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•• LXX • 2016 • Heft 1/2 Österreichische Zeitschrift für Forschungsergebnisse zur Kunst und Denkmalpflege Kremser HI. Anna Selbstzweit Frühgotische Glasmalerei in der Obersteiermark: Die Bildfenster von St. Walpurgis Bilje, ein Prinz-Eugen-Schloss in Kroatien J. E. Fischer von Erlachs Planungen für die Wiener Hofburg Oskar Strnads Haus Wassermann, eine Inkunabel der Wiener Moderne Der Umgang mit beschlagnahmten Habsburg-Schlössern in der Tschechoslowakei Anwendung von Infrarotthermographie am Beispiel Schloss Eggenberg Dendrochronologie und Dendroprovenancing: Zum Stand der Forschung DENKMAL FORSCHUNG I SCHUTZ I PFLEGE IBml1 Österreichi sche Zei tschrift für K unst u nd D enkma lpflege LXX · 20 16 · H EFT 1 /2 VERLAG BERGER · HORN /WIEN 07 090_103 Schuster_Mudri_master text 03.08.2016 09:30 Seite 90 07 090_103 Schuster_Mudri_master text 03.08.2016 09:30 Seite 91 Martin Mudri / Paul Schuster Röntgenblick in die Vergangenheit Aktuelle Bauforschung und Infrarotthermografie in Schloss Eggenberg dagen, die im Zuge solcher Arbeiten mitgemacht wer- den konnten (Abb. 107). Die Infrarotthermografie (IR) ermöglicht nun einen vollkommen neuen Zugang. Diese nichtinvasive Unter- suchungsmethode ist gerade im besonders sensiblen Bereich des geschützten Baudenkmals ein unschätz- bares Werkzeug für die Forschung, weil dabei auf Ein- griffe in die Substanz, die zwangläufig immer Zerstö- rungen mit sich bringen, verzichtet werden kann. Die gewonnenen Informationen bilden zusätzlich eine höchst präzise Grundlage für alle weiteren invasiven Befundungen. Der Blick hinter Putze oder bemalte Flächen gestattet außerdem eine rasche Visualisierung größerer bauhistorischer Zusammenhänge in einem Gebäudekomplex. 107. Graz, Steiermark, Schloss Eggenberg, Wärmestrahlungsbild Gerade an einem Objekt wie Schloss Eggenberg, dessen Bau- und Nutzungsgeschichte außerordentlich schlecht dokumentiert ist, weil das Grazer Archiv der Fürsten Eggenberg im 19. Jahrhundert fast zur Gänze vernichtet wurde, stellt die Infrarotthermografie eine wertvolle Ergänzung zu den bisher bekannten Befun- den und archivalischen Erkenntnissen dar. Das Ge - bäude selbst bildet dabei die wichtigste Quelle zur Beantwortung offener Fragen. Im Rahmen eines Pilotprojekts der Abteilung Schloss Eggenberg am Universalmuseum Joanneum und der Firma Mudri Messtechnik werden seit 2014 Befundungen der Schlossmauern mittels Infrarotther- mografie durchgeführt. Die ersten Auswertungen er - brachten nicht nur überraschende Ergebnisse zum Vor- 108. Graz, Steiermark, Schloss Eggenberg, Befundung mit der Infrarot-Kamera gängerbau des Barockschlosses, sondern auch eine Fülle neuer Hinweise zum Bauverlauf nach 1625 zur Funktionsgeschichte der fürstlichen Residenz sowie zu Schloss Eggenberg bei Graz mit seiner langen, wech- späteren Veränderungen. selvollen, aber sehr schlecht dokumentierten Bauge- schichte entzog sich lange Zeit der systematischen Bau- forschung. Es gab keine Möglichkeit, seine bis ins Spät- DIE NUTZUNG DER BAUPHYSIKALISCHEN mittelalter zurückreichende Geschichte gezielt und KENNWERTE VON BAUMATERIAL (Abb. 108) methodisch zu untersuchen. Alle bisher bekannten In der Anwendung der Infrarotthermografie lassen Erkenntnisse beruhten daher zumeist auf Zufallsfun- sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Rahmenbe- den, die im Zuge von Umbau- oder Restaurierungs- dingungen unterscheiden. Liegt bei den durch ein maßnahmen ans Tageslicht kamen oder kleinen Son- Mauerwerk getrennten Räumen eine Temperaturdiffe- 91 07 090_103 Schuster_Mudri_master text 03.08.2016 09:30 Seite 92 Martin Mudri / Paul Schuster renz vor, bilden sich die im Mauerwerk befindlichen deten Baumaterialien machte bereits 1942 der Bauhisto - Materialien mit unterschiedlicher thermischer Leitfä- riker und Salzburger Landesplaner Richard Schlegel.1 higkeit auch an ihrer Oberfläche mit einem entspre- Während Schlegel die seltene Möglichkeit der außer- chenden Temperaturverlauf ab. Geringe Temperatur- gewöhnlichen meteorologischen Gegebenheiten er - differenzen der benachbarten Räume bzw. geringe kannte und die wenigen Stunden am Morgen des 25. Unterschiede der thermischen Leitfähigkeiten der ver- Jänner 1942 nutzte, um baugeschichtliche Details ein- bauten Materialien bilden sich auch nur zu geringen zelner Objekte fotografisch zu dokumentieren, erlaubt Temperaturdifferenzen an der Oberfläche ab. Diese die derzeit zur Verfügung stehende Technik auch bei sind entsprechend schwierig zu detektieren bzw. zu ungleich einfacheren meteorologischen Bedingungen interpretieren. Trennt das Mauerwerk Räume mit einer eine entsprechende Befundung durchzuführen. In großen Temperaturdifferenz – zum Beispiel einen gut Abhängigkeit der verwendeten Materialien und der beheizten Innenraum zur kalten Außenluft – und haben Wandstärken sind oft die tageszeitlichen Temperatur- die verbauten Materialien große Unterschiede hinsicht- differenzen dafür ausreichend. Bei massiven Wand- lich ihrer thermischen Leitfähigkeit, bilden sich an der stärken, welche wie in Schloss Eggenberg meist deutlich Oberfläche auch gut messbare Temperaturunter- über 1 m liegen, kann der jahreszeitliche Temperatur- schiede ab. Diese Methode wird in der klassischen verlauf gut genutzt werden. Bauthermografie eingesetzt, um bauliche Mängel wie Die klarsten und kontrastreichsten Thermografie- etwa Wärmebrücken oder mangelnde Luftdichtheit zu aufnahmen konnten in den Monaten April und Mai erkennen und zu dokumentieren. gemacht werden. Dabei zeigten sich Materialien mit Gänzlich andere Voraussetzungen finden sich bei größerer spezifischer Wärmekapazität (z. B. Sandstein der bauthermografischen Befundung mittels Infrarot- oder Bruchstein mit hoher Wärmespeicherfähigkeit) Kamera bei unbeheizten Objekten. Hierbei werden die kühler gegenüber beispielsweise Ziegelmauerwerk mit natürlichen tageszeitlichen oder auch jahreszeit lichen vergleichsweise geringer Wärmespeicherfähigkeit. In Erwärmungen des Mauerwerks genutzt. Bei be heizten Abhängigkeit der Lage des Mauerwerks und einer Objekten sind die Unterschiede in der thermischen eventuellen Sonneneinstrahlung auf das Mauerwerk Leitfähigkeit ausschlaggebend, bei unbeheizten Objek- konnten auch Qualitätsunterschiede bei der Befun- ten sind dahingegen die Unterschiede der spezifischen dung in tageszeitlicher Abhängigkeit gemacht werden. Wärmekapazität der verwendeten Baumateriealien Während der herbstlichen Abkühlung zeigten sich die maßgeblich. Die spezifische Wärmekapazität ist ein im Frühjahr kühl erschienenen Bauwerksdetails ent- Maß für die Wärmespeicherfähigkeit eines Stoffes. Mate- sprechend warm. Bei gleichmäßig durchwärmtem bzw. rialen mit geringer spezifischer Wärmekapazität erwär- abgekühltem Mauerwerk konnten diese Effekte natur- men sich rascher bzw. kühlen auch wieder schneller gemäß nicht zur thermografischen Befundung genutzt ab, während Materialien mit größerer spezifischer Wär- werden. Um bei unbeheizten Objekten auch außerhalb mekapazität sich langsamer erwärmen, bzw. ebenso der beschriebenen Zeitfenster Befundungen durchfüh- langsamer abkühlen. In der Praxis treten die Auswir- ren zu können, bietet sich jedoch die Möglichkeit an, kungen der Wärmeleitfähigkeit und der Wärmespei- einzelne Räume mittels mobiler Heizgeräte zu erwär- cherfähigkeit stets gemeinsam auf. Die Herausforde- men und die zu befundenden Bereiche dergestalt ther- rung besteht darin, die überwiegenden Effekte in misch zu durchleuchten. Die Sensibilität der eingesetz- Abhängigkeit von Material und Umgebungsbedingun- ten Infrarot-Kameras verlangt dabei nur eine Aufwär- gen zur thermografischen Befundung zu nutzen. mung des Mauerwerks von wenigen Zehntel Grad. Eine entsprechende Beobachtung hinsichtlich der Damit kann eine Schädigung der zu befundenen Sub- unterschiedlichen Wärmespeicherfähigkeit der verwen- stanz größtenteils ausgeschlossen werden. Eine weitere 1 Vgl. Richard Schlegel, Baufunde durch Rauhreifbildung, in: Mittei- 6 Vgl. Friedrich Kryza-Gersch, Schloss Eggenberg. Restaurierungen lungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 82/83, 1942/43, und Neuerwerbungen 1972–1975, Graz 1975. – Derselbe, Schloss Salzburg 1943, S. 77–80. Eggenberg. Restaurierungen und Neuerwerbungen 1976–1979, Graz 2 Vgl. zu Schloss Eggenberg: Friedrich Kryza-Gersch, Schloss Eggen- 1979. berg I. Entstehung und geistiges Programm des steirischen Escorial, 7 Hannes P. Naschenweng, Urkunden zur Geschichte der Familie in: Alte und Moderne Kunst 47, 1961, S. 7–10. – Barbara Kaiser, Eggenberg 1400–1499, in: Ich hab das selbig paun lassen. Beiträge Schloss Eggenberg, Wien 2006. – Barbara Kaiser/Paul Schuster, zur Kunst der Spätgotik in der Steiermark (= Joannea, Beiträge aus Schloss Eggenberg. Architektur und Ausstattung, Graz 2016. den Sammlungen des Universalmuseums Joanneum, Beiträge zur 3 Bundesdenkmalamt (Hg.), Institut für österreichische Kunstfor- Kunst- und Kulturgeschichte der Steiermark, neue Folge, Band 02), schung, Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs, Stei- Graz 2011, S. 92, 1464 II 27 Wiener Neustadt. ermark, Wien–München, 1956, S. 124f. – Reinhardt Hootz (Hg.) 8 Vgl. Hannes P. Naschenweng, Ich Walthesar Ekkennperger … .Glück Kunstdenkmäler in Österreich. Ein Bildhandbuch, Steiermark und und Ende eines reicher Grazer Bürgers im 15. Jahrundert, in: Ich Kärnten, München–Berlin 1966, S. 370f. hab das selbig paun lassen. Beiträge zur Kunst der Spätgotik in 4 Dehio 1956 (zit. Anm. 3), S. 125. der Steiermark (= Joannea, Beiträge aus den Sammlungen des Uni- 5 Vgl. Walter Prasch, Alt-Eggenberg. Ein Beitrag zur Baugeschichte versalmuseums Joanneum, Beiträge