jahr 2015 doppelt symbolkräftig. 70 Jahre rische Symbolik, die auch belasten kann, aber nicht muss, Berührungsängste nehmen Reisende mit Rollkoffern, in- nach Ende des Holocausts wurde feierlich das 50. Jahr der Aufnahme diplomatischer Bezie- findet Meyer: „Die Ausstellung vermittelt die gleiche Bot- ternationale Berlin-Touristen und Pendler die Ausstellung hungen begangen. Zwischen Erinnerungsarbeit und lebendiger Gegenwart bewegte sich auch schaft wie auch die Spiele: Wir in Besitz, lesen, machen Selfies eine Ausstellung der DFB-Kulturstiftung in Berlin. sind hier zu Hause!“ Aber wirft mit ihren Handys. die Holocaustvergangenheit Wie uns die Fußball- keinen Schatten über das Tur- So soll es sein. Vorder- und Der Blick von Julius Hirsch geht über die Spree hin zum 17 deutschen Sportidolen. Frauen und Männern, erfolg- nier? „Das sehe ich ganz und begeisterung verbindet, Rückseite der Figuren zeigen Kanzleramt und zum Parlamentsgebäude. Neben ihm stehen reich und populär in ihren Sportarten, die Topriege unter gar nicht so. Die Vergangenheit teilen wir auch die die Sportler zwischen den Gottfried Fuchs, der einmal im Länderspiel gegen Russland Deutschlands Sportstars. Bis 1933. Bis sie als Juden ver- wird uns immer begleiten. Sie existenziellen Extremen ihrer zehn Tore schoss, und Walther Bensemann, Gründer zahl- folgt, vertrieben und vernichtet wurden. wird nie vergessen, aber sie gleiche Erfahrung der Lebens- und Sportbiografien, reicher Traditionsvereine und des „Kicker“, der Mann, der steht heute nicht mehr zwi- Geschichte: dass es zwischen Erfolg und Verfol- dem DFB seinen Namen gab. Auch Helene Mayer ist da, die Ausstellung mit Botschaft: schen uns. Wir leben in einer gung. Vorn eine Ganzkörper- Fecht-Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Die Ringer-Euro- „Wir sind hier zu Hause!“ globalisierten Welt. Wir hören schlichtweg dumm und aufnahme in wettkampftypi- pameister Julius und Hermann Baruch und Emanuel Lasker, dieselbe Musik, sehen diesel- scher Haltung, stark, auf dem 27 Jahre ununterbrochen Weltmeister, für viele das größte Alon Meyer, Präsident des jüdischen Sportverbandes Mak- ben Filme, schauen denselben furchtbar gefährlich ist, Höhepunkt ihrer sportlichen all un d g esellschaft Schachgenie aller Zeiten. kabi Deutschland, ist bei der Eröffnung aufgekratzt und Fußball. Am Strand von Tel Aviv Menschen auszugrenzen. Vita. Die Figurenrückseiten voller Vorfreude. In drei Tagen beginnen die „European tragen die Leute heute Trikots Alon Meyer, hingegen erzählen die bis Wer zwischen Ende Juli und Anfang August 2015 den Ber- Maccabi Games“, das größte jüdische Sportevent Euro- von Özil oder Müller – so wie heute unfassbaren Leidensge- Fu ssb Präsident Makkabi Deutschland liner Hauptbahnhof Richtung Regierungsviertel verließ, pas, die Europameisterschaften des jüdischen Sports. 19 auch in Berlin oder Istanbul. schichten in Nazideutschland. begegnete den überlebensgroßen Foto-Silhouetten von Sportarten, über 2.300 Teilnehmer aus 20 Ländern. Zum Wo ist da eigentlich noch Platz Julius Hirsch wird in Auschwitz 18 19 Nelly Neppach 1898 – 1933

Gottfried Fuchs 1889 – 1972

genommen, weil sie mit der vermeintlichen körperlichen folgung virtuell im Herzen der Stadt aufläuft, steht dieser Minderwertigkeit der Juden ein beliebtes antisemitisches Stadt und diesem Land gut zu Gesicht.“ Nach dem Abbau Stereotyp der Weimarer Republik widerlegen. der Figuren auf dem Berliner Washingtonplatz und einer Stippvisite auf dem Berliner Olympiagelände bis Januar Trotz dieser interessanten (sport-)historischen Fakten ist 2016 sucht er mit den Förderpartnern, u. a. der Stiftung Er- die Wirkung der Ausstellung natürlich auch und vor allem innerung, Verantwortung Zukunft (EVZ) und der Deutsche eine aktuelle: „Dass 70 Jahre nach dem Holocaust mitten Bahn Stiftung, ein Nachnutzungskonzept. Fortsetzung also in Berlin jüdische Europäer Sport treiben und feiern kön- nicht ausgeschlossen, vielleicht schon bald auf anderen nen, ist ein starkes Zeichen“, freut sich Teichler: „Und auch Plätzen der Republik. das jüdische ,Dream-Team‘, das nach Vertreibung und Ver-

Sportgeschichte in Comicform. Die JEWISH ALLSTARS laufen auf! ermordet, die Cousins Alfred und Gustav Felix Flatow, geführter Ausstellungen. „Die Stiftung und die Beauftragte Als künstlerische Ergänzung und Vertiefung der Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ vom Turn-Olympiasieger, sterben in Theresienstadt. Flucht oder der Bundesregierung für Kultur und Medien kamen ein knap- 27.07. – 05.08. auf dem Berliner Washingtonplatz initiierte und finanzierte die DFB-Kulturstiftung gemein- Tod sind die einzigen Alternativen. Wer mehr erfahren will, pes Jahr vor der Makkabia mit der Idee zu uns. Schnell kris- sam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien das Kartenset JEWISH ALLSTARS. den führt sein Handy über QR-Codes zur Online-Ausstellung tallisierte sich das Konzept im öffentlichen Raum heraus. Wir Der von Stephan Felsberg und Tim Köhler vom Institut für angewandte Geschichte in Frankfurt/Oder he- rausgegebene Kartensatz trägt die künstlerische Handschrift des Illustrators Thomas Gronle. Er hat www.juedische-sportstars.de. Neben den ausführlichen Bio- wollten nicht den klassischen Museumsgänger ansprechen.“ die 17 jüdischen Sportlerinnen und Sportler auf Grundlage von Originalfotos portraitiert und zeigt sie grafien findet sich hier auch ein Aufsatz zurG eschichte des im Moment ihres Erfolgs. Die Kurztexte auf den Rückseiten thematisieren oft die „Kehrseite der Me- jüdischen Sports vor und nach 1933 von Prof. Hans Joachim Viele der zufälligen Bahnhofspassanten seien vor allem daille“ – die Verfolgung. Zudem setzt die kompakte, 58-seitige Begleitpublikation von Sporthistori- Teichler. über die Zahl der deutsch-jüdischen Sportidole erstaunt ker Hans Joachim Teichler die Geschichte jüdischer Athletinnen und Athleten zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus in den Kontext ihrer Zeit. Sie beleuchtet den Sport in seiner Umkehr von einer gewesen, so Teichler, aber sie entsprach durchaus ihrem „Integrationsmaschine“ zum Ausschlussinstrument ab 1933. „Die European Maccabi Games waren für uns Anlass und statistischen Vereinsanteil der sportbegeisterten 20er: Ausgangspunkt für die Ausstellung“, erläutert Teichler, ne- „Vor 1933 ist die Mehrzahl der deutlich in die Zehntausende ben Dr. Berno Bahro (Potsdam), Prof. Lorenz Peiffer und Dr. gehenden jüdischen Sportler gut in die paritätischen Sport- all un d g esellschaft Henry Wahlig (beide Leibniz Universität Hannover) der wis- clubs integriert. Zum Beispiel eine Lilli Henoch, mehrfache senschaftliche Leiter, Entstehung und Konzept der Ausstel- Leichtathletik-Weltrekordlerin, oder die Tennis-Meisterin Die ungewöhnliche Publikation zwischen lung. Der emeritierte Professor für Sportgeschichte an der Nelly Neppach aus Berlin. Auch die Fußballclubs, oft von Sportgeschichte, politischer Bildung und

Fu ssb Universität Potsdam ist Gründungsmitglied des Zentrums jüdischen Kaufleuten oder Studenten gegründet, sind Hei- Comickunst kann über die Bundeszen- trale für politische Bildung gegen einen deutsche Sportgeschichte Berlin/Brandenburg, dem Initiator mat für viele.“ Dennoch: Ende der 20er-Jahre werden die Unkostenbeitrag von 1,50 € bestellt werden. vieler, auch mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung durch- internationalen Erfolge sehr wohl auch deswegen wahr- 20 21 Wissen, was passiert ist. Die U18-Nationalmannschaft kommt jeden Dezember zum Fußballspielen nach Israel. Vier-Länder-Turnier, drei Spiele, Training. Und mehr. Seit 2008 haben mehr als 150 junge Nationalspielerinnen und Nationalspieler Israel besucht. Gekickt, gelernt, sich mit Land und Leuten beschäftigt und mit der Vergangenheit. Die DFB-Kulturstiftung organisiert ein historisches Begleit- programm, Vorträge, Handreichungen, Besuche. Morgen folgt das Spiel gegen die israelischen Altersgenossen, mit denen sie dann, am freien Mittwoch, gemeinsam die Ho- locaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besuchen. „Begegnungen zwischen Israel und Deutschland sind wich- tig“, sagt Dr. Rainer Koch, 1. DFB-Vizepräsident und Leiter einer begleitenden Delegation, als die Spieler Kränze am Denkmal für Janusz Korczak niederlegen, „Die Reise nach Israel bietet unseren Junioren-Nationalspielern wertvolle Erfahrungen für ihre persönliche Entwicklung.“ Fußball – „Ablenkung im Wissen, was passiert ist Wartesaal auf dem Weg Holocaustüberlebende hier. Einige finden die Kraft des Er- zur Hölle“ Seit 2008 entwirft die DFB-Kulturstiftung historische Bildungsprojekte der Erinnerungskul- zählens, auch wenn es sie, wie Zvi Cohen, jedes Mal von tur für die DFB-Junioren-Nationalmannschaften, 2015 in den Gedenkstätten von Yad Vashem neuem aufwühlt, das Erlittene zu vergegenwärtigen. „Zwei Theresienstadt, 23. Juni 2015. U21-Europameisterschaft in und Theresienstadt. Ziele treiben mich an“, richtet er einen Appell an die Mann- der Tschechischen Republik. Dort, wohin der junge Zvi und schaft: „Ein Ziel ist euer Verstand, das zweite euer Herz.“ seine Eltern deportiert wurden, erläutert heute der Histo- Die junge Generation, insbesondere als Nationalspieler und riker Stefan Zwicker im Auftrag der Stiftung der U21-Ver- Behutsam wird das Stückchen Stoff weitergereicht. Von gelben Stern zu tragen. Nicht locker irgendwo am Arm, nein, Botschafter eines Landes, halte Deutschland in den Händen. tretung um Sportdirektor Hansi Flick die Geschichte des Hand zu Hand. Jeder Spieler will es einmal berühren, nur festgenäht an der Jacke. Ein weithin sichtbares Zeichen: Ich „Wenn man weiß, was passieren kann und wie es passiert ist, Schauplatzes. Ab 1941 war das Lager eine Durchgangsstation kurz. Der, dem es gehört, sitzt vor der Mannschaft und bin ein Jude, also: ein Aussätziger, wertlos. Einer, dem man seid ihr diejenigen, die im Stande sind, so etwas in Zukunft in die östlichen Vernichtungslager. Von den 157.000 hierher erzählt. Aus einer Zeit, in der dieser gelbe sechseckige alles antun darf. Für den kleinen Zvi zu viel: Er schließt sich zu verhindern.“ deportierten Juden erlebten nur 4.136 die Befreiung. Stern, den früher jedes Kind in Deutschland kannte, den ein, verlässt die elterliche Wohnung nicht mehr. Zwei Jahre Unterschied ausmachen konnte zwischen Leben und Tod. lang. Jahre, die er mit Musik überbrückt, mit der geliebten „Jude“ steht in seiner Mitte geschrieben. Mundharmonika. Schließlich kommen sie doch in die Woh- nung, um ihn abzuholen, die SS-Männer, selbst fast noch Zvi Cohen, 85, der Mann mit dem Davidstern, wählt seine Jungen wie er. Er hält sie fest, spielt ihnen Volkslieder vor, Worte mit Bedacht. Er hat seine Lebensgeschichte schon oft so lange bis seine Eltern zurückkehren und sie nicht einzeln erzählt. Und auch an diesem Dezemberabend im Herods Ho- deportiert werden. Das Ziel heißt Theresienstadt. tel Herzliya, im Quartier der deutschen U18-Nationalmann- Zvi Cohen wirkt jünger als 85. Deutsch, die Sprache sei- all un d g esellschaft schaft nördlich von Tel Aviv, zieht sie die Zuhörer in ihren ner Kindheit, spricht er nur, wenn die Gruppen kommen, Bann. Wie sich für ihn, den Berliner Jungen, plötzlich alles Schüler, die seine Geschichte hören wollen, oder heute die

ändert. Wie er sich nicht mehr mit seinen Freunden treffen, Nationalspieler. Er und seine Eltern gehören zu den weni- Fu ssb

in den Park gehen, mit der Straßenbahn fahren darf. Wie gen Überlebenden von Theresienstadt. Sie bauen sich nach Die U18-Nationalspieler in der Gedenkstätte Yad Vashem (oben) er, seine Eltern und Verwandten, gezwungen werden, den 1945 ein neues Leben in Israel auf. Heute leben rund 180.000 und im Gespräch mit Delegationsleiter Dr. Rainer Koch (links) 22 23 Deutsch-israelische Fußballfreunde Der 50. Jahrestag deutsch-israelischer Diplomatie schuf viele Treffpunkte für

In der Gedenkstätte Theresienstadt (von links im Vordergrund): Menschen aus beiden Ländern. Auch auf dem FuSSballplatz, wie zwei Projekte aus DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann, Uwe Harttgen (DFL) und DFB-Sportdirektor Hansi Flick dem Förderprogramm der Kulturstiftung zeigen.

Aber auch hier wurde Fußball gespielt im Innenhof der Großeltern. „Es ist unsere Aufgabe, dass das niemals „Dresdner Kaserne“. Die „Liga Terezin“ war ein lagerin- vergessen wird“, fasst DFB-Vizepräsident Ronny Zimmer- Treffen, Tanzen, Fußballspielen mann als Leiter der Delegation zusammen, „Reisen wie ternes Turnier der Gefangenen, Fleischer gegen Elektri- Norbert Kron und Amichai Shalev lernten sich 2008 bei einem Spiel der Au- ker, Jugendfürsorge gegen Gärtner. Sechs gegen sechs, diese sollten zwingender Bestandteil der künftigen Arbeit toren-Nationalmannschaft kennen und schätzen. Seitdem haben sich der auf sandigem Grund. Der Fußball trägt zur Ablenkung des DFB sein.“ deutsche und der israelische Schriftsteller nicht aus den Augen verloren, und Ruhe bei – und zur Be- veröffentlichten 2015 sogar gemeinsam die viel beachtete Anthologie „Wir ruhigung nach außen: In Wie in der Gesellschaft, so vergessen nicht, wir gehen tanzen“ im S. Fischer-Verlag. Beim gleichnamigen einem Propagandafilm des im Fußball. Gedenkstätten Symposium im April 2015 kickten beide schließlich in einem gemeinsamen Regimes sind Kinder zu se- setzen in ihrer Erinnerungs- Team. Gegen die Schüler des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Berlin-Neukölln. „Ich hen, die den Teams zujubeln. Reisen wie diese arbeit zunehmend auf per- glaube, dass solche Projekte weit mehr zur Völkerverständigung beitragen als Eine einzige Täuschung, er- sollten zwingender sönliche Lebensgeschichten. die Diplomatie. In Israel kommen Juden und Muslime eigentlich kaum in Kon- läutert Zwicker, nur Wochen Zeitzeugengespräche und takt, daher ist es für mich auch etwas ganz Besonderes.“, resümierte Shalev später sind alle Filmmit - Bestandteil der fußballnahe Biografien wie nach der mehr als vierstündigen Begegnung mit den Schülern, unter ihnen auch einige Spieler mit palästinen- sischen Wurzeln. Weitere Programmteile des von der DFB-Kulturstiftung unterstützten Symposiums: Lesungen, wirkenden tot, verhungert, die von Nationalspieler Juli- künftigen Arbeit des Diskussionen, auch ein Disco-Abend samt israelischem DJ. Berlin ist heute die unter jungen Israelis beliebteste erkrankt, nach Auschwitz us Hirsch, 1943 in Auschwitz europäische Metropole. Beleg dafür, dass die deutsch-israelischen Beziehungen in einer natürlichen popkulturellen deportiert. Dennoch: Das DFB sein. ermordet, erreichen junge Gegenwart angekommen sind. Fußballspiel ist für die Ge- Leute nachhaltig und inten- Ronny Zimmermann, DFB-Vizepräsident / fangenen ein kurzer Licht- siv. Zwicker hat der Mann- blick der Menschlichkeit, Delegationsleiter U21-Nationalmannschaft schaft im österreichischen wie Paul Mahrer, früherer Trainingslager einige davon Eine Reise zu Freunden tschechischer Nationalspie- erzählt. Die Spieler, so Trai- Als der Hobbyforscher Christoph David Schumacher vor zwei Jahren das ner , sollten etwas lernen über die Orte, ler und Spielertrainer des „Fleischer-Teams“, sich später ehemalige Stadion von Bar Kochba Leipzig auf einer überwucherten Gelän- erinnert: „In der Unsicherheit, in der man wusste, dass wo sie spielen: „Die historischen Hintergründe des Gast- debrache wiederentdeckte, glaubte ihm zunächst nicht einmal die Stadtver- man innerhalb von zwei oder drei Stunden für den Trans - geberlandes der EM spielen eine wichtige Rolle für uns.“ waltung. Schumacher begab sich auf die Spuren früherer Bar-Kochba-Spieler port bereit sein musste, war der Fußball wie ein Strei - Und so erfuhren ter Stegen, Can, Kimmich & Co. auch etwas und fand tatsächlich ihre Nachkommen in Holland und den USA. Darunter cheln und eine Zeit der Ablenkung, die wir im Wartesaal über Prag als tschechisch-deutsch-jüdische Fußballmetro- auch Juliette Richter, Tochter des ehemaligen Vereinsgründers Leo Bartfeld. auf dem Weg zur Hölle erleben konnten.“ pole um 1900 und den Deutschen Fußball-Club (DFC) Prag, Mit dem Verein „Tüpfelhausen – das Familienportal e. V.“ lud er sie im Juni 1903 im ersten Finale um die deutsche Meisterschaft. Mit 2015 nach Leipzig zum interkulturellen Fußballbegegnungsfest des „Max- und „Die Erinnerung bleibt“, steht auf dem Kranz, den die dem Fußball aus der Geschichte lernen, eine wichtige und Leo-Bartfeld-Pokals“ ein. Teilnehmer: 16 C-Junioren-Mannschaften, darunter Delegation später auf dem jüdischen Friedhof außerhalb lohnende Aufgabe, auch für die DFB-Nationalmannschaften. ein israelisches Team, Makkabi Frankfurt und der FC Hakoah Zürich. Mit Unter- der hohen Garnisonsmauern hinterlässt. Nur wenige sind stützung des Sächsischen Fußball-Verbandes und der DFB-Kulturstif- all un d g esellschaft Die U21-Nationalmannschaft im Vortrag von Dr. Stefan Zwicker hier bestattet. Kurz vor der Befreiung durch die Rote Ar- tung wurde das Turnier in der Egidius-Braun-Sportschule mit einer Ausstellung, Begegnungsfesten und Stadtexkursionen zu einer der mee mussten die Überlebenden, unter ihnen der 15-jährige großen deutsch-israelischen Jubiläumsveranstaltungen in Sachsen. Zvi Cohen, die Asche von mehr als 30.000 Opfern in den Fu ssb „Eine Reise zu Freunden“, wie die Gäste des FC Hakoah Zürich zu- nahegelegenen Fluss schütten. Beweisvernichtung. Auf ei- sammenfassten. ner der Urnen aus Pappkarton findet Zvi die Namen seiner 24 25 FussballGeschichte

MitEinl deeitmun Dgsteeutschext n FuSSballmuseum öffnet im Oktober 2015 ein wichtiger Erinne- rungsort der FuSSballgeschichte seine Tore in Dortmund. Spätestens seit der Jahr- tausendwende wird die FuSSballgeschichte nicht nur in Titeln und Toren gezählt, sie ist auch ein attraktives Feld der historischen Forschung, Bildung und Wissens- vermittlung. 2015 waren Förderprojekte der Kulturstiftung im LWL-Industriemuseum Bochum und der Schwabenakademie Irsee dafür gute Beispiele. Fußball und Migration haben nach Kohle und Stahl das Leben im alten Ruhrgebiet am meisten geprägt. Fritz Pleitgen, Kurator der DFB-Kulturstiftung

Deswegen ist es auch so erstaunlich, dass das LWL-Indus- triemuseum diese zentralen Kapitel der Geschichte des Ruhrgebiets zum ersten Mal in einer Ausstellung aufgreift. Hier, wo der Begriff „Schmelztiegel“ noch unmittelbar in seiner Doppelbedeutung verstanden wird. Schon vor dem ersten Weltkrieg bildete sich rund um die Berggruben eine Der Fußball, ein Migrant proletarisch geprägte polnischsprachige Bevölkerung von bis zu 400.000 Menschen, dazu 150.000 bis 200.000 Masu- Die Geschichte des FuSSballs im Ruhrgebiet lässt sich auch als regionale Wirtschafts- und ren. In Sichtweite der Fördertürme schlossen die Berg­leute sich zu Mannschaften zusammen und gründeten Vereine, Sozialgeschichte lesen. Kohle, Stahl und Einwanderung sind zentrale Kapitel ihrer Chronik. die noch heute einen guten Klang haben. Eine Generation Unter dem Titel „Von Kuzorra bis Özil“ hat das LWL-Industriemuseum nun erstmals das Ver- zuvor war das Fußballspiel von englischen Ingenieuren hältnis von FuSSball und Migration dargestellt. Entstanden ist eine integrationspolitisch und jüdischen Kaufleuten ins Deutsche Reich getragen hochaktuelle Ausstellung. worden. 1934 gewann mit dem FC Schalke 04 der erste seine Vereine seit Jahren ein zentrales Zukunftsthema, do- Ruhrgebietsclub die deutsche Meisterschaft. Mit Spielern, kumentiert u. a. durch den seit 2007 jährlich vergebenen die selbst einst unter Tage malocht hatten. Später wurde DFB-Mercedes-Benz-Integrationspreis. Fritz Pleitgen war neun Jahre alt, ein Steppke, als der große Fußball, Kohle und Maloche: die Region zu einer Herzkammer des deutschen Fußballs. FC Schalke 04 in seinem Heimatdorf vorbeischaute. Der Der Pott als „Schmelztiegel“ Und gleichzeitig zu einem Experimentierfeld von Migrati- Region im Wandel: Club aus Gelsenkirchen kam zu einem Freundschaftsspiel on, Integration und politischen Ideologien: Kaum waren ins westfälische Bünde. Als Antrittsgage erhielten die Pleitgens Besuch in der Zeche „Hannover“ war für ihn die Jubelschreie 1934 verklungen, entbrannte ein hefti- Auf die „Ruhrpolen“ folgen die Schalker Eier, Speck und Zigarren – in der Nachkriegszeit selbst eben auch eine Reise in die Vergangenheit. Hier, ger Streit zwischen polnischen und deutschen Zeitungen „Gastarbeiter“ die übliche Währung. Der kleine Fritz stand als Zuschauer am Rande von Bochum, wo heute das Westfälische Lan- darüber, ob denn die mehrheitlich aus Ostpreußen stam- am Rand. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie uns Namen desmuseum für Industriekultur beheimatet ist, fuhren bis menden, in Gelsenkirchen geborenen Schalker Spieler nun Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den 20er-Jahren wie Kalwitzki und Tibulski faszinierten. Wir identifizierten 1973 Generationen von Bergleuten unter Tage. Im trutzigen „Polen“ oder „Reichsdeutsche“ seien. bis in die Gegenwart. Unter den 150 Exponaten befinden uns mit Spielern, die wir nie sahen, aber deren Namen Backsteinbau des ehemaligen Maschinenraums ist die Aus- sich auch Bilder, Trikots und Medaillen von Ernst Kuzor- wir uns mit Wonne zulegten, weil sie so schön exotisch stellung untergebracht. Ein Ort mit Symbolkraft. „Fußball Reichlich Stoff für eine Ausstellung also. Der Politikwis- ra und Mesut Özil. Zwei Spieler, die auf den ersten Blick klangen: Rachuba, Kelbassa, Kasperski, Niepieklo, Schan- und Migration“, so Pleitgen bei seiner Eröffnungsrede, senschaftler Daniel Huhn und der Sozialwissenschaftler Welten trennen. Kuzorra, geboren 1905, arbeitete noch als ko oder Kwiatkowski. So kam die Migration auch zu uns.“, „haben nach Kohle und Stahl das Leben im alten Ruhrge- Stefan Metzger hatten schon 2011 die Idee, entwickelten Bergmann. Weltmeister Özil ist Star in den sozialen Netz- all Geschichte erinnerte sich der langjährige ARD-Intendant und Kurator biet am meisten geprägt. Kohle und Stahl haben längst den mit Museumsleiter Dietmar Osses ein Konzept und fan- werken. Dennoch: Beide wurden in Gelsenkirchen geboren, der DFB-Kulturstiftung bei der Eröffnung der Ausstellung Rückzug angetreten. Das Ruhrgebiet wird sich mehr und den mit dem Dokumentationszentrum und Museum über waren Fußballidole ihrer Zeit und stammen aus Zuwande-

„Von Kuzorra bis Özil – Die Geschichte von Fußball und mehr wandeln, geprägt sein von Dienstleistungen aller Art die Migration (Domid), dem Fonds Soziokultur und der rerfamilien. Kuzorras Eltern kamen aus Masuren, die Özils Fu ssb

Migration im Ruhrgebiet“. und – wie bisher – von Fußball und Migration.“ DFB-Kulturstiftung die passenden Förderer. Schließlich ist verließen die türkische Schwarzmeerküste und fanden ihr das Thema Integration auch und gerade für den DFB und neues Zuhause im Ruhrgebiet. 28 29 Als fotografisches Symbol einer erfolgreichen Integrationspolitik geht der Glückwunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Nationalspieler Mesut Özil am 8. Oktober 2010 ins kollektive Gedächtnis ein. Nach den begeisternden Auftritten der von zahlreichen migran- tischen Spielern geprägten Nationalmannschaft bei der WM 2010 entsteht die Aufnahme in der Mannschaftskabine nach dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei in Berlin (3:0), bei dem Mesut Özil ein Treffer gelingt. Ähnliche Biografien finden sich auf den Sportplätzen hier Wappen migrantisch geprägter Vereine - unter anderem seit Jahrzehnten. Nachdem der FC Schalke zwischen 1934 von Genc Osman Duisburg, Croatia Mülheim und Polonia und 1942 sechs Meisterschaften mit seinen „ruhrpolni- Bottrop. Zeugnis zahlreicher migrantischer Vereinsgrün- schen“ Spielern gewann, deren Namen eine Generation dungen der 60er- bis 80er-Jahre, die sich unter den kriti- von Steppkes wie Fritz Pleitgen so faszinierten, folgten nach schen Augen der Fußballverbände zunächst eher zu sepa- 1945 erst die Kriegsflüchtlinge und später die „Gastarbeiter“ rieren als zu integrieren schienen. „Wir kommen ja beide aus Südosteuropa. Kohle, Stahl und Fußball bewährten sich vom Fußballplatz und haben erlebt, dass er ein Brennglas noch bis in die 80er-Jahre als die großen Integrations - der Gesellschaft ist“, sagt Daniel Huhn, und präsentiert in motoren im Pott. Mit Erdal Keser lief in den 80er-Jahren der Ausstellung auch sogenannte „Gastarbeiterpokale“, um 2010 der erste türkische Spieler für Borussia Dortmund auf. die die neu gegründeten Teams zunächst spielten. Erst ab Ilkay Gündogan, Gelsenkirchener der nächsten Genera- der Saison 1971/72 ließ der Westdeutsche Fußballverband tion türkischer Einwanderer, jubeln heute nicht nur die erstmals Ausländer als selbstständige Mannschaften zum Borussia-Anhänger, sondern auch die Fans der deutschen Spielbetrieb zu. 1990 Nationalmannschaft zu. „Aus der Generation Kuzorra ist längst die Generation Özil und Gündogan geworden“, be- Heute, so Metzger, sind die migrantischen Fußballvereine schreibt Pleitgen Wandel und Kontinuität. fester Bestandteil des Ruhrgebietsfußballs, nicht nur die

mehr als 50 türkisch geprägten Vereine. Auch in vielen Seit den späten 1950er-Jahren prägen die „Gastarbeiter“ Aber auch die Amateure kommen in der Ausstellung nicht „Traditionsclubs“ spielen Migranten heute als Spieler, aus Südosteuropa als dritte große Migrationsbewegung das zu kurz. Denn so reibungslos wie die Weltmeistermann- Zuschauer oder ehrenamtliche Mitarbeiter eine wichtige Ruhrgebiet und seinen Fussball. Um „den ausländischen Ar- beitnehmern in diesem Land die Anpassung an unsere Le- schaft mit Khedira, Boateng und Özil glauben lassen Rolle. Der Fußball als gesellschaftlicher Spiegel eines Ein- bensverhältnisse zu erleichtern“, ruft der nordrhein-west- mag, verlief und verläuft die Integration im Fußballverein wanderungslandes. Metzger sieht das Vereinsheim trotz 1960 fälische Minister Konrad Grundmann 1966 das „Turnier um über Jahrzehnte nicht. Den Eingangsbereich schmücken nach wie vor bestehender Konflikte heute als wichtigen den Pokal des Arbeits- und Gesundheitsministers in Nord- rhein-Westfalen“ (im Bild die Trophäe von 1970) ins Leben.

Alfred Pyka ist ein echter Ruhrgebietskicker und Flüchtling. Ende der 40er kommen die Pykas als Kriegsvertriebene zusammen mit Hunderttausenden anderen aus Schlesien. Das Sammelbild zeigt ihn 1958 im Trikot seines Heimatvereins Westfalia Herne, Migration und Fußball – für den er bis 1963 in 268 Oberligaspielen aktiv ist. Höhepunkt der Karriere des athletischen Abwehrspielers, der später für ein Jahrhundert Gesellschaftsgeschichte Schalke 04 und 1860 München in der spielt, ist die Berufung in die Nationalmannschaft zu einem A-Länderspiel 1958 gegen Ägypten.

Die Abbildungen (mit Ausnahme des Fotos von Mesut Özil und Angela Merkel) entstammen dem Begleitbuch zur Ausstellung „Von Kuzorra Auf einem Erinnerungsblatt präsentiert der Rasensportverein bis Özil – Die Geschichte von Fußball und Migration im Ruhrgebiet“ 1927 Herne-Holthausen stolz die Spieler seiner Gründermann- 1940 (Herausgeber: LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum schaft. Zehn der 14 abgebildeten Spieler tragen polnische Nach- für Industriekultur), Klartext-Verlag, Essen, 2015 namen wie Skudlarski, Maczkowiak oder Olejniczak. Sie stammen meistenteils aus den damaligen preußischen Ostprovinzen und malochen auf den umliegenden Zechen „Mone-Cenis“ und „Teuto- „Lernort für Migrationsprozesse“ und als „Kontaktarena“, sellschaftlichen Herausforderungen feststellt: „Was insbe- burgia“. Eine Reproduktion des Erinnerungsblattes hängt bis heute im Vereinsheim, das von den Nachkommen der Gründergeneration in der sich Woche für Woche Menschen unterschiedlicher sondere die Amateurvereine leisten, ist nichts weniger als geführt wird. sozialer und kultureller Herkunft begegnen, sich engagie- ein wertvoller Beitrag zum inneren Frieden und zur sozia- all Geschichte ren und damit „vielfältige Alltagskultur mitgestalten und len Gerechtigkeit. Entfielen diese Bemühungen, hätten wir aufrechterhalten.“ in unserer gediegenen Gesellschaft eine Menge Probleme

mehr. Der Staat wäre gut beraten, die Anstrengungen der Fu ssb

Eine Auffassung, die auch Fritz Pleitgen teilt und mit Blick Amateurvereine gebührend zu honorieren. Das Geld wäre 1900 auf die mit der Flüchtlingssituation einhergehenden ge- gut angelegt.“ 30 31 Interview „Die Sportwissenschaft hat sich von der Geschichte weitgehend verabschiedet“

Als Initiator, Ideengeber und Leiter ist Dr. Markwart Herzog seit fünfzehn Jahren der klu- Metropole der ge Kopf hinter den fuSSballhistorischen Tagungen der Schwabenakademie Irsee. Im Interview spricht der Akademie-Direktor über FuSSballgeschichte zwischen Identifikation, Legendenbil- Fußballgeschichte dung und Marketing, Sepp Herberger in der NS-Zeit und den „Irseer FuSSballhistorikerstreit“.

Dr. Markwart Herzog, 2016 laden Sie zur zehnten sport- Wer Irsee hört, denkt nicht zuerst an Fussball. Und historischen Tagung der Schwabenakademie unter dem doch hat sich die Schwabenakademie Irsee mit ihren Titel „Fußball und Nationenbildung“. Wie finden Sie ei- Dr. Markwart fussballhistorischen Tagungen zu einem zentralen gentlich Ihre Themen? Herzog … Ort der akademischen FuSSballgeschichtsschrei- Wir versuchen, uns neuen Themen zuzuwenden oder schon … ist Direktor der Schwabenakademie Irsee. bung entwickelt, der Wissenschaftler aus ganz Eu- bekannte Themenbereiche in neuem Licht zu zeigen. Wie Nach dem Studium der Philosophie, Theolo- ropa anlockt. 2010 mit der weltweit ersten wissenschaftlichen Konfe- gie und Kommunikationswissenschaft wurde renz und folgenden Buchveröffentlichung über die Erin- er in Religionsphilosophie promoviert. Der nerungs- und Bestattungskultur des Fußballsports. Dieser 57-Jährige veröffentlichte zahlreiche Auf- Die Gemeinde „Markt Irsee“ in Bayerisch-Schwaben ist reiz- lung „Der Ball ist rund“ mehr als 200.000 Zuschauer in den Grenzbereich zwischen Sport und Tod fand auch interna- sätze und Bücher zur Sportgeschichte im voll gelegen. Wer hierher kommt, sucht Ruhe und Natur. Gasometer Oberhausen lockte, und auch der 43. Deutsche tional starken Widerhall. Nationalsozialismus, zu Frauenfußball sowie Oder Bildung. Unter dem Motto „Bildung genießen“ bietet Historikertag eine Sektion „Fußballgeschichte“ anbot. Neuland war auch die Enthüllung eines unbekannten Kapi- Erinnerungs- und Bestattungskultur im Fuß- die Schwabenakademie ein Erwachsenenbildungsprogramm ball, darunter die Studie „Der ,Betze‘ unterm tels im Leben Sepp Herbergers. Einige Nazi-Bonzen haben sowie Kunst, Wissenschaft und Forschung. Ganz in der Tra- Rückblickend war dies so etwas wie der Beginn der akademi- Hakenkreuz“ (2007). jahrelang versucht, ihn abzusägen, da er ihrer Meinung dition ihres Sitzes im ehemaligen Benedikti­nerkloster, zur schen Fußballgeschichtsschreibung in Deutschland, die 2006 nach ein zu defensives Spielsystem lehrte, unpassend zum Barockzeit eines der bedeutendsten Wissenschaftszentren einen ersten Höhepunkt fand. Ausgelöst durch die vom DFB Offensivgeist von Hitlers Blitzkriegstrategie. Überraschen- Süddeutschlands. Heute ein Architektur- und Kulturdenkmal veröffentlichte Studie „Fußball unterm Hakenkreuz“ von Nils derweise hat sich Herberger mit seinem „Defensivfußball“ gehend durchgesetzt. Etliche Vereine haben Havemanns von beeindruckender Ausstrahlung. Havemann entbrannte auf der Konferenz „Fußball im Natio- durchgesetzt. Es macht großen Spaß, neue Themen zum Impulse aufgegriffen und ihre Geschichte in der NS-Zeit nalsozialismus. Kultur – Künste – Medien“ sogar ein echter, ersten Mal zu bearbeiten! erforschen lassen. Und nicht zuletzt wurde dadurch auch Und jedes Frühjahr wird Irsee auch ein wichtiger Ort der der „Irseer Fußballhistorikerstreit“ über die Bewertung der die Vergabe des Julius Hirsch Preises des DFB angestoßen. Fußballkultur. Dann nämlich, wenn Akademiedirektor Dr. Rolle des DFB im Nationalsozialismus. Seit 2009 entwickel- Welche Tagungen und Themen sind Ihnen besonders im Markwart Herzog internationale Wissenschaftler zu den ten sich die jährlich mit Unterstützung der DFB-Kulturstif- Gedächtnis haften geblieben? Sie verfassten als FCK-Anhänger die Studie „Der ,Betze‘ interdisziplinären „Irseer Fußballtagungen“ begrüßt. 1999 tung durchgeführten Tagungen zu einer Institution der Die Tagung über Fußball im Nationalsozialismus 2006, unterm Hakenkreuz“. Kann die Fußballhistoriografie hatte der leidenschaftliche Anhänger des 1. FC Kaiserslau- Fachwissenschaft. Nicht zuletzt die im Kohlhammer-Verlag weil hier die Gegensätze in der Deutung des damaligen eine Wirkung auf den Fußball ausüben? tern die Idee zu dieser Tagungsreihe, als ihm bewusst wur- veröffentlichten Tagungsbände tragen zur Etablierung der

DFB so emotional aufeinanderprallten, dass noch immer Ganz bestimmt, schon allein dadurch, dass die Geschichte all Geschichte de, dass nicht nur der FCK, sondern auch der DFB und viele Fußballgeschichte in der Geschichtswissenschaft bei. Als vom „Irseer Fußballhistorikerstreit“ gesprochen wird. der Vereine ein Teil der Identitätsstiftung ihrer Fans ist. Traditionsvereine kurz vor ihrem hundertjährigen Jubilä- die Akademie vom 27. Februar bis 1. März 2015 die „deutsch- Havemanns Abwendung von der Ideologiekritik und sein Es waren Fans, die sich nach der Havemann-Studie dafür um standen. Mit der Konferenz „Fußball in Kunst und Kultur israelische Fußballfreundschaft“ beleuchtet, wird die unternehmens- und institutionenhistorischer Zugriff auf eingesetzt haben, die Rolle ihrer Clubs in der NS-Zeit zu der Moderne“ lud er zur ersten fußballhistorischen Tagung DFB-Kulturstiftung mit ihren Bildungsprogrammen für die Fu ssb den DFB und die Fußballvereine waren zu dieser Zeit un- erforschen. Gleichzeitig wird die mehr oder weniger glor- in Deutschland überhaupt. Ein Erfolg und Inspiration für DFB-Junioren-Nationalmannschaften in Israel schließlich gewohnt, haben sich aber heute auch international weit- reiche Vergangenheit als Teil der Corporate Identity ver- mehr, zumal im gleichen Jahr die DFB-Jubiläumsausstel- selbst zum Gegenstand der fußballerischen Zeitgeschichte. 32 33 marktet. Aus diesem Geben und Nehmen können wichtige Und die Rolle der Schwabenakademie? Fußballpionier in Wort und Tat Synergieeffekte entstehen. So schreibe ich beispielsweise Wir sind die einzige Institution in Deutschland, die regelmä- seit der Saison 2012/13 für das Mitgliedermagazin des FCK ßig und mit hohem wissenschaftlichem Anspruch solche 1874 wirft der Braunschweiger Gymnasiallehrer Konrad Koch einen aus England mitgebrachten eine Serie von Artikeln über die ehemaligen jüdischen Konferenzen über Fußballthemen anbietet. Natürlich kom- Ball unter seine Schüler. Der Beginn des Fußballs in Deutschland. Die kommentierte Ausgabe Vereinsmitglieder und deren Schicksal im „Dritten Reich“. pensieren wir damit einen universitären Mangel, haben aber von Originaltexten „Konrad Koch – der Fußballpionier“ (hrg. von Malte Oberschelp, Arete Verlag Hildesheim, 2015) zeigen ihn als Mann des Worts, der drei Jahrzehnte leidenschaftlich dafür Auch unsere Frauenfußballtagung 2011 setzte wichtige gleichzeitig auch geholfen, die Fußballgeschichte über ihr streitet, den Fußball als pädagogisch wertvollen Sport zu etablieren. „Wie kann der Fußball ein Impulse. Meine Zeitzeugen-Gespräche mit „Roten Teufe- Mauerblümchen-Dasein hinaus zu einem ernst zu nehmenden deutsches Spiel werden?“ fragt er 1894, und legt 1903 seine Vorschläge für „Kunstausdrücke linnen“ aus den Anfangsjahren hatten zur Folge, dass sich Forschungsfeld zu entwickeln. Der Bonner Historiker Dittmar des deutschen Fußballs“ vor. Wo bislang die englischen Fachbegriffe dominierten, solle es viele Spielerinnen nach über vierzig Jahren zum ersten Dahlmann schrieb vor einiger Zeit, dass wir ein „Pionier der künftig statt „captain“, so Kochs Vorschlag, doch besser „Spielwart (Spielkaiser)“ heißen. Mal wiedersahen. Sie organisieren derzeit ein Treffen Verwissenschaftlichung“ der Fußballgeschichte seien. auf dem Betzenberg. Ist es nicht großartig, wenn das ein unbeabsichtigter Nebeneffekt der sporthistorischen For- Seit Jahren boomt der Markt mit populären Vereins- schung ist?! und Spielermonografien. Ihre Meinung zu dieser Form der „Fußballgeschichtsschreibung“? Am Ball der Zeit Wer Fußball in einer traditionsreichen Akademie neben Grundsätzlich sehe ich das positiv. Allerdings sträube ich Dass FuSSballbücher mehr vermitteln können als Titel, Tore und Aristoteles, Wittgenstein und der Geschichte des Schel- mich als Historiker dagegen, wenn Legenden und Mythen menromans unterbringt, muss schon echter Fan sein. gestrickt werden, wie zum Beispiel die, dass Schalke 04 bis Triumphe, zeigen drei ganz unterschiedliche Veröffentlichungen Wie muss man sich den „Fußballer“ Markwart Herzog weit ins 20. Jahrhundert eine Arbeitermannschaft gewesen aus dem Förderprogramm der Stiftung 2015. vorstellen? Als Spieler beim TV Irsee vielleicht? sein soll. Christoph Biermann hat dazu das Stichwort von Nein, gewiss nicht, dafür bin ich mit meinen 57 Jahren der „Malocherlüge“ geprägt. Oder wenn ich lese, dass der schon zu alt. Mein Interesse gilt der Geschichte, nicht der Nationalspieler und Arisierungsprofiteur Matthias Sindelar Praxis des Fußballsports. Und vielleicht muss ich Sie jetzt aus Wien ein Mann des Widerstands gewesen sei. Da kann Spurensuche Ruhrfußball - enttäuschen: Es ist kein Fußballverein, sondern der Rin- man sich bei Georg Spitaler eines Besseren belehren lassen. ger-Club TSV Westendorf in der Nähe von Irsee, dessen in der jüdischen Schmelztiegel und Wenn die von Ihnen angesprochene „populäre Fußballge- Heimkämpfe in der 2. Bundesliga ich regelmäßig besu- schichtsschreibung“ die aktuelle Forschung rezipiert, sollte che. Die Ästhetik des Ringens fasziniert mich mindestens Vereinsgeschichte Kontaktarena sie vor solchen Mythen der Sportgeschichte geschützt sein. ebenso wie die des Fußballspiels. Nach einem Ringkampf Die Recherchen dauerten fünf Jahre. Dann hatten Prof. Ergänzend zur gleichnamigen Ausstellung veröffentlichte Und wäre eine große Bereicherung der Publizistik. ist meine Stimme jedenfalls stärker angegriffen als nach Lorenz Peiffer und Dr. Henry Wahlig (Universität Han- das LWL-Industriemuseum den Begleitband „Von Kuzorra nover) ein bis dato unbekanntes Kapitel der jüdischen bis Özil – Die Geschichte von Fußball und Migration im einem Fußballspiel – was meine Frau mit sehr gemischten Wer ist Ihr Publikum? Kommen auch „normale“ Fußball- Fußballgeschichte in Deutschland geschrieben. „Jüdische Ruhrgebiet“ (Hrg. Dr. Dietmar Osses, Klartext-Verlag, Es- Gefühlen sieht. fans nach Irsee? Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland“ sen, 2015). Praxisnah und anschaulich beschreibt das Au- Ja, viele, darunter oft echte Fachleute, die selbst einen Wie sehen Sie ganz allgemein die Rolle von Fußball und (Verlag DIE WERKSTATT, Göttingen, 2015) dokumentiert torenteam, wie Fußball und Gesellschaft des Ruhrgebiets Vortrag halten könnten: Führungskräfte von Fußballmu- Geschichtswissenschaft in Deutschland? auf 580 Seiten in lexikalischer Manier die Geschichte von über Jahrzehnte von Einwanderungsbewegungen geprägt seen und -archiven, Studierende, die an Abschlussarbei- rund 200 jüdischen Vereinen in NS-Deutschland. Nach der werden, und wie sie damit umgehen. Auf 218 Seiten wer- Die Sportwissenschaft hat sich, abgesehen von Michael ten sitzen, aber auch Journalisten aus Rundfunk, TV- und Vertreibung der jüdischen Spieler aus den DFB-Vereinen den die wissenschaftlichen Texte und Essays durch mehr Krüger von der Universität Münster, weitgehend von der Printmedien, die gleichsam Wissen tanken möchten. erleben die jüdischen Sportbewegun- als dreißig Objektportraits, Biografien Sportgeschichte verabschiedet. Hier zählt, vereinfacht Bei der Tagung über Frauenfußball waren zum Beispiel gen Makkabi, Hakoa und Schild einen und Workshop-Dokumentationen gesagt, nur noch Trainings- und Ernährungswissenschaft. auch aktive Spielerinnen da. Zur Tagung über die deutsch- jähen Mitgliederzuwachs. Für viele ergänzt. Ein Ruhrgebietsportrait Kein Wunder, dass die wichtigen Veröffentlichungen zur israelische Fußballfreundschaft kam eine 88-jährige Dame, ist Fußball ein letztes Reservat der und ein Fußballbuch, das auch Fußballgeschichte heute von Allgemeinhistorikern stam- Ablenkung, Selbstbestimmung und eine begeisterte FCK-Anhängerin, zusammen mit einer et- Impulse für die aktuelle Integ- men, vor allem Wolfram Pyta und Nils Havemann von der Freude im NS-Alltag. Mit der Reichs­ rations- und Flüchtlingspolitik was jüngeren Begleiterin, die für ein Flüchtlingsprojekt in Universität Stuttgart. Warum? Weil sie es als einzige schaf- pogromnacht und der einsetzenden geben kann. ihrem Heimatverein den Kontakt zum DFB suchte. Letztlich fen, interessante Forschungsprojekte aufzulegen und auch offenen Judenverfolgung findet die- ist es in Irsee ein bisschen wie im Stadion: eine bunte und die nötigen Drittmittel einzuwerben. se „Scheinblüte“ nach fünf Jahren sehr heterogene Mischung von Menschen, die den Fußball ein trauriges Ende. lieben. Und so soll es auch sein. 34 35 Stiftung intern Volles Kulturstadion Eine gute Tradition ist das von der DFB-Kulturstiftung und der Frankfurter LitCam gGmbH jährlich eröff- nete KULTURSTADION vor mehreren tausend Zuschauern am Wochenende der Frankfurter Buchmesse. Ein Highlight des Bühnenprogramms 2015 war die Vorstellung des Buchs „Man muss ein Spiel auch lesen können“ der deutschen Autoren-Nationalmannschaft, einem langjährigen Stiftungspartner. In einem Namen und Nachrichten Kooperationsprojekt mit Borussia Dortmund schrieben 17 Autoren Texte – je einen zu jedem BVB-Heim­ spiel der dramatischen Saison 2014/15. Im Gespräch mit Stiftungskurator Moritz Rinke (Foto, rechts) outete sich auch BVB-Mittelfeldstar Nuri Sahin (2. v. l.) als Fan der Autonama, vor allem einer Erzählung von Klaus Döring, in der das BVB-Trainingsge- lände als futuristisches Fußball-Raumschiff beschrieben wird: „Als ich das gelesen habe, dachte ich mir nur so: Jap, genau so ist es.“

Gruppenbild mit Kanzlerin Es sagt schon etwas über DISCOVER FOOTBALL aus, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel Zeit für ein Gruppenbild nahm. Rund 100 Fußballerinnen aus Ägypten und Argentinien, Tibet und China, Brasilien, Tansania und dem Rest der Welt nahmen mit Vorfreude und etwas nervös im Juni 2015 den Termin mit der mächtigsten Frau der Welt im Kanzleramt wahr. Für viele Spielerinnen aus Südamerikas ärmsten urbanen Metropolen, aus Afrika und Asien, die erstmals ihre Heimat verlassen haben, ein kaum fassba- res Erlebnis. Das Foto soll nachwirken, so Projektleiterin Sonja Klümper: „Die Frauenteams nehmen das Foto mit nach Hause und werden plötzlich in ihrer Arbeit etwas ernster genommen.“ Zum fünften Mal kamen vom 28. Juni bis 5. Juli 2015 Frauen-Mannschaften zum traditionellen Fußball- und Kulturfestival DISCOVER FOOTBALL nach Berlin-Kreuzberg. Auch für die DFB-Kulturstiftung, seit 2010 Förderer des internationalen Netzwerks, das sich über Fußball für Gleichberechtigung und Frauenrechte weltweit engagiert, ein schönes Zeichen der Anerkennung.

Refugees Very Welcome Albert Ostermaier ist nicht nur einer der renommierten deut- schen Gegenwartsautoren und Festivalmacher, sondern auch Gründungskurator der DFB-Kulturstiftung und Torhüter der Autoren-Nationalmannschaft. Logisch, dass er sich als Kura- Post aus Italien tor des „Münchner Literaturfestes 2015“ mit viel Leidenschaft Nach Ende der Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ über jüdische Sportstars für ein Fußballspiel einsetzte. Live kommentiert von Ex-Profi auf dem Berliner Washingtonplatz (ab S. 18) erreichte Ausstellungskurator Prof. Hans Jimmy Hartwig und unter den strengen Traineraugen von Felix Magath kickten am 22. November 2015 bei Joachim Teichler eine überraschende Nachricht aus Italien. Die römische Regisseurin Schneeregen Schauspieler Wolfgang Maria Bauer, die Schriftsteller Georg Martin Oswald, Norbert Kron und Carlotta Piraino, die die Ausstellung auf einem Berlinbesuch vor dem Hauptbahnhof be- Moritz Rinke, Lustspielhaus-Chef Till Hofmann und Dieter Mayer, Vizepräsident des FC Bayern München, sucht hatte, ließ sich durch die Lebensgeschichten von Leichtathletin Gretel Bergmann gemeinsam mit Flüchtlingen umliegender Einrichtungen. Ergebnis: 5:1 für Team Blau mit Ostermaier im und Fechterin Helene Mayer zu ihrem Theaterstück „Golden He“ inspirieren, das im Januar Tor. Der Erlös des von der DFB-Kulturstiftung durch Sachspenden unterstützten Benefiz-Kicks ging an den 2016 im „Teatro della Visitazione“ in Rom uraufgeführt wurde. Verein „Bunt kickt gut“, der sich für Flüchtlinge einsetzt. Zur Lesung traf man sich im Vereinsheim des FC Unterföhring unter dem schönen Titel „Heimat ist auf dem Platz“. 36 37 Vorstand und Kuratorium Vorstand

Dr. Göttrik Wewer Eugen Gehlenborg Reinhard Grindel Olliver Tietz Willi Hink Vorsitzender Stellv. Vorsitzender Schatzmeister Geschäftsführer Beisitzer

Walter Desch Prof. Monika Grütters Christoph Biermann Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Rainer Holzschuh

Kuratorium Präsident des Kulturstaatsministerin Mitglied der Chefredaktion Brüggemeier Herausgeber des Fußballverbandes Rheinland Stellv. Vorsitzende von 11FREUNDE Professor für Wirtschafts-, „kicker“-Sportmagazins Vorsitzender Sozial- und Umweltgeschichte Universität Freiburg

Prof. Dr. Dieter H. Jütting Thomas Krüger Prof. Dr. h.c. Dirk Mansen Albert Ostermeier Impressum Institut für Sportwissen- Präsident der Klaus-Dieter Lehmann Bereichsleiter Arenawelt Schriftsteller, schaft Universität Münster Bundeszentrale für Präsident des der HSV Fußball AG Mitglied der Autoren- politische Bildung Goethe-Instituts Nationalmannschaft Herausgeber: DFB-Kulturstiftung Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main Tel. +49 (0) 69 6788-452 Fax +49 (0) 69 6788-6452 www.dfb-kulturstiftung.de Text, Redaktion & Verantwortlich für den Inhalt: Olliver Tietz Fritz Pleitgen Moritz Rinke Romani Rose Claudia Roth Karl Rothmund Präsident der Deutschen Schriftsteller, Vorsitzender des Zentralrats Vizepräsidentin des Präsident des Mitarbeit: Krebshilfe, Mitglied der Autoren- Deutscher Sinti und Roma Deutschen Bundestages Niedersächsischen Maren Feldkamp ehem. ARD-Intendant Nationalmannschaft Fußballverbandes Bildnachweis: Getty Images, 11mm/Stefanie Fiebrig, 11mm/Sandra Ratkovic, Andreas und Gustavo Hirsch, Archiv Buschbom/Tennis Borussia Berlin, Bayerischer Fußball- Verband, Dana Rösiger/DISCOVER FOOTBALL, David Baltzer, Dirk Bleicker, Heidrun Fleischer, Juliana Krohn, LWL-Industriemuseum – Zeche Hannover, Privatarchiv Familie Fochs, Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V., Schwaben- akademie Irsee, Verlag DIE WERKSTATT, Frank Roesner/Deutsches Fußballmuseum Gestaltung und Produktion: Dr. Albert Schmid Dieter Stumpe Dr. Wolfhardt Tomaschewski B2 Design, Nordring 82 a, 63067 Offenbach, Vorsitzender des Vizepräsident des Präsident des Thüringer Landeskomitees der Bremer Fußball-Verbandes Fußball-Verbandes [email protected] Katholiken in Bayern Gedruckt Auf 100 % Recyclingpapier 38 39 DFB-Kulturstiftung · Otto-Fleck-Schneise 6 · 60528 Frankfurt/Main · www.dfb-kulturstiftung.de