Das Samos Young Artists Festival
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Das Samos Young Artists Festival 09.08.2016 | 4 Min. | Quelle: BR Eine kulturelle Brücke zwischen Asien und Europa, zwischen Einheimischen und angelandeten Flüchtlingen versucht die Schwarz Foundation seit 2013 mit dem Samos Young Artists Festival zu bauen. Am 7. August 2016 wurde das Festival im Amphitheater von Pythagorio mit den Gebrüdern Gerassimez eröffnet, bis 13. August sind noch weitere junge Künstler zu erleben. SENDUNGSSEITE Mehr aus der Sendung Klassik aktuell Film-Tipp: Daniel Hope - Der Klang des Lebens 19.10.2017 | 4 Min. BR-KLASSIK Klassik aktuell Geigenbögen und ihr Klanggeheimnis 19.10.2017 | 4 Min. BR-KLASSIK Klassik aktuell Aktuelles Interview mit der Klarinettistin Sabine Meyer 18.10.2017 | 5 Min. BR-KLASSIK Klassik aktuell Das 07.09.17 Donnerstag, 7. September 2017 DWBE-HP Belichterfreigabe:-Zeit:: 22 Belichter:Farbe: 22 FEUILLETON DIE WELT DONNERSTAG, 7. SEPTEMBER 2017 s gibt viele Wege nach Sa- erste Reihe, wo eine Brüstung die Sicht mos, die nördlichste Insel hemmt, immer allein. der Südlichen Sporaden in Dass das Festival überhaupt existiert, der östlichen Ägäis, wo im ist Chiona Xanthopoulou-Schwarz zu Sommer, der von Mai bis verdanken, einer würdigen Dame mit EOktober währt, die Luft über dem Augenbrauen wie getuschte Fermaten. schlaglöchrigen Asphalt flimmert, sich Sie schwebt zwischen Besuchern und das Gras ermattet Luft zufächelt und Musikern wie ein guter Geist, von de- das blaue Meer weißen Schaum an die nen sich nach Jahrtausenden Kulturge- Strände wirft. Die zurzeit beliebtesten schichte auf der Insel – Pythagoras, so Anreisemöglichkeiten sind einerseits heißt es, habe hier die mathematischen der Flughafen, ein Hupfer von Athen, Grundlagen der Musik entdeckt – ei- zum Beispiel für die Musiker des Samos gentlich viele finden müssten. Dennoch Young Artists Festival. Im August ka- machen sie sich rar. men auf diese Weise Saxofone, Klarinet- Die Inselpräfektur hintertreibt lieber ten, Geigen, Bratschen, Gitarren, Cel- Projekte für erneuerbare Energie, als in los, Flöten und Schlagzeuge in einem die Kunst zu investieren. Ein Klassiker Tanz die Flugzeugtreppen hinabge- die qualmenden Schlote von fossilen wippt, begleitet vorerst nur vom Äch- Kraftwerken eine Bucht neben Bade- zen ihrer Träger. stränden. Pit zum Thema: „Die haben alle Krebs.“ Immerhin haben sich die VON JAN KÜVELER Administratoren erweichen lassen, das Amphitheater zu renovieren, dessen Der andere beliebte Weg führt von Bohlen über die feuchten, kalten Winter der Türkei hinüber, die nah und beinah morsch geworden waren. Es gibt nun drohend aufragt, man meint, in Armes- sogar hübsche kleine Kissen für die leh- länge, dabei ist es doch manchmal zum nenlosen Bänke. Ertrinken genug. Bis zu 500 Besucher Seit acht Jahren finanziert die am Tag erreichen so die Insel oder eine Schwarz Foundation das Festival, das der vorgelagerten Inselchen, wenn es Geld stammt, so weht die Mär durch die ihren Schleppern beliebt, dort die Luft Nacht, vom Ehemann Kurt Schwarz, aus den rachitischen Schlauchbooten zu einem milliardenschweren Pharmamo- lassen. gul. Schwarz bleibt ein Phantom. Die Ein Festivalbesucher, er heißt Pit, den Scheidung liege noch nicht lange zu- wir abends vor dem antiken Amphithea- rück, raunt es an den Tischen, wo in all- ter kennenlernen, wo er murmelt, dass abendlich wechselnden Restaurants Ge- er „fetzigere Sachen“ wie die Flamenco- lage aus griechischen Spezialitäten Bossa-Nova-Melange des Gitarrenduos stattfinden. Café del Mundo lieber mag als kammer- Das ist ein wichtiger Kontext, ohne musikalische Eindringlichkeiten, er- den dieser seltsame Ton in Nodels Re- zählt, wie er mit seinem Schlauchboot, den, irgendwo zwischen Melancholie auf dem er und sein Sohn nachts gern und Apokalyptik, rätselhaft bliebe. Er schlafen, einmal dort vorbeikam, wo die sagt es nie explizit, doch nach zwei Ta- Schiffbrüchigen sich in ihrer Not zum gen, in denen er auf der Bühne ans Mi- Schwimmen entschlossen. Den Meeres- krofon tritt oder vom Esstisch auf- grund – wunderbar klar wie überall in steht, verfestigt sich der Eindruck, die der Gegend – hätten Plastikwesten ge- Zukunft des Festivals sei bedroht. Es säumt, kleine Koffer, Spielzeug, womög- wäre ein Jammer, denn Völkerverstän- lich das ein oder andere Instrument. digung, zumindest unter denen, die Verzichtbare Begleitgegenstände des- den richtigen Pass haben oder ein In- sen, was man das nackte Leben nennt. strument spielen, hört sich selten so Ist es ein Glücksfall oder tragisch, gut an wie hier. ARKO MÄETAMM ARKO dass ein Festival, das sich zu Zwecken M Die schönste persönliche Geschichte des Marketings oder aus Gründen inne- Programmatisch: Der estnische Künstler Marko Mäetamm stellt im Art Space Pythagorion ein Bild mit dem Titel „Summer of War“ aus stammt von Marcelo Amaral, der am rer Überzeugung auf die Fahnen ge- letzten Abend im „Irodion Garden“ am schrieben hat, Grenzen zu überwinden, Tisch sitzt, bei Skordalia und Greek Sa- Mauern einzureißen und Menschen ver- lad. Heute ist der Brasilianer Professor schiedener Herkunft zusammenzubrin- in Nürnberg, sein Deutsch ist brillant. gen, an diesem Ort stattfindet, einem 2008 hat er den Internationalen Robert- Hotspot der Flüchtlingskrise, einem Schumann-Liedwettbewerb gewonnen. Nadelöhr, durch das zwar fast so viele WELTMUSIK Mit der israelischen Sopranistin Talia Arme wie Reiche gehen, bloß dass sie Or hat er vorhin Schubert, Schumann, nicht in den Himmel kommen, sondern Debussy und Schönberg gespielt. Seine in ein Auffanglager, mehr oder weniger Zuletzt ist die griechische Insel Samos durch die massenhafte Ankunft von Kindheit verbrachte er hingegen in völ- auf Nimmerwiedersehen, jedenfalls für Flüchtlingen bekannt geworden. Es gibt dort aber auch ein Musikfestival, das liger Kunstferne, in der brasilianischen die Besucher des Samos-Festivals? Provinz. Über den Organisten in der „Zum Glück sieht man so wenig von Grenzen überwinden will. Wie soll das gehen? Ein Besuch örtlichen Kirche begann seine Karriere, ihnen“, berichtet eine deutsche Dame in die allein vor der atemberaubenden Ku- üppigem Putz, voller Goldstaub und lisse sporadischer Sonnenuntergänge Lidschatten. „Wir hatten noch keine nicht märchenhaft wirkt – weil sie sich Vergewaltigung, und auch am Strand die Armen unsichtbar. Der Türkei-Deal gebracht, einen Performer also jener Ar- Schrillkante des linken.) Einmal spa- kommt auf seine Kosten (Eintritt: fünf ideal ins Bild fügt. wird man von Bauchladenträgern ver- hält nur die wagemutigsten Hasardeure te povera, die mit nichts als den Mitteln ziert ein verirrter Hund vorüber, unten Euro, so viel wie zwei Gyros Pita oder Über die Tage des Festivals, in der Be- schont.“ So sehen es die meisten Expa- nicht von der Überfahrt ab, und die wer- des eigenen Körpers im besten Fall ein am Fuß des hölzernen Halbrunds der ein Paar Strandliegen plus Sonnen- kanntschaft mit den Musikern und Orga- triates hier, die Samos zum Alterssitz den flugs kaserniert, irgendwo da hin- ganzes Orchester simuliert. Seither ist frisch renovierten Bühne. Er verzichtet schirm). nisatoren ist es schwer, nicht in das Mär- erkoren haben, das Urteil ist einmütig, ten in der Nähe von Psili Ammos, dem wieder Ruhe im Karton. auf rebellisches Gebell und verliert sich Das ändert sich anderntags, wenn chen verstrickt zu werden, das hier ein Schattierungen entstehen allein durch angeblich schönsten Strand der Insel. Einziger Störfaktor, während junge, in der Nacht. Herbert Schuch Maximilian Hornung paar Tage im August performt wird. Im- die Grade der Naivität. Abends bei den Darbietungen im Am- maximal mittelalte Interpreten ihre In- In der Pause trinkt man Wasser ge- am Klavier begleitet. Beethovens Sona- mer unwirklicher erscheint mithin die Schauergeschichten von anno dazu- phitheater ist von ihnen nichts zu se- strumente liebkosen, ist das hartnäcki- gen den Durst oder Bier für die emotio- te für Piano und Cello Nummer 3, Opus Realität. Eben hat Amaral noch Schu- mal kursieren, aus dem mythischen Jahr hen. Man habe sie einmal einladen wol- ge Grillengezirpe. Wann es den Tieren nale Elastizität. Die beiden jungen Gi- 69, und Bohuslav Martinůs Pendant manns „Mondnacht“ gespielt, nach 2015, als täglich Dutzende Boote anlan- len, erzählt Daniel Nodel, der künstleri- passt, platzen sie ins Konzert hinein, tarristen von Café del Mundo, Jan Pas- (Nummer 2, H 28) reizen feinsinnige einem Gedicht von Eichendorff. Talia Or deten und sich die Schlange der zaghaft sche Leiter, aber das sei unter anderem zum Beispiel in Maximilian Hornungs cal und Alexander Kilian, spielen mit Geister. In der ersten Reihe sitzt ein hat dazu gesungen: „Es war, als hätt’ der Hoffenden von der kleinen Stadt Pytha- an der abendlichen Ausgangssperre ge- Cellosolo in einer Richard-Strauss-So- den kampferprobten Recken von Qua- sehniger Grieche in Flipflops und Himmel/ Die Erde still geküsst,/ Dass sie gorion bis zum Flughafen erstreckte – scheitert. Auch der Bustransport sei nate, dem am ergriffensten der Musiker dro Nuevo, Mulo Francel und D.D. Shorts, er schlenkert mit den Füßen. im Blütenschimmer/ Von ihm nur träu- immerhin eine 15-Euro-Fahrt für Leute, schwer zu organisieren gewesen. Ein selbst lauscht. (Fun fact: Grillen sind Lowka. Es gibt Chick Corea und Ver- Der künstlerische Leiter Nodel erzählt, men müsst’.“ Zeilen wie Flügelschläge die es sich leisten können. Solcher Musiker aus Israel habe das Lager ein- Rechtsgeiger. Mit der Zahnleiste ihres wandtes, schöne, eigens komponierte der Mann komme seit Jahren jeden eines Schmetterlings, unbeeindruckt Schrecken ist gottlob vorbei. Heute sind